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Als ich jung war...



Mitten im Kurpark von Bad Nenndorf, gerade gegenüber und im Angesicht des aus der Jahrhundertwende stammenden imposanten Gebäudes des Kursanatoriums »Esplanade«, begrüßt eine fast lebensgroße Bronzefigur die zahlreichen vorübergehenden Kurgäste und Spaziergänger. Das lebendige, aussagekräftige Bildwerk stellt »Die junge Agnes Miegel« dar, wie sie in sitzender Haltung, den rechten Ellenbogen leicht aufgestützt, dem Betrachter mit ihrer Rechten auffordernd ein Buch darbietet, das klare, ebenmäßige Gesicht wachen Blicks in die Weite gerichtet. Ihre linke Hand umgreift ein becherartiges Gefäß, aus dem sich ein Wasser ergießt, wohl das überquellende Füllhorn der Dichtung symbolisierend, die demjenigen zuströmt, der sich des angebotenen Buches bedient. Die sinnfällige, anmutig gestaltete Skulptur schuf der angesehene Essener Bildhauer Ernst Backländer und übergab sie anläßlich der Feier zu Agnes Miegels 30. Todestag, der sich am 26. Oktober 1994 jährte, der Öffentlichkeit, Gestiftet wurde das Denkmal von Willibald Völsing, Giesen-Hasede bei Hildesheim. Seitdem ist es in Bad Nenndorf, wo Agnes Miegel nach Flucht und Vertreibung aus ihrer ostpreußischen Heimat ihren Alterswohnsitz genommen hatte und wo die Agnes-Miegel-Gesellschaft das Haus, in dem die Dichterin ihre letzten Lebensjahre verbrachte, als Gedenkstatte unterhält, ein vielbesuchter Platz im gepflegten Kurgarten.
   1960 schrieb die Dichterin die rückerinnernden Verse »Als ich jung war...«, veröffentlicht in dem von Anni Piorreck herausgegebenen Band »Gedichte aus dem Nachlaß«, gleichzeitig 1979 Jahresgabe der Agnes-Miegel-Gesellschaft. Die Zeilen dieses Gedichts fallen dem Betrachter ein, steht er dem eindrucksvollen Bildwerk gegenüber:

Als ich jung war,
als lang und braun mein Haar,
Hab ich von fremdem Hassen und Lieben
Diese vielen Verse geschrieben.
Wie ein Kind beim Spielen
Läßt den schimmernden Traum
Glänzender bunter Kugeln aus Schaum
Durch seinen Atem entstehen
Und entschweben, -
Nun darf ich sie wiedersehn
Nach dem langen Leben,
Aber meine Gedichte
Bleiben junge Gesichte,
Wissen nicht, was in so langen Jahren
Alte Leute erfahren.
Fragen sie: Weißt Du nicht mehr?
Sage ich leise: »Es ist lange her - -«

Inge Hartmann


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