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Im Innern der Erde.

(Der Brand von Idria.)

1)

Eine Skizze.

Unser Blick schweift nicht in die weite Ferne, denn ein finsterer Schacht, eine viele Klafter hohe Felsenwand dämmen ihn in einen engen Raum. Hier wölben sich schmutzig-weißliche, stumpfzackige Felsen über unserem Haupte, und dort, wo der finstere Stollen seinem Ende sich nähert, dort senkt sich der Pfad in eine unermeßliche Tiefe, unter deren Eingang dumpfe Schallwellen hin und wieder wogen. Von den Wänden laufen Tropfen von der Farbe des Silbers zu Boden, hinunter in die unergründlichen Tiefen, und dort sammeln sie sich zu kleinen Bächen, die bei dem düstern Lichte seltsam schimmern. Aber es ist kein Sonnenlicht, welches den Weg beleuchtet, eine glasumschlossene Pechpfanne erhellt mit düsterrothem Lichte die dumpfe Luft, eine Atmosphäre, die kaum das Athmen gestattet.

Und der Weg führt uns weiter, an eine Stelle, wo der Gang sich etwas erweitert und die Mündungen mehrerer finsterer Stollen zusammenlaufen. Eine eigenthümliche Stille umgibt uns; kein einziger Laut, als ein dumpfes, hohles Pochen wird vernehmbar, aber es wechselt sofort mit einem dumpfen Rollen, wie von einem fahrenden, schwer belasteten Wagen erzeugt. Dort aus einem finstern Gange wird ein kleiner Karren hervorgeschoben, ein niederer Karren, in dem hohe und offenbar auch schwere eiserne Flaschen stehen; diesem Karren folgt ein kleiner, schwächlicher Mann, einem Bergkobolde gleichend, der mit krampfhaftem Zittern den Wagen vorwärts schiebt und, ohne auch nur einen Blick vor sich zu werfen, im nächsten Gange mit seiner Last wieder verschwindet. Offenbar nimmt das Fortbewegen des Handwagens seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Seine Tritte, das Rollen des Wagens, sein keuchender Athem, sie sind längst schon verhallt – nur das frühere dumpfe Pochen ist noch vernehmbar – da öffnet sich in der Kalksteinwand ein kleines Thürchen, und es tritt aus einem kleinen, in den Felsen gehauenen Raum ein menschliches Wesen.

Ein menschliches Wesen?! Es ist eine wahre Leichengestalt, die den neben der Thüre herabhängenden Glockenstrang erfaßt, um nun mit Anstrengung daran zu zerren. Und nun wimmert der grauenerregende Klang einer kleinen Glocke durch die Grüfte – wie ein Todtengeleute.

Wo sind wir?

Siehe da! In den Mündungen der Seitengänge erscheinen die Körper kleiner, verkommener Gestalten mit tiefliegenden Augen, die meisten mit einem Spitzhammer über der Achsel. Ihnen fehlt jeder Lebensodem, denn obgleich lebend, sind sie Leichen, Geschöpfe, die, ohne zu denken, nur mechanisch sich vorwärts bewegen. Krampfhaft zitternde Gestalten sind es – wohl Erdenkinder wie wir – aber ihnen fehlt die Kraft des Lebens, nur mit Mühe vermögen sie es, sich emporzuraffen, um weiter ihren Weg zu wandeln.

Wo sind wir?

1) Die Erzvorkommen von Idria (Slowenien) wurden ca. 1493 entdeckt. Anfang des 16. Jahrhunderts ging die Region in österreichischen Besitz über, die Mine wurde von 1575–1918 staatlich betrieben. Seit 1990 ist sie stillgelegt, nachdem ca. 107.000 Tonnen Quecksilber gefördert worden waren. Der erste Grubenbrand brach am 15. März 1803 aus; bis auf einen Bergmann wurden alle gerettet. Ein zweiter Brand (3. November 1846) forderte 17 Tote. In beiden Fällen konnten die Feuer nur durch Fluten des Bergwerks gelöscht werden.

Sind wir im Reiche der Kobolde, da wir solch’ ein seltsames Treiben vor unseren Augen sich entfalten sehen, oder sind das Menschen, die einst ein Gott in seinem Zorne verflucht? – Was perlt hier an den Wänden wie eitel Silber, um dann lautlos in kleinen Kügelchen zu Boden zu rollen, was klopft hier so geheimnißvoll unter unsern Füßen? Sind dies die unbekannten Werkstätten der Natur im tiefinnersten Schooße der Erde, hat der Hauch böser Feyen Damm und Fessel durchbrochen, sein Gefängniß verlassen, um schleichend und verzehrend auf die Gesundheit zu wirken? – Denn diese dumpfe, verdorbene Luft beengt den Athem – entnervt!

Und die Leichengestalten lebender Menschen, gehören die noch unserer Erde an?

Nur wenige Worte werden gewechselt, allein dies mit leisem Geflüster, so hohl wie Grabesstimmen; dann entfernen sich diese Geschöpfe und nur ein Mann – derjenige, der früher an dem Glockenstrange gerissen – bleibt zurück. Mit Mühe erfaßt er einen eisernen Kübel und bringt ihn ganz der Wand nahe; dann ergreift er einen Spitzhammer, schlägt damit einige Male in die schwarze, von zahlreichen weißen Bändern durchsetzte Wand, bis darin eine Vertiefung entstanden ist. Diese Stelle, die anfangs versilbert erschien, scheint auf einige Sekunden ihren metallischen Schimmer zu verlieren, jedoch nur auf einige Secunden, dann schießt ein silberner Strahl daraus hervor, ein Strahl, dicht und fest wie von Metall, aber weich und flüssig wie Milch. Der Mann, welcher rasch den Hammer fallen ließ und der eisernen Kübel der Wandöffnung nahe brachte, sieht es mit innerer Befriedigung; aber mit Gedankenschnelle wird der Strahl dünner und dünner, bis es zuletzt nur Tropfen sind, die aus dem Loche herausquillen. Ermüdet läßt der einsame Mann den Kübel sinken; die Luft hat einen eigenthümlichen Geruch angenommen! Er sinkt zu Boden – müde, erschöpft, beinahe besinnungslos.

„Oh, die giftige Luft!“ murmelt er und kauert sich zusammen; hörbar klappern seine Zähne.

Durch einen engen, finstern Gang führt der Pfad weiter, eine Fackel beleuchtet den Weg; lauter und deutlicher wird jetzt ein dumpfes Pochen vernehmbar, man glaubt in der Nähe eine Schmiede zu sein.

Und wieder rollt ein mit eisernen Flaschen gefüllter Karren an uns vorüber, wieder führt ihn einer jener verkommenen Zwerge, wie wir sie schon früher gesehen. Er keucht beim Fortschieben dieser leichten Last, er muß nach jedem zehnten Schritte rasten, um neue Kraft für die folgende Tour zu sammeln, dann murmelt er beinahe unhörbar einige Worte und geht wieder weiter. Sein Monolog lautet:

„Ich war stark, stark wie ein Herkules vielleicht. Zwei

Monate aber vermochten mich zu dem zu machen, was ich bin – zu einem Krüppel! – Meine Vergangenheit war schön, ich ertrug sie nicht; die Gegenwart begrüßt mich so ziemlich düster, ich ertrage es, und die Zukunft – ein ewiges Siechthum, ich erwarte sie freudig!“

Gewiß ist es ein eigenes Verhängniß, welches die Bande geknüpft, die diesen Mann hier zurückhalten!

„Es hängt ein finsterer Dämon über unserem Leben,“ spricht er weiter, „und solch’ ein Leben zu ertragen, ist bittere Pein! Aber ich ertrage es, ertrage es um den Preis, in der Heimath bleiben zu dürfen. Es sind unzerreißbare Bande, welche uns an die Scholle fesseln, wo wir geboren wurden, wo einst unsere Wiege stand, bindender als Freundschaft, als Liebe! Meine Wiege, sie stand in diesen finstern Schächten, hier sah ich meinen Vater, meine Mutter sterben und die Erinnerung daran verließ mich weder unter den Berauschungen der Luft, noch unter dem Glücke einer angesehenen Stellung. Nicht Jeder vielleicht ist so weich. Aber ich weiß, der Schweizer stirbt in der Fremde vor Sehnsucht nach seinen hohen Schneebergen, während dem Eskimo Italiens entzückende Gegend keinen Ersatz für die lange, kalte Nacht Lapplands zu geben vermag. Sie Beide seufzen und weinen nach ihrer Heimath, und so bin auch ich!“

Und der Mann, der allen Anzeichen nach den anderen Bewohnern dieser finsteren Gewölbe zu gebieten hat, der so elend ist, wankt wieder weiter.

Wo sind wir?

Am Ende dieses finstern Stollens ragt eine etwa bis zu den Knieen reichende Brüstung empor. Sie genügt, dem Unachtsamen, der über sie stolpert, den letzten Weg zu zeigen, aber nicht nur den letzten Weg dieser unterirdischen Hallen, sondern überhaupt den letzten Weg, den lebende Wesen machen!

Denn hinter dieser Brüstung verliert der Gang plötzlich den Boden, dort senkt er sich – von oben durch einen schwachen Lichtstrahl beleuchtet – in eine furchtbare Tiefe hinunter. Aus dieser Tiefe kommt langsam und majestätisch eine Tonne mit mehreren eisernen Flaschen beladen empor, welcher bald darauf eine andere folgt, welcher aber im Gegentheile zu jener hinunter saust. In dieser letzteren steht eine Gestalt, wie wir sie hier nur zu oft gesehen: dunkles, ins Gesicht hängendes Haar, verzerrte Mienen, tiefliegende Augen, zahnloser Mund; im Ganzen hinfällig und abgemagert sehen wir eine jener Gestalten, dir eher Leichnamen gleichen als gesunden Menschen.

Unten in der Tiefe aber entsteht plötzlich ein heftiger Lärm; ein heller, feuriger Schein flackert herauf, ein Prasseln, ein Krachen ertönt und mischt sich in das Geschrei, das Toben der Leute da unten. Eine, zwei, vier Tonnen überfüllt mit Menschen sausen empor, unten klammern sich mehrere verkümmerte, halbverkrüppelte Menschen, mit schweren Spitzhämmern über der Achsel, an, solche, die zu hinfällig waren, sich einen Platz in der Tonne selbst zu erobern. Wenn dann ihre Hämmer bei der schauerlich eilenden Fahrt nach oben ihren Halt verlieren, zurückfallen, dann bezeichnen eine

Anzahl entsetzlicher Aufschreie, wie viel Hämmer fielen, wie viel Hämmer getroffen haben!

Nach minutenlanger Pause sausen wieder sechs leere Tonnen in die Tiefe und im nächsten Augenblicke kommen sie wieder besetzt herauf. In jeder der sechs Tonnen hat ein Mann Platz genommen und ihm zur Seite mehrere verkommene Gestalten, von denen man nicht errathen kann, ob es Knaben, ob es Männer seien, denn ihr Wuchs ist in hohem Grade verkümmert, wenngleich die Hände und Füße großen Männern anzugehören scheinen.

Die Helle unten wird intensiver, verdächtige Dämpfe steigen empor und vergiften die Luft; unten aber im blutigrothen Scheine erscheinen einige dunkle Gestalten, die sinken matt übereinander hin und verschwinden in dem Flammenmeere.

Um das Folgende schildern zu können, müssen wir als Erklärung einige Worte vorausschicken.

Wie der Leser schon längst errathen haben wird, ist von einem Quecksilber-Bergwerke ) die Rede, und zwar von dem berühmten zu Idria in Krain. Idria’s Werke erreichen eine Tiefe von 900 Fuß und man glaubt noch für Taufende von Jahren Erz und Metall vorräthig zu haben. Die Quecksilber-Gruben von Idria sind außer den in Spanien die reichsten und productivsten in Europa und beträgt die Menge des Quecksilbers, die man gegenwärtig in Idria erzeugt im Ganzen circa 2–3000 Centner jährlich. Etwa drei Fünftel werden als reines Quecksilber versandt, während die übrigen zwei Fünftel in Zinnober verwandelt zur Versendung kommen. 4000 Menschen beschäftigen die dortigen Quecksilber-Bergwerke; allein da das Quecksilber Gift ist, wirkt das dortige Arbeiten sehr nachtheilig auf die Gesundheit der Arbeiter ein. Nie wird ein dort Beschäftigter alt und nachdem er einige Zeit schmerzhafte Krankheiten zu ertragen hatte, die besonders in einer Lähmung, einer Auszehrung, einem krampfhaften Zittern, unlöschbarem Durst etc. ihre Symptome finden, stirbt er an einer dieser Krankheiten. Wenn der Hüttenrauch über die Gräser und Bäume streicht, müssen diese welken, weil der giftige Hauch sie verdirbt.

Will man in die dortigen Gruben hinuntergelangen, so muß man zuerst durch einen finstern, in Felsen gehauenen Gang, der zu Ende sich in die Tiefe senkt; wahre Leichengestalten werden hier von den matten Grubenlichtern beleuchtet und an den Wänden ringsum kleben die Tropfen des flüssigen Metalls. Beim Hauptschachte wird das Erz mittelst Tonnen aus der senkrechten Tiefe emporgeschafft und ebenso dient eine Tonne zum Aufziehen, respective Hinunterlassen Fremder, ebenso des Bergwerks-Personales.

Zu den wichtigsten Momenten dieses merkwürdigen Bergwerkes nun ist der große Grubenbrand, der am 11. März 1803 ausbrach, zu zählen.

(Schluß folgt.)
) Quick = lebendig, Quick-Silber = lebendiges Silber.

Im Innern der Erde.

(Der Brand von Idria.)

Eine Skizze.

(Schluß.)

Etwa 15 bis 20 Bergleute waren in einer Tiefe von 130 Klaftern zur Arbeit versammelt, als sie plötzlich einen brandigen Geruch verspürten. Wie sie nachsehen, bemerken sie im Grubengezimmer Flammen ausbrechen, es gelingt ihnen aber noch, sich bis auf Wenige zu retten. Diejenigen, welche betäubt zu Boden gesunken sind, können nicht mehr lebend an’s Tageslicht geschafft werden, sie werden Opfer der Flammen. Mit Gewalt suchen giftige Luftarten den Raum zu gewinnen, wodurch heftige Erderschütterungen verursacht werden. Jetzt brechen die untersten Strecken zusammen, das ganze Gezimmer des Schachtes knackt und kracht in seinen Fugen.

Sehen wir indessen in die Tiefen da unten hinab. Es haben zwei Männer versucht, an den Fährten emporzuklimmen, oben an einem Seitenstollen aber brechen sie bewußtlos zusammen, denn obgleich Arbeiter in diesen Grüften, also an die giftige Luft schon gewöhnt, haben sie die sich verdichtenden Dünste betäubt. Jetzt rafft sich der Eine mit einer letzten Anstrengung empor und versucht, den Anderen mit sich fortzuschleppen. . . . Unten wüthet ohne Damm und Fessel das zerstörende „Element“, um mit losgeketteter Wuth der Zerstörung Alles ihm in den Weg Tretende zu vernichten. Gewaltige Feuergarben zucken den Stollen herauf, – unten donnert’s und prasselt’s, als wäre der letzte Tag schon gekommen. Der Arbeiter, der früher seinen Kameraden hatte fortschleppen wollen, läßt ihn liegen und sucht nur sein eigenes Leben in Sicherheit zu bringen, sucht nur sich zu retten. Denn in Augenblicken, wie der jetzige, da zerreißt das Band der Kameradschaft, er vergißt Alles, Alles vor, hinter und um sich; nur sein Leben zu erhalten, vergißt er nicht, das sucht er vor Allem in Sicherheit zu bringen.

In Augenblicken der Gefahr, wie dieser, ist der Mensch mit einer seltenen Spitzfindigkeit begabt. Der einzelne Mann

hier im „Josefsstollen“ sieht zeitweise vom „Barbara-Schacht,“ den eine heftige Erderschütterung schaukelt, kolossale Steintrümmer emporfliegen, für sich aber nirgends einen Ausweg.

Was thut er da?

Er packt seinen besinnungslosen Kameraden entschlossen um den Leib und tritt bis an den Rand des Stollens, als wollte er im nächsten Augenblicke herunterspringen. Wohl entsetzte sein Genosse, dessen Besinnung wiederkehrt, sich Angesichts der Position seines Kameraden, aber er ist zu schwach, um sich aus dessen Arme zu winden.

Doch siehe! Unter den vielen Steinblöcken, die die vulcanischen Kräfte emporsprengen, donnert jetzt auch ein colossaler Kalktuff empor. Schnell schleudert der, welcher seinen Kameraden in den Armen hält, diesen auf den Stein und während er die Worte: „Rette Dich!“ ausstieß, beobachtete er den Erfolg seines Manövers.

Seine Erwartung traf ein – der Kalktuffblock setzte seine Last auf der Kante eines vorspringenden Stollens ab und donnerte wieder zurück.

Jetzt war sein Plan gefaßt.

Als im nächsten Augenblicke die gespannten Gase denselben Steinblock wie einen Spielball wieder emporschleudern, strengte er seine letzten Kräfte zu einem verzweiflungsvollen Sprung an. – Aber, o Himmel! der Sprung war verfehlt und der Stein schon vorüber.

Er sank hinab, hinab in eine Tiefe von 900 Fuß – doch nein, zwei Fuß hoch war das siedende Erz gestiegen, und selbst so weit fiel er nicht, ein feuriger Schwall blies ihn immer und immer wieder empor.

Doch nicht allzu oft: der abermals zurückkehrende Kalktuff traf ihn und versenkte ihn in das glühende Bad.

Hochauf spritzte die Lava! –

Der Gerettete oben hatte es theils gesehen, theils geahnt, -

geahnt, und er erzählte es der Nachtwelt. Gewiß, er konnte Gott, dessen bevorzugter Schützling er war, danken für seine glückliche Rettung, denn wie viele Andere, deren Besinnung sie nicht verließ, fanden da in den Wellen des siedenden Quecksilbers ihren Tod.

Einer der zwergenhaften Arbeiter hatte, an den Fährten emporklimmend, einen noch unangegriffenen Stollen erreicht, aber wie will er, der einzelne Mann, dem vielleicht nicht die Kraft eines Kindes innewohnt, weiter kommen?

Unten wüthet des Feuers unbezwingliche Macht, wie ein vom Leitseile losgerissenes Roß, das sich im wilden Zorne gegen seinen Lenker bäumt. Des Ungeheuers gewaltige Macht wächst zu, wächst immer fort und Donnerschläge erschüttern wie am Tage des jüngsten Gerichtes das ganze wankelmüthige, nichtssagende Gebäude des colossal scheinenden Kalkfelsens. Wohin soll der Arme sich retten? An beiden Enden des Ganges versperrt ihm das Feuer den Weg – die dicke, giftige Luft macht das Athmen unmöglich – Alles, Alles scheint sich gegen den armen Verlassenen verschworen zu haben.

Gütiger Gott! Auch Du?

Auch Du! Denn kein Wunder geschieht und nichts vermag den Armen zu retten.

Tageshelle herrscht in den sonst so dunkeln, labyrinthischen Gängen oder das Licht der Hölle, womit auch das Prasseln des Feuers übereinstimmt. Die Zimmerung knarrt und ächzt, der Boden wankt, die Decke wankt und die Wände wanken. Schon kracht es wie Kanonendonner, schon senken sich die Wände und noch immer hofft der Elende Rettung. Vielleicht ist er vom Glanz des Feuers schon geblendet, daß er nicht hört, wie der colossale Riesenbau der Natur zusammenknickt, – vielleicht von seiner schrecklichen Situation wahnsinnig geworden, da er noch auf Rettung hofft, denn er rennt wie der gehetzte Hirsch bald hier, bald dorthin.

Wo aber ist hier Rettung?

Hier, wo nicht der Boden, nicht die Wände, nicht die Decke fest mehr sind, hier, wo die Hitze das Quecksilber aus dem Erze siedet, so daß der Mann in dem heißen Strome dieses Metalles watet, hier, wo die dicke Luft nicht mehr und nicht weniger als Gift ist?

Noch bleibt dem Manne Zeit, auf die Kniee zu sinken. Und wie er so mit gefalteten Händen nach oben blickt, nach oben, wo er den Himmel vermuthet, mit einem Blicke, so schmerzlich, so angsterfüllt, mit einem Blicke, dessen stille Bitte vom Himmel Rettung erfleht, da ertönt ein furchtbarer Knall, da sinkt der Boden unter, die Wände neben und die Decke über ihm . . . . da ertönt der letzte Wehschrei der gemarterten Creatur . . . . eine Gotteslästerung und Alles, Alles ist vorbei. – – –

Tagelang noch währte der unterirdische Brand, immer und immer wieder stiegen die Knappen, leider aber fruchtlos, hinab. Alle Zimmerungen waren schon zertrümmert, über sechzig Klafter hoch drangen die Flammen empor. Der „Josefsstollen“ war von keinem Menschen mehr zu betreten und der

„Barbaraschacht“ schon ganz in sich zusammengestürzt, die prächtigen Baue in ihren Grundfesten erschüttert; schon erfüllte das sublimirte Quecksilber die obersten Stockwerke, da mußte man endlich zu dem verzweifelten Mittel greifen und löschen. Einem Wasserstrom von 3,300,000 Eimern Wasser gelang es endlich, den Brand zu löschen; aber viele Wochen darnach erst durfte man sich wieder in die Tiefen wagen. Durch frische Zimmerungen gelang es endlich, die oberen Strecken zu bewältigen, und so gelangte man zu dem Wasserspiegel hinab, der durch Pumpwerke gehoben wurde. Furchtbarer als je war der Zustand der armen Bergleute, wovon Tausende in furchtbare Krankheiten verfielen, und erst lange darnach gelangten die Werke zu Idria zu ihrer ehemaligen Bedeutung.