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Komik als Verbrechen

Das Marburger Literaturforum veranstaltete die 2. Komik-Tage



Die ersten Marburger Komik-Tage, die im Januar letzten Jahres stattfanden, läuteten den Spaß ein: Endlich einmal wurde der Satire und der komischen Literatur der ihr schon lange gebührende Platz eingeräumt - endlich einmal wurde die Komik ernstgenommen.

    Manch einer hat dann aber im Lauf des Jahres den Bogen überspannt und im Eifer des Gefechts nur noch »ernstgenommen«.

    Markantes Beispiel: Helmut Markwort und seine augenscheinliche Überempfindlichkeit bezüglich einer Parodie auf seinen markigen »Fakten, Fakten, Fakten«-Ausbruch in den Focus-Werbespots. Die satirische Verfremdung des Ganzn, im niedlichen 10x10 cm-Format im Berliner Stadtmagazin »zitty« erschienen, traf ihn offensichtlich bis ins Mark: Schließlich werde dem geneigten Betrachter des Comics von OL Schwarzenbach nahegelegt, daß er, Helmut Markwort, nicht an den Fakten oder dergleichen, sondern tatsächlich nur an DAS EINE denke. Nicht lang gefackelt, gleich geklagt; und Focus-Chef Markwort konnte sein mageres Salär gleich um 15.000 Mark Schmerzensgeld aufbessern - markerschütternd.

    Die Episode ist gleichzeitig ein Paradebeispiel für eine lange - für Komik-Künstler und -Verleger sehr schmerzhafte - Reihe von Prozessen, Boykotten und Beschlagnahmungen, die zum Teil wunderliche Blüten trieben. Ein Fall, der in seiner Maßlosigkeit seinesgleichen sucht, ist der des Oberstaatsanwaltes Hönninger in Meiningen - hat er es doch geschafft, die größte Bücherbeschlagnahme in der Geschichte der Bundesrepublik einzuleiten. Neben Comics der preisgekrönten Künstler Ralf König und Walter Moers ist den diensteifrigen Vollstreckern auch ein von dem Pulitzer-Preisträger Art Spiegelman gestaltetes Plakat in die Hände geraten: Der Druck wurde dem Cover des Comics »Maus« nachempfunden, in dem Spiegelman die Geschichte seiner Eltern, beide Überlebende von Auschwitz, erzählt. Ein Hakenkreuz auf dem Plakat wurde zum Anlaß genommen, ein Strafverfahren wegen Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda einzuleiten.

    Dieser und andere aufschlußreiche Fälle wurden in einer Ausstellung im Rahmen der 2. Marburger Komik-Tage vom 14. bis 17. Januar 1997, mit dem Titel »Komik vor Gericht« dokumentiert. Darin ebenfalls vertreten war der Schriftsteller Eckhard Henscheid, dem es gerichtlich untersagt wurde, Heinrich Böll in einer Rezension unter anderem einen »steindummen« und »kenntnisfreien« Autor zu nennen.

    Die erfolgreiche Unterlassungsklage hat dem Autor offensichtlich nicht den Mund verbieten können: Mit dem Straf-


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rechtler Dieter Meurer, der Titanic-Justitiarin Gabriele Rittig und dem Literaturwissenschaftler Wilhelm Solms teilte er in der vollbesetzten Aula der Alten Universität das Podium, um über Justizwillkür, Fehlentscheidungen und die auffällige Zunahme von zivilrechtlichen Klagen zu diskutieren.

    Eines der Ergebnisse: Die Gerichte verhängen immer öfter verhängnisvoll hohe Schmerzensgelder, die für Prominente aus Politik und vor allem der Wirtschaft offenbar Motivation genug sind, den Klageweg zu beschreiten - nicht selten werden sie von spezialisierten Anwaltskanzleien dazu ermutigt.

    Trotz der Gefahren der Komik, die während der Tagung offen zu Tage traten, gaben sich in Marburg derart viele komische Künstler ein Stelldichein, daß man in aller Bescheidenheit von einem Gipfeltreffen der Komik sprechen kann. Langsam muß man sich daran gewöhnen, daß die Universitätsstadt neben Hamburg und Berlin eine der Hochburgen des Hochkomischen ist.

Nina Giaramita, Nils Folckers


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