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Amusement oder Zumutung?

Jahrestagung und 10jähriges Jubiläum der ALG im September 1996 in Berlin



    Nicht einfach »nur feiern« wollte die ALG ihr 10jähriges Jubiläum, sondern auch anläßlich dieses besonderen Datums ihrem Auftrag gerecht werden und der Literaturvermittlung dienen. So hatten die an die 100 Teilnehmer der Jahrestagung, die vom 20. bis 22. September 1996 im Literarischen Colloquium Berlin (LCB) stattfand, das, wie allseits bekannt, der Sitz der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft ist, die Gelegenheit, am zweiten Tagungstag Arbeitsgruppen zum Thema »Literaturprojekte für junge Leute« zu besuchen.

    Zunächst aber begann die Jubiläumsveranstaltung am Freitagabend mit einem Empfang durch die Berliner Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten. Die anwesenden Vertreter von Senat und LCB, Herr Mehlitz und Herr Miller, gratulierten der Arbeitsgemeinschaft zu ihrem Geburtstag, lobten ihre Verdienste um das literarische Leben in Deutschland und insbesondere den Einsatz der Geschäftsführerin der ALG, Christiane Kussin, für die Belange der Gesellschaften. Nach diesen freundlichen Worten begab man sich ans Buffet, sprach dem Wein zu und widmete sich der Kontaktpflege und dem Kennenlernen.

    Viele der vertretenen literarischen Gesellschaften nutzen die ihnen gebotene Gelegenheit, ihre Publikationen auf einem dafür eingerichteten Büchertisch vorzustellen. Dieser Tisch drohte alsbald unter seiner Last zusammenzubrechen und reichte kaum aus, die Vielfalt der mitgebrachten Druckerzeugnisse in angemessener Form zu präsentieren.

    Den entscheidenden Akzent der Tagung setzten die Arbeitsgruppen zur Literaturvermittlung am folgenden Tag. Natürlich war niemand zur Teilnahme verpflichtet und wer am Samstagvormittag nicht diskutieren wollte, konnte sich während eines literarischen Spazierganges Berlin und insbesondere oder notgedrungen die vielen Baustellen in Berlin anschauen. Die Zahl der Spaziergänger hielt der der Arbeitsgruppenteilnehmer die Waage, woraus nicht nur auf eine besonders gute Arbeitsdisziplin geschlossen werden darf, sondern auch auf einen bestehenden Bedarf für solche Möglich-


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keiten des Erfahrungsaustausches. Angeboten wurden Gruppen zu drei verschiedenen Themen: Der von Donate Fink geleitete Kreis beschäftigte sich mit der immer aktuellen Frage »Wie mache ich meinen Dichter für junge Leute interessant?« Hier sollten in dieser Aufgabenstellung erfolgreiche Gesellschaften von ihren Erfahrungen berichten und Projektvorschläge für wissenschaftsorientierte Gesellschaften erarbeitet werden. Valérie Lawitschka, die mit der Hölderlin-Gesellschaft eine Gesellschaft vertritt, der dies mit ihrem nicht gerade leicht zugänglichen Dichter immer wieder gelingt, hielt ein Kurzreferat. Die zweite, von Volker Ebersbach (Förderkreis Freie Literaturgesellschaft Leipzig) geleitete AG dachte sich attraktive Schreibspiele und Schreibwettbewerbe für junge Leute bis 28 aus. Gundel Mattenklott führte hier in den Themenbereich ein. Die dritte und letzte Gruppe ging dem Thema »Autoren an der Schule« nach und versuchte, neben Gegenvorschlägen, eine kritische Bestandsaufnahme. Inge Obermayer (NGL Erlangen und ehemaliges Vorstandsmitglied der ALG) leitete hier die auf das Referat von Tobias Meinel folgende Diskussion. Alle Teilnehmer waren mit dem Verlauf der Arbeitsgruppen sehr zufrieden und schilderten die Diskussionen als gewinnbringend und erhellend.

    Am Nachmittag dann folgte die Mitgliederversammlung der ALG, in deren Verlauf in geheimer Wahl der Vorstand gewählt wurde. Wiedergewählt wurden Wilhelm Solms (Marburger Literaturforum) in seiner Eigenschaft als Sprecher des Vorstands und Joseph A. Kruse (Heinrich-Heine-Gesellschaft) als Stellvertreter des Vorstandssprechers. Zu weiteren Vertretern des Vorstandssprechers wurden Donate Fink (Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung) und Lothar Ehrlich (Goethe-Gesellschaft) gewählt. Da Erwin Müller (Karl-May-Gesellschaft) und Ekkehard Nümann (Ernst-Barlach-Gesellschaft) nicht mehr für ein At kandidierten, wurden Anne Linsel (Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft) und Volker Ebersbach (Förderkreis Freie Literaturgesellschaft Leipzig) neu in den Vorstand aufgenommen. In seinem Amt als Schatzmeister wurde der Vertreter des Literarischen Colloquiums Berlin, Sven Arnold, bestätigt.

    Wie in jedem Jahr konnten natürlich auch 1996 wieder einige literarische Gesellschaften als neue Mitglieder begrüßt werden. Von der Versammlung in die ALG aufgenommen wurde die Literarische Gesellschaft Thüringen, der Literarische Gesprächskreis Ludwigsburg, die Rilke-Gesellschaft, die Sartre-Gesellschaft und schließlich die Johann-Heinrich-Voss-Gesellschaft. Die Anträge auf eigenständige Mitgliedschaft der Hans-Fallada-Gesellschaft in Feldberg und des Hans-Fallada-Vereins in Greifswald, die bisher als ein Mitglied galten, wurden gleichfalls positiv entschieden. Da die Gesellschaft der Freunde Romain Rollands Mitte des Jahres 1996 ausgetreten ist, hat die Arbeitsgemeinschaft nunmehr 123 Mitgliedsgesellschaften.

    Der arbeitsreiche Samstag klang aus mit einer Lesung von Eugen Egner (Maler und Dichter) und Gerhard Henschel (Spezialist für provozierende Texte, Mitarbeiter der Titanic), die unter dem Titel »Speisekarten des Wunderbaren« allerhand Groteskes und Komisches in Kurzprosa zu Gehör brachten. Für so manchen Vertreter kanonisierter und etablierter Literatur mögen die dargebotenen Beispiele moderner Erzählkunst eine Herausforderung gewesen sein, das mitunter laut aufschallende Gelächter der Zuhörer bestätigte jedoch die Organisatoren in der Auswahl der Vortragenden.

    Einen weiteren und ebenfalls streitbaren Höhepunkt der ALG-Jubiläumstagung bildete am Sonntagvormittag die Vergabe des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische Publizistik an Heribert Prantl, Journalist der Süddeutschen Zeitung. Die Laudatio auf den Preisträger hielt Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch. Im festlichen Rahmen einer Matinee im Deutschen Theater konnten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft die Schauspielkunst von Jutta Wachowiak, Dieter Mann und Götz Schubert bewundern, die eine von Volker Kühn in Szene gesetzte und von Uwe Hilprecht musikalisch eingerichtete Revue mit Leben erfüllten.

    Die »Zitat-Collage« stand unter dem Motto »Soldaten sind Mörder« - einem Tucholsky-Zitat, das ja nun nicht wenige Zeitgenossen in Rage zu bringen in der Lage ist - und brachte Ausschnitte aus Liedern, Texten, Pressemeldungen, Gerichtsbeschlüssen und Gesetzentwürfen zu Gehör. So manchem dürfte es da, konfrontiert mit der Historie des inkriminierten Zitats und den Reaktionen von Gesetzgebern und Militärs, nicht nur einmal kalte Schauer über den Rücken gejagt haben. (Eine Dokumentation der Preisverleihung, in der die Reden von Heribert Prantl und Burckhard Hirsch sowie Zitate aus zwei Jahrtausenden zum Thema »Soldaten sind Mörder« abgedruckt sind und die unseren Mitgliedern mit dem Protokoll der Jahrestagung zuging, stieß auf außerordentlich positive Aufnahme.)

    1997 findet die Jahrestagung der ALG vom 12. bis 14. September unter dem Motto »Literaturskandale in Rheinland-Pfalz« in Bad Bertrich in der Eifel statt. Dort werden die in Rheinland-Pfalz ansässigen Mitgliedsgesellschaften (Stefan-Andres-Gesellschaft, Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser, Friedrich-Spee-Gesellschaft, Clara-Viebig-Gesellschaft und Carl-Zuckmayer-Gesellschaft) maßgeblich das Programm gestalten und hoffentlich für Diskussionsstoff sorgen.

    Die Veranstaltung ist in das Programm des Kultursommers Rheinland-Pfalz aufgenommen worden und wird von dort auch finanziell gefördert, wofür wir uns an dieser Stelle schon einmal herzlich bedanken wollen.

Alexandra Seitz


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