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Das Ducatennest.

Humoreske von Karl May.

Der Sturm pfiff in Gis-moll um die Dächer und Straßenecken und trieb den großflockigen Schnee in einer Dichtigkeit vor sich her, als habe er die Verwehung der guten Stadt Schindelberg in Accord genommen. Wer nicht von der Nothwendigkeit auf die Gasse getrieben wurde, der blieb sicher in der warmen Stube sitzen oder machte sein Geschäft in möglichst geschützter Lage ab, wie das junge Pärchen da drüben hinter der Hausthür, welches fröstelnd in den Winkel gekrochen ist und zum wer weiß wie vielten Male die Lippen zum Abschiedskusse spitzt.

„Also, Heinrich,“ flüsterte das Mädchen, „Punkt Neun bist Du da. Wenn Du pünktlich kommst, sollst Du auch etwas Gutes haben!“

„Was denn, Gustel?“

„Na, allerlei Delicates, was auf Euerem Tische gewiß nur selten zu sehen ist. Wir hatten kürzlich Gänsebraten, nachher Hasenbraten, dann Rosinensauce mit Henne, auch einmal ganze Pflaumen mit Eierkuchen, und von dem Allen habe ich Dir Deinen Theil auf die Seite gesteckt.“

„Sapperlot, ich komme, Gustel, ich komme, und wenn es Locomotiven schneit! Aber ist denn heute die Luft auch gewiß und wirklich rein? So lieb ich Dich habe, und so sehr mir die Gans, der Hase und die Henne mit sammt dem Eierkuchen in die Augen stechen, — Deiner Herrschaft möchte ich um keinen Preis wieder zwischen die Beine laufen. Du weißt ja, wie es mir allemal gegangen ist, wenn Dein kleiner „Gregorius“ mich erwischt hat. Kleine Kröten haben Gift, das trifft bei ihm bis auf den Tropfen zu!“

„Meine Herrschaft ist ganz gut, wenn man einige Mucken nicht rechnet, die sie alle Beide haben. Die Frau will, ich soll jetzt noch keine Liebschaft haben, sondern noch ein paar Jahre warten; dann bekomme ich sicher eine hübsche Ausstattung. Sie haben mich als arme Waise zu sich genommen, und ich bin mehr Kind, als Dienstbote bei ihnen. Und daß Dich der Herr nicht gern leiden mag, das kannst Du ihm eigentlich auch nicht übel nehmen. Er ist Chirurgibus oder Gregorius, oder wie es heißt, und ärgert sich natürlich ganz gewaltig darüber, daß ihm Deine Mutter die Kunden wegnimmt. An solche Dinge wie ans Versprechen glaubt er nun einmal nicht; er nennt es Betrug und Gotteslästerung, und Euer „Köhler’s Universalpflaster“, mit dem Ihr so große Curen macht, von dem will er erst recht nichts wissen. D’rum hat er Dir’s getippt, wenn er Dich noch einmal bei mir trifft. Heute aber kannst Du getrost kommen; sie gehen ins Casino, und wir sind ganz sicher bis um Zwölf oder Eins allein und ungestört.“

„Gut, ich will’s versuchen. Stell’ die Lampe an das Fenster, wenn sie fort sind, damit ich weiß, woran ich bin!“

Sie hielt ihm den Mund nun endlich zum letzten Male hin und huschte dann eilig über die Straße hinüber.

Der Herr Chirurgus und Stadtrath Epperlein saß behaglich im Großvaterstuhle hinter dem Ofen und zupfte Charpie. Er war ein kleines, dürftiges, aber äußerst bewegliches Männchen, in dessen Gesichte sich eine ungewöhnliche Quantität von Gutmüthigkeit erkennen ließ. Seine ruhigere, bessere und außerordentlich umfangreiche Hälfte hatte sich den Tisch an den warmen Ofen geschoben und beschäftigte sich, den dicken Mops auf dem breiten Schooße, sehr angelegentlich mit dem vor ihr aufgeschlagenen Traumbuche und einer alten, abgegriffenen Karte, deren Blätter sie sorgfältig in Reih und Glied vor sich legte.

„Eins — zwei — drei — vier —; Unter, König, Sieben, Schellen-Daus! Ich dachte mir’s wahrhaftig. Das Schellen-Daus bedeutet entweder Ohrfeigen, oder Geld, viel Geld!“

„Was hast Du denn nur eigentlich heute mit Deiner Karte?“ fragte der neugierige Hausherr. „Gleich als Du aufstandest, bist Du nach der Karte gelaufen, und nun hat den ganzen, lieben Tag das Teufelsbuch regiert. Hilf mir doch lieber hier beim Zupfen, damit ich fertig werde. Um Acht müssen wir im Casino sein, sonst giebt’s zehn Pfennige Strafe!“

„Teufelsbuch?“ Sie warf ihm einen strafenden und zugleich

unendlich mitleidigen Blick zu, nahm die Blätter zusammen, mischte sie und legte von Neuem auf. „Fünf — sechs — sieben — acht —; Ober, König, Unter, Schellen-Daus! Nein, ist das merkwürdig; immer wieder das Schellen-Daus! Das bedeutet entweder Ohrfeigen, oder Geld, viel Geld.“

„Ja, Ohrfeigen, die wir bekommen, und Geld, das wir bezahlen müssen!“

„Sei still; Du machst mich irr!“

„Du mich auch! So eine feine Charpie will mit Andacht gezupft sein, und bei Deinem Gelde oder Ohrfeigen mag der Kuckuk andächtig bleiben! Gebrauchen könnten wir es schon, das Geld nämlich. Morgen über acht Tage ist die Hypothek hinauszuzahlen, und ich weiß meiner Angst kein Ende.“

„Neun — zehn — elf — zwölf —“ tönte es ruhig weiter; „Unter, Zehn, König, Schellen-Daus! Epperlein, nun sage mir einmal, ob dies nicht im höchsten Grade merkwürdig ist! Entweder Ohrfeigen, oder Geld, vielleicht auch Beides zugleich; die Karte trifft zu!“

„So nehme ich das Geld; was übrig bleibt, magst Du für Dich behalten. Aber nicht unter fünfhundert Thaler darf es sein, sonst ist mir nichts damit gedient. Hätte ich das Geld doch damals von sonst wem genommen, nur nicht vom alten Leiermüller! Nun hat sein Sohn, der Dummkopf, ausstudirt, kommt als Arzt nach Schindelberg, sieht mich über die Achsel an, weil ich bloß Chirurgus bin, und kündigt mir endlich gar das Capital, um mich vor Aerger aus der Haut zu bringen. Er weiß gar wohl, daß jetzt in diesen schlechten Zeiten kein Geld zu haben ist; er hat selber keins, denn was verdient er denn, he? Die paar Patienten, die er gehabt hat, sind von ihm glücklich hinaus auf den Gottesacker geleiermüllert worden; nun hat Niemand mehr Vertrauen zu ihm, und wenn er nicht vor Hunger pfeifen will, muß er in meine Hypothek beißen.“

„Aergere Dich nicht, Epperlein; es kommt Geld!“

„Woher soll’s denn kommen?“

„Hier liegt das Schellen-Daus. Es kommt Geld, und dabei bleibt’s!“

„Laß Dich nicht auslachen, Lieschen! Oder meinst Du etwa, daß es diesen Winter Ducaten graupeln werde? Ja, wenn ich dem sel’gen Onkel seine Ducaten hätte, da wäre uns geholfen! Hast Du denn gar keine Ahnung, wo er sie hingesteckt hat?“

„Das ist’s ja eben, Epperlein. Es hat mir von dem Gelde geträumt, darum suche ich in der Karte!“

„Geträumt?“ rief der Chirurgus und fuhr vom Stuhle empor, daß die Charpie in alle Winde flog. „Geträumt hat Dir’s? Gott sei Dank, endlich, endlich einmal! Ich habe den Garten umgegraben, den Keller aufgewühlt, den Schornstein eingerissen, alle Kisten und Kasten durchstöbert, aber nichts gefunden und meine letzte Hoffnung darauf gesetzt, daß mir’s einmal träumen werde, wo der Schatz vergraben liegt. Erzähl’s, Lieschen, erzähl’s!“

„Mir träumte, der sel’ge Onkel, der sein Vermögen vor den Franzosen versteckt hat und dann an dem Lazarethfieber gestorben ist, ohne das Geheimniß aufzuklären, erschien mir und sagte:

„Weißt Du, Lieschen, wo ich meine Ducaten hingethan habe?“

„Wohin denn?“ fragte ich ihn.

„Komm, ich will Dir’s zeigen!“

Er führte mich die Treppe herauf und hier herein in diese Stube. Als wir eintraten, saß der Köhlerheinrich mit der Gustel auf dem Kanapee. Sie hatten sich beim Kopfe und waren ganz erschrocken, daß wir sie überraschten. Der sel’ge Onkel schüttelte mit dem Kopfe.

„Lieschen,“ sagte er, „ich kann Dir den Ort nicht zeigen, weil Du nicht allein bist!“ Und damit war er verschwunden.“

„Himmeltausendsapperlot!“ rief Epperlein; „hat der Kerl wieder hier gesessen, und gerade zu einer Zeit, wo wir zu unserem Gelde kommen sollten! Nun ist’s wieder futsch, reineweg futsch; ich könnte ihn zerreißen, erschlagen, vergiften, erschießen, zer — zer — zer —, na, laß Dich nur wieder sehen, Halunke, nachher ist Dir Dein Brod gebacken! Ich schlag’ Dir Dein Köhler’s

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Universalpflaster um die Ohren, daß Deine Alte drei Monate lang an den Beulen zu verspinden, zu versprechen und zu versehnen hat! Was hast Du denn gemeint zu den Beiden?“

„Ich habe sie ganz gehörig dran genommen. Da ist der Heinrich aufgestanden, hat mir etwas an den Kopf geworfen, ich weiß nicht mehr, was es gewesen ist, und —“

„An den Kopf geworfen? Dir? Der Frau Chirurgus und Stadtrath Epperlein? Den Kerl will ich bei der Parabel nehmen, daß es pufft!“

„Ja, an den Kopf geworfen, daß mir Hören und Sehen vergangen ist. Und dabei hat es geklirrt wie lauter Gold, und die Ducaten des sel’gen Onkels sind in der Stube herumgekollert.“

„J — ach — wirklich! Du hast sie doch gleich aufgelesen und nachgesehen, wo sie hergekommen sind?“

„Nein.“

„Nicht? Warum denn nicht?“

„Weil — weil ich darüber aufgewacht bin.“

„Das war ein Fehler, Lieschen, ein großer Fehler. Aber Ihr Weiber wacht immer nur zur unrechten Zeit auf. Hättest Du Dich umgeguckt, so wüßten wir jetzt, wo es steckt!“

„Ich ärgere mich selber auch darüber und habe mir darum die Karte gelegt. Aber tröste Dich, Epperlein, wir bekommen das Geld doch noch; das Schellen- Daus hat ’was zu bedeuten!“

„Ja, Ohrfeigen!“

„Na, so ein kleiner Hieb wäre schon noch mitzunehmen; er brauchte doch nicht gerade mich zu treffen, und die Ducaten müßten mit dabei sein!“

Epperlein wollte eine etwas spitze Erwiderung vorbringen, zog aber vor, zu schweigen, weil soeben das Dienstmädchen eintrat und das Abendbrod servirte. Sie hatte die eine Hand verbunden, und sein Auge fiel sofort auf den kranken Körpertheil.

„Wie steht es, Gustel, ist die Hand auf?“ fragte er.

„Nein.“

„Was, noch immer nicht? Das sind nun drei Tage, seit ich Dir die Salbe gegeben habe. Zeig’ einmal her!“

Sie kam sichtlich in Verlegenheit und zögerte.

„Hat es nicht Zeit bis nach dem Essen, Herr Epperlein?“

„Nein. Ich will es jetzt gleich sehen!“

Er hatte ihre Unruhe bemerkt, nahm sie bei der Hand und löste den Verband ab.

„Was? Was ist denn das? Du hast ja ein Pflaster aufliegen! Von wem hast Du es erhalten, und wo ist meine Salbe hingekommen?“

Sie schwieg.

Er zog das Pflaster los und untersuchte es.

„Dachte mir es doch! Köhler’s Universalpflaster! Wann hast Du Dir’s geholt?“

„Vorhin erst.“

„Und warum?“

„Weil — weil —“

„Nun, weil —?“

„Weil die Salbe nicht helfen wollte!“

„Was? Meine Salbe nicht helfen? Ich werfe Dich zur Thür hinaus; ich jage Dich aus dem Dienste fort; ich schreibe Dir ein Attest ins Buch, daß — daß Du zeitlebens an Dein Universalpflaster denken sollst! Dein Pflasterheinrich versteht sich wohl besser aufs Curiren als ich, he?“

„Nein, Herr Epperlein, das verstehen Sie natürlich besser als er, aber —“

„Ruhig mit dem Aber! Das Pflaster kommt herunter und die Salbe wieder d’rauf! Und wenn ich nur eine Ahnung davon bekomme, daß Du Dich wieder mit dem Menschen abgiebst, so ist es aus mit uns! Nicht wahr, Lieschen?“

„Ja!“ bestätigte kopfnickend die Hausfrau, indem sie dem Mädchen einen Wink gab, sich zu entfernen.

„Das fehlte mir noch,“ brummte Epperlein, der sich nicht gleich beruhigen konnte, fort; „mir den Universalkleister in das Haus und gar noch in die eigene Wirthschaft zu bringen! Zuletzt beuniversalschmieren sie mich selber noch in lebender Person! Iß rasch, Lieschen, damit wir fortkommen; der Herr Doctor Leiermüller wird wohl auch zugegen sein, und ich hoffe, daß Du Dir nicht von ihm den Hof machen lässest!“

Das Abendmahl wurde schweigend eingenommen; dann brach das würdige Pärchen auf, um an der wöchentlichen Versammlung der Schindelberger Honoratioren Theil zu nehmen.

„Geh’ immer zeitig schlafen,“ befahl die Herrin noch. „Morgen ist Scheuertag; da mußt Du zeitig munter sein!“

„Ja, geh’ immer schlafen,“ fügte Epperlein hinzu; „das ist gut für Deine Hand. Und laß es Dir nicht etwa einfallen, mit dem Pflasterhanse zu liebeln! Wenn wir auch nicht daheim sind, ich bekomme es doch heraus!“

Das Mädchen nickte zustimmend, begleitete die Herrschaft bis an die Thür und verschloß diese zum Scheine. Aber nachdem sie sich überzeugt hatte, daß die Gebietenden sich wirklich entfernt hatten, öffnete sie wieder und begab sich nach oben, um dem Geliebten das verabredete Zeichen zu geben.

Nach kurzer Zeit vernahm sie seinen leisen Schritt auf der Treppe. Sie trat ihm entgegen.

„Geh’ in die Küche, Heinrich; ich will unterdessen unten wieder verschließen, damit sich kein Fremdes einschleichen kann!“

Als sie nach Vollendung dieser Sicherheitsmaßregel wieder nach oben kam, fand sie ihn nicht in der Küche, sondern im Wohnzimmer, wo er es sich auf dem weichen Sopha bequem und gemüthlich gemacht hatte.

„Ich glaube gar, Du willst den Herrn spielen!“ lachte sie.

„Warum nicht? Wer es gut haben kann, soll sich es auch gut machen, sonst ist er ein Dummkopf!“

„Aber wenn es die Herrschaft merkt?“

„Dann würde sie es auch merken, wenn ich nur in die Küche ginge. Werden wir entdeckt, so bleibt sich’s gleich; ich werde hier wie dort hinausgeworfen!“

„Und ich habe den Spectakel. Kurz vorher erst habe ich eine Predigt bekommen, die sich gewaschen hat!“

„Warum?“

„Wegen des Pflasters. Er that es nicht anders; ich mußte den Arm her zeigen, und dann brach es los.“

„Nun?“

„Ich soll die Salbe wieder nehmen.“

„Laß das Pflaster nur heute noch liegen; morgen früh ist die Hand auf. Ich bin zwar kein Gregorius, aber mein Pflaster ist gut; es sind neunerlei verschiedene Kräuter d’rin. Ich habe es in einem alten Apothekerbuche gefunden, und wenn es nicht so heilsam wäre, würde es Niemand kaufen.“

„Aber es ist am meisten schuld, daß ich Dich nicht nehmen soll. Der Herr hat überhaupt jetzt schlechte Laune. Er hat früher einmal ein Capitälchen auf das Haus nehmen müssen; das ist ihm jetzt vom Doctor Leiermüller gekündigt worden; in acht Tagen soll er es schaffen und findet doch Niemanden, der so viel flüssig hat. Nun raisonnirt er den ganzen Tag, und die Frau sitzt dabei und schlägt sich die Karte. Ich komme am schlechtesten dabei weg.“

„Ja, das Geld ist jetzt verteufelt rar, Gustel. Wäre ich nicht ein so armer Schlucker, so hätte ich Dich schon längst von Gregoriussens fortgenommen, und Du wärest meine Frau. Sparen geht langsamer als alles Andere. Ich wollte, ich stieße einmal mit der Nase an die Ducaten, die hier im Hause versteckt sein sollen. Da wäre Deinem Epperlein und vielleicht auch uns mit geholfen!“

„Da hast Du Recht; wenn man nur die richtige Nase hätte! ’s soll gewaltig viel sein; der Herr spricht immer von zweitausend Ducaten.“

„Zweitausend Duc —!“ Die Ducaten blieben dem guten Burschen im Munde stecken; er hatte noch nicht zweitausend Groschen beisammen gesehen. „Ist der selige Onkel denn so überaus reich gewesen?“

„Ja. Er ist als Kind von Schindelberg fort und nach langen Jahren als reicher Mann wiedergekommen. Sein Vermögen hat er in lauter blanken, baaren Ducaten bei sich gehabt. Das war gerade zur Zeit, als die Franzosen ins Land kamen. Sie haben ihn einst des Nachts aus dem Bette geholt; er sollte ihnen als Führer dienen. Als er nach einigen Tagen zurückgekehrt ist, hat er schon kaum mehr reden können und ist am Spitalfieber gestorben. Das Geld, welches er vor ihnen versteckt hat, ist bis heute noch nicht wiedergefunden worden.“

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„Hat er denn nicht vorher zu den Seinigen davon gesprochen?“

„Nein. Er soll außerordentlich genau und mißgünstig gewesen sein.“

„So sind sie Alle, die etwas haben, und Unsereiner — na, Gustel, wenn ich einmal meine Ducaten verstecke, so schreib’ ich Dir es auf, wo sie liegen! Aber jetzt sage einmal, wie steht es denn eigentlich mit der Gans, der Henne und dem Eierkuchen? Der selige Onkel ist der Kerl nicht danach, daß ich solche Sachen seinetwegen vergesse!“

„Nur sachte, sachte; erst arbeiten und nachher essen!“

„Wieder einmal? Wie gewöhnlich! Was giebt es denn für mich zu thun?“

„Ich habe morgen Scheuertag und brauche viel Wasser. Mit einer kranken Hand aber kann —“

„Schon gut, Gustel, ich will Dir’s holen! Wo kommt es denn hin?“

„Hinaus in den Wasserständer.“

„Da gefriert es ja bei der jetzigen Kälte über Nacht ein!“

„Das ist wahr. Und ehe es wieder aufthaut, vergeht der halbe Tag. Was mache ich doch!“

„Das ist sehr einfach. Warte, ich werde Dir es gleich zeigen!“

Er nahm den breiten Großvaterstuhl hinter dem Ofen hervor und gab ihm einen anderen Platz; dann holte er den ziemlich umfangreichen hölzernen Wasserständer herein und setzte ihn an die Stelle des alten, behaglichen Möbels.

(Fortsetzung folgt.)

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Das Ducatennest.

Humoreske von Karl May.

(Fortsetzung.)

„Was fällt Dir denn ein?“ fragte lachend das Mädchen. „Den Wasserständer in der Wohnstube, das wäre ja noch gar nicht dagewesen!“

„Das ist kein Grund, daß es nicht sein kann. Jetzt werde ich ihn füllen, und wenn Du nachher den Deckel nicht darauf

thust, so schlägt die Ofenwärme hinein und Du hast morgen früh ganz erträglich laues Wasser. Ich leide es nicht, daß Du Dir Deine Hand noch kränker machst, und den Gregoriussens kann es ganz egal sein, ob der Ständer diese eine Nacht in der Stube oder draußen steht!“

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Auf ihre weiteren Einwände nicht achtend, nahm er die Wasserkannen, um mit Hilfe der im Hofe befindlichen Pumpe den Ständer zu füllen. Die Geliebte war indessen dankbar für ihn besorgt, und als er sein Werk beendet hatte, sah er den Tisch gedeckt. Appetitlich mit der Zunge schnalzend, nahm er Platz.

„Das ist ja der reine Hochzeits- oder Kindtaufsschmauß, Gustel! Wenn die Herrschaften wüßten, daß ich hier sitze — horch, war nicht etwas unten an der Hausthür?“

Sie lauschten. Wirklich wurde die Hausthür von innen verschlossen. Das Mädchen sprang erschrocken empor.

„Heinrich, die Herrschaft ist wieder da! Hilf Himmel, was machen wir?“

„Ich steck’ mich in die Schlafstube.“

„Da finden sie Dich nachher!“

„Ich reiß’ aus, die Treppe hinunter.“

„Da läufst Du ihnen ja entgegen!“

„Ich kriech’ unter das Kanapee.“

„Das ist zu niedrig. Mach’ rasch, sie kommen schon!“

„Lösch’ das Licht aus und verstecke das Essen, Gustel. Ich steig’ zum Fenster hinaus auf das Blumenbret. Wenn sie zu Bette sind, lässest Du mich wieder herein!“

Während die Beiden wie zwei gefangene Mäuse in der Falle im Zimmer herumschossen, schob sich die Frau Chirurgus und Stadträthin Epperlein langsam die Treppe empor. Ihr Männlein folgte.

„Puh, Lieschen, bin ich froh, in diesem Heidenwetter wieder unter Dach und Fach zu sein! Es ist kein Wunder, daß keine Menschenseele im Casino zu finden war.“

„Konntest auch so gescheid sein wie sie und zu Hause bleiben, Epperlein. Aber wegen der zehn Pfennige Strafgeld schleppst Du mich lieber nach Sibirien oder gar unter die Zuaven und Turkos, wo der Schnee drei Kirchthürme hoch liegt. Hast Du die Stubenthür?“

„Ja. Komm herein!“

„Finster? Es war doch soeben noch Licht im Zimmer!“

„Das Mädchen wird g’rad schlafen gegangen sein. Mach’ in der Küche Licht, Lieschen; ich kriech’ in meinen Großvaterstuhl!“

Er tappte sich nach dem Ofen, wendete der bekannten Ecke hinter demselben die Kehrseite seines durchfrorenen Körpers zu und ließ sich mit jener Gewichtigkeit fallen, mit welcher man so gern in weiche Kissen sinkt.

„Ah — oh — u — u — uuuuuuh — au — au — iiiiiih! Li— Li— Li— Lieschen, Hi— Hi— Hi— Hiiiiilfe, ich verbrenne, ich ersticke, ich erfriere, ich ersau— sau— saufe!“

„Herr mein Heiland, was ist denn los, Epperlein?“ rief es in der Küche.

„Ich — ich — ich — oooh, brrrr, ich — ich kann nicht heraus!“

Der Wasserständer war unten weiter als oben, und der kleine schmächtige Mann war mit demjenigen Körpertheile, in welchem gewöhnlich die wenigsten juristischen Kenntnisse stecken, so tief hineingerathen, daß derselbe fast den Boden berührte und nur die Hände und Füße und das sprudelnde Gesicht sich über dem Wasser befanden. In dieser gymnastischen Stellung fühlte er sich vollständig widerstandslos dem kalten und gefährlichen Elemente preisgegeben, welches ihm schon bis an den Mund ging und, da er immer tiefer sank, die fürchterlichste Angst in ihm erweckte.

„Nicht heraus? Von wo denn?“

„Von — von — ich weiß es selber nicht. Komm, Lieschen, komm schnell, sonst bin ich verloren!“

Jetzt hatte sie die Lampe ins Brennen gebracht und kam herbei.

„Mein Himmel, was ist denn das? Da schwimmt ja die ganze Stube! Und Du, wo bist Du denn, Epperlein? Du bist ja — ah — oh — hahihihi, hahi, hahi, hahihihiiiih!“

Das Wasser war natürlich übergelaufen und glitzerte im Scheine der Lampe über den ganzen Fußboden hin. Die dicke Frau hatte erst Miene gemacht, über diese Sündflut die Hände über dem Kopfe zusammenzuschlagen, wurde aber durch den unwiderstehlich komischen Anblick, welchen ihr verunglückter Gatte bot, daran verhindert: sie stemmte vielmehr die Hände in die Seiten und brach in ein Gelächter aus, welches fast krampfartig

zu nennen war und sogar den Mops aus seinem Phlegma erweckte. Er erhob sich in der Sophaecke und gab sich die erdenklichste Mühe, seiner Herrin durch die unbeschreiblichsten Töne und Geberden zu secundiren.

„Halt’s Maul, Mops, der Du bist!“ rief der Versinkende wüthend. „Lieschen, mein liebes, süßes Lieschen, hilf mir heraus; ich kann’s nicht selber erzwingen!“

Sie schürzte das Kleid höher und watete bis zu ihm hin, wo sie unter fortwährendem Lachen ihm behilflich war, dem Bade zu entsteigen.

„Zieh’, Lieschen, zieh’, immer zieh’! So, so! O, oh, oooh! Ich bin erfroren; ich bin durchweicht wie ein Schwamm; ich laufe auseinander wie Zwieback im Kaffee; ich — ich — ich weiß selber nicht, wie unbeschreiblich elend und schändlich mir zu Muthe ist. Gustel, Gustel, wo ist denn die Gu— Gu— Gustel!“

Das Mädchen war vorhin in der Dunkelheit aus dem Zimmer entwischt. Sie hörte wohl den dröhnenden Ruf, fürchtete sich aber, ihm Folge zu leisten.

„Die schläft wie eine Ratte. Na, komm nur herunter! Dir will ich lehren, den Großvaterstuhl mit dem Wasserständer umzuwechseln! Schaff’ mich in die Kammer, Lieschen; zieh’ mich aus; ich kann kein Glied bewegen, und koch’ mir Lindenblütenthee!“

Er hing sich an ihren Arm und stieg mit hoch erhobenen Beinen durch die Flut. Der Schein des Lichtes fiel jetzt auf das in der Eile halb offen gelassene Fenster, und die Gestalt des draußen auf dem Blumenbrete hockenden Liebhabers war deutlich zu erkennen.

„Herr Gott, Epperlein,“ schrie die erschrockene Stadträthin, „das ist ein Gespenst! Alle guten Geister lo —“

„Gespenst? Ein Gespenst? Fällt gar Niemandem ein. Halte einmal die Lampe hoch!“

Vor Frost an allen Gliedern zitternd, trat er zum Fenster und nahm die vom Schnee überstöberte Gestalt in Augenschein.

„Wer — wie — was — wo — ich glaube gar, das ist — da klebt das Köhler’s Universalpflaster! Ich konnte mir doch gleich denken, daß der Urian dabei ist, wenn’s im Hause hier eine Teufelei giebt. Die Stube schwimmt, der Tisch ist gedeckt, und vor dem Fenster — na warte, Bursche, Du sitzest mir gerade recht. Du hast Dich in die Universalpatsche gebracht; sieh, wie Du wieder herauskommst!“

Er schob das Fenster zu, drehte den Wirbel vor und stieg zähneklappernd nach dem Schlafzimmer.

„Also Lindenblütenthee, Lieschen, vor allen Dingen Lindenblütenthee, und dann mag die Gustel, das saubere Kind, die Ueberschwemmung auftrocknen. Aber das Fenster bleibt zu, hörst Du? Gericht werde ich morgen halten. Ihr sollt an den Epperlein denken, Ihr Pflastervolk, Ihr Schmierpack, Ihr Universalköhlergesellschaft!“

Heinrich saß am Tische und studirte eifrig in dem alten „Kräuterbuche des berühmten und wundersam gelehrten Herrn Dr. Johannes Mattheoli, Stadtarzt und Kreisphysicus der guten Stadt Regensburg, gedruckt und mit vielen schönen Bildern versehen im Jahre p. Chr. nat. 1605“. Die Mutter hockte vor dem riesigen und hitzesprühenden Kachelofen und rührte eifrig in einem mächtigen Topfe, welchem ein Geruch entstieg, der nicht leicht mit dem Dufte von Eau de mille fleurs zu verwechseln war. Ihr seliger Mann war Feldscheer gewesen und hatte den Seinigen nichts hinterlassen, als das Kräuterbuch und das Recept zu dem Pflaster, welches sie soeben kochte.

Da wurde die Thür geöffnet, und Gustel trat ein. Man sah es ihrem vom Laufe gerötheten Gesichte an, daß sie nicht zu einem längeren Besuche, sondern nur auf ein eiliges Huscherchen herübergesprungen war.

„Guten Abend, Mutter Köhler, guten Abend, Heinrich! Hast wohl heute viel zu thun?“

„Es ist nicht so schlimm! Warum?“

„Weil Du ein bischen hinüberkommen könntest. Meine Herrschaft geht wieder ins Casino.“

„So! Hm, ich danke schön. Die Lust, auf dem Blumenbrete herumzureiten, ist mir vergangen!“

„Heut’ passirt so etwas nicht wieder. Es ist Neuwahl; da

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kommen sicher Alle, und vor Nachts zwei oder drei Uhr ist an das Heimgehen gar nicht zu denken.“

„Und wenn der Kuckuk den Gregorius oder seine dicke Liese reitet, so sind sie wieder halb zehn schon da, und ich kann’s zum zweiten Male versuchen, eiszapfensteif herunter auf die Gasse zu fallen. Nein, nein, ich mach’ nicht mit!“

„Ich sage Dir, es passirt heute nichts; wir sind ganz sicher, zehnmal sicherer als vor acht Tagen!“

„Und ich sage Dir, du [Du] bekommst mich nicht hinüber, und wenn wir hundertmal sicherer sind! Es möchte noch Alles gehen; der Schreck, das Erfrieren draußen vor dem Fenster und auch der Sprung hinunter in den Schnee; aber daß ich bei all’ der Mühe, die man sich geben muß, um die Gans, den Hasen, die Henne und den Eierkuchen gekommen bin, das ist ärgerlich. Das hat nun Alles der infame Mops gefressen.“

„Da hast Du schon Recht. Und g’rad wegen des Essens ist mir’s am traurigsten gegangen. Aber ich habe die ganze Woche wieder gespart, und dieses Mal bekommt’s der Mops sicher nicht wieder.“

„Mir ganz egal! Ich bleib’ zu Hause, und wenn Du eingelegte Bachstelzen hast!“

„Die habe ich nicht, aber ein Stückchen Trüffelwurst und —“

„Kenne ich nicht, mag ich auch nicht. Ich bleib daheim!“

„Und Zuckergurken und —“

„Ich laß mich nicht begurken; ich bleib daheim!“

„Und — und — ja so, heute hatten wir Wickelklöße, da ist eine ganze Schüssel voll übrig geblieben.“

„Wickelklöße? Die habe ich seit einem halben Jahre nicht gegessen. Hm! Sind sie gut?“

„Das will ich meinen! Die Frau hat sie selber gemacht, und die spart die Eier und Butter nicht.“

„Könntest sie uns doch lieber herüberbringen!“

„Das ist nicht nothwendig. Für die Mutter habe ich schon hier etwas —“ sie legte ein fettdurchtränktes Packet auf den Tisch — „und Du kannst schon zu mir kommen, wenn Du Dir eine Güte thun willst!“

„Ja, wenn man nur wüßte, daß wirklich nichts passirt! Ich denke aber, der Epperlein ist im Wasserständer mißtrauisch geworden.“

„Na, Heinrich, diese Flut vergeß ich all’ mein Lebelang nicht; Du mußt auch auf den sonderbaren Gedanken kommen, den Ständer hinter den Ofen zu schaffen! Aber wenn auch! Die Herrschaft traut uns ganz bestimmt den Muth nicht zu, schon heute wieder beisammen zu sein. Willst Du die Wickelklöße oder nicht?“

„J nu, wenn sie wirklich so gut sind, so kann man schon etwas wagen. Setz’ also das Licht wieder an das Fenster, wenn sie fort sind; ich komme!“

Er begleitete die Geliebte bis hinunter vor die Hausthür, wo der übliche Abschied gefeiert wurde; dann eilte sie von dannen, um nicht etwa vermißt zu werden.

Drüben saß der Herr Stadtrath und Chirurgus Epperlein im Großvaterstuhle und fing fürchterliche Grillen; zum Charpiezupfen fehlte ihm heute die Geduld, denn morgen war der gefürchtete Zahltag, und alle seine Bemühungen, die fünfhundert Thaler geborgt zu erhalten, hatten zu keinem bestimmten Resultate geführt. Auch die dicke Hausfrau saß mit sorgenvollem Gesichte am Tische und — legte sich die Karte.

„Sieben — Acht — Neun — Zehn — Unter — Ober — König — grün Unter! Hm, das ist der Gerichtsbote; das bedeutet entweder Auspfändung oder sonst Schaden im Meublement! Das Schellen-Daus läßt sich nicht mehr sehen.“

„Hat Dir’s nicht wieder geträumt, Lieschen?“

„Nein; die ganze lange Woche nicht. Ein Traum ist auch ganz unmöglich; die Hypothek läßt Einen ja gar nicht schlafen!“

„Ja, ja; ich bin gelaufen, daß mir die Beine brennen, aber Geld habe ich nicht bekommen. Heute noch war ich beim Stadtcassirer, der will es möglich zu machen suchen, mir die Summe

wenigstens einstweilen vorzuschießen; im Casino nachher soll ich Bescheid erhalten. Ob er es kann, ist auch noch sehr die Frage; aber den Leiermüller, den mag ich nicht um Nachsicht bitten, und wenn ich die Hypothek vom Monde herunterreißen soll. Herein!“

Es hatte geklopft. Auf den Ruf Epperlein’s öffnete sich die Thür, und ein junger, stutzerhaft gekleideter Mann, den Klemmer auf der Nase, trat ein. Es war der gefürchtete Gläubiger, welcher kam, um auf eine feine Weise den Chirurgus an seine bald zu erfüllende Pflicht zu erinnern.

„Ich komme in einer Berufsangelegenheit, Herr College,“ entschuldigte er sich, nachdem er unter höflichem Complimente Platz genommen hatte. „Sind Sie morgen Vormittag auf ein halbes Stündchen disponibel?“

„Es ist möglich, Herr Doctor. Womit kann ich dienen?“

„Ich habe eine Operation vor, bei welcher ich um Ihre Unterstützung bitten möchte.“

„Gern, sehr gern, mein bester Herr College!“ stimmte Epperlein mit freudig glänzendem Gesichte bei. Eine gefährliche Operation, die der neue Arzt ohne seine Hilfe nicht zu vollbringen sich getraute, das war Balsam für sein leicht erregtes Ehrgefühl. „Darf ich fragen, welcher Fall vorliegt?“

„Ein sehr gewöhnlicher, bei dem ich Ihre Gegenwart nur wünsche, um Ihnen zu zeigen, wie leicht und präcis die neue Schule arbeitet. Es ist eine einfache Schieloperation, die ich auch ohne Hilfe in fünf Minuten vollende. Sie sollen die Güte haben, mir den Patienten zu halten.“

„Wa — wa — wa — was? Den Patienten halten?“ rief Epperlein aufspringend. Diese Bemerkung hatte ihn sofort wieder aus allen seinen Himmeln gerissen. Das war ja eine Zumuthung, die gar nicht beleidigender sein konnte! „Sie haben sich wohl versprochen, Herr Doctor. Ein Chirurgus von meiner Erfahrung und Sicherheit kann einer Operation nur mit dem Instrumente in der Hand beiwohnen!“

„Nein, mein Bester, versprochen habe ich mich nicht. Meine Instrumente sind gut, und ich besitze auch Ruhe und Uebung genug, um sie erfolgreich anwenden zu können.“

„So will ich Ihnen einen guten Rath geben, mein sehr verehrter Herr Doctor Leiermüller: Bitten Sie den Fleischermeister Habermann um seinen Lehrjungen, der stets den Schwanz halten muß, wenn eine Ziege gestochen wird. Der liebe Schlingel besitzt eine solche Gewandtheit in diesem Fache, daß er Ihnen bei Ihrer Operation von großem Nutzen sein wird. Bei einem approbirten Chirurgus aber kommen Sie mit Ihrer erstaunlichen Offerte an die falsche Adresse!“

Der junge Aesculap erhob sich und sah ihn lächelnd an.

„Keine Aufregung, Herr College, bitte, keine Aufregung! Ich wollte Ihnen gern meine Bereitwilligkeit zeigen, mich mit einem so erfahrenen Berufsgenossen in gutes Einvernehmen zu setzen, denn ich bin ein Feind aller concurrenzlichen Gehässigkeiten. Doch wie Sie wollen! Jedenfalls aber verzichte ich nicht auf das Vergnügen, Sie morgen zu sehen, wenn auch der Grund Ihres Besuches kein ärztlicher sein wird!“

Er stand schon im Begriffe, sich zu entfernen, als das Dienstmädchen eintrat, um den Tisch zu decken. Sein Auge fiel auf ihre immer noch verbundene Hand.

„Was fehlt Ihnen hier, mein Kind?“ fragte er.

„Es ist ein Ab — Ab — Absetz, sagt der Herr,“ antwortete sie.

„Absceß, meinen Sie wohl! Wie alt ist er?“

„Ueber acht Tage.“

„Was haben Sie aufgelegt?“

„Der Herr hat mir eine Salbe gegeben.“

„Und das Geschwür ist noch nicht auf?“

„Nein.“

„So taugt die Salbe nichts. Kaufen Sie sich eine Schachtel Köhler’s Universalpflaster; das ist ausgezeichnet für solche Fälle und wird Ihnen rasch Heilung bringen. Ich habe die Ehre, Herr College, Frau Stadtrath, gute Nacht!“

(Schluß folgt.)

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Das Ducatennest.

Humoreske von Karl May.

(Schluß.)

Der gute Chirurgus stand da wie vom Schlage gerührt. So eine Blamage war ihm in seinem ganzen Leben nicht vorgekommen. Als wieder Leben in seine erstarrten Glieder kam, stürzte er sich auf das Mädchen, als wolle er sie packen und zerreißen.

„Wer — wer hat Dir geheißen, ihm Rede zu stehen?“ schnaubte er sie an. „Hinaus; ich mag Dich nicht mehr sehen. Hinaus, sage ich, oder Du fährst wie eine Granate durch die Thür!“

Sie gehorchte dem Befehle und brachte ihre bedrohte Person schleunigst in Sicherheit. Epperlein stieg mit so langen Schritten, als ihm seine kurzen Beine nur immer erlaubten, im Zimmer auf und ab.

„Ist das nicht zum Rasendwerden — ist das nicht um aus der Haut zu fahren — ist das nicht geradezu zum Zerplatzen, Lieschen? Kommt mir der Mensch aufs Cabinet gestiegen, muthet mir zu, seinen Schielaffen zu halten, mahnt mich an die Hypothek und rathet sogar dann meinem eigenen Dienstmädchen die Köhler’s Universalquacksalbe! Wäre er nicht so rasch davon gegangen, so hätte ich ihn hinaus geleiermüllert, daß er sich mit einem ganzen Braubottich voll seiner elenden Universalklexerei einschmieren mußte [müßte], der Pillendreher, der Pulverstößer, der — der Mixturgimpel der!“

„Beruhige Dich, Epperlein,“ meinte die Hausfrau begütigend. „Es hat’s ja Niemand gehört, und er ist ja der Mann gar nicht danach, daß Du Dich über ihn ärgerst!“

„Das ist wahr, sehr wahr, Lieschen. So ein Grünschnabel kann mich eigentlich gar nicht beleidigen; aber über das Mädchen muß ich mich erbosen, das sich herstellt und ihm ganz herrlich Rede und Antwort giebt. Die taugt zu weiter nichts, als zur Liebelei, zum Zimmerschwemmen und zur Speisung von zehntausend Universalhungerleidern. Schaff’ sie mir aus dem Hause, sonst geh’ ich selber!“

Die Stadträthin fühlte sich selbst auch im höchsten Grade erzürnt; aber die Klugheit rieth ihr, ruhig zu scheinen, um den Eheherrn nicht noch mehr aufzuregen. Darum hörte sie seine Interjectionen schweigend an und ging endlich in die Küche, um das Abendbrod selbst zu serviren und so dem Zornigen den Anblick des Mädchens zu ersparen.

„So ist’s recht, Lieschen,“ meinte er, als sie dann den Tisch deckte; „sie darf mir gar nicht wieder in die Stube treten. Wir haben mit diesem Menschen die Zeit versäumt und wollen uns nun dazu halten, damit wir ins Casino kommen, sonst sind zehn Pfennige Strafe fällig. Er wird zwar auch dort sein, aber ich kenne ihn gar nicht!“

Das Essen wurde schweigend eingenommen, und ebenso schweigend verließ dann das Paar die Wohnung. Wenige Augenblicke später brannte das Licht am Fenster, und Heinrich erschien, um die Epperlein’schen Wickelklöße einer gründlichen Behandlung zu unterwerfen.

„Gedeckt wird heute nicht,“ meinte er; „das ist gefährlich und macht zu viel Umstände. Bring’ die Schüssel her; ich mache mich sofort darüber; besser ist besser!“

„Du willst sie doch nicht etwa gar gleich kalt essen? Da schmecken sie nicht; sie werden aufgewärmt!“

„So mach’ rasch, sonst kommt der Gregorius und wärmt uns auch mit auf!“

„Ich bin schon warm; vorhin habe ich sogar vor Wuth gekocht, denn seit die Hypothek im Hause spukt, ist’s gar nicht mehr auszuhalten. Denke Dir nur, der neue Doctor war da!“

„Der Leiermüller? Das ist kein unrechter Kerl; er läßt die Leute leben. Seit er weiß, daß Dein kleiner Epperlein mein Pflaster nicht leiden kann, giebt er sich die größte Mühe, es unter Dach und Fach zu bringen. Wir haben noch nie so viel davon verkauft wie jetzt, und wenn das so fort geht, so braucht die Mutter keine Sorge um das liebe Leben zu haben.“

„Ich will es ihr gern gönnen, wenn es nur uns Beiden nicht solchen Schaden machte! Der Leiermüller hat mich nach

meiner Hand gefragt und dabei die Salbe getadelt. Da kannst Du Dir denken, wie mir’s gegangen ist. Wenn es nicht anders wird, so zieh’ ich ab. Der Mops hat’s zehnmal besser als ich; heute hat sie ihn sogar mit ins Casino genommen.“

Sie hatten sich auf das Sopha gesetzt und klagten einander ihre Noth. Darüber verging eine geraume Zeit, und erst als der Kuckuk in der alten Wanduhr die zehnte Stunde rief, wurden sie durch ein lautes Zischen im Ofen an das Zugmittel erinnert, welchem Gustel die Gegenwart des Geliebten zu verdanken hatte.

„Du, die Wickelklöße brennen ja an! Die prägeln ganz zusammen, und wir sitzen dabei und machen schlechtes Kalenderwetter. Nimm sie heraus; ich habe Hunger!“

Sie folgte der Aufforderung. Die Schüssel auf den Beinen, den einen Arm um die Taille des Mädchens und in der anderen Hand die Gabel, begann er den Schmaus, hatte aber kaum erst den delicaten Geschmack der Klöße wegbekommen, als es im Schlosse der Hausthür klirrte und vom Flur herauf sich laute Schritte vernehmen ließen. Im Nu sprangen sie auf; die Schüssel flog unter das Sopha, und gerade wie vor acht Tagen fuhren die Ueberraschten ängstlich suchend im Zimmer umher.

„Das sind Gregoriussens, Gustel! Hab’ ich’s nicht gesagt, daß sie das leibhaftige Unglück wieder vor der Zeit nach Hause führen wird? Wo stecke ich mich hin?“

„Ich weiß es nicht. Mach’ nur schnell; sie sind schon auf der Treppe!“

„In die Kammer nicht, unter das Sopha nicht, hinaus aufs Blumenbret um keinen Preis und erst recht nicht; wohin denn? Gustel, ich steck’ mich in den Uhrkasten, weiter giebt’s keine Rettung. Sorge nur dafür, daß sie gleich zu Bette geh’n!“

Die Uhr war ein altes Familienerbstück und hatte einen Kasten, der lang und breit genug war, die schmächtige Gestalt Heinrich’s zur Noth aufzunehmen. Dieser öffnete die Thür, stellte sich hinein und hörte im nächsten Augenblicke auch schon die Gefürchteten in das Zimmer treten.

Er befand sich in einer keineswegs beneidenswerthen Lage. Sollte er nicht verrathen werden, so mußte die Uhr fortgehen; er durfte also nicht an den Perpendikel stoßen, welcher hinter ihm an der Wand hin und her ging. Die Gewichte hingen weit hernieder und waren ihm im Wege; er steckte sie also kurz entschlossen in die beiden Hosentaschen, nahm die Ketten in die Hände und zog sie leise an, um die bewegende Last zu ersetzen. Infolge dieser Nothwendigkeiten war er zu einer Haltung verurtheilt, die von Secunde zu Secunde unbequemer und kritischer werden mußte. Der eiserne Haspen, welcher den Kasten mit der Mauer verband, hatte sich gelockert und hielt nicht mehr, deshalb theilte sich jede und auch die geringste Bewegung Heinrich’s dem alten wurmstichigen Gehäuse mit, und er sah sich gezwungen, die Ellbogen fest an die Seitenwände zu stemmen, um sich und sein enges Futteral im Gleichgewichte zu erhalten.

Unterdessen war die dicke Frau Stadträthin lautlos eingetreten, hatte den Mops auf die Diele und sich auf das Sopha gesetzt und beobachtete mit finsterem Gesichte ihren Herrn Gemahl, welcher zorngeröthet und heftig gesticulirend im Zimmer auf und ab stampfte.

„Nein, was zu toll ist, ist zu toll! So viel Aerger, wie ich jetzt an einem Tage hinunterschlucken muß, habe ich sonst in fünf Jahren nicht gehabt,“ raisonnirte er. „Alles hat sich gegen mich verschworen, Alles, Alles, Alles. Und morgen, wo ich das Geld zu schaffen habe, bin ich blamirt für alle Zeit und Ewigkeit. Der Stadtcassirer soll mir in Zukunft sehr vom Halse bleiben. Erst sperrt er Einem den Mund auf, und dann, wenn es gilt, Wort zu halten, dann sagt er einfach: „Es geht nicht.“ Aber ich bin Stadtrath, und er soll mit mir zu thun bekommen!“

„Beruhige Dich nur, Epperlein; wenn die Noth am größten, so ist die Hilfe am nächsten, und das Schellen-Daus ist auch nicht so von ungefähr gewesen.“

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„Sei still mit Deinem Teufelsbuche! Und das Sprichwort, das sollte eigentlich auch nur heißen: Wenn die Noth am größten, so ist der Czar am weitesten. Von wem soll denn noch Hilfe kommen? Etwa von dem liebenswürdigen Herrn Doctor Leiermüller selber, der sich im Casino hinstellt und über den Absceß und meine Salbe öffentliche Glossen macht, so daß ich vor lauter Grimm und Wuth davongelaufen bin?“

„Grad’ dieses Davonlaufen ist der größte Fehler, den Du machen konntest; ihn mit Verachtung strafen, das wär’ viel gescheider gewesen! Nun lachen sie über uns, und wir, wir sind — was macht denn nur der Hund für einen Lärm da unter’m Kanapee? Joly, Joly, komm heraus — Epperlein, sieh’ doch einmal nach, was er hat; ich kann mich nicht gut bücken!“

„Was soll er denn haben? Er wälzt sich vor Vergnügen, weil’s ihm wohl ist, und ich werde gewälzt, weil’s Anderen zu wohl wird. Komm her, Racker; von der Verzückung kann ich Dir schon helfen!“

Er brachte den Hund am Schwanze hervorgezogen und langte dann noch einmal unter das Möbel hinein.

„Was ist denn das, Lieschen? Hier ist ja eine ganze Schüssel voll Wickelklöße! Wie kommen die unter das Kanapee? Und dabei warm; sie dampfen noch!“

„Wahrhaftig, das sind meine Wickelklöße. Die standen in der Küche, als wir gingen; ich weiß es ganz gewiß. Wie sind die hierher gekommen?“

„Wie? Da fragt diese Frau noch! Das versteht sich ja ganz von selbst, wie sie unter das Kanapee gekommen sind! Wenn bei uns die Wickelklöße verschwinden, so hat ganz sicher der Universalgalgenstrick die Hand dabei im Spiele. Ich werde ihn einmal suchen!“

„Rufe die Gustel, Epperlein! Sie ist in der Küche.“

„Du hast Recht, Lieschen. Ich werde ihr ganz gehörig auf das Leder steigen!“

Ohne an seine Aeußerung zu denken, daß er das Mädchen gar nicht wiedersehen wollte, ging er hinaus und brachte dann die angstvolle Delinquentin an dem Arme herbeigezogen. Die Schüssel ergreifend, hielt er ihr dieselbe vor das Gesicht und fragte mit zornbebender Stimme:

„Weißt Du, was das für Zeug ist?“

„Ja.“

„So sag’ einmal, sind es Wickelklöße oder Universalpflasterklöße?“

„Wickelklöße!“

„Na also —! Verstehst Du mich? — Wo steckt der Kerl?“

„Wer denn, Herr Stadtrath?“

„Laß den „Stadtrath“ jetzt bei Seite; mit ihm machst Du mich nicht kirr. Wo der Kerl ist, will ich wissen!“

„Ich weiß doch gar nicht, wen Sie meinen, Herr Epperlein!“

„So? Ach, guck’ einmal, Du weißt nicht, wen ich meine! Mach’s kurz, sonst helfe ich nach! Wo hat er sich verkrochen? Heraus mit ihm!“

„Aber, Herr Epperlein, ich kann doch —“

„Herrrraus, sage ich!“ befahl er, mit dem Fuße stampfend.

„Herr Eperl —“

„Herrrrr —“

Er brachte die Silbe nicht zu Ende. Heinrich’s wundersame Position war während der letzten Scene immer unhaltbarer geworden. Die künstliche Stellung, welche zu behaupten er gezwungen war, streugte ihn so an, daß seine Glieder ein Zittern befiel, welches sich allmählich auch dem Kasten mittheilte und seinen Höhepunkt gerade in dem Augenblicke erreicht hatte, als der Fuß des Chirurgus mit aller Kraft die Diele stampfte. Der Stoß traf unglücklicherweise gerade das locker gelaufene Bret, auf welchem der Uhrkasten stand. Dieser gerieth dadurch ins Schwanken. Heinrich fuhr mit den Armen in die Höhe, um ihn zu halten, verlor aber dabei natürlich die Balance, schwankte einige Secunden lang mit dem unglückseligen Gehäuse hin und her, und dann — krach und pardauz — flogen Beide, so lang sie waren, hin in die Stube.

Die überraschende Niederlage des alle Vier von sich streckenden Helden rief einen unsäglichen Tumult hervor. Epperlein war erschrocken einige Schritte zurückgesprungen und schrie vor Entsetzen

laut auf; das Dienstmädchen schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und suchte kreischend das Weite, stolperte aber dabei über den Mops, welcher vor Schreck und Fett nicht bellen konnte, sondern so unbeschreiblich gackernde Töne hervorzwang, als sei er in eine Henne verwandelt worden und stehe im Begriffe, Eier zu legen. Da Heinrich die an den Ketten hängenden Gewichte in der Tasche hatte, so zog er auch das Uhrwerk mit in sein Unglück hinein. Es wurde von der Wand gerissen und der Frau Chirurgus und Stadtrath Epperlein mit solcher Vehemenz in das Gesicht geschleudert, daß sie ein Zetermordio erhob, als sei der Himmel über ihr zusammengebrochen. Der Hausherr war der Erste, dem die geordnete Sprache wiederkehrte.

„Um aller Heiligen willen, Kerl, wo kommt Er denn her?“ rief er, den jungen Mann wie ein Gespenst mit weit aufgerissenen Augen anstaunend.

„Hm, grad’ hier aus dem Uhrkasten heraus!“ antwortete der Gefragte kleinlaut, indem er sich vom Boden emporkrabbelte und die Glieder befühlte, ob er sie noch alle beisammen habe.

„Das sehe ich, Er heilloser Wickelkloß Er! Aber wer hat es Ihm denn geheißen?“

„Sie doch selber, Herr Stadtrath! Sie riefen ja dreimal „Herrrrraus!“ und da mußte ich —“

„Still, kein Wort weiter! Glaubt Er, daß ich mich noch obendrein von Ihm zum Narren halten lasse? Ich werde endlich einmal ein Exempel statuiren und Ihm lehren, meine Kuckuksuhr, die seit Menschengedenken da droben an der Wand —“ Er hielt mitten in der Rede inne. Bei den letzten Worten hatte er das Auge zu der Stelle erhoben, wo das Uhrwerk gehangen hatte, und dabei eine viereckige Vertiefung bemerkt, die bisher von dem uralten Chronometer verdeckt worden war. — „Was ist denn das für ein Loch da droben? Lieschen, guck’ einmal hinauf; von dem habe ich noch gar nichts gewußt. Am Ende ist gar — Wolken, Blitz und Wurmkuchen —, gebt schnell einen Stuhl her; ich muß hinauf!“

Heinrich ergriff diese Gelegenheit, den Zürnenden in eine mildere Stimmung zu versetzen. Er war länger als Epperlein, darum schob er diesen auf die Seite, stellte sich auf den Stuhl und langte in die Vertiefung hinein.

„Nun, ist etwas d’rin?“

„Ja. Eins — zwei — drei — vier — fünf Beutel. Sapperlot, klingt das hell und schön! Hier ist der vorderste!“

Mit einem unarticulirten Freudenrufe griff der Stadtrath zu und öffnete, vor Begierde zitternd, das Säckchen.

„Ducaten, blanke, goldene Ducaten! Lieschen, der Schatz ist da, hurrrrjeh, hurrrrjih, hurrrrjoh! Herunter damit, nur immer herunter, mein Prachtjunge; der sel’ge Onkel mag darüber lachen oder weinen, mir ist’s ganz egal! Lieschen, welch’ ein Glück, daß sich der Heinrich in die alte Kuckuksbude gemacht hat! Er soll die Gustel haben, nicht wahr? Und das Uebrige wird sich auch noch finden. Her mit den Moneten, so! Hier, meine Alte, hast Du die Säcke; der Universalschlingel hat sie Dir bescheert!“

Vollständig sprachlos drückte sie die Beutel an ihre breite, vor Seligkeit tief athmende Brust. Der Schlag, welchen sie von der herabstürzenden Uhr erhalten hatte, war vergessen, und mit entzücktem Ausdrucke wanderte ihr Auge zwischen den glänzenden Gesichtern der beiden Männer und dem segensreichen Loche hin und wieder. Die jubelnden Leute hatten das Dienstmädchen wieder herbeigerufen; sie erschien mit vorsichtig prüfendem Blicke unter der Thür.

„Nur immer herein, Gustel,“ ermunterte sie Epperlein. „Der Heinrich ist jetzt Dein, denn wir haben das Ducatennest gefunden, und nun sollt Ihr Hochzeit machen! — Lieschen, denke an den Doctor, was der für ein Gesicht machen wird, wenn ich ihm morgen seine Hypothek geleiermüllert bringe!“

„Siehst Du,“ meinte sie jetzt endlich triumphirend, „daß ich Recht hatte mit meiner Hilfe in der Noth! Das Schellen-Daus ist richtig zugetroffen: Geld und eine Ohrfeige; ich habe sie von der Uhr bekommen, mache mir aber nichts daraus. Und der grüne Unter hat seine Sache auch gut gemacht: Schaden im Meublement!“

„Thut nichts, Lieschen, gar nichts; die Uhr läßt sich ja repariren. Jetzt aber wollen wir vor allen Dingen einmal zählen! Heinrich, Du kannst mit der Gustel in die Küche gehen und dort

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Deine Wickelklöße essen. Sie mag die Salbe herunter nehmen und Dein Universalpflaster auflegen; es ist gut, sehr gut, und ich werde es empfehlen, wo ich nur immer kann. Nehmt Euch in Gottes Namen. Für eine Ausstattung werden wir sorgen, und einen Finderlohn sollst Du noch extra haben! Bist Du zufrieden?“

„Hm,“ antwortete der Gefragte, mit dem ganzen Gesichte

lachend, „besser als vor acht Tagen, Herr Stadtrath. Ich danke auch schön und werde gleich nachher bei mir zu Hause nachsehen, ob hinter unserem alten Perpendikel vielleicht auch so ein Wespennest zu finden ist!“

In dem einen Arme sein Mädchen und in der anderen Hand die Wickelklöße, machte er Kehrt und verschwand fröhlich kichernd hinter der Küchenthür.