Aktuelles aus: KMG-Nachrichten 114 - Dezember 1997

Übermittelt von Engelbert Botschen


Presseschau zum 14. Kongress der KMG

In folgenden Zeitungen waren Hinweise auf unseren Kongreß zu lesen:

Nürnberger Nachrichten 17.9.97 Gespräch mit Hans Wollschläger
Erlanger Nachrichten 20./21.9.97 Klaus Dill Ausstellung
Deutsche Presse Agentur 19.9.97 2 Meldungen f. Literatur und Kongresse
Nordbayerische Zeitung 20./21.9.97 Winnetous Wigwam steht in Erlangen
Nürnberger Zeitung 20./21.9.97 dto.
Abendzeitung Nürnberg 20./21.9.97 Erlanger Kongreß über Karl May
Erlanger Nachrichten 19.9.97 Prof. Martin Nicol referiert
Nürberger Nachrichten 19.9.97 dto.
Die Welt -Geistige Welt 13.9.97 Vorfreude auf Karl-May-Forscher
Berliner Morgenpost 23.9.97 Old Surehand und die Heilsgeschichte
Nürberger Zeitung 19.9.97 Karl May beschäftigt die Wissenschaftler
Sonntagsblatt (Erlangen) 5.10.97 Glücklich gelenkte Lebensgeschichte
dto. Old Wabble war der Judas Karl Mays

Weitere Meldungen, von Mitgliedern beobachtet, mögen bitte an Herrn Wieser gesandt werden.

Erwähnt sei noch, daß auch der Bayerische Rundfunk am 19.9.97 zwei Sendungen im 1. und 3.Programm ausstrahlte, und daß das Fernsehen (Franken TV) über die Dill-Ausstellung berichtete.

Auszugsweise zum Inhalt der Meldungen:

Nürnberger Nachrichten, mit Interviewer Bernd Noack:

Was fasziniert Sie an der Trivialliteratur von Karl May?

Wollschläger: Ich bin mir bewußt, daß das meine Literatur eigentlich gar nicht sein dürfte und auch nicht ist. Aber Karl May hat diese Wirkung gehabt, und diese Wirkung läßt sich einfach so erreichen, wie das heute ein Schlagersänger oder ein Filmstar fertigbringt. Es muß etwas dahinter sein, was von dieser Kulisse des Trivialen nur verhüllt oder verstellt wird. Dem nachzugehen, halte ich für sehr lohnend. Man darf das nicht geringachten, wenn jemand 100 Millionen Auflage und diese merkwürdige Faszination über alle gesellschaftlichen Wechsel, auch über einen Realitätswechsel in den von ihm beschriebenen Weltgegenden hinaus, am Leben bleibt. Ich würde ihn also sehr ungern mit diesem alten Stichwort Trivialliteratur abtun. Er hat ja auch selber in seiner eigenen Entwicklung eine Riesenstrecke zurückgelegt, bis hin zu großen Krisen seines Inneren, die sich dann aus- und auflösten, als er, zugleich als Krönung dieser Identifikation mit seinen Helden gedacht, 1899 wirklich für eineinhalb Jahre den Orient und Ostasien bereiste und dort einen inneren Zusammenbruch erlebte, bei dem sich sein ganzer Werks- und Lebensbegriff veränderte. Er kam völlig verändert von dieser Reise zurück, und damit beginnt dieses sogenannte Spätwerk, in dem er dann seine Erzählungen durch exotische Länder als Symbole, als Gleichnisse für den Lebensweg des Menschen auf Erden überhaupt hinstellte und bewußt so konzipierte. Selten hat ein Autor soviel Verwandlung in seinem Leben durchgemacht, aus so schlechten Startbedingungen heraus sich so hohe Ziele gesetzt - er ist ihnen zumindest doch nahegekommen.

Es ist wohl mehr die Verquickung von Werk und Leben, die Karl May so interessant macht?

Ja. Er hat ein wirkliches Modelleben geführt und sah es im Alter selber symbolisch an als den Entwicklungsweg, den die Evolution nicht nur der Menschenart, sondern auch dem Einzelleben vorschreibt, dieses merkwürdige Gezogenwerden zur immer größeren Vervollkommnung und Verbesserung der einzelnen Lebensfunktionen und der Erhöhung des Bewußtseins.

Was passiert in der Karl-May-Gesellschaft nach so vielen Jahren der Forschung ? Gibt es immer noch neue Ideen und nach wie vor Entdeckungen in dieser Literatur und in diesem Leben?

Die Bestrebung der Karl-May-Gesellschaft war von Anfang an: Ihr finanziert mit eurem Mitgliedsbeitrag und mit euren Spenden -die übrigens gewaltig sind - nicht ein Enthusiastentreffen oder einen Taubenzüchterverein, der sich bei Bier und Gesang trifft, sondern ihr finanziert Forschung. Das Ganze soll auf einem hohen Niveau stattfinden, das heißt, es soll nach den Ansprüchen der Literaturwissenschaft dieses Leben aufgearbeitet werden.

Erlanger Nachrichten, mit Manfred Koch: Seine Filmplakate sind begehrt. Klaus Dills Leidenschaft gehört den Western - Schon früh Indianer und Cowboys gezeichnet -. Eine wahrlich eindrucksvolle Arbeitsbilanz kann Klaus Dill vorweisen: Über 6oo Filmplakate, unzählige Buch- und Comic-Cover und diverse Kalenderblätter entstammen seiner Feder. "In Rache vereint" heißt der Western über Frank und Jesse James aus dem Jahr 1952, zu dem Dill sein erstes Filmplakat ablieferte. Im Jahr darauf entstammt eines seiner bekanntesten Plakate, das zum Westernklassiker "Zwölf Uhr mittags". Doch auch auf anderem Gebiet war Klaus Dill gleichzeitig aktiv: So entwarf er die Titelbilder der Westernromane (wie "Billy Jenkins" oder "Tom Prox") der seinerzeit beliebten Leihbuchhandlungen, und zeichnete von 1964 bis Ende der 70er Jahre unter anderem die Cover der "Bessy"-Comics des Bastei-Verlags. 1989 beginnt er, sich wieder Karl May anzunähern; es entstehen zwei Winnetou-Kalender und schließlich die im Rathausfoyer ausgestellte Motiv-Serie mit der historischen Indianerfigur Tecumseh, "der faszinierendsten Figur, die es überhaupt gibt", so Dill.

DPA Literatur: Karl May lockt mit seinen Abenteuern vor allem Erwachsene. Das Interesse an den Werken von Karl May hat nach Angaben von Claus Roxin, dem Vorsitzenden der Karl-May-Gesellschaft, nicht nachgelassen. "Gerade unter den Erwachsenen stoßen die Bücher wieder auf mehr Interesse", sagte Roxin, der Juraprofessor ist. So gebe es verstärkt Ausgaben im Originaltext, in denen auf Umarbeitungen, ehedem für junge Leser vorgenommen, verzichtet werde.

DPA Literatur/Kongresse: Mit den Vorträgen auf dem Kongreß dürfte der "gemeine" Leser wohl manche Probleme haben. Da geht es um philosophische und religiöse Einflüsse im Werke Karl Mays, aber auch um heimatdichterische Einschläge. Andere Referenten bemühen sich um eine Analyse der Figur des Kara Ben Nemsi oder um die geographische Zuordnung der literarischen Schauplätze. Die Karl-May-Gesellschaft bemüht sich insbesondere darum, Leben und Werk des Autors unter wissenschaftlichen Aspekten zu untersuchen. Ihre Arbeit dokumentiert sie jedes Jahr in einem mehrere hundert Seiten starkem Jahrbuch und zwei Informationsblättern.

Erlanger Nachrichten und Nürberger Nachrichten, von Joachim Stark: Auf dem Karl-May-Kongreß geht es auch um die Rolle der Bibel im Werk des großen Abenteuer-Schriftstellers - Sogar der böse Old Wabble muß nicht in die Hölle - Erlanger Theologie-Professor hält im Redoutensaal einen Vortrag über die Old-Surehand-Trilogie - Humanistische Grundhaltung -. Karl May als Ausleger der Bibel? Diese ungewöhnliche These wird der Erlanger Theologie-Professor Martin Nicol am morgigen Samstag in einem Vortrag erläutern, den er im Rahmen des in Erlangen stattfindenden Kongresses der Karl-May-Gesellschaft im Redoutensaal hält. Ein wenig philosophisch geht es schon zu beim 14. Kongreß der Karl-May-Gesellschaft, die heuer erstmals in Erlangen tagt. Eine Referentin aus Koblenz verfolgt zum Beispiel die "Spuren der Schopenhauer-Lektüre in Karl Mays ,Weihnacht' ''. Doch Karl May als Theologe? Wie lassen sich der schlagkräftige und zielsichere, mit "Jagdhieb" und "Henrystutzen" ganze Heerscharen von Feinden in die Flucht schlagende Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi in die Nähe des in der Bibel berichteten Heilsgeschehen rücken? Und was bringt einen Professor der Theologie dazu, sich überhaupt mit Karl May zu befassen? In "Old Surehand" hat Nicol, der übrigens vor seiner Berufung an die Theologische Fakultät u.a. als Pfarrer in Tennenlohe und Dechsendorf gewirkt hat, zeigen können, daß es sich hier nur "vordergründig" um einen Abenteuerroman handelt. Im Hintergrund steht aber die Frage: "Wie führt Gott ein Menschenleben?" Karl May, der mit der Bibel seht gut vertraut war, ist für Nicol ein "erzählender Theologe", der ein höheres Niveau erreichte als Kanzel-Prediger seiner Zeit. Und der humanistische Gehalt in Mays Büchern, der Versöhnungsgedanke und die Vorstellung vom Sieg des Guten über die Sphäre des Trivialen. Nicol kann sich vorstellen, daß sich Schulkinder der 5. oder 6. Klasse durchaus mit bestimmten Passagen aus Karl-May-Romanen an religiöse Fragen heranführen lassen.

Berliner Morgenpost, von Gerd Ueding: Old Surehand und die Heilsgeschichte - Winnetou auf Lateinisch, Schopenhauer in der "Weihnacht": Neue Forschungstrends beim 14. Kongreß der Karl-May-Gesellschaft in Erlangen-. "Tu es vinnetu, Apachium regulus!" Der allen Karl-May-Lesern so wohlbekannte Satz ("Du bist Winnetou, der Häuptling der Apatschen!") ist auch in seiner verfremdenden Übersetzung sofort zu identifizieren. Er steht in einem Buch, das der Bamberger Karl-May-Verlag auf der Erlanger Tagung der Karl-May-Gesellschaft ankündigte: "Carolus May: De Vinnetu, Tomus Tertius", die lateinische Übersetzung des von allen Kennern bloß "Winnetou 3" genannten Bandes. Sie stammt von Hans Linnartz, der das Lateinische ebenso liebt wie die Bücher Karl Mays und kurz entschlossen "hunc Caroli May librum latine reddit": dieses Buch ins Lateinische übersetzte. Die hübsche Kuriosität am Rande des Kongresses ist doch höchst kennzeichnend für den besonderen Charakter der Karl-May-Gesellschaft, die der Bielefelder Literaturwissenschaftler Wolff in einem Aufsatz einmal "das Kleinod unter den literarischen Gesellschaften Deutschlands" genannt hat. Hier treffen Laienforscher und Gelehrte, Schriftsteller und Fans aus allen Altersgruppen, Schüler, Studenten, Lehrer und Professoren zusammen. Das Programm der ganzen Tagung war so bunt wie die Zusammensetzung der Teilnehmer, umfaßte Gutgemeintes und Liebhaberisches (wie den Videofilm "Die Zaubergewehre Karl Mays" oder die Vorführung des Films "Die Sklavenkarawane") und demonstrierte vor allem, wie differenziert, lebendig und ertragsreich die Auslegung und Deutung von Mays Werk mit ganz verschiedenen Ansätzen und Methoden auch nach fast 30 Jahre intensiver Karl-May-Forschung in dieser Gesellschaft noch ist. Die Koblenzer Germanistin Helga Arend war zufällig bei der Lektüre von Mays "Weihnacht" (1896) auf Schopenhauer-Zitate gestoßen und tatsächlich befinden sich die entsprechenden Texte von 1891/93 ("Aphorismen für Lebensweisheit" und "Über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksal des Einzelnen") in Mays erhalten gebliebener Bibliothek; Anstreichungen zeugen von der genauen Lektüre, die der "Weihnacht"-Autor sogleich für seine Arbeit fruchtbar machte, ohne die ihm natürlich widersprechende pessimistisch-atheistische Grundhaltung mit zu übernehmen. Ein aufschlußreicher Blick in die Werkstatt Karl Mays, der alles für seine Romane nahm, was er fand und zu ihrer plausiblen Ausgestaltung brauchen konnte. Selber mit dem (übrigens gar nicht so geringen) Stand seiner Bildung immer unzufrieden, ein Emporkömmling aus den plebejischen Volksschichten Sachsens, war er wie ein Schwamm, der alles aufsog, was ihm begegnete und sogleich, unter dem enormen Schreibdruck seines Lebens, verarbeitete. Auf andere Weise zeigte das auch der Hildesheimer Literaturwissenschaftler Hans-Otto Hügel, ein Spezialist der Populär-Kultur, wenn er die kulturelle Gemeinschaft von Autor und Leser an Hand so zentraler Motive wie des Virtuosentums (ein Faszinosum des 19. Jahrhunderts), der theatralischen Selbstdarstellung oder der unterhaltenden Belehrung aufdeckte. Ein Buch, das Buch der Bücher, aber kannte May seit seinen Kindertagen so umfassend und genau, daß ihn auch kein Pfarrer oder Pastor darin zu übertreffen gewußt hätte. Die Sprache der Bibel, biblische Szenen und Figuren prägen nicht nur ganz plakativ sein Werk ("Satan und Ischariot" zum Beispiel), man kann seine Abenteuererzählungen auch ganz buchstäblich als Übersetzung biblischer Geschichten in die "reißenden Märchen" (so Ernst Bloch) der Kolportage lesen.

Nürnberger Zeitung, von Ute-Marion Schurrer: Karl May beschäftigt die Wissenschafler. Karl May - mit einem Schlag kommen bei manchen Jugenderinnerungen hoch. An die grünen, in Leinen gebundenen Bücher, die man zu Weihnachten geschenkt bekam. "Karl May lehrt bis zum heutigen Tag Kinder und Jugendliche leidenschaftliches Lesen", meint Claus Roxin, der Vorsitzende der Karl-May-Gesellschaft, die am Wochenende zu ihrer Tagung in Erlangen zusammenkommt. "Karl May bleibt man auch im Erwachsenenalter treu", sagte der Juraprofessor, der die Gesellschaft 1969 mitbegründet hat. Die gesammelten Werke des Schriftstellers haben nach Angaben des Bamberger Karl-May-Verlages inklusive Lizenzausgaben eine Gesamtauflage von über 80 Millionen. "Karl May war einer, der die Paläste der Reichen und die Hütten der Armen gleichermaßen authentisch kannte", sagt Roxin. Allein seine Biographie sei schon faszinierend. Erst in den 60er und 70er Jahren allerdings zog May das Interesse der Literaturwissenschaftler auf sich. Vorher wurde er als eine Art Volksschriftsteller eingeordnet und war für die Germanisten nur von mäßigem Interesse. Die Karl-May-Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das literarische Werk Karl Mays zu erschließen und zu bewahren. Außerdem soll das Leben und Schaffen des Mannes erforscht werden.

Sonntagsblatt, von Uwe Ibl: Göttlich gelenkte Lebensgeschichte - Karl Mays Romane sind nachhaltig von der Bibel geprägt. Old Shatterhand, Winnetou und Old Wabble stehen in engem Bezug zu Jesus, Judas und Engeln. Karl May, der in Jugendtagen nächtelang unter der Bettdecke im Taschenlampenlicht verschlungene Schriftsteller als ein Ausleger der Bibel? Der Erlanger Theologieprofessor Martin Nicol geht noch weiter: "Oft genug gestaltet Karl May mit literarischer Kunst ein Stück erzählender Theologie". Das könnte, so des Professors Fazit, auch Predigt sein, "aber von der feinen und seltenen Art". Nicol, der gerne zugibt, die Geschichten um Kara Ben Nemsi und Old Surehand in sich eingesogen zu haben, spekuliert sogar darüber, wie sich seine religiöse Biographie darstellen würde, wenn er "nicht schon früh Karl Mays Reiseerzählungen verschlungen hätte". Als praktischer Theologe befaßt sich der Erlanger Professor mit den Spuren der Bibel in der modernen Literatur. Auf diesem verschlungenen Pfad gelangte er vor kurzem zum Kongreß der Karl-May-Gesellschaft. Seine Fundstücke werden demnächst in deren Tagungsband veröffentlicht. In der von Nicol untersuchten Old-Surehand-Trilogie findet der Theologe auffallende Parallelen zum Jesus-Judas-Verhältnis und andere biblische Bezüge. Der Glaube des als lutherischen Christen getauften Autors war ebenso selbstverständlich wie intensiv von Sprache und Vorstellungswelt der Bibel geprägt. Old Shatterhand, die Person, in der sich Karl May selbst zeigt, erweist sich immer wieder als ausgezeichneter Bibelkenner. Doch den wirklich interessanten Bibelgebrauch findet Nicol dort, wo der beliebte Autor biblische Figuren, Geschichten oder Motive einbaut und so in seinen Erzählungen auch deutet. Was sich als spannender Aberteuer- und Reiseroman darstellt, entpuppt sich bei Nicol als "göttlich gelenkte Lebensgeschichte".

Sonntagsblatt: Theologie in Old Surehand: Old Wabble war der Judas Karl Mays -. Karl May hat mit seinen Romanen viele junge Menschen fast wie ein Pfarrer religiös geprägt. Der Schriftsteller könne "mit gutem Gewissen als Ausleger der Bibel gewürdigt werden", sagte der Erlanger Theologieprofessor Martin Nicol bei einem Vortrag anläßlich der Jahrestagung der "Karl-May-Gesellschaft" in der mittelfränkischen Universitätsstadt. Durch Identifikation mit den Romanfiguren Mays "dürften vielfach religiöse Prägungen abseits der Kanzel entstanden sein", erklärte Nicol. Anhand der "Old Surehand-Trilogie" zeigte Nicol (44), wie der lutherisch getaufte May an die Bibel anknüpfe. Biblische Motive gehörten zu Mays "tragenden Elementen der epischen Architektur". Wenn der Roman und die Bibel als zwei aufeinander gelegte Folien betrachtet würden, liefere Altes und Neues Testament den Deutungshorizont für die Ereignisse in Old Surehand. So sei die Figur des Old Wabble gewissermaßen die Verkörperung des Judas, während Old Shatterhand mit seinen Worten und Taten das Beispiel Jesu verkörpere und zum christlichen Vorbild werde, so die Deutung des Professors für Praktische Theologie.

Hartmut Kühne

Kunstlieder nach Texten von Karl May

Ein Glanzlicht und zugleich Ausklang der Tagung in Erlangen am 21. September 1997 war der Vortrag eines Liederzyklus nach Karl-May-Gedichten, den unser Mitglied Heinz Borchert in den Jahren 1962 bis 96 schuf.

Der Zyklus nennt sich ,,Widmungen", ausgehend von der Überschrift des eröffnenden Gedichtes aus May Sammlung ,,Himmelsgedanken".

An Versuchen, Karl May zu vertonen, hat es seit hundert Jahren nicht gefehlt; beginnend mit einer Serie von Ave-Maria-Kompositionen im ,,Deutschen Hausschatz", die wohl von Mays eigenem Ave Maria (Urfassung in Es-Dur für Männerchor und erstmals mit dem Wortlaut der zweiten Strophe) ausgelöst wurde.

Bei Heinz Borcherts Liedern handelt es sich keineswegs um gutgemeinte Amateurarbeiten, sondern um die reife Arbeit eines erfolgreichen Komponisten. Was dabei herauskam, ist eine gelungene Einfühlung in den Stil der Jahrhundertwende, gelegentlich blitzschnell an Strauß, Mahler, Debussy oder - Borcherts Lieblingskomponist: - Ravel erinnernd.

Vier Lieder enthält der Zyklus (1962 - 94), ein fünftes : ,,Güte" (1996) kam als Uraufführung hinzu.

Die Texte stammen aus Band 49 ,,Lichte Höhen" und sind schon dort gegenüber den Himmelsgedanken von 1901 teilweise gekürzt. Aus dem zweistrophigen Achtzeiler ,,Frühling" wurde ein dreistrophiges Gedicht mit je 4 Zeilen, wodurch die Aussage des Originaltextes leicht in Richtung Naturlyrik umgebogen wurde. Der Titel ,,Nacht" stammt aus dem Abschnitt ,,Frühe Lyrik", nicht also aus den ,,Himmelsgedanken".

Der 10 Minuten nicht überschreitende Zyklus ist ein gelungener Versuch, die umstrittene Qualität Mayscher Gedichte singbar, will sagen: hoffähig zu machen, sich mit ihren Gedanken auseinanderzusetzen, indem er von dem (respektlos gesagt) Poesialbumstil weg- und hinführt zu dem, was der Dichter Karl May unter ,,Seele" verstanden wissen wollte.

Die Sopranistin Bergith Sprenger und ihr Gatte Dietrich Sprenger als sensibler und gleichwohl virtuoser Begleiter - beide tätig an der Komischen Oper Berlin - waren dem Werk sachgerechte Interpreten.

Mindener Tageblatt v. 20. Februar 1997

Produktive Fan-Gemeinde

26. Karl-May-Jahrbuch: Eine abenteuerliche Mischung

Von Christoph Pepper

Man muß kein Germanist, Literaturwissenschaftler, Kulturhistoriker oder sonstiger Spezialist sein, um sich an den Jahrbüchern der Karl-May-Gesellschaft delektieren zu können: Es reicht durchaus, sich seine in den meisten Fällen wohl aus Jugendjahren herrührende Faszination für den großen Volksschriftsteller erhalten zu haben. Unglaublich, was eine unermüdlich um das Erbe des immer noch populären Fabulierers May bemühte Gemeinde aus Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Provenienzen und Interessenausrichtungen oder schlicht interessierten Liebhabern Jahr für Jahr an Material zum geistigen, geschichtlichen und kulturellen Umfeld des May-Werks zusammenträgt. Mehrfach ist an dieser Stelle auf vorangegangene Ausgaben des May-Jahrbuchs hingewiesen worden, inzwischen ist mit dem Jahrgang 1996 die 26. Ausgabe erschienen. Wie die vorangegangenen enthält sie eine schon fast abenteuerlich bunt zu nennende Themenmischung, wobei das Wort abenteuerlich im Mayschen Wirkungszusammenhang selbstverständlich als Kompliment zu verstehen ist. Da wird das Verhältnis des Schriftstellers zur Musik untersucht und seine starke Prägung durch Mozart, Wagner und andere festgestellt; Mays Vorbilder in der französischen Reiseliteratur und im französischen Feuilletonroman werden aufgespürt; eine kulturgeschichtliche Analyse stellt das Indianerbild des Autors in die Tradition der Fremdendarstellung; Formen und Funktion des Reisens im May-Werk werden beleuchtet; Hans Falladas May-Lektüre und deren Folgen auf sein Werk interessieren ebenso wie solche auf den Filmregisseur Fritz Lang. Insgesamt 13 Aufsätze ergeben ein buntes Kaleidoskop des May-Jahres 1996, ergänzt um den traditionellen ausführlichen Literaturbericht, der getreulich sämtliche Veröffentlichungsaktivitäten rund um den sächsischen Vielschreiber verfolgt, begleitet außerdem von Berichten über die May-Rezeption in Rußland und Litauen sowie einen Überblick über die zentralen Aktivitäten der May-Gesellschaft im vergangenen Jahr. Stolze 437 Seiten, wie immer begleitet von zahlreichen Abbildungen und in gewohnt sorgfältiger Manier ediert vom Hansa Verlag Husum: Karl-May-Liebhaber werden auch an diesem Jahrbuch ihre Freude haben.

Claus Roxin, Helmut Schmiedt und Hans Wollschläger (Hrsg.): Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1996, Hansa Verlag, Husum, 52 Mark

Deutsche Tagespost v. 22. März 1997

Jahrbuch

Karl May

Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft, Band 26 (1996). Herausgegeben von Claus Roxin, Helmut Schmiedt und Hans Wollschläger, 437 Seiten, 52,-- DM. Hansa Verlag Ingwert Paulsen, Husum, 1996.

Insgesamt achtzehn Beiträge umfaßt das 26. Jahrbuch der Hamburger Karl-May-Gesellschaft. Die Autoren untersuchen das umfangreiche Werk des deutschen Volksschriftstellers aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Das Prinzip der Vielfalt ist durchaus beabsichtigt. So können die Herausgeber und wissenschaftlichen Beiträge das literarische und musikalische Werk Karl Mays interdisziplinär ausloten und die große Spannweite der literarhistorischen und kulturgeschichtlichen Traditionsbezüge in der Zusammentragung divergierender kontextueller Aspekte einem großen Kreis von Karl-May-Lesern nahebringen.

Ein Schwerpunkt der versammelten Aufsätze, die größtenteils auf Vorträge bei der Karl-May-Gesellschaft in Bad Segeberg im Herbst 1995 rekurrieren, bildet die komparatistische Analyse von Karl Mays literarischen Bezügen und historischen Quellen. Folgt man dem Schöpfer von Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar in die Jagdgründe der Phantasie, so wird deutlich, daß sich May sowohl in der Wahl seiner literarischen Mittel als auch in seiner produktiven Genre-Aneignung ganz unterschiedlicher Traditionen bedient hat. So weisen Helmut Lieblang und Hans-Jörg Neuschäfer in ihren profunden Beiträgen nach, wie Karl May in seinen Reiseerzählungen auf den Spuren des Grafen d'Escayrac de Lauture wandelte und wie er die Formenwelt des französischen Feuilleton-Romans eines Alexandre Dumas d.Ä. und eines Eugène Sue rezipiert und für das eigene Schaffen fruchtbar gemacht hat.

Spannend zu lesen sind auch die Aufsätze, die bisher eher vernachlässigten Randgebieten der Karl-May-Forschung gewidmet sind. So wird etwa die Rolle der Musik im Leben und Werk Mays untersucht, ferner werden Analogien im Leben und Arbeit zwischen Karl May und Hans Fallada verifiziert, die Germanisten beschäftigen sich mit den "autobiographischen Hinweisen in den Reiseromanen" Mays, mit dem durchgängig rhetorischen Charakter seiner Romane, mit der "Leitmotivik des frühen Karl May", mit den "Formen und Funktionen des Reisens bei Karl May", mit dem "Indianerbild Mays und der Tradition der Fremdendarstellung" und zu guter letzt mit der Verfilmung der May-Bücher. Abgerundet wird der sorgsam edierte Sammelband durch einen ausführlichen Literaturbericht, der die neueste Forschungsliteratur zu Karl May einer kritischen Analyse unterzieht. Aber auch Karl May kommt selbst zu Wort mit einem Widmungsgedicht, das er kurz vor seinem Tod verfaßt hat.

Ingo Schmidt

Die Zeit im Buch 4/97: Essays

Geboren zum Verbrecher oder zum Erzähler?

Claus Roxin: Karl May, das Strafrecht und die Literatur. Essays. Tübingen, Klöpfer & Meyer, 1997, 190 Seiten, gebunden, DM 34,-/öS 248,-

Karl May (1842-1912) gehört hinsichtlich der Verkaufszahlen (80 Millionen Auflage), der Dauer (über ein Jahrhundert) und des "Drumherum" (Spiele, Filme, Symbol- und Zankwert) zu den erfolgreichsten deutschen Schriftstellern. Die Fragestellungen, Aufschlüsse, Streitpunkte, Haß- und Gunstbezeugungen, Massenwirkungen, die an ihn und sein Werk geknüpft sind, haben ihre Resonanz auf den unterschiedlichsten Forschungsgebieten: von der Psychologie, Psychiatrie, Kriminologie, Theologie über die Literatursoziologie, Ideologie- und Geschmacksforschung, Leserkunde, Literaturpädagogik und Bestseller-Forschung bis zur Zeitgeschichte.

Besonders an zwei Fragen erregten sich spitzfindige Geister wie auch die schlichten Gemüter: War Karl May ein "geborener Verbrecher" (Praktiker und Zuchthäusler) oder bürgerlich untadeliger "geborener Erzähler"? Handelt es sich bei den exotischen Abenteuern Old Shatterhands und Kara Ben Nemsis um bloße "Kopfreisen", oder - wie May selbst versichert - um autobiographische Reise-"Erzählungen"? Claus Roxin, einer der führenden Strafrechtler in Deutschland, aber auch erfolgreicher Chef der Karl-May-Gesellschaft, selbst passionierter May-Leser und dazu scharfsichtiger Analytiker von Mays Leben und Werk, gibt in seinen vier Essays auf diese Fragen klare, einprägsame und kompetente Antwort, gründend in der Erkenntnis, "daß dieselben Gaben, die May zum ,geborenen Erzähler' machten, seine Konflikte mit dem Gesetz verschuldet haben"(15). Und umgekehrt, "daß sich Karl Mays ganzes Werk lesen läßt als ein Versuch, das Trauma seiner Straftaten zu verarbeiten", was an den fünf paarigen "Grundmotiven" abzulesen ist, "die seine fiktive Welt konstituieren"(87): Demütigung und sieghafte Erhöhung, Gefangenschaft und Befreiung, Fremdbestimmung und Selbstbestimmung, Haß und Liebe, Krieg und Frieden. Im Zug von den jeweils negativen zu den positiven Gliedern liegt die Kraft "der auf die Realisierung der eigenen Tagträume drängenden Aktivität" (22). Dies gilt nicht nur für die einzelne Erzählung, sondern auch für den Reifungsprozeß des Gesamtwerks und Gesamtlebens. Roxins Ausführungen machen außerdem den Langzeit-Massenerfolg Mays verständlich, insofern die Leserinnen und Leser die in den Grundmotiv-Paaren angelegte Spannung für sich abarbeiten.

Viktor Böhm

Neues Sonderheft

Klaus Ludwig: Biographisches in "Deutsche Herzen, deutsche Helden"

Mit dem neuen Sonderheft setzt Prof. Klaus Ludwig, Dresden, seine beliebten und scharfsinnigen Betrachtungen zu autobiographischen Momenten der Mayschen Kolportageromane fort. Wie in seinen früheren Arbeiten, etwa zur "Liebe des Ulanen", verfällt der Autor auch hier nicht in den Fehler, zu eigensinnigen und komplizierten Spekulationen zu greifen. Vielmehr werden die umfangreichen Texte sorgfältig und sozusagen Satz für Satz auf mögliche Vergleiche mit autobiographischen Ereignissen aus der Jugend-, der Straf- und Vagantenzeit Mays, aus seiner Beziehung zu der ersten Ehefrau Emmas, auf seine Redakteurszeit bei Münchmeyer etc. durchforstet, wobei Ludwig seine Erkenntnisse stets konkret durch Zitate belegt. Diese ebenso konkrete wie erfreulich zu lesende Studie wirft ein ganz neues Licht auf den bisher von der Forschung meist als doch recht mißglückt eingeschätzten vierten Kolportageroman. Wer die bisherigen Arbeiten Klaus Ludwigs zu Autobiographica in den Münchmeyer-Romanen mit Interesse gelesen hat, wird von diesem neuen Sonderheft besonders gefesselt sein.

CFL


Karl-May-Seminar an der Freien Universität Berlin

Am Institut für Turkologie der Freien Universität Berlin fand im Sommersemester 1997 unter der Leitung des KMG-Mitglieds Dr. Bernhard Bremberger ein Seminar über "Das Türkenbild in Karl Mays Orient-Reiseromanen" statt.

Eines der Schwerpunktthemen war der Umgang des "Maysters" mit seinen Quellen, z.B.

* Joseph Chavanne (für das Eingangskapitel des Orientzyklus),

* Austen Henry Layard (fürs "Wilde Kurdistan"),

* Peter Lerch (für die kurdische Sprache),

* Amand von Schweiger-Lerchenfeld (für Stadtbeschreibungen, z.B. Damaskus und Adrianopel sowie die "Todeskarawane" etc.).

Offen mußte allerdings noch die Frage nach den Quellen für Mays türkische Sprachproben bleiben, die er selbst so charakterisiert: "Ein Deutscher, der ein bißchen Türkisch probiert." (Kara Ben Nemsi über sich selbst in "Durch die Wüste"). Er ging mit den angelesenen Vokabeln um wie Halef: "Letztere brachte er möglichst oft an, ohne sich sehr darum zu bekümmern, ob sie richtig seien oder nicht. Das gab denn einen Mischmasch, welcher mir heimlich außerordentliches Vergnügen machte." ("Der Schut")

Ein weiterer Akzent lag auf dem Zusammenhang der May'schen Orientvorstellungen mit der historischen Entwicklung des abendländischen Türkenbildes, welche vom "Phantastischen Orient" des Mittelalters über antitürkische (und -islamische) Propaganda, 1001 Nacht und Türkenopern bis hin zum "Massentourismus" nach Istanbul Ende des vergangenen Jahrhunderts führt.

Wieweit ist Karl Mays Orient eine verzerrte Spiegelung und Projektion eigener Erfahrungen (etwa mit der sächsischen Bürokratie)? Den jungen Tambour Karl May samt seinem kommandierendem Vater sowie die "Ernstthaler Königsretter" mit ihrem "Türkischen Schellenbaum" ("Mein Leben und Streben") finden wir beispielsweise in May'schen Karikaturen des türkischen Militärs wieder.

Weitere Seminare über die Geschichte des abendländischen Türkenbildes werden am Institut für Turkologie auch in den kommenden Semestern angeboten.


Peter Krumbiegel

Karl May ,Von Bagdad nach Stambul' - Zwischenstation in Baalbek

Wir sind im Libanon. Unser Wagen jagt durch die weite Bekaa-Ebene in Richtung Baalbek.

Die Luft flimmert. Es geht gegen Mittag zu.

Rechter Hand sehe ich die langgezogenen Bergketten des Antilibanon.

Aus dieser Richtung kam Kara Ben Nemsi mit seinen Begleitern, um ebenfalls Baalbek zu erreichen.

,Oben auf dem Paß angekommen, sahen wir, daß der westliche Abhang des Antilibanon, auf dem wir uns befanden, weit steiler abfiel als der östliche. Unser Führer teilte uns mit, daß Baalbek in gerader Linie fünf Stunden von hier liege, daß wir aber bei den Krümmungen des Weges und bei den schlechten Zustand der Pferde bedeutend längere Zeit brauchen würden.'

Auch unsere berechneten Tagesabschnitte sind durcheinandergekommen.

Der Zustand unseres Autos ist in Ordnung, aber im Gegensatz zu der Reisegruppe um Kara Ben Nemsi beherrschen wir die arabische Sprache nicht.

Mit unserem Englisch stoßen wir meist auf taube Ohren, da wären Französischkenntnisse schon besser.

Fehlende Verkehrszeichen, Hinweisschilder in Arabisch führen dazu, daß wir immer wieder in eine falsche Richtung abdriften, wenden, fragen, Zeit verlieren.

In manchen Ortschaften müssen wir ganz simpel fragen, wo wir uns eigentlich befinden.

,Wir passierten zunächst abermals einige kleine Dörfchen, und als sich die Vorhöhen des Antilibanon, hinter denen wir ritten und die uns immer wieder die Aussicht verdeckten, endlich öffneten, sahen wir das berühmte Tal von Baalbek vor uns liegen.

Die großartigen Massen dieser Ruinen nahmen einen weiten Flächenraum ein, und es gibt wohl kaum eine zweite Ruinenstadt, deren Überreste einen so gewaltigen Eindruck machen wie diese Mauer- und Gebäudereste.'

Wir nähern uns vom Süden her der Stadt Baalbek (über 100 000 Einwohner), fahren in das Straßengewirr hinein, dann sehe ich plötzlich in einiger Entfernung die sechs riesigen Säulen des Jupitertempels. Wir sind am Ziel.

Erste Händler kommen auf uns zu. Wir vertrösten sie auf später.

Am Eingang zur weitläufigen Tempelanlage erwartet uns zunächst die Kasse. 10 000 Lira (ca. 10 DM), dann ist man in der Anlage.

,Die hiesigen Tempelbauten waren einst dem Baal oder Moloch geweiht; die, deren Überreste heute noch vorhanden sind, sind ohne allen Zweifel römischen Ursprungs. Man weiß ja, daß Antonius Pius dem Sonnengott Zeus hier einen Tempel errichtet hatte, der ein Weltwunder gewesen ist. Es scheint, als seien in dem größeren der beiden Tempel die syrischen Götter, in dem kleineren aber nur Baal-Jupiter verehrt worden.'

Kara Ben Nemsi setzte sein Fernrohr ans Auge, um die weite Stätte zu überblicken... Ich halte den Fotoapparat in den Händen, blicke zur hochstehenden Sonne, um sie beim Fotografieren etwas im Rücken zu haben.

Wie Kara Ben Nemsi frage ich mich angesichts dieser riesigen Trümmerlandschaft, wie die tonnenschweren Gesteinsblöcke unter den damaligen technischen und mechanischen Hilfsmitteln bewegt und zu einem Bauwerk von dieser Größe zusammengefügt werden konnten

Tatsächlich verschwand der einzelne Mensch in diesen kolossalen Trümmern wie eine Ameise.

Ich sitze auf den riesigen Steintreppen, die zum Sanktuarium des Jupiter-Tempels führen, genieße die Ruhe.

Nur wenige Besucher sind um diese Zeit in der Anlage. Ein Sicherheitsposten mit Maschinenpistole mustert mich kurz, dann macht er weiter seine Runde.

Wieder Kameraaufnahmen und ein Blick zur Uhr. Wir müssen weiter.

Die plötzliche Suche nach dem Postamt in Baalbek kostet Zeit. Eine Ursache ist es mit, daß es im Libanon keine Briefkästen gibt.

Unser Wagen verläßt Baalbek. Es geht in Richtung Norden mitten durch die fruchtbare Bekaa-Ebene.

Weit hinter dem Ort El Am verlassen wir die Hauptstraße, steuern direkt in das Libanon-Gebirge hinein.

,Wir nahmen uns ebenfalls einen solchen Führer und folgten sofort. So ritten wir unter steten Erkundigungen nach dem Verfolgten den Ostabhang des Libanon hinan und den Westabhang wieder hinab, ohne Ruh und Rast, nur des Nachts uns ein wenig erholend. Ich hatte mir diese Reise über das berühmteste Gebirge der christlichen Erde ganz anders gedacht. Nicht einmal den berühmten Zedernwald konnte ich besuchen.'

Unser Wagen quält sich über einen steinigen Pfad. Als Weg kann man das nicht bezeichnen. Steine schlagen gegen das Fahrwerk, knallen gegen den Unterboden. So geht es durch enge Täler.

Ich blicke hoch zu den kahlen Hochflächen der Bergrücken.

Von Menschen keine Spur. Immer wieder Fotostopps, dann biegen wir staubbedeckt auf eine frisch asphaltierte Straße ein.

Ein Wegweiser kündigt ,Les Cedres' an. Die umliegenden Berge gehen auf die 3000 m Höhe zu, wir atmen frische Gebirgsluft.

Was Kara Ben Nemsi nicht vergönnt war: Wir stehen wenig später vor dem letzten Zedernwäldchen des Libanon.

Einige der imposanten Zedern werden auf rund 1000 Jahre geschätzt, jetzt nur noch ein kümmerlicher Rest des einst riesigen Bestandes.

Kara Ben Nemsi ist inzwischen mit seinen Begleitern in der libanesischen Hafenstadt Tripoli eingetroffen, suchte vergeblich nach einem Schiff, das sie nach Stambul bringen konnte.

,,Wir müssen nach Beirut!"

Und das ist auch unser nächstes Ziel. Aber nicht zu einem bestimmten Schiff zur Weiterfahrt, sondern in unser Hotel.

Michael Heinatz

Karl May in der Chronik deutschsprachiger Autoren vom achten Jahrhundert bis zum Jahre 1980

Im Jahre 1993 gab Volker Meid sein Buch "Metzler Literatur Chronik. Werke deutschsprachiger Autoren" heraus. Auf Seite 484 seines Buches würdigte Volker Meid mit Karl Mays Romantrilogie "Winnetou" die drei Bände der berühmtesten der klassischen Reise- und Jugenderzählungen des sächsischen Schriftstellers. In Einzelheiten führte er zu Karl Mays Romantrilogie "Winnetou" folgendes aus:

1893

Karl May

Winnetou

Die drei Bände der berühmtesten der klassischen Reise- und Jugenderzählungen M.s erschienen 1893 im Rahmen der von dem Freiburger Verleger Fehsenfeld herausgegebenen Gesammelten Reiseerzählungen (33 Bände, 1892-1910). Als 4. Band folgte 1910 Winnetous Erben.

Winnetou I - ursprünglicher Titel Winnetou, der rote Gentleman - gehört zu den besten und geschlossensten Romanen M.s. Er wurde eigens für die Fehsenfeld-Edition neu geschrieben, während die folgenden Bände auf älteren Erzählungen beruhen und trotz entsprechender Bemühungen nicht die Geschlossenheit des 1. Bandes erreichen. Dieser erhält besondere Bedeutung auch dadurch, daß hier die endgültige Version der Entwicklung seines Helden Old Shatterhand und seiner Freundschaft mit Winnetou formuliert wird: "Erst auf dieser Basis gewinnt M.s nordamerikanischer Schauplatz die unverwechselbaren Konturen einer mythischen Welt eigener Art: mit eigenen Lebensregeln und Normen, mit eigener Prominenz und generell mit Verhältnissen, die als utopischer Gegenentwurf zu den realen Gegebenheiten in der Heimat des Autors zu erkennen sind" (Heinz Stolte). Die wichtigste Quelle für Nordamerikanisches ist George Catlins Die Indianer Nordamerikas (1841, dt. 1848). Absicht seiner Erzählung sei es, schreibt M., den durch die Aggression der Weißen zum Untergang verurteilten Indianern "das wohlverdiente Denkmal" zu setzen.

Winnetou ist ein Ich-Roman. Der Held und Erzähler, den unerquickliche Verhältnisse in der Heimat (sie hindern ihn nicht an penetranter Deutschtümelei) und angeborener Tatendrang nach Nordamerika getrieben haben, erscheint zunächst als Hauslehrer in St. Louis und gerät dann durch die Vermittlung seines väterlichen Freundes, des Büchsenmachers Henry ("Bärentöter", "Henrystutzen"), als Landvermesser für eine Eisenbahngesellschaft in den ,Wilden Westen'. Als Lehrmeister dient der skurrile Sam Hawkens, den er aber bald übertrifft. Sie geraten in Auseinandersetzungen mit den Mescalero-Apachen und später mit den zunächst verbündeten Kiowas, und es kommt zu Kämpfen, gegenseitigen Gefangennahmen, Verfolgungen, Zweikämpfen und einer schweren Verwundung des Helden. Schließlich gelingt es, die Mißverständnisse zwischen den (wenigen) ,guten' Weißen und den Apachen aufzuklären und eine vollständige Aussöhnung zwischen Old Shatterhand und Winnetou herbeizuführen. Die beiden werden Blutsbrüder, und Winnetou bringt Old Shatterhand den letzten Westmannsschliff bei. Auf der Rückreise nach St. Louis kommt es zur Katastrophe. Bei einem Überfall durch geldgierige Weiße werden Winnetous Vater und Schwester, die sich in Old Shatterhand verliebt hatte und wie eine weiße Lady werden wollte, ermordet. Der Hauptschurke, Santer, entkommt (und findet erst im 3. Band den Tod, als er auf der Suche nach Winnetous Goldschatz eine Sicherung übersieht und eine Explosion auslöst; Winnetou selber war schon vorher, von der Kugel eines Ogellallah getroffen, in Old Shatterhands Armen unter den Klängen eines Ave Maria gestorben).

M. verwertet hier wie in seinen anderen Romanen die traditionellen Motive des Abenteuerromans: Der Held ist den Angriffen von Menschen, wilden Tieren und den Naturgewalten ausgesetzt, bewährt sich in Verteidigungs- und Verfolgungsmaßnahmen. Idyllische Momente dienen zur Sammlung von Akteuren und Lesern, geben den reueunwilligen Bösewichtern Gelegenheit, auf neue Untaten zu sinnen und bereiten weitere Verwicklungen vor, die wieder dem Schema ,Gefangenschaft und Befreiung' folgen. Einfache Schwarzweißmalerei herrscht vor, und die Schurken trifft schließlich die gerechte Strafe. Geradezu übermenschlich erweisen sich die Fähigkeiten der charismatischen Helden und Erlösergestalten Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi (in den Orientromanen) und Winnetou, in denen M. Allmachts- und Wunscherfüllungsphantasien auslebt. Legenden- und märchenhafte Züge sind deutlich.

M. ist einer der auflagestärksten deutschen Schriftsteller (wobei die Qualität der Ausgaben freilich meist höchst unbefriedigend ist). Die Urteile über ihn reichen von entschiedener Ablehnung bis zu hoher Wertschätzung (Ernst Bloch: "einer der besten deutschen Erzähler"). Arno Schmidt suchte das Alterswerk des "Großmystikers" M. aufzuwerten, das den - stark zurückgenommenen - Abenteuerhandlungen einen religiös-allegorischen Sinn unterlegt (u.a. Im Reiche des silbernen Löwen, Bd 3, 4: 1902-03; Ardistan und Dschinnistan, Bd 1, 2: 1909).

Volker Meid

Das Buch "Metzler Literatur Chronik" erschien bereits im Jahre 1993 in der J. B. Metzlerschen Verlagsbuchhandlung und dem Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart und Weimar. Es enthält eine umfangreiche Bibliographie zur Geschichte der deutschen Literatur. Dazu gehören auch einige Buchtitel zum Leben und Wirken des Schriftstellers Karl May. Das Buch läßt sich allen Lesern der KMG-Nachrichten, die sich näher mit der Geschichte der deutschen Literatur beschäftigen möchten, uneingeschränkt empfehlen.

Elmar Elbs

Winnetou darf nicht sterben

Lothar Reichel: Winnetou darf nicht sterben - ein Jugendroman. Echter Verlag Würzburg 1995

Winnetou darf für den Schüler Pascal Plöhn nicht sterben. Dieser Bub liest in der Deutschstunde von Herrn Wabbel unter der Schulbank "Old Shurehand", ganz wie auch wir seinerzeit. Seine Fantasie geht ihm dabei durch und er wähnt sich direkt bei den Abenteuern von Karl May - Old Shatterhand.

Daß natürlich der Lehrer, die Eltern dies nicht gerne sehen ist klar, leiden dabei doch die Schulnoten. Damit aber auch für die heutigen Jugendlichen die Handlung noch einen Schuß Aktualität erhält spielt ein geheimnisvoller Agent, ein Mädchen und ein Freund mit. Pascal bekommt dann noch die wahre Lebensgeschichte Karl Mays von einem Freund seines Großvaters Herr Degenfeld - genannt Methusalem - erzählt. Überhaupt haben alle handelnden Personen Namen aus Karl Mays Bücherwelt. Mit großer Fantasie endet das Buch, das Märchen, das Abenteuer geht trotzalledem für Pascal weiter.

Ich amüsierte mich an dieser frischen und dank Karl Mays eingeschobenen spannenden Abenteuern so faszinierenden Jugenderzählung sehr. Ein Buch zum Verschenken an Enkel von angefressenen Karl-May-Lesern und Freunden.

Elmar Elbs

In der Zeitschrift MFM-fototechnik 6/97, AGT Verlag Thum GmbH Ludwigsburg, fanden wir nachstehende Kurzbesprechung eines bemerkenswerten Bildbandes:

Edward Sheriff Curtis

Die Indianer Nordamerikas

Die kompletten Portfolios

768 Seiten, 959 Abbildungen in Sepiabraun. 19,5 x 14 cm, broschiert. Köln: Benedikt Taschen Verlag, 1997. 39,95 DM, 39,95 sFr, 299,- öS

Welches Bild wir auch von den Indianern Nordamerikas haben - es dürfte falsch sein. Sie waren weder blutrünstige Bestien, nur darauf erpicht, Weißen die Kopfhaut zu rauben, und sie waren auch nicht die edlen Wilden, die nichts anderes zu tun hatten, als in seelenvollem Einklang mit der Natur zu leben. Sie waren nicht alle grandiose Reiter auf sattellosen Pferden, und sie wohnten nicht alle in Tipis oder Wigwams.

Auch das Werk des Edward Sheriff Curtis, das in einer sehr gut gedruckten und dennoch sehr preiswerten (und sehr dicken) Ausgabe vorgelegt wurde, wird die Vorurteile nicht ausräumen, die Karl May, John Ford oder Kevin Costner geprägt haben.

Die Fotografien von Curtis gewähren kleine, faszinierende Einblicke in das Leben nordamerikanischer Indianer - zu einer Zeit (kurz vor 1900 bis etwa 1930), als deren Schicksal wohl schon lange besiegelt war, als die Traditionen aber noch lebendig waren.

Für alle, die an der Geschichte Nordamerikas im Allgemeinen oder der Indianer im Besonderen interessiert sind, ist dieses Buch ein Muß!

Herbert Kaspar

Über Karl May

Günter Kunert (1929), Lyriker, Essayist - Warum schreiben? Notizen zur Literatur / Literatur als Kunst, München 1976, S. 183:

"... das Kind, das ich war, nahm eine ,Moral' gar nicht wahr; eine verallgemeinernswerte Tatsache, die begründet, wieso eigentlich Kinder teilweise stark moralisierende Texte (wie z.B. die Karl Mays) unbeschadet vertragen können."

3.3

Martin Walser, Über Deutschland reden. edition surhkamp, Bd. 533; S. 44: Was ist ein Klassiker?

"Auch der schrecklich gebeutelte Karl May muß sich lebenslänglich durch Dunkel zum Licht, durch gemeine Gefahr zu edelster Errettung durchschreiben. Und weil wir alle mehr Gefahr als Rettung erleben, insbesondere in der Kindheit, und weil angesichts der Wirklichkeit ein Retter gar nicht tadellos genug sein kann, brauchen wir am Anfang unseres Lebens dringend Karl May."

3.4

Sächsische Zeitung v. 19. März 1997

Das Wort

Als ich ein Mann geworden war, habe ich mir alle Karl-May-Bände auf einmal gekauft. Ich las sie nicht nur einmal. Jetzt bin ich gesättigt von Karl May, ich werde sie kaum wieder lesen. Aber mein Sohn holt sie sich - alles dasselbe und doch alles ganz anders.

"Hans Falladas Karl-May-Lektüre" aus Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1996, Hansa Verlag Husum

Bitte um Hilfe!

Im Rahmen meiner Staatsexamensarbeit suche ich Hinweise zu Karl Mays Roman "Der Ölprinz". Wer sich mit diesem Roman in Arbeiten oder Beiträgen beschäftigt hat, wird gebeten, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Darüber hinaus suche ich zum Zweck der nahezu lückenlosen bibliographischen Dokumentation Fotos im Format 10x15 von Ölprinz-Ausgaben jeder Art mit den entsprechenden Angaben. Auch alle Mayensia zum "Ölprinz", wie Figuren, Filmausgaben, Comics usw. würde ich gern in diese Arbeit aufnehmen. Auch hier würden kurze Hinweise in Verbindung mit einen 10x15-Foto oder einem Negativ weiterhelfen. Für die Hilfe bedanke ich mich schon im Voraus!

Andreas Binder

Lindenstraße 10a

15295 Thälmannsiedlung


Trierischer Volksfreund v. 20.8.97

Hirtenbub, Holzfäller und Olympiasieger

Georg Thoma feiert heute seinen 60. Geburtstag

"60, ich kann mir's nicht vorstellen." Etwas unsicher wirkt Georg Thoma, wenn er auf seinen Ehrentag angesprochen wird. Genauso ungläubig hatte er 1960 reagiert, als ihm Karl Ritter von Halt im Olympischen Dorf in Squaw Valley auf die Schulter klopfte und sagte: "Georg, du bist Olympiasieger, mach dich fertig zur Siegerehrung."

Der Hirtenbub vom einsamen Wunderlehof im Feldberggebiet, für den als "begeisterter Karl-May-Leser" die "Reise ins Indianerland schon ein Abenteuer" war, traute der Ankündigung nicht. "Herr Ritter von Halt, machen Sie keinen Witz", habe er entgegnet und zum Trainer Roscher gesagt: "Ewald, wir gehen nicht hin, die haben sich bestimmt verrechnet."

Frankfurter Rundschau, Ende Juli oder Anfang August 97: Sachsen

Karl May, der alte Sachse und Vater von Winnetou und Old Shatterhand, würde sich die Haare raufen, wenn er noch könnte, aber er ist ja nun mal tot seit 1912. In Radebeul bei Dresden, wo der Schriftsteller einen großen Teil seiner Jahre verbrachte, steht in der Karl-May-Straße das Karl-May-Museum und hütet die Reliquien des Dichters. Kürzlich kam es zu einer mittleren Aufregung, weil die BILD-Zeitung Zweifel an der Echtheit der Karl-May-Locke äußerte, die dort in einem Schränkchen zu besichtigen ist. Sie zitierte einen Experten (den kein Mensch im Museum kennt), und der meinte, die Locke sei braun und deshalb falsch, weil May ein heller Kopf gewesen sei.

"Alles Quatsch", stöhnte Museums-Kustos Hans Grunert. Die Locke sei so hellgrau, wie Karl Mays Kopf das nun mal im hohen Alter war. Die Locke war von Mays Schwester Klara in einem Umschlag mit ihrer Handschrift (per Gutachten bestätigt) geliefert worden. So lange es keinen Beweis für eine Fälschung gibt, gehen die Radebeuler von der Echtheit aus.

Die Haarspaltereien sind nur ein kleines Kümmernis. In der großen Schar der May-Jünger gibt es auch einen, der das Radebeuler Museum seit Jahren in Atem hält, weil er darauf drängt, den Dichter exhumieren zu lassen. Der Mann ist felsenfest davon überzeugt, Mays Tod sei die Folge intensiver Radiumbestrahlung. -bho

Die WELT v. 13.9.1997 - Wochenendbeilage Geistige Welt

Vorfreude auf Karl-May-Forscher

Manchmal genügen drei Worte, um ganze Universen zu öffnen. Kara. Ben. Nemsi. Bilder flattern ins Gedächtnis, Erinnerungsfetzen, Kindererlebnisse.

Wie bei allen Welten- und Weltanschauungsschöpfern hat das Werk Karl Mays zur Gründung eines Fanclubs in wissenschaftlichem Gewand geführt. Genutzt hat es viel, doch nicht genug: "Auch 85 Jahre nach seinem Tode und 28 Jahre nach Gründung der KMG sind noch viele Fragen um den Menschen und Schriftsteller Karl May offen." KMG heißt Karl-May-Gesellschaft, und die tagt vom 19. bis 21. September in Erlangen. Es wird Ausstellungen geben, starke Vorträge ("Spuren der Schopenhauer-Lektüre in ,Weihnacht'") und Musik. Das KMG-Mitglied Heinz Borchert hat nämlich extra fünf May-Gedichte vertont. Prof. Dr. Hans-Otto Hügel widmet sich dem "Virtuosen Kara Ben Nemsi". Ob Hügel zum Tragen des Dia-Projektors aber einen Hadschi Halef Omar mitbringt, ist unbekannt.

Holger Kreitling

Freie Presse v. 16. Juni `97

Ein Volksfest der Superlative - Knapp 100.000 begeisterte Besucher am Sachsenring - Motorsport zum Anfassen - Gelungene Präsentation

Zuvor gab es eine eindrucksvolle Reminiszenz an die Karl-May-Geburtsstadt Hohenstein-Ernstthal. Winnetou und Old Shatterhand rauchten auf der Startlinie mit dem Honda-Piloten und Karl-May-Fan Altfrid Heger eine Friedenspfeife. So einfach und dennoch wirkungsvoll lassen sich die Traditionen um Karl May und die Gegenwart des Rennsports am Sachsenring vereinen.

Trierischer Volksfreund v. 28.7.97

Die "Karl-May-Spiele" in Bad Segeberg registrierten am Wochenende den sechsmillionensten Besucher in der 45jährigen Geschichte der Festspiele.

Salzburger Nachrichten v. 22. Mai 1997 Zwischenruf von Helmut Schliesselberger

Karl May, immer dabei - Teil zwei

Heimische Karl-May-Krisen begannen seit jeher - die SN berichteten im Detail - in St. Pölten. Nun dräuen erneut ernste Versorgungsprobleme in den Buchregalen an der Traisen. Thomas Muster soll mit Hartplatz-Preisgeld in St. Pölten sämtliche Ausgaben des Bandes 10 der gesammelten Karl-May-Werke, "Sand des Verderbens", aufgekauft und von Telefonbuchzerfetzer Otto Wanz rituell zerreißen haben lassen.

Seit das Gerücht entstand, im nahe Villach gelegenen Silbersee sei der Schatz des Ex-Diktators Mobutu versenkt, kommt der einzige heimische "Schatz im Silbersee"-Experte von internationalem Ruf aufgrund der vielen Anfragen kaum mehr zum Regieren - geschweige denn Lesen.

Immerhin, als bekannt wurde, daß der Landesvater neben dem "Silbersee" auch Band 49 "Lichte Höhen" gelesen hat, sind alle Einbuch-Vorwürfe verstummt. Und auch die böse Fama, die noch immer nicht eröffnete neue St. Pöltner Landesbibliothek sei nur deshalb noch zu, weil jemand das Buch geklaut habe, vertrocknete.

Präsident Herzog soll am Freitag in St. Pölten Band 77, "Die Kinder des Herzogs", erhalten. Um peinlichen diplomatischen Verwicklungen für den Fall etwaiger herzoglicher Kinderlosigkeit vorzubeugen, mußte eine Eliteeinheit des nö. Geheimdiensts NKWD in wochenlanger Kleinarbeit in Berlin ausspionieren, ob der erste Mann im Nachbarstaat tatsächlich zwei erwachsene Söhne hat.

In Wien erwarben die Klubchefs Hunderte Ausgaben von Bd. 52, "Die Pyramide des Sonnengottes", um die Büchlein als Klubgabe an von der Gehaltspyramide besonders betroffene Parteigenossen zu verteilen.

Auf einen ähnlichen Trick verfielen die Herren Edlinger und Ruttenstorfer: Sie versuchen ihre Finanzbeamten durch Vergabe persönlich gewidmeter Ausgaben des Bands 59, "Die Herren von Greifenklau", vom Streik abzubringen. Dabei haben die Finanzer eben erst als einmalige Sonderleistung "Unter Geiern" erhalten.

Die Pop-Gruppe Boney M. erhofft sich von der Vertonung des Bands 27, "Bei den Trümmern von Babylon", endlich wieder einen Hit, während zig midlife-crisis-geschüttelte Mitvierziger hochgeschlagenen Mantelkragens beim Kauf von "Auf fremden Pfaden" (Bd. 23) ertappt wurden.

Übrigens: Die Raiffeisen-Personalabteilung teilt mit, daß jeder Karl-May-Band aufgrund seiner gediegenen Aufmachung "in grünem Ganzleinen mit Goldprägung" für die Aufnahme als Leiter einer Raikafiliale als geeignet angesehen werden muß.

Werke sächsischer Komponisten auf CD erschienen:

Vergessene Kostbarkeiten

Lieder und Kammermusikwerke von Artur Immisch (1902-1949), Reinhold Mücke (1905-1990) und Helmut Fritsche (1907-1967)

Interpreten: Ronald Hein - Bariton

Liana Bertok - Klavier

Reiner Ginzel - Violoncello

Titelbild: Sascha Schneider: "Mondnacht"

Freunde der Musik und Literatur der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts dürfte diese CD ganz besonders interessieren. Den Hörer erwartet die Begegnung mit Komponisten, die sich von den "großen" Spätromantikern und Impressionisten ihrer Zeit beeinflussen ließen und dennoch Werke schufen, die eine ganz individuelle Handschrift tragen. Bei den eingespielten Liedkompositionen kommt auch den Textdichtern große Bedeutung zu, wobei es sich ebenfalls vorwiegend um Autoren der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts handelt (u.a. Ricarda Huch, Hans Carossa, Agnes Miegel). Eingespielt wurden zudem Vertonungen aus den "Chinesischen Gedichten" von Klabund und aus dem "Japanischen Frühling" von Hans Bethge, die in den 20er Jahren große Popularität hatten.

Für das Titelbild der CD wurde bewußt auf das Werk eines sächsischen Künstlers zurückgegriffen. Der Maler und Plastiker Sascha (Alexander) Schneider (1870-1927) errang in den 1890er Jahren einen bedeutenden Ruf als Gestalter symbolistischer Gemälde. Sein Name ist allen Karl-May Freunden ein Begriff.

Süddeutsche Zeitung vom 1.5.97

Winnetou auf Schürzenjagd

Berufsindianer Pierre Brice gastiert in der Kleinen Komödie am Max II als alternder Don Juan.

Er ist immer noch ein schöner Mann. Markante Züge, wohldosierte Falten, das duftige Schwarzhaar dezent meliert. Besonderes Kennzeichen: Funkelaugen, überdurchschnittlich groß. Augen, die so klar und blau sind wie der Silbersee an einem Sommertag. Der Vergleich sei entschuldigt - er drängte sich mit den romantischen Kindheitserinnerungen auf, die bei einer Begegnung mit Pierre Brice nun mal nicht ausbleiben. Der Schatz im Silbersee, unser erster "Winnetou" - 20 Jahre ist das mindestens her. Du lieber Manitu, was haben wir kleinen Mädchen damals von diesem Mann geschwärmt!

Mag in seinen Adern auch blaues Blut fließen - seit er 1962 erstmals den Winnetou spielte, ist Baron Pierre Louis de Bris die berühmteste Rothaut Deutschlands, eine lebende Legende. Mit dem Schatz im Silbersee fing es an, dann folgte eine Karl-May-Adaption nach der anderen: elf Filme in sechs Jahren. Die Reihe war Kult und Brice ihr Star.

Daß er bis heute von der Rolle zehrt, daß er der ewige Winnetou ist, der Berufsindianer, ein für allemal festgelegt auf ein Image - Pierre Brice hat damit überhaupt kein Problem. Im Gegenteil: Er ist stolz darauf. "Welcher Schauspieler", fragt er, "hatte je so einen Dauererfolg in derselben Rolle?" Ihm fällt da allenfalls Horst Tappert ein. Am Anfang seiner Karriere, erzählt Brice, habe er Kollegen kennengelernt, die wollten nur mit Fellini drehen, nur mit Visconti. "Ein paar Jahre später waren sie verschwunden. Mich gibt es immer noch, seit 40 Jahren schon." Bald reitet er wieder. Winnetou forever - Brice hat selber fleißig an der Legende gestrickt.

Brice glaubt an seine Rolle: "Winnetou ist ein Mann, der für sein Volk kämpft, für Freundschaft, für Frieden, für Menschenrechte." Nicht nur als Botschafter für das Gute ist er ein Indianer. 1991 haben ihn die Winnebago-Indianer in Nebraska zum Stammesmitglied erklärt. Sie nennen ihn "den Mann vom Regenbogen".

Christine Dössel

Karl May im INTERNET

Hoch gepriesen sei hier erneut die Initiative von unseren Mitgliedern, die unter Leitung von Ralf Schönbach und Frank Starrost im Internet anbieten, was es zu Karl May zu sagen gibt, sogar ganze Jahrbücher. Besonders wertvoll sind die allgemeinen Hinweise auf die KMG, die allen Interessenten mit online-Anschluß erste Kontaktmöglichkeiten bieten, Mitglieder lassen sich so werben. Aber auch dies: Presse und andere Medien erhalten Hintergrundmaterial, und so las man in der WELT vom 13.9.97 einen kurzen Artikel von Holger Kreitling, der kein Mitglied der KMG ist und trotzdem Erich Müllers Einladung in KMG-N 113 fast wörtlich widergab. Ein Anruf klärte auf: INTERNET war die Quelle.

Reprint-Herstellung bei Fa.Niedermayr

Rollenoffset und Bogenoffset steht an der Eingangstür des modernen Gebäudes der Firma in Regensburg-Ost, die seit 1801 in Familienbesitz ist, Graphische Kunstanstalt Franz Anton Niedermayr heißt und Drucksachen aller Art in Vier- oder Fünf-Farbendruck herstellt. Reprints der KMG werden gerne erledigt, bringen sie doch eine gewisse Abwechslung in das tägliche Einerlei. Denn ein Reprint ist so etwas wie ein ,Schmankerl', wie es in Bayern heißt, eine Herausforderung für die Spezialisten der Firma. Selten ist die Reprint-Vorlage so, daß alles ganz einfach abläuft. Im Prinzip geht das folgendermaßen: Vorlage 1:1 abfotografieren, 16 DINA4-Seiten auf einen Bogen plazieren, auf eine Druckplatte übertragen, auf den Druckzylinder spannen und drucken - fertig. Aber so leicht machen wir's denen halt nicht. Die Vorlage ist zerfleddert oder brüchig, Zeitungen lassen die Rückseite durchscheinen, die Schrift hat unterschiedliche Stärke, Bücher müssen auseinandergenommen werden (damit jede Seite vollkommen plan- eventuell unter Glasabdeckung -abfotografiert werden kann ), Fotos (das heißt angelieferte Vorlagen in abfotografiertem Zustand) beinhalten Halbtöne, Fotos haben optische Verzerrungen am Rand (das Objektiv ist rund und eine Seite ist viereckig), oder Belichtungsfehler (die verwendete Lichtquelle leuchtet nicht alles gleichmäßig aus), oder unterschiedliche Schriftgröße (weil der Abstand vom Objektiv zum Blatt nicht jedesmal haargenau gleich ist), angelieferte Fotos in üblichem Kleinbildformat müssen erst reproduziert und neu abfotografiert werden. Müssen die Vorlagen nachbearbeitet werden (z.B. weil der Text in der Zeitung drei Spalten breit, aber nur etwa eine halbe Seite hoch war), werden sie eingescannt und auf dem Computerbildschirm so plaziert, daß eine Seite mit zwei Spalten gefüllt wird, das heißt: im Computer wird die Spaltenbreite genau eingestellt, Übergänge werden angepaßt, ein elektronischer Umbruch sozusagen, denn eine Montage von Hand macht man nicht mehr. Theoretisch könnte man die eingescannte Vorlage jetzt komplett nachbearbeiten, also Schriftgrößenunterschiede ausgleichen oder eventuell unleserliche Buchstaben von Hand eingeben, aber das ist (wegen des Zeitaufwandes) kaum bezahlbar. Der Bildschirminhalt wird ausgedruckt, abfotografiert und dann auf die Druckplatte aufgetragen, eine Wasserwalze und drei Farbwalzen bearbeiteten das Spezial-Alu, echt ätzend so was. Dieser sogenannte Stehsatz wird dann archiviert, in so einem modernen Betrieb erfolgt das heute auf CD-Rom, wobei jeder Reprint etwa 4 soche Scheiben ergibt. Die können dann bei der Firma in einen Schrank gelagert und später für eine neue Auflage verwendet werden. Die Druckplatten werden nach dem Druck vernichtet, eine Wiederverwendung erfordert zeitaufwendiges Reinigen. Die Folien-Bögen sind sperrig, werden aber auch noch aufgehoben. Das ist noch Zukunftsmusik: Computer to press, von der Vorlage ohne Druckplatte und Folienbogen direkt zum Druck, die EDV macht's (bald) möglich. Grundlage allen Erfolgs aber ist eine einwandfreie Vorlage, nur die ist leider die Ausnahme. Viele Archive geben ihre Unterlagen nicht heraus, das Abfotografieren an Ort und Stelle ergibt Ungenauigkeiten, die von der Fa. Niedermayr nicht ausgebügelt werden können, wie zB. bei dem Ave Maria, das für den nächsten Reprint vorgesehen war, weshalb denn das Original nach Regensburg muß, oder die Besitzer der Vorlagen stimmen einem Auseinandernehmen ihrer Bücher nicht zu, so daß in Regensburg unter erschwerten Bedingungen fotografiert werden muß. Das muß noch erwähnt werden: Die zerlegten Vorlagen werden von einem Buchbindefachbetrieb wieder zusammengesetzt, nur am Rand fehlt jetzt etwa 1 mm, wer merkt das schon ? Trotzdem, verstehen kann man die Bedenken. Die Herstellung geht weiter: Das gedruckte Papier (16 Seiten des Reprints auf einem gefalteten Bogen, etwa 10 bis 20 Bögen hintereinander, mit Deckeleinband) geht zu der erwähnten Buchbindefirma in Regensburg, die bindet jeden Reprint und schneidet die Seiten oben, unten und rechts sauber ab. Dann geht's zurück in's Druckhaus, dort werden die fertigen Reprints in einen Schuber gesteckt (das geht noch von Hand), verpackt, mit Adressenaufklebern versehen und versandfertig gemacht. Kommen sie zum Besteller, der meist lange darauf gewartet hat, ist die Freude groß, von der geleisteten Arbeit sieht man nur das Endprodukt, und nichts verläßt das Druckhaus, was einer kritischen Begutachtung nicht standhält. Haben wir's anders erwartet? Ein herzliches Dankeschön geht nach Regensburg, ein großes Kompliment an die Druckerei !

Weltbild v. 12.9.97

60 Sekunden mit Hermann Wohlgschaft

Der katholische Seelsorger der Pfarrei "Zu den Heiligen Engeln" in Landsberg (Bayern) ist Experte für Karl-May-Literatur

Wann hat Sie Karl May gepackt?

Mit neun Jahren. Ich begann mit "Winnetou" und las danach alles, was über und von Karl May zu kriegen war.

Was sagt Ihr Bischof dazu?

Dem habe ich das noch gar nicht erzählt. Wenn er's jetzt liest und wenn er so mutig ist wie sein verstorbener Ordensbruder, der Benediktiner-Abt Ildefons Schober (der mit May sehr befreundet war), dann wird er mich sofort zum Geistlichen Rat ernennen.

Predigen Sie auch über Indianergeschichten?

Eher selten. Aber einen Dialog über "Sterben und Tod" aus dem "Reich des silbernen Löwen" habe ich zu einem Bruckner-Requiem vorgetragen.

Was lesen Sie außerdem?

Vor allem die Bibel, aber auch Karl Rahner und die Enneagramm-Literatur, André Gide und "Weisheit im Märchen".

Waren Sie als Kind lieber Sheriff oder Sioux?

Weder noch. Mein Traum war Old Shatterhand, weil der alles weiß und alles kann.

Haben Sie schon über Karl May geschrieben?

Gewiß. Eine Biographie zum Beispiel, nur 900 Seiten dick.

Interview: Arnulf V. Thiemel

Gitta Sereny: "Albert Speer. Das Ringen mit der Wahrheit und das deutsche Trauma". Knaur Taschenbuch, München 1997

Seite 138:

"Mit sehr wenigen Ausnahmen war Hitlers gesellschaftlicher Umgang mit Frauen auf seichte Unterhaltung beschränkt. Immer ausgesprochen höflich und um ihre Gesundheit bekümmert, plauderte er gern mit ihnen über Musik, Theater und Schauspieler und mit einer Frau wie Leni Riefenstahl auch über Unterhaltungsfilme, die neben Wagner-Opern, Operetten und den Büchern Karl Mays seine hauptsächliche Zerstreuung waren."

An Karl May geschult

Marion Gräfin Dönhoff: "Kindheit in Ostpreußen". Siedler Verlag, Berlin 1988

Seite 76:

Verantwortung zu tragen, das wurde uns nicht gepredigt, das ergab sich einfach in der Gemeinschaft. Unsere Spielgefährten waren die Dorfkinder, und es war klar, daß wir es waren, die für zerbrochene Fensterscheiben oder abhanden gekommenes Werkzeug die Schelte bekamen - dafür sorgten schon die Handwerker, die keineswegs glimpflich mit uns umgingen. Petzen, sich drücken und einwenden, das waren nicht wir, das war der und der, das wäre ganz gegen unsere an Karl May geschulten Begriffe von Edelmut und Fairneß gewesen. Wir waren es, und damit basta. Und da einer von uns ja auch meist der Anführer aller Unternehmungen war, verstand sich das von selbst.

Der Nord-Berliner vom 25.9.97

Ehemaliger Stadtrat widmet sich dem Lebenswerk von Karl May

"Mich faszinieren seine Erzählungen und sein Leben"

In einem Gespräch mit dem ehemaligen Wahl-Frohnauer erfuhr Dr. Michael Zaremba aus Konradshöhe (Mitglied der Karl-May-Gesellschaft) näheres über den Lebensweg des Ex-Reinickendorfers.

Für Ihr verdienstvolles Wirken in der Reinickendorfer Kommunalpolitik wurden Sie u.a. mit dem Bundesverdienstorden geehrt. Können Sie noch einmal auf Ihren persönlichen und beruflichen Werdegang eingehen?

E. Müller: Ich wurde 1931 in Differdingen (Luxemburg) geboren, wo mein Vater als Bergmann in einer Eisenerzgrube arbeitete. Bei Kriegsende kamen wir als Westflüchtlinge in den Geburtsort meiner Mutter im Hunsrück zurück. Nach dem Besuch eines Aufbaugymnasiums mit Internat habe ich an der Pädagogischen Hochschule in Trier studiert. Danach war ich zehn Jahre lang Lehrer in Rheinland-Pfalz und habe mich auch schon kommunalpolitisch betätigt.

Wann gingen Sie nach Berlin?

E. Müller: 1965 ließ ich mich nach Berlin versetzen und blieb dort fast 30 Jahre. In dieser Zeit wohnte ich mit meiner Familie in Frohnau. Sechs Jahre war ich noch Lehrer an Reinickendorfer Schulen, bevor ich 1971 ins Abgeordnetenhaus gewählt und zum Landesgeschäftsführer der Berliner SPD berufen wurde. 1975 bin ich unter dem leider allzu früh verstorbenen Bezirksbürgermeister Herbert Grigers Mitglied des Bezirksamtes geworden, davon zehn Jahre als Sozial- und vier Jahre als Gesundheitsstadtrat. In dieser Zeit stand ich als Vorsitzender auch zwölf Jahre lang an der Spitze der Reinickendorfer Sozialdemokraten.

Was bewog Sie, Ihren langjährigen Wohnsitz Frohnau aufzugeben und in die rheinland-pfälzische Gemeinde Föhren zu ziehen?

E. Müller: Ich hatte immer die Absicht, im Ruhestand in meine Heimat zurückzukehren, aus der auch meine Frau stammt. Nach der Wende 1989 haben wir zunächst die Chance genutzt, die neuen Länder kennenzulernen, vor allem Brandenburg. 1994 sind wir dann nach Föhren, einem Vorort von Trier, umgezogen. Die mosel-fränkische Region ist mir seit meiner Kindheit vertraut, wir fühlen uns hier sehr wohl.

Seit 1983 sind Sie ehrenamtlicher Geschäftsführer der Karl-May-Gesellschaft. Wie kam es dazu?

E. Müller: 1972 trat ich der drei Jahre zuvor gegründeten KMG bei, nachdem ich im Tagesspiegel eine Rezension über ihr neues Jahrbuch gelesen hatte. Karl May beschäftigt mich seit meinem 12. Lebensjahr, wobei mich nicht nur seine abenteuerlichen Erzählungen faszinierten, sondern vor allem die Höhen und Tiefen seines Lebens.

Sie initiierten einen internationalen Kongreß der KMG in Reinickendorf. Wann war das?

E. Müller: Der Kongreß fand 1981 mit fast 300 Teilnehmern im Fontane-Haus statt und fand große Beachtung in der Berliner Presse. Zwei Jahre später wurde ich dann ehrenamtlicher Geschäftsführer der KMG.

Welche Aufgaben und Zeile verfolgt die KMG?

E. Müller: Sie hat sich vorgenommen, das literarische Werk Karl Mays, das seit Jahrzehnten nur in der für die Jugend bearbeiteten Ausgaben vorlag, weiter zu erschließen und zu vervollkommnen. Gleichzeitig geht es darum, sein Leben, Werk und Wirken zu erforschen und zu dokumentieren. So soll der Autor einen angemessenen Platz in der Literaturgeschichte bekommen. Zu diesem Zweck gibt die KMG eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift und Jahrbücher heraus, in denen die literarisch-biographischen Forschungsergebnisse sowie neue Werkinterpretationen veröffentlicht werden.

Haben Sie noch andere Hobbys oder bekleiden Sie vielleicht auch noch politische Ämter?

E. Müller: Bei fast 1900 Mitgliedern in 24 Ländern der Welt und allen Erdteilen ist das eine Arbeit, die mich im Ruhestand ausfüllt. Politisch aktiv bin ich nicht mehr. Lesen, Gartenarbeit, Wandern und Radfahren sind meine Freizeitbeschäftigung.

Mitglieder in der Presse

Schultes predigte über Winnetou

Klaus Eggert auf der Kanzel

Untertürkheimer Zeitung vom 14.7.97

"Laien auf der Kanzel" hat Pfarrer Gustav Zmaila die neue Gottesdienstreihe genannt. Menschen aus dem öffentlichen Leben, die sich bewußt zur Kirche bekennen, sollten ab und an einen Gottesdienst gestalten. Und dann bestieg der Schultes "die Kanzel". Eine Predigt im herkömmlichen Sinne sei es gar nicht, versicherte Eggert: "Schließlich bin ich ja kein Theologe und will auch keinen ersetzen."

Und jetzt kommt's: Schultes Eggert verriet den Gläubigen nämlich in seiner Predigt, was ihn in seinem Leben geprägt hat - Karl-May-Romane! Jawohl, in den Abenteuergeschichten aus dem Land der Indianer werde nämlich die "Nachfolge Jesu heute", so auch der Titel seiner Ansprache, in die Tat umgesetzt: Winnetou und Old Shatterhand ließen Bösewichter laufen, und der Diener verteile regelmäßig Goldstücke an die Armen.

[Wir dokumentieren nachstehend eines Auszug aus der Predigt:]

"In dieser Zeit hat mich auch ein Schriftsteller geprägt, der vielen von Ihnen als Jugendschriftsteller bekannt ist: Karl May. Dieser hat aber durchaus auch für Erwachsene geschrieben. Lesen Sie einmal die Spätwerke "Friede auf Erden" oder "Am Jenseits". Hier hat sich ein Zweifelnder, ein Suchender, permanent mit seinem Glauben auseinandergesetzt. Und selbst in seinen Abenteuerbüchern stand stets die Aussage im Vordergrund, daß Nachfolge Jesu nicht im stillen Kämmerlein, sondern sichtbar durch die Tat zu geschehen hat. Er stellte die Tat sogar über das Wort, wobei das eine ohne das andere nicht denkbar ist.

Wie oft ließen seine Helden Old Shatterhand, Winnetou und Kara Ben Nemsi Bösewichter ungestraft laufen, vergaben ihnen ihre Schuld; oftmals wird mit Sterbenden gebetet und Buße getan. Sein Diener Hadschi Halef Omar, mit dem er immer wieder Streitgespräche über den rechten Glauben (Islam oder Christentum) führte, hatte immer einen gefüllten Beutel mit Goldstücken dabei, um an die Armen auszuteilen.

Und dann sein Einsatz für den Frieden. In einer Zeit des "Hurra-Patriotismus" - der Boxeraufstand in China war gerade von europäischen Truppen blutig niedergeschlagen worden -, der 1. Weltkrieg folgte wenige Jahre später - schrieb er zum Thema "Krieg und Frieden":

"Worte tun es überhaupt nicht, sondern Taten müssen geschehen. Ihr habt Kriegswissenschaften, theoretische und praktische. Und ihr habt Friedenswissenschaften, aber keine praktischen. Wie man den Krieg führt, das weiß kein Mensch. Ihr habt stehende Heere für den Krieg, die jährlich viele Milliarden kosten. Wo habt Ihr Eure stehenden Heere für den Frieden, die keinen Para kosten, sondern Milliarden einbringen würden? Wo sind Eure Friedensfestungen, Eure Friedensmarschälle, Eure Friedensstrategen, Eure Friedensoffiziere? Mehr will ich jetzt nicht fragen."

Ein katholischer Priester hat hierzu gesagt: "Der Schriftsteller May aus einer armen sächsischen Weberfamilie hat biblische Inhalte mit einer "grandiosen Sprache" dargestellt. Einzelne Passagen in dem Roman "Am Jenseits" erinnern an moderne Theologie, wie man sie heute bei Karl Rahner nachlesen kann. Man kann May's Spätwerk als "theologische Poesie" auffassen."

Mitglieder in der Presse

Segeberger Zeitung v. 9. August 1997

Der Mann, dem Schurken ihr Leben verdanken

Bad Segeberger Karl-May-Experte bearbeitet Winnetou-Romane

Grausig, grausig: Dem skrupellosen Utah-Häuptling Großer Wolf wird eine brennende Fackel in beide Augen gestoßen, er stürzt schreiend in die Tiefe. So wird das Ende des Hauptschurken in Karl Mays Roman "Der Schatz im Silbersee" geschildert. Dieser brutale Showdown am Silbersee stammt allerdings nicht aus der Feder des sächsischen Autoren, sondern wurde von Bearbeitern des May'schen Lebenswerks nachträglich eingefügt. Sie waren der Meinung, daß die Schurken bei Karl May "zur Hölle fahren" müßten. Auch dem Halbblut Ik-Senanda in "Halbblut" ging es nach der Bearbeitung schlecht: Der Mann wird aufgeknüpft. Demnächst werden beide Bösewichte am Leben bleiben dürfen - und sie verdanken es einem Bad Segeberger: dem Karl-May-Experten Ekkehard Bartsch.

Wenn in einigen Monaten die Romane "Der Schatz im Silbersee" und die Geschichten-Sammlung "Halbblut" neu aufgelegt werden, wird auf die finalen Metzeleien verzichtet. Auch wieder zurück an seinem angestammten Platz soll der Schatz sein, der von den Bearbeitern kurzerhand aus dem "Silbersee" entfernt worden war - Textprobe: "Der Schatz wurde aus seinem Versteck am Grunde des Sees längst weggeschafft, weil er da nicht mehr sicher war, seit immer häufiger fremde Jäger und feindliche Indianer hier auftauchten." Die Bearbeiter hatten das Verschwinden der Kostbarkeiten für logischer gehalten.

Bartsch kennt sich seit frühester Jugend mit Karl May aus. Geboren wurde er im Januar 1943 im schlesischen Liegnitz. "Als ich 13 war, hatte ich einen Klassenkameraden, der den ungeheuren Schatz von zwölf Karl-May-Bänden basaß", erinnert sich Bartsch. Sein erster Winnetou-Roman, den er "mit Faszination gelesen" hat, war "Unter Geiern". Dieses Buch, das aus den Reiseerzählungen "Der Sohn des Bärenjägers" und "Der Geist des Llano Estacado" besteht, ist für Bartsch noch heute der "Inbegriff der Karl-May-Romantik". Einen der Schauplätze des Buches, den Yellowstone-Nationalpark mit seinen Geysiren und kochenden Quellen, hat Bartsch Mitte der 70er Jahre bereits besucht. Ostern 1996 war er im legendären Gebiet Llano Estacado, der in "Der Geist des Llano Estacado" eine wichtige Rolle spielt. Die texanische Stadt Lubbock unterhält seit vier Jahren freundschaftliche Beziehungen zu Bad Segeberg, und auch Familie Bartsch hat dort bereits Freunde gefunden. "Wenn man mal ein bißchen von den Hauptwegen abgeht und nicht nur die großen Touristenattraktionen besucht, findet man Orte, wie sie in Karl Mays Träumen vorkommen", hat Bartsch festgestellt.

Durch Karl May fand Bartsch sogar seinen beruflichen Weg. Nach seiner Bundeswehrzeit wurde der Winnetou-Fan Buchhändler.

Im Programmheft 1962 zu "Unter Geiern - Der Sohn des Bärenjägers" erschien unter dem Titel "Karl May heute" ein kleiner Bartsch-Aufsatz. Seitdem hat er in unregelmäßigen Abständen kleinere und größere Abhandlungen über Karl May veröffentlicht. Ernst Reher, Geschäftsführer der Kalkberg GmbH, lobt: "Wenn einer wirklich Ahnung von Karl May hat, ist des Herr Bartsch!"

Während ihm die Karl-May-Spiele schon zu Beginn gefielen, stand Bartsch den Filmen mit Pierre Brice und Lex Barker kritisch gegenüber. Er bemängelt, daß die Leinwand-Produktionen außer den Namen der Hauptpersonen mit Karl Mays Büchern nichts zu tun haben. In den späteren Verfilmungen wurden sogar neue Figuren und Titel erfunden.

Von 1968 bis 1971 war Bartsch als Verlagsbuchhändler beim Karl-May-Verlag in Bamberg tätig. Manche Bearbeitungen der Romane seien durchaus sinnvoll, meint er heute, da dem Autor mitunter logische Fehlleistungen unterlaufen sind. So läßt er in einem Roman Figuren sterben, die in später spielenden Geschichten wieder auftauchen - so unter anderem "Old Firehand". Viele Veränderungen an Mays Ur-Text seien aber unnötig und werden mittlerweile rückbearbeitet - unter anderem von ihm.

Ehefrau Ingelore und die drei Kinder Marion, Ingrid und Christian teilen Ekkehard Bartschs Begeisterung für den Wilden Westen. Ingelore Bartsch hat Indianertänze als Hobby, die junge Bartsch-Generation macht in diesem Jahr geschlossen bei "Winnetou und Old Firehand" als Statisten mit.

Über Mangel an Arbeit kann sich Bartsch beim besten Willen nicht beklagen. Er führt das Archiv der Karl-May-Gesellschaft mit mehreren tausend Bänden und ist in der Gesellschaft aktives Mitglied. Mancher Schauspieler und Regisseur der Spiele holt sich zudem bei "Mr. Karl May" gern mal einen Tip, wie diese oder jene Rolle anzulegen ist. Beispielsweise ließ sich Freddy Quinn die Charakterzüge des Sam Hawkens erklären, bevor es zur Probe ging. Winnetou-Star Pierre Brice lieh sich, bevor er das Textbuch zu "Winnetous letzter Kampf" schrieb, eine französische Originalausgabe von "Winnetou III" bei Bartsch. Mit dem jetzigen Kalkberg-Winnetou Gojko Mitic verbindet Bartsch eine Freundschaft. Auch er möchte gern wissen, wie Winnetou denn nun wirklich war.

Michael Stamp


DM Juni 1997

Michael Schirner, einer der führenden Kreativen der deutschen Werbung, kommentiert monatlich eine neue Anzeigenkampagne oder einen aktuellen Werbe-Spot.

Unter Brüdern

Ein Reiter, der aussieht wie Winnetou - nur schöner -, einer, der aussieht wie Old Shatterhand: "Mein Bruder." Dann dieser Dialog. Winnetou: "Der Häuptling der Bleichgesichter plant, ein Roß auf Schienen durch das Land zu führen." - "Auch Old Shatterhand wollte die Kunde vom Bau der Eisenbahn seinem Bruder bringen. Wie hat Winnetou so schnell davon erfahren?" - "Winnetou liest jeden Tag das große Blatt des weißen Mannes." Hält BILD-Zeitung hoch.

Und dann kommt dieser Satz, der den Spot in die Hall of Fame beamt. Old Shatterhand: "Ich hab' Dich lieb." Antwort: "Winnetou weiß das." Das Buch zum Film stammt von Arno Schmidt: "Sithara und der Weg dorthin." Da lesen wir, daß Karl Mays Werk voller superschwüler Symbole steckt, voller Brüder mit unglücklichen Frauen und herrlichen Hügeln, die im Abendlicht glühen wie heiße Popos.

6.2c

Michael Heinatz, Berlin

Karl May in Holger Jenrichs Sammelband "Freunde fürs Leben. Von Asterix bis Zorro: Gefährten, Helden, Kultfiguren"

Der Zeitschriftenredakteur und Buchautor Holger Jenrich gab im Jahre 1996 seinen Sammelband "Freunde fürs Leben. Von Asterix bis Zorro: Gefährten, Helden, Kultfiguren" heraus. Dieser Sammelband enthält zahlreiche Beiträge zu Helden und Kultfiguren der Jugendkultur der beiden deutschen Staaten in der Nachkriegszeit. Holger Jenrichs Buch erschien in der ersten Auflage 1996 im Klartext Verlag in Essen (ISBN 3-88474-384-8) zum Kaufpreis von 34,00 DM. Der Sammelband enthält einen Beitrag des Filmpublizisten Klaus-Peter Heß über den Schriftsteller Karl May und die Massenwirkung seiner literarischen Helden in den sechziger und siebziger Jahren. Dieser Beitrag zeichnet sich durch seine Lebendigkeit aus und bleibt allen Freunden Karl Mays zur Lektüre angeraten. Klaus-Peter Heß führte zu Karl Mays Massenwirkung in Einzelheiten folgendes aus:

Klaus-Peter Hess

Von Angesicht zu Angesicht

Wie Winnetou einmal nach Altenbögge kam

Ich kannte Winnetou schon lange, bevor ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Immer und immer wieder hatte ich die Romane von Karl May gelesen. Anfangs leider nur die auf dreißig Bände beschränkte Serie einer preiswerten Bertelsmann-Edition, obwohl ich mir schon damals nichts sehnlicher wünschte als die für ein Kind unerschwinglich teuren siebzig "grünen Bamberger Original-Ausgaben" - die mit dem feinen Ornament auf dem Einbandrücken, wo in der oberen Hälfte, von einem mehrfach geschwungenen goldenen Schild eingefaßt, in verschnörkelter Schrift der Name des berühmten Verfassers und der Buchtitel eingraviert waren und unten die jeweilige Nummer von "Karl May's Gesammelten Werken" stand.

Diese Bände kannte ich nur aus der Bibliothek des Großvaters eines Klassenkameraden. So oft es möglich war, lieh ich mir die Bücher von dem alten Mann aus, um mich der Illusion hinzugeben, beim Lesen dieser Prachtstücke meinem Freund Winnetou noch näher zu sein. Aber so häufig ich auch die detaillierten und filigranen Beschreibungen von Winnetous edlem Antlitz und seiner makellosen Gestalt las, die flüchtigen Phantasiebilder in meinem Kopf wollten sich nie zu einer wirklichen Gestalt fügen. Selbst das Porträt des Apachen-Häuptlings auf dem aufgeklebten Einbandbild von "Winnetou 1", dem Band 7 der Gesammelten Werke, war in meinen Augen nie mehr als der Versuch eines ungeschickten Malers, die wohlfeilen Worte Karl Mays umzusetzen. Schlimmer noch: Dieses Bild war geradezu eine Beleidigung.

Dann jedoch kam der Tag, an dem mein Freund endlich seine wahre Gestalt zeigen sollte. Ich wohnte damals in einer Kleinstadt am Rande des Ruhrgebietes - in einer dieser gesichtslosen Industrieansiedlungen, in denen ein Kind schon sehr früh mit seinen Gedanken auf die Flucht gehen mußte, um später dann tatsächlich den Absprung weg von dort zu schaffen. Die trostlose Ortschaft selbst bot nicht viel Gelegenheit, um meiner Phantasie ungezügelten Lauf zu lassen. Da blieb nicht viel mehr als der Rückzug eines eifrigen Lesers in die Siedlungen der Mescalero-Apachen am Rio Pecos. Wie nah ich den Lehmhäusern dieser Pueblo-Indianer kommen sollte, ahnte ich noch nicht, als ich vor einem großen Aushangplakat des Kleinstadt-Kinos stand. Eines aber begriff ich sofort: Auf dem bunten Filmposter war genau der Winnetou abgebildet, den ich seit Jahren ins Herz geschlossen und mit dem ich Blutsbrüderschaft getrunken hatte, mit dem ich immer wieder gegen den Banditen Santer kämpfte und gegen die bösen Ogellallahs, dessen Schwester Nscho tschi ich erste verschüchterte Blicke zuwarf und in dessen Begleitung ich manchen Ausritt in die unberührten Weiten New Mexicos unternahm. Es war eben dieser Winnetou, den ich weinend in meinen Armen hielt, nachdem er von der Kugel eines hinterhältigen Schuftes tödlich getroffen worden war, und dem ich in der Stunde seines Todes ein letztes "Ave Maria" vorsang: "Es will das Licht des Tages scheiden, nun bricht die stille Nacht herein ..." Dieser Winnetou stand vor mir, kein Abziehbild einer fremden Phantasie. Es war die Inkarnation all meiner Vorstellungen, und es war klar, daß ich meinen Freund, so bald es möglich war, im Kino treffen sollte.

Wie lange ich damals meine Eltern dazu überreden mußte, zusammen mit mir ins "Apollo" zu gehen, weiß ich nicht mehr. Obwohl ich bis dahin noch nie in einem Kino gewesen war, wollte ich auf keinen Fall in eine der Sonntagmittag-Veranstaltungen gehen, in die es die Kinder des Ortes drängte, um den obligatorischen und stets langweiligen Hand-in-Hand-Spaziergängen mit Vater und Mutter aus dem Wege zu gehen. Kino war in meinen Vorstellungen ein Abendvergnügen, und so ist es bis heute geblieben. Das angegraute "Apollo" auf der Bahnhofstraße war mit seinen nur zum Teil gepolsterten, dicht an dicht stehenden Sitzen auf den ersten Blick nicht gerade der ideale Treffpunkt für Winnetou und mich. Aber als schließlich nach Ablauf der Werbeprogramme, der Trailer für neue Filme und der Wochenschau auch die Restbeleuchtung erlosch, spielte diese triste Umgebung für das bevorstehende Abenteuer keine Rolle mehr. Der schwere Vorhang, der, wie von Geisterhand geführt, auseinanderging und den Blick auf die ersten Bilder des Films freigab, eröffnete mir eine neue Welt, die ich mir so in meinen kühnsten Kinderträumen nicht hatte vorstellen können.

Vor mir erschienen die Berge des "Nugget Tsil", die weit außerhalb der Apachensiedlung zwischen dem Canadian und dem North Folk River lagen, und nach wenigen Sekunden schon trat Winnetou selbst in Erscheinung. Er war gekleidet in geschmeidiges, mit kurzen Fransen besetztes Leder, die Füße steckten in reich verzierten Mokassins, und die langen, schwarz glänzenden Haare wurden von einem Schlangenlederband zusammengehalten. Das harmonisch geschnittene Gesicht strahlte Ruhe, Mut und Entschlossenheit aus, und die dunklen Augen waren geprägt von Klarheit und Offenheit. Winnetou kletterte, trotz der schweren silberbeschlagenen Büchse in der linken Hand, mit flinken Schritten eine Anhöhe herauf, blieb oben stehen und schaute sich kurz um. Dann ging er weiter zu seinem Pferd und sprang mit derselben Leichtigkeit auf den Rücken des stolzen Tieres, wie ich es vorher dutzende Male gelesen hatte. Dazu hörte ich eine getragene, fast melancholisch stimmende Geigenmelodie, die sich mir mit jedem Takt einprägte. Die Erzählerstimme, die zu den ersten Bildern sprach, war mir neu, und auch den Text hatte ich bei Karl May zuvor nie entdecken können - aber ich konnte jedem einzelnen Wort stillschweigend zustimmen: "Sie kannten ihn alle - Winnetou - den edlen Häuptlingssohn vom Stamme der Mescalero-Apachen. Sein Name lebte in jedem Zelt, in jeder Blockhütte, an jedem Lagerfeuer. Er war Freund und Beschützer aller Hilflosen, aber unerbittlicher Gegner aller Ungerechten." Vor allem aber lebte er in meiner Phantasie und in meinem Herzen, und vor allem war er mein Freund, und an diesem ersten Kinoabend meines Lebens wurde die Freundschaft von Angesicht zu Angesicht neu besiegelt. Wenn ich heute einen der Winnetou-Bände aus "Karl May's Gesammelten Werken" aufschlage, die mittlerweile als komplette Edition ein langes Bücherbord in meiner Wohnung schmücken, dann hat der Apachen-Häuptling noch immer das ewig junge Gesicht von Pierre Brice, dem ich damals mit neun Jahren zum ersten Mal begegnet bin.

alles jagd ... eine kulturgeschichte

Kärntner Landesausstellung Ferlach 1997 - Katalogbuch

R28.4. Bärentöter und Silberbüchse

Replik

Bärentöter: L 125 cm, Lauf: L 80 cm; Silberbüchse: L 114 cm, Lauf: L 72 cm

Karl May Museum, Radebeul

In der Vorstellungswelt der Karl-May-Leser gehören Bärentöter und Henrystutzen, Insignien eines Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, sowie Winnetous legendäre Silberbüchse zu den unübertrefflichen "Wunderwaffen". Der Zauber, der von ihnen ausgeht, läßt sich eigenartigerweise nicht durch den rasanten Fortschritt der Waffentechnik zerstören. Auch heute haben die "besten und berühmtesten Gewehre des Wilden Westens" ihre Ausstrahlungskraft keineswegs verloren. Zahlreiche Besucher des Karl-May-Museums Radebeul verharren staunend vor den dort zur Schau gestellten drei Gewehren. Dieser Mythos hat seine Ursachen. Sie gehen auf die phantasiereiche Darstellung Karl Mays selbst zurück, der diese Waffen in seinen Werken unauflösbar mit den Taten seiner Helden verknüpft hat. Bärentöter wie auch Silberbüchse sind Perkussionsvorderlader, wie sie seit 1840 hergestellt wurden. Perkussionierte Gewehre lösten die alten Rad- und Steinschloßflinten ab. Der Bärentöter ist mit einem hölzernen Ladestock versehen. Die beiden runden, gezogenen Läufe (8 Züge), die sich am Ende wulstartig verbreitern, tragen die Aufschrift des Fabrikanten "Burton 1855 Kent". Das Kaliber 22 mm (87) ist für Perkussionsbüchsen ungewöhnlich groß, was das enorme Gewicht des Gewehres (10,04 kg) erklärt. Die Silberbüchse ist ebenfalls ein Perkussionsgewehr und wurde 1896 mit rückliegenden Schlössern gefertigt. Sie hat zwei Läufe und ein Gewicht von 6,03 kg. Der Schrotlauf hat das Kaliber 15,5 mm (61), der Kugellauf das Kaliber 10,4 mm (41). Der Kolben ist mit 146 großen bzw. 108 kleinen runden Silbernägeln versetzt.

Literatur: K. Hoffmann/J. Rascher/P. Richter, Silberbüchse, Bärentöter, Henrystutzen. Die berühmtesten Gewehre des Wilden Westens. Radebeul 1990.

R28.5. "Winnetou I."

Karl May

Druck; Papier

Privatbesitz

In keinem anderen Roman ist die Jagd derart das alles initiierende Motiv wie im berühmten Winnetou. Das beginnt damit, daß der Ich-Erzähler, ein Greenhorn im Wilden Westen, einen schweren "Bärentöter" als erstes Gewehr bekommt, und das setzt sich fort in jener legendären Büffeljagd, in der der Neuling seinen Lehrer Sam Hawkens mit größter Kaltblütigkeit und tödlicher Treffsicherheit überrascht. Höhepunkt ist allerdings der heroische Kampf des Ich-Erzählers mit einem riesigen Grizzly-Bären, der schon ahnen läßt, daß die Jagd die Initiation für jene Kraft und Kühnheit ist, die den Erzähler dann zum unbesiegbaren Old Shatterhand werden läßt. Das Ethos der Jagd, das Karl May dabei immer wieder ins Spiel bringt, konzentriert sich auf einen fairen Kampf zwischen Mensch und Tier, der durch zu große technische Überlegenheit nicht unterminiert werden darf. Der wahre Jäger ist der Mutige und Gewandte, der einen Grizzly mit dem Messer besiegt.

R28.6. Karl May als Old Shatterhand

Alois Schießer; Verlag Adolf Nunwarz; Linz; 1896

Foto

Karl May Museum, Radebeul

Dieses Foto Karl Mays als Old Shatterhand mit Silberbüchse wurde als "Starphoto" vom Photographieverlag Adolf Nunwarz gefertigt, der seine Produktion als "Photographien des berühmten und beliebten Reiseschriftstellers Dr. Karl May" bewarb. Es heißt dort auch, daß die Aufnahmen "in den Originalkostümen, die Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi auf seinen gefahrvollen Weltreisen trug", angefertigt seien.

Billy Jenkins (1885 - 1954)

Die Erlanger Nachrichten brachten einen Bericht zur Klaus-Dill-Ausstellung im Rathaus während des 14.Kongresses der KMG, der einfühlsam das Schaffen dieses Künstlers beschreibt - mit einem kleinen Fehler: Dill hat nie Billy-Jenkins-Bilder gemalt. Unser Mitglied M. Zaremba, genau wie Jenkins früher wohnhaft in Reinickendorf, hat sich um diesen interessanten Mann bemüht. Als Folge konnte er in der Berliner Zeitung ,Der Nordberliner' zwei längere Artikel präsentieren, die dem Westmann ein Andenken widmen. Seinen eigentlichen Namen Erich Rosenthal (oder nach seiner Mutter auch Fischer) kennt kaum jemand, berühmt wurde der Artist in Varietés und Zirkusveranstaltungen, auch im Alltag legte er die Cowboy-Kleidung nicht ab. Mit Ernst Tobis alias Patty Frank war er befreundet; ob er Karl May noch kennengelernt hat, wissen wir nicht. Und hier setzt die Verbindung ein: Die Billy-Jenkins-Geschichten (von ihm selbst oder anderen Autoren geschrieben und in den 50er Jahren massenhaft gelesen) suggerieren dem Leser, auch mit Hilfe von Originalfotos, daß der Titelheld die Abenteuer selbst erlebt habe, diese Suggestion weist eine psychologische Nähe zu Karl May auf. Um dieses Phänomen eingehender zu erforschen, werden alle Mitglieder gebeten, eventuell vorhandenes Material über Jenkins an Dr. Michael Zaremba zu senden, Gabelweihstr. 4a in 13505 Berlin. DSch

Karl-May-Straße Nr. 6

Wie ich es mir vorgenommen hatte: Ich machte während unseres Kongresses in Erlangen einen Gang durch die (Bildhauer-)Karl-May-Straße, einem Sträßlein, das hinter dem Sportplatz im freien Feld verschwindet; unter dem Straßenschild hängt ein Täfelchen mit Angaben zum Namensgeber, th'is clear. Und dann fuhr ich mit dem Zug nach Brnß nad Labem in Tschechien. Aufmerksamen Lesern der M-KMG 113 ist nicht entgangen, daß auf Seite 55 von einer Karl-May-Straße die Rede ist, auch in der Karl-May-Haus INFORMATION Nr. 8 wurde sie bereits erwähnt. Dies ist also der einzige Ort außerhalb Deutschlands, der unserem Autor diese Ehre antut. Am Hotel Srdi(ko überquert man die Hauptstraße und geht an der kleinen Kapelle etwa 3o m östlich, dort beginnt sie, die "Karla Maye", seit 1989. Anfangs führt der schmale Asphaltweg durch Wohngebiet, nach ca. 500 m wird daraus ein Schotterweg durch Gärten mit schmucken Datschen. Daß man auf der richtigen Strecke ist, zeigen zwischendurch große rote Straßenschilder an, ich zählte sieben Stück, die eigentlich etwas zu groß sind. Schließlich führt der Weg durch eine Bahnunterführung und endet an der Straße nach Sebuzin, wir befinden uns schon etwa 1 km außerhalb von Brnß. Dort gibt es eine Bus-Haltestelle, die folgerichtig ebenfalls Karla Maye heißt. Man kann nun von hier mit der Linie 12 bequem nach Usti n.L. zum Bahnhof fahren oder im Hotel noch ein Bier der Marke Zlatopramen trinken, der Schankraum ist genau wie schon früher beschrieben. Zitat aus N-KMG 102 Seite 2: Das ist fürwahr ein Grund, diesem Ort im zudem schön gelegenen Elbetal einen Besuch abzustatten. Dietrich Schober


7.1a

KARL-MAY-TREFFEN 1998

WIEN (Großenzersdorf)

Eine Vorschau

Vom 3. bis 5. April 1998 findet in Großenzersdorf - direkt vor den Toren Wiens - das 1. ÖSTERREICHISCHE KARL-MAY-TREFFEN statt, von Karl-May-Freunden für Karl-May-Freunde veranstaltet im schön gelegenen Konferenzhotel "Am Sachsengang". Als Organisator tritt das Karl-May-Filmarchiv Wien auf: man hat sich bemüht ein Programm zusammenzustellen, welches alle Gruppen von May-Fans ansprechen soll - die Freunde der Freilichtbühnen werden ebenso auf ihre Rechnung kommen, wie die ernsthaften Karl-May-Leser und natürlich auch die Filmfreaks.

Naturgemäß wird dem Kapitel "Karl May und Österreich" besondere Beachtung geschenkt. Vor genau 100 Jahren, also 1898, trat der Mayster am Kaiserhof in Wien auf; und 14 Jahre später sollte der Wiener Sophiensaal der Ort seines letzten öffentlichen Auftritts werden: "Empor ins Reich der Edelmenschen". Beide Ereignisse wurden ins Programm aufgenommen und sollen vor allem die May-Leser ansprechen. Die Mitwirkung von Walther Ilmer garantiert hier höchsten Seh- und Hörgenuß! Aus seiner Feder stammt auch der eigens für das Treffen in Wien konzipierte Sketch "Winnetou in Wien".

Den Karl-May-Freilicht-Fans wird ein hochinteressanter Vortrag über die Freilichtbühnen in Österreich geboten, welcher abgerundet werden wird durch den Live-Auftritt der beiden Winnetou-Darsteller der Bühnen von Winzendorf und Gföhl.

Besondere Höhepunkte versprechen die Auftritte der Ehrengäste zu werden: der "Vater" der unsterblichen "Winnetou"-Filmmusik, Martin Böttcher, reist extra aus Lugano an. Er wird die Herzen der Karl-May-Fans ebenso im Sturm erobern wie der Schöpfer des unvergleichlichen "Schatz der Azteken"-Soundtracks, Erwin Halletz, und Siegfried "Sigi" Hold, dessen meisterlicher Kameraführung wir fünf große Karl-May-Kinoabenteuer (von "Old Shatterhand" bis hin zu "Das Vermächtnis des Inka") zu verdanken haben. Während der festlichen Karl-May-Nacht am Samstagabend werden die Ehrengäste für ihre Verdienste um Karl May ausgezeichnet. Weiters wird man auch "aus erster Hand" Informationen über die Vorbereitung des neuen österreichischen May-Westerns "Der Bärenjäger" erfahren können.

Über den genauen Ablauf der Veranstaltung (Vorträge, Podiumsgespräch, "Karls Movie-Night", Karl-May-Auktion, Sammlerbörse, May-Nacht mit Tombola, Kino-Sonntag) informiert ein ausführlicher Folder, welcher beim Karl-May-Filmarchiv Wien, Erich Hammerler, Andreas Hofer-Straße 1/12, A - 1210 Wien, Österreich, schriftlich oder unter der Wiener Telefonnummer 270 03 83 auch fernmündlich angefordert werden kann.


Betrifft: Vergriffene Klein-Publikationen der Karl-May-Gesellschaft

Von folgenden vergriffenen "kleinen" Publikationen der Karl-May-Gesellschaft können kopierte Exemplare bezogen werden:

- Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 1 bis 51 (teilw. inkl. Beilagen, aber ohne INFORM und die Mitteilungen und Berichte der Geschäftsstelle)

- kumulierte Inhaltsverzeichnisse zu den M-KMG (bis M-KMG 80 und 91/100)

- Stichwortverzeichnisse zu den M-KMG (für M-KMG 1/60 = Sonderhefte 3, 8, 20, 36, 54)

- weitere Sonderhefte: Nr. 1, 2, 4 bis 6, 9, 10, 13, 14, 16, 17, 19, 21, 23, 24, 26, 28 bis 33, 35, 37 bis 40, 42 bis 44, 46, 48, 49, 51 bis 53, 65, 66, 69, 70, 74, 82 (Titelliste in Sonderheft 88 oder auf Anfrage; für die vergriffenen Nr. 15, 18, 22, 25, 27 siehe Materialien-Band 17; für die vergriffene Nr. 41 siehe Materialien-Band 18; die vergriffene Nr. 55 ist in Ernst Seybolds Karl-May-Gratulationen Nr. 3 enthalten; Kopien von Nr. 7 und 34 noch über die zentrale Bestelladresse erhältlich)

Preise:

- Mitteilungshefte je DM 2,00 (ggf. inkl. Beilagen und Inhaltsverzeichnisse)

- separat bestellte Beilagen und Inhaltsverzeichnisse je DM 0,50

- Stichwortverzeichnisse DM 2,50 (41/50 DM 3,00)

- Preise für die weiteren Sonderhefte in Anlehnung an frühere Preislisten

Preisbeispiele inkl. Versandkosten (in der Regel Postporto Inland, Stand: 1. September 1997): 1 Heft M-KMG jetzt DM 3,50 statt DM 3,00; 10 Hefte M-KMG jetzt ca. DM 24,50 (inkl. Verpackung) statt DM 27,00; M-KMG 1-51 jetzt DM 112,00 (ggf. zzgl. Verpackung) statt DM 122,40.

Bestellungen an:

Jörg Maske, Postfach 12 35, D-72702 Reutlingen

Bitte warten Sie die Rechnung ab, überweisen Sie dann den Rechnungsbetrag auf das dort angegebene Konto. Der Versand erfolgt erst nach Zahlungseingang!

Die Kopien der meisten Sonderhefte werden nur auf Anfrage angefertigt; bitte räumen Sie mir deshalb ausreichend Zeit ein! Eine Rechnung wird erst dann erstellt und verschickt, wenn die bestellten Hefte hier versandfertig vorliegen!

Und auch heute der Hinweis: Denken Sie bitte daran, daß gelegentlich auch Originale auf neue Besitzer warten, z. B. in der Rubrik "Gesucht - Geboten".


Michael Zaremba, Berlin

Billy Jenkins - der Cowboy von Reinickendorf

Im "Grünen Norden Berlins" - im Bezirk Reinickendorf - liegt, von Havel, Tegeler See und Forst umgeben, die Waldsiedlung Konradshöhe. Hier lebte der international bekannte Kunstreiter, Schütze, Lassowerfer, Greifvogeldompteur und Titelheld einer Buchreihe Erich Rudolf Otto Rosenthal (geb. 26. Juni 1885 - gest. 21. Januar 1954), der unter dem Pseudonym "Billy Jenkins" berühmt wurde. Rosenthal wurde in Magdeburg geboren, mosaisch erzogen, besuchte ein Privatgymnasium und begann in Potsdam eine Metzgerlehre, die er abbrach. Nach einer Seereise, die ihn unter anderem nach Südafrika führte, erlernte er in den USA Kunstreiten und Schießen und erhielt dort ein Engagement bei der populären "101 Ranch Show". Der amerikanisch klingende Name "Jenkins" stammte von einem Verwandten in New Orleans. Sein Vater war Zirkusclown mit dem Spitznamen "Süßmilch", der am Lehrter Bahnhof ein Varieté-Café betrieb. Er besaß in Konradshöhe (Habichtstraße 8) eine Vorstadtvilla, in der sich Café und Restaurant "Süßmilch" mit Gartenausschank befand. Das in den zwanziger Jahren erbaute Haus mit Satteldach und Balkon existiert noch heute. Von 1945 bis 1947 befand sich dort die von der russischen Kommandantur eingesetzte Bürgermeisterei von Konradshöhe.

Der uneheliche Sohn und Halbjude nannte sich offiziell nach dem Mädchennamen seiner Mutter "Fischer". Unter diesem Namen wurde er Mitglied der NSDAP, ohne eine besondere politische Tätigkeit zu entfalten. Im Jahre 1938 zeigte Jenkins, der Mitglied im Deutschen Falknerorden war, vor Hitler und Göring eine Beizjagd. Als "König der Cowboys", wie er in Presseberichten, Programmheften und auf Werbeplakaten genannt wurde, trat er in zahlreichen Varieté- und Zirkusveranstaltungen, namentlich im Berliner Wintergarten, der Scala, dem Plaza, im Leipziger Krystall-Palast sowie mit den Zirkussen Sarrasani und Busch in vielen Ländern Europas auf. In dem Harry-Piel-Film "Der Bär von Baskerville" (1915) übernahm er für den Hauptdarsteller die Lassoarbeit. Zwei Hollywood-Filme - "Die Ranch auf dem Pulverfaß", "Die schwarze Rose von Texas" - zeigen Jenkins neben dem legendären Leinwandhelden Tom Mix; der Berliner setzte allerdings die Karriere als Schauspieler nicht fort. Das Waffenverbot für Deutsche ab November 1918 traf den Kunstschützen hart, so daß er seiner Arbeit mit Vögeln mehr Gewicht beimaß. Er galt seit den zwanziger Jahren als der bedeutendste Greifvogeldompteur der Welt.

Erich Fischer legte seine Rolle auch im Alltag nicht ab. Zeitzeugen berichten, daß er meist in bunter Cowboy-Kleidung auftrat. Auf Fotografien ist er mit perlenbestickter Fransenjacke, weiten Hosen, einem Halstuch mit goldenem Indianerkopf und einem hellen Cowboyhut zu sehen. Er paradiert auf prächtig aufgezäumten Pferden, trägt im Gürtel einen Revolver und in der Hand ein Gewehr. Den Steinadler "Goliath" stellte er auf seiner mit einem Stulpenhandschuh bekleideten Hand zur Schau. Er ließ sich "Billy" nennen und erzählte am Lagerfeuer im eigenen Garten abenteuerliche Geschichten. Sein größtes Vorbild war der berühmte Showman und Büffeljäger Buffalo Bill alias William Frederik Cody (1846-1914), den Jenkins Vater im Sommer 1890 anläßlich eines Berliner Gastspiels besuchte und der den kleinen Erich auf den Schoß nahm. Dieses Erlebnis ist der Grund für seine Vorliebe zu dem Namen "Billy". Ein weiteres Leitbild war der Dompteur Hans Stosch Sarrasani (1872-1934), Gründer des gleichnamigen Wanderzirkus und Arbeitgeber von "Clown Süßmilch".

Das Knallen mit der Bullenpeitsche war für die Nachbarkinder in Konradshöhe ein Signal, daß Jenkins im Garten neben der "Villa Elfriede" - benannt nach dem Vornamen seiner Mutter - üben wolle. Die Kinder standen neugierig am Gartenzaun, wenn er seine Fertigkeiten zur Schau stellte. Zuweilen holte er eine Indianerhaube hervor und zeigte seine Fähigkeiten im Umgang mit Pfeil und Bogen. Auch im Werfen von Schleuderkugeln zeigte er seine Kunst. Ein Höhepunkt war der Aufmarsch mit dem Adler auf der Hand. Beobachter berichten, daß der große Greifvogel sogar im Freiflug jedem Kommando und Pfiff gehorchte. In einer Voliere befanden sich Eulen, Bussarde, Falken, See- und Kaiseradler, die in seiner Raubvogelschau auftraten. Angeblich soll er mit einem Bekannten vom Militär den Angriff von Wanderfalken auf Fesselballons trainiert haben. Der als selbstbewußt und eigensinnig geltende blonde Mann mit strahlend blauen Augen gab Sondervorstellungen in der Schule des Ortes und suchte gern eine nahe gelegene Gastwirtschaft - den "Habicht" - auf (Habichtstraße 16; heute befindet sich dort ein Einkaufsmarkt), in welcher er im Berliner Jargon Anekdoten zum besten gab. Nicht ohne Grund nannte Jenkins seinen Wohnort "Cognacshöhe". Es hieß, er liebe die Tiere mehr als die Frauen. Dem widerspricht eine "mollige, blonde Freundin" namens Elfriede (Friedel) Schönemann, eine gebürtige Amerikanerin, die seine Lebensgefährtin und Partnerin in der Manege war. Billy Jenkins war ein Original seiner Zeit. Er war leutselig, neigte zu Flunkerei, so daß die vielen Anekdoten, die über ihn kursieren, mit Vorbehalt zu nehmen sind. So soll er während der Olympischen Spiele von 1936 "hoch zu Roß" paradiert sein und zahllose Autogramme gegeben haben. Er hat sich bei anderer Gelegenheit aus Versehen in das Bein geschossen, was für erheblichen Wirbel sorgte. Sein Körper war von Narben, die von Berufsunfällen herrührten, bedeckt; in Spanien soll er sämtliche Vorderzähne verloren haben. Er wurde, wie er nicht ohne Stolz berichtete, von indianischen Artisten zum "Ehrenhäuptling der Irokesen" ernannt und hat in Kanada mit einem befreundeten Häuptlingssohn einen Bären erlegt. Von tragischer Bedeutung war ein Brandunglück im Jahre 1940 in Schlesien. Der Künstler wurde bei dem Versuch, seine drei selbst aufgezogenen Adler sowie andere Vögel aus einem Sonderwaggon des Zirkus Busch zu retten, derart schwerwiegend verletzt, daß er nur noch unter Schmerzen mit Hilfe eines Gehstockes und eines Stahlkorsetts laufen konnte. Jenkins zog sich nach Konradshöhe zurück: "Ick bekiekte mir die Tapeten". Nach einer ausgeprägt depressiven Phase begann er erneut mit der Einübung einer Raubvogel-Schau, von der Zeitzeugen berichten. Er besaß für seinen Reinickendorfer Wohnsitz sogar einen Stempel mit der Aufschrift "Billy-Jenkins-Farm".

Erich Fischer wurde auch durch die "Billy-Jenkins-Hefte" bekannt, die der Buch- und Zeitschriftenhandel in ganz Deutschland verkaufte. Die Serie ging aus der von 1923 bis 1931 geführten Heftreihe "Hans Stosch Sarrasani. Fahrten und Abenteuer" hervor, in der kurze Jenkins-Texte enthalten sind. In seinem Wohnort erhielten die Jugendlichen die Freiexemplare vom Künstler persönlich. Die Schmöker mit reißerischem Titel und Inhalt - zum Beispiel "Der Todesschütze", "Der Schrecken der Grenze", "Locker sitzt der Colt", - sind heute Raritäten, da die meist jugendlichen Käufer die gelesenen Bücher oft wegwarfen. Die Geschichten, geschrieben "nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins", suggerieren dem Leser mit Hilfe von Originalfotos, daß der Titelheld die Abenteuer selbst erlebt habe. Beim Werner Dietsch Verlag in Leipzig erschienen von 1934 bis 1939 264 Hefte und 56 Bücher. Von 1949 bis 1963 gab der Uta-Verlag (Sinzig am Rhein, später Bad Godesberg) sowie der Pabel-Verlag 370 Hefte und 116 Bücher heraus. Die Hefte wurden aufgrund des Auftretens eines amerikanischen Titelhelden ab September 1939 verboten. Jenkins hat vier Romane selbst geschrieben, dann jedoch seinen Künstlernamen der Serie zur Verfügung gestellt. Angeblich sagte er: "Schreibt über mich, was ihr wollt, nur nichts Unehrenhaftes!" Die Verfasser waren oft namhafte Autoren, wie der noch heute bekannte Gert H. F. Unger und Rolf Randall (d. i. Joachim Rennau). Die Hefte hielten den Bekanntheitsgrad seines Namens aufrecht, als er bereits nicht mehr öffentlich auftrat. Die Vorkriegsausgaben sind heute begehrte Sammlerstücke, für die stattliche Geldsummen geboten werden.

Billy Jenkins war Freund und Berufskollege des in Wien gebürtigen internationalen Artisten Ernst Tobis (1876-1959), der einer breiten Öffentlichkeit unter dem Pseudonym "Patty Frank" bekannt war. Tobis wurde von Karl Mays Witwe Klara zum ersten Leiter des völkerkundlichen Museums der "Villa Bärenfett" in Radebeul ernannt, wo er die Besucher bis zu seinem Tode mit zahlreichen Geschichten unterhielt. Der Berliner besuchte den Kollegen in Radebeul, wo beide einige Nächte bei Zigarettenqualm, Alkohol und dem Erzählen von Abenteuergeschichten durchzechten. Patty Frank soll ihm später "ellenlange Briefe" geschrieben haben. Beide waren Ehrenmitglieder des Cowboy-Clubs "Old-Texas-Town" in Berlin-Siemensstadt, dessen "Mayor" Ben Destry (d. i. Fritz Walter) sie persönlich kennt. Jenkins wohnte nach Kriegsende bei Köln, denn dort befand sich sein Lieblingspublikum. Er führte den Besuchern eines kleinen, selbst eingerichteten Museums Kunststücke mit Greifvögeln vor und stand gerne für Pressefotos zur Verfügung. Sein Ableben war von Tragik überschattet, denn er starb unverheiratet und ohne Nachkommen bei Köln in ärmlichen Verhältnissen in einem Wohnwagen. Die Beerdigung vereinte zahlreiche Freunde von der ganzen Welt an seinem Grabe, zeigte die ungebrochene Popularität des Verstorbenen. Seine Lebensgefährtin hat ihn bis zum Tode betreut. Sie nannte sich Schönemann-Jenkins, versuchte eine eigene Jenkins-Heftreihe aufzubauen, was aus rechtlichen Gründen nicht gelang, und starb in einem Altersheim bei Köln.

Nach dem Ablauf der Grabfrist sollte der Beerdigungsplatz eingeebnet werden. Die "Jenkinsianer", eine Fan-Gemeinde mit hoher emotionaler Zuneigung zu dem Künstler, konnten dies verhindern. Heute ist das Grab auf dem Melaten-Friedhof zu Köln mit einer Marmorplatte geschmückt, auf der die Lebensdaten und der markante Schriftzug verewigt sind. Die "Erben" von Billy Jenkins sind aktiv: Es gibt einen Autor, der unter dem Pseudonym William Tex "Billy-Jenkins-Sonderbände" publiziert. Ein Falkner bei Köln bezeichnet sich als "legitimen Nachfolger" des Verehrten. Das Billy-Jenkins-Archiv in Bremen ist eine private biographische Sammlung, die über zahlreiche Brief-, Buch-, Bild-, Text- und Tondokumente ab dem Jahr 1908 verfügt. Das Archiv veröffentlicht ein Jenkins-Handbuch, das die bisher vollständigste Präsentation über Leben und Wirken des Künstlers bieten wird. Spezialgeschäfte mit Romanhandel bieten Originalhefte und Nachdrucke an.

Erich Fischer hat seinen Traum vom exotischen Dasein in der Wirklichkeit ausgelebt, einen Spielraum für die Phantasie geschaffen. Die Suggestion, er habe die Roman-Abenteuer selbst erlebt, weist eine psychologische Nähe zu Karl May auf. Der Namenwechsel von Rosenthal zu Fischer und Jenkins spiegelt die Neigung zu Selbststilisierung und das Bedürfnis, die Herkunft zu verleugnen, wider. Zirkusmilieu, Abenteuerwelt und Groschenheft-Romantik waren Mittel, die Tristesse des Alltags in eine Zauberwelt zu verwandeln, der Phantasie Gestalt zu geben. Der "Cowboy von Reinickendorf" sollte in Erinnerung bleiben.


Vom Schweizer-Karl-May Freundeskreis

Gerne denken wir an die schönen Stunden mit dem Treffen der Verlegerfamilie Schmid in Bamberg und an die inhaltsreichen Tage mit neuen Freundschaften anlässlich der KMG-Tagung in Erlangen zurück.

Die Sympathie welche uns entgegengebracht wurde ist unvergesslich und so sind wir zuversichtlich, dass wir in vier Jahren Gastgeber der KMG am schönen Vierwaldstättersee und auf der Rigi sein dürfen.

Unser Slogan heisst. 2001 - LUZERN UND KMG - ERSTMALS AN BERG UND SEE

Unser nächstes Treffen ist am Sonntag, 30. November 1997, 11.00 Uhr mit kleiner Stadtführung "Auf Karl Mays Spuren", bei uns in Luzern. Anmeldung erwünscht!

Für 57 Interessierte habe ich den Karl-May-Stammbaum geschaffen.

Siehe spezielle Bestellseite.

Die ersten sieben Exemplare sind schon über alle europäischen Grenzen hinweg verstreut und geschätzt. Das an der KMG-Tagung gesuchte Exemplar mit der Nr. 3 fand den Weg nach Chemnitz. Ich freue mich darüber.


Karl Mays Stammbaum

Idee, Gestaltung und gezeichnet von Elmar Elbs, KMF-Luzern.

Jedes Exemplar ist von Hand aquarelliert, numeriert u. signiert.

Bestellung an: Elmar Elbs, Studhaldenstrasse 3, CH-6005 Luzern

Ich wünsche ein Exemplar zum Subskriptionspreis (verlängert bis 24. Dezember 1997) zum Preis von DM/SFr. 100,-- o

Postchekkonto 60-432 24-0, Postchekamt Luzern o

Ausstattung: Conqueror Büttenpapier, in einer gediegenen Versandrolle.

Versandkosten inbegriffen, Lieferung vor Weihnachten 1997

Bestellername: _________________________________________

Strasse: __________________________________________

PLZ: _________ Ort: ______________________________________

Unterschrift: ___________________ Datum:__________________


Dietrich Schober

Patty Frank - ein Manuskript aus der 30er Jahren

Karl May glaubte bekanntlich nicht an einen Zufall, wie soll man es aber bezeichnen: Der Sohn eines Journalisten findet ein Manuskript seines Vaters unter alten Sachen, auch ein paar Fotos sind dabei. Wolfgang von Weber (Sohn und Vater heißen gleich) stellt der KMG alles zur Verfügung, wofür wir herzlich danken. Es ist nicht bekannt, ob und wo eine Veröffentlichung erfolgte. Da Patty Frank den jüngeren Mitgliedern vielleicht doch nicht so bekannt ist, sei hier die kurze Zusammenfassung seines Lebens gebracht (die ausführliche Biographie von Wolfgang Seifert erscheint erst 1998).

Wolfgang von Weber

Auf der Fährte Old Shatterhands

Der Mann, der sein Leben Karl May geweiht hatte

Vor 25 Jahren wurde in Radebeul bei Dresden das Karl-May-Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Längst ist es nicht mehr dort. In Bamberg, wo sich der Karl-May-Verlag niedergelassen hat, wird es rekonstruiert wieder aufgebaut.

Patty Frank, der es gegründet hat, ist nicht mehr am Leben. Man muß die sonderbare Geschichte seines Lebens kennen, um sein Museum verstehen zu können. Hier ist sie:

Das war 1886. Zehn Jahre alt war der Wiener Schüler Ernst Tobis, als er im Prater zum ersten Male echte Sioux-Indianer zu Gesicht bekam. Es war just zu der Zeit, als er nachts heimlich beim Kerzenschimmer im Bett eine Erzählung von Karl May ,,Der Sohn des Bärenjägers" geschmökert hatte. So ein Held zu werden wie der Bärenjäger, ein richtiger Trapper, das wäre was! Und der kleine Ernst, ganz im Banne Karl Mays, faßte einen Entschluß, der damals noch recht kindlich war, der aber im Laufe der Jahre zu einem unverrückbaren Lebensprinzip wurde. Dort, wo die Apatschen und Sioux auf den Kriegspfad gehen, dort wollte auch er ein abenteuerliches, ein unverfälschtes "Karl-May-Leben" führen! Nur auf die erste Gelegenheit kam es noch an, um auszurücken. Howgh, die ,,flüchtige Antilope" hatte gesprochen!

Der Auszug aus Wien kam bald, aber es war nur ein kleinbürgerlicher Umzug mit Möbelwagen nach Frankfurt am Main. Den ersten großen Kampf seines Lebens hatte Ernst bestanden. Er hatte den Vater endlich dazu umgestimmt, daß er sich für ihn einsetzte bei der Marine. Ernst hätte Schiffsjunge werden können. Aber im entscheidenden Augenblick - Ernst hielt bereits die Zusage in der Hand - starb der Vater. Aus dem Leben zur See wurde nichts.

Ernst wurde Kunstgärtner im "Palmengarten" zu Frankfurt. Während er Steckzwiebeln setzte, rollten seine Gedanken über den Globus hin zu Winnetou und Old Shatterhand. Und dann kam der Tag ...

An den Bretterwänden leuchteten die Plakate: ,,Buffalo Bill! Größte Indianerschau der Welt! Nie dagewesene Reiterkünste!" Und in einer Zeitung stach dem Jungen gar noch eine Anzeige in die Augen: "Pferdejunge gesucht. Zu melden bei der Buffalo-Bill-Show!"

Frau Tobis suchte ihren Sohn. In der Gärtnerei ruft man nach allen Seiten. Telegramme schwirren zu den Verwandten. Ernst, der ,,Eisenarm", striegelt die Pferde bei Buffalo Bill, lauscht den wildfremden Gesprächen der roten Männer hier am Lagerfeuer, pirscht sich zu Short Bull, dem Indianerhäuptling, heran und dann fragt er ihn etwas: was ,,Eisenarm" auf indianisch heiße. ,,Isto Maza!" sagt der Oglalla-Führer.

Sechs Monate ist Isto Maza bei den Indianern. Er zieht mit ihnen von Stadt zu Stadt. Da kommt eines Tages Nachricht aus Amerika. Im Westen der Staaten drohten Indianerunruhen und Buffalo Bill wurde gebraucht. Die Truppe löst sich auf. Sie alle bestiegen das Schiff. ,,Auf Wiedersehen in der Neuen Welt!" rief ihnen der Pferdejunge nach.

Nur ein paar Indianerschuhe, sogenannte ,,Mokkasins", behielt er zum Andenken zurück. Alles wollte er sammeln, was mit den Rothäuten zusammenhängt und was Karl May in seinen Büchern erwähnt. So weit sollte es einmal kommen, daß kein Ausdruck, keine Landschaftsbezeichnung mehr in den Karl-May-Büchern sein sollte, zu der er nicht den passenden Gegenstand besitzen würde. Dies gelobte Ernst Tobis, als das Schiff in der Weite des Meeres verschwand und er sich wieder heimwärts wandte, Frankfurt zu, um sich mit seiner Mutter zu versöhnen und in seine Stellung in der Kunstgärtnerei zurückzukehren.

Isto Maza hat einen Indianerklub gegründet. Sieben Mann gehören ihm an. Im Hinterzimmer einer kleinen Kneipe üben sie sich in sonderbaren Dingen. Klimmzüge, Saltos, Gewichtheben, alles will gelernt sein. Und Isto Maza will es so weit bringen in der unfehlbaren Geschicklichkeit wie die Zirkusleute des Buffalo Bill. Er ist stolz auf seine Leistungen. So stolz, daß er sich in einer Akrobatengruppe bewirbt, die gerade Ergänzung braucht.

,,Patty Frank" ist sein neuer Künstlername. Aber die Arbeit befriedigt ihn nicht. Er will mehr lernen, er will Lasso werfen, reiten und dabei kräftig in die Luft schießen. Er will akrobatische Kunststücke zeigen, daß sein Name nur noch in großen Lettern auf den Plakaten prangt. Und er erreicht es. Er wird die ,,große Nummer", er wird selbständig, hat seine eigene Truppe, zieht von Land zu Land, von Zirkus zu Zirkus.

Der größte Zirkus der Welt nimmt ihn auf: Barnum & Bailey. Der Zirkus, der nach Manhattan, Philadelphia, Washington zieht. Jetzt ist es endlich so weit! Alle Strapazen seines bisherigen Lebens - wozu nahm er sie in Kauf? Doch nur, um an seine zwei Ziele zu gelangen. Nach Amerika wollte er, zu den indianischen Reservationen, das Volk Winnetous sehen - und sammeln, sammeln, alte und echte und kostbare Stücke, wie sie Karl May beschreibt.

Eines Tages sprengt auf halbwildem Pferd ein Trapper über die Prärie. Es ist Isto Maza. "Verschlagen wie eine Schlange und geistesgegenwärtig wie ein Büffeljäger" zu sein, nimmt er sich vor. Die Red Skins dürfen nichts merken... Die Rothäute werden staunen, wenn das Bleichgesicht mit ihnen indianisch spricht. Und sie staunen. Einer flüstert ihm etwas ins Ohr. Der Häuptling Swift Hawk soll einen tadellos erhaltenen Skalp haben. Und der Chief Great Rattle Snake uralte wertvolle Waffen!

Patty verhandelt mit ihnen. Er turnt ihnen etwas vor, er zeigt ihnen Kunststücke der Akrobatik, er zeigt seine Kräfte, er reitet und schießt. Karl May könnte seine Freude an ihm haben. Und dann sitzt er mit seinen rothäutigen Freunden beisammen am Lagerfeuer. Unzählige Freundschaftsgeschenke und Reliquien schleppt er aus den Zeltstädten Dakotas davon. ,,Indianernarr!" lachen seine Kollegen von der Arena, als sich sein Wohnwagen mit Pfeilen und Federbüschen, Trommeln, Mänteln, Keulen, Mokkasins und Schilden füllt. Herrlich, sogar ein echtes Skalpmesser kann er dazupacken! Immer mehr stapelt er auf. Wertloses scheidet er aus, um größeren Kostbarkeiten Platz zu machen.

1908 zählt Patty Frank an seinen Fingern ab, wie oft er wohl schon hier drüben in der Neuen Welt gewesen. Die zehn Finger langen gar nicht ! Und war es nicht geradezu unvorstellbar, daß er bisher den Mann, in dessen Bann er zwei Jahrzehnte seines abenteuerlichen, arbeitsreichen Lebens gestanden war und um den sich alles drehte, was er nur tat und dachte, noch kein einziges Mal zu sehen Gelegenheit gehabt hatte?

Um so begeisterter schlug sein Herz, als er in der ,,New York Times" im September 19o8 die Nachricht las, der ,,bekannte deutsche Schriftsteller Karl May" befinde sich auf dem Weg nach New York.

Von Pennsylvanien reiste Patty Frank schleunigst nach New York. Unter den dichten Menschenmassen am Pier steht auch Patty Frank. Er schaut sich die Augen aus, um unter den Passagieren, die der ,,Große Kurfürst" an Land gebracht hat, den Mann zu erkennen, dem er seinen ganzen Lebensinhalt zu verdanken hatte. Und er findet ihn wirklich heraus. Das war er dort! Jetzt die Ellbogen gebrauchen! Da schlägt ihm eine schwere Hand auf die Schulter: "Hallo, alter Junge, du hier?" Ein Kollege ist es, schüttelt ihm herzlich die Hand, tauscht Erinnerungen mit ihm aus. Patty starrt abwesend in die wogenden Menschenmassen. Karl May war ihm aus den Augen gekommen. Unmöglich, ihn wiederzufinden unter den Tausenden. Das war die bittere Tragik im Leben Patty Franks !

Und dann vergingen wieder Jahre. 1912 erfuhr die Welt, daß Karl May gestorben sei. Der Sehnsuchtstraum Patty Franks, einmal doch noch in der Villa Shatterhand in Radebeul einen Besuch abzustatten, war durch dieses Ereignis nicht erschüttert worden. Mitten in den Notjahren der Nachkriegszeit stand er endlich vor Klara May, der Witwe des Dichters, um ihr zu erzählen, was er um ihres Mannes willen alles gesammelt habe. Aber jetzt in der Inflation, da ein Brot zehn Milliarden koste, könne er die Sammlung kaum länger halten. Ob er sie verkaufen solle, fragt er Klara May um Rat. Sie zeigt ihm all die Stücke, die Karl May gesammelt hat. Da waren der Bärentöter, der Henrystutzen und die Silberbüchse und die unzähligen Dinge, von denen er geschrieben hatte, wahrhaftig vorhanden! ,,Wir richten ein Karl-May-Museum ein!" Der Entschluß stand fest. "Und zwar ein Museum", beteiligte sich Dr. Schmid, der Verleger der Karl-May-Bücher, an dem Gespräch, "das nicht nur wissenschaftlich einwandfrei sein wird, sondern auch so romantisch und abenteuerlich, wie Karl May selber!"

Fünfunddreißig Jahre war Patty Frank Globetrotter gewesen. Jetzt hatte er genug von der Welt und auch genug beisammen, um das Museum so vielseitig auszugestalten, wie er es sich in seinen phantastischsten Träumen nicht vorgestellt hatte.

,,Howgh, ich habe gesprochen!" Patty, der ,,Eisenarm", öffnete nun die Tür aus Holzstämmen, die zu seinen Schatzkammern führte!

Mitten in dieser Wild-West-Hütte tat sich ein Museum auf mit lichtem Glasdach und blitzsauberen Vitrinen. Als wären alle 64 Bände Karl Mays auf einmal lebendig geworden und führten eine indianische Walpurgisnacht auf, so traten dem Besucher die Gestalten des Dichters, traten ihm eine bunte romantische Welt und ein Tausenderlei wertvollen indianischen Kulturgutes entgegen.

Nicht nach Stämmen, sondern nach Gattung und Art hatte Patty Frank seine Schaustücke geordnet. In der Abteilung ,,Die Frau" waren die Kleidungs- und Gebrauchsgegenstände des indianischen schönen Geschlechtes zu bewundern, dem Mode unbekannt ist und Überlieferung alles. Auch "Der Mann" hatte seine eigene Abteilung im Museum, und ebenso "Das Kind". Alles, was auf dem Kopf getragen wird, von der Indianerfeder bis zum Stirnreif, und alles, was der Indianer an den Füßen trägt, hatte Patty Frank gesondert behandelt.

Daß das Volk der Rothäute nicht unmusikalisch dahinlebt, zeigte ein Schrank mit Musikinstrumenten. Manche von ihnen beherrschte Patty durchaus virtuos. Er nahm eine Geige zur Hand, rund wie eine Trommel, und ihre Töne brummten wie ein Chor von Bären in den Jagdgründen Dakotas. Und eine richtige Friedenspfeife hatte er natürlich auch. Sie beendete einen blutigen Zwist zweier Stämme.

Eine eigene Totenkammer hatte das Museum, und neunzehn echte, grausige Skalpe führten stumme Anklage gegen die unerbittliche Grausamkeit triumphierender Gegner. Eine südamerikanische Mumie kauerte mit gekreuzten Beinen in ihrem Glassarg. Ihr Haar schmiegte sich schwarz um den ledernen Kopf.

Hatte man die zwei großen Räume des Indianermuseums durchschritten, dann hatte man den Osten und den hohen Norden durchstreift. Jetzt führte Patty Frank noch in einen ganz besonderen Raum, in das Heiligtum seines Blockhauses. Persönlich näher konnte kein Mensch dem Andenken des Dichters sein als hier. Was hier aufbewahrt war, waren persönliche Erinnerungsstücke. Das hatte der Schriftsteller alles selbst gesammelt, diesen handgewebten orientalischen Anzug, den arabischen Paschamantel, die orientalischen Säbel und arabischen Flinten. Reiseurkunden aus dem fernen Osten und zahlreiche Photographien von seinen Fahrten in die Ferne lagen neben seinen Brillengläsern, einem Häuflein Erde aus den indianischen Territorien, der Urschrift des ,,Winnetou" und von der Hand Karl Mays noch manch anderen Dokumenten seines Wirkens.

Man hat sich darum gestritten, ob Karl May wirklich dort drüben war bei den Indianern, die er beschrieb, so lebendig und sicher wie kein anderer Dichter. "Ich war drüben und habe alles erlebt, was Karl May uns von den Rothäuten erzählte. Er kannte sie wie seine eigenen Landsleute. Und ich bin an allen Plätzen gewesen, die May beschrieben hat. Die Angaben stimmen!" versicherte Patty Frank.

Zufrieden wie alle, die das sonderbare Museum in Radebeul besuchten, war auch der 107 Jahre alte Indianerfürst White Horse Eagle am l8. Juni 1929, als er die Dinge betrachtet hatte, die Patty Frank damals noch in einem einzigen Raum aufgestapelt hatte. Mit sachverständigen Blicken maß er die Sammlung und dann sprach er die Worte, die klangen, als hätte Karl May sie ihm in den Mund gelegt: ,,Beim Großen Geist, das hast du recht gemacht!"


WINNETOUR 1998

Wie schon in den letzten KMG-N berichtet und auf einigen May-Festen laut verkündet: Winnetour 98 vom 4.April bis zum 18.April 1998

Diese Reise führt wieder nach Texas, New Mexiko und zusätzlich mit einem Abstecher nach Mexiko; folgt aber überwiegend einer neuen Route. 44 Karl-May-Freunde/innen plus Meredith Mcclain (unserer Organisatorin in den Staaten) haben die Möglichkeit, zwei Wochen lang bekannte und unbekannte Ecken auf des Maysters Spuren zu entdecken.

Stationen werden u.a. sein: Dallas (JFK-Memorial-Museum), Lubbock (Barbecue mit der 4th Cavalry im Blanco Canyon, Karl-May-Corner im Hank-Smith-Pioneer Museum, Omnimax-Theater), Fort Davis, Big Bend Nationalpark (eine Wahnsinns-Gegend), El Paso (was soll man zu der Stadt noch sagen), Ciudad Juarez (die mexikanische Grenzstadt), Carlsbad (sehr berühmte Tropfsteinhöhlen), White Sands (die Gipswüste), Las Cruces (malerischer Ort am Rio Grande) und zum Abschluß Albuquerque (Indian Culture Center, spanische Altstadt).

ABER ES KOMMT NOCH BESSER:

BEGLEITET WIRD DIE TOUR VON DEM KANADISCHEN DOKUMENTARFILMER RITSCHIE MIT SEINEM KAMERAMANN. ER ARBEITET ZUR ZEIT AN EINEM FILM MIT DEM ARBEITSTITEL:

DIE DEUTSCHEN AUSWANDERER IN AMERIKA UND DER EINFLUß KARL MAYS.

Leistungen und Preise:

Reisepreis: 3560,- DM (in Doppelzimmer; in EZ 4960,- DM) (incl. Flug, Transfers, Bus, Reisebegleitung, Hotels, und und und)

Der Preis mag auf den ersten Blick hoch erscheinen, aber es wird real sehr viel geboten. Allen sei empfohlen, die Artikel in den Juni-Heften der KMG-Nachrichten (1995 + 96) über die Winnetour I + II zu lesen, oder auch in den Karl-May & Co (Ca Juni + Sept. 96). Die zahlreichen Extras sind es, die diese Reisen so unvergeßlich machen.

Viele Teilnehmer der beiden ersten Winnetours sind gerne bereit, Auskünfte über diese Reisen zu geben. Frau Pielenz (Teilnehmerin der Winnetour I) hat seinerzeit sogar ein Heft über die Tour herausgebracht. Teilnehmer waren auch unsere beiden Museumsdirektoren Herr Neubert und Herr Wagner. Frau Marion Bartsch (sie schrieb ihre Eindrücke über die Winnetour II in den KMG-N 108/Juni 1996), war mit ihrem Vater, unserem Mayexperten E. Bartsch dabei, wie auch der Herausgeber der Nachrichten, Herr Botschen mit seiner Frau; Herr M. Raub aus Wiesbaden nahm an beiden Touren teil; die Liste ist groß, aber in den alten Nachrichten findet man noch mehr Namen.

Definitiver Anmeldeschluß ist der 20. Dezember 1997, danach müßte man schon viel Glück haben.

Da schon Voranmeldungen da sind, sollte man/frau sich schnell entschließen!

Für nähere Auskünfte und Anmeldungen:

Thomas Grafenberg Tel.: 030-70189313

Am Irissee 14 Fax: 030-70189314

12349 Berlin


Auktionsergebnisse Karl May II

Unser Mitglied Dirk Zaumsegel hat seine Aufstellung der Auktionsergebnisse (s. KMG-Nachrichten Nr. 103 S.49) fortgeführt und erweitert. Nunmehr liegt im Eigenverlag der zweite Band vor:

ZUM 1., .... 2.

UND ... 3.!!

Auktionsergebnisse Karl May zusammengetragen von Dirk Zaumsegel, Zweite erweiterte Ausgabe

Diese zweite Ausgabe wurde um einiges vermehrt, so daß nun mittlerweile über 1700 Auktionslose aus 141 Auktionen von 13 Auktionshäusern aus Deutschland und Österreich darin enthalten sind.

Die Zusammenstellung hat nunmehr einen Umfang von 156 Seiten und ist diesmal nicht als Heft sondern als Taschenbuch im Format A5 fertiggestellt. Die Auktionsergebnisse kosten inklusive Porto und Verpackung 16.-DM.

Ihre Bestellung senden Sie bitte nur an folgende Adresse:

Dirk Zaumsegel, Gartenstraße 5

63589 Linsengericht-Großenhausen

oder per Fax unter 06051/69541


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