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Die Geschichte des Steinkohlenbergbaues.

Historische Skizze nach dem „Saarbrücker Bergmannskalender 1876“.

I.

„Das schwarze Gold“, dem auch Sachsen zum großen Theile das rapide Emporwachsen seiner gesammten Industrie verdankt, soll nach dem berühmten Reisenden Marco Polo in China bereits seit mindestens 300 Jahren bergmännisch gewonnen worden sein.

Auch in Europa scheint die Steinkohle nicht ganz unbekannt gewesen zu sein. Der griechische Naturforscher Theophrastus, der im vierten Jahrhundert vor Christo lebte, berichtet wenigstens, daß in Ligurien (Oberitalien) und in der griechischen Landschaft Elis Steinkohlen gefunden wurden und daß sich ihrer die Schmiede und Erzgießer als Feuermaterial bedienten.

Außer diesem einzigen Zeugnisse findet sich indessen in den zahllosen Schriften der Alten nirgends weiter der Steinkohle Erwähnung gethan. Phöniciern, Griechen und Römern, die in den verschiedensten Ländern ausgedehnten Erzbergbau betrieben, war der Steinkohlenbergbau völlig fremd.

Die erste Entdeckung und Verwendung der Steinkohle läßt sich mit Sicherheit nirgends nachweisen, ein sagenhafter Schleier umhüllt jene Zeiten. Eine der ältesten Sagen ist diejenige des Lütticher Landes.

Nach derselben verdankt man die Entdeckung der Steinkohle im Bisthum Lüttich einem Engel, der einst an der Schmiede eines armen Grobschmiedes vorbei ging und mit diesem eine Unterhaltung anknüpfte. Der Schmied klagte dem Engel seine Noth, daß die Theuerung des Holzes und der Holzkohle mit jedem Tage zunehme und er den Preis dafür nicht mehr zu erschwingen vermöge. Jener gab hierauf dem Schmied den Rath, in einem benachbarten Berge Namens Publemont nachzugraben, wo er schwarze Steine im Ueberflusse finden würde, mit denen er in seiner Schmiede feuern könne. Der arme Grobschmied vertraute den Worten des Engels, so sonderbar sie ihm auch erscheinen mochten, und sein Glaube wurde belohnt: er fand die Steinkohle, deren Gebrauch sich dann im ganzen Lütticher Land rasch verbreitete.

Der Schmied soll „Hullos“ geheißen haben, daher die von ihm entdeckte Kohle Houille (französischer Name für Steinkohle) benannt wurde.

Eine ähnliche Sage erzählt man sich über Auffindung der Steinkohle bei Zwickau in Sachsen. Es sollen nämlich dort einst Hirten auf freier Flur ein Feuer angemacht und dieses, um es vor dem Winde zu schützen, mit in der Nähe gefundenen „schwarzen Steinen“ umstellt haben; zu ihrer Verwunderung seien aber nach kurzer Zeit diese Steine selbst in Brand gerathen und so die Hirten auf die Steinkohle und ihre Brauchbarkeit aufmerksam geworden.

Die älteste urkundliche Erwähnung des Steinkohlenbergbaues datirt erst aus dem 12. Jahrhundert und betrifft

den Steinkohlenbergbau in England. Es ist dies das sogenannte Bolton-Buch vom Jahre 1183, in welchem eines Steinkohlenzinses der zinspflichtigen Hammerschmiede von Warmouth und Sheffield gedacht wird und aus welchem hervorgeht, daß in beiden, heute noch durch ihre Stahlindustrie berühmten Orten die Steinkohle damals schon — nach einer anderen Nachricht schon seit 833 — in Gebrauch war.

Weitere Urkunden berichten, daß 1239 die Bürger von Newcastle am Tyne-Fluß vom Könige mit dem Steinkohlenbergbau beliehen und 1280 von dort bereits ansehnliche Mengen Steinkohle nach der Hauptstadt London für Schmiede und Metallarbeiter ausgeführt wurden. 1291 soll die Steinkohle auch in Wales und Schottland erschlossen worden sein.

Für Belgien giebt die oben erwähnte, in den Chroniken von Lüttich niedergelegte Sage die älteste Kunde von der Steinkohle.

Als Kern derselben bleibt die Thatsache, daß das erste Steinkohlenflötz im Lütticher Lande durch einen Schmied des Dorfes Pleneraux bei Lüttich entdeckt worden ist. Diese Thatsache wird von den meisten Geschichtsschreibern in das Jahr 1198 oder 1200 verlegt, nach andern hat sie schon 1049 stattgefunden. Im Hennegau (Mons) soll nach der Sage im dreizehnten Jahrhundert ein Bauer beim Graben eines Brunnens auf ein Steinkohlenlager gestoßen sein und nachdem er die Brennbarkeit des auf diese Weise an’s Tageslicht geförderten Materials erkannt, dasselbe bergmännisch ausgebeutet haben. Aus einer Urkunde vom Jahre 1297 geht hervor, daß um diese Zeit in der Gegend von Lüttich, Charleroi und Mons bereits ein regelmäßiger Steinkohlenbergbau betrieben wurde.

In Frankreich läßt sich der Beginn der Steinkohlengewinnung bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts zurückführen. 1321 waren urkundlich wenigstens die Kohlengruben bei St. Etienne schon in der Ausbeute begriffen. Andererseits scheint auch sehr früh von England aus Steinkohle nach Frankreich gebracht und dort verwendet worden zu sein.

Innerhalb der Grenzen des heutigen Deutschland dürfte die bergmännische Gewinnung der Steinkohle wohl am frühesten in der Umgegend von Aachen begonnen haben. Wann der Betrieb der Kohlengruben daselbst seinen Anfang genommen, ist unbekannt. Jedenfalls hat die Kenntniß der Steinkohle sich von dem benachbarten Lüttich sehr rasch nach dem Aachener Lande verbreitet und die Kohlengewinnung hierselbst vielleicht schon zu derselben frühen Zeit wie dort begonnen.

1333 war die Ausbeutung der Gruben bei Aachen bereits im vollen Gange und wurde die Steinkohle in der Stadt Aachen selbst bereits als gewöhnliches Brennmaterial gebraucht mit dem ausschließlich alle städtischen Lokale geheizt wurden und das auch von der Stadt zur Winterszeit an dürftige Einwohner, Klöster und die Geistlichkeit als Brennmaterial verschenkt wurde.

In der Umgebung von Zwickau läßt die Sage bereits im 10. Jahrhundert durch die Hirten die Steinkohle entdecken. Die frühesten urkundlichen Nachrichten vom Zwickauer Steinkohlenbau finden sich in den alten Schmiedeartikeln, welche dem Zwickauer Stadtrecht vom Jahre 1348 einverleibt sind; es wird darin den Schmieden verboten, innerhalb der Stadtmauer mit Steinkohlen zu schmieden. Die erste Zwickauer Kohlenordnung wurde 1520 vereinbart, nachdem der Steinkohlenbergbau inzwischen einen ziemlichen Umfang genommen hatte.

Der bergmännische Schriftsteller Agrikola, der sich von 1519-1522 in Zwickau aufhielt, bezeugt, daß die Zwickauer Kohlen bereits zu damaliger Zeit sehr gesucht waren. Ebenso erwähnt derselbe eines jetzt nicht mehr brennenden Kohlenflötzes beim Dorfe Planitz unweit Zwickau als einer seit undenklichen Zeiten bekannten Thatsache und erzählt, daß der unterirdische Brand 1505 so bedeutend überhand genommen habe, daß die Flammen aus einigen Schächten zu Tage geschlagen und sowohl die Zimmerungen der Gruben, wie auch viele Bäume an der Erdoberfläche verkohlt seien.

Im Plauen’schen Grunde unweit Dresden ist zuerst 1540 bei Kohlsdorf Steinkohle gewonnen worden; von dort aus hat sich dann der Bergbau auf die benachbarten Orte, namentlich Potschappel und Burgk, fortgepflanzt.

An der Ruhr hat der Steinkohlenbergbau gleichfalls schon sehr frühe begonnen. Zufolge alter Urkunden sind in der Nähe von Dortmund bereits 1302 Steinkohlen gegraben worden; 1389 wurden während der Belagerung von Dortmund durch einen Ausfall der Schmiede 100 Malter Steinkohlen in die Stadt eingebracht; 1443 war nachweisbar in der Grafschaft Dortmund eine ziemlich bedeutende Kohlengewinnung im Gange.

Der Steinkohle bei Essen geschieht schon 1317 Erwähnung, der Kohlengruben bei Mühlheim an der Ruhe 1460, derjenigen in der Abtei Werden 1520, in der Grafschaft Mark 1542.

Das Alter des westphälischen Steinkohlenbergbaues ist hiernach ein ziemlich bedeutendes, wenn auch derselbe zu einiger Blüthe sich erst im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts erhoben hat.

Vom Saarbrücker Steinkohlenbau liegen die ersten Nachrichten nicht so weit zurück, wie die vorgenannten. Zwar wird in einer Verordnung die Kohlengräberei zu Sulzbach und Dudweiler vom Jahre 1586 des Gebrauchs der Steinkohlen „von Alters her“ gedacht, ebenso auch bereits im Schöffenweisthum von Neumünster (bei Ottweiler) 1529 die Steinkohle erwähnt, doch scheint der Beginn der

Kohlengewinnung im Saarbrücker Lande nicht weit über das 16. Jahrhundert zurückzureichen, wie denn auch andererseits dieselbe eine größere Bedeutung erst seit 1750 erlangt hat, von wo ab der Landesfürst selbst den Bergbau in die Hand nahm.

In Schlesien hat sich der Steinkohlenbergbau zuerst auf niederschlesischem Gebiete entwickelt. Hier wurden schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts bei Hermsdorf, Weißstein und Altwasser im Fürstenthum Schweidnitz, sowie bei Neurode in der Grafschaft Glatz Steinkohlen gegraben, indessen nur in sehr beschränktem Umfange.

Auch noch unmittelbar vor der preußischen Besitznahme Schlesiens 1740 war die Steinkohlengewinnung unbedeutend und fehlte es namentlich in Oberschlesien noch an jeder Spur von Bergbau. Die nach Beendigung des siebenjährigen Krieges 1768 gemachten Erhebungen ergaben in Niederschlesien 16 und in Oberschlesien 4 Steinkohlengruben, welche aber alle zusammen und einschließlich noch der Erzbergwerke 1770 nur 270 Arbeiter beschäftigten.

Ein geregelter Bergbaubetrieb auf Steinkohlen wurde in Oberschlesien erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts begonnen, namentlich seitdem auf fiskalische Rechnung 1780 die Königin-Louisengrube bei Zabrze und 1791 die Königsgrube bei Königshütte in Angriff genommen war. Letztere beiden sind heute die größten Steinkohlengruben der Welt, zum Wenigsten diejenigen mit der größten jährlichen Steinkohlen-Förderung.

Die erste Ausbeutung der kleineren Steinkohlenbecken Deutschlands, wie derjenigen bei Wettin, im Plauenschen Grunde, bei Ibbenbüren und Hannover, bei Obernkirchen, im Schwarzwalde, bei Stockheim in Baiern, hat theilweise auch im 16. Jahrhundert ihren Anfang genommen.

Bei Wettin in der preußischen Provinz Sachsen soll die Steinkohle bereits 1466 entdeckt worden sein; weil man aber dieselbe nicht zu verwerthen verstand, blieb der Betrieb liegen und fand eine eigentliche Förderung erst 1583 statt; 1624 wurden die dort gewonnenen Steinkohlen zum ersten Male in Halle zum Salzsieden verwandt.

Bei Ibbenbüren und in der Provinz Hannover scheint theilweise der Steinkohlenbergbau ziemlich weit zurück zu reichen. Der Bau bei Borgloh und Oesede wird urkundlich zuerst 1517, der am Piesberge bei Osnabrück 1568 erwähnt. Ebenso waren am Osterwalde bereits 1581 und am Deister 1639 die Bergwerke auf Steinkohlen in Betrieb. Ueber das Bestehen von Kohlenwerken bei Ibbenbüren sind sichere Nachrichten erst von Jahre 1676 ab vorhanden. Der Bergbau von Obernkirchen in der Grafschaft Schaumburg war schon 1647 in vollem Gange und wurde seit dieser Zeit gemeinschaftlich von Hessen (jetzt Preußen) und Schaumburg-Lippe betrieben. Die Gruben von Böhlhorst bei Minden verdanken ihre Entstehung der Anlegung der Saline Neu-Salzwerk in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

Die Steinkohlenlager von Stockheim in Baiern sind 1758 entdeckt und werden seit 1766 bergmännisch abgebaut. Von noch viel jüngerem Datum ist der Steinkohlenbergbau

im Schwarzwalde und im Elsaß, wo seit Anfang des jetzigen Jahrhunderts an verschiedenen Punkten eine — übrigens nur ganz unbedeutende — Steinkohlengewinnung stattfindet.

In Oesterreich-Ungarn hat Böhmen die ältesten Steinkohlengruben nachzuweisen. Bei Radnitz soll schon vor dem dreißigjährigen Kriege ein blühender Steinkohlenbergbau bestanden haben, der indessen durch den Krieg zum Erliegen kam. Die heute sehr ausgedehnten Gruben bei Kladno, sowie auch diejenigen in der Umgebung von Pilsen wurden

gegen Ende des vorigen Jahrhunderts eröffnet, sind aber allerdings erst um die Mitte des laufenden Jahrhunderts zu einiger Bedeutung gelangt.

Der Kohlenbergbau in Mähren ist etwa gleichaltrig, indem daselbst die erste Grube zwischen 1770 und 1870 [1780] bei Ostrau begonnen wurde. Ebenso wurden gegen 1790 und in den folgenden Jahren die reichen Steinkohlenlager bei Reschitza und Steierdorf im Banat, sowie bei Fünfkirchen in Ungarn erschürft.

Die Geschichte des Steinkohlenbergbaues.

Historische Skizze nach dem „Saarbrücker Bergmannskalender 1876“.

II.

Wenn auch der Steinkohlenbergbau in einzelnen Gegenden bereits ein hohes Alter aufzuweisen hat, so gehört sein Aufschwung und seine eigentliche Bedeutung doch erst der neueren Zeit an.

Die älteren Steinkohlengewinnungen in Deutschland haben sich naturgemäß nur am Ausgehenden der Flötze bewegt, es waren lediglich Gräbereien, „Kohlengrafften“, „Kohlpfützen“, „Kaulen“ genannt. Man grub die Kohlen in regellosester Weise aus den „Kohlbergen“ heraus, soweit man ihrer habhaft werden konnte, bis das angetroffene Wasser Einhalt gebot, oder die Gruben zusammenstürzten.

In den meisten Bergordnungen — ausgenommen die neueren — werden Steinkohlengruben gar nicht erwähnt, wie denn überhaupt in bergrechtlicher Beziehung der Satz galt: „Steinkohlen (steinerne Kohlen) sind weder für ein Metall, noch für ein Mineral zu halten und dürfen daher auch nicht gemuthet werden.“

Die Kohlengräberei wurde auch fast ausschließlich nur von Bauern ausgeübt, welche entweder dazu die Erlaubniß des Grundeigenthümers oder des Landesherrn sich erworben und dafür die Hälfte, den Sechsten oder Zehnten der Förderung abgeben mußten. So werden aus jener Zeit her beispielsweise heute noch die Besitzer der Kohlenwerke in Zwickau’s Nähe im Volksmunde nicht anders wie „Kohlenbauern“ genannt.

Erst mit der weiteren Entwickelung des Betriebes bildeten sich dann einerseits Gewerkschaften, andererseits selbstständige Innungen zünftiger Kohlengräber oder „Köhler“; die Kohlengewinnung selbst nahm nach und nach mehr den Charakter eines eigentlichen Bergbaues (Schächte und Stollen) an und wurde in den meisten Gegenden auch in bergrechtlicher Beziehung immer mehr als solcher behandelt (Muthung und Verleihung der Gruben).

Die mit Kohlenbergbau beschäftigten Personen scheinen übrigens in früheren Jahrhunderten — ähnlich wie heute — nicht immer von feinen Sitten und sanften Charakters gewesen zu sein. So enthält die Aachener Kohlordnung von 1602 schwere Strafandrohungen gegen ungebührliches Benehmen der „Köhler“ vor Gericht. Die dortigen Kohlmeister mußten sich eidlich verpflichten, alles Zanken und Fluchen, Schwören und Schlägereien auf den Gruben zu verhindern; ebenso verbietet eine Aachener Rathsordnung von 1666 den Bergleuten die Gotteslästerungen in den Schächten, die gegenseitigen Verwünschungen und Verläumdungen bei Strafe von 10 Goldgulden.

Fast überall waren es wohl die Schmiede, welche zuerst und ausschließlich sich der Steinkohlen als Feuerungsmaterial bedienten. Daneben fanden letztere Verwendung zum Kalkbrennen, hier und da auch zur Alaun- und Vitriolgewinnung. -

Vitriolgewinnung. Zum eigentlichen Hausbrande wurde die Kohle hauptsächlich nur in unmittelbarster Nähe ihrer Gewinnungspunkte benutzt.

Den Schmieden empfahl sich die Steinkohle durch ihre Eigenschaft, nicht nur Flammen, sondern auch Glühfeuer zu geben; allein für den häuslichen Gebrauch bot sie keinen andern Vortheil, als den eines billigeren Preises dar, ähnlich etwa, wie es mit dem Torf noch heute in vielen Gegenden der Fall ist.

Wahrscheinlich führte in Deutschland der Betrieb der Salinen (Salzsiedereien) und der Glashütten zuerst zu einer vermehrten Berücksichtigung des Steinkohlenbergbaues.

In Nord- und Mitteldeutschland weisen zahlreiche Nachrichten darauf hin, daß am frühesten auf der Saline Sooden bei Allendorf an der Werra und auf den Glashütten in Hessen gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts statt des Holzes die Kohlen vom Meißner in Anwendung gebracht wurden. Es geschah dies auf Rath des Pfarrers Rhenanus, welcher auch außerhalb Hessens auf vielen Werken zu Rathe gezogen wurde.

Noch im folgenden Jahrhundert wurde Verwendung der Steinkohlen beim Salzsieden vielfach als eine besondere, in Allendorf zu erlernende Kunst betrachtet. So sandte man 1624 von Halle einige „diskrete Salzwirker“ nach Allendorf, um die dortige Art des Salzsiedens mit Steinkohle zu erforschen; zu gleichem Zwecke ging 1680 nochmals ein Beamter „im Geheim“ nach Allendorf, und erst hiernach war man im Stande, die Wettiner Steinkohle zur Heizung der Siedehäuser in Halle zu benutzen.

In Hannover und Westphalen hängt die Aufnahme und Ausdehnung mehrerer der älteren Steinkohlenbergwerke zum Theil unmittelbar mit dem Salinenbetriebe zusammen.

Einer rascheren Einbürgerung der Steinkohle standen Vorurtheile der mannichfachsten Art entgegen. Was für undeutliche Vorstellungen man überhaupt in früherer Zeit von dem Wesen der Steinkohle hatte, das zeigt beispielsweise der alte bergmännische Schriftsteller Agrikola (1546), welcher die Kohle als „ein von der Hitze der Erde ausgehendes Erzeugniß (excoctum), schwarz und leicht, und doch harzig und fett“ bezeichnet.

Namentlich in den Städten war das Vorurtheil verbreitet, daß die Steinkohle in Folge ihres Rauches im hohen Maße der menschlichen Gesundheit schädlich sei. In Zwickau hatten offenbar aus diesem Vorurtheile die uralten Schmiedeartikel den Schmieden verboten, in der Stadt mit Steinkohlen zu schmieden.

In England wurden 1316 sogar Gesetze erlassen und in späteren Jahrhunderten mehrmals erneuert, welche den Gebrauch „dieses so schädlichen Materials“ für die Stadt

London gänzlich verboten und mit schweren Geldstrafen, sowie Niederreißen der Kamine bedrohten.

Auch in Paris hatten auf Ansuchen des Parlaments die Gelehrten ein ungünstiges Gutachten abgegeben und vor den Gefahren und Nachtheilen des Gebrauchs der von England eingeführten Steinkohle gewarnt.

Die bittere Noth hat endlich alle Vorurtheile, gegen welche Jahrhunderte hindurch die Steinkohle anzukämpfen hatte, besiegt: der zunehmende Mangel an Holz hat die Steinkohle immer mehr an Boden gewinnen lassen und dieselbe überall nach und nach unentbehrlich gemacht.

In England war aus diesem Grunde der Gebrauch der Steinkohle bereits um 1650 ein ganz allgemeiner.

Bei uns in Deutschland hatte zwar die Entwaldung des Landes sich nicht so frühe wie in England fühlbar gemacht, gleichwohl drängte die Rücksicht auf Erhaltung der Wälder immer mehr zur Benutzung der Steinkohle hin. Beispielsweise ließ es sich, von dieser Rücksicht geleitet, die fürstliche Regierung in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken seit 1760 auf’s Eifrigste angelegen sein, der Steinkohle beim Hausbrande Eingang zu verschaffen, indem sie die Bewohner des Landes durch die Ortsvorsteher, Geistlichen und Lehrer in Gebrauche der Steinkohlen zum Ofenheizen förmlich unterrichten und später (von 1788 an) zur Schonung der Wälder den Gemeindemitgliedern die für ihren Hausbrand benöthigten Steinkohlen zu den Selbstkostenpreisen verabreichen ließ.

Auch in Oesterreich wurde aus Besorgniß vor Erschöpfung der Wälder schon früh die Aufmerksamkeit auf Ersatz des Holzes und der Holzkohle durch die Steinkohle hingelenkt. So erhielten bereits 1726 die Landesbehörden in Innerösterreich die Anweisung, Erhebungen anzustellen, ob nicht die Holzkohle bei den Eisenwerken durch die „neuentdeckten Steinkohlen“ ersetzt werden könnte; ebenso wurden in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts wiederholt namhafte Vortheile Denjenigen zugewandt, welche ihre Gewerbe mit Steinkohlen betrieben.

Als der lebhafteste Beförderer des Steinkohlenverbrauchs und damit auch des Steinkohlenbergbaus hat sich überall neben dem Hausbrande und den kleineren Gewerben die emporwachsende Großindustrie erwiesen.

Zunächst waren es die auf eigentliche Feuerarbeiten beruhenden Zweige derselben, wie Glashütten, Ziegeleien, Porzellanfabriken, Eisenschmelzen, Hammerwerke u. s. w., welche, theils schon aus älterer Zeit vorhanden, theils erst durch die Steinkohle selbst in’s Leben gerufen, in stets steigendem Maße der letzteren Absatz und Verwendung verschafften. Namentlich hat sich die Eisenindustrie, nachdem es einmal gelungen war, durch Verkokung die Steinkohle auch zum Schmelzen der Erze zu benutzen (schon 1640 in England, seit 1796 in Oberschlesien), als ein Haupthebel zur Belebung des Steinkohlenbergbaues gestaltet. Kohle und Eisen sind förmlich Zwillingsbrüder geworden, gegenseitig sich fördernd und gegenseitig auf einander angewiesen.

Vor allen indessen gebührt endlich auch der Dampfmaschine -

Dampfmaschine das wesentlichste Verdienst, zur weiteren Verwerthung der Steinkohle beigetragen zu haben. Seitdem der Engländer James Watt in den sechsziger Jahren des 18. Jahrhunderts durch seine Maschine den Dampf nutzbar gemacht, hat der letztere allmählich in allen Industriezweigen seine Herrschaft ausgebreitet und mit ihm herrscht überall die Steinkohle.

Aber selbst die mächtige Förderung von Seiten der Industrie würde nicht ausgereicht haben, den Steinkohlenbergbau zu der heutigen Blüthe emporzubringen, wenn nicht gleichzeitig auch Verkehrsstraßen eröffnet worden wären, welche den Massentransport der Kohle ermöglichten. Abfuhrwege und Chausseen mußten gebaut, Kanäle angelegt, Flüsse schiffbar gemacht, der Verkehr auf alle mögliche Weise erleichtert werden.

So entwickelte sich beispielsweise der Steinkohlenbergbau des Ruhrbeckens eigentlich erst mit der Schiffbarmachung der Ruhr, welche gegen Ende des vorigen Jahrhunderts begonnen wurde, und mit der Beseitigung aller Zoll- und sonstigen Schranken, welche dem freien Kohlenverkehre im Wege gestanden hatten.

Mit der wachsenden Bedeutung der Steinkohle hatte auch die Kohlengewinnung eine andere Gestalt angenommen. An die Stelle planloser Gräbereien war ein regelmäßiger bergmännischer Abbau mit Tagesstrecken, Stollen und Schächten getreten, der Betrieb beschränkte sich nicht mehr blos auf die Nähe des Ausgehenden, sondern rückte auch nach größeren Tiefen vor.

Wie bei jedem technischen Betriebe, so hat hier ganz besonders die Einführung der Dampfmaschine gewaltige Fortschritte ermöglicht. England hat das Verdienst, die Dampfmaschine dem Bergbau dienstbar gemacht zu haben, indem dort bereits zu Anfang des vorigen Jahrhunderts „Feuermaschinen“ zur Wasserhaltung benutzt wurden.

Die erste Wasserhaltungs-Dampfmaschine für Deutschland wurde auf Veranlassung der preußischen Bergverwaltung 1788 in England angeschafft; 1789 zunächst auf der Kupferschiefergrube „Preußische Hoheit“ im Mannsfeld’schen aufgestellt. 1793 wieder abgebrochen, gelangte sie 1795 nach dem Hoffnungsschachte der Steinkohlengrube zu Böbejün in der Provinz Sachsen, wo sie ununterbrochen bis 1848 in Thätigkeit geblieben ist.

In welchem großartigen Maße die Steinkohlengewinnung und der Steinkohlenverbrauch während der Neuzeit gestiegen ist, zeigen besonders England, Preußen und die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Während England 1660 noch erst ungefähr 45 Millionen Centner Steinkohlen gewonnen wurden, beträgt gegenwärtig, also etwas über 200 Jahren, die Förderung mehr als 2500 Millionen Centner jährlich. Das Königreich Preußen hatte im Jahre 1817 kaum 19 Millionen Centner, dagegen 1873 bereits 647 Millionen Centner Steinkohlenförderung aufzuweisen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika belief sich die Steinkohlenproduction 1820 auf nur erst 365 Tonnen (7300 Centner), im Jahre 1874 aber auf

4919 Millionen Tonnen (fast 1000 Millionen Centner). Die gegenwärtige Ausbeute aller Steinkohlengruben der Erde wird auf ungefähr 5200 Millionen Centner jährlich

zu schätzen sein, und zwar entfallen gegen 4140 Millionen Centner auf Europa, 1025 auf Amerika, 20 auf Australien und 15 Millionen auf Asien (China und Ostindien).