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Aus allen Zeiten und Zonen.
      
XXI.

Der Africander.

Ein Abenteuer aus Südafrika von Emma Pollmer.

1. Der Raub.

Wie eine große, riesige Sphinx, deren Räthsel seit Jahrtausenden ihrer Lösung harren, liegt an der südlichen Spitze der „alten Welt“ und bespült von zwei Oceanen die an Gegensätzen ebenso wie an Geheimnissen reiche Ländermasse Afrika’s. Eine riesenhafte Natur schafft hier mit riesigen Kräften die gigantischsten pflanzlichen und thierischen Erscheinungen des Erdballes; Hunderttausende von Quadratmeilen Landes dürsten unter dem Fluche der Unfruchtbarkeit, oder bilden weite Steppenplateau’s deren spärliche Vegetation nur in den feuchten Jahreszeiten dem Springbocke und den ihm verwandten Arten ein Dasein gestattet. Unzählige Bäche und Wadi’s stürzen im Frühling donnernd und schäumend zu Thal, um schon nach kurzer Zeit im dürren Sande zu versiechen und Nichts als wüstes Geröll und Steingetrümmer zurückzulassen, und wo die Gesittung es

wagt, den kühnen Fuß auf den widerstrebenden Boden zu setzen, da muß sie sich zum Kampfe mit Gewalten rüsten, die über Tod und Verderben gebieten.

Die Bewohner der Nordküste Afrika’s spielten schon in den ältesten Zeiten eine hervorragende geschichtliche Rolle, während der übrige Theil dieses bis heut noch unbekanntesten Continentes in tiefes Dunkel gehüllt blieb, denn daß das Südkap schon im Alterthume von historischen Völkern gekannt und umfahren worden sei, ist theils lose Vermuthung, theils Sage. So glaubte z. B. Kant nach 1. Buch der Könige Cap. 22, daß zur Zeit des jüdischen Königs Josaphat die Seereisen vom arabischen Meerbusen aus um das Cap nach Spanien etwas Gewöhnliches gewesen seien, und Herodot erzählt, daß Karthager, von dem egyptischen Könige Necho gesendet, um 610 v. Chr. denselben Weg zurückgelegt hätten. Uebrigens galt schon ein weiteres Vordringen an der Westküste für eine Umschiffung Afrika’s wie die Fahrt des Karthagers Hanno um 500 vor Chr., welcher doch höchstens bis Guinea kam. Daß später der Kyzikaner

Eudoxos von Gades aus eine Reise um das Cap in den arabischen Meerbusen gemacht habe, ist eine Erdichtung.

Bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts war von Norden aus Niemand an und um das Cap gekommen. König Johann II. von Portugal sendete ein kleines Geschwader unter Bartholomäus Diaz aus; dieser umsegelte 1487 auch wirklich das Cap, aber weiter vorzudringen hinderte ihn eine unter seinen Leuten ausgebrochene Meuterei. Wegen der schrecklichen Stürme, die er an dem Cap auszustehen hatte, nannte er dasselbe Cabo tormentoso, (stürmisches Vorgebirge), König Johann aber änderte diesen Namen in „Vorgebirge der guten Hoffnung“ um, da er nun nicht zweifelte, daß der Weg nach Indien nun gefunden sei. Sein Nachfolger, König Immanuel, schickte eine Flottille von vier Schiffen unter Vasco de Gama aus, um den aufgefundenen Weg weiter zu verfolgen, welche Aufgabe dieser berühmte Mann auch glücklich löste. Doch war es den Portugiesen nur um den Weg nach Indien zu thun, um die Südspitze Afrika’s kümmerten sie sich nicht.

Erst die Holländer besetzten diese Letztere 1600 durch den Seekapitän Van Kisbock. Die Colonisten (Boers) warfen die Hottentotten zurück, drangen nach und nach bis zu den Kaffern vor und rangen auch diesen eine Strecke Landes nach der andern ab. Die Ansiedelung wuchs und erregte den Neid der Engländer, welche nicht eher ruhten, als bis sie 1714 im Pariser Frieden das Land abgetreten bekamen. Dies zog eine Zufuhr englischer Colonisten nach sich, durch welche sich die holländischen Boers beeinträchtigt sahen, und es entstand zwischen Beiden eine Feindseligkeit, welche in den Kämpfen der Kolonie mit den Eingeborenen des Landes eine nicht unbedeutende Rolle spielte. —

Ueber die einförmige Ebene ritten zwei Männer. Ihre Thiere waren von der leichtfüßigen, ausdauernden Rasse, wie sie von den Söhnen Altenglands nach Südafrika gebracht worden war und die sich so vortheilhaft von den schweren, unbehülflichen, niederländischen Trabern unterscheidet.

Damn it,“ meinte der Eine, indem er das Auge gegen den Strahl der niedergehenden Sonne mit der Hand beschattete und den vor ihnen liegenden Horizont musterte; „wo bleibt nur dieses verteufelte Klaarfontain! Oder hast Du Dich in der Gegend geirrt, John Hoblyn?“

„Ich mich in der Gegend irren, Sir Raffley? Das wäre ja ein Ding, welches ich noch niemals kennen gelernt habe. Klaarfontain liegt grad vor uns, und in höchstens einer halben Stunde sind wir dort.“

„Und das Mädchen ist wirklich so prachtvoll, wie Du sie beschrieben hast?“

„Wirklich! Sie muß eine Amatomba oder eine Lagoanerin sein, der Schönheit nach; ich kenne das, Sir!“

„Gut, John; sie wird also für einige Zeit meine kleine Frau werden müssen. Ich kaufe sie, und wenn ich finde, daß — —“

„Kaufen? Hm, ich glaube nicht, daß Euch das gelingen wird. Diese niederländischen Boers sind gar eigene Leute, und der Piet van Holmen auf Klaarfontain ist grad

einer von den Aechten, obgleich er kaum einige und zwanzig Jahre zählt. Er scheint mir selbst ein Auge auf sie geworfen zu haben und würde auch ohne Das nicht der Mann sein, ein Hausgesinde an einen Inglishman abzulassen.“

„Habe von ihm gehört! Er soll einer der verwegensten Afrikanders sein und sich vor einem ganzen Rudel Kaffern ebenso wenig fürchten, wie vor dem Löwen oder Rhinozeros. Doch, wir werden ja sehen! Er ist die rechte Hand von Pieter Uys, der sich gegen den Zuluhäuptling Dingaan rüstet; wir dürfen diesen Boers den Sieg nicht lassen, und mit den Aufträgen, die ich vom Gouverneur in den Händen habe, ist es mir ein Leichtes, ihn zu verderben. Gefällt mir das Mädchen, so wird sie mein; dabei bleibts!“

Die beiden Engländer setzten ihren Weg nun schweigend weiter fort.

John Hoblyn hatte Recht gehabt, denn noch war keine halbe Stunde vergangen, so traten die niedrigen Gebäude einer einzelnen holländischen Ansiedelung aus der Ebene hervor. Es war Klaarfontain.

Ein paar mächtige Fanghunde begrüßten die Ankömmlinge mit wüthendem Gebell. Eine außerordentlich sauber gekleidete Frau trat aus der Thür und beschwichtigte die Thiere, wobei ihr Auge mit mißtrauisch fragendem Blicke die Fremden musterte.

„Seid Ihr die Mutter von Piet van Holmen?“ frug Raffley.

„Ja,“ antwortete sie einfach und kurz.

„Ist er daheim?“

„Nein.“

„Wo trifft man ihn?“

„Auf der Jagd. Er sucht einen Leoparden, der uns in die Heerde gerathen ist.“

„Wer ist mit ihm?“

„Er ist allein.“

„Wann kommt er zurück?“

„Weiß nicht genau. Bis morgen sicher.“

„Dann bleiben wir hier. Wir haben mit ihm zu reden.“

Er stieg ohne Umstände vom Pferde, übergab dasselbe seinem Begleiter und trat in das Haus. Der Pflanzer versteht es, ohne große Einleitung von den Rechten der Gastfreundschaft Gebrauch zu machen. Als er in die Stube trat, schickte sich ein junges Mädchen an, diese scheu zu verlassen. Er warf einen raschen Blick auf sie und hatte sie dann sofort beim Arme gefaßt.

„Halt, Kleine! Warum willst Du so schnell fort? Du hast von mir keine Unliebenswürdigkeit zu befürchten!“

Sie suchte sich von ihm los zu machen und hob, als ihr das nicht gelang, das große, dunkle Auge bittend zu der Herrin empor.

„Wie ist Euer Name, Herr?“ frug diese.

„Raffley.“

(Fortsetzung folgt.)
Aus allen Zeiten und Zonen.
      
XXI.

Der Africander.

Ein Abenteuer aus Südafrika von Emma Pollmer.

(Fortsetzung.)

„Nun gut, Sir Raffley, laßt mir das Kind in Ruh. Ihr seid mein Gast, und sie hat in der Küche für Euch zu sorgen.“

„Wollt Ihr das nicht lieber selber thun, Jeffrouw van Holmen?“

Er versuchte, das Mädchen an sich zu ziehen, aber die Wirthin schob ihre breite, holländische Figur dazwischen.

„Wartet mit Eurer Meinung, bis ich Euch um dieselbe frage, Sir! Das Hannje geht in die Küche; so habe ich gesagt, und so bleibt es auch!“

Im nächsten Augenblicke war das Mädchen verschwunden.

Das „Hannje“, wie sie von der Boersfrau genannt worden war, konnte allerdings die Aufmerksamkeit auch eines sonst gegen das andere Geschlecht gleichgültigen Mannes auf sich ziehen. Die Frauen der Kaffern sind zwar meist klein, verkommen und unansehnlich oder sogar häßlich, aber es giebt einige Stämme, welche durch die Schönheit ihrer Weiber und Mädchen berühmt geworden sind. Hannje mußte einem dieser Stämme entsprossen sein, und die einfache, zeeländische Kleidung, welche sie trug, war ganz geeignet, diese körperlichen Vorzüge zur Geltung zu bringen.

Der Engländer war ihr mit leuchtendem Blicke gefolgt. Dann wandte er sich an die strenge Frau zurück:

„Habt Ihr das Mädchen gekauft, Jeffrouw?“

„Nein. Der Boer — Gott segne sein Andenken — fand sie draußen in der Wüste; zwei Todte lagen bei ihr, ein Mann und ein Weib. Er nahm das Kind mit nach Klaarfontain, und da ist es mit Piet, unserm Sohne, auferzogen worden.“

„So wißt Ihr nicht, woher es stammt?“

„Wir wissen es. Als Panda, der Häuptling der Zulu, von seinem Bruder Dingaan verfolgt wurde, übergab er sein Lieblingsweib nebst ihrem Kinde einem Vertrauten, der sie in der Kalahari verbergen sollte. Sie fanden die Quellen verstopft und sind elendiglich umgekommen; das Kind aber war unsre Hannje. Panda hat es wiedererkannt, als er einst in Klaarfontain übernachtete.“

„Warum hat er es nicht mitgenommen?“

„Er hatte keine Heimath mehr, und Hannje wollte nicht von uns lassen.“

„So! Ihr habt also mit Panda, dem größten Feinde der englischen Regierung zu thun?“ frug Sir Raffley lauernd.

Die Frau sah ihm unerschrocken in das Gesicht.

„Habt Ihr Etwas dagegen, Sir? Wer unter das Dach eines Boers tritt, darf unter demselben essen und ruhen; so war es Sitte, so ist es noch jetzt, und so soll es auch bleiben. Oder soll ich Euch fortweisen?“

„Verkauft Ihr das Mädchen, Jeffrouw?“ frug er ausweichend. „Ich nehme sie für einen guten Preis morgen mit mir.“

„Verkaufen? Nein, Sir, um keinen Preis. Sie ist mein Kind geworden und wird bald das Weib meines Sohnes sein. Die Boeren von Klaarfontain haben nie mit Menschenfleisch gehandelt!“

Sie ließ ihn stehen und ging in die Küche. Er lächelte höhnisch vor sich hin, verließ die Stube, bog um das langgestreckte Gebäude und trat zu der Quelle, von deren klarem hellen Wasser die Besitzung ihren Namen erhalten hatte. John Hoblyn befand sich hier, um die dürstenden Pferde zu tränken.

„Nun, Sir, saht Ihr das Mädchen?“

„Ja.“

„Und gefällt es Euch?“

„Ich muß sie haben; ich nehme sie mit!“

„Wann?“

„Jetzt gleich!“

„Jetzt — gleich jetzt?“

„Ja, weil es grad jetzt am Leichtesten geht. Sie ist Panda’s Tochter.“

„Pan— Panda’s Tochter? Ist’s möglich, Sir? Was würde Dingaan sagen, wenn er es erführe!“

„Er soll es erfahren; wir haben große Vortheile davon Du sagtest, daß er jetzt die Quathlambapässe besetzt hält, um sich auf die Boers zu werfen?“

„Es ist so, ich weiß es genau.“

„Es ist nur eine halbe Tagereise bis dahin. Würden die Pferde den Ritt aushalten?“

„Sicher; sie sind noch ziemlich frisch, Sir!“

„Piet van Holmen ist auf der Jagd. Hast Du irgend welches Gesinde bemerkt?“

„Nein. Die Leute müssen bei den Heerden sein.“

„Ich denke auch, daß die beiden Frauen allein sind. Wir dürfen die Rückkehr der Andern nicht abwarten. Die Hunde sind angehänkt [angehängt]; wir brauchen sie nicht zu fürchten. Pferde stehen im Stalle: wir nehmen eins für das Mädchen. Die Frau wird gefesselt. Vorwärts; laß uns keine Zeit verlieren!“

Die zwei Männer verschwanden im Hause. Kaum waren einige Augenblicke vergangen, so ertönte ein Schrei — noch einer — — Hoblyn erschien wieder, trat in den Stall und zog eines der Pferde heraus. Auch Raffley kam. Er trug eine in eine Decke geschnürte Gestalt in den Armen. Sie wurde auf das Thier befestigt; dann trabten die Räuber eiligst von dan­nen. — —

2. Die Vergeltung

Das Quellwasser von Klaarfontain berieselte eine weite, von Oxalis- und Pelargoniumarten reich bestandene Senkung und vereinigte sich dann mit einem Bache, welcher weither von oben kam, wo einer der im Caplande so seltenen Wälder seine riesigen Stinck- und Gelbholzstämme zum Himmel streckte.

Auf einer Lichtung dieses Waldes standen drei Männer. Der Eine von ihnen war ein Kaffer. Er mußte schon engere Bekanntschaft mit der Civilisation gemacht haben, denn er trug nicht die Waffen seiner Stammverwandten, sondern das Roer — die gefährliche, sicher treffende Büchse der holländischen Colonisten — und das scharfe, spitze und leicht gekrümmte Messer, welches für Stich und Hieb gleich gut geeignet ist. Auch seine Kleidung war eine halbeuropäische, jedoch dem unstäten Leben angemessen, zu welchem der verdrängte Sohn des Landes verurtheilt ist. Die beiden Andern waren Boers, das sah man ihnen auf den ersten Blick an.

Der Aeltere von ihnen war nicht hoch, aber ungewöhnlich breit und kräftig gebaut; er hatte gewiß schon allen Unbilden eines harten und gefahrvollen Lebens Trotz geboten und sah ganz so aus, als könne ihn keine Schwierigkeit von einem einmal gefaßten Vorhaben abschrecken.

Der Jüngere konnte nur wenig über zwanzig Jahre zählen, aber seine Glieder waren von wahrhaft herkulischen Verhältnissen, und das ihm über den Rücken hängende Pantherfell erhöhte den kriegerischen Eindruck, welchen seine stattliche Erscheinung machen mußte.

Die drei Männer waren Panda, der Zulufürst, Pieter Uys, der Boermanführer und Piet van Holmen von Klaarfontain, der jetzt für jeden Fremden als auf der Jagd befindlich -

befindlich galt, während seine Abwesenheit doch nur der Besprechung galt, welche so eben ihr Ende erreicht zu haben schien.

„Also Panda ist mein Freund,“ meinte Uys; „er wird sein Wort nicht brechen?“

„Panda wird halten, was er sagt,“ antwortete der Kaffer. „Dingaan hat ihn verstoßen von seinem Kraal, darum hat er sich gestellt an die Spitze der tapfern Männer von Fingo und wird noch heut mit ihnen aufbrechen nach den Schluchten von Quathlamba, wie er versprochen hat!“

„Und welche Stämme ziehen mit?“

„Die Amafengu, die Amabaca und Amawazi. Auch werden kommen die Schembi, Latonga und Amahuta aus dem Lande Sofala, welche nur auf seinen Boten warten, um Dingaan, den Verräther, niederzuwerfen.“

„So sind wir einig. Ich reite direct von hier nach Pieter-Moritzburg ins Lager, um meine Anordnungen zu treffen. Morgen früh greife ich Dingaan an, und während er hervorbricht, besetzt mein Freund Panda hinter ihm die Pässe, so daß wir ihn erdrücken. Gelingt uns der Sieg, so wird Panda der König der Zulu, und alle Fingo werden ihm Tribut bezahlen. Piet van Holmen, Du kehrst jetzt nach Klaarfontain zurück und verabschiedest Dich von den Deinen. Auf dem Wege nach Pieter-Moritzburg ziehst Du alle Boers an Dich, die noch ohne Anführer sind, und bringst sie mir in das Lager. Leb’ wohl!“

Er reichte den beiden Andern die Hände und verschwand sodann im Dickicht des Waldes. Panda legte seine Hand auf die Schulter des jungen Boers.

„Wenn Panda ist geworden der König der Zulu, dann wird er geben dem Manne von Klaarfontain seine Tochter und eine große Zahl von Diamanten, welche wachsen in der Erde des Kurukaberges. Er wird ihm sein ein Bawo, ein guter Vater, und auch morgen beim Kampfe seine Hand über ihn halten, damit ihn nicht treffe der giftige Spieß der Lagoamänner!“

„Will mein Vater nicht mit mir gehen, um die Stimme seiner Tochter zu vernehmen?“

„Nein. Die Stunde ist kurz und die Arbeit lang, die unsrer wartet. Geh’ in Frieden!“

Sie trennten sich. Der Kaffer trat in das wirre Gezweig des Waldes und Piet eilte der Heimath zu.

Es war ein weiter Weg, den er zu machen hatte, und es war daher bereits Abend geworden, als er die Ansiedelung erreichte. Er fand die Bewohner derselben in sprachloser Verwirrung, und die Nachricht von der Entführung der Geliebten traf ihn beinahe wie ein vernichtender Donnerschlag. Doch war er nicht der Mann, sich durch eine solche Kunde widerstandslos niederschmettern zu lassen, vielmehr erhielt seine jugendliche Thatkraft durch dieselbe nur eine erhöhte Spannung.

(Schluß folgt.)
Aus allen Zeiten und Zonen.
      
XXI.

Der Africander.

Ein Abenteuer aus Südafrika von Emma Pollmer.

(Schluß.)

Piet van Holmen rief die Knechte herbei, übergab dem Einen von ihnen den Auftrag Pieter Uys an die in der Richtung nach Pieter-Moritzburg liegenden Boers, ließ sich von den Andern schleunigst sein schnellstes Pferd satteln, befahl ihnen die Obhut über die Heimath und verabschiedete sich dann von der Mutter.

„Piet, nimm meinen Segen mit; er möge Dich schützen und führen!“ meinte sie. Sie klagte und weinte nicht; sie frug auch nicht, wohin er wolle. Ein ächtes Boerenweib weiß, daß eine einzige That mehr werth ist, als tausend leere Worte.

„Mutter, ich bringe sie Dir zurück!“ antwortete er, die Schweißhunde losbindend, die sich sofort auf die Spur der beiden Engländer warfen, und im raschesten Schritte folgte er ihnen.

Der aufgegangene Mond erleichterte ihm den Weg; die Hunde waren gut dressirt und gingen ihm nicht außer Sicht- und Hörweite, und schon nach kurzer Zeit war er überzeugt, daß die Räuber ihren Weg nach dem Quathlambapässen zu Dingaan genommen hatten.

Sollte er den Weg fortsetzen? Die Verfolgten waren jedenfalls in Sicherheit, ehe er sie zu erreichen vermochte, und auf welche Weise vermochte er dann noch, Hannje zu retten? Die Vorsicht gebot ihm, den morgenden Kampfestag abzuwarten, die Liebe aber trieb ihn unaufhaltsam vorwärts. Er folgte ihr und beschloß, das Pferd an irgend einem geeigneten Orte unter der Obhut der Hunde zurückzulassen und dann zu Fuße zu recognosciren.

Der Weg führte jetzt immer mehr bergan, durch tiefe Schluchten, an steilen Abhängen vorüber. Er mußte bald am Ziele sein und sah sich nun zur doppelten Vorsicht genöthigt.

Eben ritt er einen schmalen Felsensteig dahin, der scharf nach einem Abgrund niederfiel, während zur andern Seite eine senkrechte Steinwand aufstieg, da gab der vorderste

der Hunde einen scharfen Laut, und zu gleicher Zeit ertönte mit gebieterischem Tone das unter den Kaffern gebräuchliche:

Ilitzwi — halt, die Losung!“

Er parirte das Pferd, nahm das Rohr in die Höhe und gebot:

„Tiger Simson, faß!“

Er glaubte, einen vereinzelten Posten vor sich zu haben, wie sie von den Eingeborenen auch in größerer Entfernung von ihrem Kriegslager aufgestellt werden, hatte sich aber geirrt.

Die Hunde warfen sich mit schnaubendem Laute nach vorn; ein durchdringender Schrei ertönte — noch einer — ein dritter und vierter — es waren vier Feinde gepackt und zerrissen; dann erklang ein zweifaches, heulendes Winseln — die muthigen Thiere unterlagen der Uebermacht. Jetzt fuhr der Lauf einer Büchse um die Felsenkante herum, und ein zorniges:

Ilitzwi — teta —, die Losung, sprich!“ erscholl.

Piet vermochte weder die Losung zu sagen noch den hinter dem Felsen Verborgenen auf das Korn zu nehmen. Der feindliche Schuß krachte; das Pferd des jungen Mannes war getroffen, ging schnaubend in die Höhe — er glitt blitzesschnell aus dem Sattel, dann stürzte es kopfüber hinunter in die Tiefe.

Da er die Zahl der Feinde, welche er vor sich hatte, nicht kannte, so blieb ihm nichts Anderes übrig, als sich so schnell wie möglich zurückzuziehen. So eilig er vermochte, sprang er nach dem Eingange des Passes zurück, doch kaum hatte er ihn erreicht, so starrten ihm die Waffen einer Anzahl Kaffern entgegen, welche seinem Passiren vorhin Nichts in den Weg gelegt hatten, jetzt aber sich ihm entgegenstellten. Er gab die zwei Schüsse ab, welche er hatte, und stürzte dann mit hochgeschwungenem Kolben auf die Feinde ein. Von hinten und von vorn gepackt, war ihm bei der

großen Ueberzahl der Gegner ein Entkommen unmöglich. Er wehrte sich wie ein angeschossener Löwe; es half Nichts; ein Keulenschlag streckte ihn besinnungslos auf den Boden nie­der. —

Als er wieder zu sich kam, war es heller Morgen. Sein Auge fiel auf ein Lager von mehreren Tausend Eingeborenen, deren Anführer in diesem Augenblicke vor der Hütte stand, die man ihm errichtet hatte. Es war Dingaan, der Zuluhäuptling. Er schien mit seinen Unterbefehlshabern in ein lebhaftes Gespräch verwickelt zu sein, an welchem auch die beiden Engländer Theil nahmen, auf deren Veranlassung er in der letzten Nacht eine Schaar der Seinen ausgeschickt hatte, um den Adjutanten Pieter Uys zu fangen.

Sein Auge fiel auf den Erwachenden, und mit einer schnellen Handbewegung lenkte er die Aufmerksamkeit auch der Andern auf diesen hin.

„Du bist Piet van Holmen?“ frug er den jungen Mann, der sich langsam erhoben hatte.

„Ja,“ antwortete dieser kurz. Sein Kopf schmerzte ihn zwar, aber er fühlte sich sonst bei vollen Sinnen und Kräften.

Mit einem schadenfrohen Zuge um den breiten Mund trat Dingaan unter die Thür seiner Hütte und zog Hannje die Tochter seines vertriebenen Bruders hervor. Piets Augen leuchteten; er wußte, daß ein grausamer Tod seiner harrte, wenn es ihm nicht gelang, zu entkommen. Hier standen die zwei Männer, die ihm die Geliebte geraubt hatten; unweit der Hütte hielten mehrere Pferde — er war sich seiner riesigen Körperkraft bewußt — ein kühner, verwegener Entschluß durchzuckte ihn.

Noch ehe Dingaan eine zweite Frage an ihn richten konnte, hatte Piet John Hoblyn das Messer entrissen; es blitzte zweimal nieder — die Räuber waren in das Herz getroffen.

„Hannje, aufs Pferd dort!“ rief er und hatte im nächsten Augenblicke den vor Ueberraschung starren Häuptling beim Schopfe. Das Mädchen war oft an seiner Seite über die weite Steppe dahingebraußt; mit einigen raschen Sprüngen stand sie bei den Thieren und schwang sich auf. Piet folgte ihr, den Kaffer wie mit Eisenklammern festhaltend, und dahin fuhr die Jagd, durch das Lager, durch Schluchten und Kloofs, über Abhänge und Bergwände immer thalabwärts, hinter ihnen ein fürchterliches Schreien und Lärmen, über das sie lachen konnten, da die Kaffern stets unberitten sind und die wenigen Pferde der Anführer den jetzigen Vorsprung nicht mehr zu mindern vermochten. Aber die ganze Heeresmacht der Wilden war dessen ungeachtet hinter ihnen her auf den Beinen, um den geraubten Anführer zurückzuholen.

Längst schon lagen die Quathlambapässe hinter dem

kühnen Africander, so daß er nun die Pferde zu geringerer Eile zügeln konnte, da klang es aus einem Farren- und Aloögesträuch:

„Halt! Bei der heiligen Jeffrouw von Antwerpen, das ist ja Piet van Holmen! Wo kommst Du denn da her, myn Jong? Ich habe Dich heut früh vergeblich erwartet!“

Es war Pieter Uys selbst, welcher sich noch bei der Vorhut des vorrückenden Boerenheeres befand. Er hatte sich bei dem Geräusch der nahenden Hufschläge mit den Seinen versteckt und trat nun staunend hervor.

„Wo ich herkomme, Baas Uys? Von den Pässen da oben. Und wen bringe ich mit? Da guckt ihn Euch an!“

Er warf den halb todtgedrückten Häuptling vom Pferde.

„Dingaan — bei Gott, Dingaan selbst! Um aller Heiligen willen, wie kommst Du zu diesem Gefangenen!“

Piet erzählte mit fliegenden Worten das gehabte Abenteuer. Das Staunen der Zuhörer war ebenso groß wie ihre Freude über die Gefangennahme des gefürchteten Kaffernkönigs. Aber es war keine Zeit zu verlieren. Der Gefangene wurde gefesselt und in sichere Obhut gegeben; die Leute machten sich bereit, die nachfolgenden Feinde aus sicherem Verstecke zu empfangen, und Uys begab sich mit Piet und Hannje zum Hauptheere zurück, welches im vollen Anmarsche begriffen war.

Die berühmte Kaffernschlacht bei Pieter-Moritzburg wurde geschlagen und glänzend gewonnen; die Eingeborenen sahen sich vorn von den Boers und hinten von Panda angegriffen und vollständig aufgerieben. Dingaan mußte der Herrschaft entsagen, und Panda übernahm sie an seiner Stelle. Er hielt das Piet van Holmen gegebene Wort. Der junge Herr von Klaarfontein führte Hannje, die Tochter des berühmten Kaffernkönigs heim und bekam den versprochenen Brautschatz, welcher „in der Erde des Kurukaberges wächst.“

In der Nähe von Gröningen steht mitten unter Taxushecken ein kleines, einstöckiges Häuschen.

Sein Besitzer ist ein Herr van Holmen. Er war noch vor wenigen Jahren sehr arm; da erhielt er aus dem Caplande einen Brief von einem weit entfernten Anverwandten, der ihn unter vielen Grüßen um seine Verhältnisse befragte.

Auf die sofort ertheilte Antwort erfolgte eine weitere Sendung, die einen hellen, goldenen Klang hatte, durch welchen die Noth und Sorge des lieben „Neef“ van Holmen vollständig gehoben wurde. Und dieser erfreulichen Sendung war einer der werthvollen Capdiamanten beigefügt, welche von den Juwelieren jetzt so sehr gesucht sind.

Wer einmal nach Gröningen und in jenes Landhaus kommt, der kann ihn sehen und noch manches Interessante erfahren, über Piet van Holmen, den verwegenen African­der. — — —