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Andie 4. Strafkammer des Königl. Landgerichtes III  in Berlin.

Berufungssache May-Lebius16 P. 221/17 10.

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Die fast zahllosen Lebius’schen Beleidigungen gegen mich bilden eine einzige, sowohl nach ihrer Absicht als auch nach ihrer Ausführung zusammenhängende, fast lückenlose Tat. Um diese Tat begreifen und ihre fast unmenschlichen Motive taxieren zu können, muß man sich über die Geschichte dieser nie ruhenden Angriffe im Klaren sein. Indem ich diese Geschichte hiermit in den kürzesten Zügen gebe, halte ich es für notwendig, die einzelnen Punkte zu nummerieren und mit Buchstaben zu bezeichnen, damit leicht zu verfolgen sei, wie riesenhaft und doch ganz naturgemäß die kriminalpsychologischen Symptome sich entwickeln und vermehren. Diese Buchstaben bedeuten: G = gewissenlose Behauptung. W = wissentliche Unwahrheit, also Lüge. A = absichtliche Fälschung. Raff. = raffinierte Bosheit. Inf. = Infamie.

Ich reiste im Jahre 1902 im Süden und wurde am Gardasee von einer heimatlichen Postsendung erreicht, bei der sich auch eine Zuschrift eines gewissen Lebius befand, der sich in ganz überschwänglicher Weise als einen großen Kenner und Bewunderer meiner Werke bezeichnete und die Bitte aussprach, mich einmal besuchen zu dürfen. Diese Überschwänglichkeit erregte sofort meinen Verdacht. „Der will Geld, weiter nichts!“ sagte ich mir. Man hält mich nämlich für reich, obgleich ich es nicht bin, und besonders sind es notleidende Schriftsteller und Journalisten, die sich um Hülfe an mich wenden. Ich antwortete diesem Rudolf Lebius, daß ich mich jetzt im Süden befände und ihn also jetzt nicht empfangen könne. Diese Zuschrift gab ich in Riva auf die Post. Um mich als Lügner hinzustellen, behauptet Lebius jetzt in der „Berliner Korrespondenz“, daß ich damals in Prag, nicht aber im „Süden“ gewesen sei. Siehe Beilage A. Ich beginne also hier zu zählen: 1 W = Num­mer 1, wis­sentliche Unwahrheit. In derselben Korrespondenz, nur zwei Zeilen weiter oben, gesteht Lebius, daß ich ihm damals ein „völlig unbekannter Mann“ gewesen sei, und doch schrieb er mir, er kenne und bewundere mich und meine Werke. Ich registriere also 2 W = wissentliche Unwahrheit, also Lüge Num­mer 2. Und noch zwei Zeilen

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weiter oben sagt er, daß er sich infolge eines Aufsatzes der „Frankfurter Zeitung“ an mich gewendet habe. In einem seiner Schriftsätze aber behauptet er, von einer Dresdener sozialdemokratischen Zeitung zu einem Interview bei mir veranlaßt worden zu sein. Also 3 W. Und wenn er in der „Frankfurter Zeitung“ einen Artikel über den „Fall May“ gelesen hat, kann ich ihm doch sodann kein „völlig unbekannter Mann“ gewesen sein. Demnach 4 W = wissentliche Unwahrheit Num­mer 4. Und auf der letzten Zeile sagt Lebius, daß er ein Jahr später eine Einladung von mir erhalten habe. Es war aber zwei Jahre später. Ich registriere also 5 W. Wir haben demnach auf einer kleinen Alinea von noch nicht ein­mal 10 ganz vollen Zeilen fünf, sage fünf wissentliche Unwahrheiten d. i. Lügen! Dieser Anfang läßt vom Weiteren viel erwarten!

Lebius sagt pfiffiger Weise nur, daß er eine Einladung erhalten habe. Man soll denken, daß diese Einladung mir selbst entsprungen sei. Sie geschah aber als Antwort auf folgenden Brief, den er mir am 7. April 1904 schrieb:

„Sehr geehrter Herr!

Schon vor anderthalb Jahren versuchte ich, mich Ihnen zu nähern, wovon die inliegende Karte ein Beweis ist. Inzwischen habe ich hier eine neue Zeitung herausgegeben, die großen Anklang findet. Können Sie mir vielleicht etwas für mein Blatt schreiben? Vielleicht etwas Biographisches, die Art, nach der Sie arbeiten, oder über derartige Einzelheiten, für die sich die deutsche May-Gemeinde interessiert. Ich würde Sie auch gern interviewen.

Mit vorzüglicher Verehrung

Rudolf Lebius,

Verleger und Herausgeber.“

Lebius hatte also meine damalige Karte zwei Jahre lang sorgfältig aufgewahrt, um sich Eingang bei mir zu verschaffen. Er unterzeichnet sich „mit vorzüglicher Verehrung“. Ich sagte mir wieder: „Der will nur Geld!“ Die Behauptung, daß seine neue Zeitung „großen Anklang finde“, entsprach der Wahrheit nicht. Ich sollte damit geködert werden. Das sollte ein Blatt für die Christlich-Sozialen sein; er aber rühmte sich in seinen eigenen Spalten, daß er sich einen freien Schriftsteller nenne und aus der christlichen Kirche ausgetreten sei. Beweis: Beilage B. Es war also unmöglich, daß sein Blatt bestehen konnte. Es mußte zu Grunde gehen. Ich registriere also seine Behauptung, daß es großen Anklang gefunden habe, als 6 W.

Man darf den Besuch solcher Leute nicht abweisen, zumal wenn sie mit einem, wenn auch noch so kleinen Zeitüngelchen bewaffnet sind,

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sonst rächen sie sich. Ich schrieb ihm also, daß er kommen dürfe, und er antwortete am 28. April:

„Vielen Dank für Ihr liebenswürdiges Schreiben. Ihrer freundlichen Einladung leiste ich natürlich gern Folge. Falls Sie mir nicht eine andere Zeit angeben, komme ich Montag, den 2. Mai 3 Uhr zu Ihnen (Ab­fahrt 3,31).

Mit großer Hochachtung und Verehrung

Rudolf Lebius.“

Ich mache auf die „große Hochachtung und Verehrung“ aufmerksam, die er mir da heuchelt, und bezeichne sie nicht als eine neue Lüge, obgleich sie sich noch weiter wiederholt.

Er kam. Doch durfte er mich nicht interviewen. Er gesteht das im „Berliner Korrespondent“ selbst ein. Ich duldete das nicht. Er wurde von meiner Frau, die ihn empfing, nur unter der Bedingung zu mir gelassen, daß absolut nichts veröffentlich werde. Er gab erst ihr und dann auch mir sein Wort darauf. Er blieb zum Kaffee und er blieb bis nach dem Abendessen. Er sprach sehr viel; er sprach fast immerfort. Ich aber war absichtlich schweigsam. Ich sagte nur, was unbedingt nötig war. Ich traute ihm nicht und hatte, um später einen Schutzzeugen zu haben, zugleich mit ihm den Militärschriftsteller und Redakteur Max Dittrich eingeladen, der an meiner Stelle die Unterhaltung leitete.

Lebius trank viel Wein, während ich nur nippte. Er wurde um so lebhafter, je ruhiger und wägsamer ich blieb. Er gab sich alle Mühe, mich und meine Frau davon zu überzeugen, daß er „ein ganzer Kerl“ sei. So lautete sein Lieblingsausdruck, den er sehr oft brauchte. Er sprach unablässig von seinen Grundsätzen, seinen Ansichten, seinen Plänen, von seiner großen Geschicklichkeit, seinen reichen Erfahrungen und seinen ausgezeichneten Erfolgen als Journalist und Redakteur, Herausgeber und Verleger, Herdenführer und Volkstribun. Ich gebe in Beilage C eine eidesstattliche Versicherung meines Zeugen Max Dittrich über diesen Besuch des Rudolf Lebius bei mir.

Der Versuch dieses Mannes, uns zu imponieren, geschah in der Weise eines ganz gewöhnlichen, unvorsichtigen Menschen, der so von seinen eigenen Vorzügen überzeugt ist, daß er gar nicht daran denkt, andere könnten darüber lachen. Als er sah, daß nichts bei mir verfing, wurden seine Anstrengungen krampfhafter. Ich mußte von seiner Vortrefflichkeit überzeugt werden, um jeden Preis! Denn er brauchte Geld, viel Geld! Und die Hoffnung, die er auf mich gesetzt hatte, schien seine letzte zu sein! Darum offenbarte er uns in seiner Geldangst seine verborgensten Geschäfts- und Lebensgrundsätze. Er glaubte infolge des vielen Weines, uns dadurch zu gewinnen, stieß uns dadurch aber um so sicherer ab. Da ich mich hier kurz zu fassen habe, gebe ich von diesen seinen Grundsätzen nur die drei wichtigsten wieder. Nämlich:

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  1. Wir Redakteure und Journalisten haben gewöhnlich kein Geld. Darum dürfen wir uns auch keine eigene Meinung gestatten. Wir wollen leben. Darum verkaufen wir uns. Wer am meisten zahlt, der hat uns!
  2. Jeder Mensch hat dunkle Punkte in seinem Charakter und in seinem Leben. Auch jeder Arbeitgeber, jeder Beamte, jeder Polizist, jeder Richter oder Staatsanwalt hat solches Werg an seinem Roken. Das muß man klug und heimlich zu erfahren suchen. Keine Mühe darf dabei verdrießen. Und ist es erforscht, so hat man gewonnenes Spiel. Man bringt in seinem Blatte eine Bemerkung, die dem Betreffenden sagt, daß man alles weiß, doch so, daß er nicht verklagen kann. Dann hat man ihn in der Hand und kann mit ihm machen, was man will. Er gibt klein bei. In dieser Weise habe ich meinen Lesern schon außerordentlich viel genützt!
  3. Die Menschen zerfallen in sozialer Beziehung in Schafe und Böcke, in Herren und Knechte, in Gebietende und Gehorchende. Wer aufhören will, Herdenmensch zu sein, der hat das Herdengewissen bei Seite zu legen. Wenn er das tut, dann laufen alle, die dieses Gewissen noch mit sich schleppen, hinter ihm her. Es ist ganz gleich, zu welcher Herde er gehören will. Er kann von einer zur anderen übertreten, kann wechseln. Das schadet ihm nichts. Nur hat er dafür zu sorgen, daß es mit der nötigen Wärme und Überzeugung geschieht, denn das begeistert. Laufen ihm die Sozialdemokraten nicht nach, so laufen ihm die Anderen nach!

Als wir drei diese erstaunlichen Belehrungen hörten, brauste Max Dittrich einige Male zornig auf; meine Frau war still vor Erstaunen; ich aber ging hinaus, um den Ekel zu verwinden! Lebius bekam infolgedessen weder Geld noch sonst etwas von mir. Da sah er ein, daß diese beispiellose Selbstentlarvung nicht nur ganz umsonst gewesen sei, sondern daß er sich durch sie in unsere Hände geliefert hatte. Wir drei waren nun die gefährlichsten Menschen, die es für ihn gab. Er durfte uns nie vor Gericht zu Worte kommen lassen, sondern mußte alles tun, uns als unglaubhafte, eidesunwürdige Personen hinzustellen. Ich lege großen Wert darauf, dies ganz besonders zu betonen, denn

es ist der einzig richtige Schlüssel zu seinem ganzen späteren Verhalten, welches man ohne diesen Schlüssel wohl kaum begreifen könnte, weil der

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Haß dieses Mannes gegen uns drei fast unmenschlich erscheint.

Noch ehe er sich an diesem Abend mit Max Dittrich entfernte, beklagte ich mich absichtlich über die vielen Zuschriften, in denen man mich, den gar nicht reichen Mann, mit Bitten um Geld überschüttet, und tat dies in einer Weise, die jeden gebildeten ehrenhaften Mann abhalten mußte, mir mit ähnlichen Wünschen zu kommen. Schon gleich am nächsten Tag schrieb er mir folgenden Brief:

„Dresden-A., den 3. 5. 04.

Sehr geehrter Herr Doktor!

Indem ich Ihnen herzlich für den freundlichen Empfang und die erwiesene Gastfreundschaft danke, bitte ich Sie, wenn Sie die Kunstausstellung besuchen oder sonst einmal nach Dresden kommen, bei uns zu Mittag essen oder den Kaffee einnehmen zu wollen.

In einem Punkte muß ich unser gestriges Abkommen widerrufen. Ihre unentgeltliche Mitarbeit kann ich nicht annehmen. Wir zah­len 10 Pf. für die Zeile, was wohl derselbe Preis sein wird, den Sie auch von anderen Blättern erhalten haben.

Was Sie mir gestern erzählt haben, habe ich heute noch einmal überdacht. Es will mir scheinen, als ob trotz des kolossalen Absatzes Ihrer Werke der Umsatz noch erheblich gesteigert werden könnte. Meine Buchhändler- und Verlagserfahrungen haben mich gelehrt, daß der Wert einer richtig geleiteten Propaganda und direkten Reklame gar nicht überschätzt werden kann.

Meine Frau und ich empfehlen sich Ihrer werten Frau Gemahlin und Ihnen in Verehrung und Dankbarkeit ergebenst

Rudolf Lebius.“

Ich mache darauf aufmerksam, daß er mich „Doktor“ titulierte, obgleich ich ihm während seines Besuches bedeutet hatte, und zwar wiederholt, hiervon abzusehen. Er tat dies aber nicht, denn dieser „Doktor“ sollte ihm ja als Waffe gegen mich dienen.

Ich mache besonders darauf aufmerksam, daß er hier davon spricht, das der „kolossale Absatz“ meiner Werke durch Propaganda und Reklame noch erheblich gesteigert werden könne und daß er mir hierzu seine „Buchhändler- und Verlagserfahrungen“ anbietet, ohne daß ich sie gewünscht habe. Unterzeichnet ist dies mit „Verehrung und Dankbarkeit“!

Um diese Zeit schrieb Max Dittrich eine Broschüre über mich und meine Werke. Er war so unvorsichtig, das Manuskript Lebius zu zeigen. Dieser kam sofort nach Radebeul geeilt, um mich zu bitten, mich bei Dittrich dafür zu verwenden, daß dieser ihm, Herrn Lebius, das Werk in Verlag gebe. Er wurde ganz selbstverständlich mit dieser Bitte abgewiesen, und ich schrieb Herrn Max Dittrich, daß ich niemals wieder mit ihm verkehren würde, wenn es ihm einfalle, diesem Manne die Broschüre zu überlassen.

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Dieser zweite Besuch des Herrn Lebius dauerte höchstens zehn Minuten lang. Als er fort war, fehlte mir eine Photographie, die er mir entwendet hatte. Er durfte nie wiederkommen. Trotzdem hat er wiederholt behauptet, in meinem Hause vielfach verkehrt zu sein und mich sehr genau studiert zu haben.

Am folgenden Tage schrieb er mir:

„Dresden-A. 12. 7. 04.

Fürstenstraße 34.

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich möchte sehr gern die Dittrichsche Broschüre verlegen und würde mir auch die gröste Mühe geben, sie zu vertreiben. Durch den Rücktritt von der „Sachsenstimme“ — offiziell scheide ich erst am 1. Oktober d. J. aus — bin ich aber etwas kapitalschwach geworden.

Würden Sie mir vielleicht ein auf drei Jahre laufen­des 5 prozentiges Darlehen gewähren? Ich zahle Ihnen die Schuld vielleicht schon in einem Jahr zurück.

Als Dank dafür würde ich die Broschüre so lanzieren, daß alle Welt von dem Buche spricht. Ich habe ja auf diesem Gebiete besonders große Erfahrung.

Meine Zeitung kommt zu Stande und zwar auf ganz solider Basis. Nun heißt es arbeiten und zeigen, daß man ein ganzer Kerl ist usw. usw. Beste Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin! Ihr Ihnen ergebenerRudolf Lebius.“

Hier ist ganz besonders zu beachten, daß er sich mir hier als Verleger der Dittrischen Broschüre anbietet, obwohl ich ihm hierzu nicht die geringste Veranlassung gegeben habe. Auch kam ich hier gar nicht in Frage. Dittrich war ja als der Verfasser derjenige, der zu bestimmen hatte. Ich werde im Verlaufe nachweisen, daß Lebius wiederholt und bis in die neueste Zeit behauptet hat, daß nicht er sich mir, sondern ich mich ihm für diese Broschüre angeboten hat. Also Unwahrheit Nummer (9).

Sein angeblicher „Rücktritt von der Sachsenstimme“ ist Unwahrheit Nummer (10). Er ist gar nicht zurückgetreten, und darum ist es Unwahrheit Nummer (11), wenn er behauptet, daß seine „Zeitung zu Stande komme, und zwar auf ganz solider Basis.“ Durch diese der Wahrheit straff in das Gesicht schlagende Darstellung sollte ich geködert werden, ihm Geld zu geben. Ganz denselben Zweck hat es, daß er verspricht, die Broschüre derart zu lanzieren, daß „alle Welt“ von dem Buche redet. Ich antwortete gar nicht. Dieser Mann war für mich geschäftlich unmöglich. Trotzdem hat er sodann, sogar noch am 10. August 1910 in einer Hohensteiner Zeitung behauptet, ich habe ihm nicht nur die Broschüre, sondern auch noch Geld für seine Zeitung angeboten (12). Ich antwortete nicht. Ich war der Ansicht, daß jemand, der Ehre besitzt, auf ein solches Schweigen nicht weitergehen könne, zumal ich Herrn Lebius mit der Broschüre total abgewiesen hatte. Aber am 8. Au­gust schrieb er trotzdem wieder:

„Die „Sachsenstimme“ ist am 4. d. zu vorteilhaften Bedingungen an mich allein übergegangen. Ich kann jetzt schalten und walten, wie ich will. Um mich von dem Drucker etwas unabhängig zu machen, würde ich gern einige tausend Mark (3—6) auf ein halbes Jahr als Darlehn aufnehmen. Ein Risiko ist ausgeschlossen. Hinter mir stehen die jüdischen Interessentenfirmen, die mich, wie die letzte Saison bewiesen hat, in weitgehendem Maße unterstützen. Das Weihnachtsgeschäft bringt wieder alles ein. Würden Sie mir das Darlehn gewähren? Zu Gegenleistungen bin ich gern bereit. Die große Zahl von akademischen Mitarbeitern erhebt mein Blatt über die Mehrzahl der sächsischen Zeitungen. Wir können außerdem die Artikel, auf die Sie

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Wert legen, an 300 oder mehr deutsche und österreichische Zeitungen versenden und den betreffenden Artikel blau anstreichen. So etwas wirkt unfehlbar. In Dresden lasse ich mein Blatt allen Wirtschaften (1760) zugehen. Mit vorzüglicher Hochachtung

Rudolf Lebius.“

Zu derselben Zeit erfuhr ich, daß Lebius den Offenbarungseid geleistet hatte, daß er also nichts besaß, daß er den Drucker seines Blattes nicht bezahle, daß er überhaupt nur Schulden habe und daß er sogar auch Honorar schuldig bleibe. Seine Behauptung, daß er 10 Pfennige pro Zeile zahle, trage ich als 6 W ein, denn er ist wegen viel geringerer Honorarbeträge ausgepfändet worden. Wenn er behauptet, daß seine Zeitung auf „ganz solider Basis“ zu stande komme, so ist das 7 W. Er gibt ja im „Berliner Korrespondent“ (Beilage A) zu, daß er das Blatt „gern los sein wollte“! Er behauptet an derselben Stelle, daß ich ihn ersucht habe, die Dittrichsche Broschüre in Verlag zu nehmen. Das ist 8 W, denn gleich der Anfang seines Briefes vom 12. 7. 04 be­weist, daß er darum gebeten hat. In Beilage C, Seite 4 schreibt Max Dittrich, daß ich nichts von Lebius habe wissen wollen. Und ich habe bereits gesagt, daß ich den Verkehr mit Dittrich für immer aufgegeben hätte, wenn es ihm eingefallen wäre, sein Werk in den Verlag dieses Mannes zu bringen.

Daß Lebius in Beilage A behauptet, Max Dittrich sei eine alte Zuchthausbekanntschaft von mir, muß ich als 9 Raff. = als raffinierte Bosheit bezeichnen. Ich habe Dittrich 1875 in Dresden kennen gelernt. Noch schlimmer aber ist die Angabe, ich hätte mich als den Verfasser der Lobhudelei bekannt und werde Dittrich nur vorschieben: das erkläre ich für 10 Inf. = für reine Infamie. Der Schreiber, dem Dittrich die Broschüre in die Feder diktiert hat, steht als Zeuge bereit. 11 W ist es, daß Lebius die Broschüre abgelehnt habe; er wollte im Gegenteil das Manuskript gar nicht wieder an Dittrich zurückgeben, um den Verlag zu erzwingen. Und als 12 W notiere ich die Behauptung, daß diese seine Ablehnung mich in großen Zorn versetzt habe.

Um diese Beilage A gleich zu erledigen, stelle ich folgendes fest: Der „Berliner Schriftsteller“, der meine angebliche „Schwindelei“ mit dem Doktortitel „aufdeckte“, ist Lebius selbst, also 13 Raff. Einbrüche habe ich nie begangen = 14 W. Meine Anzeige gegen Lebius war keine „Phantasieanzeige“, sondern nur auf unleugbare Tatsachen gestellt = 15 W. Ich soll diese Anzeige in verschiedenen Blättern veröffentlicht haben = 16 W. Sein Blatt soll daran zu Grunde gegangen

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sein = 17 W. Hierbei verweise ich darauf, daß Lebius auch vor dem Schöffengericht in Charlottenburg behauptet hat, er sei von mir „kaput“ gemacht worden. Das ist nicht wahr. Er hat an anderer Stelle behauptet, daß nicht ich, sondern meine Frau ihn „kaput gemacht“ habe. Diese hat ihn hierüber verklagt. Ich bringe seinen Schriftsatz in Beilage D, in dem er sagt, daß diese Behauptung gar nicht von ihm stammen könne, denn er sei ja gar nicht kaput. Seine eigene Behauptung vor dem Charlottenburger Schöffengericht ist also 18 A = eine absichtliche Fälschung! Daß ich mich dem „Vorwärts als Zeugen angeboten habe, ist 19 W. Ich habe hierüber später zu berichten. Nicht ich habe Lebius nach Café Bauer eingeladen, sondern er mich und meine Frau, und zwar telephonisch, von Nikolasee aus. Also 20 A. Ich habe dort seiner Frau kein Ehrenwort abgenommen, folglich 21 W. Kahl hat keinen Artikel gegen Lebius geschrieben. Wird als 22 W registriert.

Um nun wieder auf seine Briefe zurückzukommen, in denen er Geld verlangte und sich unter großen Versprechungen, aber vergeblich bemühte, die Dittrichsche Broschüre in Verlag zu bekommen, so ist die unwahre Angabe „Ein Risiko ist ausgeschlossen“, als 23 W zu bezeichnen. Die „große Zahl der akademischen Mitarbeiter“ ist 24 W. Und die „1760 Wirtschaften“ bilden hierauf 25 W. Ich bin der Meinung, daß alle diese „wissentlichen Unwahrheiten“ eigentlich vor den Staatsanwalt gehörten, denn sie wurden geschrieben, Geld aus mir herauszulocken, während er doch weniger besaß als nichts. Ich mache auf seine Über- und Unterschriften aufmerksam: „Sehr geehrter Herr .... Mit vorzüglicher Verehrung!“ „Mit großer Hochachtung und Verehrung!“ „Sehr geehrter Herr Doktor .... In Verehrung und Dankbarkeit!“ Lebius gesteht in Beilage A, Seite 1, Zei­le 8 v. u. ein, daß ich seine Briefe trotz dieser überschwänglichen Höflichkeiten gar nicht beantwortete. Das ist wohl der beste Beweis, daß ich nichts von ihm wissen wollte und daß ich ihm die Dittrichsche Broschüre unmöglich angeboten haben kann. Als er hieraus endlich doch ersehen mußte, daß auf direktem Wege nichts mit mir zu machen sei, schrieb er nicht mehr an mich, sondern an Dittrich. So am 15. Au­gust 1904:

„Werter Herr Dittrich!

Ich gebe Ihnen für die Vermittlung ein Prozent. Mehr als 10 000 Mk. brauche ich nicht. Ich würde aber auch mit weniger vorlieb nehmen. Das Honorar sende ich am 20. d. wie verabredet.

Könnten sie nicht Dr. May bearbeiten, daß er mir Geld vorschießt?

Freundlichen GrußR. Lebius.“

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Dann am 27. August:

„Werter Herr Dittrich!

Meine Frau kommt am 1. September zu Herrn Dr. Klenke, einen kleinen Betrag kassieren. Bei dieser Gelegenheit gibt Sie Ihnen Ihr Honorar. Sie haben meine schriftliche Zusage, daß ich Ihnen 1 Prozent von dem Gelde gebe, welches Sie mir von H. B. oder Dr. M. (May) vermitteln. Sie erhalten das Geld sofort ....

Freundlichen GrußLebius.“

Er war nämlich Herrn Max Dittrich ein Honorar von 37 Mark 45 Pfennigen schuldig, welches er trotz der Kleinheit dieses Betrages nicht bezahlen konnte. Es wurde ihm daraufhin ein Spiegel gerichtlich abgepfändet. Als er von Dittrich, anstatt der 10 000 Mark von mir, eine Mahnung um diese 37 Mark 45 Pfennig bekam, schrieb er ihm am 3. September:

„Geehrter Herr Dittrich!

Ich habe Herrn Dr. med. Klenke ersucht, Ihnen 40 Mk. zu meinen Lasten gutzuschreiben. Ihr Verhalten mir gegenüber finde ich höchst sonderbar, um nicht zu sagen beleidigend.

Achtungsvoll

R. Lebius

Diesem Dr. Klenke fiel es aber auch nicht ein, die Schulden des Herrn Lebius zu bezahlen, und so kam in logischer Folgerichtigkeit am 7. September in Form einer Postkarte folgende Drohung bei mir an:

„Werter Herr!

Ein gewisser Herr Lebius, Redakteur der „Sachsenstimme“, erzählte einem Herrn, daß er einen Artikel gegen Sie schreibt. Ich habe es im Lokal gerade gehört. Es warnt Sie ein Freund vor dem Manne.B.“

Über den Verfasser und den Zweck dieser Karte war ich mir natürlich sofort im Klaren. Auch das Gutachten der vereideten Sachverständigen lautet dahin, daß sie unbedingt von Lebius selbst geschrieben ist. Jedenfalls erwartete er ganz bestimmt, daß ich auf diese Erpressung hin die 10 000 Mark zahlen werde. Gab ich sie nicht, so waren mir nicht nur der jetzt angedrohte, sondern noch weitere Racheartikel sicher und auch noch anderes dazu, was mich in Besorgnis setzen mußte. Aber ich ließ auch jetzt nichts von mir hören und sah mit gutem Gewissen dem unvermeidlichen Artikel entgegen, der am 11. September 1904 in Nummer 33 des Lebiusschen Blattes, der „Sachsenstimme“ erschien und die dreifache Überschrift hatte:

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„Mehr Licht über Karl May

160 000 Mark Schriftstellereinkommen

Ein berühmter Dresdner Kolportageschriftsteller“.

Ich gebe diesen entsetzlichen, verlogenen Aufsatz in Beilage E zur Ansicht. Dieser Mann hatte meiner Frau und mir sein Wort gegeben, nichts zu veröffentlichen. Er war sogar nur unter diesem Versprechen bei uns hereingelassen worden. Und nun veröffentlichte er doch, und zwar in welcher Weise und aus welchen Gründen! Er stellte alles auf den Kopf; er drehte alles um! Er legte uns alles, was ihm beliebte, in den Mund, und was wir wirklich gesagt hatten, das verschwieg er, um sich nicht zu blamieren. Dieser Aufsatz enthält über 70 moralische Unsauberkeiten; ich zähle aber, um nicht zu ermüden, nur die hervorragendsten auf und füge die betreffende Ziffer bei:

Ich sei ein Kolportageschriftsteller 26 W.

Ich habe 160 000 Mark Einkommen gehabt 27 A.

Jetzt aber habe ich jährlich 80 000 Mark 28 A.

Ich selbst soll ihm das gesagt haben 29 W.

Er kenne mich genau. Er habe öfters mit mir gesprochen, getrunken, gegessen 30 A.

Meine Frau habe nicht mir, sondern ihm Recht gegeben 31 A.

Ich soll ihm gestanden haben, gar keine Reisen gemacht zu haben 32 A.

Ich soll mir Marmorbüsten zum Preise von 50—60 000 Mark haben machen lassen 33 A.

Um mich als Schwindler hinzustellen, behauptet er, ich sei kurzsichtig34 Raff.

Mein Verleger habe mit einem kleinen Papiergeschäft Bankerott gemacht35 Inf.

Er spricht von „unlängst“ und von „Erkundigungen bei Fremden“, wo er doch schon vor Monaten und persönlich bei mir gewesen ist 36 A.

Er sagt die Unwahrheit über meine Leserkreise, um mich zu blamieren 37 A.

Er stellt sich, als ob er vor dem Erscheinen der Max Dittrich-Broschüre nichts von ihr gewusst habe, und hat sich doch so große Mühe gegeben, sie selbst in Verlag zu bekommen 38 Raff.

Er behauptet, diese Broschüre mache Dunst, und wollte sie doch veröffentlichen 39 Inf.

Er erklärt nur deshalb Geld von mir verlangt zu haben, um es zu dieser Broschüre zu verwenden, und war doch mit ihr schon abgewiesen, als er die 10 000 Mark verlangte 40 A.

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Er leugnet 20 Jahre meiner Schriftstellertätigkeit hinweg 41 A.

Er spricht von einem „fünfjährigen Stillschweigen“ meinerseits, und doch sind in dieser Zeit vier vollständig neue Bände von mir erschienen 42 A.

Er bediente sich das Ausdruckes: „wie er selbst mir mitteilte“, und doch habe ich ihm so etwas nie gesagt 43 Raff.

Er bezeichnet die Helden meiner Erzählungen als „Glücksritter“ und weiß doch ganz genau, dass sie Personifikationen der Menschheitsseele, des Edelmenschen, des Christentums, des Islam usw. sind 44 Inf.

Es soll mir „peinlich gewesen“ sein, dass meine Frau mich desavouiert habe. Sie hat dies aber gar nicht getan, sondern mir völlig Recht gege­ben 45 Inf.

Das ganze Gespräch mit meiner Frau hat in grad entgegengesetzter Weise stattgefunden 46 A.

Ich soll gestanden haben, nicht gereist zu sein. Und ich soll behauptet haben, mich „auf der ganzen Erde herumgetrieben“ zu haben 47 A.

Ich soll ihm eine mystische Zweiseelentheorie“ entwickelt haben 48 A.

Die „zahlreichen Amateurphotographien“ von denen er redet, sind nur vier ganz bescheidene, kleine Aufnahmen 49 A.

Meine Frau ist auf diesen Aufnahmen nicht mit zu sehen 50 A.

Er sagt: „Wie May nach dieser Anerkennung und diesem Ruhm lechzt! Ich habe ihm ganz im Gegenteil gesagt und ausführlich erklärt, daß und warum ich diesen fürchterlichen Ruhm geradezu hasse und daß ich nichts sehnlicher wünsche, als ganz unbekannt zu sein; die Menschen sollen mich in Ruhe lassen!51 Raff. Inf.

Ich befände mich auf einer schiefen Ebene, die nach abwärts führt 52 W.

Er weiß genau, weshalb ich in der Ichform schreibe, und dennoch schändet er sie 53 A.

Die 400 Mark für Professor Sascha Schneider sind nicht wahr 54 A.

Auch das von der „Karl May-Mappe“ ist nicht wahr. Ich soll dadurch als Geck, als eitler Mensch hingestellt werden 55 A.

Er nennt Max Dittrich wegwerfend „Provinzredakteur“. Dittrich war Redakteur in Straßburg, Dresden, Berlin usw. 56 A.

Er bezeichnet Max Dittrich als einen „schwer Rückenmarksleidenden“ und verwandelt das später öffentlich in ein schweres syphilitisches Nervenleiden57 Raff. Inf.

Ich soll eingestanden haben, dass Dittrichs Brochüre für mein neues Buch Reklame machen solle 58 W.

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Als das „Jugendbildnis, welches mich Ende der zwanziger Jahre“ darstellt, aufgenommen wurde, war ich fast 60 Jahre alt! 59 W.

Ich soll den Eindruck eines Schwächlings auf ihn gemacht haben! 60 A.

Ich soll einen „Kneifer tragen, den ich aber verstecke“! 61 Raff.

Die „österreichische Thronfolgerin“ ist nicht wahr 62 A.

Ich habe nie gesagt, dass man an kaiserlichen und königlichen Höfen „für mich schwärme“ 63 Raff. Inf.

Mich hat weder der Zufall noch die Not zur Kolportage getrieben. Ich habe ihr niemals angehört. 64 W. Und ich habe auch niemals skruppellos geschrie­ben 65 Inf.

Mein Verleger Fehsenfeld hat keinen Onkel; also ist das, was über diese Person gesagt wird, erdichtet, wie sie selbst 66 A.

Er sagt, ich erdichte meine Reiseabenteuer in meiner Radebeuler Studierstube 67 A.

Bei der Betrachtung dieses ersten Schmähartikels gegen mich ist der Ton auf den Umstand zu legen, daß Lebius die Dittrichsche Broschüre über mich unter allen Umständen in Verlag haben wollte, daß er sich alle Mühe gab und große Versprechungen machte, um sie zu bekommen. Nun er sie aber nicht bekam, sondern abgewiesen wurde, machte er Front nicht nur gegen mich, sondern auch gegen sie. Er gibt am Schluß der ersten Alinea seines Aufsatzes zu, daß sie die eigentliche Veranlassung zu diesem Aufsatze bilde. Auch in einer späteren Zuschrift an die Redaktion der „Dresdener Rundschau“ gesteht er ein, durch das Erscheinen dieser Broschüre zu seinen Angriffen gegen mich „provoziert“ worden zu sein. Natürlich aber nur dadurch, daß sie nicht in seinem, sondern in einem anderen Verlag erschien. Ich gebe die betreffende Rundschau-Nummer in Beila­ge F zur Ansicht.

Hatte Lebius die Absicht, mir in diesem Aufsatze zu zeigen, was alles noch kommen könne und kommen werde, falls ich mich nun nicht schleunigst bequeme, das gewünschte Geld zu geben, so äußerte das keine Wirkung auf mich. Ich zahlte nicht und antwortete nicht. Da brachte er in Nr. 44 seiner „Sachsenstimme“ ein zweites Elaborat, von dem ich in Beilage G ein Exemplar zur Ansicht stellt. Dieses Elaborat enthält folgende sehr wunden Punkte:

Er habe, ehe er mich kannte, Bücher von mir gelesen 68 W.

Ich sei ein gebrechliches Männlein. Ich messe aber 1 Meter 70 und habe 1 Meter 5 Brustumfang 69 A.

Er und ich, wir hätten Vertrauen zu einander gefaßt, als wir uns kennen lernten 70 Raff. Inf.

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Er habe über die Verlagsbedingungen der Broschüre des Langen und Breiten mit mir gehandelt, während ich ihn doch sofort abgewiesen habe 71 A.

Ich habe unausgesetzt über meine Gegner und deren Undankbarkeit geklagt 72 W.

Er habe mich gefragt, ob ich mich pekuniär an seinem Blatte beteiligen wolle 73 Raff.

Es soll mir zugemutet worden sein, im Falle des Mißerfolges der Broschüre den Verlust des Lebius zu decken! 74 Raff.

Sein Blatt sei damals noch wenig gelesen worden. Damals behauptete er, daß es „großen Anklang“ gefunden habe 75 W.

Er behauptet, von mir gefordert zu haben, zuzugeben, daß ich ein Schriftsteller Jules Verne’scher Art sei. Hätte er das getan, so hätte ich ihn augenblicklich hinauswerfen lassen 76 Raff. Inf.

Meine Frau sei ganz mit seinem Vorschlage einverstanden gewesen. Er hat es aber gar nicht gewagt, ihn zu machen! 77 Raff. Inf.

Meine „Indianergeschichten“ seien blutrünstig. Grad das vermeide ich stets. Das habe ich ihm bewiesen 78 A.

Er behauptet, ich reize ernste Leute durch krankhafte Schwindeleien 79 Inf.

Kurze Zeit darauf erschien in Nr. 46 der „Sachsenstimme“, welche ich in Beilage H deponiere, ein weiterer Artikel, aus dem ich nur die folgenden Punkte ziehe:

Ich sei ein zweiter Leo Taxil 80 Inf.

Mein Vater sei Barbier gewesen 81 A.

Ich habe Lehrer werden sollen, sei es aber nicht geworden 82 W.

Ich sei ein sinnlich veranlagter Mann 83 Inf.

Meine Bekannten hätten sich darüber gefreut, daß es mir endlich besser gehe 84 W.

Der Inhaber der Münchmeyerschen Firma, Fischer, könne ganz genau über mich Auskunft erteilen, wenn er nur wolle 85 W.

Herr Fischer habe einen ganzen Haufen alter Briefe von mir in der Hand 86 W.

Es habe eine hohe Konventionalstrafe zwischen mir und Fischer gegeben 87 W.

Meine Rechtsanwälte seien Brückner und Hientzsch 88 W.

Schon eine Woche später erschien in Nr. 47 der „Sachsenstimme“ unter dem irreführenden Titel „Amtliches Material über Karl May“, ein fernerer Aufsatz, der mir Gelegenheit zur folgenden Weiterzählung gibt:

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Die Überschrift „Amtliches Material“ enthält die Unwahrheit 89 Raff.

Ich soll Wind „ausgestreut“ haben und darum nun Sturm „einheimsen“! 90 Inf.

Ich soll in jüngster Zeit zwei Broschüren zu meiner eigenen Verherrlichung haben erscheinen lassen. Ich habe mich aber bemüht, ihr Erscheinen zu verhindern. Ich habe sogar verhindert, daß Herr Lebius die eine herausgab, was er doch gar zu gern getan hätte 91 Raff. Inf..

Ich soll die „gekränkte Unschuld“ gespielt haben 92 Inf.

Ich soll das Doktordiplom im März „dieses Jahres“ beim Ministerium eingereicht haben. Das ist unbedingt absichtliche Fälschung, denn das hierauf bezügliche Material wurde Herrn Lebius in die Hand gegeben. Er wußte, daß diese Eingabe schon früher geschehen war! 93 Raff Inf.

Er behauptet, das Ministerium habe diese Worte nicht gesagt; ich aber erkläre, daß sie aus dem Munde des Freiherrn von Welck stammen, der als Regierungsrat im Ministerium über diese Angelegenheit zu befinden hatte und als Vertreter des Ministers meine Frau in Audienz empfing 94 Raff. Inf.

Ich habe mich als Messias aufgespielt! 95 Inf.

Ich bausche den Münchmeyerprozeß über Gebühr auf 96 A.

„Ungeheuere Honoraransprüche“ ist unwahr 97 A.

Den Kolportageverlag können sich nur reiche Leute leisten? Lächerlich! 98 Raff.

Diese ganze Darstellung des Kolportageverlages ist eine einzige, große Unwahrheit, um auf meine Richter einzuwirken 99 Raff.

Ich habe nie behauptet, auf „diesen“ Gewinnanteil Anspruch zu haben 100 Raff.

Daß es sich in diesem Prozesse um „kein“ Vermögen handelt, ist unwahr 101 Raff.

Ich bringe diese Nummer 47 der „Sachsenstimme“ in Beilage J. Aus Num­mer 48 in Beilage K ist nur zu erwähnen, daß ich in einem Uhrenladen eingebrochen sein soll. Das ist nicht wahr, also 102 A.

Diese Nummer 48 kam zu Weihnacht heraus. Das war Herrn Lebius noch nicht genug. Das Fest mußte mir noch besser versalzen werden. Am „heiligen Abend“ hingen in den Fenstern der Dresdener Buchhandlungen Plakate mit großen, roten Buchstaben, welche die Aufgabe hatten, meine „Vorstrafen“ öffentlich zu verkünden. Und damit die Aufmerksamkeit der Passanten unbedingt und unweigerlich angezogen

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werde, war mein Name mit dem der Gräfin Montignoso verbunden, welche damals für alle minderwertigen Menschen die „Sensation“ des Tages bildete. Ein schreienderer Beweis, daß es sich nicht um eine literarische Tat, sondern nur um die Befriedigung einer niedrigen, persönlichen Rache handelte, kann wohl kaum erbracht werden! Ich gebe in Beilage L ein solches Plakat zur Betrachtung.

In Beilage M gebe ich ein Exemplar von Nummer 12 der „Sachsenstimme“ vom Jahre 1905. Ich habe da folgende Punkte zu numerieren:

Ich soll „Hintermann“ der „Dresdner Rundschau“ sein 103 W.

Auch Max Dittrich soll der Gewährsmann dieses Blattes sein 104 W.

Ich soll wegen Einbruchs auf viele Jahre in das Zuchthaus gekommen sein 105 A.

Ich soll im bürgerlichen Leben einen schweren Stand gehabt haben 106 Raff.

Münchmeyer soll sich meiner erbarmt haben 107 Raff.

Ich sei gar nicht Redakteur gewesen 108 Inf.

Ich soll den „kriminellen Grundzug meines Wesens“ nicht verloren haben 109 Raff. Inf.

Man könne mich als „Hochstapler auf dem Gebiete der deutschen Jugendschriftstellerei“ bezeichnen. Und doch habe ich Herrn Lebius versichert und bewiesen, dass ich gar nicht Jugendschriftsteller sein will und es auch nicht bin 110 Raff. Inf.

Er sagt, ich behaupte noch heute, meine Indianergeschichten selbst erlebt zu haben 111 Inf.

Es sei irreleitend, wenn Max Dittrich sich als Redakteur und Militärschriftsteller bezeichne 112 Raff.

Max Dittrich sei niemals Militärschriftsteller gewesen 113 Inf.

Max Dittrich werde von mir über dem Wasser gehalten 114 Inf.

„Ebensowenig wird er sagen, der Jude so und so.“ Zu uns hat er wiederholt gesagt „der Jude Herzfeld“ … 115 A.

Er habe keine Schandartikel gegen mich verfasst 116 W.

Meine „eigene Verherrlichungsbroschüre“. Die er doch selbst so gerne lanzieren wollte! 117 Inf.

Max Dittrich habe den Verlag bemogelt 118 Inf.

Nur darum habe seine Honorierung Schwierigkeiten gemacht 119 Inf.

Ferner Nr. 13 der „Sachsenstimme“ vom Jahre 1905 in Beilage N:

Er sei nicht erpicht gewesen, die Dittrich’sche Broschüre zu verlegen 120 A.

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„Herr May war eifrig bemüht, Herrn Lebius mit der Broschüre hereinzulegen!“ Man weiß aber, daß Lebius sie wollte, und ich wies ihn sofort ab, sogar persönlich und binnen 10 Minuten! 121 Raff. 

Er habe die Verlagsübernahme abgelehnt 122 Raff.

Er wäre schwer hereingefallen 123 W.

Auch Nummer 27 der „Sachsenstimme“ vom Jahre 1905 in Beilage O:

Ich soll des Kriegsbeil ausgegraben haben 124 A.

Ich behaupte, der Schrecken der Indianer zu sein 125 Raff.

Ich behaupte, daß an meinen Händen das Blut unzähliger Indianer und Angehöriger anderer unkultivierter Nationen klebe 126 Raff. Inf.

Meine Freunde behaupten, dass ich 80 000 Mk. Einkommen habe! Nur er selbst hat das getan! 127 Raff.

Meine Villa gehöre meiner Frau 128 Raff.

Ich zahle für jede Zeichnung 400 Mark 129 W.

Ich habe ungefähr 30 Bücher geschrieben 130 W.

Er habe sich nie als Gegner Karl Mays gefühlt 131 W.

Ich arbeite mit Mitteln der Brunnenvergiftung gegen ihn 132 Raff. Inf.

Ich fordere durch Selbstverherrlichung die Kritik heraus 133 Raff.

Ich habe den Angriff der „Dresdner Rundschau“ inspiriert 134 A.

Das Verhalten meines Anwaltes sei reif, von der Anwaltskammer geprüft zu werden 135 Raff. Inf.

Die erste „Selbstverherrlichungsbroschüre“ 136 A.

Und Nummer 30 der „Sachsenstimme“ vom Jahre 1905 in Beilage P:

Er habe den „Karl May-Rummel“ ein für allemal aufgeklärt 137 W.

Ich sei ein in meinem Berufe gescheitertes, schwächliches, kurzsichtiges Schulmeisterlein 138 Raff. Inf.

Ich rase vor Wut 139  Inf.

Meine Rachsucht schrecke vor keinem Mittel zurück 140 Inf.

Ich habe einen schaurigen Enthüllungsartikel in die „Rundschau“ lanziert 141 Inf.

Ich soll im „Beobachter“ gegen ihn gewütet haben 142 W.

       

Das ergibt also 142, sage und schreibe hundertzweiundvierzig „Wissentliche Unwahrheiten“, „Absichtliche Fälschungen“, „Raffinierte Bosheiten“ und „Infamien“, deren sich Herr Lebius während dieser kurzen Zeit in seiner „Sachsenstimme“ gegen mich schuldig gemacht hat!

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Ich betone ausdrücklich, daß diese Aufstellung nicht etwa alles, sondern nur eine Auswahl enthält. Ich könnte diese Ziffer trotz ihrer Höhe gut verdoppeln. Ich habe lange dazu geschwiegen, bis es nicht mehr zum Aushalten war. Da mußte ich mich endlich wehren. Ich erstattete bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Erpressung. Ich legte seine Briefe bei. Auch die drohende Karte vom 7. September 1904. Die Sachverständigen erklärten, daß Lebius sie unbedingt geschrieben habe. Die erwähnte Behörde aber war der Ansicht, daß dies nicht zureiche, eine Untersuchung zu eröffnen. Und Lebius gab sich bei seinen Auskünften die größte Mühe, mich als einen Menschen hinzustellen, dem man nicht glauben dürfe. Das Meisterstück hat er dabei abgelegt, indem er der Königlichen Staatsanwaltschaft in Dresden berichtete, daß der Wirt des Hotels auf dem Berge Sinai in Dresden gewesen sei und sich sehr schlecht über mich ausgesprochen habe. Nun weiß aber Jedermann, daß es auf dem Sinai bis heutigen Tages noch nie ein Hotel gegeben hat. Ich numeriere das als „Wissentliche Unwahrheit“ Nummer 143 und zeige damit wohl zur Genüge, was man von der Erfindungsgabe des Herrn Lebius alles erwarten kann. Ich erhob zweimal Privatklage gegen ihn. Die eine zog ich während der Verhandlung aus reinem Ekel vor dem Schmutz, in dem ich da waten sollte, zurück. Die andere brachte ihm in der ersten Instanz eine Geldstrafe von 30 Mark; in der zweiten Instanz aber wurde er freigesprochen, weil mein Anwalt krank geworden war und einen Vertreter stellte, der die Sache führte, ohne orientiert zu sein.

Das ist alles, was ich gegen die ebenso zahlreichen wie unausgesetzten Angriffe des Herrn Lebius getan habe. Gewiß wenig genug! Daß ich Berichterstattern Auskunft gab, wenn sie kamen, mich zu fragen, versteht sich ganz von selbst. Es kann mir niemand zumuten, diesen Herren aus Angst vor Herrn Lebius die Unwahrheit zu sagen. Dennoch behauptet er noch heute, daß nicht ich von ihm, sondern er von mir verfolgt und angegriffen werde. Ich bezeichne das jetzt als „Absichtliche Fälschung“ Nummer 144, auf die ich später noch zurückzukommen habe.

Selbst als er aus Dresden mit Hinterlassung einer ganz bedeutenden Schuldenlast verschwunden war, hörten seine Angriffe gegen mich nicht auf. Ich erwähne da nur den Aufsatz in der österreichischen Lehrerzeitung, durch den er zirka 40 000 Lehrer auf mich hetzte. Ich schwieg. Ich schwieg selbst dann, als er in der mehr als bekannten Wilhelm Bruhn’schen „Wahrheit“ in Berlin, die ich nicht zu charakterisieren

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brauche, weil das schon genügend durch den Strafrichter geschehen ist, einen geradezu empörenden Angriff gegen mich brachte, in dem er mich als „atavistischen Verbrecher“ brandmarkte, der wegen „fortgesetzter Einbruchsdiebstähle“ fast ein Jahrzehnt im Gefängnis und Zuchthaus gesessen habe! Er behauptete da, daß ich eine schwere, chronische Krankheit durchgemacht habe, die „offenbar kulturhemmend“ gewirkt habe. Ich lege die betreffende Nummer der „Wahrheit“ in Beilage Q zur Ansicht nieder und beweise damit, daß Herr Rudolf Lebius

ein Mitarbeiter der Bruhnschen „Wahrheit

ist. Er hat seinen vollen Namen unterschrieben. Hiermit haben wir, nachdem auf dem Dresdner Kampfplatz endlich Ruhe für mich eingetreten war, den Berliner Hinrichtungsplatz erreicht, auf dem ich von Herrn Lebius literarisch, geschäftlich, physisch und moralisch zu Tode gequält werden soll.

Ich hatte in dem großen Münchmeyerprozeß eine Frage an Lebius zu richten. Ich erfuhr, daß er in Berlin lebe, und ging mit meiner Frau dorthin, ihn aufzusuchen. Wir entdeckten seine Wohnung. Wir hörten, daß er ein neues Blatt herausgab, der „Bund“ genannt. Wir

telephonierten ihm. Er bestellte uns nach Café Bauer. Wir folgten dieser seiner Weisung. Er kam mit seiner Frau und deren Schwester. Er beantwortete meine Frage nicht. Er leugnete alles. Ich sagte ihm, daß ich sein neues Blatt sehen möchte. Das war ganz ehrlich und gut gemeint, ohne alle böse Absicht. Er aber begehrte sofort zornig auf und fragte drohend: „Haben Sie etwas vor? Dann gehe ich auf der Stelle von neuem gegen Sie los! Hier in Berlin gibt es über zwanzig Blätter wie die „Dresdner Rundschau“. Die stehen mir alle zu Gebote, wenn ich Sie totmachen will! Hier dauert das gar nicht lang!“

Ich antwortete, daß es mir gar nicht einfalle, wieder in den alten Sumpf zu steigen. Meine Frau sagte zu seiner Frau in ruhiger, freundlicher Weise, daß es die schönste Aufgabe verheirateter Frauen sei, versöhnend zu wirken und die Härten des Lebens zu mildern; dann entfernten wir uns.

Das war am 2. oder 3. September. Einen Monat später, am 1. Oktober, kam folgender Brief aus Berlin; ich war verreist:

„Geehrter Herr!

Obwohl völlig unbekannt, erlaube ich mir, bei Ihnen einmal anzufragen, ob Sie mir nähere Mitteilungen über einen Herrn Lebius, seinerzeit in Dresden, machen könnten. Genannter Herr, ehemaliger Sozialdemokrat, hat gegen mich als den seinerzeit verantwortlich -

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verantwortlich zeichnenden Redakteur des „Vorwärts“ die Privatbeleidigungsklage angestrengt. Es wird vor Gericht meine Aufgabe sein müssen, Herrn Lebius als „Ehrenmann“ zu kennzeichnen. Auf den Rat eines Dresdener Kollegen wende ich mich vertrauensvoll an Sie, ob Sie mir über diesen Herrn vielleicht einige Auskunft geben könnten. Sollte dies der Fall sein, so sehe ich Ihrer Freundlichkeit sehr verbunden entgegen.

Mit größter HochachtungCarl Wermuth,
Redakteur des „Vorwärts.“

Ich wiederhole, dass ich verreist war und also auf diesen Wunsch, selbst wenn ich gewollt hätte, nicht eingehen konnte. Am 5. April 1908, also

ein volles halbes Jahr später,

erhielt ich von der Redaktion des „Vorwärts“ eine weitere Zuschrift:

„Zu unserm Bedauern haben Sie es bisher unterlassen, sich über die gegen Sie gerichteten Angriffe des Lebius zu äußern resp. uns die notwendigen Beweismittel der ehrabschneiderischen Tätigkeit des Lebius in Bezug auf Ihre Person zur Verfügung zu stellen. Wie ich von meinem Kollegen Wermuth erfuhr, hat Ihre Frau mitgeteilt, dass Sie sich zur Zeit auf Reisen befinden und nicht in der Lage seien, uns mit dem gewünschten Material gegen Lebius zu versehen. Ich hoffe, daß Sie inzwischen von der Reise zurückgekehrt sind und nunmehr ....“

Hiermit ist wohl zur vollsten Genüge bewiesen, daß nicht ich Herrn Lebius verfolge, sondern er mich. Herr Lebius behauptet, daß ich mich damals, am Sedanstage, an ihn gemacht habe, um dem „Vorwärts“ beizustehen. Hier beweise ich, daß ich damals von jeder Beleidigungsklage noch gar nichts gewußt habe, sondern daß der „Vorwärts“ es mir erst einen Monat später mitteilte und dann aber nach wieder sechs Monaten noch gar keine Antwort bekommen hat!

Hat Herr Lebius vielleicht bei der Berliner Staatsanwaltschaft ebenso gelogen wie bei der Dresdner? War auch dort vom „Sinai-Hotel“, das es gar nicht gibt, und ähnlichem die Rede?

Und während ich jetzt, bei Ankunft dieses Briefes, Herrn Lebius sechs Monate lang geschont hatte, wo es mir doch so bequem und leicht gemacht worden war, mich an ihm zu rächen, was hatte da er getan? Mir ein Schafott gebaut, auf dem ich öffentlich hingerichtet werden sollte. Sogar die Zeit, das Datum dieser Exekution, war fest bestimmt: es war der erste April. Der Henker wünschte das so, denn wenn ich länger lebte, so war er selbst verloren.

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Bevor ich dies weiter ausführe, gebe ich als Beweisstücke folgende drei Originalbriefe des „Vorwärts“ in Beilage R:

Die beiden obenstehenden Zuschriften und eine dritte vom 4. Ok­tober, vom Redakteur Wermuth geschrieben, aus welcher deutlich hervorgeht, daß meine Frau in meiner Abwesenheit nicht auf die Zeugenschaft gegen Lebius eingegangen ist, sondern geantwortet hat, daß sie sich bei einen „Kenner“, also einem Rechtsanwalt erkundigen werde. Das Resultat war dann eben, daß wir volle sechs Monate schwiegen.

Hiermit ist ein- für allemal bewiesen, daß es mir nicht eingefallen ist, Lebius zu verfolgen. Ich bin an diesem Vorwurf völlig unschuldig.

Nämlich Herr Lebius hatte den „Vorwärts“ wegen Beleidigung verklagt, und der „Vorwärts“ hatte mich, natürlich ohne erst viel zu fragen, als Zeugen angegeben. Das Gewissen des Lebius sagte ihm, daß er von diesem Zeugen wohl nicht viel freundliches zu erwarten habe. Ja, es kam ihm sogar der Gedanke, daß ich von dieser Zeugenschaft schon im Café Bauer gewußt habe. Das erzürnte ihn. Er schickte seine Frau zu meiner Frau nach Radebeul, um mir zu drohen. Meine Frau wünschte diese Zusammenkunft in meinem Hause; aber darauf ging Frau Lebius nicht ein. Sie entschloß sich für ein öffentliches Lokal, weil sie da wieder eine Schwester als „Zeugin“ mitbringen konnte, da es, wie bereits zweimal gesagt, „Schurken gibt, aus deren Mund oder Feder dann alles anders klingt, als es in Wirklichkeit geklungen hat“. So ist es denn auch gekommen. Meine Frau wurde als Zeugin vernommen, und die Schwägerin des Herrn Lebius wurde vernommen. Beide haben gegenteilig ausgesagt, und beide haben ihre Aussagen beschworen. Eine von ihnen hat also gewissenlos geschworen, und Gott wird Richter sein! Meine Frau, deren Gewissen ich kenne, sagt mir, Frau Lebius sei von ihrem Manne sehr gut instruiert gewesen und habe verlangt, ich solle beschwören, daß jene Erpresserkarte nicht von Lebius sei. Da wir aber heut mehr als je davon überzeugt sind, daß er sie geschrieben hat, so ist seine Gattin ganz unverrichteter Sache zu ihm nach Berlin zurückgekehrt.

Als er erfuhr, daß dieser Versuch mißlungen sei, sah er sich ganz selbstverständlich auf den alten, vertrauten Trick zurückgewiesen, mich — — — eidesunwürdig zu machen. Er beschloß, dies durch die Herausgabe einer Broschüre zu tun, deren Inhalt, ganz gleich, ob wahr oder unwahr, absolut tödlich für mich sein mußte. Daß das mit der Wahrheit nicht zu erreichen war, verstand sich ganz von selbst. Es mußte gelogen werden, und zwar viel und völlig ungeniert. Da das aber für Herrn

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Lebius zu gefährlich war, sah er sich nach einem Strohmanne um, der ihn und Karl May noch nicht kannte und unerfahren, vertrauensselig und bedürftig genug war, sich für einige Hundert Mark völlig ungeahnt in die ganz sicher zu erwartende Gefängnisstrafe stürzen zu lassen. Er fand ihn in einem gewissen Herrn F. W. Kahl aus Basel, zog ihn in sein Netz und umspann ihn derart mit Selbstvergötterungs- und Lügenfäden, daß der junge, völlig ehrliche Mann es fast für eine Ehre hielt, sich in den Dienst eines so bedeutenden, geistig, sozial und auch juristisch hervorragenden Mannes stellen zu dürfen.

Herr Lebius ging, wie überhaupt und immer, auch hierbei außerordentlich schlau und raffiniert zu Werke. Er verschwieg anfänglich, daß es sich nur um eine Broschüre gegen mich handle. Er machte dem jungen Manne weis, daß er ein wissenschaftliches Werk über berühmte resp. berüchtigte Männer schreiben solle. Er nannte ihm Namen derselben; darunter befand sich auch der meinige. Aber als Kahl sich an das Werk machte und täglich seine Instruktionen erhielt, lauteten diese so, daß nach und nach alle diese „Berühmten und Berüchtigten“ verschwanden und nur Karl May allein übrig blieb. Aus dem „wissenschaftlichen“ Werke aber sollte ein Pamphlet allerniedrigsten und allergefährlichsten Ranges werden. Kahl erkannte das von Tag zu Tag immer deutlicher. Er begann zu ahnen, daß er in aller Liebenswürdigkeit in das Verderben geführt werden solle. Als er das Herrn

Lebius zu verstehen gab, hielt dieser es für geraten, ihm den ganzen Zweck der Broschüre einzugestehen. Er gab folgendes zu:

Lebius hat den Redakteur des „Vorwärts“ wegen Beleidigung verklagt.

Der „Vorwärts“ hat Karl May als Zeugen gegen Lebius angegeben.

Darum ist es für Lebius notwendig, Karl May kaput zu machen.

Um das zu erreichen, gibt er die hier in Arbeit liegende Broschüre heraus.

Der Termin, in dem Karl May als Zeuge verhört wird, findet anfangs April statt.

Darum muß die Broschüre ganz unbedingt bis zum 1. April fertig zum versenden sein.

Wenn die Broschüre erst später fertig wird, hat sie keinen Zweck; dann braucht man sie überhaupt gar nicht erst zu schreiben.

Sie wird an die Zeitungen versandt, die darüber berichten. Das soll auf die Richter wirken.

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Sie wird auch den Richtern direkt vorgelegt. Sobald dies geschieht, ist May als Zeuge kaput.

Als der bisher ehrliche, junge Mann das hörte, wurden seine Bedenken noch größer, als sie vorher gewesen waren. Als er diese äußerte und seiner Besorgnis, gerichtlich bestraft zu werden, Ausdruck gab, stellte Herr Lebius ihm folgendes vor:

Wir Schriftsteller stehen überhaupt und stets mit einem Fuße im Gefängnisse.

Bestraft zu sein, ist für uns eine gute Reklame. Auch ich bin schon oft vorbestraft.

Sie brauchen sich vor dem Gericht gar nicht zu fürchten. Sie sind noch nicht vorbestraft, Sie dürfen schwören. May aber darf nicht schwören.

May steht unter Polizeiaufsicht. Es ist ihm verboten, in einer Stadt zu wohnen. Darum wohnt er in Radebeul.

Ich bin ein grosses, forensisches Talent. Wenn ich anfange, zu sprechen, sind die Richter alle mein!

Wenn man in einem Prozesse steckt und man schreibt eine solche Broschüre, das wirkt ungeheuer bei den Richtern!

Die Frau May hat mich mit Tränen in den Augen um Gnade für ihren Mann gebeten.

May muss durch die Brochüre totgemacht werden. Alles übrige ist Beiwerk, um den wahren Zweck zu verschleiern!

Die Folge von diesen und ähnlichen sonderbaren Expektorationen war, daß Herr Kahl beschloß, sich von dieser Sache zurückzuziehen. Er verbot Herrn Lebius, etwas von ihm zu drucken oder gar etwa seinen Namen für diese Broschüre zu mißbrauchen. Er richtete ganz dasselbe Verbot auch an den Verleger. Er glaubte, damit ganz sicher aus diesem Sumpfe wieder herausgestiegen zu sein. Aber er kannte Herrn Lebius und dessen Unverfrorenheit noch nicht. Die Broschüre erschien, und zwar genau zum Hinrichtungstage, am ersten April. Ihr Titel war:

Karl May,

ein Verderber der deutschen Jugend

von

F. W. Kahl-Basel.

Herr Kahl erfuhr erst durch eine Schweizer Zeitung, daß die Broschüre doch noch erschienen sei und zwar unter seinem Namen. Er tat sofort die geeigneten Schritte. Der von Herrn Lebius gefürchtete

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Termin, an dem ich als Zeuge vernommen werden sollte, hat nicht stattgefunden. Ob er den Herren Richtern die Broschüre dennoch vorgelegt hat oder nicht, ist mir unbekannt. Aber an die Zeitungen versandt hat er sie schleunigst, und zwar mit Waschzetteln, Begleitworten usw. von deren verleumderischer — — — Niederträchtigkeit, hätte ich fast gesagt, man eine Ahnung bekommt, wenn man nur folgende Zeilen liest, die er an die „Neue Züricher Zeitung“ schickte:

„Herr May hat sich an mir dadurch gerächt, daß er durch Verleumdungen meine wirtschaftliche Stellung untergrub und mich in den Bankrott trieb. Sobald ich in einer andern Stadt festen Fuß gefaßt hatte, erschien er wieder auf der Bildfläche, um dasselbe Manöver zu wiederholen. Dabei liebt er es, bevor er zu einem neuen Schlage gegen mich ausholt, mich jeweils in meiner Wohnung aufzusuchen und mit tränenden Augen um Frieden zu bitten.“ Hierauf erkläre ich:

Die „wirtschaftliche Stellung“ des Herrn Lebius konnte überhaupt von keinem Menschen untergraben werden; sie hatte niemals Untergrund 145 W.

Herr Lebius soll mir einen einzigen Zeugen dafür bringen, daß ich ihn in den Bankrott getrieben habe 146 W.

Herr Lebius mag mir die Städte nennen, in denen ich erschienen bin, um dieses Manöver zu wiederholen 147 Raff.

Herr Lebius mag sagen, welches die Schläge sind, zu denen ich ausgeholt habe 148 Inf.

Ich bin niemals in irgend einer Wohnung des Herrn Lebius gewesen 149 W.

Er hat niemals eine Träne in meinem Auge zu sehen bekommen 150 Inf.

Ich habe ihn nie um Frieden gebeten 151 Inf.

Ich gebe in Beilage S eine Broschüre „Der gelbe Sumpf“, in welcher auf Seite 23 diese raffinierten Lügen zu lesen sind.

Und ich halte es für das beste, die verwerflichen Punkte des Lebiusschen Machwerkes schon jetzt hier aufzuzählen. Ich gebe hierzu in Beilage Sch ein Exemplar zum Nachschlagen.

Schon der Titel, „ein Verderber der deutschen Jugend“, sagt die Unwahrheit 152 W.

Auch der Name Kahl ist unwahr 153 A.

Der Äquivalentsatz soll Gültigkeit auf mich haben 154 Raff. Inf.

Will ehemaliger eifriger Mayleser sein 155 W.

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Sagt, er erkläre sich mit dem Artikel in der „Wahrheit“ nicht vollständig einverstanden, und ist doch selbst der Verfasser! Schwindel! 156 A, Raff.

Hierzu gehören die Karl Mayschen Reiseschriften 157 Inf.

Blutrünstigkeit 158 W.

Atavistischer Charakter! 159 Inf.

Schwere chronische Krankheit 160 Raff. Inf.

Ich ein Leo Taxil! 161 Inf.

Durch mich zum Narren gehalten 162 Raff.

Wahrheit verschleiert 163 Inf.

Ich sei abgetan. Lächerlich! 164 A.

Ich wende mich an die Unbefähigten 165 Raff.

Lehrer und Erzieher beschäftigen sich überhaupt nicht mit mir 166 A.

Sie seien falsch unterrichtet 167 A, Raff.

Will mich als Volks- und Jugenderzieher hinstellen 168 Raff.

Sucht das mit allen möglichen Mitteln zu erreichen 169 Inf.

Jugendverführung 170 Raff. Inf.

Wirkung der Mayliteratur 171 Raff. Inf.

Soll dem Mörder ein Rezept gegeben haben 172 Raff. Inf.

Ich preise mich als Wohltäter der Menschheit 173 Inf.

Die „Briefsammlung“ soll öffentlich ausgestellt gewesen sein! 174 Raff. Inf.

Frankfurter Zeitung soll den Schleier von mir weggezogen haben 175 W.

Ich soll nicht einmal das „Geographiebuch“ genügend studiert haben! 176 A.

Ich schreibe geographische Böcke 177 A.

Die „Sachsenstimme“ sei ein Leipziger Blatt! Infame Fälschung! Er selbst gab sie in Dresden heraus. Siehe Zeuge Kahl! 178 Raff.

Pag. 15 Aufzählung Punkt 1—4 enthält in Punkt 3 ei­ne raffinierte Fälschung 179 Raff.

Der „edle, fromme“ Dichter der Himmelsgedanken 180 Inf.

Der „grosse, edle Dichter“ 181 Raff. Inf.

Soll eine Reise gemacht haben, und zwar mit einer Reiseagentur! 182 A, Raff. Inf.

Ich soll mich gern an Plätzen aufgehalten haben, die von der Kultur beleckt sind 183 Raff.

Wilde, blutige Abenteuer! 184 A.

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Der Boden sei mir abgegraben worden 185 W.

Ich soll eingesehen haben, dass manche Positionen verloren seien 186 Raff.

Ich soll den Rückzug angetreten haben, und zwar selbst 187 Raff.

Ich soll 1898 meine persönlichen Reiseerlebnisse erzählt haben 188 A.

Es soll keine Literatur in den Indianerdialekten geben 189 Inf.

Professor Schumann soll das nachgewiesen haben 190 Inf.

Ich soll als katholischer Schriftsteller schreiben 191 A.

Ich soll diese Position geändert haben 192 A.

Sie sollen für mich so wichtig gewesen sein 193 Raff.

Meine Reisen sollen „auf einmal“ figurisch sic!) oder allegorisch geworden sein 194 Inf.

Katholischer Protestant 195 A.

Ich habe mich für einen katholischen Schriftsteller ausgegeben 196 A.

Ich sei deshalb empfohlen worden 197 A.

Ich soll Schleichwege gegangen sein 198 A.

Es sei mir nachgewiesen worden, dass ich protestantisch sei 199 Raff.

Die ganze katholische Presse sei von mir abgefallen 200 A.

Die Art und Weise, wie ich meine Leser zu „gewinnen“ suche 201 Inf.

Ich sei nicht aufrichtig 202 A.

Ich habe mich in eine Lügenburg verschanzt. Hier zeige ich die seinige! 203 Raff. Inf.

Die Wahrheit habe dieses Gebäude zerstört 204 Inf.

Ich habe Schwindel für gute Arbeit ausgegeben 205 Inf.

Ich habe die Öffentlichkeit jahrzehntelang irregeführt 206 Inf.

Meine Arbeiten seien böse Taten 207 Raff.

Seine Broschüre setze meine Qualität als Mensch und Persönlichkeit in das richtige Licht 208 W.

Diese Menschen versuchten, Licht in das Dunkel zu bringen 209 W.

Ich sei ein „lauernder Feind“, ein Brunnenvergifter 210 Raff. Inf.

Beilage Sch

Um diese Schmähschrift durch Beweise zu widerlegen, bedarf es einer eigenen, größeren Beilage, die ich als „Beilage 100 bezeichnen werde. Ich gebe sie nebenbei, um zu zeigen, welch ein Virtuos Lebius darin ist, Gutes in Böses zu verkehren und dieses von ihm selbst geschaffene

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Böse dann als Beweis gegen mich auszuspielen. Für jetzt genügt es, einige Stellen der Broschüre zu betonen, aus denen die Kampfesweise des Herrn Lebius sich genügend erkennen läßt.

Ich verweise zunächst auf die kurze, zweite Alinea der Einleitung. „Die Wahrheit“, Berlin, vom 30. Ju­ni 1906, brachte folgenden Artikel mit dessen Folgerungen ich mich im übrigen nicht vollständig einverstanden erkläre“. Hier tut er, als ob dieser Artikel ihn gar nichts angehe, und doch ist er selbst der Verfasser, hat ihn mit seinem vollen Namen unterschrieben, wie in Beilage G nachgewiesen wird. Um die Leser zu täuschen, verleugnet er sich also selbst, begeht eine Felonie gegen sich selbst, durch welche er zeigt, daß ihm jedes Mittel recht und billig ist, und sei es auch noch so verwerflich.

Ich verweise ferner auf Sei­te 15, auf deren oberster Seite er sein eigenes, von ihm selbst in Dresden gegründetes Dresdener Blatt „ein Leipziger Blatt“ nennt. Vom Zeugen Kahl nach dem Grunde befragt, antwortete er, er tue das, um nicht als Verfasser der angezogenen Stellen entdeckt zu werden. Also er zitiert gegen mich etwas, was er selbst geschrieben hat, und um zu vertuschen, daß er als sein eigener Zeuge auftritt, fälscht er den Erscheinungsort seines Blattes! In dieser und ähnlicher Weise gehen die Unwahrheiten und Fälschungen durch das ganze Machwerk hindurch. Ja, er fälscht sogar sich selbst! Er zitiert auf Sei­te 15 das, was die „Sachsenstimme“ vom 29. Juli 1905 über mich gebracht hat, und setzt dem Punk­te 3 vier volle Zeilen zu! Mehr brauchen wir hier jetzt wohl nicht!

Er schickte, um mich „vor den Richtern kaput zu machen“, wie Zeuge Kahl bestätigen wird, diese Broschüre in alle Welt hinaus. Ich erlangte eine einstweilige Verfügung gegen sie. Sie durfte nicht weitergedruckt und weiterverbreitet werden. Und ich erhob Privatklage wegen Beleidigung gegen ihn. Diese Privatklage konnte nicht zur Verhandlung kommen, weil mein Rechtsanwalt alle meine Beweise, und deren waren weit über hundert, verloren hatte. Sie fanden sich erst dann, als es zu spät war, bei ihm wieder. Ich war also gezwungen, auf die Vergleichsvorschläge, welche der Vorsitzende machte, einzugehen. Lebius nahm alle seine Anwürfe gegen mich, materielle wie formelle, zurück, drückte sein Bedauern aus, mich angegriffen zu haben, und versprach, mich von nun

an in Ruhe zu lassen. Das tat er durch seine Unterschrift. Es war mir unmöglich, einem solchen, vor Gericht gegebenen Versprechen nicht zu glauben. Und doch war es eine Untreue und Gewissenlosigkeit sonder gleichen, daß er mir dieses Versprechen gab, denn er konnte es mit nicht anders geben, als in der Absicht, es nicht zu halten. Er hatte sich

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nämlich mit meiner geschiedenen Frau in Verbindung gesetzt. Sie fühlte, wie meist alle geschiedenen Frauen, eine unverständige Schärfe gegen ihren geschiedenen Mann; die trachtete er, für sich auszunutzen. Er suchte sie in Weimar auf, wo sie wohnte. Sie lebte da ruhig und zufrieden von einer Rente von 3000 Mark, die ich ihr gab, obgleich ich ihr nichts zu geben brauchte, weil sie die Alleinschuldige war. Auch hatte ich sie in jeder Weise reichlich ausgestattet. Da kam dieser Mann zu ihr und entlockte ihr alle ihre Selbsterbitterung, um daraus mit Hülfe seiner eigenen Hinzufügungen und Verdrehungen einen Strick für mich zu fertigen. Er versprach ihr ebenso heilig und teuer, wie damals mir, daß nichts, gar nichts veröffentlicht werde, ging aber sofort hin und schrieb für seinen „Bund“ vom 28. März 1909 einen Aufsatz unter der Überschrift „Ein spiritistisches Schreibmedium als Hauptzeuge der „Vorwärts“-Redaktion. Mit diesem angeblichen Schreibmedium war meine jetzige Frau gemeint. Ich gebe diesen Aufsatz in der Beilage St. zur Ansicht und zähle folgende sehr dunkle Punkte auf:

Die „Genossin“ Klara May. 211 Raff.

Die Frau des bekannten Indianertöters. 212 Raff.

Der „Genosse“ Karl May. 213 Raff.

„Unter ihrem Eide“. 214 A.

Meine Frau schreibe dauernd für den Vorwärts. 215 Inf.

Meine Frau schreibe dauernd für die Metallarbeiterzeitung. 216 Inf.

Meine Frau bringe ungereimte Beschuldigungen gegen Lebius vor. 217 W.

Er stütze sich hierbei auf Aktenmaterial. 218 W, A.

„Genossin May“, wegen Meineides und Betruges. 219 A, W, Raff. Inf.

Sein „Geschäft stand auch nicht allzubest“. 220 Raff. Inf.

May wurde mit Leib und Seele Spiritist“. 221 Inf.

Ich habe das der Öffentlichkeit verborgen. 222 Raff.

Ich fürchtete die katholische Geistlichkeit. 223 Inf.

Zupfen am Ärmel von Geisterhand. 224 A.

Die Plöhn horchte die Emma May aus. 225 Inf.

Ich soll Tausendmarkscheine geschenkt haben. 226 W.

Ich soll Wirtschaftsgeld gegeben haben. Es gab keines. Diese „Ersparnisse“ sind Schwindel. 227 W.

Ein Brief mit dem Befehle, Herrn Plöhn 20 000 Mark auszuhändigen. 228 Raff. Inf.

Frau Emma habe aufs Wort gehorcht. 229 A.

Die Plöhn sei immer kühner geworden. 230 Raff. Inf.

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In kurzer Zeit hatte sie die ganzen 36 000 Mark der Emma May in ihrem Besitz. 231 Raff. Inf.

Alles, was ich meiner Frau schenkte, hätte ich auch der Plöhn geschenkt. 232 W.

„Kleider, Schuhe, Hüte brauchte die Plöhn nicht mehr zu kaufen“. 233 W.

In der Nachbarschaft hieß es sehr bald, Karl May habe zwei Frauen. 234 Raff. Inf. W.

Herr Plöhn lächelte duldsam dazu. 235 Inf.

Es sei für ihn auch reichlich etwas abgefallen. 236 Raff. Inf.

Frau Plöhn langweilte sich in Radebeul. 237 Raff. Inf.

Geisterbefehl zur Fahrt nach München. 238 Raff.

Ich sei zurückgekehrt. 239 W.

Nochmals eine Orientreise. 240 W.

Fast täglich für 10 bis 20 Mark Blumen nach dem Grabe. 241 W.

Jährliche Rente von 3000 Mark. 242 Inf.

Geschlechtsverkehr mit meiner Frau verbieten. 243 Raff. Inf.

Ich sei mit der Plöhn eine Gewissensehe eingegangen. 244 Inf.

Im ersten Wagen saßen May und die Plöhn umschlungen. 245 Inf.

Frau Emma zu Tode vergrämt. 246 Raff.

„Karl und ich werden uns heiraten.“ 247 Inf.

„Wir sind tot, tot, tot!“ 248 Raff. Inf.

Ich wiederholte diese Szene in noch brutalerer Weise. 249 Raff. Inf.

Unsere „Vergnügungsfahrt als Ehepaar“. 250 Raff. Inf.

Strengsten Befehl an die Emma May, zu bleiben. 251 W.

Sie blieb und wagte nicht, sich zu rühren. 252 Inf.

Im Jenseits würde sie wieder mit ihrem Manne vereinigt sein. 253 Raff.

Im Diesseits gehöre er mit samt seinem Gelde der Plöhn. 254 Inf.

Am 9. März floh Emma May nach Dresden. 255 W.

Es wurde ihr „befohlen“, alle belastenden Schriftstücke herauszugeben. 256 W.

Es wurde ihr „befohlen“, sich in Weimar niederzulassen. 257 W.

May setzte ihr eine kleine Rente aus. 258 A.

Diese Plöhn schreibe jetzt Artikel gegen Lebius. 259 W, Raff.

Es ist geradezu ein unglaublicher Schmutz, der da über mich und meine jetzige Frau ausgegossen wird und zwar mit raffinierter Benutzung

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und Bearbeitung der Bitterstoffe, die im Gemüte geschiedener Frauen vorhanden sind. Als das arme, unglückliche Weib das las, erschrak sie. Er schwieg also nicht! Er hatte nicht Wort gehalten! Sie eilte sofort zu ihm nach Berlin, um ihn zur Rede zu stellen. Er behielt sie gleich dort. Er übergab sie seinem Schwager Heinrich Medem, einem früher gewesenen Rechtsanwalt und Notar, der vereint mit ihm ihr Beistand wurde. Beide veranlaßten sie zunächst, auf ihre 3000 Mark Rente zu verzichten, und zwangen sie sodann, ihre Pretiosen zu versetzen, damit es „nach außen einen besseren Eindruck mache“. Das heißt doch wohl, damit man denken möge, daß ich es sei, der diese Frau in solche Armut und solches Elend gestürzt habe! Das hat Lebius in seinem Briefe an die Kammersängerin vom Scheidt, welcher der Gegenstand der vorliegenden Privatklage bildet, wörtlich eingestanden, und der Vorsitzende der ersten Instanz hat ihn gelobt, indem er öffentlich sagte: „Das ist sehr edel von Ihnen!“

Lebius hat dieser Frau, als sie nun ohne alles Einkommen war und vor dem Nichts stand, eine Rente für das ganze Leben von monatlich 100 Mark versprochen, er, der wegen zwei oder drei Mark vergeblich ausgepfändet worden ist! Sie hat es ihm zunächst geglaubt; er aber hat sehr wohl gewußt, daß dieses Versprechen nicht rechtsverbindlich war. Nichts als Betrug und Spiegelfechterei! Sie borgte bei Bekannten 500 Mark, um leben zu können. Von ihm aber bekam sie nach und nach nur 200 Mark, aber nicht etwa geschenkt, sondern nur geliehen, denn als er merkte, daß sie von ihm weg und wieder zu mir strebte, drohte er ihr, sie wegen dieser 200 Mark um 300 Mark zu verklagen.

Und was hatte sie davon, daß sie auf ihr ganzes Einkommen verzichtete, daß sie aus ihren schönen, wohlgeordneten Verhältnissen in die schmutzige Not und Sorge sprang, daß sie sogar ihre Kleinodien verkaufte und versetzte? Nichts, weiter gar nichts, als daß sie das Rachewerkzeug des Herrn Lebius wurde, daß er sie abrichtete, so über mich zu denken, zu sprechen und zu schreiben, wie es ihm beliebte, und daß sie ihm und seinem Schwager Medem in jeder Beziehung gänzlich in die Hand gegeben war. Denn als ich infolge des obigen Artikels im „Bund“ gezwungen war, meine geschiedene Frau zu verklagen, machten Lebius und Medem ihr die Schriftsätze ganz so, daß Lebius für seine Angriffe gegen mich den ganzen Nutzen davon hatte und sie dabei Dinge unterschreiben mußte, von deren Zweck und Tragweite sie keine Ahnung besaß! Es kam vor, daß sie unter Tränen sich sträubte, einen derartigen Schriftsatz zu unterschreiben. Man zwang sie aber doch! Bis sie endlich doch einsah, daß es unmöglich auf diesem Wege und in dieser Weise

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weitergehen könne, wenn sie nicht vollständig zu Grunde gehen wolle! Sie wendete sich an mich und bat um Verzeihung. Mich erbarmte das arme, verführte Weib. Ich nahm den Strafantrag und den Beleidigungsprozeß gegen sie zurück. Und nun erfuhr ich, in welch raffinierter Weise sie von Lebius aus ihrer sicheren, ruhigen Position zu ihm hinübergelockt worden war, um wirtschaftlich vernichtet und moralisch ausgebeutet resp. gegen mich ausgespielt zu werden. Er sagt in seinem Briefe, welcher den Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens bildet:

„Auf Anraten meines Rechtsanwaltes habe ich allerdings im Hinblick auf meine gerichtliche Einigung mit May verlangt, daß Frau Emma erst einen Teil ihrer Schmucksachen versetzt, weil das nach außen hin einen bessern Eindruck macht.“

Also weil ich mich gerichtlich mit ihm geeinigt habe, weil er mir seine Beleidigungen gerichtlich abgebeten hat und weil er gerichtlich versprochen hat, mich nun für immer in Ruhe zu lassen, also darum, „im Hinblick darauf“ mußte die Frau nun ihre Kleinodien versetzen, damit man mich als den Schurken bezeichne, durch den sie in solches Elend getrieben worden sei! Wie nennt man so ein Verhalten? Etwa nicht raffiniert und nicht infam? Und nachdem er sie in dieser Weise um ihre ganzes, früheres Einkommen und um ihre Schmucksachen gebracht hat, schreibt er in diesem seinem Briefe: „Ich habe auch durch meinen Syndikus Herrn Geheimrat Ueberhorst Schritte vorbereiten lassen, um wieder zu meinem Gelde zu kommen! Gibt es hier überhaupt einen Ausdruck, durch den man im Stande wäre, die Lebiussche Denk- und Handlungsweise erschöpfend zu charakterisieren?

Diese arme, von Lebius in fast jeder Beziehung vollständig ausgezogene Frau ist nicht etwa die erste oder einzige geschiedene Frau, deren er sich bemächtigt, um seine Zwecke zu erreichen. Es ist vielmehr eine ganz besondere taktische Gewohnheit von ihm, geschiedene Frauen gegen ihre Männer auszuspielen. Das eklatanteste Beispiel hiervon ist der Fall „Max Dittrich“. Indem ich ihn hier kurz erwähne, bitte ich um ganz besondere Aufmerksamkeit, weil er für die Beurteilung des Herrn Lebius von allergrößter Wichtigkeit ist.

Ich hatte bekanntlich, als dieser Herr seinen Besuch bei mir machte, den Redakteur und Militärschriftsteller Max Dittrich als Zeugen dazu geladen, aus Mißtrauen und Vorsicht, um gegen etwaige spätere Lügen und Schwindeleien des Herrn Lebius durch eine vollgültigen Zeugen geschützt zu sein. Herr Dittrich war damals vom Anfang bis zum Ende anwesend und hatte jedes von mir gesprochene Wort gehört. Einen

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solchen Zeugen gegen sich zu haben, wurde Herrn Lebius mit der Zeit immer peinlicher, immer gefährlicher. Er beschloß darum, ihn eidesunwürdig zu machen, also ganz dasselbe, was er auch bei mir getan hat und noch heute tut. Es ist das, wie sich später zeigen wird, ein persönlicher Trick von ihm, den er für unfehlbar hält — — — eidesunwürdig machen!

Er befolgt dabei den Grundsatz, den er uns während seines Besuches bei uns vortrug: Jeder Mensch, jeder Polizist und Richter, jeder Beamte hat Werg am Rocken, hat eine Schuld auf sich, die er verheimlichen muß. Man muß das entdecken und in die Zeitung bringen; dann wird man Herrscher und als „tüchtiger Kerl“ bekannt. So tat Herr Lebius auch hier. Die erste Frau Max Dittrichs war gestorben; von der zweiten Frau hatte er sich scheiden lassen; jetzt war er infolge eines Schiffsbruches, bei dem er nur gefährlich verletzt dem Tode entging, schwer nervenkrank geworden. Das gab ein hochinteressantes Material, aus dem sich jedenfalls etwas machen ließ! Herr Lebius ging also aus, um nach dem „Werg am Rocken“, nach der „heimlichen“ Schuld und Sünde zu suchen. Er forschte überall, schriftlich, mündlich, persönlich. Er stellte sich überall ein, wo er glaubte, etwas erfahren zu können. Er scheute sich nicht, sogar zu Dittrichs Verwandten zu gehen. Er schlich sich zu Dittrichs alter Schwägerin, zu Dittrichs Neffen und Nichte, sogar zu Dittrichs zweiter Frau, die wieder verheiratet war und in glücklicher, stiller Ehe lebte. Er forschte sie aus, ohne daß sie ahnten, warum und wozu. Sie antworteten vertrauensvoll und unbefangen. Aber als er plötzlich zu ihrem Entsetzen die Worte „Gericht“ und „Eid“ fallen ließ, da fühlten sie die Krallen, in die sie geraten waren. Sie hatten nichts Böses sagen können und baten, sie aus dem Spiele zu lassen. Er versprach es ihnen. Besonders entsetzt über die Aussicht, in diesen Lebiusschen Schmutz verwickelt zu werden, war Dittrichs zweite Frau. Ihr jetziger Mann war ein lieber, guter, aber in Beziehung auf die „Ehre“ sehr streng denkender, unerbittlicher Herr. Seine Frau in solcher Angelegenheit an Lebius‘ Seite, das wäre unbedingt von den schwersten Folgen für ihn und sie gewesen! Sie bat also Lebius, sie ja nicht mit darin zu verwickeln, und er scheute sich nicht, es ihr hoch und heilig zu versprechen. Dann aber ging er schleunigst hin und brachte in Num­mer 12 seiner „Sachsenstimme“ einen Bericht, dem ich nur einige Punkte entnehme, die nicht einmal die schlimmsten sind, nämlich:

„Max Dittrich hatte von seiner ersten Frau keine Kinder, wohl aber zwei von seiner Stieftochter, bevor diese das 16. Lebensjahr erreichte.“

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„Seine Frau härmte sich über die Ausschweifungen ihres Mannes zu Tode.“

„Obgleich seine zweite Frau sehr tolerant war, trieb Dittrich es schließlich so schlimm, daß eine Ehescheidung unvermeidlich wurde.“

„Mit der 16jäh­rigen mit im Hause wohnenden Nichte seiner Frau unterhielt er ein mehrjähriges Verhältnis.“

„Dann fing er ein Verhältnis mit einem jungen Mädchen an.“

„Seine Frau ließ ihn durch ein Detektivbureau beobachten.“

„Während des Ehescheidungsprozesses wohnte Dittrich mit seiner Braut zusammen und hatte auch seine Tochter bei sich.“

„Jetzt ist er wegen schweren, syphilitischen Nervenleidens Halbinvalide.“ usw. usw.

Man kann sich den Schreck der Verwandten denken, als sie das lasen und dann als Zeugen vor Gericht beordert wurden, weil Max Dittrich ganz selbstverständlich Herrn Lebius verklagte! Die Nichte mußte im Hause vernommen werden; sie lag krank. Die geschiedene Frau Dittrichs ging in ihrer Herzensangst zum Richter und sagte ihm aufrichtig, daß diese entsetzliche Sache ein absoluter Todesschlag für das Glück ihrer jetzigen Ehe sei; sie werde das wohl kaum überleben. Dieser vortreffliche Herr hatte nicht nur das Gesetz im Kopfe, sondern dazu auch ein menschliches Herz in der Brust und erledigte die Vernehmung in entsprechender humaner Weise.

Selbst angenommen, dass die von Herrn Lebius angegebenen Punkte alle auf Wahrheit beruhten, so liegt doch wohl für jeden nur einigermaßen gebildeten und nicht verrohten Menschen die Frage nahe, ob die Veröffentlichung solcher Dinge gesetzlich resp. preßmoralisch statthaft sei. Ich bin überzeugt, daß jedermann, außer Herrn Lebius, diese Frage mit einem „Nein!“ beantworten wird. Das würde zur Charakterisierung dieses Herrn jedenfalls genügen, ist aber noch lange nicht alles, denn wenn man Gelegenheit findet, die Akten Dittrich contra Lebius aufzuschlagen, so sieht man am Schlusse derselben Herrn Lebius in noch ganz anderer Weise beleuchtet. Er gesteht da nämlich ein, dass seine Verleumdungen gegen Max Dittrich

nicht wahr gewesen seien,

und erklärt sich bereit, die Kosten des Verfahrens zu tragen! Ich glaube, mehr braucht man nicht zu wissen, um diesen Herrn nicht nur literarisch und journalistisch, sondern auch auf anderen Gebieten für

im höchsten Grade gemeingefährlich

zu halten. Ob jemand aus dem Busch herausspringt und den andern ermordet, oder ob jemand aus den Spalten seines Rowdyblattes heraus

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die Menschen niederknallt, so oft es ihm beliebt, das wird von der Strafgesetzgebung der Zukunft wohl ganz anders betrachtet und ganz anders behandelt werden als heutigen Tages. Doch gibt es, Gott sei Dank, auch jetzt schon geistige und menschheitsethische Instanzen, welche den Todschlag einer Menschenseele für wenigstens ebenso strafbar halten wie die Ermordung eines Menschenkörpers.

Am 27. März 1905 hatte Lebius die oben aufgeführten Anklagen in seiner „Sachsenstimme“ gegen Max Dittrich geschleudert, und am 18. November darauf erklärte er in der zweiten Strafkammer des Königlichen Landgerichtes Dresden zu Protokoll:

„Ich erkläre, dass ich die gegen den Privatkläger in der „Sachsenstimme“ vom 27. März 1905 erhobenen, beleidigenden Behauptungen

! ! ! als unwahr ! ! !

hiermit zurücknehme und mein Bedauern über die gedachten Äußerungen in der „Sachsenstimme“ ausdrücke und den Privatkläger deshalb

! ! ! um Verzeihung bitte ! ! !

Als dann einige Jahre später Lebius in Berlin Streit und Prozesse mit dem „Vorwärts“ begann, gab dieser den Militärschriftsteller Dittrich als Zeugen gegen ihn an. Sofort griff Lebius zu seinem wohlbekannten Trick, Zeugen durch die Presse unschädlich zu machen. Er veröffentlichte genau dasselbe wieder, was er damals über Dittrich veröffentlicht und dann vor dem Dresdener Landgericht

! ! ! als unwahr ! ! !

mit der Bitte um Verzeihung zurückgenommen hatte. Dittrich war demzufolge gezwungen, ihn wieder zu verklagen und auf jene Zurücknahme und Bitte um Verzeihung hinzuweisen. Was tat Lebius? Er erklärte in seinem an das Königliche Amtsgericht Charlottenburg gerichteten Schriftsatz von 24. De­zember 1909, daß er damals jene Abbitte und jenes Eingeständnis der Unwahrheit seiner Behauptungen lediglich

„aus Gründen wirtschaftlicher Natur“

abgelegt habe. Seine Verhältnisse seien damals so bedrängt gewesen, daß er nicht zu den Gerichtsterminen nach Dresden habe reisen können. Er selbst also ist es, der das folgende moralische Porträt von sich liefert:

Lebius verleumdet den Militärschriftsteller Dittrich 1905 in seinem Dresdener Blatte.

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Lebius erklärt 1905 vor dem Dresdner Landgericht, daß diese Verleumdungen erlogen seien, und bittet um Verzeihung.

Lebius bringt 1909 in seinem Berliner Blatte jene von ihm als Lügen bezeichneten Verleumdungen als Wahrheiten wieder.

Lebius erklärt 1909 in seinem Schriftsatz an das Amtsgericht Charlottenburg, daß er damals das Landgericht Dresden angelogen habe.

Und warum dieser Rattenkönig von Lügen vor Gericht! Und wie ist es möglich, daß ein Mensch, der doch Ehr- und Schamgefühl besitzen muß, sich vor Gericht als Lügner erklären und dann auch diese Erklärung als Lüge bezeichnen kann? Er selbst gibt uns die Antwort auf diese Frage: er befand sich in bedrängter Lage;

! ! ! er hatte kein Geld ! ! !

Also wenn Lebius kein Geld hat, so ist das ein für ihn vollständig genügender Grund, Richter und Gerichtsämter zu belügen und sich als einen Charakter hinzustellen, dem kein vorsichtiger Mensch mehr etwas glauben kann!

Ich gebe diesen seinen Schriftsatz in Beilage T und verweise auf Sei­te 2. Au­ßerdem sind aus ihm folgende Punkte zu notieren:

Es ist nicht wahr, daß Dittrich während der Zeit des Münchmeyerprozesses „völlig erwerbsunfähig“ war 260 W.

Es ist nicht wahr, daß Dittrich „wieder“ bei mir hat wohnen „dürfen“. Es geschah dies nur ein einziges Mal 261 W.

Es ist nicht wahr, daß wir wider besseres Wissen Verleumdungen gegen ihn verbreiten 262 A.

Es ist eine ganz entsetzliche Lüge, daß wir in Dresden und dann auch in Berlin versuchten, ihn durch Ruinierung des Inseratengeschäftes an „den Bettelstab“ zu bringen 263 Raff.

Es ist nicht wahr, daß Dittrich die Sozialdemokratie veranlaßt hat, den inserierenden Firmen mit Boykott zu drohen 264 W.

Es ist nicht wahr, daß hierdurch ein Ausfall von 18 000 Mark pro Jahr entstand. Das alles ist aus der Luft gegriffen! 265 W.

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Es ist nicht wahr, daß Dittrich nur mein Werkzeug ist. Er hat die Klage gegen Lebius aus reinem Ekel fallen lassen, ganz ohne sich um meinen Wunsch zu bekümmern 266 A.

Dittrich hat der Königin Carola niemals falsche Vorspiegelungen gemacht 267 Inf.

Es ist unwahr, daß Dittrich Taschengeld von mir erhält. Er verdient sich mehr als er braucht. Lebius gibt ja selbst zu, daß Dittrich seiner Frau Geld gibt 268 W.

Unwahr ist, daß Dittrich sich als hochpatriotischer Mann gegeben habe. Er ist es in Wirklichkeit 269 A.

Unwahr ist, daß Dittrich mit den Sozialdemokraten Hand in Hand arbeitet, um Lebius zu vernichten. Er hat mit ihnen nicht das geringste zu tun 270 Raff.

Unwahr ist, daß Dittrich und May sich im Gefängnis kennen gelernt haben 271 W.

Geradezu eine teuflische Lüge ist es, daß Dittrich sowohl im Prozeß May-Münchmeyer als auch in dem Ehescheidungsprozeß falsch geschworen hat. Ich stelle fest, daß er mit meiner Ehescheidung gar nichts zu tun gehabt und noch viel weniger da als Zeuge aufgetreten ist! 272 Inf.

Diesen Schriftsatz vom 24. De­zember 1909 richtete Lebius gegen Max Dittrich, während er am Tage vorher, also am 23. De­zember in ganz derselben Angelegenheit einen Schriftsatz gegen mich verfaßt und an das Amtsgericht Charlottenburg gesandt hatte. In diesem letzteren Schriftsatze, den ich in Beila­ge U gebe, behauptet er auf Sei­te 5:

„Meine Bekanntschaft mit May datiert aus dem Jahre 1903. Ich hatte von der sozialdemokratischen „Volkszeitung“ in Dresden, für die ich damals tätig war — ich bin erst 1905 aus der Sozialdemokratie ausgetreten — den Auftrag erhalten, May zu interviewen, weil May damals von sich reden machte.“

Wir wissen aber, daß er nicht schon 1903, sondern erst am 2. Mai 1904 zu mir kam 273 A.

Auf meine Anfrage teilt mir die Redaktion der sozialdemokratischen „Volkszeitung“ mit, daß Lebius von ihr keinen Auftrag gehabt habe, mich zu interviewen 274 W.

Zu gleicher Zeit stellten sie fest, daß Lebius nicht erst 1905, sondern schon am 24. Ja­nuar 1904 aus der sozialdemokratischen Partei ausgetreten sei 275 A.

Ich gebe diesen Brief in Beila­ge V zu lesen. Lebius operiert also vor Gericht nicht nur mit wissentlichen Unwahrheiten, sondern auch mit gefälschten Jahreszahlen, um die Wahrheit zu verschleiern und die Richter irre zu machen. Wie zahlreich diese Unwahrheiten nur in diesem einen, meinem Schriftsatze sind, möge folgender Auszug zeigen, der nur eine Auswahl, aber nicht alle bringt:

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Ich sei ein Querulant und anormaler Mensch 276 W.

Ich prozessiere in einem Zwangszustande 277 W.

Es sei bei mir eine Wahnidee, von ihm verfolgt zu werden 278 Raff.

Es werde von mir alle Vierteljahre einmal gegen ihn Privatklage erhoben 279 W.

Er aber habe noch nie gegen mich Privatklage erhoben 280 W.

Eine Gegenanzeige sei der einzige gerichtliche Schritt, den er gegen mich unternommen habe. Er hat aber Privatklage gegen mich erhoben. Er hat beantragt, mich nach Amerika steckbrieflich zu verfolgen. Er hat verschiedene Anzeigen gegen mich und meine Frau bei der Staatsanwaltschaft zu Berlin und Dresden erlassen. Er hat andere verleitet, ihrerseits dasselbe zu tun usw. usw. 281 W.

Ich soll Kronzeuge der Sozialdemokratie gegen ihn sein, bin aber niemals gegen ihn vernommen worden 282 W.

Ich soll meinem Vater eine gestohlene Uhr und Meerschaumpfeife geschenkt haben 283 Raff.

Ich soll von Einbrüchen gelebt haben 284 Raff.

Ich soll in einem Uhrenladen in Niederwinkel eingebrochen sein 285 W.

Ich soll dem Arbeitshaus überwiesen worden sein 286 W.

Das Zuchthaus soll für mich die hohe Schule des Verbrechertums geworden sein 287 Inf.

Ich soll dort die tausenderlei Kniffe und Pfiffe gelernt haben, mit denen ich später die Behörden und der menschlichen Gesellschaft ein Schnippchen schlug 288 Inf.

Gleich nach meiner Entlassung aus dem Zuchthause soll ich wieder Diebstähle begangen haben 289 W.

Ich soll da in die erzgebirgischen Wälder geflüchtet sein 290 W.

Ich soll mit dem fahnenflüchtigen Krügel und Anderen eine Räuberbande gebildet haben 291 W.

Ich soll innerhalb dieser Bande und auch in der öffentlichen Meinung als unbestrittener Führer dieser Bande gegolten haben 292 W.

Unser Hauptschlupfwinkel soll eine Höhle gewesen sein 293 W.

Diese Höhle sei mit gestohlener Leinwand austapeziert gewesen 294 W.

Sie habe in dem herrschaftlich Waldenburgischen Walde, Abtei­lung 6, gelegen, zwischen Grünthal und Langenberg, oberhalb der Kirche 295 W.

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Ich soll da täglich räuberische Überfälle ausgeführt haben, namentlich gegen Marktfrauen 296 W.

Ich soll da fortgesetzt Diebstähle, Einbrüche und sonstige Schwindeleien verübt haben 297 W.

Ich soll bei der Ausraubung eines Uhrenladens in Waldenburg für 520 Taler Goldwaren erbeutet haben 298 W.

Ich soll auch gewildert und Schlingen nach Klein- und Großwild gelegt haben 299 W.

Meine Hehler sollen der Wegewärter Vogel in Langenberg, die Witwe Johanna Schramm in Kaufungen und der Landwirt Gräpner in St. Egidien gewesen sein 300 W.

Ich soll bei ihnen verschwiegene Gelage abgehalten haben, „wobei der gestohlene Wein in Strömen floß“ 301 W.

Die Weiber sollen sich schließlich gefürchtet haben, die Wälder zu betreten 302 W.

Die Regierung soll zur Säuberung der Wälder Militär geschickt haben 303 W.

Ich soll mit Krügel in einer Gefangenenaufseher-Uniform entkommen sein 304 W.

Ich soll mit Krügel aus dem Fenster gesprungen und auf den Pferden der Gendarmen davon geritten sein 305 W.

Ich soll mir in meiner Räuberhauptmannsrolle sehr gefallen haben 306 Raff.

Ich soll auf die Tische geschrieben haben, daß ich hier gesessen und Wurst und Brot gegessen habe 307 W.

Ich soll mich als „Karl May, Räuberhauptmann“ unterschrieben haben 308 Raff.

Ich soll mich als Feldmesser verkleidet und umhergetrieben haben 309 W.

Ich soll von dem Bauer Leonhardt in Hermsdorf hierdurch 800 Taler erschwindelt haben 310 W.

Ich soll in Amtsdiener-Uniform mit Krügel über 1000 Taler ergaunert haben 311 W.

Ich soll der Verhaftung dadurch entgangen sein, daß ich mich täglich anders kleidete 312 W.

Ich soll nach Mailand entflohen sein 313 W.

Ich soll im Fieber meine Untaten ausgeplaudert haben 314 W.

Ich soll Krügel später mit Geld unterstützt haben, in Raten von 500 Mark 315 W.

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Das letzte Mal soll dies vor drei Jahren geschehen sein. Krügel ist aber schon über zehn Jahre tot! 316 Raff.

Ich soll in den achtziger Jahren unter Polizeiaufsicht gestanden haben 317 A.

Meine Schriften sollen „in Erinnerungen aus meinem wechselreichen Verbrecherleben wurzeln“ 318 Inf.

Die Prinzessin von Waldenburg soll mich auf ihr Schloß eingeladen haben 319 A.

Ich soll da im fürstlichen Wagen von der Bahn abgeholt worden sein 320 A.

Ich soll die fürstliche Residenz in Angst und Schrecken versetzt haben 321 W.

Ich soll ein Automobil besitzen 322 W.

Ich soll teuren Launen huldigen 323 W.

Ich soll eine Marmorbüste haben, die 40 000 Mark kostete 324 W.

Ich soll 1899 zum ersten Male aus Deutschland hinausgekommen sein 325 W.

Ich soll mich haben als Weltreisender feiern lassen 326 W.

Ich soll auf eine „Flebbe“ (gefälschte Urkunde) hin den Doktortitel geführt haben 327 W.

Diese soll 50 Mark gekostet haben 328 W.

Ich soll eine Reklameschrift über mich erscheinen lassen wollen 329 W.

Lebius habe sie in seinem Verlag herausbringen sollen. Ja, er bat darum, wurde aber abgewiesen. Siehe seine Briefe! 330 A.

Ich soll der eigentliche Verfassen derselben sein 331 A.

Die Unterhandlungen hierüber sollen sich zerschlagen haben. Die Wahrheit ist, daß ihm seine Bitte ohne alle Unterhandlung abgeschlagen wur­de 332 A.

Ihm sei das Risiko zu groß erschienen, während es dabei doch gar keines gab 333 W.

Aus dieser Zeit soll mein Haß gegen Lebius stammen. Ich soll ihn hassen, weil er diese Broschüre abgelehnt habe, während doch er von mir abgelehnt wurde! 334 A.

Dittrich soll Schriftstücke vernichtet haben 335 Raff.

Diese Broschüre soll eine Selbstverherrlichungsbroschüre sein 336 W.

Lebius will erst dann gegen diese Broschüre geschrieben haben, nachdem sie von den Zeitungen abfällig besprochen worden sei 337 A.

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Er sei mich seit jener Zeit nicht mehr losgeworden 338 Inf.

Ich sei sein Verfolger 339 Inf.

Wir seien notorische Verbrecher 340 Inf.

Dittrich, ich und meine Frau sollen in der Zivilklage May-Münchmeyer Meineide geleistet haben 341 Inf.

Dittrich und meine Frau sollen im Ehescheidungsprozeß Meineide geleistet haben 342 Inf.

Meine geschiedene Frau soll das Opfer eines groben Schwindels sein 343 Raff.

Wir sollen die Ehescheidung unter falschen, schwindelhaften Behauptungen eingeleitet haben 344 Raff.

Rechtsanwalt Thieme soll gesagt haben, das ich mit meiner Frau wegen Meineides in das Zuchthaus kommen werde 345 W.

Ich sei verpflichtet, meiner geschiedenen Frau die Rente weiter zu zahlen, während doch er und sein Schwager Medem, der gewesene Rechtsanwalt, sie um diese Rente gebracht haben 346 Raff.

Ich schleppe alle möglichen Leute vor Gericht 347 W.

Alle diese Lebiusschen Behauptungen zeichnen sich durch die bald offene, bald versteckte Absicht aus, zu zeigen, daß nicht ich von ihm, sondern er von mir verfolgt werde. Er versichert, niemals Privatklage gegen mich erhoben zu haben. Das ist nicht wahr. Ich verweise da z. B. auf seine Privatkla­ge 18. B. 48. 09 gegen mich, die beim Gerichtsamt Schöneberg Abtei­lung 18 anhängig war und von ihm zurückgenommen wurde. Aber wenn er außer dieses Falles keinen Grund gefunden hat, mich zu verklagen, so beweist das doch nicht etwa seine, sondern meine Friedensliebe. Ich habe ihm eben keine Veranlassung zu Privatklagen gegeben. Er hätte mich gewiß sehr gern gepackt; ich ließ ihn aber in Ruhe. Und wenn er mich gezwungen hat, ihn öfters zu verklagen als er mich, so beweist das eben nur, daß er mich öfters beleidigt und verleumdet hat als ich ihn.

Auf seine vielen und fürchterlichen Artikel in den Jahren 1904/05 habe ich nur einmal bei der Staatsanwaltschaft und zweimal beim Gericht Hülfe gesucht. Ich habe dann zu allen seinen ferneren Angriffen geschwiegen, bis er mich durch die angebliche Kahl-Broschüre zwang, mich zu verteidigen, weil ich „vor den Richtern kaput gemacht“ werden sollte. Und selbst da habe ich ihm verziehen, habe mich mit ihm verglichen, habe gegen sein Versprechen, mich fortan in Ruhe zu lassen, meinen Strafantrag zurückgezogen, obgleich der betreffende Richter sagte, daß Lebius eine schwere Strafe erleiden werde, falls es zur

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Verhandlung komme. Siehe Gerichtsak­ten 20 B. 08/34, gezeichnet Schenk, Nauwerk. Ich habe es ertragen, daß Lebius trotz seines gerichtlichen Versprechens, mich künftig in Ruhe zu lassen, meine geschiedene Frau gegen mich verführte, ausbeutete, ihres Einkommens und ihrer Schmucksachen beraubte und sie fast an den Bettelstab brachte. Sie wurde von ihm zu gerichtlichen Schritten gegen mich verleitet, die man fast wahnsinnig nennen muß. Und dabei hatte er den Mut, in der ersten Instanz des vorliegenden Beleidigungsprozesses zu behaupten,

„daß er ihre Interessen vertreten habe und also
den Schutz des § 193 beanspruchen dürfe!“

Niemals ist eine größere Unwahrheit ausgesprochen worden als diese! Ich bezeichne sie als 348 W. A. Raff. Inf. Lebius hat durch die Verführung der Frau Pollmer nur seine eigene Privat- und Prozeßinteressen verfolgt, die Interessen dieser armen Frau aber geradezu mit Füßen getreten. Es ist unerhört, daß er dafür auch noch den Schutz des § 193 verlangt!

Während ich mein ihm gegebenes Wort gehalten und ihn vollständig in Ruhe gelassen habe, hat er seine Feindseligkeiten gegen mich in so erhöhter Weise fortgesetzt, daß der ihn dabei beseelende Haß fast unglaublich erscheint. Ich habe meiner geschiedenen Frau ihr Bündnis mit Lebius verziehen. Sie ist von ihm errettet. Ich habe die Beleidigungsklage gegen sie zurückgenommen, die ich wegen eines im Lebiusschen „Bund“ erschienenen Artikels erheben mußte. Lebius war der eigentliche Verfasser. Ich bin gezwungen, die Klage auch gegen ihn zurückzunehmen. Ich würde auch alles andere, was gegen ihn vorliegt, zurücknehmen, schon nur um der Ruhe willen, die mir alten Manne so nötig ist, er aber macht mir das unmöglich. Er stürzt sich immer von neuem auf mich, ohne daß ich ihm Grund dazu gebe. Er schreibt nun Artikel in seinem „Bund“ gegen mich, und er verfaßt Flugblätter, die er zu tausenden in alle Welt versendet. Er schickt diese Pamphlete sogar an den Gemeindevorstand meines Wohnortes, um mich da zu blamieren, nach meinem Heimatsort und an meine Verwandten! Nichts kann die eigentlichen Absichten, die ihn dabei leiten, besser charakterisieren als dies!

Am 19. Dezember 1909 erschien in Nr. 51 des „Bund“ ein Artikel, der „Hinter die Kulissen“ überschrieben war. Lebius hat überhaupt schon seit Jahren die Gewohnheit, mir grad zur schönen, lieben Weihnachtszeit einen öffentlichen Keulenschlag zu versetzen. Dieser Artikel ist weiter nichts als eine beinahe wörtliche Abschrift des Lebiusschen

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Schriftsatzes vom 23. Dezember 1909 gegen mich. Man sieht, daß er alles, auch seine Schriftsätze, mögen sie noch so viele und noch so große Unwahrheiten enthalten, stets an die Öffentlichkeit trägt, während ich niemals Schutz bei den öffentlichen Sensations- und Revolverleuten suche, sondern mich auf die Gerechtigkeit der Richter verlasse.

Ich gebe diesen Aufsatz in Beilage W und betone, daß er in ungezählten Exemplaren nicht nur durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, sondern auch nach Frankreich, England, Amerika usw. verschickt worden ist und mir einen literarischen, moralischen und pekuniären Schaden verursacht hat, der gar nicht zu ermessen ist. Da er genau dieselben Punkte wie der oben angeführte Schriftsatz enthält, brauche ich nicht auf seine Einzelheiten einzugehen. Zwei Punkte aber, die mir wichtig sind, muß ich doch erwähnen.

Lebius behauptet nämlich am Schlusse, daß die Sozialdemokratie mit meinen Aussagen Jahr und Tag gegen ihn agitiert habe. Ich bezeichne diese Erfindung als 349 W, Raff., denn ich habe noch nie Gelegenheit gehabt, als Zeuge gegen Lebius auszusagen. Daß er mich hierbei immer nur als „Genosse Karl May“ bezeichnet, ist 350 Raff. Inf., denn er weiß nur allzugut, daß ich nichts weniger bin als Sozialdemokrat. Der „Genosse“ ist eben auch einer jener ordinären Stricke, mit denen ich erwürgt werden soll.

Der zweite Punkt ist die Bezeichnung als „Jugendschriftsteller“. Ich bin nicht Jugendschriftsteller, bin es nie gewesen! Meine Gegner, vor allen Dingen also auch Lebius, stecken mich unter die Jugendschriftsteller, nur um mich anfeinden zu können. An einen Schriftsteller für Erwachsene können sie nicht heran; dazu sind sie zu jung! Meine Reisebücher als Jugendschriften zu bezeichnen, ist eine raffinierte Fälschung Num­mer 351. Nur gegen einen „Jugendschriftsteller“ ist eine solche Hetze und ein solcher Rummel möglich, wie gegen mich betrieben wird, gegen einen Verfasser, der für Erwachsene schreibt, aber nicht. Darum hat man mich zu der Jugend und zu den dummen Jungens herabgezerrt, um mich als dummen Jungen behandeln zu können. Ich muß mir das verbitten!

Wenden wir uns nun zu den Flugblättern, welche Lebius in letzter Zeit gegen mich verfaßt und in vielen tausend Exemplaren nach allen Himmelsrichtungen verbreitet hat. Ich gebe diese Flugblätter in Beilage X zur Ansicht und hebe hier nur diejenigen Punkte hervor, die für den Charakter und die Absichten des Verfassers am bezeichnetsten sind.

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Flugblatt Nr. 1.

Lebius bleibt dabei, mich „Genosse“ zu nennen und als Sozialdemokrat hinzustellen 352 A.

Mein Strafregisterauszug weise über zehn Jahre Gefängnis und Zuchthaus nach 353 Raff.

Ich soll in einer Gerichtsverhandlung in Schöneberg-Berlin zugegeben haben, daß ich ein Seitenstück zu dem „Fürst der Diebe“, dem Hoteldieb Manolescu sei 354 Inf.

Ich soll am liebsten arme Leute bestohlen und beraubt haben 355 W.

Ich soll vorzugsweise Marktfrauen überfallen haben 356 W.

Ich soll meinen Schwiegervater erwürgt haben ! ! ! 357 Inf.

Dieser Mann soll eines Tages tot auf der Diele liegend gefunden worden sein 358 Inf.

Ich soll wie geächtet gelebt haben 359 W.

Schon mein Vater soll als Schlingenleger in den Wäldern herumgestreift sein 360 W.

Mein Vater soll auf meine Verbrechen sehr stolz gewesen sein. Er soll vor Eitelkeit darüber fast geplatzt sein 361 Inf.

Mein Vater soll den Räubern Nahrungsmittel in die Wälder getragen haben 362 Inf.

Meine Schwester soll außer einem kleinen Weihnachtsgeschenk nie einen Pfennig Unterstützung von mir bekommen haben 363 W.

Mein „Lebenssprüchlein“ soll lauten: Die Welt will beschwindelt sein 364 W.

Ich soll meine Verbrechererinnerungen niedergeschrieben haben 365 Raff.

Mein Einkommen soll kläglich gewesen sein 366 W.

Der „Deutsche Hausschatz“ soll „fromme Erzählungen“ bei mir bestellt haben 367 W.

Ich soll nun „fromme Erzählungen“ und „Räubergeschichten“ zu gleicher Zeit geschrieben haben 368 Raff.

Ich soll mich lachend entschuldigt haben: „Soll ich etwa hungern?“ 369 Raff. Inf.

Pustet soll die Herausgabe meiner Bücher abgelehnt haben 370 W.

Mein Verleger Fehsenfeld soll ein Habenichts gewesen sein 371 Inf.

Ich soll die Münchmeyerschen Manuskripte beiseite geschafft haben 372 A.

Ich soll schwer reich sein 373 W.

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Meine Werke sollen reine Phantastereien sein 374 W.

Ich soll 1900 zum ersten Male aus Deutschland hinausgekommen sein 375 W.

Meine Frau soll früher mit einem Baumeister verheiratet gewesen sein 376 W.

Der soll in ewiger Geldklemme gesteckt haben 377 Raff.

Frau Plöhn soll behauptet haben, Frau May leidenschaftlich zu verehren 378 Raff.

Frau Plöhn soll bemerkt haben, daß die Mayschen Eheleute dem Spiritismus ergeben waren 379 Raff.

Sie soll behauptet haben, ein Schreibmedium zu sein 380 Raff.

Sie soll den Plan gehabt haben, meine Frau von mir zu verdrängen 381 Raff.

Redakteur Dittrich befinde sich in der Irrenanstalt 382 Raff.

Er soll sich als mein Jugend- und Busenfreund bekannt haben 383 Raff.

Ich soll helfend eingegriffen und von Dittrich Gegendienste verlangt haben 384 Raff.

Er soll seinen Namen zu der Broschüre hergegeben haben 385 Raff.

Dittrich soll erzählt haben, daß er in Hohenstein-Ernsttal Redakteur gewesen sei 386 W.

Flugblatt Nr. 2.

Die „Entlarvung“ soll in der Notwehr erfolgt sein 387 A.

Ich soll mich als ehemaliger Räuberhauptmann, berüchtigter Einbrecher und literarischer Hochstapler entpuppt haben 388 Inf.

Es sei in einem gerichtlichen Schriftsatze dargetan, daß ich die Bekanntschaft Dittrichs im Arbeitshause gemacht habe 389 W.

Zwei Zeugen sollen von Kahl behauptet haben, daß er zu mir gehen werde, wenn er von Lebius kein Geld mehr bekomme 390 W.

Ich soll für Bechly die „Prozeßkosten anstandslos“ übernommen haben 391 A.

Ich soll meiner geschiedenen Frau 4000 Mark Rente ausgesetzt haben. 392 W.

Ich soll die Bedingung gestellt haben, daß sie hierfür Erklärungen zu meinen Gunsten und gegen Lebius verfasse. 393 Raff.

Ich soll mich zu einer Huldigungsfahrt nach Amerika entschlossen gehabt haben 394 Inf.

Ich soll eine Rede abgelesen haben 395 Inf.

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Die Versammlung soll gemerkt haben, daß sie einem Humbug zum Opfer gefallen sei 396 Inf.

Der „Bund“-Artikel soll mich als ehemaligen Räuber entlarvt haben 397 Inf.

Ich soll die Kuverts eigenhändig geschrieben haben 398 A.

Diese Erklärung soll durch die Gewährung einer Rente erkauft worden sein 399 A.

Flugblatt Nr. 3.

Kein Mensch würde Mays Frieden stören, wenn er nicht in krankhafter Prozeßwut Gott und die Welt verklagte! 400 Inf.

Ich soll mich in meinem Fürwitz in den Kampf zwischen Sozialdemokraten und Gelben eingemischt haben 401 A.

Ich und meine Frau sollen der sozialdemokratischen Presse eine Masse Artikel geliefert haben 402 W.

Meine Frau soll das unter Eid zugegeben haben 403 Raff.

In der Wiener „Freistatt“ dagegen gesteht May ein, den Krügel zu kennen. Er habe auf der Schulbank mit ihm jahrelang zusammengesessen 404 Inf.

Ich soll eingestanden haben, daß meine „Reisegeschichten“ Phantasieprodukte seien 405 Raff.

Die angedeutete Weltreise soll von Dresden nach Berlin und von Berlin nach Dresden gegangen sein! 406 W.

Meine Behauptung, daß sechs andere Klagen gegen Lebius vorgelegen haben, soll unwahr sein 407 A.

Jene französischen Blätter sollen keine Mayschen Romane abgedruckt haben! 408 Inf. Meine Romane, z. B. die sechs Bände Giölgeda padis’hanün, erschienen, sobald sie in Regensburg bei Pustet herauswaren, sofort auch in französischer Sprache in Le Monde, Paris und dann in Buchform bei Alfred Mâme in Tours.

Die Fehsenfeldsche Veröffentlichung soll von mir stammen 409 Raff. Inf.

Ich soll erklärt haben, daß ich aus keiner anständigen Familie stamme 410 Inf.

Daß meine Eltern und Geschwister keine guten Menschen gewesen seien 411 Inf.

Daß ich keine gute Schule besucht habe 412 Inf.

Ich soll behauptet haben, meine Verwandten seien Schuld, daß ich ein Verbrecher wurde! 413 Inf.

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Ich soll nicht Brot, sondern Schmucksachen gestohlen haben 414 Raff.

Ich sei noch heute Hochstapler 415 Inf.

Die Prager Bohemia gehöre zu den kleinen, käuflichen Winkelblättchen 416 W.

Wenn in einem gerichtlichen Prozesse oder in einem öffentlichen Zeitungsstreite einige unbewachte oder unbeanstandete Unwahrheiten mit unterlaufen, so entschuldigt man das und bezeichnet es als menschlich. Hier aber handelt es sich nicht um einige wenige Wahrheitsverletzungen, sondern um eine ganze, große Menge von

wissentlichen Unwahrheiten,

absichtlichen Fälschungen,

raffinierten Bosheiten und

wirklichen Infamien,

die nicht etwa aus Versehen herbeigezogen, sondern mit vollster Überlegung und schärfster Berechnung an Ort und Stelle gebracht worden sind, oft sogar sehr mühsam, an allen Haaren herbeigezogen! Und sie bilden eine lange, lange Reihe. Es sind ihrer

! ! ! über vierhundert ! ! !

Das sind aber nicht etwa alle. Ihre Zahl könnte leicht verdoppelt werden. Und der, welcher sich dieser oft wirklich gräßlichen Wahrheitssünden schuldig macht, hatte die Stirn, in öffentlicher Gerichtsverhandlung den Richtern zuzurufen: „May lügt, so oft er den Mund auftut!“ Wie ist das möglich? Sind in der Seele des Menschen solche Abgrundtiefen denn wirklich vorhanden? Der Psycholog antwortet mir: „Ja, bei gewissen Komplikationen.“ Und so eine Komplikation, vielleicht die allerwirkungsvollste, ist hier bei Lebius vorhanden. Das „Leipziger Tageblatt“ und die „Frankfurter Zeitung“ haben das schon längst entdeckt. Das erstere nannte Herrn Lebius schon im Jahre 1904

einen geborenen Verbrecher,

und letztere beschuldigte ihn auch schon in demselben Jahre

des Größenwahnes.

Beides bildet die erwähnte, äußerst fruchtbare Komplikation. Hierzu kommt, daß Lebius nicht etwa ein gewöhnlicher Mensch ist, auch nicht etwa nur ein Talent, sondern geradezu ein Genie, ein Genie im Erfinden und Behaupten von Tatsachen, die es überhaupt nicht gibt.

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Ebenso auch ein Genie in der Erforschung und Benutzung der Schwächen seiner Mitmenschen. Und infolgedessen auch ein Genie in der Fertigkeit, seine eigenen Missetaten als Vorzüge, die Vorzüge Anderer aber als Missetaten erscheinen zu lassen. Wenn es ihm beliebt, so behauptet er, daß Karl May seinen Vater erschossen und seine Mutter erstochen hat, und er bringt das bei so passender Gelegenheit und in einem so überzeugten Tone vor, daß schwache Seelen es ihm augenblicklich glauben. Das ist sein besonderes, individuelles Genie. Er hat gesagt, daß jeder Mensch sein Werg am Rocken habe und daß er sich stets bemühe, dieses Werg zu entdecken. Er hat einen unfehlbaren Blick für die Schwächen Anderer. So kennt er z. B. die Schwächen der Skandal- und Revolverpresse ganz genau und zwingt sie infolge dessen, ohne daß sie es ahnt, seinen Absichten zu dienen. Sie glaubt, frei zu sein, und liegt ihm doch zu Füßen. Sie bringt jedes seiner Worte; aber meine Berichtigungen bringt sie nicht. Und wenn sie eine bringt, so doch derart verändert oder apostrophiert, daß die Sache nicht besser sondern noch schlimmer erscheint als vorher. Das ist ja das stolze, größenwahnsinnige Wort, welches er 1904 in meiner Wohnung sagte: „Indem man diese Schwächen ausnutzt, wird man zum Herrscher!“ Und das ist dasselbe Wort, welches er zu dem Zeugen Kahl sprach:

„Ich bin ein großes, forensisches Talent. Wenn ich anfange, zu sprechen, sind die Richter alle mein!“

Daß er dies nicht für Selbstüberhebung, sondern für Wahrheit hält, versteht sich ganz von selbst. Er ist jedenfalls sehr überzeugt, den Beweis dieser Wahrheit in der Verhandlung vor dem Charlottenburger Schöffengericht am 12. April 1910 vollständig erbracht zu haben. Und wie hat er das angefangen, und wie hat er das ausgenutzt! Sein Schriftsatz, der nur in die Akten gehört, wurde in tausenden von Exemplaren gedruckt und an ungezählte Redaktionen und Private verschickt. Die Berichterstatter wurden für diese Sitzung zusammengetrommelt und ganze Haufen von Veröffentlichungen vorbereitet, um nach der Verhandlung sofort überall hin, sogar nach Frankreich, England und Amerika, verschickt zu werden. Und was war der Inhalt dieser Veröffentlichungen? Genau das, was oben angeführt worden ist, nämlich:

wissentliche Unwahrheit,

absichtliche Fälschung,

raffinierte Bosheit und

wirkliche Infamie!

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So brachte der „Boston American“ in Boston, Massachusets, folgende ihm aus Berlin zugegangene Depeschennotiz:

„Autor frommer Bücher, ein Bandit. Berlin. — — — Herr Charles May, der Millionär, Philantrop, Autor frommer Bücher und eine hervorragende Persönlichkeit Deutschlands, wurde heute von einer Jury als der Verüber vieler, schwerer Verbrechen in der Gebirgsgegend des südlichen Sachsens, wo er vor 40 Jah­ren eine Räuberbande anführte, gebrandmarkt. May brach zusammen und wurde unter den Schutz seiner Freunde gestellt, um zu verhindern, daß er Selbstmord begehe usw.“

Ich deponiere zum Beweise in Beilage Y die Num­mer 29 des „Anzeiger und Post von Lawrence“, Massachusets, vom 16. April 1910, in welcher dieser Depeschenbericht des „Boston American“ wörtlich gebracht wird. Wenn man bedenkt, daß die Charlottenburger Verhandlung am 12. April stattfand, der Bericht am 16. in Lawrence gedruckt erschien, also dort schon am 15. aus Boston vorgelegen haben muß, so versteht es sich ganz von selbst, daß der „Boston American“ die aus Berlin datierte Nachricht nur per Kabel von dort empfangen haben kann. Wer aber ist der Verfasser, der ein so großes Interesse an dieser Sache hat, daß er die Ausgabe für eine derartige Depesche nicht scheut? Und wer ist der geniale Erfinder der raffinierten und infamen Lüge, daß ich „gebrandmarkt“ worden sei, daß ich zusammengebrochen sei und daß ich unter den Schutz meiner Freunde habe gestellt werden müssen, um mich vor Selbstmord zu bewahren? Ich hatte nicht einen einzigen Freund bei mir!

Dies nur einer von den vielen Hunderten von Fällen. Ich werde in einer eigenen Beilage Z eine ganze Menge in- und ausländischer Zeitungen zeigen, in denen diese Verhandlung in so schwindel- und lügenhafter Weise beschrieben ist, wie man es für unmöglich halten sollte. Aus der Verleumdung in dem Briefe an die großherzogliche Kammersängerin ist eine geradezu unmenschlich grausame Aktion geworden, die, sogar über fremde Kontinente verbreitet, nichts als meine vollständige Hinrichtung bezweckt. Ein Beduine behandelt eine verwundete, stinkende Hyäne besser, und ein Kaviller hat mehr Mitleid mit einem gestürzten Pferde, als Lebius und Konsorten mit mir! Und doch habe ich ihm weiter nichts getan, als daß ich ihm damals kein Geld geben konnte, weil ich wußte, daß es verloren sein würde und weil ich überhaupt keines hatte!

Ich habe im vorliegenden Schriftsatz nachgewiesen, daß Lebius fast alles, was er gegen mich tut, wider besseres Wissen tut! Öffentliche -

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Öffentliche Verleumdungen wie die, daß ich meinen Schwiegervater erwürgt haben soll, sind von einer Qualität, die jede Milde ausschließt. Und die raffinierte Betriebsamkeit, mit welcher diese Lügen und absichtlichen Fälschungen überallhin, sogar nach Frankreich, England und Amerika per Draht verbreitet wurden, zeugt von einem so gewissenlosen und gemeingefährlichen Verbrechertum, daß es wohl die höchste Zeit ist, die Öffentlichkeit endlich einmal vor ihm zu schützen.

Ich gebe diesen Schriftsatz als Beantwortung des Lebius’schen Schriftsatzes vom 23. De­zem­ber 09. Ich gebe ihn als Berufungsbegründung für die IV. Strafkammer des Königlichen Landgerichtes III, Berlin. Und ich gebe ihn zugleich als Orientierungs- und Beweisquelle in Beziehung auf den Charakter und die Absichten eines Mannes, welcher behauptet, mich entlarvt zu haben, dabei sich aber nur selbst entlarvt.

In einige Wochen wird meine Autobiographie erscheinen, in welcher ich mein äußeres und inneres Leben darlege und mit mir selbst abrechne. Ich werde mich da nicht schonen, sondern so aufrichtig sein wie vor dem höchsten Richter, der alles weiß und sieht. So streng und gerecht er ist, ich hoffe, bei ihm zu bestehen!

Radebeul-Dresden, Mitte Juni 1910.

Karl May.