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Eingesandt.

Mit Bezug auf unsern Artikel in Nr. 68 des ‚Rhein und Mosel-Boten‘ betr. Ausbeutung des Namens des bekannten Schriftstellers Karl May erhalten wir von letzterem selbst folgende Zuschrift:

Hochgeehrter Herr Redacteur!

Soeben erhalte ich Nr. 68 Ihres ‚Rhein- und Mosel-Boten‘ und ersehe aus ihm zu meinem Bedauern, daß die nothwendige Kürze der ihnen übermittelten „Entgegnung“ den Grund zu einem Irrthum gegeben hat, den ich postwendend zu berichtigen habe. Nehmen Sie diese meine Zeilen, wie sie sind und wie sie klingen! der [Der] Postzug verbietet mir, über Stylschönheiten nachzusinnen.

Sie irren nämlich in der Annahme, daß ich nicht der Ver­fasser der betreffenden Werke sei. Ich bin es, aber ich bin es doch auch wieder nicht!

Hätte ein anderer Schriftsteller in der Meinung, daß er dies dürfe, sich meines Namens als Pseudonym bedient, so könnte ich den Fall mit mildem Auge betrachen; aber es liegt eine That­sache vor, welcher ich nur mit größter Strenge Rechnung tragen kann: Man treibt Maskerade mit mir selbst!

Denn ich selbst bin oder vielmehr war der Verfasser dieser Werke, welche Herrn Fischer nicht gehören und in einer von mir unerlaubten Bearbeitung verbreitet werden.

Ich erkläre das nicht etwa gezwungen, sondern sogar herz­lich gern, weil ich erstens meiner Originale mich nicht zu schämen habe, und weil ich zweitens mich dar­über freue, daß grad ich es bin, dem hier die Gelegenheit geboten wird, allen ähnlich behandelten Autoren, welche aber die Mittel zu einem kostspieligen Prozesse nicht besitzen, nun durch den meinigen den Weg zu ihrem Rechte zu verbilligen und zu ebnen.

Ich erkläre ferner, daß diese Arbeiten, obgleich die Reklame sie als „Neu! Neu!“ bezeichnet, von einem Alter sind, welches im litterarischen Durchschnitte fast als greisenhaft bezeichnet werden könnte.

Und ich erkläre endlich, daß ich niemals et­was sittlich Anstößiges geschrieben habe, weil mein ganzes Wesen sich gegen so eine Versündigung sträubt. Und da die Originale der hier gemeinten Erzählungen bestimmt waren und auch noch heut bestimmt sind, in meine „Gesammelten Wer­ke“ aufgenommen zu werden, so ist es einfach selbstver­ständlich, daß ich mich auch bei ihnen von jeder Trivialität resp. Obscönität ferngehalten habe.

Es ist ein volles Vierteljahrhundert her, daß ich bei H. G. Münchmeyer in Dresden zur Belehrung, sittlichen Hebung und besonders gegen die glaubenslosen, umstürzleri­schen Ideen der damaligen Zeit das Arbeiterblatt „Schacht und Hütte“ gründete. Münchmeyer gab außerdem zwei anständige Unterhaltungs-Journale heraus, für welche ich „Aus der Mappe eines Vielgereisten“ und sonstige kurze Beiträge schrieb. Auch Klara Wittburg, Robert Byr etc. waren Mitarbeiter: ich befand mich also in guter Gesellschaft. Der Verlag strebte geistig und ethisch aufwärts. Es erschienen Pater Martin von Cochem in Prachtausgabe und mit hochwürdigster bischöflicher Approba­tion, der „Familientempel zur häuslichen Erbauung“ und andere religiös und sittlich ernste Werke. Kurz, es gab keinen Grund für mich, anzunehmen, daß ich es einst bereuen werde, dieser Firma die Bitte abzuschlagen, ihr auch größere Sachen zu schreiben. Ich erfüllte diesen Wunsch mit den Erzählungen, um welche es sich hier handelt.

Daß ich diese litterarische Vergangenheit nicht zu verbergen habe, ist durch ihre Erwähnung in meinen Reisewerken erwiesen, ganz besonders aber dadurch, daß ganze Bände meiner „Reise­erzählungen“ aus dem damals Geschriebenen bestehen, ohne daß es selbst der allerstrengsten Kritik möglich gewesen wäre, mir auch nur eine einzige sittlich anfechtbare Stelle nachzuweisen.

Leider aber wurde mir dann später die Erfahrung nicht erspart, daß Münchmeyer oder irgend ein von ihm Beauftragter mein heimlicher Mitarbeiter gewesen sei. Mein äußerlicher Lebensmodus versagt mir die Zeit, die Correcturen oder gar später die fertigen Werke auf ihre Uebereinstimmung mit meinen Werken genau durchzuprüfen. Darum wurde mir nur durch den Zufall entdeckt, daß man dem, wie alle meine Leser wissen, bei mir grundsätzlichen Mangel an pikanten Liebesszenen hinter meinem Rücken abgeholfen hatte. Als ich sogar unzugehörige Einschiebungen von ganz auffallender Länge fand, warf ich dem Verleger das Machwerk vor die Füße und habe kein Wort wieder für ihn geschrieben, obgleich ich von ihm, dann von seiner Wittwe und endlich auch von deren Nachfolger wiederholt und unter lockenden Versprechungen darum gebeten worden bin.

Dieser Nachfolger, Herr Fischer, weiß gar nicht, was damals, vor so langer Zeit, zwischen mir und Münchmeyer vereinbart worden ist. Er behauptet trotzdem ohne alles Beweismaterial, diese Sachen seien mit allen Rechten und für immer in den Besitz der Firma übergegangen, und er könne sie dramatisiren, umar­beiten etc. etc. lassen, ganz wie es ihm beliebe!

Ich erfuhr dies während meiner jüngst vollendeten Reise nach Asien und Afrika und habe ihn von dort aus wiederholt und nach meiner Heimkehr auch mündlich, doch vergeblich, gewarnt. Er gibt zu, den Verlag nur meiner Sachen wegen gekauft zu haben, da alles Andere werthlos sei, und er werde so viel Geld aus ihnen schlagen, wie er nur immer könne.

Natürlich konnte ich nicht eher gerichtlich gegen ihn vorgehen, als bis es mir möglich war, die durch die Verbreitung vollendete Thatsache der rechtswidrigen Annectirung resp. Umar­beitung meiner Werke nachzuweisen. Und nun dieser Nachweis geschehen kann, habe ich keinen Augenblick gezögert, meine Rechte geltend zu machen.

Ich thue das in aller Ruhe und Kaltblütigkeit. Ich habe es nur und allein mit diesem Herrn Fischer zu thun und werde jeden mir von anderer Seite auch jetzt nach [noch] hingeworfenem [hingeworfenen] Fehdehandschuh da liegen lassen, wohin er geworfen wurde. Meinen Lesern aber, deren Liebe und Vertrauen ich besitze, weil sie mich kennen, habe ich Folgendes zu sagen:

Was Herr Fischer als „Neu! Neu!“ und mit Hülfe eines gradezu riesenkräftig arbeitenden Vertriebsmateriales an den Mann zu bringen sucht, sei hier in Beziehung auf nur eines dieser Werke gezeigt: Ich habe „Deutsche Herzen, deutsche Helden“ damals geschrieben, um den Einfluß der deutschen Volksseele auf die Seelen anderer Völker nachzuweisen; aber zwischen meinem Originale und der Fischerschen Umarbeitung ist schon rein äußerlich ein Unterschied von über 1200 Seiten, schreibe und sage eintausend und zweihundert Seiten zu constatiren:

Wie wird es da nun erst den erwähnten See­len gegangen sein!!!

Und das nennt Herr Fischer in seinen An­preisungen „Karl May’s beste und ureigenste Werke aus seiner besten Schaffensperiode!“

Ich hoffe, daß diese Angabe vollständig ge­nügt! Mehr zu sagen ist nicht hier, sondern nur vor Gericht, der einzig richtige Ort!

Diese „ureigensten“ Werke, nämlich meine Origina­le, werden nach ausgekämpftem Prozesse in einer Reihe von Bänden in meinen „Gesammelten Reiseerzählungen“ erscheinen und genau so sittlich reinen Inhaltes wie die bisherigen sein.

Der gerecht und ungehässig denkende Journalist wird es nicht dem Verfasser entgelten lassen, daß die vor 25 Jahren so aufwärts strebende Firma jetzt in andere Hände übergegangen ist: für den voreingenommenen Haß aber sind diese Zeilen nicht geschrieben!

In aufrichtigster Hochachtung bin ich, Herr Redacteur,

Ihr ergebener

Karl May.

Radebeul-Dresden, 25. März 1901.