Am 23ten April.
Horch! klingt das nicht wie ferner Schwerterklang?
Die Marsch bebt unter dampfenden Schwadronen.
Es jagt der Tod den weiten Plan entlang
Und erntet unter brüllenden Kanonen.
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Bei Düppel ist’s. Des Dänen trotzger Sinn
Will deutsches Recht aus deutschen Landen streichen;
Drum ziehen Alle kampfesfreudig hin,
Ihm deutsche Kraft und deutschen Muth zu zeigen.
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Nun gilts ein Ringen um den höchsten Preis,
Ein heißes Wogen und ein heißes Wagen;
Wohl schwitzt gar manch ein Herz purpurnen Schweiß
Und schlägt nur, um zum letzten Mal zu schlagen.
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Doch, mitten unter Leichen blüht der Sieg;
Nicht darf der Lorbeer Thränen uns erpressen:
Wer feindlich Bollwerk sterbend noch erstieg,
Lebt dennoch fort und wird niemals vergessen.
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Denn die Geschichte schreibt mit goldnem Stift
Und mißt Triumphe nicht nach kurzen Jahren.
Drum glänzt es fort in heller Flammenschrift:
„Der Löwe Sachsens ists mit seinen Schaaren!“
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( 2 )Horch! klingt das nicht wie ferner Donnerschall?
Ein Wetter geht auf Böhmens Felder nieder.
Dort hagelt es vernichtendes Metall,
Und tausend Schlünde spein die Antwort wieder.
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Die Sonne hüllt sich tief in Schleier ein;
Die Erde bebt; die Lüfte stehn und zittern.
Durch dunkle Schwaden zuckt der Feuer Schein;
Der Mensch spielt mit des Schicksals Ungewittern.
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Was wälzt sich plötzlich dort in wilder Wucht
Von Corps zu Corps: Wer drängt und treibt von hinnen?
Es ist das schreckensbleiche Weib, die Flucht;
Sie reißt die Tapfern fort; sie will entrinnen.
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Doch mitten in der Fluth, die ihn umbraußt
Steht Einer heltenhaft und ohne Zagen.
Die Klinge in der starken Heldenfaust,
Will er den Sieg selbst in die Flucht noch tragen.
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An seiner Seite hält die Treue Stand
Vor Schmach den Hochgeliebten zu bewahren
Und Freund und Feind ruft durch das weite Land:
„Der Löwe Sachsens ists mit seinen Schaaren!“
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( 3 )Horch! Klingt das nicht wie ferner Trommelschlag?
Schon will der Abend blutigroth sich neigen.
In Pulverdampf hüllt scheidend sich der Tag,
Um sterbend in die Nacht hinabzusteigen.
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Bei St. Privat, bei Sedan und bei Brie
Ist Mancher ins zerstampfte Feld gesunken
Und hat bei der Geschütze Melodie
Aus schwarzem Rohre ewgen Schlaf getrunken.
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Schon glänzen rings die Feuer der Biwacht,
Da ziehn mit festem, mannessichrem Schritte
Kühntrotzige Gestalten durch die Nacht,
Den sieggewohnten Führer in der Mitte.
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Wer sind die Helden, die mit Eisenarm
Die fränkischen Cohorten niederschlugen
Und in der Feinde dichtgedrängten Schwarm
Mit starker Faust die Fahnen Deutschlands trugen?
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Die Antwort giebt ein bärtiger Sergeant,
Des Tages Spur in den zerzausten Haaren:
„Die Leute, Herr, sind uns gar wohl bekannt;
Der Löwe Sachsens ists mit seinen Schaaren!“
( 4 )Horch! klingt das nicht wie ferner Glockenklang?
Was ist es für ein festliches Geläute?
Das Sachsenvolk hält frommen Kirchengang,
Denn seiner Liebe schönster Tag ist heute.
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Es geht geschmückt durchs Land die Dankbarkeit
Den Thron des Herrschers freundlich zu bekränzen.
Kein Herold kündet blitzen Kamf und Streit,
Und doch sieht man den Sieg in Waffen glänzen.
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Doch ist das edle, wahre Heldenthum,
Das gern sich Blumen um die Schwerter windet
Und seinen schwer errungnen Waffenruhm
Als friedeschützend doppelt froh empfindet.
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Der Friede ists, der Friede nur allein,
Der uns gebietet, stete Wacht zu halten,
Und soll das Wachen nicht vergeblich sein,
So dürfen Muth und Treue nicht erkalten.
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Zwar giebt die Treue, und zwar giebt der Muth
Sich niemals kund in tönenden Fanfaren,
Doch, wer sie pflegt, das weiß man nur zu gut:
Der Löwe Sachsens ists mit seinen Schaaren!
Karl May.