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( 1 )

Sylvester 1902 - 1903.

Geist der  Dunkel

Geh aus dem Licht, du letzten Schattenstunde;

Versinke in die Nacht, aus der du kamst,

Bring deiner Finsterniß von mir die Kunde

Und trag in deine Finsterniß die Kunde,

Daß Du mir nichts von meinem Leben nahmst!

Zwar hat man dort, wo deine Schatten schleichen

Den Todtenschein bereits mir ausgestellt,

Doch fällt es mir nicht ein, hinabzusteigen,

ϕDenn ich gehöre nicht in eure Welt.

in eine andre Welt.

Komm an das Licht, du erste Morgenstunde;

Ich kenne ihn, der dich zu mir gesandt,

Und zaudre keine einzige Sekunde

Ich will dir prüfend in das Auge sehn,

Wohl bist auch du ein Kind der Mitternacht,

Soeben schlug vom Thurm die Mitternacht,

Und hoffentlich hast du auch mir die Kunde

Von einem andern, neuen Jahr gebracht.

Noch brennen hell am Baum die Christusflammen;

Wohin ich schau, seh ich nur Weihnachtslicht.

ϕDenn ich bin Bürger einer andern Welt.

Mir schon die schwarze Bahre hingestellt

Blasewitzer Brief.

( 2 )

Komm an das Licht, du erste Morgenstunde;

Tritt her zu mir aus deiner Mitternacht

Komm an das Licht, du Geist der ersten Stunde,

Und offenbare mir, woher du stammst

Und sag, ob du vielleicht derselbe bist.

Zeiten-

Ich traue keinem Zeit- und Geistermunde,

bis er mir durch das Wort geöffnet ist!

 

Komm an das Licht, du Geist der ersten Stunde

Und zeig getrost, daß du mir feindlich bist.

Ich stehe ja mit keiner Zeit im Bunde,

Weil was ich will, des Ewgen Wille ist.

ein ewger

Du liebst ja nur die irdische Sekunde

Und hassest das, was unvergänglich ist.

Doch, schau hinab auf meine leere Bahre,

Und denk an deine kurze Erdenzeit.

Und dann hinauf zu der Gerechtigkeit.

Haß’ wie du willst, doch schon nach einem Jahre,

Steht dir mein Sarg, mein offnes Grab bereit!