Der Herrgottsschnitzer
Hab all mein Lebtag stets gedacht,
Daß man aus Holz die Heilands macht,
Doch jetzt im Alter kommt mirs bei,
Daß noch 'was Andres nöthig sei.
Im Holz, da liegt zwar auch 'was drin,
Denn jeder Stoff hat seinen Sinn,
Jedoch der Sinn von diesem da,
Der reicht wohl nicht bis Golgatha.
Dort ist noch heut für alle Welt
Das Kreuz und Elend aufgestellt,
Und wer zu beiden kriechen muß,
Bekommt vorher den Judaskuß.
Drum ists das Richtige, was ich thu:
Stets geb ich eine Thräne zu
Und denke dabei allezeit:
Nun hat der Schmerz das Holz geweiht.
Wenn ichs sodann fast fertig hab,
Denk ich an des Erlösers Grab
Und daß er nach so kurzer Frist
Gleich wieder auferstanden ist.
Da kommt so recht aus Herzensgrund
Ein Juchezer mir in den Mund;
Den schneid ich, kaum zu sehn, so fein,
Dem Herrgott mit dem Messer ein
Und habe ich mein Werk vollbracht,
So fromm, wie ich es mir gedacht,
So freu ich mich als Mensch und Christ,
Daß es mir gut gelungen ist.
Und wer es gleich so bringen will,
Der greif zum Holz und warte still,
Bis sich die Thräne bei ihm zeigt;
Der Juchezer, kommt dann sehr leicht.
Herzlichen Gruß!
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