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Literaturskandale in Rheinland-Pfalz

Die Steine des Anstosses - Ein Vorgeschmack



Stefan Andres
Was galt in der alten, bäuerlichen Zeit schon einer, der nur irgend etwas zu Papier brachte, aber nicht redlich schaffte wie all die andern? Nun, wenn er schon nicht Müller werden wollte wie sein Vater oder Bauer, dann doch Tierarzt, Lehrer oder wenigstens Pastor. Daß da aber einer aus dem Dorf stattdessen Schriftsteller wurde, worunter man sich kaum etwas Solides vorzustellen vermochte; oder daß er nicht in den Krieg zog, wie die meisten, sondern nach Italien verschwand; und daß er nicht einmal einen angestammten Christenmenschen zur Frau nahm - nein, das konnte nicht gut sein. Und als er dann wiederkam und sogar gegen die neue Regierung auftrat, öffentlich und das auch noch zu Ostern, - mit so einem wollten Nachbarn und Verwandte nichts mehr zu tun haben. Sollte er sich Ihrer auch nicht in seinen Büchern bedienen, wenn er unbedingt meinte, die Mosellandschaft und vor allem die Moselaner darstellen zu sollen. Ja, und daß er sehr gerne einen trank, wohl auch über den Durst hinaus, das wußte man bis in die Einzelheiten - auch wenn es dafür umso weniger interessierte, wann er all die fünfzig Bücher geschrieben haben mochte. Da paßte es dann wie die Faust aufs Auge, daß er den Leiwenern das Geld für ihr ihm aufgedrängtes Grundstück undankbar vor die Füße warf, um sich in Rom neu einzukaufen: »Er hat uns beschiss!(r) ließen sie sich im Rat vernehmen und enthielten sich der Stimme als es um die Namensgebung für das neue Schulzentrum der Verbandsgemeinde Schweich ging. Der ein Dichter? Nein, ein einziger Skandal.

Jürgen Wichmann

Arno Schmidt
1955 wurde Arno Schmidt wegen Gotteslästerung und Verbreitung unzüchtiger Schriften angezeigt. Er lebte damals in Kastel bei Saarburg und fürchtete die Verurteilung des als konservativ eingeschätzten Trierer Gerichts. Auch mußte er erfahren, daß es für ihm vorerst kaum möglich war, Texte ohne Selbstzensur zu veröffentlichen. Den erfolgenden Bruch mit seinem bisherigen Verlag schrieb er der Strafverfolgung zu. Zumindest das Gefühl einer Existenzbedrohung beherrschte ihn über Monate hinweg. Um der Verurteilung zu entgehen, zog er in einer überstürzten Aktion ins liberaler eingeschätzte Darmstadt um. 1956 wurde das Verfahren gegen alle Beschuldigten, nach einem Gutachten des Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Hermann Kasack eingestellt. Kasack hatte auf den Kunstcharakter der Erzählung hingewiesen.

Dietmar Noering

Friedrich Spee
Der Jesuit Friedrich Spee, (1591-1635) war geistlicher Beistand vieler angeklagter »Hexen(r) und in dieser Eigenschaft von deren Not so erschüttert, daß er sich für sie und ihr Recht einsetzte. Davon gibt sein Werk Cautio Criminalis beredtes Zeugnis. Das Herzogtum Lothringen, das Kurfürstentum Trier und angrenzende Territorien waren besondere Schwerpunkte der blutigen Hexenprozesse mit zahlreichen Verbrennungen am Beginn der Neuzeit im 16./17. Jahrhundert. Sie regten fatalerweise als »reichskhundige Exempel(r) zur Nachahmung an, und der neue Hexenhammer des Trierer Weihbischofs Petrus Binsfeld fand weite Verbreitung.

Gunther Franz

Clara Viebig
Um die Jahrhundertwende galt Clara Viebig, die 1860 in Trier geboren wurde, als eine der bekanntesten deutschen Erzählerinnen. Heute kennt man vielleicht noch ihren Namen, kaum jedoch ihre Erzählungen und Romane. Der Roman Das Weiberdorf erschien 1900 und entfachte besonders in katholischen Kreisen Stürme der Entrüstung. Die Dichterin hatte es gewagt, die Not bitterarmer Häusler- und Bauernsöhne in drastischem Realismus zu schildern und sparte auch die erotische Thematik der geschilderten Leben nicht aus.

Manfred Aret

Carl Zuckmayer
Das Lustspiel Der fröhliche Weinberg von Carl Zuckmayer war nicht nur das meistgespielte Stück in den Zwanziger Jahren, es war auch, wo immer es aufgeführt wurde, skandalumwittert. Die über zweihundert Theaterleiter, die das Stück am Tage nach der Berliner Uraufführung telegrafisch anforderten, wußten nicht, auf was sie sich da eingelassen hatten. Nationalfanatiker, Akademiker, die Kirche, Studenten, die Winzerschaft waren in Aufruhr und protestierten gegen dieses »Schweinestück(r). Die Demonstration derer, die sich von Zuckmayer beleidigt fühlten, waren nicht immer nur laut, zuweilen erregten sich die Gemüter so sehr, daß es auch zu Gewalttätigkeiten kam. Die Polizei mußte her, um wenigstens auf den Straßen wieder Ruhe und Ordnung herzustellen.

Wolfgang Ohm


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