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Ein Stücklein vom alten Dessauer.

Humoreske von Karl May.

„Der Herr Hauptmann soll eintreten!“ sagte der Kammerdiener und öffnete dem Offiziere, welcher schon längere Zeit im Vorzimmer gewartet hatte, die Thür.

An einem Tische, auf welchem ein großes Schwarzbrod, Butter, Käse, Wurst und Schinken in sehr reicher Quantität zu erblicken war, saß kauend der Fürst, ließ einen riesigen Bissen nach dem andern unter dem gewaltigen Schnurrbarte verschwinden und langte dabei fleißig nach dem Glase, um durch einen kräftigen Schluck Bieres die Verdauung zu befördern. Er befand sich augenscheinlich in rosiger Laune; denn auf den militairisch ehrerbietigen Gruß des Eingetretenen erwiederte er mit behaglichem Knurren:

„Hat Er Appetit?“

„Danke,Durchlaucht!“

„Dummheit! Bedanke Er sich, wenn Er fertig ist. Hergesetzt! Zugegriffen! Das Zeug ist zwar nicht vom Zuckerbäcker; aber Er wird wohl nicht gleich dran sterben.“

Der Hauptmann kannte den alten Knasterbart zu genau, um zu zögern oder viele Complimente zu machen. Er setzte sich an den Tisch und griff wacker zu, was die gute Stimmung des Fürsten merklich erhöhte.

„Ist er schon ’mal in Wahlsdorf gewesen?“

„Nein.“

„So kennt er auch den Amtmann Hiller nicht?“

„Näher nicht; aber ich habe ihn gesehen, als er in Ew. Durchlaucht Abwesenheit hier war, um sich vorzustellen.“

„So. Werden ihn kennen lernen. Bin sonst kein Freund von dergleichen Leuten; scheint es aber gut mit uns zu meinen. Da lese Er!“

Er schob dem Hauptmanne einen Brief hin, welcher von den Fettflecken, die von den Fingern des Fürsten herrührten, vollständig durchsichtig geworden war.

„Was sagt Er zu dem langen Geschreibsel?“

„Hm! Solche Leute sind zu gebrauchen, zumal da —“ erschrocken hielt er inne; denn eben war er im Begriffe gewesen, durch eine unvorsichtige Aeußerung den Alten an Etwas zu erinnern, woran dieser nur mit Grimm zu denken pflegte.

„Nur immer weiter! Wer einmal den Schnabel aufthut, der darf ihn auch nicht eher wieder zuklappen, als bis der Sermon zu Ende ist. Er meint wohl die Geschichte von dem sakkermentschen Rheinländer, der uns mit seinen sieben Fuß sechs Zoll davon gelaufen ist? Den kriegen wir wieder. Ich weiß ganz genau, daß der Himmelhund noch nicht über die Grenze ist, und Gott genade ihm, wenn er sich packen läßt. Will er den Fang in Wahlsdorf übernehmen?“

„Zu Befehl, Durchlaucht!“

„So. Da wird Er — Na, was zum Teufel giebts denn schon wieder?“ wandte er sich an den eintretenden Lakaien.

„Es ist ein Mann draußen, der Ew. Durchlaucht dringend zu sprechen verlangt.“

„Jage den Kerl fort; hab’ keine Zeit!“

„Das habe ich ihm schon gesagt; aber er meinte, ich soll nur seinen Namen nennen, so würde Durchlaucht schon Zeit haben.“

„Sei kein Esel. Jetzt könnte meinetwegen der Großmogul kommen; er müßte wieder fort. Wie heißt denn der Mann?“

„Schmidt aus Wahlsdorf. Er hat nur einen Arm.“

„Himmelement, das ist ja der Schockschwerenöther, der, na, das ist ’was Anderes. Lasse ihn ’rein!“

Durch die sofort geöffnete Thür trat ein Mann von so riesigen Dimensionen, daß er sich fast bücken mußte, um in das Zimmer zu gelangen. Er trug die Kleidung des gewöhnlichen armen Landbewohners und blieb nach den ersten drei Schritten in strammer kerzengerader Haltung stehen.

„Schmidt, Hallunke, ich lasse Dich Spießruthen laufen, daß Du nicht längst ’mal gekommen bist. Hab Dir’s ja gesagt, dazumal, als Du mich herausgehauen hattest, daß Du an mich denken sollst, wenn Dich ’mal der Schuh drückt. Da aber ist der Schlingel stolz geworden und hat gar nicht an den Leopold gedacht, der ihm das Leben zu verdanken hat.“ —

„Donnerwetter, Durchlaucht; das ist nicht wahr! Ich habe alle Stunden an Euch gedacht und bin nur deßhalb noch nicht gekommen, weil mich der Schuh bisher noch nicht gedrückt hat.“

„Aber jetzt brauchst Du wohl Seitenflecke, hm?“

„Möglich, und dazu einen Schuster, der sie mir aufflickt.“

„Und dieser Schuster soll ich wohl gar sein, alter Commisknopf?“ lachte der Fürst, der ganz sichtlichen Wohlgefallen an dem Wesen und der Ausdrucksweise des Mannes fand. „Also in Wahlsdorf wohnst Du jetzt?“

„Mit Eurer Erlaubniß, Durchlaucht.“

„Kennst Du da den Amtmann Hiller?“

„Freilich kenne ich ihn, und gerade seinetwegen komme ich heut nach Dessau.“

„Seinetwegen? Mord und Todtschlag, da bist wohl gar Du der Schmidt, von dem er mir einen meilenlangen Schreibebrief geschrieben hat?“

„Ich bin bei uns der einzige Schmidt. Hat er von mir geschrieben, Durchlaucht?“ fragte der Mann, indem seine ehrlichen und offenen Züge eine gewisse Besorgniß ausdrückten.

„Freilich! Hast Du einen Sohn?“

„Ja.“

„Der so lang und stark ist wie Du?“

„Nicht ganz so,“ lautete die Etwas ängstliche Ant­wort. —

„Und morgen habt Ihr Kirmeß?“

„Allerdings.“

„So, so, so,“ dehnte der Fürst und warf einen nachdenklichen Blick auf den wieder zur Hand genommenen Brief. „Was hast Du mit dem Amtmanne?“

„Der Wiesenbauer ist der reichste Mann im Dorfe und

Annemarie, seine Tochter, hat sich mit meinem Jungen, dem Wilhelm, lieb gehabt schon seit langer, langer Zeit. Er hat die beiden Leutchen gehen lassen; denn ich habe mir aus den Niederlanden, wo ich damals mit Ew. Durchlaucht war, ein hübsches, rundes Sümmchen mitgebracht, und Wilhelm ist ein statiöser Bursche, mit dem sich kein Mädel zu schämen braucht und fleißig und ehrlich dazu. Da aber hat vor zwei Jahren Hiller das herrschaftliche Gut in Pacht genommen, ist dadurch Amtmann und die einflußreichste Person der Umgegend geworden. Sein Sohn, der Eduard, ist ein schöner Kerl, grad so groß wie ich, und die Mädels sind hinter ihm her, wie die Flöhe hinter den Flanellröcken. Daß er leicht und lüderlich ist, das sehen sie nicht, und so giebt es fast nur eine Einzige, die ihn nicht ästimirt. Das ist die Annemarie, und grad auf die hat er es abgesehen. Sein Vater ist natürlich nicht müsig gewesen, den Wiesenbauer gehörig zu bearbeiten, und das hat auch Erfolg gehabt; aber mit dem Mädchen haben sie doch nichts machen können. Sie mag von keinem Andern als dem Wilhelm ’was wissen, obgleich ihr der Umgang mit ihm verboten ist, und so hat ihr Vater schließlich ein Machtwort gesprochen und bestimmt, daß morgen Abend Verlobung sein soll. Da kommen eine Menge Verwandte und sonstige Gäste, und der Teichbauer hat also die beste Gelegenheit, zu zeigen, wie es in seinem Sacke aussieht.“

„Sapperment, also deßhalb schreibt mir der Hiller, daß Dein Junge ein ganzer Gardegrenadier sei, und wenn ich morgen Abend einen Trupp Buntröcke schicken wolle, so könnte ich ihn und noch ein ganzes Schock anderer Riesen vom Tanzboden wegkapern? Der Galgenstrick meint also, mich als Werkzeug für die Erreichung seiner miserablen Absichten gebrauchen zu können; aber da soll ihm doch ein heiliges Wetter dreinschlagen! Hahaha, so ein lumpiger Bauer, dem ich aus Gnade und Barmherzigkeit das Gut in Pacht gegeben habe und dem nun die Glatze brennt, weil er alle sechszehn Jahre für einen halben Pfennig Tinte verkleckst, glaubt, mich in der Hand zu haben wie einen Zappelmann, der auf einen leisesten Ruck an der Schnur zu tanzen anfängt. Warte, Coujon; ich werde selbst kommen, morgen, und Dich so bei dem Faden nehmen, daß Du die Hände über den Kopf zusammen schlagen sollst! Hat der Kerl vielleicht sonst noch was auf der Kreide, he?“

„Das ist nicht meine Sache, Durchlaucht. Ich komme nicht, um den Mann schlecht zu machen, sondern will blos bitten, mir einen Rath zu geben, auf welche Weise ich meinem Jungen sein Madel erhalte.“

„Halts Maul, alter Sünder! An einem Rathe würde Dir verteufelt wenig gelegen sein, und am Liebsten würdest Du es sehen, wenn ich den Freiersmann machen wollte, hab ich recht?“

„Durchlaucht!“

„Na, laß gut sein! Hab Dir das Leben zu verdanken und werde Dir also den Gefallen thun, obgleich ich zu solchen Dingen eigentlich keine Zeit habe. Aber ich weiß auch, wie es thut, wenn man eine nicht kriegen soll, die man doch zu gern haben will, und da muß ich ’mal ’nen Trunk über den Durst thun und sehen, wie das Ding aufgeklebt werden muß. Hol Dir dort den Stuhl, setz Dich her und beiß mit an. Du mußt die ganze Nacht gelaufen sein und wirst Hunger haben.“

„Ich kann doch unmöglich wa­gen —“

„Larifari! Wenn Dies nicht paßt, lässest Du es stehen; ich springe deßhalb nicht ins Wasser; aber wenn Du kein

Esel bist, so langst Du zu. Hier hast Du’s umsonst, und wo anders mußt Du’s bezahlen!“

Schmidt zögerte nicht länger, und bald saß das ungewöhnliche Kleeblatt in ein eifriges Gespräch vertieft, am Schlusse dessen sich der Fürst erhob und die beiden Anderen mit den Worten verabschiedete:

„So, nun macht, daß Ihr fortkommt; ich habe noch mehr zu thun. Also morgen komme ich zur Kirmeß, und da mich weder der Hiller noch ein Anderer aus dem Dorfe gesehen hat, so werde ich wohl nicht vor der Zeit erkannt werden.“ — — — — — — — — — — — — — —

Am frühen Morgen des andern Tages schritt auf dem Vicinalwege, welcher von Bucko nach Wahlsdorf führt, rüstigen Fußes ein Handwerksbursche dahin. Es war ein langer, breitschultriger Kerl mit schwarzem Schnurrwichs und dunklen Augen, welche mit scharfem Blicke die rechts und links am Wege liegenden Felder musterten.

Er trug eine blauleinene Blouse, vielfach geflickte Hosen und eine alte, verschossene Soldatenmütze. Die Stiefel waren beschmutzt, und das Felleisen, welches er über den breiten Rücken geschnallt hatte, war so hochbetagt, daß es mehr Jahre zählte, als es Haare besaß.

Trotzdem er jedenfalls schon einen bedeutenden Marsch hinter sich hatte, war seiner soldatisch aufrechten Haltung nicht die geringste Ermüdung anzumerken, und wie er so dahinschritt, den mächtigen Knotenstock in der rechten Faust schwinkend, hätte wohl Niemand mit ihm anzubinden sich getraut.

Aber je näher er dem Dorfe kam, desto mehr beugte sich sein Nacken und desto langsamer wurde sein Gang, und als die ersten Häuser aus dem Grün hervorschimmerten, glich er vollständig einem „armen Reisenden“, der gewohnt ist, um des Leibes Nahrung und Nothdurft zu „fechten“. Plötzlich blieb er stehen und blickte über einen Zaun hinüber in den Garten, welcher denselben einfaßte.

„Maschallah!“ würde ein Muhamedaner rufen, wenn er diese riesengroßen Pflaumen sähe, die am Boden liegen. Weil ich aber kein solcher Türkenhund bin, so lasse ich Allah auf der Straße sitzen und steige über den Zaun, um zu sehen, wie das Zeug schmeckt. Man kriegt doch einen verteufelten Appetit, wenn man eine solche Fußtour macht!“

Mit einem leichten Sprunge war er über das Stacket, warf Ranzen und Stock von sich und setzte sich in das Gras, um die vom Nachtwinde abgeschüttelten Pflaumen zu kosten. Sie schienen ihm zu munden; denn, ohne zu beachten, daß seine Kleidung von dem thaugetränkten Grase ganz durchnäßt wurde, fuhr er so eifrig in seiner Beschäftigung fort, daß er den Mann nicht bemerkte, welcher sich leise heranschlich und ihn endlich mit einem raschen Griffe beim Kragen packte.

„Habe ich Dich endlich ’mal, Spitzbube? Alle Morgen, wenn ich in den Garten komme, sind mir die Pflaumen gestohlen, und ich habe das Nachsehen und den Aerger; heut aber kommst Du mir nicht davon!“

Ruhig griff der Ertappte in das Gras und führte mit der größten Seelenruhe ein wirklich prachtvolles Exemplar der süßen Früchte dem unter dem Schnurrbarte befindlichem Loche zu.

„Ereifert Euch nicht Herr! Einem Paar Pflaumen wegen ist noch Niemand gehängt worden. Ich habe ungefähr drei Mandel gegessen. Was kosten sie?“

„Er ist nicht gekommen, um zu kaufen, sondern um zu

stehlen, sonst wäre er nicht über den Zaun gesprungen. Es kann also von keinem Preise die Rede sein, und ich muß ihn arretiren. Komme er mit. Vorwärts!“

„Na, na, nur sachte. Soll ich einmal eingewickelt werden, so kommt es auf ein Dutzend mehr oder weniger nicht an. Wartet also, bis ich die Taschen voll habe!“

Sich niederbückend, füllte er eine Tasche nach der andern, lächelte bei dem Raisomements des erbosten Gartenbesitzers heimlich in sich hinein und war nicht eher zum Fortgehen zu bewegen, bis er keinen Kern mehr hätte zu sich stecken können.

„So, jetzt bin ich fertig! Aber nun sagt mir auch, wer Ihr seid; denn ich kann mich doch nicht von jedem hergelaufenen Grasaffen arretiren lassen.“

„Wahre Er sein Mundwerk, Er Vagabond, sonst lasse ich Ihm fünfundzwanzig aufzählen! Ich bin der Amtmann Hiller und werde Ihm zeigen, was es heißt, in einen fürstlichen Garten einzudringen.“

„Vagabond? Es sollen Ihn doch gleich neunundneunzig Donnerwetter treffen, wenn Er dieses Wort noch einmal in sein Schandmaul nimmt. Da hat er mein Wanderbuch, in welchem er nachsehen kann, ob ich ein Vagabond bin.“

„Dazu ist nachher Zeit; seine Reden aber merke Er sich. Also vorwärts!“

Der Handwerksbursche schritt, immer in die Taschen greifend und mit vollen Backen kauend, voran; der Amtmann folgte und bewachte jede Bewegung seines Arrestanten, damit er ihm nicht etwa davonlaufe. Dieser aber schien an Flucht gar nicht zu denken, besah sich gemüthlich die Gegenstände, an denen sie vorüberkamen, schritt über den Hof und den Flur nach der Thür des Wohnzimmers und meinte, dieselbe öffnend:

„Hier herein wirds wohl vor der Hand gehen. Aber machts kurz; ich bin müde.“

Die anwesenden Knechte und Mägde musterten mit neugierigen Blicken die Gestalt des Fremden und steckten dann lachend die Köpfe zusammen.

„Hans, rufe ’mal den Wächter!“ befahl Hiller und zog dann, sich setzend, das Wanderbuch hervor. Der Eigenthümer desselben holte sich ebenfalls einen Stuhl herbei und ließ sich behaglich auf denselben nieder.

„Daraus wird Nichts; stehe Er nur getrost wieder auf; ein Inculpat hat sein Urtheil stehend zu vernehmen!“

„Sapperlot, was Ihr für ein großer Herr seid, Amtmann! Aber zu einem Richter habt Ihr doch verteufelt wenig Geschick. Giebt es denn nicht irgend einen Winkel in diesem Hause, wo Ihr ungestört und mit der nöthigen Würde Eure Gänsekiele kauen könnt, oder muß unsere Sitzung hier in dieser Höhle abgehalten werden, wo Hinz und Kunz und Hanne und Sophie einander die Nasen putzen, he?“

„Schweige Er!“ donnerte Hiller aufspringend. „Er macht sich außer des Diebstahles noch der Injurie schuldig, und ich werde ein Exempel an Ihm statuiren. Jörge,“ fuhr er zu dem eben eintretenden Wächter gewandt, fort; „schaffe diesen Menschen in das Gefängniß und sorge dafür, daß er nicht entspringt.“

„Na, den würde ich wohl nicht erst um Erlaubniß bitten, wenn ich in die Lappen gehen wollte,“ antwortete der Handwerksbursche und schritt von dem Helden der öffentlichen Sicherheit gefolgt, zur Thüre hinaus. Draußen auf der Straße wandte er sich um.

„Wo ist denn das Loch, in welches ich kriegen werde?“

„Ja, ein besonderes Gefängniß giebt es hier gar nicht; Er wird also ins Spritzenhaus gesteckt.“

„Wo ist das?“

„Ganz unten im Dorfe.“

„So; Er kann mir wohl meinen Ranzen tragen, was?“

„Fällt mir im ganzen Leben nicht ein. Die Leute dächten am Ende gar, ich hätte nicht Ihn, sondern Er hätte mich arretirt.“

„Was die Leute denken, das muß Ihm egal sein. Da hat Er ein Trinkgeld, und hier ist der Tornister.“

Als der Wächter das Geldstück sah, griff er schnell nach dem Felleisen.

„Na, geb Er her. Einmal geht es schon; die Nachbarn wissen ja, wer ich bin.“

„Freilich; aber höre Er, ist das dort ein Wirthshaus?“

„Ja.“

„Da müssen wir ’mal ’reingehen! Ich habe mir mit den Pflaumen den Magen verkältet und muß ’was Warmes haben.“

„Das ist nicht erlaubt. Ich habe Ihn in’s Spritzenhaus aber nicht in das Wirthshaus zu schaffen.“

„Das weiß ich, und ich werde auch mit Ihm gehen. Vorher aber muß ich eine Suppe haben. Dabei bleibts!“

„Aber ich werde abgesetzt, wenn ich mit Ihm gehe!“

„So spaziere Er vornweg und setze Er sich meinetwegen mit dem Ranzen auf den alten Klystierkasten, bis ich nachkomme.“

Furchtsam die Hühnengestalt des Sprechenden messend, legte der Bedrängte sich auf das Bitten. Aber es half Nichts; er mußte mit in die Gaststube treten.

Trotzdem es noch früh am Tage war, saßen doch schon einige Gäste an den Tischen. Es war ja Kirchweih, und heut konnte man also schon am Vormittage trinken, ohne für lüderlich gehalten zu werden. Die beiden Eingetretenen wurden nicht sehr beachtet. Den Wächter kannte man, und da derselbe das Felleisen des Andern trug, so hielt man Letzteren für einen Bekannten von ihm und ließ sich durch ihre Anwesenheit nicht im Gespräche stören.

Der Gegenstand desselben war der Amtmann, und Einer der Leute setzte seine angefangene Rede fort:

„Er ist ein Schlaukopf durch und durch und weiß seine Stellung auszunützen. Bei ihm gilt das Geld mehr als das Recht; das kann man fast täglich sehen, und die Felder zieht er so aus, daß sein Nachfolger ’mal zehn Jahre lang arbeiten muß, um sie zu ihrer früheren Ergiebigkeit zu bringen.“

„Da hast Du Recht, und wie mit den Feldern, so ist es auch in jeder andern Beziehung. Denkt nur an die Schmidts. Wie hat er sie nicht bei jeder Gelegenheit coujonirt und ihnen das Leben so sauer wie möglich gemacht, damit der Wilhelm freiwillig zurücktreten möge, und wie hat er nicht den alten Wiesenbauer bearbeitet, um ihn auf seine Seite zu bekommen! Es ist eine wahre Schande. Das Mädel geht umher wie ein Schaden, und der Wilhelm muß seinen Muth hinunterschlucken und darf sich nicht muxen.“

In dieser Weise wurde das Sündenregister Hillers aufgedeckt, und der Arrestant hatte die beste Gelegenheit, den Charakter seines Richters kennen zu lernen. Jedes Wort prägte sich seinem Gedächtnisse ein, und als das Gespräch ein anderes Thema berührte, fragte er seinen Wächter:

„Ist das Alles wahr, was die Leute da erzählt haben?“

„Ob’s wahr ist oder nicht, das geht Ihm doch Nichts an. Bekümmere Er sich lieber um Sein Essen, damit wir fortkommen.“

„Na, wahr muß es doch sein; denn wenn der Diener so ein Erzgrobian ist, was mag da erst der Herr für ein Kerl sein! Trinke Er aus, ich bin neugierig, wie es in dem Spinnenneste aussieht, wo ich campiren soll.“

Sie schritten mit einander das Dorf hinab, und da sich mittlerweile die Kunde verbreitet hatte, daß man einen Pflaumendieb gefangen habe, so öffneten sich zu beiden Seiten die Fenster, an denen man neugierige Köpfe erblickte, und bald hatte sich ein Heer von Jungens und Mädchens angesammelt, welche den Gefangenen mit lautem Geschrei verfolgten. Das „Spritzenhaus“ lag in der Mitte des Dorfes; es war aus festen Steinen errichtet, mit Ziegeln gedeckt und mit einer starken Thür versehen, welche zum Schutze gegen die zudringliche Jugend durch mehrere Vorlegeschlösser und Riegel verwahrt und mit Eisenblech beschlagen war.

Das Gebäude eignete sich sonach allerdings im Nothfalle zum Gefängnisse, und es mochte wohl schon mancher Strolch zwischen den vier engen Mauern Denkübungen gehalten haben. Als sie sich ihm näherten, erblickten sie den Amtmann, welcher als Spitze der Ortspolizei und richterliche Größe gekommen war, um sich zu überzeugen, daß seinem Befehle Folge geleistet worden sei. Er war nicht wenig erstaunt, den Delinquenten noch nicht hinter Schloß und Riegel zu sehen und empfing den Polizisten mit höchst ungnädigen Blicken.

„Wo hat Er sich denn nur in aller Welt herumgetrieben, daß Er erst jetzt kommt?“

„Macht keinen Summs, Amtmann! Ihr seht, daß wir unterwegs nicht gefressen worden sind, und das muß Euch beruhigen. Jetzt aber schließt die Budike auf, damit ich den Krawall los werde, den Eure liebe Jugend da vollführt.“

Mit vieler Mühe öffnete der Wächter die Thür und ließ den Handwerksburschen zuerst eintreten. Dann folgte er, und auch der Amtmann schritt durch die Thüröffnung, um sich über die Zuverlässigkeit des Arrestlokales zu unterrichten. Kaum aber hatte er die ersten Schritte gethan, so krachte es hinter ihm, daß das alte Gebäude erzitterte, und tiefes Dunkel herrschte in dem dumpfigen Raume. Seinen Pflichten als Arrestant uneingedenk, hatte der Gefangene nämlich die Gelegenheit abgepaßt, war rasch wieder aus der Thüre getreten und gab sich jetzt Mühe, die Riegel wieder vorzuschieben und die Schlösser anzulegen. Als ihm das unter den Zornesrufen der beiden Geprellten gelungen war, steckte er die Schlüssel zu sich, zog eine Hand voll Kleingeldes aus der Tasche und rief, dasselbe unter die Jungens werfend:

„Da, greift zu, ihr Rangen; aber laßt mir die zwei Burschen nicht ’raus, die ich arretirt und da hineingesteckt habe. Und wenn sie etwa den Laden aufstoßen und die Nasen herausstecken, so müßt ihr ihnen Eins draufgeben. Verstanden?“

Unter dem beistimmenden Jubelgeschrei des muthwilligen Volkes entfernte er sich und schritt langsam und bedächtig, als habe er gar Nichts zu befürchten, das Dorf hinab. Vor einem kleinen, netten Häuschen, dessen Aeußeres auf Reinlichkeit und Ordnungsliebe der Bewohner schließen ließ, blieb er, an das Fenster klopfend, stehen. Sofort erschien Schmidt, welcher hier wohnte, an demselben.

„Ist Dein Sohn zu Hause?“

„Zu Befehl, Durchlaucht.“

„Halte den Schnabel mit Deiner Durchlaucht! Ich will mir ’mal meine Felder ansehen; der Hiller soll teufelsmäßig wirthschaften. Schicke den Jungen hinaus nach der großen Eiche; ich möchte ihn kennen lernen! Aber er mag ’was zu beißen einstecken; denn im Dorfe darf ich mich jetzt nicht mehr sehen lassen.“

„Warum nicht?“

„Ich bin in die Pflaumen gerathen und habe zur Strafe dafür den Amtmann sammt seiner Polizeikreatur in Nummer Sicher gebracht. Da stecken sie nun und unterhalten sich mit den Schulbuben, die ich als Ehrengarde hinpostirt habe.“

Behaglich lachend strich er sich den Bart und war dann bald hinter der Ecke des Hauses verschwunden.

Die erwähnte Ehrengarde blieb aber allerdings nicht lange in der Nähe des Spritzenhauses halten. Den Herrn Amtmann und nun gar den Wächter, welcher sie mit seinem Spieße oft in den besten Streichen gestört hatte, im „Loche“ zu sehen, war für die wohlgerathenen Sprossen der Dorfbewohner ein wahres Gaudium. Diese Freude wollten sie nicht allein genießen, und kaum war der freigiebige Handwerksbursche ihren Augen entschwunden, so lief ein Jeder nach Hause, um die interessante Kunde zu verbreiten und so viel Personen wie möglich zusammenzutrommeln.

Bald standen auf dem freien Platze vor dem Spritzenhause die Menschen so dicht gedrängt, daß kein Apfel zur Erde hätte fallen können und die entgegengesetztesten Meinungen machten sich in lebhaften Ausrufen Luft.

„Wer steckt denn eigentlich da drin?“ fragte Einer, der vom Felde kam und das Vorhergegangene nicht kannte.

„Der Herr Amtmann und der alte Jörg mit dem Spieße.“

„I der Tausend, was thun sie denn mit ’nander im Reichskammergericht?“

„Der Amtmann instruirt den Jörg im Arretiren.“

„Bewahre!“ mengte sich ein Anderer drein, „sie halten nur’ mal Spritzenprobe.“

„Fehlgeschossen! Der Jörg studirt ihm die Rede ein, die er heut Abend bei der Verlobung halten wird.“

So flogen die boshaften Bemerkungen durch die Versammlung; aber ein Ende mußte die fatale Sache doch nehmen. Nach den öfters wiederholten Befehlen und Bitten Hitlers kam der Schmied, um die Thür zu öffnen und die blamirte Gerichtsbarkeit aus ihrer Hölle zu erlösen. Die Eingesperrten verweilten natürlich nicht lange an dem Orte ihres Triumphes und machten sich so schnell wie möglich aus dem Stau­be. —

Es war am Abende. Die älteren Bewohner des Dorfes saßen mit ihren Kirmeßgästen plaudernd in der unteren Stube des Gasthauses, während die Jüngeren eine Treppe höher gestiegen waren, um sich bei Musik und Tanz zu erlustiren. Auch Jörg, der Polizist befand sich oben, um Kraft seines Amtes, jedem etwa ausbrechenden Unfuge zu steuern. Behaglich lehnte er in seiner Ecke und beobachtete die lustig sich tummelnde Gesellschaft. Da plötzlich riß er den Mund auf und starrte mit so entsetztem Ausdrucke nach der Thür, als sähe er ein Gespenst. Dort stand, die Arme über die breite Brust verschränkt, der Pflaumendieb von heut Morgen und blickte mit solcher Gemüthsruhe in das Treiben vor sich hin, als hätte er am Vormittage nicht ein entsetzliches Majestätsverbrechen begangen.

Rasch wandte sich Jörg durch die Menge und trat in

ein Nebenzimmer, in welchem der Amtmann und der Wiesenbauer mit ihren Gästen und Familiengliedern Platz genommen hatten.

„Herr Amtmann, da draußen steht er vor der Thür. Rasch, ehe er uns wieder ausreißt!“ rief er hastig.

„Wer denn?“

„Na, wer anders als der Kerl, der uns heut eingeschlossen hat!“

„So? Das geht doch über alle Frechheit! Wart Bursche, Dich will ich kriegen!“ rief Hiller, indem er aufsprang. „Kommt Alle mit und greift mit zu. Das ist ein ganz gefährliches Subject, ein Bandit oder Räuberhauptmann, mit dem nicht zu spaßen ist!“

Wie eine Lawine ergoß sich der Strom der Anwesenden in den Saal, und im nächsten Augenblicke war der Fremde umringt und gefangen.

„Bindet ihn und schafft ihn hierher in die Mitte! Ich werde gleich jetzt Gericht mit ihm halten.“

Obgleich in Folge des entstandenen Tumultes die in der Unterstube sitzenden Gäste nach Oben kamen und der Saal in Folge dessen voll wurde, entstand doch in der Mitte ein freier Raum, in welchen man den Wiederergriffenen halb schob, halb zog.

„Na, macht Euch nur ’nen Spaß; ich komme schon auch noch dran!“ lachte er. „Aber mit dem Bindfaden bleibt mir vom Leibe oder ich werfe Euch Alle zum Fenster ’naus!“

„Immer bindet ihn, oder haltet ihn wenigstens fest!“

„Das Vergnügen könnt Ihr Euch machen. Da, habt Ihr meine Tatzen!“ Er hielt die Arme hin und wurde bei denselben gefaßt.

„Wo hat Er sich heut herumgetrieben?“ begann Hiller das Verhör.

„Das muß Er doch am Besten wissen. Er hat mich ja unter Bedeckung in Transport gegeben.“

„Spotte Er nicht! Wie kann Er nur so verrückt sein und wieder hierher kommen?“

„Sieht Er das denn nicht ein, Er Dummhut? Ich habe ja meinen Tornister liegen gelassen.“

„Wenn Er sein Schandmaul nicht hält, werde ich Ihn krumm schließen lassen! Warum ist Er heut davongelaufen?“

„Soll ich etwa stehen bleiben, wenn der Herr Amtmann in eigener Person die Güte hat, für mich zu brummen?“

„Stricke her; ich werde Ihn zusammenschnüren lassen, daß er die Engel im Himmel pfeifen hört!“

In diesem Augenblicke tönte ein kurzer, scharfer Pfiff von der Straße herauf, und sofort reckte sich die Gestalt des Gefangenen in die Höhe, und die ihn Haltenden mit einer kraftvollen Bewegung von sich abschüttelnd, donnerte er mit löwenstarker Stimme:

„Dazu wäre Er Himmelhund auch der rechte Kerl!“ Und den Kittel aufreißend, sodaß die Rabatten der Uniform und die blitzenden Sterne auf der Brust sichtbar wurden, fuhr er fort: „Er hat ja nicht einmal Geschick, einen armseligen Pflaumendieb rechtschaffen zu verhören. Wäre Er nur mit einem einzigen Athemzuge auf den Gedanken gekommen, mich aussuchen zu lassen, so hätte Er sich die ganze Komödie erspart. Ich werde Ihm jetzt ’mal zeigen, wie man mit Spitzbuben umspringt.“ Und sich gegen die halb geöffnete Thür wendend, rief er: „Gewehr auf! Vorwärts marsch!“

Sofort flog die Thür vollends auf, und im nächsten Augenblicke waren die Ausgänge und Fenster von hochgewachsenen, bärtigen Grenadieren besetzt.

„So, und nun kommt die Reihe an Ihn, Er elender Taugenichts! Wilhelm Schmidt, komm her und lies ’mal diesen Brief vor, den mir der Schwerenöther gestern geschickt hat!“

Der Gerufene trat vor und folgte der Weisung. Kaum hatte er das letzte Wort gelesen, so erhob sich unter den Anwesenden, welche in dem Handwerksburschen ihren Fürsten erkannt hatten, ein wahrer Sturm von Verwünschungen und zornigen Ausrufungen.

„Ruhe hier! Jetzt habe ich zu sprechen. Dort ist noch der Strick. Bindet ihn.“

Man gehorchte. Hiller sträubte sich dagegen und rief:

„Durchlaucht, ich protestire gegen dieses Verfahren; ich habe es nicht verdient!“

„Was, nicht verdient, Er Galgenstrick? Glaubt Er etwa, daß ich Ihn binden lasse wegen der heutigen Lappalie? Das fällt mir gar nicht ein! Aber wie steht es denn mit dem Schlingel, der sich dort so ängstlich hinter den Schenktisch verkriecht, he? Zieh ihn ’mal hervor! So. I, guten Abend, Herr Urian! Hast Du Dich doch noch erwischen lassen, trotzdem Dich der Herr Vetter drei Wochen lang so gut versteckt hat? Wart, Hallunke, Du sollst Spießruthen laufen, bis Du aus allen Löchern pfeifst! Herr Hauptmann, da ist er, an den Ihr mich gestern nicht erinnern wolltet. Nehmt ihn fein ordentlich in Eure Fingerlein und bringt ihn gut nach Hause!“

„Durchlaucht, ich habe nicht gewußt, daß —“ rief Hiller; aber der Fürst fiel ihm sofort in die Rede;

„Will Er schweigen, Er Nichtsnutz Er! Wer einen Deserteur versteckt, kriegt die Kugel vor den Kopf. Weil Er aber keinen Schuß Pulver werth ist, wird Er vielleicht mit einer Landkarte auf dem Hintern davonkommen. Jetzt aber schafft mir den Kerl aus den Augen. Wo ist denn sein Goldsohn? Ah dort in der Ecke. Komm ’mal her, mein Liebling!“

Zitternd trat der Gerufene herbei. Der Fürst musterte ihn vom Kopfe bis zum Fuße und sprach dann:

„Dein Alter meinte, der Wilhelm gebe einen schönen Gardegrenadier; ich finde aber, daß Du noch besser dazu passest. Du wirst also an seiner Stelle mit uns gehen; dort ist der Korporal, der Dich zurechtschnitzen wird. Vorwärts!“ Und als er der Weisung nicht sofort Folge leistete, wurde er gepackt und nach unten geschafft.

Die Amtmännin mit ihren Töchtern erhoben ein lautes Wehklagen und wollten sich dem strengen Richter zu Füßen werfen. Dieser aber machte eine abwehrende Bewegung und befahl:

„Haltet mir das Weibsvolk vom Leibe; ich kann das sakkermentsche Flennen beim Tode nicht leiden!“ Und sich dann nach der andern Seite wendend, sprach er: „Die Wiesenbauers und die Schmidts mögen ’mal herkommen!“

Es geschah, und Leopold nahm jede einzelne Person scharf ins Auge.

Schluß folgt.

Ein Stücklein vom alten Dessauer.

Humoreske von Karl May.

[Schluß.]

„So. Das ist also die Annemarie, die den Wilhelm so lieb hat? Bist wirklich ein allerliebstes Blitzmädel. Willst mich haben, he?“ fragte er lächelnd, indem er sich wohlgefällig den Bart drehte. „Na, na, brauchst dich nicht zu fürchten; ich will dich ja gar nicht zwingen. Aber wenn du mich nicht magst, so sollst du zur Strafe auch keinen Andern kriegen, als den neuen Amtmann. Den magst du doch, was?“

„Durchlaucht!“

„Weiß schon! Ihr Weibsvölker könnt zehn Wochen lang immer in einer Tour fortschwatzen; aber grad dann, wenns am Nöthigsten ist, da steht die Mühle still. Ich werde also deinen Vater fragen müssen. Trete Er hierher, Teichbauer! So! — Was ist Er nur für ein dummer Esel gewesen, daß Er Sein schönes Kind dem nichtsnutzigen Hiller hat geben wollen. Schäme Er sich! So ein alter Kerl wie Er ist, sollte doch wohl nur daran denken, sein Kind glücklich zu machen! Wie es jetzt mit den beiden Hillers steht, das hat Er gesehen. Aus der Heirath kann also Nichts werden. Aber da heut Abend einmal Verlobung sein soll, so muß ich mich wohl ins Spiel legen. Ich habe da einen neuen Amtmann für Euch, das ist ein verteufelt braver Kerl, noch jung zwar, aber er hat Etwas gelernt und das Herz auf dem rechten Platze. Wollt Ihr ihm die Annemarie zur Frau geben?“

„Ich weiß ja nicht, wer es ist, Durchlaucht.“

„Da steht er ja! Gukt ihn Euch an, ’s ist ein stattlicher Bursche.“

„Durchlaucht!“ riefen voll Überraschung die beiden Schmidt’s zugleich. „Das ist nicht möglich!“

„Maul halten; Ordre pariren! Der Wilhelm hat mir gefallen. Hab’ ihm heut scharf auf den Zahn gefühlt, hat aber gut bestanden. Er wird Amtmann, pasta, abgemacht! Na, Wiesenbauer, wie stehts?“

„Wenn Durchlaucht befehlen, so muß ich wohl ja sagen.“

„Das will ich Ihm auch gerathen haben, Er Himmelelementer. -

Himmelelementer. Und wie ist’s denn mit dem Mädel, he? Magst du ihn?“

„Ja,“ hauchte tief errötend das glückliche Kind.

„Da hat man’s; jetzt kann sie auf einmal reden. Also heut ist Verlobung, und ich bleibe da, um mitzumachen. Der neue Herr Amtmann wird wohl einen Winkel haben, wo ich schlafen kann; ich bin mit Allem zufrieden, nur nicht mit Eurer sakkermentschen Klystierbude.“ Und einen Blick über die Andern werfend, setzte er mit erhobener Stimme hinzu: „Eigentlich wollte ich mir ein Dutzend Rekruten mitnehmen, und es sind auch einige ganz prächtige Himmelstürmer da; aber weil ich ’mal bei Laune bin, soll der Würgengel heut an ihnen vorübergehen. Will Euch die Freude nicht verderben; sollt heut Alle lustig sein. Und damit das auch gleich los gehe, so blast mir jetzt einmal unsers Herrgott’s Dragonermarsch, und du, Mädel, komme ’mal her und gieb mir ’nen herzhaften Schmatz; ich habe ihn verdient, und meine Alte, die Anneliese, wird wohl Nichts dagegen haben.“

Er zog die tief Erglühende zu sich empor, und als bei der herrschenden Stille der Kuß des alten Degenknopfes laut durch den Saal schallte, da erhob sich dröhnender Jubel und die Musik fiel mit einem rauschenden Tusche ein, welchem sie das verlangte Lied folgen ließ.

Als es zu Ende geblasen war, nahm der Fürst Annemarie bei der Hand und sprach:

„So, nun wollen wir gehen. Was heut hier getrunken wird, das bezahle ich; aber sauft mich nicht arm, Ihr Tausendschwerenöther! Achtung: Gewehr an! Vorwärts, marsch!“

Dem Kommando gehorchend, marschirten die Grenadiere ab, und ihr Vorgesetzter schritt hinter ihnen her, umgeben von den Gliedern der beiden glücklichen Familien und begleitet von den anerkennenden Zurufen der ganzen zahlreichen Versammlung.