Aktuelles aus: KMG-Nachrichten 115 - März 1998

Übermittelt von Engelbert Botschen


Zitat aus dem Feuilleton der Fuldaer Zeitung vom 27.11.1997:

Karl-May-Gesellschaft
Nüchtern, solide und liebhaberisch

Dieses Urteil über unsere literarische Vereinigung ist nicht etwa das Eigenlob eines Vorstandsmitglieds, sondern die unabhängige Meinung des Redakteurs Christoph Witzel, der den auf Initiative von Ruprecht Gammler erfolgten unveränderten Wiederabdruck von Karl Mays Erzählungen ,,Aus Nordamerika" und ,,Ave Maria" in der 1874 gegründeten Fuldaer Zeitung - 108 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung - betreut hat. Besser und zutreffender hätte die Tätigkeit der Karl-May-Gesellschaft und ihrer vielen aktiven Mitglieder wohl nicht beschrieben werden können. Darüber freuen wir uns!

Am letzten März-Wochenende treffen sich Vorstand und Mitarbeiterkreis der KMG zu ihrer alljährlichen Klausurtagung. Als Tagungsort wurde diesmal Gartow im Kreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen ausgewählt, wo Karl May vor 100 Jahren (April/Mai 1898) studienhalber einige Wochen verbracht hat. Aus diesem Anlaß hat Erich Heinemann nach einer Idee von Carl-Heinz Dömken den Text für eine heitere literarisch-musikalische Soiree verfaßt, die am 28. März 1998 um 20.30 Uhr im ,,Haus des Gastes", Hauptstraße 46, als öffentliche Veranstaltung über die Bühne gehen wird. Die Mitwirkenden sind Carl-Heinz Dömken, Erich Heinemann, Walther Ilmer und Hartmut Kühne. Zu diesem Abend sind auch unsere norddeutschen Mitglieder herzlich eingeladen (Zimmervermittlung über Tel. 05846/333 oder Fax 05846/ 2288).

Unser Schatzmeister Uwe Richter konnte zum Jahreswechsel 1997/98 eine geradezu sensationelle Nachricht vermelden. Mit dem Spendenaufkommen des vergangenen Jahres wurde gleich ein dreifacher Rekord aufgestellt: Es war das beste Dezember-Ergebnis, die größte Summe eines 4. Quartals und der höchste Jahresertrag seit Bestehen der Karl-May-Gesellschaft! ! ! Wenn sich die Zufriedenheit der Mitglieder mit unserer Arbeit in Spenden ausdrückt, dann ist der Gesamtbetrag von DM 52.097,38 dafür ein großartiger Beweis, wofür der Vorstand allen Förderern überaus herzlich dankt.

Auch unser Pressebeauftragter Dietrich Schober kann mit einem Erfolg aufwarten. Er hatte bei einigen Städten und Gemeinden, die mit der Biographie unseres Autors verbunden sind, angeregt, eine Straße nach Karl May zu benennen. Die Stadtverwaltung von Dessau in Sachsen-Anhalt hat prompt reagiert und vor kurzem mitgeteilt, daß die zuständigen Gremien einen entsprechenden Beschluß gefaßt haben. Die Karl-May-Straße liegt in einem "Dichterviertel", umgeben von den Brüdern Grimm, Fontane und Hauff.

In dieser Ausgabe der KMG-Nachrichten finden Sie einen Artikel von Frau Prof. Dr. Meredith McClain über ein von ihr geplantes internationales Karl-May-Symposium im Herbst des Jahres 2000 in Lubbock/Texas, den ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehle.

Nachdem wir im letzten Jahr das erste brasilianische Mitglied begrüßen konnten, ist unsere Länderstatistik jetzt um ein neues Mitglied in Israel erweitert worden. Damit ist die Karl-May-Gesellschaft in 26 Staaten und allen Kontinenten vertreten.

Die mit uns befreundete Gesellschaft zum Studium des Western, die von unserem Mitglied Dr. Peter Bischoff geleitet wird, begeht im nächsten Jahr ihr zehnjähriges Gründungsjubiläum. Dazu wird im Juni 1999 in Münster eine internationale Tagung über ,,Die Ursprünge und Traditionen des Western-Mythos in Amerika und Europa" stattfinden, an der unter Federführung der gastgebenden Gesellschaft die Friedrich-Gerstäcker-, Karl-May- und Charles-Sealsfield-Gesellschaft teilnehmen werden. Die Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften unterstützt dieses gesellschaftsübergreifende Projekt ausdrücklich und wird die dreitägige Veranstaltung auch finanziell fördern.

Im Geburtstagskalender des ersten Quartals sind diesmal drei Namen vermerkt: Der Gründer und langjährige Vorsitzende des Freundeskreises Karl May in Cottbus (des ersten in der damaligen DDR!), Reinhard Seidler, konnte am 28. Januar seinen 50. Geburtstag feiern; am 16. Februar hat der Karl-May-Forscher und Autor Prof. Dr. Klaus Ludwig (Dresden) mit 65 Jahren das offizielle Ruhestandsdatum erreicht; und am 12. März schließlich kann unser Mitarbeiter Karl Serden in Ubstadt-Weiher, den wir alle als erfolgreichen Herausgeber der Materialienbände kennen und schätzen, auf 70 Jahre eines erfüllten Lebens zurückblicken. Den drei Freunden und Kollegen gratulieren wir ganz herzlich zum jeweils ,,runden" Geburtstag und wünschen ihnen alles Gute, Glück und Gesundheit für die Zukunft.

Liebe Mitglieder, bleiben Sie unserer gemeinsamen Sache auch weiterhin gewogen, unterstützen Sie wie bisher die Arbeit der Karl-May-Gesellschaft und werben Sie neue Mitglieder, damit wir zum 30jährigen Jubiläum im nächsten Jahr dem Ziel unserer AKTION 2000 einen entscheidenden Schritt näher kommen.

In herzlicher Verbundenheit grüßt Sie

Ihr

Erwin Müller
Geschäftsführer


Villa Shatterhand
Radebeul-Dresden. 1./3. 1998

Es erreichen uns immer wieder Anfragen, was "die da im Karl-May-Museum das ganze Jahr über wohl so treiben". Ich möchte hier versuchen, diese Frage für einige Teilbereiche zu beantworten. Als "Kustos der Karl-May-Sammlung im Karl-May-Museum" ist man natürlich in erster Linie für alles, was mit Karl May zusammenhängt, verantwortlich. Das heißt: Archivierung, Katalogisierung, Sicherung, Reparatur/Restaurierung und Vervollständigung des Bestandes, und das alles ohne festes Budget - dazu aber später einige Ausführungen. Einen nicht unerheblichen Zeitaufwand nimmt die Beantwortung von Anfragen in Anspruch, kommentieren brauche ich das nicht, besser als der Mayster in "Freuden und Leiden eines Vielgelesenen" könnte ich es sowieso nicht ausdrücken. Ich bitte an dieser Stelle jedoch nochmals darum, bei Anfragen wenigstens Rückporto beizulegen.

Hochinteressant ist es natürlich, in Beantwortung von Anfragen Recherchen in Mays Quellenwerken anzustellen, leider bleibt dazu die wenigste Zeit - eine exakte Auswertung würde eine Arbeitskraft über Jahre voll in Anspruch nehmen. Karl Mays Bibliothek ist eine unerschöpfliche Fundgrube und viele Schätze warten hier noch darauf, gehoben zu werden.

In einem früheren Bericht wies ich bereits auf die schlechte Erhaltung vieler Bücher hin. Eine der vordringlichsten Aufgaben dieses Jahres wird die schrittweise Restaurierung vor allem der Bücher sein, mit denen Karl May gearbeitet hat. Dazu gehören u.a. Julius Fröbel: "Aus Amerika"; Balduin Möllhausen: "Wanderungen durch die Prärien und Wüsten...", Polaks und Vamberis Beschreibungen über Persien oder auch eine ganze Reihe der Broschüren und Bücher über Babylon, mit denen sich May in Vorbereitung seines Dramas "Babel und Bibel" sehr intensiv beschäftigt hat. Auch hier sind wir auf Spendenmittel angewiesen. Der Freundeskreis des Karl-May-Museums konnte dieses Jahr 1700 DM als zweckgebundene Spende für solche Restaurierungsarbeiten zur Verfügung stellen. Das ist natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Anfang.

Ich möchte hiermit alle Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft aufrufen, mit Spenden für die Erhaltung und Restaurierung der Bücher in Karl Mays Bibliothek beizutragen, z.B. indem über bestimmte Bücher die Patenschaft übernommen wird.

Ein weiteres unerschöpfliches Tätigkeitsfeld ist der bauliche Zustand der Museumsgebäude und des Grabmals Karl Mays. Bekanntlich wurde die Villa "Shatterhand" 1893/94, die Gruft 1901-03 und die "Villa Bärenfett" 1926 errichtet. 1998 können wir übrigens das 70-jährige Bestehen des Karl-May-Museum feiern. Und bei diesem Alter muß man natürlich auch mit Reparaturen rechnen, zumal in den vergangenen fünfzig Jahren doch einiges vernachlässigt wurde. Nachdem schon 1995 durch den Rückerwerb des mobilen Nachlasses in der Villa "Shatterhand" umfangreiche Baumaßnahmen erforderlich waren, mußten 1996 durch zwei Havarien die Heizungsanlagen in beiden Häusern erneuert werden. Gleichzeitig wurden die sanitären Einrichtungen den heutigen hygienischen Anforderungen entsprechend umgebaut, so daß wir jetzt auch eine Behindertentoilette bieten können. In diesem Zusammenhang wurden die Ausstellungsräume in der "Villa Bärenfett" beleuchtungstechnisch und farblich überholt und der Ausstellungskomplex "Indianer heute" neu gestaltet. Auch hierfür konnte der Freundeskreis Karl-May-Museum 700 DM zur Verfügung stellen. Die Kellerbereiche in beiden Häusern wurden in Eigenleistung zweckentsprechend vorgerichtet und dabei neue Depoträume geschaffen. Diese dienen der Unterbringung der bislang im Staatlichen Museum für Völkerkunde Dresden aufbewahrten ethnologischen Gegenstände, die in diesem Jahr zurückgeführt werden. Im Jubiläumsjahr soll unter Mithilfe der Freundeskreismitglieder der legendäre Zechkeller in der "Villa Bärenfett" wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden

Für 1997 erhielten wir zusätzlich die städtische Auflage, das Museum an die Kanalisation anzuschließen. Das bedeutete die Erneuerung der Abwasserleitungen und Umbinden der Klärgruben. Im gesamten Gelände wurde geschachtet, Bäume mußten gefällt, neue gepflanzt und somit der Garten neu gestaltet werden. Auch diese Arbeiten sollen 1998 abgeschlossen werden.

Manchmal kommt man sich vor wie Goethes Zauberlehrling - ein Ende der Baumaßnahmen ist nicht abzusehen: Durchgetretene Dielen, abgenutztes Parkett, löchrige Decken, bröcklige Schornsteine usw., usf. ... und kein Geld.

Eine umfassende Darstellung der Finanzprobleme würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen; darüber kann zu einem späteren Zeitpunkt berichtet werden. Hier nur soviel: Als privates Museum muß sich das Karl-May-Museum in erster Linie von den Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Souvenirverkauf erwirtschaften. Natürlich gibt es Zuschüsse aus dem Kulturraumgesetz in Sachsen, auch begrenzt von der Stadt oder der Denkmalpflege. Aber diese reichen nicht aus, alle notwendigen Maßnahmen zu erledigen. Es müssen also Prioritäten gesetzt werden, und dazu gehört in allererster Linie die Erhaltung des Museums. Allein die oben erwähnten Baumaßnahmen verschlangen eine 6-stellige Summe. Aus diesem Grund immer wieder die Bitte um Spenden, um eben auch Dinge zu erledigen, die sonst liegenbleiben würden. Beispielsweise konnte 1997 die vor sechs Jahren begonnene Restaurierung des Grabmals beendet werden. Die Sanierung des Bauwerkes unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten kostete allein im vorigen Jahr 71.800 DM. Davon wurden die eine Hälfte aus Spendenmitteln, die andere Hälfte mit Fördermitteln der Denkmalpflege bestritten.

Soweit ein Bericht aus dem Karl-May-Museum in Radebeul. Ich hoffe, daß er diesen oder jenen anregt, das Museum zu besuchen und freue mich schon auf ein Wiedersehen, vielleicht bei einem Plausch am Kaminfeuer der "Villa Bärenfett" oder während einer Veranstaltung des Freundeskreises.

Hans Grunert


Ein Besuch im Karl-May-Museum

Radebeul! -

Sei mir gegrüßt, du sächsisches Nizza im Lößnitzgrund! Ich wandle gern durch deine romantischen Straßen und Gassen, setze meinen Fuß in die "Weintraube", um mich zu erquicken. Dein Zauber ist ungebrochen, wenn auch dein Antlitz die Spuren des Alters nicht verbergen kann. Der Zahn der Zeit hat überall an deiner Pracht genagt, aber trotz bröckelnder Fassaden bist du uns erhalten geblieben und schon eifrig dabei, in alter Schönheit wieder aufzublühen. Noch immer wirst du, Perle bei Dresden, von der Elbe bespült, noch immer dampft fauchend die Lößnitzbahn gen Moritzburg.

Sei mir gegrüßt Villa "Shatterhand" - Wohnstätte unseres Dichters Karl May. Durch deinen Garten bahne ich mir den Weg in die Traumwelt des "Wilden Westens". Die Legende lebt: Vor dem offenen Kaminfeuer des Blockhauses werden sentimentale Stimmungen wach. Ein präparierter Braunbär scheint mir gar nicht leblos, eher grimmig und munter zu sein. Harmloser wirken die zahlreichen Jagdtrophäen, welche an den Wänden die Illusion vermitteln, man wäre in Nordamerika. Hier hatte also Patty Frank, Weltenbummler und Mitbegründer des Karl-May-Museums, gelebt und seine zahlreichen Besucher mit aufregenden Erzählungen gefesselt.

Laut Band 34 der Gesammelten Werke "Ich" soll das Blockhaus "Villa Bärenfett" in vielen Einzelheiten der Hütte des Bärenjägers Baumann nachempfunden worden sein:

"Das Radebeuler Blockhaus ist eine getreue Nachbildung jener Westmannsbehausung, während es seinen seltsamen Namen ,Villa Bärenfett' einem der drolligen Einfälle des Hobble-Frank verdankt (vgl. ,Der Ölprinz')." [Ich, 340. Tsd., S. 359.]

Und tatsächlich lesen wir in "Unter Geiern":

"In der Mitte des Platzes erhob sich die viereckige Blockhütte, die aus ineinanderfügten Holzstämmen errichtet war." [Bamberg, S. 46]

Die Beschreibung stimmt. Karl May als Architekt? Doch halt! Nehmen wir doch besser den Original "Kamerad"-Text zur Hand:

In der Mitte stand die viereckige Blockhütte, aber eigentlich nicht Blockhütte, da sie nicht von ineinandergefügten Holzstämmen errichtet war. Das Material, welches man zu ihrer Errichtung verwendet hatte, bestand aus Steinen, Lehm und Stangen, welche aus den Büschen geschnitten waren. Die Schindeln zu dem Dache waren jedenfalls von weit herbeigeholt worden.

[Bärenjäger, Der Gute Kamerad, S. 51; Union-Buchausgabe, S. 32.]

Uff! Der Große Geist des Bearbeiters hat gezaubert: Stein und Lehm wurden zu ineinandergefügten Holzstämmen. Nur der Name "Villa Bärenfett" stammt von May. Dies nimmt aber keinesfalls die Freude an dem Radebeuler Blockhaus. Jeder, der einmal dort ist, wird von der stilechten Western-Romantik gefangen genommen. Hier ist der angestaubte Begriff Museum, wenn auch sachlich korrekt, fehl am Platze.

Lebendige Geschichte präsentiert sich dem Besucher. Die ethnologischen Sammlungen indianischer Kultur sind weltweit einmalig und finden selbst in den USA zunehmend Beachtung. Liebevoll, bis ins kleinste Detail, sind die Glasvitrinen gestaltet. Zu sehen sind u. a.: Mokkasins, Skalpiermesser und Skalp, Indianische Zeichnungen auf Lederhaut, Catlinit-Gestein (heiliger Pfeifenton), Friedenspfeifen, Perlenstickerei.

Eindrucksvoll ist das Diorama "Heimkehr der Sioux-Indianer von der Schlacht", bestehend aus einem Wandgemälde, das berittene Krieger zeigt, vor welchem drei lebensgroße Indianerfiguren in Originalkleidung postiert sind: Häuptling American Horse und eine Squaw mit Kind.

Nach Verlassen des Blockhauses schlägt das Herz eines jeden May-Freundes hörbarer. Über einen Fußweg gelangt man zur rückwärtigen Seite der Villa "Shatterhand". Es ist schon ein Gefühl ganz besonderer Art, den geweihten Boden des Mayster zu betreten. Vor mir befindet sich der berühmte Empfangssalon: das Sascha Schneider Zimmer. Das eigenartige Fluidum, das von diesem Raum ausgeht, kann nicht durch Photos konserviert werden. Etwas Unbestimmbares nimmt mich gefangen, zieht mich in seinen Bann. Über allem dominiert der "Chodem", auch "Das Gewissen" genannt. Fraglos zählt das in Schwarzweißton ausgeführte Gemälde zu den Hauptattraktionen des Museums - ein Meisterwerk! Hier, umgeben von Jugendstilmöbeln, empfing May seine zahlreichen Gäste.

Eine etwas steile Treppe führt mich in die Gemächer geistigen Schaffens. Zur Straßenseite befindet sich die Bibliothek. Umfangreiche Nachschlagewerke - Sachliteratur über Erd- und Völkerkunde, Religion (Christentum, Islam, Buddhismus), schöne Künste und vieles mehr belegen Mays fleißige Quellenstudien. Zahllose Anstreichungen und Arbeitsvermerke - für die Forschung von unersetzlichem Wert - hat er in diesen Büchern hinterlassen.

Was der Besucher nicht bemerkt: Viele dieser Bücher sind vom Säurezerfall bedroht. Aufwendige Restaurierungsmaßnahmen sind im Gange, verursachen aber enorme Kosten. Um dieses Kulturgut retten zu können, sind jedoch die Mitarbeiter des Museums auf die finanzielle Mithilfe aller May-Freunde dringend angewiesen.

Keinerlei Probleme bereitet Mays Arbeitszimmer. An seinem Schreibtisch, der genau für seine Körperhöhe angefertigt worden war, entstanden in der Villa "Shatterhand" unterschiedliche Werke wie Der schwarze Mustang (1896), Ein Schundverlag (1905) Ardistan und Dschinnistan (1907-1909), auch seine anrührende Selbstbiographie Mein Leben und Streben (1910) schrieb May hier.

Vor dem Arbeitszimmer befand sich der einstige Balkon des ersten Obergeschosses. 1931 entstand nach Umbauarbeiten eine massive Veranda, die heute das Klara-May-Zimmer beherbergt. Noch ein kurzer Blick hinein auf ihren Schreibtisch, auf dem sich Souvenirs von ihren Weltreisen befinden, und mein Rundgang ist beendet. Doch ich weiß, ich werde immer wiederkommen!

Ralf Harder


Karl-May-Haus wieder für Besucher gerüstet

Am 25. Februar 1998, dem 156. Geburtstag des sächsischen Fabulierers eröffnet das Museum nach umfangreichen und grundhaften Sanierungsarbeiten wieder seine Pforten. Was als einfache Fassadenerneuerung begann, wuchs sich zur kompletten Erneuerung der Dachkonstruktion aus. Den Karl-May-Freunden blieb nicht verborgen, daß damit einher optische Veränderungen notwendig und möglich wurden, die einen Spagat zwischen historischen Gestaltungsmaßstäben und heutigen museumsspezifischen Obliegenheiten, sowie geltenden Baubestimmungen darstellen.

Gleichzeitig mit der Wiedereröffnung erfolgt die Präsentation der Karikaturenausstellung "Karl May im Sichtwinkel seiner Leser" und die Verleihung des damit verbundenen Siegerpreises in Höhe von 5.000,-- DM

Neu und besucherfreundlicher sind auch die Öffnungszeiten, die nunmehr zum tragen kommen. Dienstags bis Freitags ist jeweils von 9.00-12.00 und 13.00-16.00 Uhr, an den Wochenend- und Feiertagen 13.00-17.00 Uhr geöffnet.

Für May-Kenner: Am Eröffnungstag erscheint Heft 11 der Karl-May-Haus Informationen zu dessen Abonnenten- und Verbreitungskreis neuerdings auch die USA zählen.


Karl-May-Stiftung:
Dank an Peter Grübner

Bundespräsident Roman Herzog hat vor kurzem die ehrenamtliche Mitarbeit in Vereinen und Verbänden gewürdigt und die Bürger aufgerufen, diese Mitarbeit zu verstärken, weil eine demokratische Gesellschaft erst durch eine Vielzahl ehrenamtlicher Helfer richtig wirksam werden kann. Für seinen besonderen Einsatz haben Kuratorium und Vorstand der Karl-May-Stiftung in der letzten Sitzung Herrn Peter Grübner gedankt. Als Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung hat er sich über Jahre hinweg in selbstloser, aufopferungsvoller Weise eingesetzt. Wie wichtig er für die Stiftung war, wurde besonders in den 17 Monaten deutlich, in denen er aus beruflichen Gründen dieses Amt nicht ausüben konnte. Desto mehr freuten wir uns alle, Kuratorium wie Vorstand, als er uns seine erneute Mitwirkung anbot. Familiäre Gründe, für die wir volles Verständnis haben, hindern ihn jetzt daran, weiterhin für unsere Stiftung tätig zu sein. Wir bedauern dies zutiefst und wünschen ihm alles Gute.

Peter Grübners Einsatz verdanken wir es vor allem, daß die Stiftung aus stürmischem finanziellen Fahrwasser wieder in ruhigere Bahnen gelangt ist. Wir wissen, daß die vor uns liegende Zeit auch noch durch gefährliche Untiefen führen wird, aber der Kurs ist abgesteckt - er muß nur beibehalten werden.

Unvergessen bleibt Grübners unermüdlicher Einsatz für die Rückkehr der Inneneinrichtung der Villa ,,Shatterhand" in Radebeul. Mit geduldigem Geschick hat er nicht nur die notwendigen Verhandlungen geführt, sondern auch wesentlich dazu beigetragen, die finanziellen Voraussetzungen für die Übernahme-Vereinbarungen zu schaffen. Er hat gezeigt, daß mit Umsicht, Überblick und Standfestigkeit, aber auch mit Verständnis für die jeweiligen Verhandlungspartner, mehr zu erreichen ist als mit starrköpfiger Unbeweglichkeit, die leider oft mit Konsequenz verwechselt wird.

Wir hoffen, ich ganz besonders, daß Peter Grübner eines Tages wieder in unseren Reihen mitwirken kann. Unser Dank wird beständig sein.

Wolfgang Mischnick
Präsident des Kuratoriums
der Karl-May-Stiftung


Ein außerordentlich intelligentes Buch

Fantasia 112/113:

Claus Roxin: Karl May, das Strafrecht und die Literatur. Tübingen 1997, Klöpfer und Meyer (190/). Rez: Franz Schröpf

Liest man den schlichten Titel dieses Buches und weiß, daß Claus Roxin Professor für Rechtswissenschaften an der Universität München ist, so liegt die Annahme nicht fern, der Autor würde hier einen denkwürdigen Fall der Kriminal- und Rechtsgeschichte in erster Linie vom juristischen Standpunkt her behandeln (wozu Karl May durchaus schon herhalten mußte).

Doch weit gefehlt: Ausgehend vom Krankheitsbild der Pseudologia phantastica, der Krankhaften Lügensucht (ein so schöner Begriff, daß ihn Karl May selbst erfunden haben könnte) -

Die allgemeinsten Charakteristika des Pseudologen sind seine autistische Denkweise in Verbindung mit einer ihr adäquaten, auf die Realisierung der eigenen Tagträume drängenden Aktivität. Die autistische Denkweise zeichnet sich dadurch aus, daß sie "Widersprüche mit der Wirklichkeit unberücksichtigt läßt, daß das Denken von der Realität (...) abgespalten wird".

- erstellt Claus Roxin eine tiefgreifende Analyse der Persönlichkeit Mays, dem das Tagträumen, das Fabulieren im wirklichen Leben wie in der Dichtung unauslöschlich eingeprägt war. Karl May, das Strafrecht und die Literatur ist ein außerordentlich intelligentes und sehr präzise geschriebenes Buch, das unter allen Werken zum Thema May wohl dasjenige ist, das am meisten zum Verständnis des Dichters beiträgt.

"Lektüre zwischen den Jahren - Wer kennt sich schon"

"Lektüre zwischen den Jahren - Wer kennt sich schon" - ausgewählt von Martin Walser. Suhrkamp Verlag, Ffm., 1992

im Nachwort von Martin Walser S. 150 ... 152:

Wie deutlich dagegen ist der Zehnjährige, der beim Kaplan des Nachbardorfes den nächsten Band Karl May holt und die vier Kilometer zurück eher rennt als geht, um endlich, endlich dieses dicke kleine Buch aufschlagen zu können. Die Glut der Vorfreude des längst infizierten Karl-May-Lesers hat das Zimmer in ein Unvergänglichkeitslicht getaucht. In diesem Licht ist das Zimmer bis heute geblieben. Das ist das heroisch edle Karl-May-Erinnerungs-Licht. Wenn ich nicht aufpasse, verklären sich mir diese Lesestunden zu reinen Goldgrundbildern.

Und wie vollkommen problemlos, bruchlos vollzog sich der Übergang von Karl May zu Schiller, von Christoph Schmid zu Dostojewski.

Mir sind die Zeiten, die ich mit sogenannten Trivialbüchern verbracht habe, so heilig und so deutlich wie der Sonntag, an dem ich zum ersten Mal meinen Atem an Klopstocks "Ode an den Zürcher See" erprobte, um dann für immer im Dienst dieses Odenaufschwungs zu bleiben.

Wenn im Buch Schmerz und Angst vorkommen, blieben Schmerz und Angst Papier, wenn wir sie nicht mit unserer Schmerz- und Angsterfahrung zum Leben erweckten. Es ist dann unser Schmerz, unsere Angst, dargestellt durch Winnetou, Robinson, Raskolnikow. Unsere Mitwirkung produziert die Wirkung.


Westerwälder und der Wilde Westen

Die Geschichts- und Kulturwerkstatt Westerwald (Sektion des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, Wiesbaden) wird in Zusammenarbeit mit der KMG und dem Magazin "Karl May & Co." (Mescalero e.V.) eine Veranstaltung durchführen, die ihr besonderes Augenmerk den Beziehungen zwischen Karl May und dem Mittelrhein widmet. Als Gast wird der Justizminister von Rheinland-Pfalz, Peter Caesar, zugegen sein und ein Grußwort sprechen. Zwei Kurzreferate stellen den Bezug zur Region her. "Vom Prinzen zu Wied bis Balduin Möllhausen" ist Thema von Dr. Hermann Josef Roth, Köln. Über die Beziehungen Mays zum Westerwald damals und heute spricht stud. phil. Peter Weyand, Dernbach. Das Hauptreferat "Kurioses und Paradoxes aus der Wirkungsgeschichte Karl Mays" hält Prof. Dr. Helmut Schmied, Köln.

Die Veranstaltung findet statt am Freitag, dem 29. Mai 1998 in der Stadtbibliothek Montabaur (Konrad-Adenauer-Platz) und beginnt um 18 Uhr. Gleichzeitig wird eine kleine Ausstellung mit Schriften von und über Karl May sowie einigen Erinnerungsstücken arrangiert. Wer dazu etwas beisteuern möchte, sollte sich beizeiten mit unserem Mitglied Dr. Hermann Josef Roth in Verbindung setzen (Postfach 420606, 50900 Köln).

Der Verein Mescalero e.V hat zudem einen Sonderdruck seines Magazins "Karl May & Co." herausgegeben, der das Thema "Karl May und der Westerwald" anspricht. Das zum Teil farbig illustrierte Heft kann gegen 5,00 DM über KARL MAY & Co. (Hauptstr. 39, 57614 Borod) bezogen werden.

Karl-May-Straße Nr. 7

Eine gute Nachricht: Dessau hat seit dem 5.Nov.97 eine Karl-May-Straße! An diesem Tage beschloß die Stadt, für Dessau-Kochstedt (im Amtsdeutsch 'Wohngebiet VEP Nr.25 - Winklerstraße') zwei neue Straßen zu benennen, eine nach Theodor Fontane, und die andere nach Karl May; beide münden auf die Gebrüder-Grimm-Straße. In der Nähe befinden sich der Wilhelm-Hauff-Weg und der Hans-Fallada-Weg, ein richtiges Dichterviertel also. Zu den markantesten historischen Persönlichkeiten dieser Stadt zählt Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau, ihm widmete Karl May seine "Dessauer Erzählungen". Der Alte Dessauer, der vom Denkmal auf dem Clara-Zetkin-Platz herab alle Besucher zu grüßen scheint, ist für jeden Karl-May-Kenner ein Begriff. Ein herzlicher Dank geht an Oberbürgermeister Hans-Georg Otto und seinen Stadtrat, daß sie dem Vorschlag der KMG zugestimmt haben. Nun hat auch Karl May ein Denkmal in Dessau. -dSch


Dieter Schober

10 Jahre Freundeskreis Karl May Cottbus

Karl-May-Freundeskreise sind wie Goldfische im Aquarium, sie fallen auf und erregen unser gezieltes Interesse, und ganz gewiß ist der Cottbuser Freundeskreis ein besonders prächtiger Fisch im Ozean der KMG! Wie sagte unser Vorsitzender in Leipzig bei der dortigen Festveranstaltung am 14. März 1997: "...derartige Institutionen leisten gerade das, was die Karl-May-Gesellschaft nicht bieten kann oder will..." Da gibt es also seit 10 Jahren eine solche Gemeinschaft, die stolz auf ihre Gründung zurückblicken kann: Am 12. Nov. 1987 rief Reinhard Seidler den "ersten Freundeskreis Karl May" in der DDR ins Leben, und das war damals gewiß kein leichtes Ding. Die Lausitzer Rundschau berichtete am Jahrestag ausführlich über das Jubiläum. Am 4. Dez.1997 war denn auch eine große Feier angesagt, die im Hotel "Zur Sonne" in Cottbus (dem ständigen Treffpunkt der Freunde) ein reichhaltiges Programm bot. Nach der Eröffnung mit Abspielen der Winnetou-Melodie und der Begrüßung und Ansprache des Vorsitzenden (R. Seidler, mittlerweile im wissenschaftlichen Mitarbeiterkreis der KMG) gab es eine Videoaufführung "Karl-May-Ausstellung 1992", die Übergabe der Jubiläumsmedaille an die Mitglieder, eine Quizrunde "Rund um die KMG", Verkauf des "Cottbuser Heimatkalenders 1998" und nach der Erörterung der Vorhaben für 1998 ertönte die Karl-May-Komposition "Vergiß mich nicht". Das Kassieren des Jahresbeitrages wurde bei Sekt und belegten Brötchen harmonisch eingefügt, und dann klang das gesellige Beisammensein individuell aus. Aus der Begrüßungsansprache seien einige Sätze zitiert: "Trotz erforderlicher Bindung an örtliche Kulturbund-Strukturen wurden wir schon bald zum überregionalen Forum und Sammelbecken aller Karl-May-Freunde Ostdeutschlands. Erst mit Bildung weiterer Freundeskreise in Leipzig und Radebeul veränderte sich unser Profil, das immerhin unserer Stadt schon 1992 den Ruf eintrug, eine 'Karl-May-Hochburg' geworden zu sein. Mit der Wende und dem Eintritt vieler Gründungsmitglieder in die internationale Karl-May-Gesellschaft, die zu den größten literarischen Gesellschaften Deutschlands zählt, versteht sich heute der Cottbuser Freundeskreis als Lausitzer Forum der KMG. Zu den Cottbuser Karl-May-Aktivitäten des zurückliegenden Jahrzehnts gehören über 50 Veranstaltungen, Exkursionen, Lesungen und Vortragsabende mit prominenten Gästen. Große Erfolge verbuchten die zwei Karl-May-Ausstellungen 1987 und 1992 mit insgesamt fast 15.000 Besuchern aus 13 Ländern. Weit über 100 Veröffentlichungen, darunter in der größten TV-Zeitschrift der Schweiz sowie in den wissenschaftlichen Publikationen der KMG, befaßten sich mit dem Wirken der Cottbuser." Mit der Jubiläumsmedaille hat sich der Freundeskreis etwas ganz feines einfallen lassen; das aus 44 Gramm Kupfer bestehende und auf 30 Exemplare limitierte Stück wurde gestaltet von E. Fröde und R. Seidler und trägt eine ereignisbezogene Inschrift. Die Nr.27 bis 30 gingen an A. Köhler, E. Müller, C. Roxin und E. Fröde. Im Cottbuser Heimatkalender 1998 übrigens findet man einen längeren Artikel von Volkmar Herold mit dem Titel ,Der Mayster rief...wir folgten seinem Ruf', in dem detailliert die Gründungsphase und die nachfolgenden Jahre beschrieben werden. Wir wollen den Freunden in Cottbus auch etwas zurufen: Herzlichen Glückwunsch, macht weiter so !

Ausführliche Informationen zum Freundeskreis Karl May Cottbus enthält die gedruckte und reich illustrierte Broschüre "Winnetous Erben in Ostdeutschland". (Ansprechpartner: Ulrich Böhm, Marienstr.4, 03046 Cottbus, Tel. 0355-21155).

Dietrich Schober

Karl-May-Sammlung Heinz Neumann

Der heute 85-jährige hat in seinem langen Leben etwa 210 Meter im Bücherregal gefüllt mit Abenteuerliteratur, im Kern eine umfassende Karl-May-Sammlung, darunter unzählige Erstausgaben. Heinz Neumann hat sich mit der Person Karl May identifiziert, er hatte seine häusliche Umgebung auf den Schriftsteller ausgerichtet, er hat ihn studiert mit seinen Schwächen und Stärken, und gilt als profunder Kenner des Lebens und Werkes Karl Mays. Als er aus Altersgründen seinen Schatz abgeben mußte, übernahm ihn überglücklich das Deutsche Literaturarchiv in Marbach. Den Wert der Sammlung kann man nur schätzen, mindetens aber DM 250.000 müßte man hinblättern, außerdem kann man heute viele dieser Bücher nicht mehr kaufen. Schon 1982 konnte man Teile der Sammlung im Schiller-Nationalmuseum in Marbach bewundern, unter dem Stichwort "Das inszenierte Abenteuer" berichtete das Marbacher Magazin 21/1982, der Bearbeiter hieß Hans-Otto Hügel, den die Teilnehmer der Erlanger Tagung mit einem Referat über den Virtuosen Kara Ben Nemsi erlebt haben. -dSch

Dieter Schober

Vorträge unserer Mitglieder


Der Schatzmeister erinnert:

Ihre Gegenleistung für MITTEILUNGEN/NACHRICHTEN/JAHRBUCH 1998: 50,- DM Jahresbeitrag für die KMG.

Bereits bezahlt?


Volker Wahl, Weimar

Ich suchte Thomas Mann und fand Karl May (II)

Erneut bei der Materialsammlung zu einer Dokumentation über Thomas Mann in Weimar und Thüringen 1949 und 1955 stieß ich in einer thüringischen Zeitung auf Karl May. [Siehe meinen ersten Beitrag in den KMG-Nachrichten Nr.107, S.46] Dieses Mal ging ich einer Bemerkung von Thomas Mann in seiner ,,Ansprache im Goethejahr" am 1. August 1949 in Weimar nach, daß er von Lesungen aus seinem im Exil geschriebenen Roman ,,Lotte in Weimar" nach Kriegsende im Goethehaus zu Weimar gehört habe. Tatsächlich fand ich diesen Vorgang vom März 1946 in den damaligen Zeitungen bestätigt und nebenbei in der Ausgabe des ,,Thüringer Tageblatts" (Organ der Christlich Demokratischen Union) Nr. 11/1946 vom 25. Mai 1946 noch einen Artikel, der mit ,,Karl May und Buchenwald" überschrieben war. Auch wenn es sich um die Übernahme eines Originalbeitrags aus der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg) handelt - wann er dort erschienen ist, habe ich allerdings nicht nachgeprüft -; es ist schon bemerkenswert, wie im besetzten Nachkriegsdeutschland das untergegangene Dritte Reich bewältigt und mit seiner Geschichte das Faktum der deutschen Konzentrationslager sowie das Phänomen Karl May verknüpft werden konnten.

Daß das in Weimar erscheinende "Thüringer Tageblatt" seinerzeit den Beitrag nachdruckte, hat mit ,,Buchenwald" zu tun, jenem seit 1936 von den Nazis vor den Toren der Stadt der deutschen Klassik errichteten Konzentrationslager auf dem Ettersberg, gegen dessen ursprüngliche Benennung nach der Örtlichkeit die NS-Kulturgemeinde seinerzeit Einspruch erhoben hatte, weil es ein Lieblingsplatz Goethes gewesen war. Nach der Befreiung des Lagers während des Vormarsches der Amerikaner durch Thüringen am 11. April 1945 ging das Kunstwort ,,Buchenwald" als Bezeichnung für das erste große deutsche Konzentrationslager, das unversehrt in die Hände der Alliierten gefallen war, über deren Rundfunkstationen und die Presse in die Welt. Für Eugen Kogon - selbst Häftling im KZ Buchenwald - war es das paradigmatische Beispiel für das ,,System der deutschen Konzentrationslager", das er in seinem Buch ,,Der SS-Staat", dem ersten großen authentischen Bericht über die dunkelste Seite der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945, einzigartig beschrieben hatte. Neben Kogons Buch waren seit Kriegsende 1945 kleinere und größere Erlebnisberichte von Häftlingen über das Konzentrationslager Buchenwald erschienen. Das Interesse an der Aufklärung über diese Form des Terrors gegen Andersdenkende - inzwischen war es zu einem gut abgeschirmten russischen Internierungslager mutiert - war über Weimar und Thüringen hinaus zweifellos vorhanden. Es mußte sich in den Tagen und Wochen des Nürnberger Prozesses verstärken, auf dessen Anklagebank auch der ehemalige Reichsstatthalter und Gauleiter von Thüringen, Fritz Sauckel, saß, unter dessen ,,Patronat"das Konzentrationslager in unmittelbarer Nähe der Gau- und Landeshauptstadt Weimar errichtet worden war.

In der historischen Situation des Jahres 1946, als die in Nürnberg angeklagten Hauptkriegsverbrecher und nicht wenige ihrer Gefolgsleute das Unfaßbare zu leugnen und abzustreiten suchten, wog jede Aussage schwer. Unfaßbar für den damaligen Beobachter mußte aber auch die eher unbedachte und zufällige Meinungsäußerung über ,,Karl May und Buchenwald" sein. Das Geschehen von 1946 - der Zeitungsartikel erschien ein Jahr nach Kriegsende - sagt nichts über den Mißbrauch Karl Mays während der Zeit des Nationalsozialismus, aber viel über das Verderbnis der Karl-May-Verehrerinnen und -Verehrer durch die Nationalsozialisten aus. Doch lesen Sie selbst:

Karl May und Buchenwald

In der Rhein-Neckar-Zeitung schreibt Dr. G. F. Hartlaub:

Drei junge Mädchen, Typus ehemaliger BdM-Mädels, unbekümmert und fidel, wollen sich am Kiosk Zeitungen kaufen. Einen Augenblick verweilt ihr Blick auf der Auslage einer Broschüre, die den Titel ,,Buchenwald" trägt.

,,Ob man das doch auch einmal lesen soll?" fragt die eine zweifelnd. ,,Dann lieber gleich Karl May!" ruft die andere und wendet sich ab.

Dieser Ausspruch, zufällig aufgefangen, regt zu bestürztem Nachdenken an. Was in aller Welt wollte jenes junge Mädchen zum Ausdruck bringen? Wollte sie sagen, daß alles, was man in Zeitungen und Broschüren und im Rundfunk über Buchenwald und seine KZ-Greuel liest, auf Erfindung beruhe, sensationeller Erfindung, wie sie ähnlich die Indianerromane eines Karl May enthalten? Oder hat sie das, was sie anderweitig bereits über Buchenwald und seinesgleichen gelesen, ähnlich spannend und aufregend berührt, wie sie es sonst nur bei ihrer Lektüre wilder Indianer-Geschichten mit ihren Skalpierungsfoltern usw. empfunden? Nur daß sie die letzteren eben noch aufregender findet?

Gleichviel was gemeint war oder ob vielleicht in jener spontanen und gerade deshalb so verräterischen Bemerkung beide Bedeutungen mitklangen: der Ausruf stimmt sehr ernst, gibt schwere Fragen auf. Noch einmal: ist es wirklich so, daß dieser junge Mensch die Berichte von den systematischen Quälereien und Morden für Erfindung, für ,,Propaganda" erachtet? Oder steht er dem Geschehen, auch wenn er es für tatsächlich hält, innerlich so kühl, so gleichgültig und unbeteiligt gegenüber, daß er die Berichte darüber höchstens als Anregung seiner Phantasie erlebt - so wie man eben die wilden Geschichten eines Karl May in sich aufnimmt?

Wie? In den Seelen einer Jugend, die den zweiten Weltkrieg hinter sich, die womöglich, ja wahrscheinlich selber Schwerstes erlebt und erlitten hat, ist heute noch eine so schauerliche Unreife stehen geblieben, eine so grauenhafte Gedankenlosigkeit, ahnungslose Oberflächlichkeit, ein solch grenzenloser Mangel an Vorstellungskraft, daß sie keinen Unterschied macht zwischen Erregungen von Indianergeschichten und solchen, die ein Tatsachenbericht von furchtbarster Wirklichkeit hinterläßt? Daß sie eine Nachricht über das, was Angehörige des eigenen Volkes, einer Kulturnation an Taten wildester Barbarei systematisch vollbracht haben, bestenfalls als Lesestoff betrachtet, ohne sich auch nur einen Gedanken darüber zu machen, was da ausgesagt worden ist und wie etwas derart Ungeheuerliches möglich sein konnte?!

Ist der unbedachte Ausruf des jungen Mädchens wirklich typisch und symptomatisch für den Zustand der jugendlichen Gemüter überhaupt in unserer Zeit? Wir weigern uns, das zu glauben. Bei den beiden Kameradinnen zwar fand unsere robuste Karl-May-Verehrerin keinen Widerspruch.

Quelle: Thüringer Tageblatt (Weimar), Jahrgang 1 - Nr.11 vom 25. Mai 1946, S.1.


Michael Heinatz, Berlin

Karl May in Holger Jenrichs Sammelband "Freunde fürs Leben.
Von Asterix bis Zorro: Gefährten, Helden, Kultfiguren"

Der Zeitschriftenredakteur und Buchautor Holger Jenrich gab im Jahre 1996 seinen Sammelband "Freunde fürs Leben. Von Asterix bis Zorro: Gefährten, Helden, Kultfiguren" heraus. Dieser Sammelband enthält zahlreiche Beiträge zu Helden und Kultfiguren der Jugendkultur der beiden deutschen Staaten in der Nachkriegszeit. Holger Jenrichs Buch erschien in der ersten Auflage 1996 im Klartext Verlag in Essen (ISBN 3-88474-384-8) zum Kaufpreis von 34,00 DM. Der Sammelband enthält einen Beitrag des Filmpublizisten Klaus-Peter Heß über den Schriftsteller Karl May und die Massenwirkung seiner literarischen Helden in den sechziger und siebziger Jahren. Dieser Beitrag zeichnet sich durch seine Lebendigkeit aus und bleibt allen Freunden Karl Mays zur Lektüre angeraten. Klaus-Peter Heß führte zu Karl Mays Massenwirkung in Einzelheiten folgendes aus:

Klaus-Peter Hess

Von Angesicht zu Angesicht
Wie Winnetou einmal nach Altenbögge kam

Ich kannte Winnetou schon lange, bevor ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Immer und immer wieder hatte ich die Romane von Karl May gelesen. Anfangs leider nur die auf dreißig Bände beschränkte Serie einer preiswerten Bertelsmann-Edition, obwohl ich mir schon damals nichts sehnlicher wünschte als die für ein Kind unerschwinglich teuren siebzig "grünen Bamberger Original-Ausgaben" - die mit dem feinen Ornament auf dem Einbandrücken, wo in der oberen Hälfte, von einem mehrfach geschwungenen goldenen Schild eingefaßt, in verschnörkelter Schrift der Name des berühmten Verfassers und der Buchtitel eingraviert waren und unten die jeweilige Nummer von "Karl May's Gesammelten Werken" stand.

Diese Bände kannte ich nur aus der Bibliothek des Großvaters eines Klassenkameraden. So oft es möglich war, lieh ich mir die Bücher von dem alten Mann aus, um mich der Illusion hinzugeben, beim Lesen dieser Prachtstücke meinem Freund Winnetou noch näher zu sein. Aber so häufig ich auch die detaillierten und filigranen Beschreibungen von Winnetous edlem Antlitz und seiner makellosen Gestalt las, die flüchtigen Phantasiebilder in meinem Kopf wollten sich nie zu einer wirklichen Gestalt fügen. Selbst das Porträt des Apachen-Häuptlings auf dem aufgeklebten Einbandbild von "Winnetou 1", dem Band 7 der Gesammelten Werke, war in meinen Augen nie mehr als der Versuch eines ungeschickten Malers, die wohlfeilen Worte Karl Mays umzusetzen. Schlimmer noch: Dieses Bild war geradezu eine Beleidigung.

Dann jedoch kam der Tag, an dem mein Freund endlich seine wahre Gestalt zeigen sollte. Ich wohnte damals in einer Kleinstadt am Rande des Ruhrgebietes - in einer dieser gesichtslosen Industrieansiedlungen, in denen ein Kind schon sehr früh mit seinen Gedanken auf die Flucht gehen mußte, um später dann tatsächlich den Absprung weg von dort zu schaffen. Die trostlose Ortschaft selbst bot nicht viel Gelegenheit, um meiner Phantasie ungezügelten Lauf zu lassen. Da blieb nicht viel mehr als der Rückzug eines eifrigen Lesers in die Siedlungen der Mescalero-Apachen am Rio Pecos. Wie nah ich den Lehmhäusern dieser Pueblo-Indianer kommen sollte, ahnte ich noch nicht, als ich vor einem großen Aushangplakat des Kleinstadt-Kinos stand. Eines aber begriff ich sofort: Auf dem bunten Filmposter war genau der Winnetou abgebildet, den ich seit Jahren ins Herz geschlossen und mit dem ich Blutsbrüderschaft getrunken hatte, mit dem ich immer wieder gegen den Banditen Santer kämpfte und gegen die bösen Ogellallahs, dessen Schwester Nscho tschi ich erste verschüchterte Blicke zuwarf und in dessen Begleitung ich manchen Ausritt in die unberührten Weiten New Mexicos unternahm. Es war eben dieser Winnetou, den ich weinend in meinen Armen hielt, nachdem er von der Kugel eines hinterhältigen Schuftes tödlich getroffen worden war, und dem ich in der Stunde seines Todes ein letztes "Ave Maria" vorsang: "Es will das Licht des Tages scheiden, nun bricht die stille Nacht herein ..." Dieser Winnetou stand vor mir, kein Abziehbild einer fremden Phantasie. Es war die Inkarnation all meiner Vorstellungen, und es war klar, daß ich meinen Freund, so bald es möglich war, im Kino treffen sollte.

Wie lange ich damals meine Eltern dazu überreden mußte, zusammen mit mir ins "Apollo" zu gehen, weiß ich nicht mehr. Obwohl ich bis dahin noch nie in einem Kino gewesen war, wollte ich auf keinen Fall in eine der Sonntagmittag-Veranstaltungen gehen, in die es die Kinder des Ortes drängte, um den obligatorischen und stets langweiligen Hand-in-Hand-Spaziergängen mit Vater und Mutter aus dem Wege zu gehen. Kino war in meinen Vorstellungen ein Abendvergnügen, und so ist es bis heute geblieben. Das angegraute "Apollo" auf der Bahnhofstraße war mit seinen nur zum Teil gepolsterten, dicht an dicht stehenden Sitzen auf den ersten Blick nicht gerade der ideale Treffpunkt für Winnetou und mich. Aber als schließlich nach Ablauf der Werbeprogramme, der Trailer für neue Filme und der Wochenschau auch die Restbeleuchtung erlosch, spielte diese triste Umgebung für das bevorstehende Abenteuer keine Rolle mehr. Der schwere Vorhang, der, wie von Geisterhand geführt, auseinanderging und den Blick auf die ersten Bilder des Films freigab, eröffnete mir eine neue Welt, die ich mir so in meinen kühnsten Kinderträumen nicht hatte vorstellen können.

Vor mir erschienen die Berge des "Nugget Tsil", die weit außerhalb der Apachensiedlung zwischen dem Canadian und dem North Folk River lagen, und nach wenigen Sekunden schon trat Winnetou selbst in Erscheinung. Er war gekleidet in geschmeidiges, mit kurzen Fransen besetztes Leder, die Füße steckten in reich verzierten Mokassins, und die langen, schwarz glänzenden Haare wurden von einem Schlangenlederband zusammengehalten. Das harmonisch geschnittene Gesicht strahlte Ruhe, Mut und Entschlossenheit aus, und die dunklen Augen waren geprägt von Klarheit und Offenheit. Winnetou kletterte, trotz der schweren silberbeschlagenen Büchse in der linken Hand, mit flinken Schritten eine Anhöhe herauf, blieb oben stehen und schaute sich kurz um. Dann ging er weiter zu seinem Pferd und sprang mit derselben Leichtigkeit auf den Rücken des stolzen Tieres, wie ich es vorher dutzende Male gelesen hatte. Dazu hörte ich eine getragene, fast melancholisch stimmende Geigenmelodie, die sich mir mit jedem Takt einprägte. Die Erzählerstimme, die zu den ersten Bildern sprach, war mir neu, und auch den Text hatte ich bei Karl May zuvor nie entdecken können - aber ich konnte jedem einzelnen Wort stillschweigend zustimmen: "Sie kannten ihn alle - Winnetou - den edlen Häuptlingssohn vom Stamme der Mescalero-Apachen. Sein Name lebte in jedem Zelt, in jeder Blockhütte, an jedem Lagerfeuer. Er war Freund und Beschützer aller Hilflosen, aber unerbittlicher Gegner aller Ungerechten." Vor allem aber lebte er in meiner Phantasie und in meinem Herzen, und vor allem war er mein Freund, und an diesem ersten Kinoabend meines Lebens wurde die Freundschaft von Angesicht zu Angesicht neu besiegelt. Wenn ich heute einen der Winnetou-Bände aus "Karl May's Gesammelten Werken" aufschlage, die mittlerweile als komplette Edition ein langes Bücherbord in meiner Wohnung schmücken, dann hat der Apachen-Häuptling noch immer das ewig junge Gesicht von Pierre Brice, dem ich damals mit neun Jahren zum ersten Mal begegnet bin.


Die drei sächsischen Phänomene

"Mich beschäftigt übrigens immer wieder das 19. Jahrhundert, dieses ungeheuer profanierende, gefühlsbeladene und zugleich an geistigen Teufeleien so reiche Säkulum. Auch der Beginn des 20sten, wo die Früchte seiner Denkequilibristik der Ernte entgegen reiften. Ich selbst wurzle ja noch im 19. und verstehe so gut die Anziehungskraft, die heute noch von seinen Spitzenerscheinungen ausgeht. Auf höherer Ebene die Zauberer Wagner und Nietzsche, auf der populären Karl May, alle drei deutsche (spez. sächsische) Phänomene, Erfinder von Übermenschen - Siegfried, Zarathustra, Old Shatterhand - Kara ben Nemsi. Das ist einmalig, nur hier denk- und schauerlich vollziehbar. Mir läuft's manchmal kalt und heiß den Rücken hinunter, kalt vor Grausen, heiß vor Begeisterung."

(In Rudolf Schlichters Brief an Ernst Jünger vom 19./1.1954. Aus: Ernst Jünger / Rudolf Schlichter ,Briefwechsel').

Erwähnung von Karl Mays Werken:

Dietrich Strothmann in: Helmut Schmidt u.a. "Kindheit und Jugend unter Hitler" Siedler-Verlag, Berlin, 2. Auflage 1992

[vorhanden in Hessischer Landesbibliothek Wiesbaden Signatur 93A 552]

Seite 152: ... Zur Musik kamen, gleichrangig, die Bücher. Ich erinnere mich an Alfred Rethels Zeichnungen zur Bibel, die im elterlichen Bücherschrank standen. Sie waren, wie Comics, spannend und aufregend. Verschlissene Torringhefte, die verboten waren, verschlang ich ebenso wie natürlich Karl May, in dessen Old Surehand ich mich hineinversetzte, wenn ich seine Rolle bei unseren Indianer- und Trapperspielen im Hof der Heidebrinker Straße Nr. 11 übernahm ....


FAZ, 18.11.97

Schwering Nameng

Seit die roten Herren in Peking (Beijing) den Dissidenten Wei Jingsheng freigelassen haben, ist unter Deutschlands Berichterstattern und Nachrichtensprechern in Hörfunk und Fernsehen ein Wettbewerb ausgebrochen: Wer spricht das schönste Chinesisch? Einige allerdings sprechen den Namen des Mannes einfach deutsch aus - nicht einmal die schlechteste Wahl: Waijingseng. Das hat allerdings den Nachteil, daß man meinen könnte, es habe nun schon ein zweiter politischer Gefangener den Kerker verlassen.

Ähnliche Verwechslungsgefahren treten auf, wenn Kremlherrscher Boris Jelzin von Moskauer Korrespondenten - hört her, wie gut ich russisch spreche - als Barris Jalltsinn bezeichnet wird oder Gorbatschow als Garrbattschaff. Das asiatische Namensproblem gehen andere - tschingderassabum - ganz forsch an: Wai Tsching Tschang. Oder Wai Sching Tscheng. Oder Waitschengtschong. Die mit sprachlich höheren Weihen aus dem Reich der Mitte sagen nicht Wai, sonder Wey, wie in "Hey". Also Weyschingtschang und Weyschengscheng, auch Weyschinschin.

Das "Jing" ist vorne manchmal ein Tsching, gerne auch mal ein Sching, bei den ganz einfühlsamen Sprechern auch kennerisch etwas wohlklingend Weiches wie etwa im französischen "Jean". Weil's brillant klingt, wird dann das "sheng" gleich mit erweicht und - Gipfel des Erlesenen - leicht portugiesisch nasaliert.

Wem das alles zu chinesisch klingt, der halte sich an Karl Mays Roman "Der blaurote Methusalem". Da behilft sich eine spleenige Figur mit dem Anhängen von ing, ang, ung, eng und ong an seine deutschen Wörter und begrüßt die Söhne und Töchter des Himmels in der Landessprache mit "Guteng Taging". Dann muß man nur noch warteng, bis wieder Dissidenteng ausreiseng dürfeng.


Orlando und Old Shatterhand

"Gleichzeitig mit Karl May entdeckte ich Ariost. Orlando hat sich erhalten, Old Shatterhand ist verblaßt.

Der ,Orlando furioso' in der kongenialen Übersetzung von Hermann Kurz und Paul Heyse, illustriert von Gustav Doré, stand als Prachtwerk in der Rehburger Bibliothek. Das Buch war so schwer, daß ich es nur kniend lesen konnte, wie es sich gebührt. Während des Ersten Weltkrieges war der ,Orlando' meine Einführung in die heroische Welt.

Wie wenig reichte die unsere an sie heran. Doch heute noch genügen einige Stanzen, mir die Nebel zu zerstreuen."

(Ernst Jüngers Tagebuchnotat vom 25. August 1995 in: Siebzig verweht V).


Gedanken zur Zeit von Helmut Zöpfl

In meinen letzten Urlaub hatte ich mir einen Agatha-Christie-Krimi mitgenommen. Nach ein paar Seiten habe ich ihn wieder beiseitegelegt. Warum? In dem Roman wird der große Kriminalist Poirot von der Schriftstellerin nun als alter, kranker Mann aufgezeichnet, der im Rollstuhl sitzt. Sie werden lachen: ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, mir diesen sprühenden, quirligen Belgier jetzt als alt und gebrechlich vorzustellen. Ja, ja, ich weiß, ich laufe Gefahr, mich hier lächerlich zu machen, als sentimental und unrealistisch zu erscheinen, noch dazu, da es sich hier doch nur um eine Phantasiegestalt handelt. Aber so ging es mir schon manchmal.

Schon als Bub brachte ich es nicht übers Herz, den letzten Winnetou-Band zu lesen, weil nur Freunde verraten hatten, daß Winnetou darin sterben werde. Bis heute habe ich es nicht geschafft. Und wenn ich mir vorgenommen habe, nach meiner Pensionierung alle Karl-May-Bände noch einmal zu lesen, dann werde ich wohl diesen Band ausklammern.

Ganz allein bin ich mit meiner sentimentalen Weltanschauung offensichtlich nicht, denn ich habe einmal gelesen, daß man den unvergleichlichen Kriminalschriftsteller Conan Doyle mit vielen Leserzuschriften dazu gebracht hatte, seinen Meisterdetektiv Sherlock Holmes, den er ja auch in einem Band hatte umkommen lassen, wieder auferstehen zu lassen.

Aber ist das nicht eine Flucht aus der Realität und eine mangelnde Einsicht in das Leben schlechthin, wenn man den Tod ausklammert? Irgendwie brauchen wir aber auch diesen Traum an eine Unsterblichkeit des Schönen, Guten und irgendeines Ideals, gleich, ob es sich um Winnetou, Old Shatterhand oder um den blitzgescheiten Herkule Poirot handelt.

Ist es uns nicht schon als Kind in den Märchen mitgegeben worden, daß die Prinzessin, Schneewittchen oder Aschenputtel jung und schön bleiben, was dann mit dem schönen Satz umschrieben wurde: "Sie lebten glücklich, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute." Da kommen zwar die böse Hexe und die Stiefmutter auf oft grausame Weise um, aber das Schöne, das Gute, das Edle hat Fortbestand.

Brauchen wir diesen Traum nicht? Ja, leben wir nicht manchmal von Träumen, die zwar nach einem Sprichwort Schäume sind? Michael Ende hat einmal die Frage gestellt: ,,Wir wissen inzwischen: Wer längere Zeit am Träumen gehindert wird, verliert buchstäblich den Verstand. Könnte es nicht sein, daß unsere Gesellschaft an eben dieser Krankheit leidet?" Träume sind etwas Geheimnisvolles und nie ganz erforschbar. Man stellt sie meist in Gegensatz zur Realität, zur ,,harten Wirklichkeit", ohne jedoch genau zu wissen, was diese sog. Realität tatsächlich ist. Sind Träume nicht mindestens ebenso wirklich wie die Realität?

Wolfgang Herbst sagt: ,,Der Traum ist eine Wirklichkeit erster Ordnung; alle übrigen Realitäten sind aus zweiter Hand." Und Alfred Nowaczinsky meint: ,,Nicht der ist arm, der sich keinen Jugendtraum erfüllte, sondern der schon in der Jugend nichts träumte." Brauchen wir also nicht Traumbilder, Idealbilder, um überleben zu können? Heute ist so viel vom Verlust der Werte die Rede. Ich glaube, daß wir irgendwelche personifizierten Werte brauchen, um leben zu können, auch wenn es sich dabei um Roman- oder Phantasiegestalten handelt, die uns die Werte des Wahren, des Guten, des Schönen, aber auch des Heiligen sichtbar werden lassen.

Ist es nicht so, daß viele dieser Werte heute allenfalls noch in der Werbung sichtbar gemacht werden, wo man keine Scheu hat, das Schöne, das Reine, das Gute und das Heile anzupreisen. Tatsache ist auch, daß in einer Zeit, in der eine ,,heile Welt" geradezu lächerlich gemacht wird, die Sehnsucht nach dem Schönen, dem Guten, Feinen weiter groß ist. Würde unser Leben nicht arm werden, wenn wir nicht den Glauben und die Hoffnung hatten, daß das Wahre, das Gute und das Schöne und das Heilige Bestand hat, allerdings nicht als leblose Fixsterne, sondern z.B. in Form eines liebenswerten Menschen, dem man Gott sei Dank immer wieder neu begegnen kann.

Unser Mitglied Prof. Dr. Helmut Zöpfl ist Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er stellte uns den im Münchner Merkur vom 29./30.11.97 vorveröffentlichten Beitrag freundlicherweise zur Verfügung.


Karl May wieder in Erinnerung rufen

Walter Dölle, Traben-Trarbach

Als ich vor einiger Zeit den Bd. 57 des KM Verlages Bamberg in Händen hielt, fiel mir auf, daß ein Teil der Handlung in meinem Heimatort Traben-Trarbach und der näheren Umgebung spielt. Hier erkannte ich nun die Möglichkeit, Karl May bei den Bürgern der Stadt (vor allen Dingen bei den Leseratten) wieder in Erinnerung zu rufen. Ein entsprechender Brief an die Redaktion der Heimatzeitung bewirkte, daß einige Tage später ein halbseitiger Bericht die Leser der Zeitung auf die Erwähnung von Traben-Trarbach in einem der Werke Karl Mays hinwies. Vielleicht finden andere Mitglieder der KMG auch eine Möglichkeit, Karl May in ihrem Heimatort wieder in Erinnerung zu rufen.

Mit Karl May durchs wilde Moseltal

Ein Teil des Romans "Das Geheimnis des Marabut" spielt in Traben-Trarbach und während einer Moselfahrt

Trierischer Volksfreund v. 6.6.97 - Von Ansgar Schmitz

Traben-Trarbach. Der Wilde Westen und der Vordere Orient sind die Gebiete, die Millionen von Lesern als Schauplätze der Abenteuerromane von Karl May kennengelernt haben. Winnetou und Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar sind die bekanntesten Protagonisten, die in den Geschichten Mays im Amerika des 19. Jahrhunderts und den damals nicht minder wilden Regionen des Nahen Ostens für das Gute kämpfen.

Der Volksschriftsteller aus Sachsen hat seine Helden und Bösewichte aber nicht nur in abenteuerträchtigen und exotischen Landstrichen agieren lassen, sondern auch in beschaulicheren Regionen. So kommen auch das Moseltal und Traben-Trarbach in einem der Bücher Mays zu Ehren.

"Viele Bürger der Stadt Traben-Trarbach werden in ihrer Jugend die Abenteuerbücher aus der Feder des Volksschriftstellers Karl May verschlungen haben. ...Aber wie vielen Lesern ist bekannt, daß auch Traben-Trarbach in einem seiner Werke ... erwähnt wird?", schreibt Walter Dölle aus Traben-Trarbach in einem Brief an unsere Zeitung.

Die Stadt an der Mosel, so Walter Dölle weiter, kommt in Band 57 der gesammelten Werke von Karl May vor. Der Titel des Romans - "Das Geheimnis des Marabut" - läßt eher an exotischere Schauplätze denken. In weiten Teilen des Buches nimmt May seine Leser auch mit nach Nordafrika. Dennoch spielt sich das Geschehen auf etlichen Seiten im Moseltal ab.

Allerdings hat es nicht etwa Kara Ben Nemsi oder gar Winnetou in die hiesigen Gefilde verschlagen. Die Geschichte handelt vom Schicksal der Familie Greiffenklau im 19. Jahrhundert, im Zeitraum 1848 bis 1870. Im Mittelpunkt stehen die Abenteuer des deutschen Ulanen-Offiziers Richard von Greiffenklau im damaligen Feindesland. Getarnt als Schulmeister, soll er in Frankreich die militärischen Vorhaben des Feindes auskundschaften.

Die betreffende Textpassage beginnt auf Seite 296 und spielt im Frühjahr 1870, also kurz vor dem deutsch-französischen Krieg. Karl May beschreibt eine Dampferfahrt flußaufwärts auf der Mosel von Koblenz nach Trier.

In Traben-Trarbach gehen die Passagiere, darunter französische Offiziere und auch die Herzensdame des Richard von Greiffenklau, an Land, um zu übernachten. Gleichzeitig trifft Oberleutnant von Greiffenklau, schon in seiner Tarnung als Lehrer, von Simmern über Kirchberg kommend in der Stadt ein, um von hier mit dem Dampfer Richtung Frankreich weiter zu fahren.

In einem (nicht näher benannten) Gasthof in Traben-Trarbach treffen dann Greiffenklau, sein Gegenspieler Oberst Graf Rallion und die Baronesse Marion de Saint-Marie zusammen. Letztere ist Rallion als Braut versprochen, hat sich aber bei einer flüchtigen Begegnung in Greiffenklau verliebt. Seine Stelle als Lehrer soll der gerade im Hause des Baron de Saint-Marie in Ortry antreten. Der richtige Stoff also für eine dramatische Liebesgeschichte vor dem historischen Hintergrund der wachsenden Spannungen zwischen dem preußisch dominierten Deutschland und Frankreich.

Dramatisch wird es dann auch im folgenden Kapitel auf der Mosel, als der Dampfer mitsamt den Hauptfiguren des Romans flußaufwärts fährt. Karl May nennt die Orte Bernkastel, Mülheim, Wingerath (gemeint ist wohl Wintrich) und Emmel (Niederemmel, heute Ortsteil von Piesport) sowie Thron (Dhron) und Neumagen. Aufgrund eines starken Gewitters soll das Schiff in Thron oder Neumagen anlegen. Doch in dem orkanartigen Sturm kollidiert der Dampfer mit Resten eines Floßes und beginnt zu sinken. Selbstlos rettet Greiffenklau die Baronesse, die unter Deck von Graf Rallion schmählich im Stich gelassen wurde. Mit dieser Rettungsaktion endet der Roman-Teil, der in unserer Region spielt.

Für die in der Tourismus-Werbung für die Moselregion beschäftigten dürfte interessant sein, daß im "Geheimnis des Marabut" Karl May die Schönheit der Flußlandschaft sehr lobt - und das gar durch den Mund des bösen Grafen Rallion, der allerdings an den Deutschen kein gutes Haar läßt: "Lieber Graf, ist es nicht eine Schande, daß ein so schöner Fluß und ein so herrliches Land unserem Frankreich noch immer vorenthalten werden? Wann endlich werden wir marschieren, um uns die ganze linke Seite des Rheins zu holen!", meint er zwischen Zell und Traben-Trarbach zu einem Mitreisenden.

Übrigens: Allen, die "einmal wieder Lust auf Pulverdampf und Abenteuer bekommen", empfiehlt Walter Dölle den Besuch der Karl-May-Festspiele in Mörschied/Hunsrück (Richtung Idar-Oberstein), wo im Zeitraum vom 6. bis 27. Juli Vorstellungen stattfinden.


Karl May im Seniorenkreis

Hartmut Kühne

Kontakte-Gruppe - - - so nennt sich die Seniorengruppe der evangelischen St.-Urbani-Kirche in Munster in der Lüneburger Heide. Zu den Senioren darf sich seit Jahr und Tag auch der Rezensent rechnen, und so folgte er der Einladung des Pastors Manfred König (MdKMG), zumal das Programm am 5.11.1997 Karl May gewidmet war.

Jeder kirchliche Kreis beginnt oder endet mit einer Andacht - die Kirche rechnet man juristisch zu den Tendenzbetrieben. Schon die Andacht war Wort für Wort gebildet aus Karl-May-Texten: einem Gedicht und einer Lesung aus "Am Jenseits", und erst gegen Ende konnte ein aufmerksamer Hörer aus dem präsenten Namen Hadschi Halef Omar auf den Autor schließen.

Der Vortrag selber wurde dann umrahmt von Mays inzwischen bekannt gewordenen beiden Chorliedern "Vergiß mich nicht" und "Ave Maria" - von der Schallplatte freilich. Gleichsam wie eine Rechtfertigung für seine May-Vorliebe berichtete der Redner von seiner ersten Karl-May-Lektüre und trug darauf eine spannende Episode aus "Winnetou IV" vor: jene Erzählung Intschu intas, wo der Junge Adler sich seine Medizin erbeutet - keine Schmetterhand-Action, sondern doppelbödiges Anknüpfen an Karl Mays Alters-Sentenz: Ich bin Aviatiker.

In weiteren großen Passagen kam Karl May selber zu Wort mit Textproben aus "Mein Leben und Streben", rhetorisch meisterhaft vorgetragen in einer Weise, die an Gert Westphals (leider fast unerschwingliches) Hörbuch "Der Schatz im Silbersee" denken ließ, und die eine ganz eigenartige, nachdenkliche Atmosphäre schuf; unterstützt von einer Reihe von Lichtbildern.

Man sah die Karl-May-Büste von Selmar Werner aus der Villa Shatterhand, die Villa selber wie auch das Grabmal in Radebeul, Geburtshaus und Trinitatiskirche in Ernstthal mit dem Fitzenreiter-Denkal, Lichtbilder, die unkommentiert längere Zeit auf der Leinwand standen und weniger der Information als der Meditation dienten.

Manfred König, seit gut einem Jahr Pfarrer an St. Urbani, hatte schon seine Examensarbeit zum 1. Theologischen Examen über das Thema "Gottes- und Nächstenliebe bei Karl May" verfaßt und später zum gleichen Thema auf einer Pfarrerkonferenz des Kirchenkreises Cuxhaven einen Vortrag gehalten. Die Ernsthaftigkeit seines Anliegens läßt auch den Stil der Mayschen Gedichte in solchem Rahmen ebenso ernsthaft erscheinen und schlägt eine Brücke zu den jüngst in Erlangen gehörten Vertonungen durch Heinz Borchert.

Ich bin sicher: Manfred König wird uns noch Wertvolles zu sagen haben.

Übrigens: Der Text der Examensarbeit von Manfred König ist erhältlich über den Leihverkehr bei Karl Serden.


Museum in Waldheim

Die Bleckeder Zeitung vom 22.10.97 berichtet: 'Museum hinter Gittern: Im ältesten deutschen Gefängnis saß Karl May. Im 1716 gegründeten Gefängnis eröffnet an diesem Donnerstag (9. Oktober) ein Strafvollzugsmuseum. Hinter meterhohen Mauern soll die jahrhundertelange Geschichte des Strafvollzugs nachvollzogen werden.' Aus Dokumenten, Fotos, Büchern, Akten und Gegenständen des Alltags haben der Ausbildungsleiter in der Anstalt, Hans Buchwald, und seine Mitarbeiter die Exposition zusammengestellt, die schrittweise erweitert werden soll. Wer die Vitrinen in Augenschein nehmen will, muß sich wie im Gefängnis üblich vorher anmelden, der Eintritt für die Führung ist dann allerdings frei. 'Auf besondere Weise entzog sich einer der berühmtesten Waldheimer Insassen der Gefängniswelt. Karl May, der unter anderem wegen Betrugs und Urkundenfälschung von 1870 bis 1874 eine Haftstrafe verbüßte, träumte sich aus dem Gefängnis in der sächsischen Kleinstadt heraus und schrieb von Abenteuern in fernen Welten.'


Karl-May-Bücher doch noch tragbare Lektüre

1956: 15. Mai - Angehörige einer Kommission aus dem Kreis stellen nach einer überraschenden Büchertaschenkontrolle und Aussprache mit Schülern fest, Schund- und Schmutzliteratur sei nicht gefunden worden und würde von den meisten abgelehnt. Karl-May-Bücher wären eine nicht ideale, doch noch tragbare Lektüre.

(Aus den Kurzberichten über das Jahr 1956 in ,Vom ersten Nachkriegsjahr bis 1965' von Bodo Nickel. In: Die Martin-Luther-Oberschule/Das Martin-Luther-Gymnasium 1946-1995. Festschrift zum 450. Gründungsjahr der Schule/Lutherstadt Eisleben (Sachs.-Anh.) 1995


Festspielclub

In einer privaten Aktion deckten Mitarbeiter aus dem Kreis "Karl May &Co." das Bedürfnis nach Festspiel-Karten für drei Veranstaltungen im kommenden Sommer; die Bestellfrist lief am 15.Januar aus, trotzdem sei hier anerkennend diese Aktion erwähnt, wie überhaupt diese Zeitschrift viel Engagement zeigt. Hervorragende Aufmachung mit interessanten Texten und immer den neuesten News aus der Umgebung Karl Mays, hauptsächlich den Festspielen, sind eine Empfehlung zu einem Abonnement: Redaktion Torsten Greis, Hauptstr. 39, 57614 Borod. Übrigens cooperiert die KMG auch im Internet mit Karl May & Co. Wer sich 'Unter Geiern' in Bad Segeberg, 'Schloss Rodriganda' in Kiel oder 'Im Tal des Todes' in Elspe ansehen möchte, dem wünschen wir einen guten Sitzplatz und viel Vergnügen.


Allüberall May!

Wenn Sie in den letzten Monaten einmal intensiver in den Gazetten geblättert haben, wird auch Ihnen aufgefallen sein: Allüberall May! Leider jedoch ist es zumeist ein Pseudo-May, dem wir begegnen. So mancher fühlt sich bemüßigt, May nachzuempfinden und aus seinem Ruhm Honig zu saugen. Einige der Elaborate haben Novellenlänge; leider lohnt zumeist das Lesen nicht. Wir möchten diese oftmals unsinnigen Texte nicht auch noch verbreiten und haben daher bislang von der Dokumentation abgesehen.

Nachstehend jedoch einmal ein eher harmloses Beispiel:

(aus: HÖR-ZU Nr. 51 - 12.12.1997)

Aus dem Drehbuch gestrichen:

Szenen, die Sie nicht sehen durften

HEUTE: ,WINNETOU'

Winnetou: »Warum so melancholisch, mein weißer Bruder?«
Old Shatterhand: »Weil sie in meiner Heimat heute Weihnachten feiern, mein roter Bruder.«
Winnetou: »Sie feiern was?«
Old Shatterhand: »Das Fest der Liebe.«
Winnetou: »So wie unser Fruchtbarkeitsfest?«
Old Shatterhand: »Nein, man ist nur nett zu den anderen.«
Winnetou: »Wie? Das ist alles?«
Old Shatterhand: »Nun ja, man schenkt sich auch etwas.«
Winnetou: »Man schenkt sich selbst etwas?«
Old Shatterhand: »Nein, den anderen.«
Winnetou: »Welchen anderen?«
Old Shatterhand: »Denen, die man liebt.«
Winnetou: »Ich denke, es wird nicht geliebt. Mein weißer Bruder redet mit zwei Zungen.«
Old Shatterhand: »Jetzt reicht es mir aber langsam.«
Winnetou: »Was reicht?«
Old Shatterhand: »Deine dämliche Fragerei.«
Winnetou: »Nicht meine Fragen sind dämlich, sondern deine Antworten.«
Old Shatterhand: »Du willst nur einfach nicht verstehen, was Weihnachten ist.«
Winnetou: »Bleichgesichter tun oft Dinge, die sie selbst nicht verstehen.«
Old Shatterhand: »Das muß ich mir von dir nicht sagen lassen, du roter Ignorant.«
Winnetou: »Weiße Klapperschlange.«
Old Shatterhand: »Nun ist das Maß voll. Wir müssen das wie Männer regeln. Los, wir schlagen uns!«
Winnetou: »Nein.«
Old Shatterhand: »Aber du prügelst dich doch sonst so gern!«
Winnetou: »Ich kann nicht.«
Old Shatterhand: »Warum nicht?«
Winnetou: »Weil heute Weihnachten ist.«


Winnetous neuer "Vater"

Von Kathi Beier

Neues Deutschland v. 19.9.97 - Helmut Schappach untersucht das Werk von Karl May

Den Vorwurf, sich für seine eigene schriftstellerische Tätigkeit bei anderen Autoren bedient zu haben, mußte sich Karl May bereits zu Lebzeiten gefallen lassen. Vor allem wegen seiner fünf Kolportageromane - darunter "Waldröschen" und "Der verlorene Sohn" - aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts geriet er in persönliche und literarische Fehden.

Der Wolfsburger Literaturforscher Helmut Schappach verwies im Juni 1996 auf einen bis dato fast vergessenen Wiener Schriftsteller, der unter dem Pseudonym Arthur Storch bis zu seinem Tode 1892 elf Romane und vier Theaterstücke veröffentlicht hatte. Die Vermutung Schappachs, jener Arthur Storch habe nicht unwesentliche Denkanstöße für Mays Roman "Waldröschen" geliefert, wurde ihm jetzt zur Gewißheit und erweiterte sich sogar. Seitdem ihm nämlich Storchs Roman "Der Arbeiterkönig" vorlag, der 1869 vom Wiener Hartleben-Verlag herausgegeben wurde, fragte sich Helmut Schappach: Hat dieser Roman Karl May als Gedankenstütze zu "Winnetou I" gedient?

Der Verdacht bestätigte sich bei der genauen Durcharbeit beider Werke. Tatsächlich stieß Schappach auf zahlreiche Parallelen zwischen Arbeiterkönig Konrad und dem Greenhorn May, später Old Shatterhand sowie der Person des Klekihpetra, die im "Winnetou" wichtige Rollen spielen. Auch in den Kolportageromanen "Der verlorene Sohn" und "Deutsche Herzen - Deutsche Helden", die Karl May zwischen 1883 und 1885 schrieb, findet Schappach Anlehungen an Arthur Storchs Buch von 1869.

Nachzulesen sind diese Textbeweise im Heft 113 der "Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft vom September dieses Jahres. Die Gesellschaft, die sich 1969 gründete, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das literarische Werk Karl Mays zu erschließen und zu bewahren und dem Autor einen angemessenen Platz in der Literaturgeschichte zu verschaffen. An diesem Wochenende will sie zu ihrer Tagung in Erlangen zusammenkommen.

Helmut Schappach aber ist sich sicher: "Mit seiner erdichteten Indianerfigur Winnetou brachte May die Ideen einer Welt ohne Rassenhaß über Jahrzehnte hindurch einem breiten Leserpublikum nahe, die ein Storch nur vage vertreten konnte."


Martin Lowsky

"Karl-May-Forscher und Jurist"?

Kleiner Nachtrag zu einer Zeitungsmeldung

Die ,KMG-Nachrichten' (Nr. 114, S. 39) vermelden die beachtenswerte Tatsache, daß der Vorsitzende der Karl-May-Gesellschaft Professor Claus Roxin in einem Zeitungsbericht über die Universität München als "Karl-May-Forscher und Jurist" bezeichnet wird. In dieser Reihenfolge!

Natürlich wissen die meisten in der May-Szene, daß die Reihenfolge gerade umgekehrt sein muß. Für die anderen hier eine Anekdote des Philosophen Hans Jonas (*1903):

Noch erinnere ich mich eines gewissen Chemikers, dem ich manchmal auf Gesellschaften begegnete und dessen Gesprächsbesessenheit mit Rosenzucht (von den anderen Anwesenden geteilt oder mit beifälligem Verständnis begleitet) mich zu meiner Frau zu bemerken verleitete, es könne mit seiner Chemie und der Hingabe daran nicht weit her sein. Einige Jahre später erhielt er den Nobelpreis, und nicht für Rosenzucht.

Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung.
Frankfurt a. M. 1984, S. 358


Hermann Wohlgschaft

May im Blickpunkt

Das ZDF brachte am 28.12.97 in seiner Sendung "Blickpunkt" (ab 12.02 Uhr) Bilder von der "Villa Shatterhand" zugleich mit einem Interview, das kurze Zeit zuvor mit dem KMG-Mitarbeiter Hermann Wohlgschaft geführt wurde. Da die Sendung nicht angekündigt war, dürften nur wenige sie gesehen haben. Der Autor stellte uns das vollständige Interview zur Verfügung.

Wenn man an die Karl-May-Filme denkt, fallen einem in der Hauptsache die Schießereien ein. Was ist daran christlich?

Die Filme und die Bücher haben wenig miteinander zu tun. Die Handlung der Bücher wird in den Filmen sehr verkürzt und mit erheblichen Abweichungen vom Original dargestellt. Hauen, Schießen und Stechen haben in den Filmen, soweit ich sie kenne, ein Übergewicht, das in den Büchern so nicht zu finden ist. Immerhin: auch in den Karl-May-Filmen siegt - wie auch in jedem James-Bond-Film - am Ende das Gute. Das entspricht, wenn auch im Höchstmaße verkürzt, der biblischen Weltdeutung.

Karl May kam mit dem Gesetz in Konflikt. Wie verträgt sich das mit seiner religiösen Einstellung?

Es stimmt, Karl May saß insgesamt 8 Jahre lang hinter Gittern. Der Tatbestand: Eigentumsdelikte unter höchst merkwürdigen Umständen. Möglicherweise litt Karl May in der Straftäterzeit an einer Art Schizophrenie, an Bewußtseinstrübungen, die nach heutiger Rechtsauffassung eine eingeschränkte Schuldfähigkeit begründen würden. Aber nehmen wir einmal an, daß Karl May wirklich schuldig war. Auch ein Straftäter kann sich später ändern.

Er kann sich bekehren und ein neues Leben beginnen. Bei Karl May war dies der Fall. Die Begegnung mit dem Gefängniskatecheten Johannes Kochta hat ihn, wie er in seiner Selbstbiographie schreibt, zur Religion, zum Vertrauen auf Gott zurückgeführt. Später wurde er nie mehr kriminell und hat seine Schuld, soweit es eine war, zutiefst bereut. Die mögliche Bekehrung von Kriminellen und sogar von Schwerverbrechern ist übrigens ein ständig wiederkehrendes Thema in Mays Erzählungen.

Sind die religiösen Stellen in Mays Büchern nur Zugeständnis an den Zeitgeist oder sind sie ernst gemeint?

Daß Mays religiöse und christliche Lebenseinstellung wirklich echt war und nicht bloß ein Zugeständnis an den Zeitgeist, ist für mich überhaupt keine Frage. Mays religiöse Bekenntnisse in seinen Romanen sind so innig und bezeugen eine so tiefe Ergriffenheit des Autors, daß ein vernünftiger Zweifel an ihrer Echtheit gar nicht möglich ist. Daß May ein tiefreligiöser Mensch war, zeigen sämtliche Romane von ihm, gleich ob sie für den katholischen Pustet-Verlag oder für andere, nichtkatholische Verlage geschrieben wurden. Außerdem existieren zahlreiche Briefe Mays an persönliche Freunde und Bekannte. Aus diesen Briefen spricht dieselbe religiöse Grundüberzeugung wie aus dem Erzählwerk.

Was sagen Sie zu May aus der Sicht des Theologen?

Wir müssen unterscheiden:

Die religiöse Grundeinstellung eines Menschen hat nichts mit dem Kopf zu tun, das ist eine Angelegenheit der Gesinnung, wenn Sie so wollen, des Herzens. Theologie aber ist ein systematisches Nachdenken über den Glauben. Theologie hat zwar auch mit dem Herzen etwas zu tun, mindestens ebenso sehr aber mit dem Kopf, mit dem Verstand. Die Frage ist also die: Hat der religiöse Mensch Karl May über seinen Glauben auch nachgedacht? Ich beantworte diese Frage mit einem klaren Ja. Vor allem das literarische Spätwerk Karl Mays steht auf einem hohen theologischen Niveau. Ich habe das in einer ganzen Serie von wissenschaftlichen Aufsätzen deutlich gezeigt. Wie auch Prof. Nicol von der theologischen Fakultät in Erlangen kürzlich bestätigte, sind Mays Romane "erzählende Theologie", d.h. der Autor setzt religiöse, genauer gesagt biblische Glaubensüberzeugungen in spannende Handlung, in visionäre Bilder um. Vor allem im Spätwerk liegt diesen Bildern eine theologische Gedankenführung zugrunde, die mich sehr an heutige Befreiungstheologen wie z.B. Leonardo Boff oder Hans Küng erinnert.

Wie würden Sie Mays Theologie charakterisieren?

Mays Theologie ist zum einen eine sehr fromme, sehr am Gebet, an der persönlichen Beziehung zu Gott orientierte, zum anderen eine sehr progressive, prophetische Theologie, sehr weltoffen, sehr ökumenisch, sehr provozierend. Mays späte Romane setzen sich z.B. energisch ein für den Frieden, für Verzicht auf Gewalt, für interreligiösen Dialog, für die Rechte der Armen, für die Bewahrung der Schöpfung, für den unendlichen Wert jedes Menschen, für eine humanere Welt und für den Glauben an das ewige Leben in der Herrlichkeit Gottes. Das ist nicht verschwommene Esoterik, nicht privater Mystizismus, sondern gute biblische Theologie.

Mays Credo würde ich so zusammenfassen: Gott ist die Liebe und wird noch alles herrlich hinausführen. Wir Menschen aber sind dazu berufen, Mitarbeiter Gottes zu sein im Einsatz für die Würde des Menschen und eine bessere Welt.


Leserbriefe

Ulrich Protzer, Sulzbach:

Zum Schluß möchte ich mich noch bei allen Vorständlern herzlich bedanken für die hervorragende Arbeit, die Sie leisten und die Mühen, die Sie auf sich nehmen.

Gustav Preininger, Graz:

Betr.: Beilage zu Nr. 113 "Karl May im Fadenkreuz..."

Bedingt durch eine verspätete Zusendung komme ich erst heute zu folgendem Kommentar:

Wenn es noch einer Begründung des Zitates am Anfang (...Spott, ..Schrecken..., Rätsel Europas...; C.F.v. Weizsäcker) bedurft hätte, dann ist es dieser Streit, dessen Anfang mir leider nicht bekannt ist, über dessen Fortführung ich aber beschlossen habe, mich zu amüsieren statt zu ärgern. Es fällt mir dazu nur unser verehrter Dichterfürst ein und ich verweise auf Faust, 1. Teil, Gespräch Faust - Wagner von "Wenn Ihrs nicht fühlt..." bis "Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!".

Ob Old Shatterhand eigentlich noch weiß, in welcher Richtung er sich in seinem Grab umdrehen soll?

Elmar Elbs, Luzern:

Auf den Artikel von Herrn Hammer noch kurz meine Anregungen und Erfahrungen. Wie kann man auch noch für die KMG werben!

Ich kann all den praktikablen Anregungen von Herrn Hammer nur zustimmen. Irgendwie läßt sich das Gespräch über Hobbys und Freizeit immer auf Karl May bringen. Eine weitere gute Erfahrung habe ich mit einem kleinen Werbeblatt in der Größe eines Hotelprospektes gemacht, welches ich bei Antiquariats, Bibliotheken und bei befreundeten Buchhandlungen hinterlege. So kamen wir innert kurzer Zeit zu vier neuen Mitgliedern.

Viel Werbeerfolg wünscht damit auch anderen KMG-Freunden Elmar Elbs, Luzern

Annelotte Pielenz, Nassau:

Die "Nachrichten" sind wieder sehr schön geworden - es ist eine Freude, in ihnen zu schmökern!

Carl-Heinz Dömken, Rosche:

KMG-Nachrichten Nr. 114 - Seiten 44 und 51-54, Billy Jenkins - fand ich als dessen Freund und Werbezeichner richtig gut.

Jürgen Enser, Dinkelsbühl:

Sehr informativ sind die Jahrbücher und Mitteilungen sowie die KMG-Nachrichten. Dafür Ihnen und den anderen Mitwirkenden sowie den Mitgliedern des Vorstandes und Mitarbeiterkreises vielen, vielen Dank!

Werner Fritsch, Neuburg:

Die Karl-May-Tagung in Erlangen hat mir sehr gut gefallen.

Ingeborg Wohlgeschaffen-Braun, Berchtesgaden, (der wir die im letzten Jahrbuch wiedergegebenen Briefe und Bilder verdanken) an einen der Jahrbuch-Redakteure:

"Bin sehr froh, daß ich den richtigen Weg mit Ihnen beschritten habe, um meinen "Schatz" und so das Andenken an meine Vorfahren, durch die hervorragende, würdevolle Publikation zu erhalten!

Bin sicher, daß viele Leser sich freuen werden und auch überrascht sein werden, Karl May so fein, edel, herzlich und innig - so fern den Bemühungen nur etwas für Publicity zu schönen, kennen zu lernen! Er zeigt den Menschen Karl May!"

P.S. Mich würden event. Rückäußerungen der Karl-May-Freunde sehr interessieren!

Michael Zaremba, Berlin:

Zum Schluß noch einige Worte zur KMG. Ich stamme aus einer Kaufmannsfamilie und bin als Nachfolger meines Vaters selbst Kaufmann geworden. Für diesen Berufsstand haben Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Ideenreichtum hohe Priorität. Ich habe während meiner zweijährigen Mitgliedschaft erfahren, daß die KMG diese Tugenden praktiziert. Es macht Spaß, für die KMG zu arbeiten!


Kurios ...

Winnetous Rückkehr

Am 3. und 4.Jan.1998 strahlten ZDF und ORF 1 zwei 90 Min. lange Spielfilme in 2 Folgen aus, an dessen Idee neben Jean-Claude Deret hauptsächlich Pierre Brice beteiligt war, der denn auch die Hauptrolle spielte. Drehbuch: Werner Waldhoff (, Regie: Marijan Vajda, Musik: Martin Böttcher. Über den Inhalt braucht hier nichts gesagt zu werden; hieß es früher noch "nach einer Idee von Karl May", so findet man diesen Namen bei 'Winnetous Rückkehr' nicht mehr vor. Ja, wenn da nicht der edle und heldenmütige Winnetou wäre, den nun mal der gebürtige Franzose verkörpert wie kein anderer. Das Presseecho: Rheinische Post: Tapfer- Münchner Merkur: Leichenschändung- Die Welt: Das Resultat kann sich sehen lassen- FAZ: Brice schlägt sich achtbar- Südd.Zeitung: So ein Quatsch- Berliner Morgenpost: Phantastisch naiv- Sächsische Zeitung: Wundertüte- Salzburger Nachrichten: 90 Minuten am Marterpfahl- Westdeutsche Zeitung: Ein Reiter-Denkmal. -dSch

... NOCH kURIOSER

Zurück in die Höhle, Winnetou!

DIE WOCHE, 08.01.98

Catrin Boldebuck über die Wiederauferstehung unseres liebsten Häuptlings

Was haben wir geflennt, als Winnetou starb! Der junge, edle Häuptling, niedergestreckt von der Kugel eines feigen Verbrechers. Das haben wir Karl May nie verziehen. Große Verwirrung herrschte dann, als der Totgeglaubte plötzlich in der Camembert-Werbung und auf dem "Traumschiff" grinste. Und jetzt wollte man uns erzählen, Sie hätten die ganze Zeit in einer Höhle gesteckt. Irgendwann haben Sie es da wohl nicht mehr ausgehalten - so viele Witwen und Waisen waren noch zu retten! Also sattelten Sie den Rappen und ritten mal wieder als Apache durchs Abendprogramm des ZDF.

Toll, wie Sie mit der Zeit gehen und sich nun auch für den Naturschutz und den Erhalt des Waldes engagieren. Das hätte Karl May sicher gefallen. Ergreifend auch die Szene, als Sie das alte, bestickte Hirschlederhemd auswickeln. Beim Anblick des Einschußlochs über dem Herzen und des verkrusteten Blutflecks steigen die traurigen Bilder unserer Jugend wieder auf. Doch das Wams in Größe XL paßt nach wie vor, kneift vielleicht etwas unter den Achseln. Fällt bei den vielen jungen, molligen Indianerhäuptlingen aber gar nicht auf. Die sollten Sie mal auf den Trimmpfad schicken statt auf den Kriegspfad.

Die Silberbüchse funktioniert auch noch. War das "W" eigentlich schon damals in den Sechzigern eingehämmert? Wirkt doch irgendwie plump und überholt mit den silbernen Nieten. Nur mit der Verständigung klappte es beim Comeback nicht auf Anhieb. Kein Wunder bei Ihrem Akzent. Tres charmant, wie Sie so säuseln "Isch bin Winnetou, derrr 'äuptling derrr Apatschen." Aber ein Indianer muß ja nicht so viel reden.

Doch dann war's wie früher: Die Guten siegen, die Schurken tragen Schwarz - alles wie in Bad Segeberg. Und daß Sie jetzt eine Weiße kriegen, die Mary, ist ja nur fair, nachdem Ribanna damals mit Terence Hill durchbrannte. Nur einer fehlte zum Glück: Ihr Blutsbruder Old Shatterhand. In der nächsten Folge könnten Sie ihm vielleicht helfen, sein Gedächtnis wiederzuerlangen, das er verlor, als er vom Pferd fiel. Eine Frage noch zum Abschluß: Warum haben es die Weißen in den 20 Jahren Ihrer Abwesenheit immer noch nicht geschafft, die Eisenbahn endlich fertig zu bauen?

... volLEnds erstaunlich

Karl-May-Verlag gräbt das Kriegsbeil aus

Lippische Landes-Zeitung v. 9.1.98

Bamberg/Berlin (dpa). Als Reaktion auf den ZDF-Zweiteiler 1,Winnetous Rückkehr" hat der Karl-May-Verlag das Kriegsbeil ausgegraben.

Der Bamberger Verlag hat die Renate Ziegler-Filmproduktionsfirma (Berlin) verklagt, weil diese mit der unberechtigten Benutzung des Namens Winnetou gegen bestehendes Marken- und Wettbewerbsrecht verstoßen habe, erklärte Verleger Lothar Schmid in Bamberg. Karl-May-Romane könnten in der Urfassung zwar von jedermann herausgebracht werden. Für die Verwendung der Charaktere und deren Namen in neuen Geschichten und Produktionen müsse aber eine Lizenz beim Verlag erworben werden. Der Justitiar der Filmfirma hält diese Beschuldigungen für "schlichtweg abwegig und absurd". Auch wenn der Verlag Winnetou als Markenname habe eintragen lassen, rechtfertige das nicht den Anspruch, über den Namen alleinig zu verfügen, sagte Rechtsanwalt Paul Hertin. Da der Verlag keine Urheberrechte mehr habe, versuche er auf jede Art noch Honig zu saugen.

Aus Sicht des Verlags hat die Produktionsfirma allerdings gegen geltendes Recht verstoßen. ,,Sie hat einfach nur den Namen Winnetou für eine völlig neue Geschichte genommen, die mit Karl May überhaupt nichts mehr zu tun hat", sagte Schmid. Er sei außerdem entsetzt gewesen über die schlechte Qualität des Zweiteilers, der kürzlich im ZDF ausgestrahlt wurde. ,,Aber auch bei einem guten Film hätten wir geklagt, da nicht jeder einfach den Namen Winnetou für irgendeinen lndianerfilm nehmen kann", sagte Schmid.


Der Jahresbeitrag '98 kann mit Verrechnungsscheck (auch ausländischer Währung) beglichen werden. Spesen bitte zu Lasten Auftraggeber.


Freundeskreise

Treffen der Berliner Karl-May-Freunde

Unser nächstes Treffen ist am 14. März (Samstag) ab 14 Uhr in "Old Texas Town", (Kolonie Sonneneck, Paulsternstraße - Berlin-Spandau/Siemensstadt - U-Bahnhof ,Paulsternstraße'). Dr. Michael Zaremba wird einen Vortrag über ,Billy Jenkins' halten.

Bitte relativ pünktlich da sein, aber auch nicht zu früh!

Treffen der Karl-May-Freunde aus dem Ruhrgebiet

Alle KMG-Mitglieder und ihre Freunde aus dem Ruhrgebiet sind herzlich eingeladen. Bernd Schröter wird einen Dia-Vortrag über den Yellowstone-Nationalpark halten. Weil unser bisheriger Treffpunkt, das Restaurant ,,Zum Tierpark" in Bochum, geschlossen wurde, treffen wir uns diesmal in Essen.

Datum: Samstag, 9. Mai 1998, Uhrzeit: 15.00 Uhr, Ort: Essen, Gaststätte ,,Haferkamp", Wickenburgstr. 40 (hinter der Bildhauerei Schaab die Treppe bzw. Zufahrt hinunter).

Anfahrt mit dem Auto: Aus Dortmund, Bochum über die A 40, Abfahrt Essen/Frohnhausen, geradeaus Richtung Haarzopf ca. 300 m bis zur dritten Ampel, dann links in die Wickenburgstraße. Aus Duisburg, Mülheim über die A 40, Abfahrt Frohnhausen/Haarzopf, an der Ampel rechts in die Wickenburgstraße.

Mit U-Bahn Linie U 18 von Essen- bzw. Mülheim-Hauptbahnhof bis Haltestelle Wickenburgstraße, dann zu Fuß ca. 150 m in Richtung Haarzopf. Mit dem Bus Linie CE 45 bis Haltestelle Wickenburgstraße oder Linie CE 47 bis Haltestelle Heimatdank.

Weitere Auskünfte: Peter Krauskopf, 0234/335767

Freundeskreis Karl-May-Museum

Jahresprogramm 1998

Montag, 9. März, 18.30 Uhr, Museum

J. FREYER (Riesa): "Feuer und Feuererzeugung bei den Indianern" (Vortrag mit praktischen Versuchen)

Sonnabend, 25. April, 9.00 Uhr, Freital

M. GÄRTNER, DR. JOCHEN RASCHER (Dresden): "Auf den Spuren des Rotkopf Görg" (Wanderung durch das alte Steinkohlenrevier am Freitaler Windberg

Treffpunkt Haus der Heimat Freital-Burgk, Mittagessen organisiert)

Freitag, 22. Mai, 18.30 Uhr, Museum

Dr. EVA & ULRICH SIEBERT (Delmenhorst): "Alaska - die Urheimat der Apachen mit den Augen eines Hobbyfilmers gesehen" (Filmbericht)

Montag, 8. Juni, 18.30, Museum

ANDRÉ KÖHLER (Hoyerswerda): "Eine Reise zu den Indianern Nordamerikas" (Bericht über eine USA-Reise)

Montag, 7. September, 18.30 Uhr, Museum

DR. MICHAEL ZAREMBA (Berlin-Reinickendorf): "Billy Jenkins - Besichtigung eines Mythos" (Vortrag über den "Cowboy aus Reinickendorf")

Montag, 12. Oktober, Museum

"10 Jahre Freundeskreis Karl-May-Museum Radebeul e.V." (Jubiläumsveranstaltung mit prominenten Karl-May-Kennern)

Sonnabend, 7. November, 18.30 Uhr, Museum

BERND SCHRÖTER (Essen): "Der Sohn des Bärenjägers" (Lichtbildervortrag)

Freitag, 11. Dezember, 18.30 Uhr, Museum

Wir feiern Weihnachten und 70 Jahre Karl-May-Museum

Weitere Termine:

Donnerstag, 21. Mai: Frühschoppen im Karl-May-Museum

Sonnabend, 23. Mai: Buchbasar im Karl-May-Museum

23. / 24. Mai: Karl-May-Fest im Lößnitzgrund

Sonnabend, 20. Juni: Kinderfest im Karl-May-Museum

7. - 9. August: Karl-May-Filmfest im Parkhotel Steigenberger

Freundeskreis Karl May Leipzig e. V.

Jahresprogramm 1998

21. März: "10 Jahre Freundeskreis Karl May Leipzig e. V." Wir feiern unseren Geburtstag in Karl Mays Geburtsstadt Hohenstein-Ernstthal. Die Busfahrt ist für Mitglieder unseres Vereines kostenlos!

Geplant ist u. a. eine Stadtrundfahrt, Besichtigung der Karl-May-Bühne, Besuch des Karl-May-Hauses, Ermittlung des Kegelmeisters unseres Freundeskreises.

15. April: "Ein Leben im Schatten des Lichts." Unser Gast Hans-Dieter Steinmetz (Dresden) spricht über Karl May und Marie Hannes. 18.00 Uhr in der Stein-Bar.

13. Mai: "Karl May und seine Quellen - einmal anders." Zu diesem Thema spricht Frau Dr. Rosemarie Zimmermann. 18.00 Uhr in der Stein-Bar.

10. Juni: "Gesprächsabend mit dem Westernmaler Klaus Dill." Gleichzeitig findet eine Ausstellung von Werken Klaus Dills statt.

Juli/August: Besuch des Karl-May-Stükkes "Unter Geiern" auf der Felsenbühne Rathen.

9. September: "In memoriam Ernst Seybold" Im Mittelpunkt steht sein Vortrag über Karl Mays Roman ,,Ardistan und Dschinnistan. 18.00 Uhr in der Stein-Bar.

14. Oktober: "Der Kustos der Villa ,Shatterhand' berichtet." Zu Gast Hans Grunert (Radebeul). 18.00 Uhr in der Stein-Bar.

11. November: "Die ,Sturmvögel' Adlerauge und Flammenhaar - zwei wie Winnetou und Old Shatterhand?" Ein Vortrag über F. L. Barwin und Karl May von Jörg-M. Bönisch. 18.00 Uhr in der Stein-Bar.

9. Dezember: General- und Jahresabschlußveranstaltung mit Wahl des Vorstandes.

Freundeskreis Karl May Cottbus

Veranstaltungen jeweils am 3. Donnerstag des angegebenen Monats 19 Uhr in Landgasthof "Zur Sonne", Cottbus:

23. April: Zdenek Burian und andere tschechische May-Illustratoren

Einen Streifzug durch die prächtig illustrierten Werke Karl Mays in der Tschechei unternimmt unser Gast Dr. Jan Koten, tschechisches KMG-Mitglied und Karl-May-Übersetzer. Freut euch auf die bibliophilen Kostbarkeiten aus unserem osteuropäischen Nachbarland, die hierzulande noch nirgendwo in dieser Fülle und im Original zu sehen waren!

25. Juni: Die Preisentwicklung antiquarischer Karl-May-Editionen

Für eine blaue illustrierte Fehsenfeld-Ausgabe in sehr gutem, wenn auch restauriertem Zustand wurden während des KMG-Kongresses in Erlangen 1997 schon 450 DM verlangt. Ein realer Preis oder irrsinnige Forderung in der Hoffnung, einen Dummen zu finden? Anhand ausgewählter Auktionsergebnisse und eigener Sammelerfahrungen unternehmen Ulrich Böhm und Reinhard Seidler den Versuch einer Aufklärung.

24. September: Von Old Shatterhand bis Lassiter

Mitte der 90er Jahre erschien im Bastei-Verlag die 22bändige Romanheft-Serie "Amerika" von Jörg Kastner, der damit eine neue Old-Shatterhand-Legende schuf. Der unermüdliche Autor aus Hannover ("Das Große Karl-May-Buch", neue "Jerry Cotton"-, "Lassiter"-, "Sherlock Holmes"-Abenteuer, etliche historische Romane um die alten Germanen u.v.m.) ist der zweite Star-Gast unseres Freundeskreises in diesem Jahr - ein Super-Abend steht uns sicherlich bevor!

26. November: Jahresabschluß und Weihnachtsfeier

In geselliger Runde lassen wir traditionell das Jahr ausklingen und starten in das zweite Jahrzehnt einer hoffentlich weiterhin interessanten Veranstaltungstätigkeit unseres Freundeskreises.

Neue Karl-May-Medaille

Anläßlich seines 10jährigen Bestehens gab der Freundeskreis Karl May Cottbus eine Jubiläums-Medaille aus massivem Kupfer heraus. Sie zeigt auf dem Avers ein Karl-May-Porträt in sehr erhabenem Relief mit umlaufendem Lorbeerkranz (Stempelschneider: Helmut König / vgl. Karl-May-Medaillenkatalog) und auf der Rückseite eine typografische Gravur (vgl. Abb. des Medaillenpasses). Die einmalige limitierte und fortlaufend numerierte Auflage beträgt 30 Stück. Bis auf zwei Medaillen (Nr. 26 und 27) sind alle Exemplare restlos vergriffen. Interessenten unter den KMG-Mitgliedern können die beiden letzten Medaillen gegen Gebot (mindestens 50 DM) erwerben. Bitte wenden Sie sich binnen 14 Tagen nach Erhalt dieser KMG-Nachrichten an: Ulrich Böhm, Marienstraße 4, 03046 Cottbus.

Reinhard Seidler

Schweizer-Karl-May-Freundeskreis

Mit 12 Teilnehmern aus allen Ecken der Schweiz war das Treffen am 30. November 1997

in Luzern überaus erfolgreich. Wir machten eine kleine Rückschau auf die schöne Tagung in Erlangen . Daraus entwickelten wir in einem kleinen Brainstorming zu der vorgesehenen KMG-Tagung 2001 an Berg und See unsere Ideen zu einem erfolgversprechenden Erlebnis dann für alle Karl-May-Fans. So sehen wir auch schon heute voller Erwartung der Tagung in Hohenstein-Ernstthal entgegen.

Zurück in die Gegenwart! Am Sonntag, 22. März 1998 sind wir bei Markus Rudin in Basel eingeladen. Daselbst wird unser neues Mitglied Frau Silvia Zahner einen kurzen Einblick in Ihre 1996 verfaßte Lizentiatsarbeit und in die kommende Dissertation über das erzählerische "Ich" in Karl Mays Werk geben. Da ich die Liz-Arbeit kenne darf ich sagen, es erwartet und eine blitzgescheite Stunde. Spezielle Einladung folgt.

Zum Karl-May-Treffen vom 2.-6. April 1998 in Wien haben sich sieben Personen angemeldet und es erwarten uns nebst dem Tagungsprogramm noch viele Zugstunden KM-Fachsimpelei. Ich werde übrigens in der Talkrunde "Karl May - wie lange noch" mitmachen. Wer noch zusätzlich mit nach Wien möchte nimmt umgehend mit mir Kontakt auf.

Viel Freude erleben wir Schweizer seit Erlangen aus den verschieden grenzüberschreitenden Kontakten zu Karl-May-Freunden und Freundeskreisen.

Münchener Raum

Einige Mitglieder der KMG aus dem Münchener Raum treffen sich vierteljährlich in unregelmäßigem Turnus ab 18 Uhr im Kellerlokal Theatiner, Theatinerstr. 33, München. Karl-May-Freunde sind willkommen. Der jeweils nächste Termin ist erhältlich bei Claus Schliebener, Hugo- Hoffmann-Str. 36, 82064 Straßlach, Tel: 08170-251.

Treffen der Karl-May-Freunde Nordbayern

Jeden ersten Freitag im Quartal (dieses Jahr: 03.04., 03.07. und 02.10.98) 17 Uhr bis ca. 10 Uhr in der "Karolinenstube" des Freizeitzentrums St. Kunigund, Erlangen-Eltersdorf, Holzschuherring 40. Erreichbar mit Buslinie 294, Haltestelle St. Kunigund, oder PKW. Anfahrt über A73 (Nürnberg-Bamberg), Ausfahrt Eltersdorf, nach dem Gelände der Firma REHAU erste Straße rechts, dann gleich wieder links, bei der Kirche. Parkplätze sind vorhanden. Wegweiser werden angebracht. Tel. Info (evtl. auch Mitfahrgelegenheit) unter 09241-7668 oder 0911-382622.

Gäste sind willkommen!


ÖFFENTLICHE VERANSTALTUNG

Sonnabend, 28. März 1998, 20.30 Uhr

Haus des Gastes, Hauptstraße 46, Gartow am See

Vor 100 Jahren:

Dr. Karl May IN GARTOW

Eine heitere literarisch-musikalische Soiree

Idee: Carl-Heinz Dömken / Buch: Erich Heinemann

Mitwirkende: Carl-Heinz Dömken, Rosche

Erich Heinemann, Hildesheim

Walther Ilmer, Bonn

Hartmut Kühne, Hamburg

Veranstalter: Karl-May-Gesellschaft e.V.

Eintritt frei!


Karl-May-Hörspielcassetten gesucht

Originale oder Kopien von Hörspielcassetten zu Karl May sucht dringend:

Uta Herrmann-Trentepohl. Niederhelsum 3 - 47637 Weeze. Tel: 02837-2172 / FAX: 02837-95 7 92

Verkauf: Karl May - Stuttgarter Ausgabe

- komplett in 51 Bänden, zusätzlich mit dem vorab erschienenen Bändchen "Leben und Werk", dem abschließenden Handbuch der Herausgeber "K. M., Leben, Werk, Wirkung" und der Titelvariante zu "Durch Wüste und Harem". Absolut verlagsfrisch, zu einem sehr günstigen Preis.

Anfragen über den Schatzmeister der KMG


Das Jahr 2000 rückt näher -

Darum: Denken Sie daran

Mitglieder werben

2000 Mitglieder bis zum Jahr 2000 !!

Übrigens:

Bis zehn Tage vor Redaktionsschluß planten wir dieses Heft auf 48 Seiten. Zehn Tage nach Redaktionsschluß hätten wir 96 Seiten bringen können. Es wäre ein Wunder, wenn uns nichts Wichtiges dabei entgangen wäre!


Gesamtregister M-KMG 1-110

Weiterhin erhältlich ist das Gesamtregister für die Mitteilungen Nr.1-110 der KMG von Joachim Biermann. Mitglieder, die Zugriff zum Internet haben, können die Dateien von der Homepage der KMG aus beziehen. Alle anderen erhalten sie im Format ,,MS-DOS-TXT" gegen DM 3,- in Briefmarken unter folgender Adresse auf computerlesbarer Diskette:

Ralf Schönbach
Im Marienfried 18
53773 Hennef


Ausstellung geplant

Nach seinem Jenkins-Artikel in der Dezember-Nummer hat unser Mitglied Michael Zaremba ein interessiertes Echo erhalten.

Er organisiert nun im Dezember 1998 in der Tegeler Humboldt-Bibliothek (Berlin-Reinickendorf) unter Leitung des Heimatmuseums eine Jenkins Ausstellung und einen Jenkins-Gedächtnisabend (3. Dezember 1998). Für die leihweise Bereitstellung interessanter Exponate (auch als Laserkopie oder Fotografie), Informationen oder Mitteilung persönlicher Erinnerungen an Jenkins (evtl. in Schriftform) wäre er dankbar.

Zuschriften an: Dr. Michael Zaremba, Gabelweihestr. 4a, 13505 Berlin (Tel: 030-431 29 70).


Originalnachdruck Karl May in der Fuldaer Zeitung

Am 28. November 1987 stand auf der Titelseite der Fuldaer Zeitung rechts oben in einem kleinen Hinweis-Kasten: "Ab heute: Nachdruck "Aus Nordamerika" von Karl May. Wie kam es dazu?

Die Notwendigkeit, wichtige Forschungstexte stets parat zu halten, zwingt die KMG schon seit einiger Zeit, die vergriffenen Reprints seltener Originalwerke von Karl May erneut nachzudrucken. So mußte auch der Reprint "Der Scout - Deadly Dust" wieder aufgelegt werden. War es aber seinerzeit bei der Erstauflage ein relativ schmaler Band mit 212 Seiten so ist der im Dezember 97 fertiggestellte Reprint "Der Scout - Deadly Dust, Ave Maria" ein stattliches Werk mit 100 Seiten mehr Umfang geworden. Wir hatten uns entschlossen, den Text des "Ave Maria" mit zu veröffentlichen. Bei den Recherchen dazu fanden unser Reprintbeauftragter R. Gammler und B. Kosciuszko heraus, daß die Fuldaer Zeitung noch heute erscheint. Die Redaktion wußte jedoch nichts davon, daß ihre Zeitung vor 100 Jahren die beiden May-Texte »Aus Nordamerika« und »Ave Maria, Reiseerlebnisse aus dem Wilden Westen Nordamerikas«" gedruckt hatte; sie entschloß sich jedoch spontan, diese beiden May-Erzählungen in täglichen Fortsetzungen erneut abzudrucken. Da im Archiv der Zeitung nichts mehr aufzufinden war, stellten die KMG-Mitarbeiter ihr das erforderliche Material zur Verfügung.

In einem Info-Kasten der Fuldaer Zeitung vom Tage zuvor heißt es:

"Karl-May-Gesellschaft - Nüchtern, solide und liebhaberisch.

Nicht zuletzt Arno (Schmidt dem Autor von Essays, Hörspielen, Erzählungen und Romanen (unter anderem "Das steinerne Herz", "Kaff auch Mare Crisium", "Zettels Traum") ist es zu verdanken, daß Karl May im öffentlichen Bewußtsein die Wandlung vom harmlosen Jugendautor mit windiger Vergangenheit einem ernstzunehmenden Schriftsteller vollzog. Sechs Jahre nach Schmidts Karl-May-Studie ,,Sitara und der Weg dorthin" wurde 1969 die Karl-May-Gesellschaft gegründet, die sich seitdem "vorurteilsfreie, nüchterne und wissenschaftlich solide, aber auch im besten Wortsinn amateurhafte, also liebhaberische Beschäftigung" mit Leben und Werk des sächsischen Phantasten auf die Fahnen geschrieben hat.

Die KMG ist heute mit rund 1800 Mitgliedern eine der größten literarischen Gesellschaften. Im Rahmen ihrer umfangreichen Veröffentlichungen gibt sie unter anderem Reprints von nahezu allen Zeitschriften-Erstveröffentlichungen von Karl-May-Texten heraus; die jüngste Ausgabe ist ,,Ave Maria" in der Fassung der Fuldaer Zeitung von 189() gewidmet.

Der Jahresbeitrag für Mitglieder beträgt 50 Mark.

Weitere Informationen bei:

Erwin Müller, Karl-May-Gesellschaft, Eitzenbachstraße 22, 54343 Föhren."

Dieser Reprint-Band mit umfangreichen Einführungen, Vergleichslesungen von Anton Haider und einer Konkordanz ist auch für alle Mitglieder ein Muß, die den alten Reprint schon besitzen. Er ist für 70 DM über unsere Versandbeauftragte zu beziehen.


R.-D. Kahlke (Weimar)

Custer Living History Days in den Black Hills

George Armstrong Custer (1839 - 1876), Kopie: Archiv R.-D. Kahlke

George Armstrong Custer (1839 - 1876), seit 1865 etatmäßiger Lieutenant Colonel des siebenten US-Kavallerieregimentes, ist Karl-May-Freunden insbesondere durch Patty Franks Buch "Die Indianerschlacht am Little Big Horn" (1) aber auch durch die in der Villa Bärenfett des Radebeuler Karl-May-Museums aufbewahrte Bisonhaut mit gemalten Szenen aus der genannten Schlacht (2) sowie durch das im gleichen Haus gezeigte Ölbild "General Custer´s letzte Schlacht" von Elk Eber (München) bekannt.

Noch heute ehrt die kleine Stadt Custer, im südlichen Teil der Black Hills in Süddakota (USA), westlich des sehenswerten Wildreservats Custer State Park gelegen, ihren Namensgeber mit einem kleinen Denkmal sowie mit den jährlich stattfindenden Custer Living History Days. Custer, während der 60er und 70er Jahre beliebter und beneideter Kriegsheld, aber auch kritisch betrachteter Indianertöter, wurde am 5. 12. 1839 in New Rumley (Ohio) als Sohn einer Farmerfamilie mit väterlicherseits deutschen Vorfahren (namens Küster) geboren. Nach Absolvierung der Militärakademie West Point und Teilnahme an den Schlachten des Sezessionskrieges (1861 - 1865) am Bull Run, von Aldie und Gettysburg heiratete er 1864 die Richterstochter Elisabeth Bacon aus Muroe (Michigan). Während der Schlachten bei Yellow Tavern und bei Winchester, vor allem aber 1865 bei Richmond, erwarb er sich landesweiten Ruhm.

Siebente US-Kavallerie mit US-Flagge und Truppenfahne, Custer Living History Days 1997, Custer / Süddakota

General Custer mit Gattin Elisabeth im Kreise seiner Offiziere, Custer Living History Days 1997, Custer / Süddakota

Mit dem Ende des Bürgerkrieges begann für Custer - nunmehr als Kommandant der 7th Cavalry - eine Zeit ergebnisloser Kriegszüge gegen verschiedene Indianerstämme. 1867 kam es sogar zu einer einjährigen Suspendierung. Nachdem sich im Frühjahr 1874 Nachrichten von Goldfunden in den Black Hills, den heiligen Bergen (Paha Sapa) der Sioux häuften, wurde Custer mit einem 1.200 Mann zählenden Expeditionskorps ausgesandt, um dort einerseit aktive Goldprospektion zu betreiben und andererseits die Position für ein neu zu gründendes Fort zu erkunden. Das Unternehmen dauerte 60 Tage und löste eine Zuwanderungswelle weißer Goldsucher und Siedler sowie im Gegenzug einen engeren Zusammenschluß von Cheyenne und Lakota (3) aus. Aus der "rolling Dakota prairie" (jedem May-Leser ein Begriff) kommend, hatten Custers Truppen nahe der gleichnamigen heutigen Stadt ihr Lager errichtet.

Die Custer Living History Days fanden im vergangenen Jahr zwischen dem 2. und 6. Juli statt. In der flaggengeschmückten Innenstadt von Custer sah man Kavalleristen in historischen Uniformen zu Fuß und zu Pferde. Zahlreiche Veranstaltungen, so eine Modenschau der Jahre 1860 - 1890, Schauexerzieren und Schießübungen der 7th Cavalry, und auch die Verurteilung eines outlaws der Goldfieber-Zeit wurden geboten. Am östlichen Stadtrand war ein historisches Kavallerielager aufgebaut, in dem zahlreiche Hobbygruppen ihr Können zeigten. Eine Kanone des vergangenen Jahrhunderts wurde in Betrieb genommen, "flintknapper" zeigten die indianisch-traditionelle Herstellung von Messern, Speer- und Pfeilspitzen aus Feuerstein und Obsidian. Über offenen Feuern kochten und brieten kulinarische Western-Spezialitäten, darunter auch Bison-Steaks. Mountainmen übten sich im Umgang mit Bowiemesser und Tomahawk, erläuterten die Machart ihrer authentischen Kleidung und berichteten über ihre Taten. Lakota waren unter dem friedvollen Motto "To Heal All Nations" mit traditionellen Tänzen und Gesängen vertreten. Höhepunkt der Feierlichkeiten bildete am Vormittag des 5. Juli eine historische Parade. Unter den Klängen des Hill City Fife & Drum Corps ritt General Custer mit Scout und Offizieren sowie einer Kompanie seines Regimentes heran, gefolgt von einem Troß der angehörigen Zivilisten in zeitgemäßen Kostümen.

Eine kleine bemerkenswerte Stadt des amerikanischen Mittelwestens gedachte mit General Custer ihrer historischen Wurzeln. Kaum Erwähnung fand dessen Tod am 25. Juni 1876 während der Schlacht am Little Big Horn River (Montana), in der Custer infolge völlig falscher Lageeinschätzung ein auf 3 - 4 000 Krieger geschätztes Lager verschiedener Sioux-, Cheyenne- und Arapaho-Gruppen angreifen ließ und während des Kampfes mit all seinen Soldaten fiel. Diesen Ereignissen wurde unter dem Titel "General Custers letzte Schlacht" in jüngerer Zeit ein monumentaler Kinofilm (USA 1991, Regie: Mike Robe) gewidmet.

(1) Frank, P., 1957: Die Indianerschlacht am Little Big Horn. - Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin. (Nachauflagen in verschiedenen Ausstattungen im Militärverlag und Kinderbuchverlag, z.T. bearbeitet und gekürzt)

(2) Dengler, H., 1928: Führer durch das Karl May-Museum (Nordamerikanische Indianersammlung). - 48 S., Karl-May-Verlag, Radebeul bei Dresden.

(3) Ballantine, B., Ballantine, I. (eds.), 1993: The Native Americans. An Illustrated History. - 480 S., Turner Publ. Inc., Atlanta. (S. 344ff.)


,,Winnetou IV"-Reprint in zweiter Auflage

Endlich ist es soweit: noch in diesem Jahr wird Karl Mays letzte Reiseerzählung ,,Winnetou Band IV" wieder im Erstdruck vorliegen! Damit erfüllt sich der Wunsch vieler Karl-May-Freunde, die schon seit langen Jahren auf eine zweite Auflage dieses Reprints aus der ,,Augsburger Postzeitung" (Beilage ,,Lueginsland", 1909/10) warten. Als der stattliche Band (mit über 300 Seiten) 1984 zum ersten Mal erschien, bildete er einen Höhepunkt unserer bisherigen Bemühungen um die Urtexte Mays und war denn auch innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Seither ist er einer der seltensten und gesuchtesten Reprints der Karl-May-Gesellschaft überhaupt.

Die Gründe für diesen Erfolg liegen auf der Hand: ,,Winnetou IV" ist einer der literarisch bedeutendsten Romane unseres Autors und originär schon deshalb, weil es sein einziger Versuch blieb, auch den Schauplatz Amerika und den Mythos Winnetou für die anspruchsvollen Intentionen des Spätwerks fruchtbar zu machen. Eine Kenntnis des Erstdrucks, der in vielen Einzelheiten von der späteren Buchfassung abweicht, ist für die Forschung daher unverzichtbar; für den Laien aber bieten sich interessante Einblicke in die Werkstatt des Dichters. Eine gründliche Einleitung des Herausgebers Dieter Sudhoff, der seit seiner Monographie über ,,Karl Mays ,Winnetou IV'" (1981) als ausgewiesener Kenner dieses Werkes gilt, informiert anschaulich über den Entstehungshintergrund der Erzählung, Mays Beziehungen zur ,,Augsburger Postzeitung" oder die Variantensituation und gibt grundlegende Hinweise zur Interpretation. Was den Reprint aber besonders wertvoll macht, ist sein umfangreicher Anhang. Dank des Entgegenkommens des Karl-May-Verlags konnten hier zahlreiche bis dahin unbekannte Handschriftendokumente aus dem Nachlaß des Dichters (großenteils im Faksimile) zugänglich gemacht werden, so etwa Proben aus dem Manuskript zu ,,Winnetou IV", Mays Arbeitsnotizen zu dem Roman, Auszüge aus der Korrespondenz mit dem Verleger Fehsenfeld und dem Drucker Felix Krais sowie - nicht zuletzt - die Mappe ,,Winnetou" mit sonst unbekannten Gedichten, Aphorismen und Fragmenten, die zu Mays spätesten literarischen Texten überhaupt gehören. Eindrucksvoll zeigen die Materialien etwa, mit welch ehrgeizigen Plänen sich der Dichter noch in seinen letzten Lebensjahren befaßte, wenn er daran dachte, in jeweils zehn Bänden Schriften (,Reiseerzählungen') von Winnetou und Kara Ben Halef ,herauszugeben'. So läßt sich etwas ahnen davon, um was uns der allzu frühe Tod Karl Mays brachte.

Für die zweite Auflage des ,,Winnetou IV"-Reprints hat Dieter Sudhoff seine Einführung und den Anhang sorgfältig überarbeitet und aktualisiert. Der Anhang wurde außerdem durch weitere Briefzitate und relevante Auszüge aus der Korrespondenz mit Hans Rost, dem Feuilletonredakteur der ,,Augsburger Postzeitung", erweitert. Eine Konkordanz erleichtert den Vergleich zwischen dem Zeitungserstdruck und der Buchausgabe.

Ruprecht Gammler

Hinweis: Die Subskriptionsfrist läuft bis zum 30. Juni 1998, der Vorbestellpreis liegt bei 55,-- DM, zzgl. Versandkosten (DM 7,50 DM); danach 70,-- DM, zzgl. Versandkosten.

Vorbestellkarten liegen bei.


KARL-MAY-FEST IN RADEBEUL

Vom 7. bis 9. August 1998 findet im Steigenberger Parkhotel in Radebeul das diesjährige Karl-May-Fest statt. Es steht unter der Schirmherrschaft des sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Kurt Biedenkopf. Besonders geehrt wird der große Karl-May-Freund und Pferdekenner Carl-Heinz Dömken; erstmals sind seine Zeichnungen (mit vielen Leihgaben aus dem Karl-May-Verlag) in einer Sonderausstellung zu sehen. Maarten van Diggelen wird dazu wieder einen Film zeigen. - Ebenfalls findet wieder eine große Karl-May-Auktion statt; dazu werden noch Einlieferungen angenommen. Sendungen sind zu richten an: Falk Klinnert, Stegauracher Str. 1 A, 96135 Stegaurach. - Einen ausführlichen Farbprospekt zum Karl-May-Fest mit allen Programmpunkten erhält man gegen Rückporto von: Thomas Winkler, Harmsweg 9 b, 22179 Hamburg.


DIE BUCHBESPRECHUNG

Allerlei von Karl May

Manfred Strecker (in Neue Westfälische v. 27.12.97).

Mein lieber lieber wonniger Old Shatterhand! - so schwärmerisch hob einer der ersten Briefe an, den Marie Hannes, l5jährig, an den Schriftsteller Karl May 1896 richtete. Damals lange vor dem Skandal um den vorgeblichen Welterkunder Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand waren solche verehrungsvollen Schreiben dankbarer Leserinnen und Leser nicht ungewöhnlich. Doch im Fall von Marie Hannes sollte die Verbindung inniger werden - so innig, daß in der Anrede aus Karl May bald ein ,,Onkel Karl" wurde und die Briefschreiberin sich stets als sein ,,Mariechen" empfahl - auch nach dem Zerwürfnis.

Welche Bedeutung die literaturwissenschaftlich nahezu unbekannte Marie Hannes im Lebensumkreis Karl Mays spielte, belegt eine Dokumentation von Hans-Dieter Steinmetz und dem Paderborner Literaturwissenschaftler und May-Forscher Dieter Sudhoff. ,,Leben im Schatten des Lichts" betiteln sie den im Karl-May-Verlag erschienenen Band - im Stil der potenzierenden mystifizierenden Metaphernsprache, die Karl May pflegte und in die sich seine treuen Anhänger gern verspannen.

Marie Hannes (1881-1953) beeinträchtigte eine Rückgratverkrümmung, sie war ,,bucklig", wie May eine liebenswerte Novellenfigur wohl nach dem Vorbild seines ,,Mariechens" beschrieben hatte. Später gelang es ihr, leidlich genesen, in Germanistik zu promovieren - damals eine Leistung für eine Frau. Ihr Berufsweg jedoch geriet ungesichert, sogar in der Astrologie versuchte sie sich, und mit Graphologie verdiente sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Leben. Ihr Lebenswunsch zur Schriftstellerin erfüllte sich nicht. Und der ,,herrlichen Persönlichkeit" Karl Mays zu dienen, blieb ihr auch versagt.

Dieser hatte 1902/1903 abrupt mit Marie Hannes gebrochen. Ein prägendes Ereignis nach der Einschätzung der Herausgeber Steinmetz und Sudhoff, zeitlebens bestimmend, obwohl es Jahre später wieder zur Annäherung gekommen war. Grund des überaus brüsken Rückzugs von ,,Onkel Karl" war ein von Marie Hannes als Verteidigungsschrift verfaßtes Manuskript, mit der sie in die junge Debatte um die wahre Person, Biographie und Identität Mays eingreifen wollte. Gravierender Makel: Im ,,Allerlei von Karl May", das Mariechen dessen Lesern erzählen wollte, berichtet sie getreu von ihren Begegnungen mit dem Schriftsteller. Und dabei hatte sich dieser als der Held der Savannen und amerikanischen Felsengebirge, der Wüsten und wilden Schluchten dargestellt.

,,Allerlei von Karl May" schlägt das reizvollste Kapitel der Dokumentation auf. Das Manuskript bezeugt am Einzelfall, wie Mays romanhafte, heldenhafte Verklärung des eigenen Lebens, und zwar auch im persönlichen Umgang, dem Bedürfnis von Leserinnen und Lesern entgegenkam. Offenbar war der Wunsch groß, sich aus der prekären Fortschrittswelt des wilhelminischen Deutschlands hinauszuträumen oder diese phantastisch zu veredeln.

Leben im Schaffen des Lichts.Marie Hannes und Karl May. Eine Dokumentation. Hrsg. von Hans-Dieter Steinmetz und Dieter Sudhoff. Karl-May-Verlag, 460 S., 79 Mark (bis 1. Januar 98).


Posthumer Wildwuchs in der verlegerischen Behandlung des Mayschen Werkes

Christian Grawe: Führer durch Fontanes Romane. Ein Lexikon der Personen, Schauplätze und Kunstwerke. Stuttgart: Reclam 1996

Bernhard Kosciuszko (Hg.): Großes Karl May Figurenlexikon. Paderborn: Igel Verlag Wissenschaft 1996

in: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft - Band 46/1997 Heide

Handbücher, die durch die erfundenen Welten eines Schriftstellers führen, indem sie die auftretenden Personen auflisten, beschreiben und ihnen Deutungsansätze widmen, nehmen eine Mittelstellung ein: sie haben Züge der wissenschaftlichen Sekundärliteratur und sind doch ein Lesevergnügen, da sie aus neuer Perspektive das vortragen, was der Literaturliebhaber schon mehr oder weniger im Kopf hat. Im englischen Sprachraum, wo die Unterscheidung zwischen ,ernster' und ,Unterhaltungskultur' nicht streng gezogen wird, sind derartige Schriftsteller-Lexika nichts Außergewöhnliches. In Deutschland hat 1983 Rolf Michaelis' ,,Kleines Adreßbuch" zu Uwe Johnsons ,,Jahrestagen" für Aufsehen gesorgt, doch diese Publikation bezieht sich nur auf einen Roman. Um so erfreulicher ist es, daß zu zwei deutschen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts, Theodor Fontane und Karl May, jetzt Handbücher schon in einer erweiterten Neuauflage erscheinen - gewiß ein Beleg, daß es mit der Freude am Lesen heutzutage doch nicht schlecht bestellt ist. Christian Grawes ,,Führer durch Fontanes Romane" ist bereits 1980 bei Ullstein als Begleitband zu den Fontane-Taschenbüchern dieses Verlages erschienen; Bernhard Kosciuszko, dem ein Team von 14 Mitarbeitern zur Seite steht, hat sein ,,Großes Karl May Figurenlexikon" zum ersten Mal 1991 herausgebracht. Die Neuauflagen sind auf der Höhe der Forschung: etwa findet sich jetzt bei Kosciuszko S. 631 ein Hinweis auf die jüngst (von Werner Kittstein) aufgedeckte Identitätskrise, die Mays Ich-Erzähler in der frühen Erzählung ,,Ein Ölbrand" durchlebt, und Grawe (S. 162) bringt die (von Elisabeth Hoffmann) kürzlich erörterte Schuld Effi Briests im Umgang mit ihrer Tochter zur Sprache.

Doch wieder zur Gesamtanlage der beiden Werke! In Grawes Fontane-Führer wie in Kosciuszkos May-Lexikon werden in alphabetischer Reihenfolge die Personen des Erzählwerkes vorgestellt, mittels kurzer, treffender Zitate charakterisiert und in ihrem Entwicklungsgang beleuchtet. Man erfährt Einzelheiten, aber auch die Plots der Erzählungen. Schlagen wir zum Beispiel bei Grawe unter ,,Hradscheck, Abel" nach, erhalten wir Angaben zum Naturell und zum Leben dieser Figur und damit einen Längsschnitt durch die zugehörige Erzählung ,,Unterm Birnbaum". Ähnliches gilt im Falle der Titelheldinnen von ,,Effi Briest" oder ,,Grete Minde". Beim Gärtner ,,Dörr", um eine Nebenfigur zu nennen, liest man von einer ,,hahnenhaften Sexualität", und bei dem Portier ,,Hartwig" von dessen Skatrunde mit der Erläuterung, daß sie ,,den Ausflug zum Eierhäuschen sozial gegenbeleuchtet". Solche klugen, freilich gedrängten Querverweise gibt Grawe häufig. Ein Kabinettstück ist Grawes zwei Seiten lange Darstellung zu ,,Stechlin, Dubslav von", die, elegant die Grenze zwischen dem eigentlichen Roman-Geschehen und seiner Vorgeschichte verwischend, den äußeren und inneren Lebensweg Dubslavs zusammenfaßt - dieses Schloßherrn, der ,,ein Stück Sozialdemokratie" (Fontane) im Leibe hat: ,,An S(techlin] muß jeder Versuch scheitern, Fontane ideologisch zu beanspruchen".

Prinzipiell das Gleiche finden wir bei Kosciuszko. So liefert das Stichwort ,,Old Surehand" sowohl eine Beschreibung dieses Wildwesthelden und Verlorenen Sohnes, der, was der May-Kenner leicht vergißt, sich öfters ,,fast schon unterwürfig" benimmt, als auch eine Zusammenfassung des nach ihm benannten Romans. ,,Merhameh", die orientalische Prinzessin und Titelheldin einer Altersnovelle, wird sowohl mit ihrer märchenhaft-abstrakten Personenbeschreibung (May: Sie war von einer ,,edlen (...], ich möchte sagen, heiligen Schönheit") als auch mit ihrem tätigen Pazifismus (sie stiftet Frieden zwischen zwei Stämmen) also dem Inhalt der Erzählung, vorgestellt. Typisch für dieses Lexikon und letztlich typisch für May selbst ist der Eintrag zu ,,Sam Hawkens", dem Präriejäger. Da Karl May' der Mythomane, bei seinen Personen, wenn er sie nicht handeln läßt, stark mit Signalwirkungen der äußeren Erscheinung arbeitet, präsentiert das Lexikon Hawkens vor allem durch die Wiedergabe seines Aussehens; seine komplizierte Rolle als Mentor im Wilden Westen behandelt es nur summarisch. Was die Nebenfiguren betrifft, so hat Kosciuszko einige ganz marginale Gestalten aufgenommen; zum Beispiel den sich grausam selbst geißelnden ,,Bettler in Bagdad", an dem die Helden in der Abenteuererzählung ,,Von Bagdad nach Stambul" vorüberreiten. Mays ,Ethnopoesie lebt auch aus den grell ins Auge springenden Randfiguren. Kosciuszko ist ferner insofern sehr ausführlich, als er Mays gesamtes fiktionales Werk erfaßt, also auch die Dorfgeschichten, die frühen erzählerischen Versuche mit exotischen Stoffen, Mays einziges Drama und allerlei Fragmente. Selbst die Vorabdrucke von Mays Reiseerzählungen sind mit einbezogen; detaillierte Querverweise halten die Unterschiede fest. Da May von Anfang an mit Namen gespielt hat und in seinen Abenteuergefilden viele Ehren-, Kriegs- und Decknamen gelten, gibt es zahlreiche Einträge, die nur aus der einen Zeile ,,siehe unter ...", bestehen. Einerseits stören sie etwas das Druckbild (man hätte diese Pseudoeinträge kleiner setzen sollen), andererseits bekommt man damit schon beim flüchtigen Blättern einen Eindruck von Mays immenser Phantasiewelt - und von Kosciuszkos geradezu enzyklopädischer Gründlichkeit. - Grawe beschränkt sich auf Fontanes große Prosawerke von ,,Vor dem Sturm" bis ,,Mathilde Möhring". Den Onkel Dodo der Reisefeuilletons oder den Studenten der ,,Zwei Post-Stationen" findet man hier nicht, wohl aber einige Seitenblicke auf die ,,Wanderungen durch die Mark Brandenburg".

In den beiden Handbüchern, halten wir dies fest, wird man auf kundige Weise durch das literarische Werk geleitet, wobei der Lexikoncharakter, also die Informationsfülle in parzellierter Form, oft neue Zusammenhänge aufdeckt. Doch wir haben die beiden Bücher noch nicht vollständig vorgestellt! Das von Grawe, um wieder mit ihm zu beginnen, ist nicht nur ein Personenlexikon, sondern auch ein Lexikon der ,,Schauplätze und Kunstwerke". Wiederum gibt Grawe erhellende Hinweise, erklärt etwa unter dem Stichwort ,,Klampenborg", daß dieses Schloß mit der militärischen Atmosphäre ,,romantisches Bild und ernüchternde Realität" des Staates Dänemark darstellt. Einzelne Straßen Berlins sind ebenfalls aufgenommen, und der generelle Eintrag ,,Berlin" setzt auseinander, wie Fontane die gesamte Metropole mit ihren kleinbürgerlichen Stadtteilen ("Stine", "Irrungen, Wirrungen"), mit ihrem Glanz als Residenz (,,Vor dem Sturm") und mit ihrem aristokratischen Viertel (,,Schach") gleichsam literarisiert hat. Ausgangspunkt ist für Grawe natürlich immer das von Fontane vermittelte Bild, nicht die wirkliche Geographie; unter ,,Adamsdorf" und ,,Kessin" kann man daher nachschlagen, nicht unter den realen Orten Arnsdorf und Swinemünde, deren Funktionen als Vorbilder aber erwähnt werden. Was die Kunstwerke betrifft, so erscheinen eine Reihe von Gemälden, Dramen und Gedichten, auf die bei Fontane angespielt wird. Übrigens sind unter den Figuren auch Namen der Literaturgeschichte wie Heine, Dickens oder Zola aufgenommen; geht es doch oft um sie in Fontanes raffiniert (modern? postmodern?) konstruierten Gesprächsrunden. Grawes Kennerschaft zeigt sich auch hier: Wo erhält man so gute komprimierte Hinweise über Fontanes Verhältnis zu Zola wie bei Grawe!

Im Unterschied hierzu ist Kosciuszkos Buch ein reines Figurenlexikon, doch geht es über seinen Rahmen dadurch hinaus, daß es fünf der Mayschen Zentralgestalten, die in mehreren Werken auftreten, umfangreiche Sonderbeiträge widmet. Der 25 Seiten lange Essay ,,Winnetou", verfaßt von Christoph F. Lorenz, beschreibt sorgfältig die Genesis, also die Stationen in Mays Werk hin zu dem Mythos um diesen fiktiven Indianerhäuptling, in den Vorstellungen vom Edlen Wilden (S. 950), vom androgynen Helden (S. 958) und schließlich vom Menschheits-Erlöser (5. 971) eingeflossen sind. Man hat gelegentlich Karl May als einen Traumschreiber bezeichnet; über die Dynamik, die dieser Art von Schriftstellertum innewohnt, wird man von Lorenz' Essay vorzüglich belehrt. Auch die übrigen Sonderbeiträge - über die beiden Mayschen Ich-Helden, über den Araber Hadschi Halef und über die alte Kurdin Marah Durimeh - geben gute Einblicke in Mays Entwicklung. Hartmut Vollmer hat recht, wenn er Marah Durimeh als die ,,magna mater" des späten May bezeichnet - man könnte auch sagen in Anlehnung an ein bekanntes Diktum über Fontane: des ,eigentlichen' May - und weiter feststellt: diese Idealisierung ,,entgrenzte das persönliche Mutter-Trauma Mays in überindividuelle Existenzfragen" (S. 530, 528).

Diese Hervorhebung und intensive Behandlung von Mays zentralen, ganze Werkzyklen überspannenden Figuren ist ein glückliches Verfahren, um diesem Schriftsteller gerecht zu werden. May sind die stilistische Feinarbeit und die psychologische Charakterzeichnung eher fremd, seine künstlerische Potenz liegt vornehmlich in seinen weit ausgreifenden epischen Entwürfen, in der eigentümlichen Großflächigkeit seines Schreibens, die im Detail eine trivial anmutende Schwarzweißmalerei sein kann. Dementsprechend enthalten jene fünf Sonderbeiträge reichliche Angaben zur Deutung und Wertung, während sonst in diesem Lexikon - es sei wieder an den Fall Sam Hawkens erinnert - die interpretatorischen Hinweise karg sind.

Apropos! Rundum zu karg erscheint mir die Erläuterung zu ,,Sir Emery Bothwell", der den kranken Indianer auf seiner Europareise beherbergt. Bei Grawe stutzt man angesichts des ,,unentschlossene[n] Bewerber[s] um die Hand von Fontanes Tochter Mete" (S.313), denn hier hätte die Familie Schreiner genannt werden müssen. Aber warum sollen sich in solchen mit riesigem Textkorpus umgehenden Handbüchern nicht auch Lücken aufspüren lassen?

Auch zum ,umgekehrten Nachschlagen' sind der ,Grawe' und der ,Kosciuszko' gut zu gebrauchen. Hier wie dort gibt es ein Werkregister, das zu dem einzelnen Werk die zugehörigen Stichwörter anführt. Kosciuszkos Verweis-Register nennt nur die wichtigsten Stichwörter; es kann wohl nicht anders sein. Denn während Grawe es mit 17 Werk-Titeln zu tun hat, sind es bei ihm aufgrund seiner Ausführlichkeit zehnmal so viel! Kosciuszko hat diese Materialfülle durch ein schlüssiges Kürzel-System gebändigt, das allerdings auf den ersten Blick unübersichtlich wirkt. So steht das Kürzel WINNETOU für eine wenig bekannte Erzählung von 1878 und nicht für den berühmten Roman ,,Winnetou" von 1893, der die Kürzel GR 7, GR 8 und GR 9 bekommen hat, da er die Bände 7, 8 und 9 in Mays Reihe der ,,Gesammelten Reiseerzählungen" bildet. Diese Reihe ist trotz mancher Übereinstimmungen in der Bandnumerierung nicht mit der heute im Buchhandel sehr verbreiteten Serie der ,,Gesammelten Werke" zu verwechseln, einer Serie, die von fremder Hand bearbeitet ist und daher von Kosciuszko und seinen Mitarbeitern nicht herangezogen wird. Ihr konsequentes Zitieren aus wenig bekannten Editionen, etwa aus den speziellen Reprint-Programmen der Karl-May-Gesellschaft oder des Verlages Olms, verwundert natürlich den, der von dem posthumen Wildwuchs in der verlegerischen Behandlung des Mayschen Werkes nichts weiß. Der philologische Umgang mit May ist leider mühsam; die Fontane-Forschung hat es viel leichter.

Carl Zuckmayer hat einmal berichtet, daß er und Ernst Bloch sich stundenlang über Mays Figuren und ihre Verwandtschaftsbeziehungen unterhalten konnten, und von Herbert Rosendorfer stammt der Satz: ,,Selbst das Wien Schnitzlers und das Berlin Fontanes hat es so, wie diese vermeintlichen Realisten es schildern, nie gegeben." Wer Freude an fiktiven Welten hat und seine Kenntnisse über zwei große Schriftsteller des 19. Jahrhunderts vertiefen oder auch nur auffrischen will, dem seien die beiden Handbücher zum Stöbern, zum Lesen und als Anregung für das eigene Forschen sehr empfohlen.

Martin Lowsky, Kiel


Prof. Dr. Meredith McClain:

Projekt 2000:
Ein Karl-May-Symposium in Lubbock/Texas

Mit diesem Artikel wende ich mich an den Vorstand und Mitarbeiterkreis sowie alle Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft und bitte um Unterstützung und Förderung eines Projektes, das ich im folgenden kurz skizzieren möchte.


Hintergrund und Voraussetzungen

Für viele Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft ist es ein großes Rätsel, daß gerade in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo ungefähr 20% der Bevölkerung deutscher Abstammung sind, kaum Interesse an unserem Autor zu spüren ist und noch weniger Kenntnisse über ihn vorhanden sind. Genau dort, wo Karl May in seiner Phantasie als Old Shatterhand mit seinem indianischen Freund Winnetou atemberaubende Abenteuer erlebte, scheint fast niemand von seinen Erzählungen etwas wissen zu wollen.

Im Llano estacado selbst, wo erst 1875 nach der Vertreibung der Comanchen unter ihrem Häuptling Quanah Parker die Weißen es wagten, sich dauerhaft niederzulassen, finden sich zwar kleinere deutsche Siedlungen wie Nazareth, Slaton und Umbarger, aber gewiß keine Karl-May-Bücher in den Regalen und Schränken der dort lebenden Menschen, weder auf Deutsch, noch auf Englisch!

In der historischen Figur von Heinrich Schmitt, Uncle Hank genannt (1836 in Bayern geboren, 1912 in Crosbyton im Llano estacado gestorben), dem ersten deutschen Siedler in dieser Gegend, erblicken wir eine wahrhafte und fest belegte Mischung von Karl Mays Old Shatterhand und John Helmers, aber die Ähnlichkeiten sind nur interessante Zufälle. Schmitt und May haben ganz sicher nie voneinander gehört. (Zur näheren Information hierüber verweise ich auf meinen Aufsatz im "Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1994", S. 299-311.)

Die Zeit von 1979 bis 1998

1979, also vor beinahe 20 Jahren, habe ich als amerikanische Germanistin (schottisch-irischer Herkunft und seit 1976 Professorin an der Texas Tech University in Lubbock) und Bewohnerin des Llano estacado während eines Aufenthaltes in Deutschland zufällig den Namen Karl May entdeckt und mich seitdem intensiv mit diesem Autor beschäftigt. In diesen beiden Jahrzehnten habe ich in den USA etwa 50 Lichtbildervorträge über Leben, Werk und Wirkung dieses Schriftstellers gehalten.

Neben der Vermittlung der deutschen Sprache und Literatur war und ist mein Hauptanliegen die Pflege und Förderung der deutsch-amerikanischen Freundschaft. Junge Amerikaner lernen Deutsch an unserer Fakultät und werden so oft wie möglich nach Deutschland geschickt, um ihr Leben durch das Kennenlernen einer zweiten Kultur zu bereichern. Umgekehrt laden wir jedes Jahr Deutsche nach Texas ein, die natürlich alle ihren Karl May gelesen haben und insgeheim sehr gespannt darauf sind, endlich den echten Llano estacado selbst zu erleben. So kommen Professoren und Studenten, Diplomaten und Kommunalpolitiker aus allen Teilen Deutschlands, Musikkapellen aus Bayern, Volkstanzgruppen aus Salzburg und Jazzmusiker aus der ehemaligen DDR, Mitglieder von Cowboy- und Western-Clubs aus Berlin und Köln, der Geschäftsführer der Karl-May-Spiele mit dem Bürgermeister von Bad Segeberg und seit einigen Jahren endlich auch Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft - entweder als Einzelreisende oder in Gruppen.

Das Projekt 2000

Allmählich ist nun die Zeit reif dafür, die in zwei Jahrzehnten gewachsenen Beziehungen durch ein internationales Karl-May-Treffen auf dem Campus der Texas Tech University in Lubbock zu krönen. Die Infrastruktur hierfür ist in den vergangenen Jahren aufgebaut worden: Unsere Germanistik-Dozenten und -Studenten, amerikanische KMG-Mitglieder, Wissenschaftler und Journalisten, Rancher, Farmer und Cowboys wollen gerne zusammenarbeiten, um möglichst viele Gäste und Karl-May-Freunde aus Deutschland und dem deutschsprachigen Raum im Jahre 2000 - einem tagungsfreien Jahr der KMG - in Lubbock empfangen zu können.

Am interessantesten wäre es, wenn die deutschen Gäste Lubbock im September erleben würden. Am ersten Wochenende nach dem amerikanischen Feiertag ,,Labor Day" findet nämlich in Lubbock das alljährliche bedeutende "Cowboy-Symposium" statt. Dann wimmelt die ganze Stadt von Cowboys und Cowgirls aus allen Ecken Amerikas, und die Fülle der kulturellen Angebote aus allen Bereichen ist geradezu überwältigend.

Die Karl-May-Tagung sollte nach meiner Meinung unmittelbar vor oder nach dem Cowboy-Symposium in dem neuen "International Cultural Center" auf dem Universitätsgelände stattfinden. Hier könnten sich die Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft sowie die am Thema interessierten Amerikaner und Kanadier in einem wunderbaren Ambiente zu Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen treffen. Wenn es gewünscht wird, könnte Deutsch die Konferenzsprache sein; die Voraussetzungen dafür sind gegeben.

Für die hoffentlich vielen Gäste aus Europa wird natürlich auch ein kulturelles und touristisches Rahmenprogramm angeboten. So sind Tagesausflüge in die Landschaft des Llano estacado geplant, aber auch mehrtägige Reisen nach New oder Old Mexico und in das Gebiet der Mescalero-Apachen können auf Wunsch vorbereitet werden.

Schlußfolgerungen

Es werden alle Anstrengungen unternommen, das internationale Karl-May-Symposium in Lubbock zu einem großen Erfolg werden zu lassen. Den Mitgliedern der Karl-May-Gesellschaft soll die Reise zum Llano estacado zu einem unvergeßlichen Erlebnis werden und die deutsch-amerikanischen Beziehungen im völkerverbindenden Geiste Karl Mays stärken. Durch finanzielle Unterstützung aus verschiedenen Quellen wird es möglich sein, die Teilnahme am Symposium sehr preiswert zu gestalten. Auch die traditionelle texanische Gastfreundschaft wird dazu beitragen, die Kosten so niedrig wie irgend möglich zu halten.

Als Hauptverantwortliche für die Organisation der Veranstaltung muß ich aber bald mit der Vorbereitungsarbeit beginnen, vor allem mit dem ,,Anzapfen" der Sponsoren. Daher bitte ich alle Interessierten sehr herzlich, mir im Laufe der nächsten Monate über die Geschäftsstelle der KMG Reaktionen auf meinen Vorschlag zukommen zu lassen, damit ich eine Vorstellung über die Zahl der möglichen Teilnehmer erhalte. Erwin Müller wird dann in einem demnächst erscheinenden Artikel in den KMG-Nachrichten weitere Einzelheiten mitteilen.

Für Lubbock, die Texas Tech University und mich wäre es eine große Ehre, durch das Karl-May-Symposium im Jahre 2000 als künftiges Karl-May-Zentrum in Nordamerika bekannt zu werden. Das ist mein persönliches Ziel, für das es sich zu arbeiten lohnt. Ich bitte den Vorstand der KMG - den amtierenden und den 1999 neu zu wählenden - daher sehr herzlich um tatkräftige Unterstützung des Projektes 2000.


Hainer Plaul

May, Karl Friedrich
Karl May im Märchenlexikon

Enzyklopädie des Märchens - Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 9 1997 - Berlin/New York

May, Karl Friedrich, * Ernstthal bei Chemnitz (seit 1898 Hohenstein-Ernstthal) 25.2. 1842, † Radebeul bei Dresden 30.3.1912, dt. Schriftsteller. M. entstammte einer Proletarierfamilie, der Vater war Heimweber, die Mutter Hebamme. M.s ungewöhnliche Phantasie dürfte sowohl durch seine bis zum 4. Lebensjahr währende Blindheit als auch durch den Einfluß seiner ihm Geschichten erzählenden Großmutter und im höheren Kindesalter durch die Lektüre von Trivialliteratur angeregt worden sein. Dieser Welt der Fiktionen stand die nüchterne Realität gegenüber, der er sich zeitlebens nur schwer einzupassen vermocht hat.

1857 begann M. eine Lehrerausbildung am Seminar in Waldenburg (Sachsen), von dem er wegen Verstößen gegen die Seminarordnung Anfang 1860 relegiert wurde; doch konnte er seine Studien am Seminar in Plauen (Vogtland) 1861 abschließen. Aus seinem ersten Amt, einer Armenschullehrerstelle in Glauchau, wurde er unter dem Vorwurf amoralischen Verhaltens nach 14 Tagen bereits entlassen. Danach war er Fabrikschullehrer in Altchemnitz. Ein Kleindiebstahl trug ihm eine sechswöchige Gefängnishaft (1862) und den dauernden Verlust seiner Lehrbefähigung ein. Berufliche Ausweglosigkeit, materielle Not und Probleme psychischer Art ließen ihn bald meist phantasievolle Hochstapeleien begehen, die mit Arbeitshausstrafe (1865-68) und nach erfolgtem Rückfall mit vier Jahren Zuchthaus (1870-74) geahndet wurden. Eine letzte kurze Haft, diesmal wegen Amtsanmaßung, hatte er 1879 abzubüßen. Erst unter den gesellschaftlichen Verhältnissen nach 1870/71 mit ihren positiven Folgen auch und gerade für die Produktion unterhaltsamer Lesestoffe, der er sich gezielt zuwandte, gelang ihm die Umsetzung seiner schriftstellerischen Pläne. Er wurde 1875 Redakteur verschiedener Wochenblätter, ab 1878 freier Schriftsteller, wobei seine großen Werke zunächst überwiegend als Fortsetzungsromane in Zeitschriften und erst danach in Buchform veröffentlicht wurden. Erst 1899-1900, also nach Erscheinen seiner Reiseromane, unternahm M. eine große Orientreise und bereiste 1908 drei Monate den Osten Nordamerikas. Eine während der Orientreise durchlittene Persönlichkeitskrise trug entscheidend zu einem Neuanfang auf der literar. Ebene bei, es entstand ein Spätwerk, vielbödig, anspruchsvoll und mit neuen Inhalten. Zur selben Zeit geriet er in den Sog der aufkommenden Schundliteraturdebatten (Trivialliteratur), die in seinem Fall bald ins Private abdrifteten. Pressefehden und Rechtsstreitigkeiten überschatteten seine letzten Lebensjahre.

Elemente der Volkserzählung sind in M.s Werken, bes. in den Reiseromanen, die den Hauptteil seines literar. Schaffens ausmachen und am stärksten rezipiert werden, schon relativ früh wahrgenommen worden, wobei über die psychol. Argumentation hinsichtlich ähnlicher Muster in Volkserzählung und Lesestoff, für die etwa F. von der Leyen und C. Bühler stehen, hinausgegangen wird. So weist F. Cornaro auf eine Verwandtschaft zwischen Märchen und den Reiseschriften M.s am Beispiel des Wunderbaren hin. V. Böhm hebt, allerdings sehr summarisch, gewisse Entsprechungen im Motivbereich hervor; eine Konkretisierung bietet R. Harder, der in einer Episode des Romans In den Schluchten des Balkan (1892) eine motivische Analogie zu AaTh 333: Rotkäppchen bemerkt. Außer zum Märchen werden Bezüge auch zu anderen Gattungen konstatiert. Für H. Stolte sind die meisten Reiseromane M.s Sagen, und zwar Heldensagen, die er als heroische Legenden charakterisiert. G. Sehm bezeichnet das gesamte Reisewerk M.s mit deutlichem Hinweis auf die Nähe zur Legende als säkularisierte Hagiographie. Textgeschichtlich werden vor allem Parallelen zum Volksbuch hergestellt.

Im Alter verstand sich M. als Märchenerzähler, als ,Hakawati (syr.-arab. für nichtprofessioneller Märchenerzähler). Allerdings wird in dieser Selbstbezeichnung keine Beziehung zum Volksmärchen ausgedrückt. M.s Märchenverständnis ist aufs engste mit seinem Spätwerk verbunden (z.B. Ardistan und Dschinnistan, 1909), in dem er - symbolisierend im Sinne der dt. Klassik - auf der Grundlage einer stark dualistischen Ethik-Auffassung die moralische Erziehung und Entwicklung des Menschengeschlechtes thematisiert. Was M. als Märchen ausgibt, sind eigentlich symbolische Reisegeschichten bzw. allegorische Kurztexte (Das Märchen von Sitara, 1909/10). In der Autobiographie hat er seinem gesamten Werk Symbolcharakter unterstellt, wobei er die Anregung zu dieser Art des Schreibens durch eine Märchensammlung mit eben dem Titel Der Hakawati empfangen haben will. Diese Slg stellt eine Fiktion dar und dürfte als Sinnbild für sein literar. Gestaltungsvermögen zu deuten sein, dessen Ursprung er offensichtlich auch auf Anstöße aus der Volksüberlieferung zurückführt, und zwar vermittelt durch die Großmutter, eine einfache Geschichtenerzählerin, die er deshalb zur Märchengroßmutter überhöht.

M. gehört zu den produktivsten, vielseitigsten und erfolgreichsten Verfassern populärer Lesestoffe. Die dt. Gesamtauflage wird auf 80 Millionen geschätzt, die Weltauflage auf 100 Millionen (Übers. in 32 Sprachen). Er schrieb Dorfgeschichten (z.B. Die Rose von Ernstthal, 1875; Der Waldkönig, 1879; Erzgebirg. Dorfgeschichten, 1903), Humoresken bzw. epische Schwänke (Die Fastnachtsnarren, 1875; Im Wollteufel, 1876; Husarenstreiche, 1878 etc.), hist. Romane (Der beiden Quitzows letzte Fahrten, 1876/77; Die Liebe des Ulanen, 1883/ 85) und Erzählungen (z. B. Die Kriegskasse, 1876; Ein Fürst des Schwindels, 1880), exotische Novellen (Old Firehand, 1875; Leilet, 1876; Der Africander, 1878 u. a.), Kolportageromane (herausragend, auch internat. verbreitet, Das Waldröschen, 1882/84), einen sozialen Roman (Der verlorne Sohn, 1884/86), biogr. Schlüsseltexte (z. B. Im Reiche des silbernen Löwen 3-4, 1902103; Bei den Aussätzigen, 1907) u. a., vor allem jedoch Reiseromane/-erzählungen (Durch die Wüste, 1892; Durchs Wilde Kurdistan, 1892; Von Bagdad nach Stambul, 1892; In den Schluchten des Balkan, 1892; Durch das Land der Skipetaren, 1892; Der Schut, 1892; Winnetou 1-3, 1893; Am Stillen Ozean, 1894; Am Rio de la Plata, 1894; Old Surehand 1-3, 1894/96; Im Lande des Mahdi 1-3, ]896 etc.) und Jugendschriften (Der Sohn des Bärenjägers, 1890; Der blau-rote Methusalem, 1892; Die Sklavenkarawane, 1893; Der Schatz im Silbersee, 1894; Der Oelprinz, 1897 u. a.). Diese in der Tradition des ethnogr. Abenteuerromans stehenden Werke mit ihren Hauptschauplätzen Vorderer Orient und Wilder Westen Nordamerikas haben seinen Weltruf begründet. Ihr Wertgefüge stellt eine Synthese aus spätaufklärerischer Tugendauffassung und dem Geist der Bergpredigt dar, was sich z.B. in den Nordamerika-Bänden im Weitertragen des Bildes vom edlen Wilden manifestiert. Ihre Protagonisten Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, mit denen sieh der Autor zeitweilig identifizierte, und deren Komplementärfiguren Winnetou und Hadschi Halef Omar gehören heute zu den populärsten Gestalten der dt. Lit.; Winnetou ist zum Synonym für den Indianer schlechthin geworden.

Befördert wird die massenhafte Rezeption M.s u. a. durch Verfilmungen und Dramatisierungen seiner Werke (Freilichtspiele in Rathen, Bad Segeberg, EIspe etc.), durch die Existenz von Museen in Hohenstein-Ernstthal (Geburtshaus) und Radebeul (mit Indianermuseum), durch die Bildung von Freundeskreisen. Die Forschung wird hauptsächlich von der internat. K.-M.-Ges. getragen (Publ. von Jbb. u. a.). Die 1913 errichtete K.-M.-Stiftung hat den Zweck, bedürftige Autoren zu unterstützen und Begabungen zu fördern.

[Ein umfangreicher Werkanhang und Hinweise zu weiterführender Literatur etc. ergänzen diesen beachtlichen Artikel.

Die Redaktion dankt Herrn Herbert Meier-Hemmingen für den Hinweis auf diese Publikation und dem Verfasser für die freundliche Überlassung des Textes.]


Dieter Sudhoff

Karl May im Sauerland - ja oder nein?

Für einen sächsischen Karl-May-Freund dürfte die Begeisterung schwer nachvollziehbar sein, die einen Ostwestfalen aus dem Paderborner Land überkommen kann, wenn er erfährt, der große Schriftsteller sei bei einer seiner kleinen Reisen einmal auch nur in die weitere Nähe seiner Heimat geraten, vielleicht gar nur verschlagen worden. Mir aber ging es so, als ich im Reiseteil der ,,Welt" (20. Oktober 1995) unter der Überschrift ,,Wo Karl May einst unter hohen Tannen logierte" die beiläufige Erwähnung las, auch der Radebeuler ,,Indianerschriftsteller" habe zu den ,,frühen Gästen" des renommierten ,,Hotels Zum Wilzenberg" in Winkhausen (Schmallenberg), im tiefsten Hochsauerland, gehört, nebenbei nur 20 Kilometer entfernt von der Freilichtbühne EIspe, wo bekanntlich in seinem Namen heute manches Unwesen getrieben wird. Selbst in der Karl-May-Forschung war von diesem Aufenthalt bisher nichts bekannt, und tatsächlich sind die Spuren davon auch schon fast ganz verwischt und nur noch mühsam aufzuspüren.

Daß Karl May zu den ,,frühen Gästen" in der Sommerfrische Winkhausen zählte, ist freilich nur in der großen zeitlichen Relation richtig. Schon 1883 hatte der Neheimer Arztsohn Albert Hilsmann, ein ,,Mann mit Unternehmergeist und Ideenreichtum", wie es im aktuellen Hotelprospekt heißt, im damals neuen, im vornehmen Gründerstil erbauten Herrenhaus eines alten, von ihm seit 1871 bewirtschafteten Gutshofes am Fuß des Wilzenbergs (dem ,,Heiligen Berg" der Sauerländer, wo nach zweifelhafter Forschermeinung die Geburtsstätte des Recken Siegfried gewesen sein soll) ein Hotel mit 40 Gästebetten gegründet, das bald zu einer beliebten ,,Nobelherberge" wurde.

Ursächlich hierfür waren sicher die Lockungen der ,,schwingenden", bergigen Wald- und Wiesenlandschaft um den Luftkurort an der Oberen Lenne, wenigstens ebenso aber die von Hilsmann nach dem Vorbild des Pfarrers Sebastian Kneipp eingerichteten Bademöglichkeiten: Nicht nur gab es einen nahegelegenen Teich, der zum Baden und Kahnfahren einlud, Hilsmann hatte auch eine eigene Trinkwasserleitung mit Bassin und Quellfassung bauen lassen, einen primitiven Mechanismus für Sturzbäder entwickelt und laut Hotelprospekt sogar die Wasserradanlage der zum Hof gehörenden Sägemühle umfunktioniert:

,,Die Zulaufrinne ließ sich zur Seite schwenken. Eine Schaukel war so angebracht, daß der Badegast unter dem Wasserfall hin und her schaukeln konnte und das Becken auch noch zu einem kleinen Wellenbad wurde." Schließlich plätscherte in der schon damals großzügigen Gartenanlage auch noch ein Springbrunnen.

Nach Hilsmanns Tod fand die sauerländische Herrlichkeit dann freilich für etliche Jahre ein Ende, und das nicht mehr bewirtschaftete Hotel verkam, ehe es 1918 von dem pensionierten Briloner Schulrektor Theodor Deimann übernommen wurde (dessen Sohn Wilhelm übrigens später einer der bedeutendsten Biographen des ,,Heidedichters" Hermann Löns wurde); noch heute ist das ,,Hotel Deimann zum Wilzenberg" in Familienbesitz und wieder eine der ersten Adressen im Sauerland, mit angeschlossenen Ferienwohnungen, Vital-Oase, Hallenbad, medizinischer Badeabteilung, Beauty-Farm, Golfanlage und vielem anderen Luxus mehr. Albert Hilsmann würde sich wohl wundern, was inzwischen aus seinen vergleichsweise bescheidenen Anfängen geworden ist.

Während sich über die wechselhafte Geschichte des Hotels noch mancherlei Interessantes berichten ließe (ein Schwiegersohn Hilsmanns etwa war der bekannte Aachener Dombaumeister Joseph Buchkremer), ist das bisher einzige Zeugnis für einen Aufenthalt Karl Mays in Winkhausen eine Eintragung im Gästebuch unter dem Datum des 29. August 1898, und diese stammt nicht einmal von seiner Hand. Daß sich ein Fremder unter Mays Namen eintrug, ist wohl kaum anzunehmen. Unsicher muß aber vorerst bleiben, ob die oberhalb stehende Angabe des Ankunfts- und Abreisetags tatsächlich auch noch für ihn gilt oder ob er sich womöglich zwar in Wink-hausen angekündigt hatte, dann aber doch nicht angereist war. Da keine Begleitpersonen genannt sind, wird er ohne seine Frau Emma gereist sein, letzte Sicherheit gibt es aber auch hier nicht. Andere Besonderheiten, die Schreibweise ,,Carl" und die Verwechslung der Spalten ,,Stand" und ,,Wohnort", dürften auf den eintragenden Portier zurückgehen und unerheblich sein.

Bedenkt man, daß Karl May seit 1897, auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, fast ständig in deutschen und österreichischen Landen unterwegs war; um als ,,Old Shatterhand" oder ,,Kara Ben Nemsi" die Huldigungen seiner zahllosen Leser zu empfangen oder ihnen im Gegenteil auszuweichen und dabei auch in entlegenste Gegenden geriet, ist ein tatsächlicher Aufenthalt in Winkhausen durchaus wahrscheinlich. Er war vielleicht auf der Durchreise und hielt sich nur einen Tag im ,,Hotel zum Wilzenberg" auf, wird es aber gezielt aufgesucht haben, da es nicht unmittelbar an der Bahnstrecke lag und er sich mit einem Hotelwagen von der 25 Minuten entfernten Station Gleidorf abholen lassen mußte.

Hilsmann inserierte auch in überregionalen Zeitungen für sein Hotel, und Wink-hausen galt als Luftkurort. Vielleicht hatte May gehofft, sich hier erholen und in Ruhe an seinem Roman ,,Am Jenseits" schreiben zu können, den er bis zum Spätherbst abschließen wollte (wozu es dann doch erst im März 1899 kam); mit seinem Hausarzt Dr. Curt Mickel (sowie Emma und dem befreundeten Ehepaar Plöhn) war er noch kurz zuvor (nachweislich am 17. und 18. August) im sächsischen Schwefelbad Grünthal an der böhmischen Grenze gewesen, und der Arzt könnte ihm den Ort im Sauerland durchaus empfohlen haben. Eine gemeinsame Karte aus Grünthal an die befreundete Deidesheimer Familie Seyler vom 18.

August ist jedenfalls bisher das letzte bekannte Lebenszeichen Mays vor seinem vermuteten Winkhausen-Aufenthalt.

Warum aber blieb er dann nur einen Tag? Daß ihn Landschaft und Hotel enttäuschten, ist kaum denkbar. Auffällig im Gästebuch ist, daß alle Gäste außer May am 29. August aus Münster kamen, es sich also offenbar um eine Gruppe handelte - hatten womöglich westfälische May-Freunde im nahen Sauerland ein Treffen mit ihrem Idol vereinbart? Oder war er unterwegs zu Franz Josef Börger, dem später als ,,Alter Wolf" bekanntgewordenen ersten deutschen Pfadfinder; mit dem er korrespondierte und der im nur 20 Kilometer entfernten Frettertal heimisch war?

Da wir schon im Bereich des nur noch Spekulativen sind (weder in der für das Schmallenberger Sauerland zuständigen ,,Mescheder Zeitung" noch auch in den Registraturakten des ehemaligen Amtes Schmallenberg ließen sich irgendwelche Hinweise auf Mays Aufenthalt entdecken), sei mit aller gebotenen Vorsicht noch eine weitere Möglichkeit angedeutet:

Wie andere Eintragungen zeigen, wurde das Gästebuch, besonders hinsichtlich der Aufenthaltsdauer, nicht immer sehr sorgfältig geführt. Bedenkt man, daß May Grund gehabt haben könnte, seinen Aufenthalt möglichst geheimzuhalten, um sich in Ruhe der Arbeit zu widmen, ist mindestens nicht ganz auszuschließen, daß er länger als einen Tag in Winkhausen blieb - bestenfalls zehn Tage, denn schon am 8. September schickte er gemeinsam mit Emma aus dem sächsischen Kurort Mulda einen erneuten Gruß an die Seylers.

Das aber könnte bedeuten, daß Teile der großartigen, zum symbolistischen Spätwerk überleitenden Reiseerzählung ,,Am Jenseits" tatsächlich im Sauerland entstanden. Am 1. Oktober schrieb May jedenfalls in einem Brief an seinen Freiburger Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld: Wie Sie aus meinen Karten ersehen haben, war ich nicht daheim, sondern wegen den lästigen, täglichen Leserbesuchen nach dem einsamen Orte geflohen, um ungestört an Band 25 ,,Am Jenseits" arbeiten zu können. Die erwähnten Karten sind nicht überliefert, aber konnte es damals überhaupt einen ,,einsameren Ort" für den Schriftsteller geben als die abgelegene Sommerfrische im sauerländischen Wink-hausen?

Am Anfang seines Romans ,,Am Jenseits" läßt Karl May den längst vom Diener zum Freund gewordenen Hadschi Halef Omar zu seinem Alter ego Kara Ben Nemsi sagen: ,,Sihdi, es war doch immer wunderschön, wenn wir beide, auf unsern unvergleichlichen Pferden sitzend, so ganz allein, von keinem fremden Menschen begleitet, immer hinein in Allahs schöne Welt ritten, wohin es uns gefiel!" Er könnte diese Sätze, denen Interessanterweise ein Gespräch über das Reisen auf europäischen Eisenbahnen folgt, tatsächlich in Winkhausen geschrieben haben. Und wer möchte bezweifeln, daß das Sauerland zu den schönsten Landschaften in ,,Allahs schöner Welt" gehört?

Vorabdrucke in: Jahrbuch Westfalen 1998 - Westfälischer Heimatkalender 52 Jahrgang, Münster 1997 und in den "Karl-May-Haus-Informationen" - Der Autor stellte uns den Text freundlicherweise zur Verfügung.


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