von Volker Griese
Bei dem vorliegenden Register handelt es sich um eine leicht revidierte und überarbeitete Version, die unter dem Titel "Karl Mays Korrespondenz, Eine Übersicht in Registern" als "Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft 102/1995" erschienen ist.
Den Herren Hatzig, Heinemann, Ilmer, Roxin und Seybold sei für zahlreiche Anregungen gedankt.
... die bis itzt
Das bißchen Kopf, das sie noch haben,
Geschichtslosigkeit muß ein Ende haben! -
(Arno Schmidt)
zerbrechen sie sich mit solchem Zeuge.
(Georg Christoph Lichtenberg)
Drängte Arno Schmidt schon von Anbeginn seiner öffentlichen Auseinandersetzung mit Karl May auf des Erscheinen einer ausführlichen, mit Daten und Fakten nicht geizenden ungeschminkten Biographie, so hob er im gleichen Atemzug die Bedeutung eines umfangreichen Briefbandes für die Karl-May-Forschung hervor. Über die Jahre sind nun zahlreiche Biographien, sind in beispielhafter Weise Register zu nahezu allen Werken Karl Mays neben noch so manch anderem Bahnbrechenden erschienen, einzig ein Briefband harrt immer noch seiner Entstehung.
Briefe gehören mit zu dem Persönlichsten eines Menschen. Sie lesen heißt, eines fremden Menschen Wesen und Denkart, seine Seelenlage nahegebracht zu bekommen, ihn zu verstehen suchen, seine Art zu leben, sein Temperament, seine Gedanken und Sprache kennen zu lernen - ja, sich das Wesen des Menschen aus seinen Werken selbst herauszulesen. Schon Hermann Hesse forderte im Umgang mit Schriftstellern, daß man sich neben den Tagebüchern vor allem die Briefe auf keinen Fall entgehen lassen dürfe.
Hielt sich früher bei einigen Karl-May-Forschern die Meinung, daß der gesamte Briefbestand für einen Briefband nicht ausreichen würde, so muß heutigentags doch erfreut festgestellt werden, in welch großer Zahl briefliche Äußerungen Karl Mays zur Verfügung stehen. Aus der Fülle der immer unübersichtlicher werdenden Publikationen zum Thema Karl May die verstreut veröffentlichten Briefe, Karten, Telegramme in einem Datengerüst zusammenzufassen und damit einen Überblick und schnelleren Zugriff zu erlangen, ist Anliegen dieser Korrespondenz-Listen. Sie können und wollen einen Briefband nicht ersetzen. Auch kann dieses Register keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da ja längst nicht alle vorhandenen Quellen erschlossen worden sind. Es ist vorgesehen, private Sammler später in einem Aufruf zu bitten, uns Daten und kurze Inhaltsangaben über Briefe Mays, die sich in ihrem Besitz befinden, zu übermitteln. Natürlich denken wir auch bei einer späteren Abfassung an Verlags- und öffentliche Archive. Doch zunächst wollen wir die im Schrifttum bisher veröffentlichten Briefe erfassen.
Aufgenommen wurden Briefe, Karten, Telegramme soweit sie aus der Feder Karl Mays stammen. Nicht aufgenommen wurde der Schriftwechsel aus der Feder der Ehefrauen Emma bzw. später Klara. Sind die Briefe, Karten, Telegramme innerhalb verschiedener Sekundärliteratur veröffentlicht od. zitiert, so wurde nach Möglichkeit das ausführlichste Zitat als Quelle/Standort vermerkt. Sind Zitate verschiedener Abschnitte aus ein und dem selben Brief in verschiedenen Publikationen abgedruckt, so werden mehrere Standorte genannt. In seltenen Fällen werden dort auch nur auf die nackten Daten verwiesen.
Nur ein geringer Teil der Briefe, Karten und Telegramme aus der Feder Karl Mays ist auf die Nachwelt überkommen. Doch nimmt man die in den Jahren mittlerweile vollständig zum Abdruck gelangten Briefe und Karten, so ergibt sich doch eine ganz beachtliche Anzahl. Hinzu kommen unzählige Zitatfragmente in der unterschiedlichsten Sekundärliteratur. Bisher konnten über 600 Daten ermittelt werden.
Wertet man all die uns zur Verfügung stehenden Daten aus - berücksichtigt wurden nur genau datierbare Schreiben (entweder Poststempel oder wo vorhanden Datum der Niederschrift) - so lassen sich einige Einblicke gewinnen. Allerdings ist es dazu erforderlich, zu extrapolieren und die Wahrscheinlichkeitsrechnung (hier speziell die induktive Logik) bezüglich der Aussagekraft zu bemühen, um eine hinreichende Genauigkeit zu erreichen.
In der Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt es das "Gesetz der großen Zahl". Es besagt, je größer die Stichprobe, desto genauer wird die Schätzung, desto genauer entspricht die Verteilung der Werte in der Stichprobe der Verteilung in der Gesamtpopulation. Mit der Anzahl der bekannten Briefe und Karten aus der Hand Karl Mays steht und fällt somit auch die Annahme zur Entwicklung in Mays Korrespondenz sowie weiterer Aussagen. Nun sind Daten nicht alles. Ohne sinnvolle Theorien helfen noch so viele Signifikanzen nicht weiter; die Daten blieben wertlos. Zu berücksichtigen ist ferner: Wer nach irgendwelchen Mustern in Datensammlungen sucht, wird immer auf solche Muster stoßen. Wenn wir nicht nach etwas Bestimmtem suchen, werden wir immer etwas Besonderes finden. So halten wir es tunlichst mit "Ockhams Rasiermesser" (William of Ockham, Scholastiker), welches besagt, daß von zwei gleichwertigen Hypothesen die einfachere zu bevorzugen sei.
Die Verteilungskurve 1860-1912 (Diagramm 1) läßt die langsame Zunahme der Korrespondenz, die mit der wachsenden Popularität des Schriftstellers einhergeht, ab Mitte der 80er Jahre erahnen. Deutlich wird - anders wäre es nicht zu erwarten gewesen - der sprunghafte Anstieg der Korrespondenz zum auslaufenden Jahrhundert. Die Old-Shatterhand- Legende bewirkt unzählige Anfragen nach dem Wahrheitsgehalt der einzelnen Romane, auf die Karl May bereitwillig zu antworten weiß. Höhe- und zugleich Wendepunkt der Popularität bildet die Orientreise mit den immer gleichlautenden, zu Dutzenden versandten Kartengrüßen.
Für den sich Anfang des neuen Jahrhunderts einstellenden Einbruch in der Korrespondenz liefert Karl May gleich selbst die Erklärung: "Für die, denen ich früher schrieb, habe ich keine Zeit mehr. Nur den Aller-, Allerliebsten kann ich zuweilen noch eine Zeile senden..." (an Carl Felber 3.4.1901). Auch wenn das nicht im Einzelfall stimmen mag, so wird doch der Wille Karl Mays deutlich, mit dem Bisherigen zu brechen und einen Neuanfang zu wagen. Erkennbar wird auch, daß, trotz des einsetzenden negativen Urteiles über ihn in der Presse und trotz anstehender Prozesse, die Korrespondenz wieder an Zahl zunimmt. Es findet eine Verlagerung statt. Weniger sind es jetzt die schwärmischen Verehrer wie zu Zeiten der Old-Shatterhand-Legende, als vielmehr Verehrer, die in einen intensiveren Gedankenaustausch mit ihrem Idol treten. Desweiteren nötigen Presse und Prozesse May in stärkerem Maße zu Antwortschreiben. Erst mit den bedrohlichen Auseinandersetzungen um Rudolf Lebius ab 1907 geht der Briefverkehr langsam zurück. Die normale Korrespondenz wird jetzt zu großen Teilen von Klara May durchgeführt.
Werten wir die vorliegenden Daten dahingehend aus, wann welche Briefe, Karten etc. entstanden sind, in welchem Monat (Diagramm 2), an welchem Tag im Monat (Diagramm 3) und an welchem Tag der Woche (Diagramm 4), so läßt sich sagen, daß Karl May seine Korrespondenz relativ regelmäßig führte. Leichte Schwankungen sind erkennbar, die durchaus gewertet werden können. So ist beispielsweise die Tendenz erkennbar, daß Karl May nach der Wochenmitte die meisten Briefe verfaßt hat (Diagramm 4). Das wiederum könnte damit zusammenhängen, daß Karl May vom Wochenende bis Mittwoch sich seiner eigentlichen Arbeit, dem Schriftstellerischen, widmete und ab Mittwoch/Donnerstag sich der Korrespondenz verstärkt zuwandte.
Wankendorf im Oktober 1995 Volker Griese
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