Jahrgg. 16, Nummer 16, Seite 247
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Lopez Jordan

(El Sendador, Theil I.)

Reiseroman von Karl May.
13. Fortsetzung

»Sind Sie in San José bekannt, Sennor?« fragte die Dame weiter.

»Ich war niemals dort. Ich befinde mich erst seit gestern hier im Lande.«

»Und haben Sie schon bestimmt, wo Sie dort bleiben werden?«

»Jedenfalls im Posthause.«

»Nein, das dürfen Sie nicht. Das kann ich unmöglich zugeben. Sie müssen mit zu mir, um mein Gast zu sein. Ich werde Sie meinem Bruder vorstellen, und Sie sollen teil an meiner prächtigen Tertullia nehmen.«

»Das ist nicht möglich, Sennora, weil ich dazu eines Anzuges bedarf, welchen ich nicht besitze. Ich muß mir also den Eintritt in ein Paradies versagen, welches mir mit solcher Freundlichkeit angeboten und geöffnet wird.«

Sie strahlte im ganzen Gesichte vor Vergnügen.

»Paradies!« sagte sie. »Alle Ihre Worte legitimieren Sie als einen Poeta! Aber dieses Paradies soll Ihnen nicht verschlossen bleiben. Sie dürfen in diesem Anzuge erscheinen. Ich werde Sie entschuldigen, und Sie können des freundlichsten Empfanges sicher sein. Also, ich reite mit Ihnen, ja?«

»Gewiß.«

»Und Sie nehmen meine Einladung an?«

»Wenn ich überzeugt sein könnte, Nachsicht zu finden, ja.«

»Sie haben nie um Nachsicht zu bitten. Sie werden die Honoratioren und hervorragenden Schönheiten der Stadt bei mir versammelt finden. Nun freue ich mich doppelt auf den heutigen Abend und auf meine Tertullia. Mein Sohn ist auch geladen und wird von Mercedes herüberkommen, wo er jetzt mit seiner Eskadron steht. Er ist Rittmeister und kommandiert


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unter Latorre, von welchem Sie trotz Ihres kurzen Aufenthaltes vielleicht gehört haben werden.«

»Dies ist allerdings der Fall. Es ist möglich, daß ich Ihrem Sohne eine sehr wichtige Mitteilung zu machen habe. Haben Sie Latorre bereits einmal gesehen?«

»Noch nicht.«

»Dachte es mir! So scheint dem Herrn Rittmeister eine kleine Überraschung bevorzustehen. Doch davon später. Würden Sie mir jetzt gestatten, mich als Ihren Arzt zu betrachten? Sie sind leider im Gesicht von den Splittern der Fensterscheibe verwundet worden.«

Ich führte die Dame an das Wasser zurück, um ihr mit ihrem Taschentuche das Gesicht vom Blute zu reinigen, und bedeckte dann die Risse der Haut mit schmalen Pflasterstreifen. Das sah allerdings unschön aus, war aber nicht zu ändern.

Übrigens gehörte die Sennora ihrem Aussehen nach keineswegs zu den Xanthippen. Sie war zwar lang und hager und hatte vorhin im Zorne gesprochen. Jetzt aber befand sie sich in ruhiger Gemütsstimmung und machte auf mich den Eindruck einer zwar energischen, dabei aber auch gutmütigen Dame. Sie mochte früher sogar schön gewesen sein, und ihr Benehmen bewies jetzt, daß sie die Herrin eines nach hiesigen Verhältnissen fein zu nennenden Hauses sei.

Als wir zum Wagen zurückkehrten, sah ich, daß eins der beiden gefallenen Pferde, welches sich nicht hatte aufrichten können, ausgesträngt worden war. Man zerrte es an einem Beine auf die Seite, um dort liegen gelassen zu werden. Dabei schnaubte und stöhnte es in einer Weise, welche bewies, daß es große Schmerzen leide. Um nicht von seinen Hufen getroffen zu werden, zog man es an einem Lasso, welcher ihm um das Bein geschlungen worden war.

»Was ist mit dem Tiere?« fragte ich.

»Es hat sich ein Bein gebrochen,« antwortete der Mayoral. »Es kann nicht mehr gebraucht werden.«

»Welches Bein ist es?«

»Das hintere links.«

»Also grad das, an welchem Sie es zerren! Denken Sie denn nicht daran, daß Sie ihm dadurch große und unnötige Schmerzen bereiten?«

»Pah! Ein Pferd!« antwortete er roh.

»So! Was soll nun mit dem Pferde werden?«

»Es bleibt liegen und mag verrecken.«

»Und wird von den Caranchos und Chimangos bei lebendigem Leibe zerrissen. Das Tier ist, den Beinbruch abgerechnet, noch ganz gesund und kräftig. Es kann noch tagelang hier liegen, bis es verschmachtet und ihm das Fleisch von den Knochen gerissen worden ist.«

»Das geht uns gar nichts an! Es ginge nur mich an, nicht aber Sie!«

»Sie irren! Auch die Tiere sind Gottes Geschöpfe. Sie sind nicht da, um nur allein die Qualen des Daseins zu tragen und dann lebend zerfleischt zu werden. Ich fordere von Ihnen, daß Sie es töten!«

»Dazu ist mir mein Pulver zu teuer!«

Er hatte kein Gewehr bei sich und nur eine alte Pistole im Gürtel stecken. Er wendete sich ab, als ob ihn die Sache nichts mehr angehe und er die Sache als beendet betrachte. Ich aber hielt dem Pferde die Mündung meines Gewehres an den Kopf und schoß es tot. Kaum war das geschehen, so traten die Peons zusammen und sprachen einige Augenblicke leise mit einander. Dann kam der Mayoral zu mir und sagte, indem er eine sehr strenge Miene zog:

»Sennor. Gab Ihnen der Besitzer die Erlaubnis, es zu töten?«

»Nein!«

»So haben Sie es zu bezahlen. Dieses Pferd kostet hundert Papiertaler, welche ich mir jetzt ausbitten muß.«

»Ah so! Läuft es darauf hinaus! Es war unbrauchbar geworden, und Sie gaben es dem langsamen Tode anheim, welchen ich abgekürzt habe. Sie bekommen nichts.«

»Und ich bestehe auf meinem Verlangen!«

»Tun Sie das immerhin! Ich bestehe auf meiner Weigerung.«


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Ich wollte von ihm fort; da aber stellte er sich mir in den Weg, und die drei Peons kamen herbei, um ihn zu unterstützen. Sie nahmen eine sehr feindselige Haltung an. Als das Monteso sah, kam er mit den Yerbateros, um mir beizustehen.

»Ich lasse Sie nicht eher fort, als bis Sie gezahlt haben!« erklärte der Mayoral.

»Oho!« meinte da Monteso. »Dieser Sennor hat recht. Wir alle haben gehört, daß Ihr das Pferd liegen lassen wollt, bis es verreckt!«

»Bitte!« sagte ich ihm. »Bringen Sie sich nicht meinetwegen in Unannehmlichkeiten! Ich werde ganz allein mit diesen vier Sennors fertig.«

»Und wir mit Ihnen noch viel eher!« rief der Mayoral. »Wollen Sie das Geld sofort zahlen oder nicht?«

Bei diesen Worten trat er ganz an mich heran und legte die Hand an meinen Arm.

»Die Hand fort!« gebot ich ihm. »Ich dulde keine solche Berührung!«

»Sie werden es doch dulden müssen! Heraus mit dem Gelde oder wir nehmen es uns selbst!«

Er schlang die Finger fester um meinen Arm und versuchte, mich zu schütteln. Ich riß mich los, stand im nächsten Augenblicke hinter ihm, faßte ihn mit der Linken am Kragen, mit der Rechten unten an der Hose, hob ihn empor und warf ihn fort, an den noch auf der Seite liegenden Wagen, so daß das alte Fuhrwerk wie eine morsche Holzkiste krachte. Seine drei Peons wollten nach mir fassen, aber ich warf den mir nächsten seinem Mayoral nach, gab dem andern die Faust unter das Kinn, daß er sich überschlug, und der dritte wich selbst zurück.

»Bravo!« rief Monteso. »Ich sehe, Sennor, Sie brauchen niemanden zur Hilfe. Aber geben sich die Kerle auch nun nicht zufrieden, so werden wir ihnen unsere Komplimente dennoch auch noch machen!«

Das zeigte sich als nicht nötig. Die Kerle hatten Respekt bekommen. Sie rafften sich auf und standen beisammen, wütende Blicke auf mich werfend, aus denen ich mir nichts zu machen brauchte. Der Mayoral aber konnte sich doch nicht enthalten, uns zu drohen:

»Sie gehen nach San José. Auch wir kommen dorthin und werden dort Anzeige machen.«

»Immer tut das!« antwortete ihm die Sennora, welche diese Gelegenheit ergriff, sich wieder streitbar und mir ihre Freundschaft zu zeigen. »Mein Bruder wird Euch wegen Erpressung einsperren lassen. Ich werde ihm die Angelegenheit mitteilen. Kommen Sie, Sennor! Verlassen wir diesen Platz und diese Menschen!«

Sie legte ihren Arm in den meinen, und ich führte sie zum Pferde. Dort breiteten wir ihr Tuch in der angedeuteten Weise auf den Rücken des Tieres und ich band die liebe Hutschachtel an den Sattel.

Da ich dem angeblichen Polizeibeamten nicht traute, so hatte ich ihn stets im Auge behalten. Auch er war, wie wir, vom Pferde gestiegen. Sonderbarer Weise aber hatte er sich dann hinter dasselbe zurückgezogen, und zwar, wenn meine Beobachtung mich nicht täuschte, von dem Augenblicke an, an welchem die Dame aus der umgestürzten Kutsche gestiegen war. Es schien mir, als ob er sich von derselben nicht gerne sehen lassen wolle. Hatte er einen Grund dazu? Um denselben kennen zu lernen, hatte ich die Sennora in einem kleinen Bogen zu meinem Braunen geführt. Der Verdächtige aber war dabei in der Weise langsam um sein Pferd geschritten, daß dieses letztere sich genau zwischen ihm und uns befand. Darum machte ich sie nun direkt auf ihn aufmerksam, indem ich auf ihn zeigte und dabei sagte:

»Sollten die Peons mich etwa noch belästigen wollen, so habe ich Hilfe in nächster Nähe. Da ist ein Herr, welcher uns begleitet, Sennor Carrera, welcher in Montevideo das Amt eines Polizeikommissars bekleidet.«

Jetzt war er gezwungen, sich zu zeigen. Kaum war ihr Blick auf ihn gefallen, so rief sie aus:

»Mateo, du!«


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Er wurde blutrot im Gesicht, gab sich aber Mühe, gefaßt zu erscheinen, und fragte im Tone des Erstaunens:

»Sprechen Sie mit mir, Sennora? Was wollen Sie mit diesem Namen sagen?«

»Er ist doch der deinige. Wo kommst du denn her?«

»Verzeihung, Sennora! Ihr Benehmen läßt mich stark vermuten, daß Sie mich mit irgend einer Person verwechseln, welche Ihnen bekannt zu sein scheint!«

»Bekannt ist sie mir allerdings, sehr bekannt! Aber von einer Verwechslung ist hier keine Rede. Ich werde doch dich, unsern einstigen Lehrling, kennen!«

»Sie irren sich wirklich ungeheuer. Ich bin nicht derjenige, für welchen Sie mich halten. Ich befinde mich, wie dieser Sennor bereits sagte, in Montevideo,« antwortete der Gefragte in scharfem Tone, »heiße Carrera und bin Beamter der dortigen Polizei.«

»Polizei!« wiederholte sie, ihn immer von neuem fixierend. »Das ist unmöglich. Sie scherzen, Mateo!«

»Ich scherze nicht, Sennora. Ich bin sehr gern höflich gegen Damen, so weit es meine amtliche Stellung erlaubt, aber solche Beleidigungen, wie sie in Ihren Worten, Ihren Blicken und Ihrem Tone liegen, muß ich energisch von mir weisen. Ich habe Ihnen gesagt, wer und was ich bin, und muß Sie also ersuchen, dies zu beachten!«

Man sah es der Dame an, daß sie im Zweifel war, ob sie ihn auslachen, oder sich über ihn ärgern sollte. Sie tat keins von beiden. Ihr Gesicht wurde sehr ernst, als sie ihm jetzt in warnender Weise sagte:

»Mateo, ich bitte Sie, um Ihrer Eltern willen, keine Dummheiten zu machen. Ich vermute aus Ihrem Benehmen, daß Sie unsere damaligen Warnungen nicht beachtet haben. Sie geben sich für einen andern aus, als Sie sind. Die Gründe, in Folge deren Sie es tun, können keine lobenswerten sein.«

»Jetzt ist's genug, Sennora!« brauste er auf. »Ich darf kein Wort mehr hören, sonst muß ich Sie wegen Beleidigung bestrafen lassen, obgleich Ihr Bruder Bürgermeister ist, wie ich Sie vorhin sagen hörte.«

Die Dame schien fassungslos zu werden. Sie errötete und erbleichte abwechselnd. Ich sah, daß sie sich von ihm abwenden wollte; da aber fragte ich sie:

»Bitte, wer ist der Mateo, von welchem Sie sprachen?«

»Ein früherer Lehrling meines Mannes. Er mußte plötzlich entlassen werden, weil er die Kasse bestohlen hatte.«

»Und Sie erkennen ihn in diesem Manne wieder? Ist es nicht möglich, daß Sie sich täuschen?«

»Nein. Er ist aus San José, und ich kenne ihn seit der Zeit, als er noch Knabe war. Eine Täuschung ist da unbedingt ausgeschlossen.«

»Pah!« lachte jener, indem er auf sein Pferd stieg. »Weibergeklatsch!«

»Bitte, Sennor!« antwortete ich ihm. »Ich kann mich diesem Ihrem Urteile nicht anschließen, sondern ich glaube alles, was die Dame gesagt hat. Sie sind jener Mateo, jener Dieb, welcher sich jetzt vielleicht auf noch weit schlimmerem Wege befindet als damals.«

»Hüten Sie sich! Sie wissen ganz genau, was ich bin!«

»Das weiß ich allerdings sehr genau. Sie sind ein Lügner, ein Schwindler!«

»Wollen Sie, daß ich mich meines Gewehres bediene!« drohte er.

»Immerhin! Aber nur nicht aus dem Hinterhalte, wie Sie vielleicht die Absicht hegen. Ich habe mich auf der Polizei erkundigt. Es gibt keinen Polizeikommissar namens Carrero. Ich vermute, die Polizisten sind bereits hinter Ihnen her, um Sie festzunehmen. Haben Sie also die Güte, abzusteigen, um die Zusammenkunft mit diesen Herren nicht zu verzögern!«

Er warf einen sehr besorgten Blick nach rückwärts. Dort war niemand zu sehen. Das gab ihm die fast verlorene Frechheit zurück. Er sagte:

»So werde ich ihnen entgegenreiten und dann mit ihnen umkehren, um Sie und diese Frau festnehmen zu lassen. Beleidigungen, wie die gegenwärtigen, müssen schwer geahndet werden!«


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Er ritt fort, zurück, über das Flüßchen hinüber, wo er hinter dem Posthause verschwand.

»Sennor, was haben Sie getan!« sagte Monteso. »Sie haben ihn auf das tödlichste beleidigt. Die Folgen werden nicht ausbleiben, denn er ist wirklich Polizeikommissar!«

»Unsinn!« sagte ich und klärte ihn dann auf.

»Warum hat der Mann uns dann belogen?« fragte er.

»Um sich in dieser guten Weise an mich machen zu können. Mut hat er nicht, und verwegen ist er noch viel weniger. Direkt auf mein Leben hat er es nicht abgesehen. Zu einem Morde ist er zu feig. Er hat etwas anderes vor, irgendeine Teufelei, die ich aber vielleicht noch herausbekommen werde.«

»Das ist nun nicht mehr möglich. Er ist ja fort.«

»Er kommt wieder; aber er wird uns heimlich folgen, um sein Vorhaben doch noch auszuführen. Setzen Sie sich auf Ihr Pferd, und folgen Sie mir nur fünf Minuten! Ich werde Ihnen den Beweis liefern, daß es ihm gar nicht einfällt, nach Montevideo zurückzugehen.«

Ich stieg auf, und er tat dasselbe. Wir ritten über den kleinen Fluß zurück bis an das Gebäude der Poststation. Als wir um die Ecke desselben blickten, sahen wir den Kerl, welcher in gestrecktem Galoppe die Richtung nach der Hauptstadt verfolgte.

»Da sehen Sie, daß er doch nach Montevideo will!« sagte Monteso.

»Er hält diese Richtung nur so lange ein, als wir ihn sehen können. Passen Sie auf!«

Ich nahm mein Fernrohr vom Riemen und richtete es. Der Reiter wurde für das bloße Auge kleiner und immer kleiner, bis er endlich verschwand. Durch das Fernrohr sah ich ihn aber dann auf dem Kamme einer Bodenwelle erscheinen und bemerkte zu meiner Genugtuung, daß er nach links eingelenkt hatte. Ich gab Monteso das Fernrohr und zeigte ihm den Mann.

»Wahrhaftig, er reitet jetzt nach Nord!« gab er zu. »Sie haben recht, Sennor.«

»Er kehrt zurück und wird in einiger Entfernung von hier wieder über das Flüßchen gehen, um uns zu folgen. Sind Sie nun überzeugt?«

»Vollständig.«

»Ich hege nicht den geringsten Zweifel, daß er der Dieb Mateo ist. Läßt er sich vor mir wiedersehen, so werde ich sehr kurzen Prozeß mit ihm machen. Kommen Sie!«

Wir kehrten zum Wagen zurück. Noch ehe wir denselben erreichten, begegneten uns zwei der Peons, welche kluger Weise nach der Station wollten, um dort Hilfe zu holen, die Diligence transportabel zu machen. Der Mayoral war mit dem dritten Peon zurück geblieben. Die Passagiere hatten sich in das Gras gesetzt, um das weitere zu erwarten. Nur der eine von ihnen, welcher das Pferd gekauft hatte, brauchte nicht zu bleiben. Er bat um die Erlaubnis, sich uns anschließen zu dürfen, und sie wurde ihm selbstverständlich gewährt.

Jetzt hob Monteso die Dame auf mein Pferd. Ich merkte gleich, daß sie nicht zum ersten Male in ihrem Leben einen solchen Sitz einnahm. Sie legte beide Arme um mich, und dann konnte der unterbrochene Ritt wieder beginnen.

Während der ersten Viertelstunde saß ich wie auf glühenden Kohlen. Hinter sich eine Sennora, in deren Umarmung man sich befindet, und vorn am Sattel einen neuen, aber zusammengedrückten Frühjahrshut, welchen vollständig herzustellen man versprochen hat, das ist eine Situation, an welche man sich nur langsam gewöhnt.

Meine Gefährtin saß natürlich als Dame zu Pferde, beide Füße nach derselben Seite. Das ist ein wahrer Kunstreitersitz, aber ich habe dann später sehr oft Frauen in derselben Weise über die Pampa fliegen sehen, ohne daß sie auf ihrem Sitze nur einen Zoll gerückt wären. Ich sah Frauen, welche sich nicht einmal am Reiter festhielten und doch so sicher saßen, als ob sie sich selbst im Sattel befunden hätten. Wir unterhielten uns ausgezeichnet mit einander, und als wir das Ziel erreichten, war ich ebensogut über ihren Lebenslauf unterrichtet, wie sie über den meinigen. Wer vermag es, gegen eine Dame einsilbig und verschwiegen zu bleiben, wenn sie Bildung hat, Teilnahme für einen empfindet und dabei das richtige »Plapperment« besitzt!

(Fortsetzung folgt.)
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