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KARL MAY


Auch »über den Wassern« · Mit Anmerkungen von Hansotto Hatzig und Ekkehard Bartsch




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Es erscheinen jetzt Aufsätze gegen mich, denen man den Gesamttitel gegeben hat: »Ein Abenteurer und sein Werk. Untersuchungen und Feststellungen von P. Ansgar Pöllmann, O. S. B.«1 Darob herrscht großer Jubel im Lager der von mir befehdeten Schundromanfabrikanten und ihrer Helfershelfer.2 Wenn ich von Pöllmann literarisch und moralisch totgemacht werde, gewinnen sie ihre Prozesse, so glauben sie. Darum ist er im Handumdrehen ihr großer Mann, ihr Held geworden, und was er sagt, das schnellt wie ein Lauffeuer durch die sensationslüsterne Presse, die er durch den Ton, in dem er diese Aufsätze schreibt, vollständig für sich gewonnen hat. Man nennt ihn dort den »gefährlichsten« meiner Gegner. Man behauptet, daß er schon einmal einen italienischen Schriftsteller3 zur Strecke gebracht habe und nun auch mit mir, dem deutschen Scribler, die Sache kurz machen werde. Die Langsamen stellen fest, daß mein »Glorienschein« immer mehr und mehr verblasse, und die Schnellen konstatieren schon allen Ernstes, daß ich nun »endgiltig entlarvt« und »moralisch begraben« sei. Andere, die es mit der Wahrheit noch weniger genau nehmen, bezeichnen den neuen literarischen Goliath als einen »hervorragenden Würdenträger der katholischen Kirche«, obgleich er weiter nichts als nur ein bescheidener Pater ist und als Schriftsteller und Herausgeber nur das geleistet hat, was ein Anderer an seiner Stelle gewiß ebenso leisten würde. Den größten und höchsten Ruhm aber heimst er dadurch ein, daß Rudolf Lebius, der wohlbekannte, aus der christlichen Kirche ausgetretene Widersacher aller christlichen katholischen Gewerkschaften, ihn in seinem neuesten Pamphlete gegen mich als »h o c h w ü r d i g e n  V e r f a s s e r« preist und sich intim kameradschaftlich Seite an Seite zu ihm stellt.4 Es werden sich in der Folge höchst auffällige Beziehungen zwischen Pöllmann, Lebius und den Münchmeyerschen Schundromanprozessen ergeben, die Schuldigen mögen das jetzt eingestehen oder nicht.


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Ich habe keinen Grund, irgend einen meiner Gegner zu scheuen. Ich stelle mich jedem, sobald er mit anständigen Waffen kämpft, sehr gern. Man spricht mit vollem Recht von jenem unerläßlichen publizistischen Takt, den jedermann schon aus Rücksicht auf sich selbst zu wahren hat. Und es gibt ein sehr niedrig liegendes Gebiet der Ausdrucksweise, zu dem ein Mann, der sich selbst achtet, niemals hinabsteigt. Schon bei den alten, vorislamitischen Arabern lautete ein wohlbekanntes Spruchwort: »Wer Unrecht hat, der schimpft; darum hat der, welcher schimpft, gewiß Unrecht.« Nun begegne ich schon beim ersten, oberflächlichen Blick auf das, was der »hochwürdige Verfasser« über mich schreibt, einer Terminologie, die mich in Erstaunen versetzt. Es sei mir folgende kleine Auswahl gestattet: Allerweltsschwindler - Abenteurer - in das Antlitz schleudern - für ewige Zeiten das Musterbeispiel eines literarischen Diebes - Sand in die Augen streuen - May glaubt, leugnen zu dürfen - dieser Mann hat die Stirne - grober Unfug - Mays pöbelhafte Tiraden - Originalmanuskripte auf die Seite geschafft - Frechheiten - zu sprechen erdreistet - Dresdener Schmutzliterat - literarischen Freibeuter - wir drehen den Strick - aus dem Tempel der deutschen Kunst hinauszupeitschen usw. usw. Von dieser kleinen Auswahl kann man auf das Ganze schließen! Da frage ich denn doch: Ist so etwas gestattet? Einem Geistlichen? Einem »hochwürdigen Verfasser«? Einem »hervorragenden Würdenträger der katholischen Kirche«? Ist das eine anständige Einladung zu einem ehrlichen Kampf mit reinlichen Floretts? Oder ist es eine Provokation zu einem öffentlichen Radau mit Düngergabeln ? Wie aufrichtig haben wir uns hier im Norden darüber gefreut, daß dort im Süden die Seele zu einem neuen, schönen, edlen, künstlerischen Wollen erwacht! Wie haben wir jede Regung dieses Willens mit unseren herzlichsten Wünschen begleitet! Wie bangten wir, und wie beklagten wir es, als wir sahen, daß dieser Wille sich spaltete, daß die Führer sich veruneinigten, sich bekämpften! Und nun wir sehnlichst warten, daß sich trotzdem alles zum Guten, zum Hohen, zum Herrlichen gestalten werde, hören wir aus einem Munde, dem nur Worte der ›Gottesminne‹5 geläufig zu sein schienen, Töne erklingen, die uns bis auf das Mark erkälten müssen. Ist das der Stil der neuen, veredelten und vertieften Kunst, die wir erwarten? War es so notwendig, dieses sonderbaren Wortvorrates wegen der ›Gottesminne‹ einen anderen Namen und einen anderen Redakteur zu geben ? Kann man das, was hier gesagt werden soll, nicht mit mehr Überlegsamkeit und mit besser und würdiger klingenden Worten sagen ? Fühlt man sich dort schon stark und erhaben genug, öffentliche Hinrichtungen riskieren zu können,


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die jedem christlich, human und ästhetisch gebildeten Menschen, selbst wenn der Betreffende vollauf schuldig sein sollte, ein Gräuel sein müssen? Sind die paar Menschen, die sich eine solche Sprache gestatten, so vollständig infallibel, daß sie sich unmöglich irren können? Woher nehmen sie das Recht, den vielen hunderttausend Karl-May-Lesern Hohn und Spott zu bieten? Und vor allen Dingen, wer hat es jemals einem Menschen erlaubt, und sei er sogar der »allerhochwürdigste Verfasser«, Ankläger, Richter und Henker in einer und derselben Person zu sein?

   Daß ich mich einem solchen Gegner ganz unmöglich stellen oder ihm auch nur antworten kann, versteht sich ganz von selbst. Auch seinen Genossen und den Herren von der Sensations- und Revolverpresse habe ich nichts zu sagen. Allen diesen Herren, wie z. B. auch Lebius, dem Mitarbeiter der Bruhn-Dahschelschen ›Wahrheit‹6, gegen welche soeben ein neues Kriminalverfahren eröffnet worden ist, wird das, was sie erfahren müssen, vom Gericht aus kundgetan. Ich stehe nicht auf einem Punkt, welcher es mir ermöglicht, mich mit dem »hochwürdigen Verfasser« in eine Zeitungsprügelei einzulassen. Er ist überhaupt nicht der Mann, dem ich Rede zu stehen habe. Ich ersehe überhaupt nicht den geringsten Grund, mich wie ein Angeklagter zu verteidigen. Aber allen meinen Lesern und Freunden und allen den vielen, vielen wahrhaft vornehmen Zeitungen, denen weder Münchmeyer noch Lebius noch Pöllmann ein Wort der Beistimmung ablocken kann, bin ich es schuldig, durch die vorliegenden Zeilen darzutun, daß ich keineswegs der Karl May bin, dessen Existenz den Leichtgläubigen weisgemacht werden soll, sondern daß dieser May ein Münchmeyer-Lebiussches Zerrbild ist, mit dem man den Zweck verfolgte, die Richter irre zu fahren. Diese Manipulation wurde aber sehr bald durchschaut. Ich siegte in allen Instanzen, und sämtliche Denunziationen, die man gegen mich erhob, wurden von der Behörde geprüft und abgewiesen. Man wird sie auch heut wieder durchschauen, obgleich nun auch noch ein »hochwürdiger Verfasser« diese Karikatur für Wahrheit gibt. Es ist das Resultat der gerichtlichen Untersuchungen abzuwarten, die gegen Münchmeyer und Lebius schweben. Lebius hat den hochwürdigen Herrn bereits derart in diese Untersuchungen verwickelt, daß ich gar nicht umhin kann, gegen Pöllmann genau ebenso zu verfahren, wie ich gegen Lebius und Münchmeyer zu verfahren habe. Er hat sich, ohne daß die Sache ihn etwas anging, in den Münchmeyerschen Schundromanprozeß gemengt und mag nun zusehen, ob und wie er die Geister, die er beschwor, wieder loswerden kann. Ich habe mit ihm nicht etwa literarisch oder journalistisch,


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sondern nur gerichtlich zu tun. Ich bin im Vollbesitze aller bürgerlichen Ehrenrechte, und wer sich unterfängt, mich in diesem Besitz zu stören, der mag die Folgen tragen! Es wird keinem rechtlich und human denkenden Menschen möglich sein, die Aufsätze »Ein Abenteurer und sein Werk« als erlaubte Kritik zu betrachten. Es handelt sich vielmehr um die öffentliche Vernichtung meiner schriftstellerischen, bürgerlichen und moralischen Existenz, und zwar in einer so beispiellos gehässigen, grausamen Weise, daß jeder Gedanke, das Priestertum des »hochwürdigen Verfassers« zu berücksichtigen, zur Unmöglichkeit wird.

   Bevor ich auf die einzelnen Aufsätze eingehe, kann ich mich für heut zunächst nur mit dem Überfall beschäftigen, der ihnen in der Radolfzeller ›Freien Stimme‹ vorausgegangen ist. Ich nenne das einen Überfall, und zwar nicht nur einen hinterrücksen, sondern auch einen gleich derart haßerfüllten und verletzenden, daß ich mich des häßlichen, abstoßenden Eindruckes selbst heut noch nicht erwehren kann. Das war so: Lebius hatte mich in einem aus Lügen zusammengesetzten Artikel als früheren Räuberhauptmann bezeichnet. Dieser Artikel war von der ›Freien Stimme‹ gebracht worden, deren Redakteur mich aufforderte, mich hierüber zu äußern. Auf diesen seinen Wunsch hin schickte ich ihm eine Berichtigung, die schon in vielen anderen Zeitungen gestanden hatte und genau der Wahrheit entsprach. Hierauf erschien in demselben Blatte eine mit P. Ansgar Pöllmann O. S. B. (Beuron) unterzeichnete Auslassung, auf deren Ton und Stimmung ich nicht hier, sondern vor Gericht näher einzugehen habe. Ich gebe nur eine einzige Stelle wieder, die sehr bezeichnend für diesen Ton ist: »Es ist sehr interessant, was Karl May  h i e r  u n t e n  a m  B o d e n s e e  g l a u b t  l e u g n e n  z u  d ü r f e n,  w o  e r  e i n m a l  i m  f r i s c h e n  Z u g e  i s t.« Obgleich das, was die ›Freie Stimme‹ von mir brachte, schon in vielen anderen Zeitungen gestanden hatte, wurde ich da glattweg als ein Mensch hingestellt, den jedermann und auch ich selbst, wenn es ihn gäbe, als einen Lumpen bezeichnen würde! Wo kam dieser Feind mir her? Ich hatte ihm nie etwas getan? Woher gleich diese Erbitterung und dieses Gift? Warum diese häßliche Schärfe und dieses ungezähmte Übermaß in allem, was er sagte? Ich antwortete. Da wurde er noch schärfer und noch übermäßiger. Das Maßloseste war die Drohung, »d e n  S t r i c k  z u  d r e h e n, um diesen Händler  a u s  d e m  T e m p e l  d e r  d e u t s c h e n  K u n s t  h i n a u s z u p ei t s c h e n.«7

   Der »hochwürdige Verfasser« wendet hier das Bild des Heilandes auf sich an. Er vergleicht sich mit Jesu Christo, dem Erlöser.8 Welch ein Eigenstolz! Welch ein Selbstbewußtsein! Aber der liebenswürdige


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Ausdruck »hinauspeitschen« erinnert zugleich an den mittelalterlichen Büttel, der gewisse Personen über die Grenze zu stäupen hatte. Was nun aber meint dieser Herr? Als was von beiden will er betrachtet sein? Als  H e i l a n d  oder als  B ü t t e l  im Tempel der deutschen Kunst? Und wie will er es anfangen, mich hinauszupeitschen? Mag er sich geberden, wie er will, ich schreibe ruhig weiter. Er bringt nicht einmal den allergeringsten Müller oder Schulze hinaus. Ich aber befinde mich gar nicht in dem Tempel, welcher die Ehre hat, eines solchen Heilandes resp. Büttels zu bedürfen. Ich gehe meinen bisherigen, abseits liegenden Weg vollständig unbeirrt weiter und bin der Meinung, daß man derartige Hinauspeitscher und Hinausschmeißer niemals selbst eines Besseren belehren, sondern nur durch den Strafrichter zur Ruhe bringen kann. Darum erkläre ich hier Folgendes:

   Ich erfahre, daß der »hochwürdige Verfasser« mich schon vor längerer Zeit in einer seiner Veröffentlichungen einen »Allerweltsschwindler« genannt hat. Ich erfuhr das erst vor ganz kurzem und  s t e l l e  S t r a f a n t r a g.

   Er bezeichnet mich in seinem Titel als Abenteurer.  I c h  s t e l l e  S t r a f a n t r a g.

   Er behauptet, daß ich mich habe von meiner Frau scheiden lassen, »um die Witwe Plöhn heimzuführen«.  I c h  s t e l l e  S t r a f a n t r a g.

Er nennt mich den »Dresdener Schmutzliteraten«.   I c h  s t e l l e  S t r a f a n t r a g.

   Er droht, mich mit einem Strick aus dem Tempel der deutschen Kunst hinauszupeitschen.  I c h  s t e l l e  S t r a f a n t r a g.

   Er behauptet, ich habe meine Originalmanuskripte auf die Seite zu schaffen gewußt.  I c h  s t e l l e  S t r a f a n t r a g.

   Er droht, mich »als literarischen Dieb zu brandmarken«.  I c h  s t e l l e  S t r a f a n t r a g..

   Diese Strafanträge9 beziehen sich nur auf Vorangegangenes, nicht aber schon auf die Aufsätze, die in ›Über den Wassern‹ stehen. Auf die letzteren komme ich im nächsten Artikel zu sprechen. Da ich nur das Gericht entscheiden lassen will, verbiete ich mir, dieser Entscheidung durch ausführliche Besprechungen vorauszugreifen. Daraus folgt, daß ich nicht auf Alles, was mir einzeln vorgeworfen wird, auch einzeln eingehen kann und daß ich grad die Punkte übergehe, die ich dann vor Gericht ganz besonders zu betonen habe. Ich warne also vor der geistig sehr billigen Taktik des »Hochwürdigen Verfassers«, nach der ich solche Punkte, die ich unerwähnt lasse, nicht bestritten, sondern zugegeben haben soll. Daran ist nicht zu denken! Dieser Herr nennt mich hier öffentlich einen »Allerweltsschwindler«. Er behauptet, daß


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ich »ohne humanistische und akademische Bildung« sei. Und er beschuldigt mich, »in großen Städten mit meiner Person öffentliche Schaustellungen getrieben, dabei meine Frau mit vorgeführt und nun in umso größere Schande gestürzt zu haben«.10 Zwischen diesen drei Pfählen bewegt er sich; er kommt nicht über sie hinaus. Und diesen Pfählen angemessen ist der Ton, den er sich gestattet, und seine Ausdrucksweise. Ich bin so froh, daß ich nun endlich doch einmal einen Menschen habe, den ich fassen kann! Lebius, sein Gewährsmann, veröffentlicht seine Pamphlete stets ohne Namen; es kann also jahrelang dauern, ehe man ihn vor Gericht zu packen bekommt. Hier aber weiß man, daß man nur nach Beuron zu greifen braucht, da hat man ihn! Bisher war der Strohmann des Herrn Lebius immer ein Berliner armer Teufel11, mit dem man sich unmöglich befassen konnte; jetzt aber ist das anders. In welche Hände der Beuroner Pater da geraten ist und was für eine Sache er verficht, darüber zum Schluß einstweilen nur Folgendes:

   Meine erste Frau wurde als die Alleinschuldige von mir geschieden. Es war ihr gerichtlich untersagt, meinen Namen weiter zu führen. Trotzdem ließ ich sie durch eine freiwillige Rente von 3000 Mark für ihr ganzes Leben vor aller Not sicherstellen. Auch stattete ich sie in jeder Beziehung reichlich aus. Sie lebte in Weimar sorgenlos und frei. Da kam Lebius und verleitete sie, sich mit ihm gegen mich zu verbinden. Ergab ihr Geld und übergab sie seinem Schwager Heinrich Medem12, einem  g e w e s e n e n  Advokaten. Dieser mußte mir als ihr Bevollmächtigter mitteilen, daß sie auf die Rente von mir verzichte. Dafür versprach Lebius ihr eine Rente bis an ihr Lebensende, er, der wegen 2 bis 3 Mark resultatlos ausgepfändet worden ist! Und nun kommt die Hauptsache, das geradezu fürchterliche, unmenschliche Raffinement: Er schreibt über diese Rente in einem Briefe, der sich in meiner Hand befindet, und fügt hinzu: »Auf Anraten meines Rechtsanwaltes habe ich allerdings im Hinblick auf meine gerichtliche Einigung mit May verlangt, daß Frau Emma erst einen Teil ihrer Schmucksachen versetzt,  w e i l  d a s  n a c h  a u ß e n  h i n  e i n e n  b e s s e r e n  E i n d r u c k  m a c h t«.13

   Also die arme, verführte Frau mußte auf ihre sichere Rente verzichten und sogar ihre Schmucksachen versetzen, um dadurch  n a c h  a u ß e n  h i n  d e n  E i n d r u c k  z u  e r z i e l e n, daß ich, ihr früherer Mann, an diesem Elend schuldig sei! Und für diesen Lebius, der solche Rechtsanwälte besitzt, tritt nun sein »Hochwürdiger Verfasser« öffentlich ein, um die Schande, die ein Anderer verdient, auf mich, den völlig Unschuldigen zu werfen! Es ist mir gelungen, die Frau aus den


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Händen dieses Lebius und seiner Komplizen zu befreien. Was weiter kommt, gehört nicht hierher.


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Ehe ich auf die in ›Über den Wassern‹ erhobenen Anschuldigungen eingehe, sind hier in meinem zweiten Artikel einige »Feststellungen« nötig, durch welche diejenigen Behauptungen, welche aus der Luft gegriffen sind, gezwungen werden, festen Boden zu fassen, damit man sie in Ruhe und Unparteilichkeit betrachten und beurteilen könne.

   Erstens erkläre ich, daß ich die Kritik für nötig halte. Ich freue mich, so oft ich in gesunder, sachlicher Weise kritisiert werde, denn ich lerne davon; vor allen Dingen lerne ich mich bessern. Aber anständig, human und eines gebildeten Mannes würdig muß die Kritik sein, sonst schändet sie den, der sie übt, und schadet dem, gegen den sie sich richtet. Und innerhalb der Gesetze, die ihr gegeben sind, hat sie sich zu bewegen, ja nicht darüber hinaus! Der Kritiker hat nur drei Fragen zu beantworten, weiter nichts. Nämlich: a) Welchen Zweck verfolgt der Verfasser mit seinem Werke (Ist dieser Zweck lobenswert)? b) Mit welchen Mitteln sucht er seinen Zweck zu erreichen (Sind diese Mittel die richtigen)? c) Hat er diesen Zweck erreicht (Warum oder warum nicht)? Der Kritiker hat also seine Kritik nicht aus seinem eigenen, sondern aus dem Boden dessen wachsen zu lassen, den er kritisiert. Alles, was innerhalb seiner eigenen Individualität liegt, hat zu schweigen, nur allein die Logik ausgenommen. Ich bitte, von dieser unanfechtbaren Forderung aus die in »Über den Wassern« gegen mich gerichteten Aufsätze zu betrachten!

   Zweitens bin ich nicht »Jugendschriftsteller«14, obgleich auch ich einige Bücher ausschließlich für die Jugend geschrieben habe. Sie sind in der Stuttgarter ›Union‹ erschienen, und zwar in der ganz ausdrücklichen Absicht, nachzuweisen, daß alle meine anderen Bücher keine »Jugendschriften« sind. Nur um diese Bücher anfechtbar zu machen und sie verbieten zu können, hat man mich zum Jugendschriftsteller, das Wort in gehässigem Sinne genommen, degradiert. Daß diese Werke trotzdem gerade bei der Jugend einen so großen Anklang finden, das kann nur für diejenigen ein Rätsel sein, denen für die Jugendseele und überhaupt für die Menschenseele kein Verständnis gegeben ist. Wenn Jemand, nur um meinen Büchern das Recht der Existenz absprechen zu können, behauptet, daß sie für unerwachsene Burschen und Mädchen geschrieben seien, der handelt nicht ehrlich und begibt sich in die Gefahr, ausgelacht zu werden, denn es gehört


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gewiß kein sehr bedeutender Überfluß an Geisteskräften dazu, meine tiefernsten Bilder15 vom »eingemauerten Herrgott«, von der »Erlösung der verkalkten Seelen«, vom »versteinerten Gebete«, von dem toten »Mahalamasee« usw. mit dem »Sanften Heinrich«16 und dem »Prairievogel«17 an eine und dieselbe Adresse zu richten!

   Drittens bin ich kein Tendenz- und noch viel weniger ein konfessioneller Schriftsteller. Ich schreibe als Mensch zum Menschen, nicht aber als Katholik oder Protestant zu Katholiken oder Protestanten. Ich neigte zwar mehr und mehr zum Katholizismus, so daß ich es für meine Pflicht hielt, mich im »Kürschner«18 als innerlich zu ihm gehörig zu bezeichnen, aber ich habe niemals auch nur eine Zeile für separat katholische Zwecke verfaßt, sondern immer betont, daß ich ein Christ sei, weiter nichts.19 Es war reiner Zufall, daß ich mit dem katholischen Verlage Pustet in Berührung kam. Ich blieb bei ihm, weil sein Zahlungsmodus mir gegenüber ein höchst angenehmer war. Er bezahlte nämlich jede Manuskriptsendung sofort mit der nächsten Post. Schickte ich ihm Montag eine Arbeit, so langte sie Dienstag dort an, und Mittwoch kam mein Honorar, und zwar unbedingt, mit niemals aussetzender Sicherheit.20 Das ging zirka zwanzig Jahre lang. Wer Schriftsteller ist und das erreicht, der weiß es zu schätzen. Darum blieb ich. Daß Pustet Katholik war, hatte dabei gar nichts zu tun, weder von seiner noch von meiner Seite. Daß ich ein Ave Maria21 gedichtet und komponiert habe, ist mein gutes Recht, ebenso wie es Göthes gutes Recht war, am Schlusse seines Faust die Gestalt der Madonna heranzuziehen. Daß ich in meinen Reiseerzählungen da, wo es sich um religiöse Gegensätze handelt, stets das Christentum siegen lasse, versteht sich ganz von selbst. Und daß ich dieser Siegerin fast immer katholische Gestalt verlieh, hat sehr einfach seinen Grund darin, daß nur die katholische Kirche derartige Gestalten besitzt, während der Protestantismus mit seiner weitgehenden »Vergeistigung der Form« dem Autor, dem Maler und Bildner in dieser Beziehung fast gar nicht entgegenkommt. Mir hierüber Vorwürfe zu machen, heißt, diese Verhältnisse entweder nicht zu kennen, oder aus Gehässigkeit nicht kennen zu wollen. Ich habe mich in meinen Reiseerzählungen wenigstens zehnmal mehr mit dem Islam als mit dem Christentum beschäftigt, durchwegs in liebevoller, eingehender Weise. Man könnte also viel eher sagen, daß ich islamitisiere, als daß ich katholisiere. Ich muß hier also sehr um Mäßigung bitten, um Wahrheit und Gerechtigkeit.

   Viertens habe ich niemals behauptet, daß ich meine Reiseerzählungen nach den Regeln der gegenwärtigen schriftstellerischen Kunst


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zu gestalten suche. Es ist mir gar nicht eingefallen, derartige Kunstwerke zu erzeugen. Ich gestehe in ruhigster Aufrichtigkeit, daß ich nicht nach jener sogenannten »Kunst« trachte, welche äußere Tempel baut, in denen man aber, sobald man eingetreten ist, weder einen Priester sieht noch einen Gott herbeitreten fühlt. Jene subalterne Kunst mit den herausgedrückten Waden und dem Gleichschritt, hinter irgend einem Sergeanten her marschierend. Wehe dem, der nicht Schritt hält! Noch weher dem, der nach rechts oder links zu blicken wagt! Am allerwehsten aber dem, der es nicht aushalten kann und davonläuft, um seinen eigenen Weg zu suchen! Sondern ich sehne mich nach jener höheren, jener wahren Kunst, welche die Säulen und Tempel unseres Innenlebens baut, ihre Altäre in unseren Herzen errichtet und erst dann, wenn dies geschehen ist, auch der Außenwelt gerecht zu werden weiß. Das ist die herrliche Kunst, die Kunst der Zukunft,22 die uns erst unsern Herrn und Gott und dann seinen Altar giebt. Nicht aber die vergangene, jetzt langsam hinsterbende, deren Schönheit man von außen bewundert, tritt man aber hinein, so ist Alles, Alles leer; Zeus und Hera, Venus und Diana, Hades und Poseidon sind verschwunden; sie waren nur Gleichnisse; sie haben nie gelebt; der aber, dem unsere Kunst und unser Ideal der Zukunft gilt, der war und ist und bleibt in Ewigkeit!

   Nach dieser Kunst also suche ich, nach keiner andern. Was ich bis jetzt schrieb, das waren nur Versuche; das waren Übungen; das waren Bruchstücke, die an sich nichts bewerten und nichts bedeuten. Und vor allen Dingen waren es Skizzen, Skizzen, nur Skizzen, teils einzeln, teils einstweilen in Zusammenhang gebracht, um später zu jener reiferen Komposition zusammengehängt zu werden, vor deren Anfang ich jetzt angekommen bin.

   Wenn ich sage, ich habe bisher nur erst skizziert,23 so lege ich hierauf ganz besonderes Gewicht. Denn hier liegt der Punkt, an dem die verständnislose oder gar übelwollende Gegnerschaft ihre Hebel einzusetzen pflegt. Diese Herren können oder wollen Skizze und Kunstwerk nicht unterscheiden. Sie leugnen, daß es wirklich meine Absicht ist, nur zu skizzieren. Sie unterschieben mir, künstlerisch schreiben zu wollen und es doch nicht zu können. Darum ist für sie Alles, was ich geschrieben habe, nur Quark, nur Quatsch. Ihrer Alltagsuhr, die heute genau so ticken und schlagen muß, wie gestern, erscheint es als unmöglich, daß ein achtundsechzigjähriger Autor noch skizziert, während der Tod so nahe vor seiner Tür steht. Man lacht über mich; ja, man sagt, daß ich täusche! Arme Menschen, die alle an einem und demselben Faden hängen wie ein Schock Pfennigbretzeln oder


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eine Schnur chinesischer Heller! Nach fünfzigjährigen Vorübungen genügt es mir, ein einziges Stück zu schreiben, um zu zeigen, was ich gewollt habe. Dann kann ich ruhig sterben Und daß die Vorsehung mir nach so langer, ununterbrochener Lebensqual die kurze Zeit zu diesem einen Stück nicht versagt, des bin ich sicher. Vielleicht zu mehreren!

   Fünftens schwingen sich meine Gegner über die unleugbare Haupt- und Tatsache, daß ich nämlich bildlich, also im Gleichnis schreibe, entweder völlig schweigsam hinweg, oder sie glauben, mit billigem Spott darüber hinwegzukommen. Alle meine Leser wissen, daß das »Ich« in dem ich schreibe, mit meiner Person nichts zu tun hat, sondern daß ich damit die Menschheitsfrage meine, welche die Aufgabe hat, den Menschheitsrätseln nachzugehen, um sie zu ergründen.24 Mein Hadschi Halef Omar ist die menschliche Anima, die sich für den Geist und die Seele hält, ohne eines von beiden zu sein. Marah Durimeh, die alte, kurdische Königstochter, ist die Menschheitsseele. Mein Häuptling Winnetou ist der Prototyp der soeben jenseits des Atlantik entstehenden germanisch-indianischen neuen Rasse, Hanneh ist die Animaseele, Schakara die Geistesseele, Ardistan ist das Land der jetzigen Gewaltmenschen, Dschinnistan das Land der zukünftigen Edelmenschen. Zwischen beiden liegt die Geisterschmiede von Kulub, in welcher Jeder, der nach oben will, wie z. B. ich, gepeinigt, geglüht, gehämmert und geläutert wird. Ich habe schon über zehn Jahre lang tagtäglich die Schläge, Hiebe und Stiche meiner Gegner auszuhalten. Und wie fast alle meine Personen bildlich gemeint sind, so ist auch alles Andere bildlich zu nehmen. Ich brauche weder in Amerika noch im Orient noch in irgend einem anderen, fremden Lande gewesen zu sein. Meine Sujets sind heimatliche. Ich kleide sie in fremdes Gewand und stelle sie in fremdes Licht, um sie interessant und wirkungsvoll zu machen. Spreche ich vom Schah-in-Schah, so meine ich Gott. Die Haddedihn sind diejenigen meiner Leser, die mich gern lesen, aber den tieferen Sinn meiner Bücher noch nicht begreifen. Die viel höher wohnenden Dschamikun aber sind die Leser, die mich verstehen, der »Pädär« dieser Dschamikun ist Fehsenfeld, mein Verlagsbuchhändler. Der persische Henker, welcher auf dem Pferde Kiss-y-darr, zu deutsch »Schundroman«, reitet, ist jener liebenswürdige deutsche Herr, der mich mit Hilfe der Münchmeyer'schen Schundromane hinzurichten strebt.25 Mit dem Ustad meine ich mich selbst, den vielverfolgten, ausgestoßenen Karl May. Klekih-petra, der deutsche Lehrer Winnetous, ist der Einfluß der deutschen Volksseele auf die indianische Stammesseele. Der alte, berühmte Medizinmann


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Tatellah-Satah ist die aus tausendjähriger Verborgenheit jetzt deutlich hervortretende Entwicklungsgeschichte der roten Rasse. Kurz, meine Reisebeschreibungen haben als Gleichnissammlungen gelesen und auf ihren tieferen Sinn geprüft und verstanden zu werden. Ich brauche den Boden fremder Länder mit keinem Fuß betreten zu haben und bin dennoch zu der Versicherung berechtigt, daß ich nur Wahres, wirklich Erlebtes schildere. Ich sende meine Haupt-Romangestalt, meinen Old Shatterhand respektive Kara Ben Nemsi, in fremde Länder und zu fremden Völkern, um zu zeigen, wie wir als Edelmenschen dort zu handeln haben. Aber der bin ich doch nicht selbst! Mir steht es völlig frei, daheim zu bleiben, und wenn ich dann trotzdem behaupte, auch dort gewesen zu sein und das Erzählte mit erlebt zu haben, so ist das keine Lüge, sondern die vollste Wahrheit, denn die Begebenheiten ereignen sich daheim; die Fremde ist Imagination. Wer nicht genug Phantasie oder nicht genug Einsicht besitzt, dies zu begreifen, der ist unfähig, mich und meine Bücher zu kritisieren. Und wenn er dies dennoch tut, und zwar in gehässigem Hohne, so schadet er damit nicht mir, sondern nur sich selbst.

   Und endlich sechstens ist zu bedenken, daß ich in einer ganz andern Gedankenwelt lebe, als in derjenigen, aus welcher mir nur Feindseligkeiten erwachsen. Ich klebe nicht an der literarischen Scholle, sondern ich habe mich von ihr losgelöst. Ich bewege mich; ich bin frei. Und selbst als Freier bewege ich mich weder im veralteten Karren oder Wagen, noch auf der längst überwundenen Draisine. Ich fahre nicht Rad und nicht Automobil, sondern ich bin Aviatiker.26 Ich bitte, nicht zu lächeln oder gar zu lachen. Es ist mir heilig ernst! Jedermann weiß, daß sich unser materielles Leben konform mit unserem Geistesleben entwickelt. Das eine ist die Abbildung oder die Materialisation des andern. Nachdem Kunst und Literatur es gewagt hatten, sich zeitweilig vom Erdboden zu trennen, wurden Montgolfieren und Charlieren gebaut. Schiller und Göthe stiegen in ihren gewaltigen Aeröstaten zum reinsten Aether empor, um, der Eine in imposanter Kühnheit, der Andere in majestätischer Ruhe über alles Niedrige und Häßliche hinwegzuschweben. So gleiten nun Zeppelin, Parseval usw. mit ihren »wirklichen« Ballonen von Ort zu Ort, von Land zu Land. Andere, die keine Goethes und keine Schillers waren, befreiten sich zwar auch vom Boden, wagten es aber nicht, sich von ihm zu entfernen. Sie erfanden die Draisine, das Zwei- und Dreirad, das Motorrad, das Automobil. Wer kennt sie nicht, die Draisinenpoesie, die mit eigenen Händen hebelt, von keiner höheren Kraft getrieben wird und, fest auf ihrem Sitz und Standpunkt klebend, so gern vergißt, daß sich nur Schwache


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und Kranke dieses Vehikels zu bedienen pflegen. Wer kennt sie nicht, die Zwei- und Dreiradfahrer unserer Literatur, die Motorradler und Automobilisten, die, kaum gesehen, schon wieder verschwunden sind und nichts hinterlassen als Benzin- und anderen Geruch. Das sind die Folgen des Verharrens in der Tiefe. Hinauf, hinauf! Lernt fliegen! Gibt es keine Wrights, keine Lathams, keine Farmans, keine Bleriots in Kunst und Literatur?

   O doch! Es gab sie schon längst. Aber wie die Brüder Wilbur und Orville Wright erst jahrelang im Stillen rechneten, prüften und übten, so taten und tun das auch sie, die auf dem Gebiete der Kunst und Literatur von der ausgelaugten Scholle und aus dem toten Wust des längst Überlebten emporstreben, um dem Aufgange eines neuen, unendlich schönen Tages entgegenfliegen zu können. Wir sind unser nur wenige; unsere Zahl ist gering Ich war unter uns der Erste, der es wagte, abseits zu gehen und zu versuchen, ob es nicht vielleicht möglich sei, trotz der angeborenen Schwere emporzukommen, wie ja auch der Vogel, obgleich er schwerer ist als die Luft, es fertig bringt, sich in den Aether aufzuschwingen. Ich versuchte, übte und baute. Als ich ihn fertig hatte, meinen ersten Aeroplan, und ich ihn prüfte, bewährte er sich sofort. Ich nannte ihn »Reiseerzählung« und flog mit ihm über Länder und Meere, über Wüsten, über Sümpfe, über alles, was Andere, die nicht zu fliegen wagen, hindert, dem Entwicklungsgesetz und dem Zuge der Zeit zu folgen. Wieviel Seelen meiner Leser im Laufe der Zeit mit mir fahren, das weiß ich nicht. Seelen sind nicht zu zählen. Und ebenso wenig achte ich auf die abfälligen, zornigen Rufe, die von da unten herauf ertönen, wo die alten Draisinen, Fahrräder und Benzingerüchler allen möglichen Staub und Schmutz aufwirbeln, ohne sich aus ihm erheben zu können.

   Wir befinden uns über Allem, was uns kränkt und hindert. Unser Blick ist frei geworden. Wir erkennen die großen, die herrlichen Zusammenhänge der irdischen Existenz. Die Systeme der Gebirge, der Flüsse entdeckten sich uns. Alles, was da unten verborgen ist, wird hier oben offenbar. Der Sonnenstrahl erleuchtet die Erde. Vor ihm fliehen alle Geheimnisse, alle Zweifel. Und da, wo die höchsten Berge ragen, ist es, als ob hinter ihnen in rosigem Schein die Zukunft des Menschengeschlechtes aufsteige, um uns, die ihr Entgegeneilenden, zu begrüßen Was ich da sehe und höre, was ich da denke und fühle, das sage und schreibe ich meinen Lesern. Sie glauben es mir. Wenn aber von da unten Einer, der sich mit allem, was er kann und weiß, auf seinem kleinen, niedrigen Draisinelchen bewegt, sich über diesen Glauben ärgert und in seinem Ärger öffentlich behauptet, es sei nicht


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wahr, was ich erzähle, so kann ich ihm nicht zürnen, sondern ihn nur bedauern. Wer das, was er nicht weiß, nur deshalb für unwahr hält, weil er es eben nicht weiß, der ist schlimmer daran als ein Blinder, welcher das, was er nicht sieht, doch wenigstens hört und fühlt.

   Übrigens steht für mich schon seit längerer Zeit ein neuer, noch besserer Aeroplan fertig. Sollte sich der alte nicht mehr bewähren, so bedeutet das noch keineswegs einen vernichtenden Sturz für mich, sondern, ich stelle ihn zur Seite, steige auf dem neuen empor und bleibe derselbe, der ich war und der ich bin. Kein Mensch, und sei er noch so mächtig, ist im Stande, mich zu zwingen, das hochgelegene, herrliche Land der Menschheitsseele, welches ich meinen Lesern entdeckt und geöffnet habe, ihnen wieder zu verschließen. Nur wer diese Seele in sich fühlt und mit ihr emporzusteigen pflegt aus des Tages schmutzigem Tun zu des Abends andächtiger Stille, ist im Stande, über mich und meine Reiseerzählungen zu urteilen. Von jedem Anderen ist es ein selbstüberhebendes, fruchtloses Beginnen, die Gedankenflüge eines Wright oder Latbam mit den Augen eines Draisinisten verfolgen zu wollen. Ich sage nicht, daß ich mir dies verbitte, denn es kann mich ja weder stören noch gar erreichen; aber es wäre besser und heilsamer für ihn selbst, wenn er es unterließe! - - -

   In meinem nächsten Artikel werde ich das sonderbare Beginnen, mich als literarischen Dieb zu charakterisieren, vorausbesprechen.


3


In der Aufsatzsammlung »Ein Abenteurer und sein Werk« ist einer dieser Aufsätze mit »Ein literarischer Dieb« überschrieben und beginnt folgendermaßen: »Der Vorwurf, den ich heute gegen Karl May erhebe, ist der schimpflichste, den je noch ein Kritiker einem Dichter ins Antlitz zu schleudern vermochte.  I c h  n e n n e  K a r l  M a y  e i n e n  l i t e r a r i s c h e n  D i e b  und lasse ohne Weiteres die Tatsachen sprechen.«

   Das klingt, wie fast Alles, was P. Pöllmann O. S. B. sagt, außerordentlich selbstbewußt. Nur Koryphäen, Kapazitäten und sonstige anerkannte Berühmtheiten allerersten Ranges dürfen sich gestatten, gleich so ohne Weiteres mit den Tatsachen zu beginnen. Alle Anderen aber haben bescheiden zu sein und vorerst nachzuweisen, daß sie von der Sache, über welche sie sich äußern wollen, auch wirklich etwas verstehen. Und P. Pöllmann gehört meines Erachtens noch ganz unbedingt zu diesen Anderen. Er hat, ehe er über literarischen Diebstahl spricht oder schreibt, vorerst nachzuweisen, daß er die


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hierzu nötigen Kenntnisse und Eigenschaften besitzt. Nachdem er diesen Beweis zu umgehen gewußt hat, darf er sich nicht darüber wundern, daß er mit seinen sogenannten »Untersuchungen und Feststellungen« bei allen unbefangenen Leuten gerade das Gegenteil von dem erreicht hat, was er erreichen wollte. Auch ich bin weder Koryphäe noch Kapazität. Ich gestehe das aufrichtig ein und fühle mich also verpflichtet, ehe ich weiterspreche, den Nachweis zu erbringen, daß ich mich nicht in Unwissenheit über das, worüber ich sprechen will, befinde.

   Zur Einleitung ein etwas kräftiges Beispiel: Wenn ich in einem meiner Bücher einige Zeilen aus Schillers ›Mädchen aus der Fremde‹ bringe, so ist mir das gestattet; ich bin kein Dieb, selbst wenn ich Schillers Namen nicht nenne. Wenn ich aber an die Redaktion eines Familienblattes ein Gedicht schicke, welches zehn Mark kosten soll, als »Die Poesie, Gedicht von Karl May« überschrieben ist und folgendermaßen beginnt:


»In einem Tal bei armen Hirten
Erschien mit jedem jungen Jahr,
Sobald die ersten Lerchen schwirrten,
Ein Mädchen, schön und wunderbar«,


so bin ich kein ehrlicher Mensch, sondern ein literarischer Dieb und Schwindler. Aus diesem Beispiele gehen die bekannten drei Hauptpunkte hervor: Zu einem literarischen Diebstahle, einem Plagiate, gehört 1. daß der gestohlene Gegenstand nachweislich einem Andern gehört, 2. daß dieser Gegenstand noch nicht literarisches, geographisches, geschichtliches, ethnographisches und so weiter Gemeingut geworden ist, 3. daß der Dieb behauptet, der Dichter, der Verfasser, der Urheber zu sein. Nur wo keiner dieser drei Punkte fehlt, kann von einem literarischen Diebstahle die Rede sein.

   Für den vorliegenden Fall, nämlich daß ich es bin, der als literarischer Dieb bezeichnet wird, genügt eigentlich die Wiederholung, daß ich über diese schwere, öffentliche Beleidigung Strafantrag stelle. Für den Strafprozeß sind nicht die Ansichten des Beleidigers, sondern die Gesetze und die Anschauungen der Richter maßgebend. Und da heißt es denn in der Einleitung zum Motivenbericht des Verlags- und Urheberrechtes27: »Es sind aber keineswegs nur Gründe der Zweckmäßigkeit, welche die Verfasserrechte einschränken, sondern viel tiefere.  K e i n  M e n s c h  s c h a f f t  s e i n e  G e d a n k e n w e l t  a l l e i n  a u s  s i c h  s e l b s t  h e r a u s. Er erbaut sie sich auf dem, was Andere vor ihm oder mit ihm erdacht, gesagt, geschrieben haben. Dann erst, im besten Falle, beginnt seine ureigene Schöpfung. Dicke


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Bücher enthalten von Eigenem des Verfassers oft nur wenige Seiten und können doch sehr verdienstliche, nützliche Bücher sein. Die große Masse aller Schriftwerke, vom Kochbuch und Liebesschriftsteller an bis hoch hinauf bietet nichts als Umformungen längst bekannter Dinge zu irgend einem praktischen Zwecke. Die Tätigkeit und das Verdienst des Verfassers bestehen in Beherrschung des Stoffes, in dessen zweckmäßiger Sichtung und Gestaltung; nur verlangt man von ihm, und Jeder sollte von sich verlangen, daß die erlaubte Benutzung nicht zum Plagiat ausarte. Selbst die am meisten schöpferische Tätigkeit, die des Dichters, steht dann am höchsten, erreicht dann ihre größten Erfolge, wenn sie die Weihe der künstlerischen Form dem gibt, was mit dem Dichter zugleich sein Volk denkt und fühlt.  U n d  n i c h t  e i n m a l  d i e  F o r m  i s t  g a n z  d e s  D i c h t e r s  E i g e n t u m, denn die Form liefert die »gebildete Sprache, die für dich dichtet und denkt«, und die Manchem, der sich Dichter dünkt, mehr als die Form, die ihm auch Gedanken oder deren Schein leiht. Kurz, der Schriftsteller und Künstler steht mit seinem Wissen und Können inmitten und auf der Kulturarbeit von Jahrtausenden. Goethe, auf einer einsamen Insel aufgewachsen, wäre nicht Goethe geworden. Ist aber Jemand mit Geistesgaben so begnadet, daß er die Kulturarbeit der Menschheit um einen Schritt hat weiterbringen können, weil er an das  v o n  d e n  V o r f a h r e n  G e l e i s t e t e  an knüpfen durfte, dann ist es nicht mehr als billig, daß sein Werk zur gegebenen Zeit  w i e d e r  A n d e r e n  zum zwanglosen Gebrauche  d i e n e,  n i c h t  n u r  d e r  I n h a l t,  s o n d e r n  a u c h  d i e  F o r m.« - Und in einer Fußnote wird hinzugefügt: »Das Wort Plagiat verdanken wir dem römischen Dichter Martial, der (I, 52) seine von einem Anderen ausgeplünderten Gedichte mit Liedern (gemeint: mit Kindern) vergleicht, die von einem Plagiator (Menschenräuber) in die Sklaverei geführt worden seien.«

   Auch aus diesem Bilde geraubter Kinder folgt, daß es sich beim Plagiate nur um den Diebstahl wirklicher, vollständiger, abgerundeter, literarischer Wertgegenstände handelt, nicht aber um die sehr wohl berechtigte Benützung längst freigegebener Quellen, die jeder Gelehrte und Künstler ganz unbedenklich benützt, weil er sehr wohl weiß, daß der, von dem er schöpft, einst selbst auch schöpfen ging. Paragraph 13 des Urhebergesetzes sagt, daß die freie Benützung eines Werkes zulässig ist, wenn dadurch eine eigentümliche Schöpfung hervorgebracht wird. Nach Paragraph 19 darf ein Jeder Entlehnungen von Anderen machen, wenn sie im Zusammenhange mit dem Aufbau seines eigenen Werkes stehen. Unsere bekannten und hier gewiß maßgebenden Lexica sagen: »Plagiat, literarischer Diebstahl, liegt vor,


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wenn ein Schriftsteller oder Künstler die Leistungen eines anderen  f ü r  d i e  s e i n i g e n  a u s g i b t.« Oder: »Ein Plagiarius ist derjenige, der die einem Anderen entlehnten Gedanken als die seinigen veröffentlicht.« So frage ich nun mit vollem Recht, wann und wo ich das getan habe? Welchen fremden Gedanken habe ich für den meinigen ausgegeben, welches fremde Werk als das meinige bezeichnet? Man sage es mir!

   Ich habe in früheren, längst vergangenen Zeiten, denn das ist schon über 30 Jahre her, in einigen meiner ältesten und kleinsten Reiseerzählungen einige geographische Quellen benützt, die nur geschrieben waren, um benützt zu werden.28 Das haben Tausende getan und tun es auch noch heute, ohne daß die Welt ein Wort darüber verliert. Abertausende von meinen Lesern haben diese Quellen sofort erkannt und sich darüber gefreut, daß ich meinen Erzählungen so gute, sichere Unterlage gebe. Sie haben das nicht nur für ganz selbstverständlich, sondern sogar für verdienstlich gehalten. Darob erhebt sich jetzt im hohenzollernschen Schwaben ein Zetermordio, als ob ich ein Räuber, Gauner, Dieb und Schwindler ohne gleichen sei, und kein Wort ist scharf und übertrieben genug, meine angeblichen literarischen Verbrechen in ein möglichst schlimmes Licht zu stellen.

   Selbst wenn ich die gegen mich aufgeführten Gründe und Beispiele nicht juridisch, sondern rein literarisch betrachte, so möchte mir himmelangst um unsere Literatur werden, nicht nur um die profane, sondern auch um die höhere, sogar heilige. Wo kämen wir hin, wenn die Ansichten des P. Ansgar Pöllmann O. S. B. richtig wären! Fast Jeder, der die Feder in die Hand nähme, würde ein literarischer Spitzbube sein! Jeder halbwegs gebildete Mann müßte sich den Vorwurf machen, die alten Griechen und Römer bestohlen zu haben. Man denke nur an Tacitus, den »Vater der Geschichte«, dessen Werke von Millionen ausgeraubt worden sind, und zwar vom ersten bis zum letzten Worte! Kaum erscheint irgend ein epochemachendes Werk, so werden ganze Weltanschauungen korrigiert, ohne daß es einem einzigen Menschen einfällt, daß dies nur auf dem Wege des Pater Pöllmann'schen Plagiates geschehen kann.  H a t  d i e s e r  H e r r  n o c h  k e i n e  R e d e,  n o c h  k e i n e  P r e d i g t  g e h a l t e n,  i n  d e r  e r  e n t l e h n t e  G e d a n k e n  A n d e r e r  v e r w e n d e t e,  a u s  P r e d i g t b ü c h e r n  usw.? Hat er diese Gedanken für gestohlen gehalten? Hat er seinen Hörern aufrichtig gestanden, daß das soeben Gesagte aus einem anderen Kopfe stammte? Sollen wir an seiner Diebstahlstheorie so tief in das Niedrige steigen, daß wir schließlich behaupten müssen, der Verfasser des ersten Buch Mosis habe die babylonische Sündflutsage bestohlen?


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Die Autoren aller alttestamentlichen Bücher, vom Buche Josua an bis zu den Paralipomena seien Plagiatoren gewesen, die einander literarisch ausgenutzt und das Abgeschriebene für eigene Arbeit ausgegeben haben? Oder gar daß drei Evangelisten den vierten gründlich ausgeraubt und dann seine Federn als ihre eigenen zur Schau getragen haben? Man sieht mit Grauen, wohin die Wege P. Pöllmanns fahren müßten, falls man sich verleiten ließe, sie zu beschreiten. Nichts, sogar die Bibel, würde mehr heilig sein! Und wo bliebe die Wissenschaft, die Kunst! Wo ein Shakespeare, ein Goethe und tausend Andere, die ihre Sujets, oft ihre besten, von Anderen »stahlen«! Molière, das Genie, scheute sich nicht, Bergerac's »Le pédant joué« für seine »Fourberies de Scapin« auszunützen; er hat von seiner Ehre nicht das Geringste verloren. Maeterlinck entnahm einem Paul Heyse'schen Drama mehrere Szenen, obgleich der Dichter es ihm verbot; seine Ehre ist von diesem Diebstahl unberührt geblieben.29 Die berühmt gewordene Melodie »Wir winden dir den Junglernkranz« stammt von einem fast unbekannten thüringischen Komponisten. K. M. von Weber bemächtigte sich ihrer für seinen »Freischütz«; kein Mensch nennt ihn einen Dieb! Und was tat ich? Nichts von so etwas und nichts von alledem! Wie kommt P. Pöllmann dazu, mich mit so unverdienter, maßloser Verachtung an den Pranger zu stellen ? Denn übertrieben, maßlos und unendlich gehässig wie alles Andere ist auch diese Geste, mit der er auf mich, als auf den ehrlosen Sünder zeigt, der kein Erbarmen verdient. Es war ihm vollständig unmöglich, seine unbegründete Beschuldigung in einfachen, sachgemäßen Worten auszudrücken; er mußte und mußte über alles Maß hinaus übertreiben und seinen heiligen Abscheu in die Posaunentöne kleiden: »Karl May ist in der Tat ein Abenteurer und Freibeuter auf schriftstellerischem Gebiete,  f ü r  e w i g e  Z e i t e n  d a s  M u s t e r b e i s p i e l  e i n e s  l i t e r a r i s c h e n  D i e b e s.« Man denke: Ein Musterbeispiel! Für ewige Zeiten! Es gibt keine Besserungs- oder Gnadenmöglichkeit! Auf ewig verdammt, auf ewig ausgestoßen! Und was ist der Mann, der dies sagt? Ein Ordenspater, ein christlicher Priester, ein geweihter Repräsentant der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit! Das zwingt ja förmlich zu der Frage, die ich am liebsten unberührt gelassen hätte:

   Warum unterschreibt P. Pöllmann nicht einfach nur mit seinem Namen A. Pöllmann? Warum muß der Pater und das O. S. B. beigefügt werden? Ein A. Pöllmann darf sich Manches erlauben, ein P. und O. S. B. aber nicht! Es gibt Dutzende von Pfarrherren, welche sehr gute und vielgelesene Schriftsteller sind, doch nur mit ihrem Namen unterzeichnen. Durch die immerwährend und überall beigefügten vier Buchsta-


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ben wird der geistliche Stand derart betont und hervorgehoben, daß man schließlich zu dem Verdacht geführt wird, daß diese Erwähnung des Standes die Leistung unterstützen soll. Und wenn diese Leistung dann keine dem Stande angemessene ist, so wird die Enttäuschung, die unausbleiblich ist, vergrößert und vertieft. Es ist dem betreffenden Herrn jetzt mehrfach öffentlich nachgewiesen worden, daß er sich selbst als anerkannten Kritiker belobt. Nun weiß Jedermann, daß es die Aufgabe jeder wirklichen, anständigen Kritik ist, zu veredeln, zu erheben. Ist der Kritiker kein Laie, sondern gar Ordensmann und Priester, so tritt ein noch ganz Anderes, fast Göttliches hinzu, und jedes lieblose Wort und jede Härte und Schärfe hat ausgeschlossen zu sein. Auch ein Pöllmann hat, sobald er sich mit P. und O. S. B. unterzeichnet, in den Stapfen zu bleiben, die Christus, sein Herr und Meister, allen denen, die sich Priester nennen, hinterließ. Denke ich ihn mir aber an Christi Stelle einem Sünder gegenüber, so komme ich infolge der Töne, die er gegen mich anschlägt, zu einem nicht sehr tröstlichen Resultate. Ich kann mir nicht denken, daß er zu dem Übeltäter am Kreuz sagen würde: »Heut wirst Du mit mir im Paradiese sein!« Würde er ihn nicht vielleicht ganz im Gegenteile fragen: »Wieso? Paradies? Du bist für ewige Zeiten das Musterbeispiel eines Schächers und Sünders. Fahre in die Hölle!«

   Zu solcher Betrachtung führen die vier allgegenwärtigen Buchstaben. Wären sie nicht da, hätte man nur den Menschen vor sich, nicht auch den Priester, der neben seinen öffentlichen Angriffen auch warnende Privatbriefe gegen mich schreibt, so würde sich ein ganz anderes Kampfesbild ergeben. Damit will ich aber ja nicht sagen, daß ich diese vier Buchstaben, mit denen er sich umpanzert, zu fürchten habe. Im Gegenteile, sie waren mir stets sympathisch und sind das auch noch heute. Meine Werke wurden von den Herren Benediktinern sehr freundlich anerkannt und überall warm empfohlen. Diese Anerkennung ging sogar so weit, daß man sie druckte und verbreitete, ohne mich zu fragen.30 P. Pöllmann steht hier also in direktem Widerspruche zu dem literarischen Urteile seines Ordens. Um einen eklatanten Beweis dieses Widerspruches zu geben, ziehe ich eine sehr sprechende Episode herbei, obgleich ich mich dadurch in die Gefahr bringe, den Vorwurf hören zu müssen, daß ich mich brüsten will. Jedermann kennt die Benediktinerabtei Fiecht in Tirol und den weitgehenden Einfluß, den der berühmte Abt derselben besitzt. Ich befand mich am Aachensee bei einem Freunde.31 Dieser meldete dem Abt meine Anwesenheit. Der Abt kam nach dem See. Er umarmte mich und grüßte mich mit den Worten: »Sie sind der größte Wohltäter der


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deutschen Jugend!« Er führte mich im Laufe des Tages rund um den Aachensee, und ich habe von ihm die Erinnerung an einen der höchsten und bedeutendsten Edelmenschen, die ich kennen lernte, mit heimgenommen. Ich nehme ganz selbstverständlich an, daß ihm die angezogene Äußerung von sehr viel Güte und sehr wohlwollender Höflichkeit diktiert worden ist; aber so maßlos, wie der »hochwürdige Verfasser« des Herrn Lebius übertreibt ein Abt von Fiecht denn doch wohl nicht, und so bleibt gewiß immerhin noch genug übrig, um den Nachweis zu liefern, daß es bei den Benediktinern auch Herren gibt, welche gerade das Gegenteil von dem denken, was jetzt in ›Über den Wassern‹ über mich zu lesen ist. Diese Bemerkung mache ich für diejenigen guten Seelen, welche vielleicht der Meinung sind, daß Ansgar Pöllmann wirklich so unfallibel ist, wie er sich den Anschein gibt.

   Später erschien in dem katholischen Studentenblatte ›Stern der Jugend‹, welches bei Ludwig Auer in Donauwörth erscheint und von dem Pfarrer und Religionslehrer Praxmarer in Friedberg, Hessen, redigiert wird, ein gegen mich gerichteter Artikel, in welchem der Wahrheit zuwider behauptet wurde, daß ich in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei. Ich stellte Strafantrag gegen Auer, Praxmarer und den Verfasser, den ich mir erst mühsam suchen mußte, bis ich ihn in dem Benediktinerstift Seckau in Steiermark fand.32 Ich betone da ganz besonders, daß dieses Stift Seckau den Benediktinern von Beuron, wo Pöllmann wohnt, übergeben ist. Der Verfasser der Unwahrheit, daß ich in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei, war auch Benediktinerpater. Er bezeichnete sich in den Blättern als Professor, gestand mir aber ein, daß er kein Recht habe, diesen Titel zu fahren. Darum ziehe ich es hier vor, seinen Namen nicht zu nennen.33 Ich ließ ihn aus Seckau nach Leoben zitieren, vor das Gericht. Da gab er gute Worte. Er suchte mich im Hotel34 auf und bat, ihm zu verzeihen. Ich tat es. Er stellte mir eine Ehrenerklärung aus, mit dem Rechte, sie zu veröffentlichen. Von da reiste ich nach Donauwörth zu Auer und dann nach Friedberg zu Pfarrer Praxmarer. Auch diese beiden Herren baten mich schriftlich um Verzeihung und stellten mir Ehrenerklärungen aus, die ich veröffentlichen konnte, so bald es mir beliebte. Ich habe es aber freiwillig unterlassen - - bisher!35 Besonders der Seckauer Benediktinerpater tat mir leid. Er war bescheiden und auch im übrigen ganz das Gegenteil von dem Beuroner Benediktinerpater, der jetzt den Strick dreht, »um mich aus dem Tempel der deutschen Kunst hinauszupeitschen.«

   Mein nächster Artikel wird spezieller sein als die bisherigen. - -


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Radebeul-Dresden, den 24. Mai 1910.

Bisher ließ ich mir von meiner Frau, die meine Sekretärin ist und Alles, was eingeht, zu lesen hat, über die Pöllmannschen Aufsätze berichten. Gestern aber, am 23. Mai, nahm ich sie vor, um sie einmal selbst zu lesen. Als ich sie wieder aus der Hand legte, war ich erstaunt, war ich entrüstet, war ich tief traurig, wirklich, wirklich traurig! Ich hatte mir wohl gedacht, daß diese Auslassungen, in einem Zuge hintereinander gelesen und geprüft, keinesfalls den Eindruck machen würden, welchen der Verfasser mit ihnen beabsichtigt; aber daß dieser Eindruck ein so ganz und gar anderer sein werde, das zu vermuten, war mir nicht beigekommen. Ich kann mich über Etwas, was gut, wohl durchdacht und in edler, ruhiger Klarheit geschrieben ist, recht herzlich freuen, selbst wenn es aus der Hand eines Gegners kommt; doch hier war mir diese Freude versagt, vollständig versagt. Ich sage, ich war erstaunt. Wie kann ein kleines, an fremden Gängelbändern hüpfendes Geisterlein, welches nur durch unausgesetzte Übertreibungen erreichen kann, daß es größer erscheint, als es in Wirklichkeit ist, sich an ein Problem wagen, zu dessen Lösung ihm nicht weniger und nicht mehr als alles fehlt? Wie kann ein solches Geisterlein sich unterfangen, dieses unendlich schwere, tief tragische Menschheitsproblem in der Weise zu behandeln, wie unvernünftige Knaben einem Käfer die Flügel und die Beine ausrupfen und den zuckenden Körper dann von sich werfen? Gibt es für einen Priester kein humaneres Verfahren als solche Tierquälereien? Auch war ich entrüstet! Seit wann ist man gezwungen, einen Rezensenten, der nicht die Hälfte meiner Werke kennt und das, was er gelesen hat, nicht begreift, der meine Person mit den Figuren meiner Bücher immerfort verwechselt, vermischt und vermengt, wie er es gerade braucht, der sich nicht scheut, die Unwahrheiten über mich, mein Haus und meine Familie herbeizuziehen, nur um die von ihm beabsichtigten Effekte zu erreichen, ich frage, seit wann ist man gezwungen, einen solchen Rezensenten als Kritiker höheren Ranges und Styles gelten zu lassen ? Und ich war tief traurig! Wie ist es um unsere arme, arme Kunst und Literatur bestellt, wenn da Publizisten maßgebend werden sollen, welche so wenig Verständnis für Künstlerpsychologie oder künstlerisches Schaffen besitzen und nicht nur mit den inneren, sondern auch mit den rein äußerlichen Wahrheiten derart umspringen, wie ich es im Laufe des vorliegenden Artikels nachweisen werde? Ohne strengste Wahrheit und unausgesetzte Selbstzucht keine wahre, edle Kunst und keine volksbeglückende Literatur!


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Ich will da gleich mit den Unwahrheiten beginnen: Ich soll Pfeilerheiliger in der Dresdener katholischen Hofkirche sein. Ich besuche diese Kirche nie, aus guten Gründen.36 - - Ich soll 1876 geheiratet haben; es geschah aber 1880.37 - - Ich soll meine schriftstellerische Laufbahn 1879 begonnen haben; ich schreibe aber schon seit 1863.38 - - Fast keine Nummer der letzten Jahrgänge der ›Augsburger Postzeitung‹ soll frei vom Kampfe für Old Shatterhand sein; er gibt aber selbst zu, daß er vom 27. Jänner 1907 bis zum letzten Dezember 1909 nur 27 Aufsätze und Notizen über mich gefunden habe. Also in 1068, sage und schreibe 1068 Nummern nur 27! Die übrigen hinzugemachten 1041 Nummern nennt er »fast keine Nummer!« - - Auf Seite 68 heißt es: »Nicht Mays Leben, seine Werke sind Gegenstand unseres Disputes«; man lese hierzu Seite 306!39 - - Ich soll meine jetzige Frau unter »sehr unschönen Umständen« geheiratet haben. - - Ich soll ein ganz überzeugter, tätiger Spiritist sein. - - Die Redakteure Müller und Keiter40 sollen mich »vortrefflich gelenkt« haben. Grad das Gegenteil war der Fall. Keiter mußte zu mir nach Radebeul, um mich um Verzeihung zu bitten,41 sonst hätte ich nicht weitergeschrieben! - - Ich soll »mit ganz respektablem Krach aus der Regensburger Redaktionsstabe hinausgeflogen« sein und »unverschämte Honorarforderungen« gestellt haben. Die Wahrheit ist, daß ich einer Beleidigung wegen nach Regensburg telegraphierte, kein Wort mehr für den ›Hausschatz‹ schreiben zu wollen. Da kamen Kommerzienrat Pustet, Pustet jun. und Keiter, einer nach dem Andern, zu mir nach Radebeul und baten mich, diesen Entschluß zurückzunehmen. Als ich dies tat, freute sich der alte Herr Pustet so sehr darüber, daß er mir das bisherige Honorar  f r e i w i l l i g  verdoppelte. - - Ich soll »mit plumper Geschicklichkeit meine Prozesse verwechselt« haben! - - Ich soll »g e z w u n g e n« worden sein, mein Doktordiplom dem Ministerium des Kultus einzureichen. Das ist nicht wahr. Ich hatte gar nichts damit zu tun. Meine Frau ist ganz aus eigenem Antriebe zum Minister gegangen, um ihm das Diplom zu zeigen und um Auskunft zu bitten. Er war nicht da. Sie wurde vom Regierungsrat Freiherrn von Welck empfangen, der meine Bücher kannte und ihr darum gern versprach, ihren Wunsch dem Minister vorzutragen. Von ihm erhielt sie neben dem offiziellen Schreiben einen sehr wohlwollenden persönlichen Bescheid. - - Es soll Literaturdenkmale in Indianerdialekten nicht geben. Ich habe hunderte solcher Denkmale gesehen und besitze dicke Verzeichnisse über sie. - - 1896 habe ich geschrieben, daß ich gern rauche; 1904 habe ich gesagt, daß ich nicht rauche. Das wird mir als Widerspruch, als


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Unwahrheit vorgeworfen. Sind acht Jahre nicht Zeit genug, den Entschluß zu fassen, nicht mehr zu rauchen? - - Daß ich an einer Oper schreibe, ist nicht wahr.42 - - Seite 174 wird behauptet, daß ich Ernst Weber43 »frisch und frech« zu einem Jenaer Studenten gestempelt habe. Nun aber hat Weber selbst sich für Jahrgang 1903 des Kürschner folgendermaßen eintragen lassen: »Ernst Weber, Lehrer, München, zur Zeit Student der Philosophie in Jena.« Habe ich da etwa gelogen ? Weber hat sich wohl damals in Jena seinen Doktor errungen, worüber ich mich herzlich freute. Man sieht auch hier wieder, in welcher Weise Pater Pöllmann mit der Wahrheit und mit der Ehre seiner Mitmenschen umspringt! - - Ich soll 1899 zum ersten Male im Ausland44 gewesen sein! - - Seite 237 behauptet Pöllmann, bewiesen zu haben, daß ich all mein geographisches und ethnographisches Material gestohlen habe. Was aber hat er erwiesen? Nichts, gar nichts! Er hat von einigen meiner ältesten und kleinsten Reiseerzählungen gesprochen, die zusammen noch keinen halben Band ergaben. Selbst wenn es sich da wirklich um verbotene Entlehnungen handelte, was aber keineswegs der Fall ist, würde es, nur die Fehsenfeldschen Bücher gerechnet, über 32 Bände geben, die ich  n i c h t  gestohlen« habe. Und solche Unwahrheiten und geradezu gewissenlose Übertreibungen wagt man, in ›Über den Wassern‹ drucken und verbreiten zu lassen! - -Ich werde an verschiedenen Stellen als vollständig »p h a n t a s i e l o s« bezeichnet, aber wo es gilt, mich zu schädigen, besitze ich plötzlich Phantasie. So wird mir auf Seite 27345 eine »rohe  E i n b i l d u n g s k r a f t« zugesprochen, und auf Seite 272 wird von den Schmutzerzeugnissen der May'schen »P h a n t a s i e« gesprochent46 --Es wird Seite 244 behauptet, daß ›Am stillen Ozean‹ pag. 479 und ›Auf fremden Pfaden‹ pag. 56 zwei volle Seiten  w o r t w ö r t l i c h  wiederholt werden. Das ist nicht wahr. Die wörtliche Wiederholung ergibt nur eine einzige Seite47; es werden also gleich hundert Prozent mehr hinzugemacht, und dann folgt die wieder ganz maßlose Übertreibung, daß sich das bei mir »alle Spannen lang« wiederhole. Was nennt der Pater eine »Spanne«? Wenn eine und dieselbe Person in zwei verschiedenen Werken vorkommt, so habe ich sie zweimal zu beschreiben, und das tue ich selbstverständlich beide Male in genau derselben Weise, sonst widerspreche ich mir. Ich finde es empörend, mir da erst »Plagiate« vorzuwerfen und dann hinzuzufügen, daß ich mich sogar selbst abschreibe. Noch dazu »alle Spannen lang!« - - Auf Seite 274 wird gesagt »aber er hat nur lamentiert.«45 Auch das ist rein erfunden! - - Auf Seite 308 wird behauptet, meine Frau habe gesagt, daß Attala nicht auf Selbstgesehenes zurückzuführen sei. Das ist unwahr. Meine


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Frau weiß gar wohl, daß Chatobriand unter den Indianern war; aber Lebius wußte das nicht. Er war es, der sich blamierte.49 - - Auf Seite 310 wird gesagt, daß mein Verleger ein Flugblatt50 über mich versendet, und hinzugefügt »selbstverständlich nicht ohne Mays Kenntnis.« Ich finde hierfür keine Worte! Ich erkläre, daß Fehsenfeld mir kein Wort hierüber mitgeteilt hat. Ich hätte ihm nicht erlaubt, auch nur eine einzige Zeile zu versenden! - - Ganz empörend wie diese Unterstellung ist auch die Behauptung auf Seite 315, daß man derartige »Reklamesitzungen« eine ganze Anzahl kenne und daß ich die Annonce stets selbst besorgt habe.51 Ich fordere Pater Pöllmann auf, mir auch nur einen einzigen dieser Fälle nachzuweisen! - - Nicht wahr ist es, daß das »Bischarilager«  b e k a n n t l i c h  hübsch auf dem Wege von Kairo nach Colombo liegt.52 - - Nicht wahr ist ferner, daß ich alle meine Reisen »in der treuen Hut meiner einstigen Ehehälfte« gemacht habe. Wie kommt es wohl, daß diese Frau, nachdem sie sich über Pater Pöllmann öffentlich geäußert hat, jetzt plötzlich ohne alle frühere Sympathie nur als meine »Ehehälfte« bezeichnet wird? Übrigens ein sonderbarer Ausdruck! Von einem Ordensmann! Dem Sänger der Gottesminne! In einer anständigen katholischen Revue! - - Seite 318 ist zu lesen: »Und wie steht er da? Während alle die zahlreichen aus- und einsteigenden Herren in der gewöhnlichen Tagestracht des Europäers mit Hut oder Fez sich geben, steht »Er« da im Tropenhelm und schneeweißem Reisekostüm, protzig über die Maßen, Karl May vom Scheitel bis zur Sohle!«53 O woh! Der Pater ahnt gar nicht, wie sehr er sich da bei allen Kennern blamiert! Erstens kam ich damals aus dem Süden und trug diesen leichten Anzug der Hitze wegen; die Andern aber kamen alle aus dem Norden. Und zweitens kostet ein solcher Anzug, Rock, Hose, Weste, zusammen genau elf Franken. Jedermann sieht das an jedem Ladenfenster. Wer also »protzt über die Maßen«? Man rede doch nicht von Dingen, die man nicht versteht, zumal so öffentlich und in so gehässiger Weise! - - Zuletzt noch meine »Selbstherrlichkeit« und unbezähmbare Sehnsucht nach Ruhm vor den Menschen! Wenn der Pater doch wüßte, wie verhaßt, ja wie geradezu ekelhaft mir dieser sogenannte Ruhm ist! Wäre er Psycholog, so müßte er schon seit zehn und noch mehr Jahren gefunden haben, daß ich mir gar nichts gelte, sondern daß Alles, was ich bin und was ich habe, nicht mir, sondern meinen Nebenmenschen gehört. Er lese den Band:


Das Problem Karl May

von

Karl May,


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der nächstens erscheinen wird54; vielleicht lernt er da anders denken. - Ich bin mit meinem heutigen Artikel nicht auf der Höhe geblieben. Ich wurde gezwungen, herabzusteigen. Man verzeihe mir, daß ich es tat! Aber die trüben Schwaden, die einem aus diesen »Wassern« entgegensteigen, ziehen selbst den Besten und Stärksten mit sich hinab. Man höre nur die kurze Auslese Pöllmannscher Ausdrücke, deren Zahl ich leicht verdoppeln, ja verdreifachen könnte:

   »Größenwahn - Maßlose Verhimmelung - Kriecherei - Weihräucherei - Übervoller Mund - May-Claqueure - Renommisterei - Hinter dem Rücken der Vernunft wühlendes Publikum - Niedertracht - Große Beschämung - Bosheit - Pöbelhafter Ton - Überstürzende Hast - Unruhe seines Gewissens - Lobhudler - Glühender Haß - Grüne Wische - Bis dato ungekannten Geifer ausspeien - Spannungsmache - Unverschämte Herausforderungen - Eingefleischter Mayling - Schreiender Zeugenbeweis - Pöbelhafte und ungebildete Anrempelungen - Hat sich nicht geschämt - Ungezogen - In welche Abgründe schauen wir da hinein - Ekelhaft - Selbst vernichtet und gerichtet - Berüchtigte Annoncen und Flugblätter - Hinaufhimmeln - Rohe Burleske - Öde Renommisterei - Künstlerisches Unvermögen - Ungezogener, regelloser Empfindungsrenommist - Läppisch - Schmutzerzeugnisse der May'schen Phantasie - Der große Katholik May - Er Selbst - Personifizierte Vorsehung Gottes - Renommage - Triefende Salbung - Widerliches Zerrbild - Armselige Proselytenmacherei - Salbungstriefender Apostel - Heiligsprechung Mays durch Krapp - Sonntagsreiter - Unflätige grüne Wische55 - Ungezählte Prozesse - Kohl gepflanzt - Hochtönende Phrasen - Haßsprühend - Salbungstriefende Ergüsse - Absud von Liebesdusel - Spottet aller Beschreibung u.s.w., u.s.w.«

   Es ist wirklich schwer, zwischen allen diesen stylistischen Schweiß- und Tintenflecken hindurchzukommen, ohne selbst mit fett und schwarz zu werden. Als kürzlich dem Erzabt von Beuron56 das kaiserliche Bronzekreuz überreicht wurde, sprach der Fürst zu Fürstenberg57 im Namen des Kaisers eine Reihe herrlicher Worte, aus denen die folgenden besonders hervorzuheben sind:

   »Seine Majestät hat grad Ihren heiligen Orden gewählt, dieses Zeichen seiner Huld zu empfangen, da er, wie ich wohl sagen darf, das volle Vertrauen auf den Orden setzt und aus Erfahrung weiß, daß er in Treue und patriotischer Gesinaung seinem schönen, heiligen Berufe folgend, Frieden stiftend, veredelnd wirkt auf alle, die ihm näher treten - - Indem ich Euer Gnaden nun dieses Handschreiben überreiche, bitte ich, das Kreuz in Empfang zu nehmen mit dem Wunsche, den ich


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hier aussprechen möchte, daß es weiteren Segen bringe Ihnen und allen, die Ihrer Obhut anvertraut sind, und auf welche Sie in Ihrer ernsten, ruhigen, friediertigen, schönen Weise einzuwirken das Glück haben.«

   Als diese Worte erklangen, wurden sie auch von Pater Pöllmann gehört. Er stand dabei. Woran dachte er? Dachte er an die herrliche Aufgabe seines Ordens, an der auch er zu arbeiten hat, nämlich Frieden zu stiften und veredelnd zu wirken auf alle, mit denen er sich in Berührung setzt? Dachte er daran, dem hohen Beispiele seines Erzabtes nachzueifern, den wegen seiner friedfertigen, schönen und ruhigen Weise selbst Kaiser und Fürsten ehren ? Oder dachte er daran, die Zahl der von mir aufgeführten 26 Unwahrheiten durch neue zu vermehren? Dachte er an die nicht enden wollenden Verzerrungen und Übertreibungen, die ihm nicht erlauben einfach und bescheiden, klar und wahr zu sein? An die »Unflätigkeit«, die »triefende Salbung«, an die »pöbelhaften Anrempelungen«, an die »Unverschämtheit« und noch Anderes? Der Ruhm seines Ordens und das Lob seines ruhigen, gütigen, abgeklärten Erzabtes ist soeben durch alle Zeitungen erklungen. Was aber sendet er, der kleine Pater, in die Blätter hinaus? Wie sieht das Bild wohl aus, welches seine Aufsätze in hunderttausend Lesern hervorgerufen haben ? Etwa auch ruhig, gütig und abgeklärt?

   Wir leben in der großen Zeit, da die Gewalt vom Throne steigt, um der Güte Platz zu machen. Ich habe gar nicht nötig, ruhig zuzusehen, daß irgend Jemand zwölf feindselige Aufsätze gegen mich schreibt. Es stehen mir gesetzliche Mittel zur Verfügung, mir Ruhe zu verschaffen. Ich habe sie nicht angewendet, und zwar aus reiner Güte. Und weil ich sehr genau weiß, daß mein Gewissen rein ist. Ich ließ den Pater schreiben, um ihm Gelegenheit zu geben, über sich selbst nachzudenken und das zu werden, was er noch nicht ist, nämlich in sich klar und nach außen hin voll wohltuender, stets maßhaltender Sachlichkeit. Sollte diese meine Güte umsonst gewesen sein? Es kommt wohl niemals eine Gelegenheit wieder, die so geeignet ist wie diese hier, einen jungen, allzu raschen Rezensenten zur Selbsteinkehr, zur Prüfung und Vertiefung zu führen.


5


»Nicht Einzelwesen, sondern Drama ist der Mensch«, so lautet das Hauptaxiom der neueren Psychologie58, welche das innere und das äußere Werden des Menschen mit der Bildung eines Stromes vergleicht, der, einst ein kleines namenloses Wässerlein, berufen ist, in


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seinen Mannesjahren ein segenspendender Landbewässerer, Städtebildner und Kulturträger zu sein. Er nahm von Jugend an zu beiden Seiten eine Menge Zuflüsse auf, die seinen Lauf gestalteten und ihm belebten und belebenden Inhalt gaben. Er ist schon nach kurzer Zeit nicht mehr derselbe. Bei jeder Biegung oder Krümmung erscheint er als ein Anderer. Schon bald darauf besitzt er keinen einzigen Tropfen jenes unbedeutenden Bächleins mehr, nach dessen Namen man ihn benannte. Alles, alles, was er war und was er ist, das war und ist er nicht durch sich selbst, sondern es wurde ihm zugetragen.

   Und nun kommt das Bild, an welches ich denken muß, indem ich dieses schreibe. Um kurz und deutlich sein zu können, will ich diesem Flusse einen großen und bekannten Namen geben; ich spreche vom Rhein. Auf seinen Unterlauf mündet neben bedeutenden, herrlichen Seitentälern auch eine kleine, geologisch vollständig nebensächliche Bodensenkung, auf deren Sohle ein armes, schmales, seichtes Wässerlein fließt. An diesem Rinnsale ist ein Mann in einer Aufregung, als ob es sich um Tod oder Leben handle, beschäftigt, Schutt, Erde, Stein und Geröll herbeizuschleppen, um die paar Tropfen, welche da sickern, vom Rheine abzudämmen. Andre sind dabei, ihm zu helfen. Noch andre stehen von fern und lachen ihn aus. Jeder Schritt, den er tut, zeigt den Kothurn; jeder Handgriff ist pathetisch, und jedes Wort, welches er dabei spricht, klingt ungezähmt und heftig. »Ich dämme ihn ab, den Rhein, ich, ich!« ruft er aus. »Er darf nicht weiter! Er war in seiner Jugend, da oben, wo er entsprang, ein Bösewicht. Er schwoll im Frühjahr an und trat frech über die ihm vorgezeichneten Ufer. Man darf ihm das nicht verzeihen, weil er immer noch existiert! Hätte er nur Böses getan, so dürfte man ihn entschuldigen. Aber er tat Gutes und Böses zu gleicher Zeit, und das, das wird niemals vergeben. Er fließt, ohne zu erröten, an Kirchen und Spelunken vorüber. Er stiehlt die Landschaften, die er bildet, von der Donau, von der Elbe, von der Weser. Er wiederholt sich sogar selbst und ist also sein eigener Plagiator. Er mutet uns zu, ihn nicht nur als Wasser, sondern auch von einem höheren Gesichtspunkte aus zu betrachten. Er will sogar bildlich, symbolisch genommen sein! Er ist an jedem Tag, an jedem Bogen, den er macht, ein anderer; er täuscht; er betrügt; er lügt! Er verführt die Jugend, die an seinen Ufern spielt, und die Alten, die an ihn glauben! Ich sage Euch, er ist für ewige Zeiten das Musterbeispiel eines verderbenbringenden Wassers. Kommt, helft mir, ihn abzudämmen! Ich drehe ihm hier den Strick. Dieser Rhein muß aus Deutschland hinaus!«

   So schleppt er in rastlos aufgeregtem Eifer Schmutz um Schmutz,


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Stein um Stein zusammen und dämmt sein eigenes Wässerlein ab, indem er glaubt, den Strom, der ruhig an seinem Seitentälchen vorüberfließt, zum Versiechen zu bringen. O, diese kurzsichtigen Menschen, die sich einbilden, Gedankenströmungen, die hoch über ihnen dabinfließen, mit der Kurbatsch vernichten zu können! Und würde ich heut vernichtet, so träten nach meinem Tode zehn und zwanzig andere für mich auf. Mein Leben ist ein mehr als bescheidenes. Sein Lauf ist keinesfalls mit dem des Rheins zu vergleichen. Ich wählte das Bild des letzteren nur, um leichter verstanden zu werden. Aber die Gedanken, welche zwischen den Ufern dieses meines wenn auch noch so freudenarmen Daseins fließen, gehören weder mir noch irgend einem Rezensenten. Beide, sowohl ihre Richtung als auch ihr Ziel, liegen außer mir, und sie werden das letztere erreichen, ganz gleich, ob ich weiterschreibe oder ob ich darauf verzichte, in der Weise kritisiert zu werden, wie es soeben geschieht. Denn es ist wahrlich und wahrlich kein Vergnügen, zusehen zu müssen, wie es diejenige Art der »Kritik« treibt, von der ich hier zu sprechen habe. Sie hält sich für gottberufen und für intelligent genug, mich, den kerngesunden, arbeitsfrohen und zukunftsgläubigen Mann hinauszupeitschen und -- was bietet sie der deutschen Literaturgeschichte dafür? Ein armseliges Zerrbild, eine literarische und moralische Vogelscheuche, eine geistige und seelische Mißgestalt, die aus weiter nichts besteht, als nur aus lauter Fehlern und Gebrechen! Und solchen Handel und solche Unterschiebungen soll sich die deutsche Literatur gefallen lassen? Mit nichten! Wer sich vermißt, einen wahrhaft Schaffenden hinauszupeitschen, um eine elende Karikatur an seine Stelle zu setzen, der begibt sich in die Gefahr, daß die Peitsche ihm entwunden und gegen ihn selbst gerichtet wird. Hinaus mit allem, was nicht wahr, was nicht klar, was nicht rein und edel ist! Die Kunst stellt keine Henker an, und die Literatur duldet keine Kaviller! Solch niedriges Treiben ist nur für den Mob da unten. Die aber, die höher liegende Ziele verfolgen, brauchen weder Büttel noch Häscher, sondern sie sind Mannes genug, sich selbst in Zucht zu halten. Und wenn sich trotzdem Einer unterfängt, als Vogt oder Sbirre aufzutreten, so bedarf es zu seiner Abwehr nur einiger Fragen, wie zum Beispiel der folgenden:

   Wie kommt es, daß Pater Pöllmann die ganze erste Zeit meines literarischen Schaffens verschweigt, indem er die unwahre Behauptung aufstellt, ich hätte erst im Jahre 1879 begonnen, zu schreiben? Meine ersten Veröffentlichungen erschienen schon im Jahre 1863. Ich schrieb von da an eine ganze Menge von Humoresken, erzgebirgische Dorfgeschichten und andere Charaktersachen, welche durch hunderte


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von Zeitungen gingen.59 Weiß er das etwa nicht? So ist er nicht der Mann, über mich zu schreiben, denn er kennt mich nicht. Oder hat er es gewußt und diese sechzehn Jahre einfach überschlagen? So wäre das keine Über-, sondern eine Unterschlagung, die sich kein ehrenhafter Kritiker zu schulden kommen läßt! Ich weiß gar wohl, daß gerade diese Tätigkeit vor 1879 meinen Gegnern höchst unbequem liegt. Es ist ja einer ihrer raffinierten Tricks, zu behaupten, daß ich nur um des Geldes willen fromm zu schreiben begonnen habe, sobald ich einsah, daß mit der Frömmigkeit mehr Geld zu verdienen sei als in der bisherigen Weise. Und nun werden sie von den heiteren, gottvertrauenden Humoresken und von den tiefernsten ›Erzgebirgischen Dorfgeschichten‹ Lügen gestraft, in denen aus jeder Zeile ein tiefgegründeter, unwandelbarer Glauben und eine Ethik spricht, an welcher selbst das stärkste Schicksal nicht zu rütteln vermag! Darum verschweigt man sie. Auch Pater Pöllmann schweigt. Er schweigt sogar über meine ›Geographischen Predigten‹, deren Urausgabe im Jahre 1875 erschien60 und von jedem Kritiker unbedingt gekannt sein muß, weil sie den einzigen Schlüssel zum Verständnis aller meiner späteren Werke bildet. Ebenso verschweigt er oder weiß er nicht, daß meine erste Arbeit über ›Winnetou‹61 schon in jener frühen Zeit erschien. Er ist wohl nicht einmal imstande, mir das erste meiner Werke zu nennen! Hält er das sogenannte Karl-May-Problem denn wirklich nur für eine so kleine, seichte, trübe Pfütze, daß er sie mit einem einzigen Fußstoß austreten kann? Wie wegwerfend, wie obenüberhin er verfährt! Ein allmächtiger, literarischer Maharadscha, der mich, seinen Sklaven, mit einem einzigen, noch nicht einmal sekundenlangen Blick vernichtet! Wie leicht er es sich macht, mich aus der deutschen Kunst hinauszupeitschen, das ist geradezu erstaunlich. Man höre!

   Der Titel seiner Aufsätze lautet: »E i n  A b e n t e u r e r  u n d  s e i n  W e r k«. Mit dem Abenteurer meint er mich, obgleich es Leute gibt, die seine Angriffe gegen mich für zehnmal abenteuerlicher halten als alles, was mir von ihm vorgeworfen wird. Was aber meint er mit dem Ausdrucke »sein Werk«? Etwa die Gesamtheit meiner Bücher? Nein, denn über die springt er sehr vorsichtig hinweg. Oder mein Lebenswerk? Auch nicht, denn hiervon weiß er noch weniger als nichts. Doch genug! Wir sehen schon hieraus, klar ist sich der Verfasser nicht, und darum versteht er es auch nicht, sich andern klar zu machen. In seinem Untertitel verspricht er »U n t e r s u c h u n g e n  u n d  F e s t s t e l l u n g e n«, aber noch niemals wurde ein Versprechen so wenig gehalten wie dieses hier. Ich habe in den sieben Aufsätzen, die bis jetzt erschienen sind, nicht eine einzige wirkliche Untersuchung oder Feststellung, sondern


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nur Behauptungen gefunden. Er scheint der Ansicht zu sein, daß alles, was ein Pater oder Priester spricht, keine Behauptung, sondern eine Feststellung ist. Gut, nehmen wir das als richtig an, doch aber nur, so lange er als Priester funktioniert. Verläßt er aber sein Gotteshaus und seine theologische Atmosphäre, um auf unserem Boden mit uns Schriftsteller oder Journalist zu sein, so hat er auf den Schutz des Baldachins seiner Kanzel verzichtet und muß es sich gefallen lassen, wie jeder andere Schriftsteller oder Kritiker behandelt zu werden.62 Und da gilt nicht etwa das, was er sagt, als Feststellung, sondern nur das, was er beweist. Nun gehe man seine sieben Aufsätze durch und zähle nach, wie oft er behauptet. Dann zähle man, wie oft er beweist. Man wird über die Fülle der Infallibilität, die in ihm wohnt, erstaunen! Bei tausend und abertausend Lesern wird und muß sie Ärgernis erregen, vielleicht gar Heiterkeit. Der Nichtkatholik wird die hier gemachten großen Fehler nicht dem allein, aus dessen Feder sie kommen, sondern der katholischen Kirche überhaupt und dem katholischen Klerus besonders zuschieben, und das ist es, was ich als Ärgernis bezeichne.

   Er hat Behauptungen über meine erste Frau, über meine Ehescheidung, über mein Einkommen, über meine »Kolportageschmutzware«, über meinen persönlichen Verkehr und über hundert andere Dinge gebracht, aber keinen Beweis, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil kein Mensch von der Unwahrheit beweisen kann, daß sie Wahrheit ist. Ich zeige durch ein Beispiel, wie Pater Pöllmann mit der Wahrheit umspringt und was man demzufolge von seinen angeblichen »Untersuchungen« und »Feststellungen« zu halten hat: Er behauptet in Nr. 102 der Augsburger Postzeitung, daß deren Redakteur die »s a f t i g s t e n  Stellen« meiner Entgegnung gestrichen habe und daß diese in der ›Freistatt‹ veröffentlichte Entgegnung  f a s t  e b e n s o  v i e l e  U n r i c h ti g k e i t e n  w i e  Z e i l e n  enthalten habe. Nun bitte ich, diesen meinen Artikel in der ›Freistatt‹ nachzulesen. Man wird kein einziges Wort finden, welches man als »saftig« bezeichnen darf! Und ich bitte, nachzuzählen, daß dieser Artikel 351 Zeilen enthält. Ich hätte mir also nach Pöllmanns Behauptung, respektive »Feststellung«, in diesem einen Artikel weit über 300 Unrichtigkeiten zu schulden kommen lassen! Was soll man hiezu sagen ? Ist das nur übertrieben ? Nein, gewiß nicht! Ist es Unwahrheit? Wissentliche oder unbewußte? Ich gestatte mir nämlich, anzunehmen, daß Pater Pöllmann stets, wenn er schreibt, bei vollem Bewußtsein ist! In genau derselben Weise sind seine sieben Aufsätze in ›Über den Wassern‹ geschrieben. Man denke an den »Krach«, mit dem ich aus der Redaktion geflogen sein soll, an meine


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»unverschämten Honorarforderungen«, an den »Zwang«, mein Doktordiplom vorzulegen, an den Diebstahl »a l l e s« meines Materiales, an die Annoncen, die ich bezahlt haben soll, von denen ich aber gar nichts weiß! Wie soll man das nennen? Untersuchungen oder Feststellungen ? Behauptungen oder Verleumdungen ? Und dabei muß hervorgehoben werden, daß alles, was in dieser Weise gesagt wird, nicht zur Sache gehört. Damit bin ich nun an den Haupt- und Mittelpunkt der ganzen, hochinteressanten Pöllmanniade gelangt, wo ich nun endlich wohl mit meiner Hauptfrage kommen darf:  W a s  w i l l  P a t e r  P ö l l m a n n  d e n n  e i g e n t l i c h  v o n  m i r?  U n d  w a s  h a t  e r  b i s h e r  z u  s e i n e r  S a c h e  g e t a n  u n d  g e s p r o c h e n?

   Ich beantworte zunächst die zweite Frage; die erste beantwortet sich dann ganz von selbst: Nichts hat er zur Sache getan, gar nichts! Denn alles, was er bisher vorbrachte, gehörte nicht zur Sache oder war durch Übertreibungen derart entstellt, daß man sich selbst über direkte Unwahrheiten nicht mehr wundert.

   Diejenigen meiner Bücher, welche Pater Pöllmann eigentlich zu besprechen hatte, zählen zusammen zirka 26 000 Seiten. Er hat aber nur einige kleine, kurze Erzählungen gebracht, welche zusammen zirka 700 Seiten ergeben. Das heißt nach Adam Riese, daß er von 37 Bänden nur einen einzigen herbeizuziehen beliebte. Und hat er den Inhalt dieses einzigen etwa besprochen, kritisiert? O nein! Mit keinem Worte! Er hat nur nach Plagiaten gesucht, weiter nichts! Da aber, wie bekannt, meine bisherigen Bücher nur Vorübungen sind und nur Skizzen für meine eigentlichen, noch kommenden Werke enthalten, so kann in Beziehung auf sie überhaupt nicht von Plagiaten die Rede sein, da es ja doch im Begriff der Skizze liegt, daß sie ihre Unterlage genau kopiert, um sie emporzuheben und dem Veredelungsverkehre zuzuführen. Sämtliche Bemühungen Pöllmanns, mich als Plagiator hinzustellen, sind demzufolge vollständig ergebnislos und überflüssig gewesen, und so fällt sogar auch die Beschäftigung mit diesem einen, einzigen Bande als nichts in sich zusammen.

   Nach der Aufgabe der wirklichen, der ernsten Kritik hatte Pater Pöllmann zu untersuchen und festzustellen: Was will May in seinen Büchern? Auf welchem Wege will er es erreichen? Hat er es erreicht? Nun frage ich: Hat Pöllmann das getan? Nein! Er hat kein einziges Buch, keinen einzigen Roman, ja nicht einmal eine einzige meiner Gestalten untersucht! Das, also grad die Hauptsache, ist ihm gar nicht eingefallen! Das hätte er auch gar nicht gekonnt. Er hat über meine literarischen Ideale, literarischen Ziele und literarischen Wege keine einzige Silbe geäußert! Auch über meine Gedichte, die doch gewiß


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sehr ernst zu nehmen sind, verschwendet er keinen Hauch. Da war Cardauns denn doch ein kühnerer Mann. Der sprach, obgleich sich unter allen diesen Gedichten kein einziges lyrisches befindet, das große, imponierende Urteil aus: »Als Lyriker müssen wir ihn uns verbitten!«63 Konnte Pater Pöllmann denn gar nichts Ähnliches sagen ? Konnte er nicht einige meiner Romanfiguren wenigstens versuchsweise ein Wenig hin und her schieben, damit es einen gewissen Anschein bekam, daß er sich mit dem Inhalte meiner Bücher, also mit der Sache selbst beschäftigt habe? Ich weiß gar wohl, daß er nicht aus Prinzip und auch nicht aus Prüfung und Überlegung mein Gegner ist, sondern nur infolge der Erziehung. Seine Lehrer und die ihn sonst beeinflußten, waren Mayfeinde. Darum kann er weder meine Seele noch meine Gedankenwelt begreifen. Nur darum ist es möglich, daß er mir, dem Sohn der Phantasie, alle Phantasie abspricht. Aber ich meine, es wäre denn doch vielleicht klug und geraten gewesen, in seinen sieben Aufsätzen wenigstens zwei oder drei kurze Bemerkungen zu bringen, aus denen man vermuten könnte, daß er sich nicht nur mit der Hinauspeitschung der Person, sondern für einige Augenblicke auch mit der Sache selbst beschäftigt habe. Konnte er nicht wenigstens sagen: »In seiner allerkürzesten Erzählung ›Schamah‹64, versucht May, die orientalische Frage auf friedlichem Wege zu lösen. Darum läßt er den Sohn eines judarabischen Vaters und die Tochter einer christlichen Ostjordanländerin die Hauptpersonen sein«. Aber selbst dieses Wenige tat er nicht. Es wäre ja ein Eingeständnis gewesen, daß meine Reiseerzählungen wirklich bildlich zu nehmen sind und alle Angriffe gegen mich also zu schweigen haben. Auch hätte es einer tieferen menschheitspsychologischen » Untersuchung« der Charaktere bedurft, und wir wissen ja, daß die Untersuchung bei Pater Pöllmann zwar im Untertitel steht, im Inhalte aber nirgends vorgenommen wird. Worauf ich mir vielleicht gestatten darf, nun auch meinerseits einmal eine »Feststellung« vorzunehmen, und zwar folgende:

   P a t e r  P ö l l m a n n  h a t  i n  s e i n e n  s i e b e n  A u f s ä t z e n  z w a r  i n  S u m m a  3 8 0 0  Z e i l e n  g e s c h r i e b e n,  a b e r  t r o t z  d i e s e r  g r o ß e n  Z i f f e r  d o c h  g a r  n i c h t s  g e g e n  m i c h  b e w i e s e n.  U n d  f a l l s  e r  e t w a s  b e w i e s e n  h ä t t e,  s o  d o c h  n u r  d a s,  d a ß  e r  n i c h t s  b e w e i s e n  k a n n!

   Diese »Feststellung« ist keine von der Pöllmannschen Art, sondern eine wirkliche, denn ich habe vorher der Wahrheitgemäß erhärtet, daß er  k e i n e  e i n z i g e  Z e i l e  meiner Werke auch nur dem Schein nach einer  k r i t i s c h e n  U n t e r s u c h u n g  unterzogen hat. Ebenso wenig entsprechen seine persönlichen Behauptungen den Anforderungen


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einer Kritik, die niemals aus trüben Quellen schöpft, nichts übertreibt, sondern stets Maß zu halten weiß und jedes Wort, bevor sie es spricht oder schreibt, genau auf seine Wahrheit hin zu prüfen versteht. Besonders ist die ruhige, sachliche, ungehässige Ausdrucksweise zu vermissen, die man bei seinem Stande und der Wichtigkeit der Sache, um die es sich handelt, ganz unbedingt von ihm verlangen muß. Er hat sich in Beziehung sowohl auf die Person als auch auf die Sache geirrt. Er ist ein Abgeschlossener. Es sind ihm die Konturen, über die hinaus er sich nicht entwickeln darf, streng vorgeschrieben. Ich aber bin trotz meines viel höheren Alters noch immer ein Werdender. Wer mich gefahrlos und gerecht kritisieren will, der hat zu warten, bis ich ein Gewordener bin. Die Kunst, aus der man mich »hinauspeitschen« will, ist kein eng ummauertes Kloster mit strengen Ordensregeln und scharfen Disziplinarien. Und wer mit Peitschen, Knütteln und solchen Gewaltmitteln droht, der hat bewiesen, daß er nicht in das freie sonnige Land der stets nur wahrhaft schön und wahrhaft adelig handelnden Kunst gehört, sondern dahin, wo dem ästhetisch noch nicht ausgereiften Tatendrang durch Gesetze und Regeln erzieherische Grenzen gezogen sind.

   Ich kann als Werdender irren; ja, ich muß sogar irren. Aber die wahre, die edle Kritik hat den Irrenden nicht totzuschlagen, sondern zurecht zu führen. Die Afterkritik, die dem entgegenhandelt, kann leicht zur Selbstmörderin werden; indem sie mit ihren eigenen Streichen nur sich allein verwundet. Da verweise ich denn auf Seite 94 von ›Über den Wassern‹, wo Pater Pöllmann die Güte hat, meinen ersten 20 Bänden seine Genehmigung zu erteilen. So bleiben also nur die übrigen Bände. Die verwirft er als Theolog. Warum ? Wo sind seine Gründe, wo seine Beweise? Er führe sie an, von Buch zu Buch, von Seite zu Seite! Wo tut er das? Nirgends! Er hat keine einzige Zeile gebracht, um nachzuweisen, daß sie gegen den Glauben verstößt! Er spricht von mir als von dem »Abenteurer und seinem Werke «. Soll ich nun nach seinem Werke fragen? Worin besteht es? Wodurch imponiert es uns? Er hat meinen ersten zwanzig Bänden seine Zustimmung erteilt und gegen die übrigen Bände keinen einzigen wirklichen Vorwurf erhoben resp. begründet. Wozu da überhaupt sein Angriff gegen mich? Wozu die Kolossalverschwendung von 3800 resultatlosen Zeilen? Er verspricht »Untersuchungen« und »Feststellungen«. Er verspricht, mich »hinauszupeitschen«. Und was geschieht nach diesen fulminanten Vorherverkündigungen ? Er billigt von meinen Bänden volle zwanzig Stück! Und über die anderen Bände bringt er keine einzige Untersuchung, keine einzige Feststellung; er


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schweigt sich vollständig aus! Das ist das ganze, große Pöllmannsche »Werk«! Das ist das ganze, große Pöllmannsche »Abenteuer« in ›Über den Wassern‹, welches mit einem unklaren Titel begonnen hat, um aber, wie ich hoffe, um so klarer zu enden. Wir werden ja sehen!


6


Soeben kommt mir das neunte Heft der ›Historisch-politischen Blätter‹ mit dem Pöllmannschen Aufsatze ›Zur konfessionellen Ausschlachtung des Falles May‹ in die Hand. Fürwahr ein echter Pöllmann, ein Pöllmann, wie er leibt und lebt! Dieser ungebändigte Aufregungstrieb! Diese wühlende und explosive Ausdrucksweise! Dieses leidenschaftliche Fechten mit Windmühlenflügeln! Dieses untrügliche Behaupten von Dingen, die gar nicht vorhanden sind! Man erkennt den Verfasser sofort an den Bomben und Raketen, die unablässig platzen: Ausschlachtung - Konfessionell - Reklamebrochure - unsere Scham - May'sche Schmutz- und Schmierkolportage - Solche Dithyramben - Schamlose Riesenannoncen usw. usw. Wer, außer Pater Pöllmann, weiß etwas von einer konfessionellen »Ausschlachtung« des Falles May? Ich nicht! Und ich bin doch der, um den es sich handelt! Wenn irgend ein Witzblatt, Ahlwardt oder Zeitungsklown sich den Hochgenuß leistet, mich dem Katholizismus »in die Schuhe zu schieben«, ist das doch noch lange kein Grund, um schleunigst zum enfant terrible dieses Katholizismus zu werden und dreinzuschlagen, als ob die Kirche sonst verloren sei. Ich wehre mich doch auch nicht, sondern ich nehme es heiter! Freilich, weniger heiter, sondern außerordentlich ernst ist wohl die Frage, ob Pater Pöllmann der rechte Mann ist, sich als Schatzherr und literarischer Feldmarschall der katholischen Kirche zu geberden! Ist man nicht förmlich gezwungen, aus der Ungeduld und dem Übereifer des Paters, mich loszuwerden, den Schluß zu ziehen, daß ich ihm wirklich im Schuhe stecke und ihn dort drücke? Warum verfährt er nicht ruhiger, nicht stiller, nicht diplomatischer? Er hat als Ordensmann so große Mächte hinter sich, ich aber habe Niemand, der mich stützt. Muß ihn diese Erwägung nicht besonnen, mild und sicher machen? Hat er aus meinen Antworten noch nichts, noch gar nichts gelernt? Konnte er sich nicht wenigstens in den ›Historisch-politischen Blättern‹ haten, Behauptungen zu bringen, die gegen die Wahrheit streiten? Mußte er z. B. behaupten, daß ich seit ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ den Katholizismus an den Nagel gehängt habe ? Das ist gar nicht wahr! Denn ich habe seitdem z. B. in ›Ardistan und Dschinnistan‹ die Madonna genau ebenso besprochen


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wie früher! Und diese Ausdrucksweise! Ist ihm, dem Ordensmann, der Katholizismus wirklich Etwas, was man »an den Nagel hängt«, ganz wie es einem beliebt? Sollte er, der auf so hoher Warte steht, sich nicht hüten, auf das Heiligste, was wir haben, solche vulgäre, plebejische Ausdrücke anzuwenden ? Ich meine, daß jedes Wort eines »Hochwürdigen« hochwürdig zu sein hat, sei es gesprochen, sei es geschrieben! Mußte er so dann der Wahrheit zuwider behaupten, daß dieses »an den Nagel hängen« mir jetzt so leichtgeworden sei, weil meine Gemeinde sich zu gleichen Teilen aus Katholiken und Protestanten rekrutiert? Woher weiß er das? Meine Gemeinde hat in Beziehung auf die Religion genau dieselbe Zusammensetzung, wie die Bevölkerung Deutschlands. Das war früher so, ist heute noch so und wird auch immer so bleiben. Wenn ich meine Gesinnungen so mir nichts und dir nichts »an den Nagel hängen« könnte, wie es bei Pater Pöllmann möglich zu sein scheint, so hätte ich das also früher ebenso leicht tun können als jetzt!

   Hierauf bringt Pöllmann zwei Unwahrheiten gleich auf einer Seite: Daß ich »ein neuer Messias« werden wollte, und daß mein Christentum ein pantheistisches Scheinchristentum sei. Und dann die zwei Monstrositäten: »Werners Vorwort65 gibt uns ein anschauliches Bild von der Annäherung Mays an die maßgebenden protestantischen Kreise« - - - Und »wahrscheinlich hätte sich die volle Abkehrung Mays von den katholischen Lehren und die Hinkehr zum protestantischen Lager sehr rasch vollzogen - aber da kam der Prozeß.« Das, was da behauptet wird, sind nicht nur Unwahrheiten, sondern geradezu Ungeheuerlichkeiten, Hirngespinnste, Chimären. Professor Werner hatte in Heidelberg Aesthetik gelesen. Als Aesthetiker schrieb er sein Begleitwort. Nach seiner Religion habe ich gar nicht gefragt. Und gar mit »maßgebenden protestantischen Kreisen« bin ich niemals in Berührung gekommen. Pöllmann nenne mir einen einzigen solchen Kreis, so will ich ihn für diesen Fall von der Anklage entlasten, daß er behauptet, was nicht wahr ist! Und was er sodann über meinen »wahrscheinlichen« Wechsel zwischen Katholizismus und Protestantismus sagt, ist dermaßen kennzeichnend für seine Denkungsweise und seinen Wertgehalt, daß ich es gar nicht nötig habe, diese beispiellose Schmähung derart zurückzuweisen, wie sie es verdient. Also es braucht nur in  s e i n e m  e i g e n e n  I n n e r n  »wahrscheinlich« zu sein, so genügt ihm das vollständig, mich öffentlich eines derartigen religiösen Vagabundentums für fähig zu erklären, wie es ihm jetzt im Kreise seiner publizistischen Lieferanten entgegentritt. Wenn er hinzufügt »da kam der Prozeß«, so habe ich das weiter unten zu charakterisieren.


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Eine Unwahrheit ist es ferner zu behaupten, daß das ›Radebeuler Tageblatt‹ mein »Publikationsorgan« sei. Dieses Blatt hat sich schon häufig sehr gegnerisch gezeigt. Ebenso unwahr ist auch der »Zusammenbruch Karl Mays«. Ich bin weder geistig noch körperlich, weder seelisch noch moralisch, weder literarisch noch geschäftlich zusammengebrochen. Pater Pöllmann glaubt wahrscheinlich, an meinem Wohlsein zu rütteln; aber er ist zu klein; er reicht nicht zu mir her; er rüttelt nur an sich selbst! Eine der unverantwortlichsten Unwahrheiten liegt in der Behauptung: Lebius »habe in Notwehr gehandelt, er war ein Anhänger Mays. Als er aber mit dem Menschen May näher in Beziehung trat, da gingen ihm die Augen auf«. Die Wahrheit ist: Als Lebius zum ersten Male zu mir kam und zu mir sagte: »Wir Journalisten haben kein Geld und darum auch keine eigene Meinung.  W e r  a m  m e i s t e n  z a h l t,  d e r  h a t  u n s«, da gingen ganz selbstverständlich mir die Augen auf. Als er dann baare 3000 Mark, 6000 Mark, 10 000 Mark, von mir verlangte, um mich dafür in den Blättern zu rühmen und zu preisen, da ging mein Geldbeutel nicht auf. Als dann, obgleich er sich für vollständig zahlungsfähig ausgab, gerichtlich verlautete, daß er bereits den Offenbarungseid geleistet habe, gingen  s e i n e n  G l ä u b i g e r n  die Augen auf. In dieser oder ähnlicher Weise sind noch vielen Anderen die Augen aufgegangen.66 Nur Pater Pöllmann hält die seinen zu. Darum bleibt er auch über mich im Dunkeln und tappt beständig zwischen Unwahrheit und Wahrheit hin und her, ohne den festen Punkt zu finden, auf dem die letztere steht. Daher kommt es, daß ich ihm sogar in diesem kurzem Aufsatze wieder eine ganze Reihe von Leidenschaftlichkeiten, Übertreibungen und Wahrheitssünden nachzuweisen habe. Und daher ist ihm auch eine der bedeutendsten Niederlagen entgangen, die er sich selbst zugezogen hat.

   Nämlich während er mich seitenlang des Plagiates, des literarischen Diebstahles, der Benutzung fremder Gedanken beschuldigt, bombardiert er mich in Einem fort mit Lebius'schen Gedanken, mit Lebius'schen Fälschungen, Erdichtungen und Unwahrheiten. Zu gleicher Zeit schießt er mit der alten Cardaunsschen Feuersteinpistole auf mich und läßt wohl auch einen Münchmeyer-Gerlachschen Einschlag durch die Kutte blicken. Ich frage, ist das nicht ein noch ganz anderes Plagiat, als mir von ihm vorgeworfen wurde? Die Benutzung fremder Gedanken? Der Gedanken und Lügen von Personen, mit denen er in Beziehung zu stehen leugnet? Die Quellen, aus denen ich schöpfte, waren Ehrenmänner: Huc, Gabet, Heine.67 Ich brauche mich nicht zu schämen, mich und meine Leser aus ihnen belehrt zu haben.


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Was aber ist aus jenen Charlottenburger Flugblättern und Pamphleten68 zu holen, deren Behauptungen oft ganz wörtlich aus den Pöllmannschen Zeilen klingen? Welche Ehre ist es wohl, Plagiator, respektive Gedankenverarbeiter des Herrn Lebius zu sein? Ich muß Pater Pöllmann fragen: Hat er die Lebius'schen Behauptungen direkt von ihm bezogen und mit seiner Erlaubnis verwertet? Dann weiß man, woran man ist! Oder hat er sie ohne Wissen und ohne die Genehmigung des Herrn Lebius für sich verbraucht? Dann weiß man ebenso, woran man ist! In keinem Falle aber ist es für Pater Pöllmann von Vorteil gewesen, das Wort Plagiat auf den Markt zu bringen. Ich will den geistlichen Stand Pater Pöllmanns gern achten und schonen; ich will nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, und noch weniger will ich beleidigen und kränken; aber wenn ich auf Seite 132 von ›Über den Wassern‹ den unmenschlichen Richterspruch lese, der mich »f ü r  e w i g e  Z e i t e n  z u m  M u s t e r b e i s p i e l  e i n e s  l i t e r a r i s c h e n  D i e b e s« macht, bin ich schon durch die einfachste publizistische Logik gezwungen, die Frage zu erheben: Wie würde es wohl klingen, wenn Jemand nach diesem echt Pöllmannschen Muster jetzt sagen wollte: Pater Pöllmann ist in der Tat ein Nachtreter und Nachbeter des aus der christlichen Kirche ausgetretenen Herrn Rudolf Lebius auf journalistisch-ethischem Gebiete,  f ü r  e w i g e  Z e i t e n  d a s  M u s t e r b e i s p i e l  e i n e s  k a t h o l i s c h e n  O r d e n s m a n n e s  u n d  P r i e s t e r s, der in den ›Historisch-politischen Blättern‹ den Protestanten die »konfessionelle Ausschlachtung des Falles May« vorwirft, in ›Über den Wassern‹  d i e s e n  F a l l   a b e r  s e l b s t  a u s s c h l a c h t e t, und zwar in so gehässig konfessioneller, leidenschaftlicher und übertriebener Weise, daß er sich nicht scheut, dabei aus den verwerflichsten Quellen zu schöpfen, nämlich aus dem Sumpfe einer bekannten Schund- und Giftromanfabrik und aus der Lebius'schen Phantasie!

   Besonders diese letztere Quelle kann Pater Pöllmann nicht verleugnen; sie riecht überall hervor. Am deutlichsten und am widerlichsten aus den immerwährenden Wiederholungen, daß ich »ein schwer reicher Mann« sei, daß ich »Riesenhonorare«69 beziehe, daß ich »das Jahreseinkommen eines Millionärs« habe usw. Das zeigt so recht die eigentliche Grundursache der Hetze gegen mich, den  g e l b e n  N e i d! Ich, der Millionär, habe Herrn Lebius, als er wiederholt Geld von mir verlangte, keinen Pfennig gegeben. Das muß natürlich gerochen werden, zehnfach und hundertfach! In Wahrheit aber bin ich gar nicht reich, sondern ich habe nur mein gutes Auskommen, weiter nichts! Mit dieser infamen Lebius'schen Lüge war es nur darauf abgesehen, den Neid und die Mißgunst gegen mich mobil zu machen. Das ist mehr als


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gut gelungen. Ich habe die Folgen zu tragen; Pater Pöllmann aber druckt die Lüge ohne alle Prüfung nach!

   Noch größer, aber auch noch lächerlicher ist der Lebius'sche Schwindel von der »Zweiseelentheorie«.70 Als Lebius bei mir war, erklärte ich ihm, daß meine Romane auf zweierlei Weise gelesen werden, nämlich erstens nur als Unterhaltungsstoff und zweitens bildlich; das letztere sei das richtige. Er versprach, in seinem Blatte ganz besonders darauf hinzuweisen und Klarheit zu schaffen, damit man mich verstehen lerne. Dann aber, als ich ihm die Tausende, die er von mir ziehen wollte, nicht gab und auch nicht geben konnte, hielt er es für vorteilhafter für sich, nicht Klarheit zu schaffen, sondern die Unklarheit zu vergrößern. Er erfand die famose Zweiseelentheorie, auf welche im Ernste nur ein Verrückter kommen könnte. Daß es aber dennoch Personen gibt, von denen sie ernst genommen wird, wenn auch nur aus taktischen Gründen, ist aus ›Über den Wassern‹ zu sehen, wo Pater Pöllmann diese Mißgeburt der Lebius'schen Phantasie sofort psychologisch annektiert, um meinen inneren Werdegang pathetisch zu beleuchten. Das Resultat ergibt ganz selbstverständlich einen siamesischen Doppelzwilling, der aber nicht in eine Halbmonatsschrift für schöne Literatur, sondern nur in Castans Panoptikum oder zu Barnum gehört. Ich versichere allen Ernstes, daß Pater Pöllmann ihn dort »sehen lassen« kann!

   Ebenso sehens- wie auch lesenswert ist eine Zeile auf Seite 307 von ›Über den Wassern‹. Dort bringt Pöllmann einige Briefe71 von mir und schreibt dazu: »Die Adressaten der folgenden Briefe tun nichts zur Sache«. Ich bin da ganz anderer Meinung. Warum verschweigt er ihre Namen? Heraus mit ihnen, damit ich mich ehrlich aussprechen kann! Ich fürchte und schäme mich doch auch nicht! Und warum bringt er nur meine Antworten, nicht aber ihre vorhergehenden Briefe und Fragen an mich, aus denen sich ergeben würde, daß ich gerade so und nicht anders zu antworten hatte? Weiß Pater Pöllmann nicht, daß man eine Antwort niemals ohne die betreffende Anfrage beurteilen kann? Er rät auf derselben Seite dem Wiener ›Vaterland‹ und der Wiener ›Freistatt‹, sich »einen Storch braten zu lassen«. Und er bezeichnet das, was diese beiden hochangesehenen Blätter geschrieben haben, als »Kohl«. Also sogar der »gebratene Storch« gehört zu den Reichtümern und Schönheiten des Pöllmannschen Geistes und der »Kohl« zu den Schätzen der Pöllmannschen Aesthetik! Das imponiert mir fast ebenso sehr wie seine eben erwähnte psychologische Welt- und Doppelwunder tat, mich von der »falschen Wirklichkeit« in anderthalb Jahren über die Lebius'sche »Zweiseelentheorie« zur reinen »Symbo-


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lik« spazieren zu lassen! Warum kam da nicht auch »der Prozeß«, um diese psychologische Heldentat in andere Bahnen zu lenken ? Welcher Prozeß? Nun, »der Prozeß«! Den Pater Pöllmann in treuer Verarbeitung Lebius'scher Gedanken und Absichten als die Ursache meines angeblichen Sturzes, meines literarischen und moralischen Todes, kurz, meines vollständigen Unterganges genommen wissen will. Ahnt er denn wirklich noch immer nicht, welchen Lug und Trug, welche Fälschungen und welchen Schwindel man mit diesem »Prozeß« getrieben hat? Diese kleine, völlig nebensächliche Beleidigungsklage72 gehörte ja gar nicht zu dem großen, komplizierten Prozesse, der zwischen Lebius und mir zu entscheiden hat! Das wurde nur vorgegaukelt. Es war ein nur ganz kurzer Termin, der wegen der da vorgekommenen Unzuträglichkeiten gar keine Geltung haben kann. Es wurden weder Zeugen vernommen, noch Dokumente vorgelegt, noch irgend andere Beweise erbracht. Es gab nur Lebius'sche Behauptungen, von denen aber keine einzige erwiesen worden ist. Die Beweise wird er erst in höherer Instanz vorzulegen haben. Wenn dennoch in in- und ausländischen Zeitungen, sogar in Amerika, die gerichtspsychologisch geradezu ungeheuerliche Lüge verbreitet wurde, daß sämtliche Beschuldigungen, die man auf mich warf, durch Zeugen, durch Eide und Dokumente bewiesen worden seien, so ist das eben ein Schwindel sondergleichen. Und wenn sogar den französischen73 und englischen Zeitungen Depeschen zugegangen sind, daß ich unter der Wucht dieser Beweise völlig zusammengebrochen sei, so besitzt die deutsche Sprache wirklich kein Wort, mit dessen Hilfe es möglich wäre, die Niederträchtigkeit und Gewissenlosigkeit derartiger Fälschungen zu verdeutlichen! Wer von Entlarvungen oder Enthüllungen spricht, welche da stattgefunden haben sollen, der lügt! Wenn Pater Pöllmann diese Lebius'sche Darstellung zu der seinen macht, so beweist das gar nichts gegen mich, sondern alles nur gegen ihn selbst. Ich fühle mich nicht im mindesten besiegt und nicht im mindesten beschämt. Ein süddeutscher Gerichtspräsident schreibt über diesen sogenannten »Prozeß«:

   »Wir haben die verächtliche Hetze gegen den bedauernswerten Mann mit Entrüstung verfolgt. Als Jurist muß ich aber auch das Gerichtsverfahren in der schärfsten Weise verurteilen. Es ist für uns süddeutsche Richter gänzlich unverständlich, wie man in dieser gesetzwidrigen Form verfahren konnte. Man muß sich wahrlich schämen, daß in unserer Zeit eine solche barbarische Rechtsverfolgung erlaubt ist, die grausamer ist als alle Foltergrade der hochnotpeinlichen Halsgerichtsordnung!«


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Ein bayerischer Jurist schreibt in einer bayerischen Zeitung:

   »Wenn die Zeitungsberichte hierüber wahr sind, dann darf sich der dortige Amtsrichter sein Geld wieder herauszahlen lassen, denn diese Vorsitzführung ist eine Köpenickiade erster Güte . . . In Wirklichkeit ist in der ganzen Verhandlung nicht einmal die geringste Spur eines Wahrheitsbeweises zu sehen. Auf die bloß einseitigen Behauptungen des Lebius hin hat das Gericht sein Urteil gefällt. Nach all diesen Zeitungsberichten scheint uns das Charlottenburger Gericht seiner Aufgabe in keiner Weise gewachsen gewesen zu sein, und es wäre wohl sehr angebracht, wenn der dortige Amtsrichter einen Kursus über Strafrechtspflege bei einem bayerischen Dreierjuristen besuchen würde . . . Aus diesem Grunde verwahren wir uns auch dagegen, daß ein hiesiges Blatt von einer Entlarvung Mays als eines Plagiators, Schwindlers und wiederholt abgestraften Verbrechers zu sprechen wagt. Nichts als unerwiesene Behauptungen sind bis jetzt die Angriffe gegen May. Das  a l l e r  G e s e t z l i c h k e i t  h o h n s p r e c h e n d e  U r t e i l  des Amtsgerichtes Charlottenburg hat  k e i n e  E x i s t e n z b e r e c h t i g u n g«

   Über Pater Pöllmann aber, den Usurpator und Verarbeiter Lebius'scher Gedanken und Unwahrheiten, schreibt ein älterer, in Amt und Würden stehender, akademisch gebildeter Herr aus München:

   ». . . P. A. Pöllmann beweist die Unchristlichkeit gewisser Kreise. Ich greife an die Stirn und frage mich: Wie kann der Mann täglich die Messe feiern? Wie Brevier beten? Oder auch nur das hehre Vaterunser, wenn er so wütet wie gegen Sie? Pöllmann schadet dem Christentum, als Priester und Mönch in diesem Kampfe, mehr denn hundert Freidenker, die das Christentum zu stürzen arbeiten.

   »Nicht Sie haben den dauernden Schaden. Sie haben Aufregung, Verlust an Zeit, die Sie für Besseres zu verwenden hätten als zu Verteidigungsartikeln. Den Schaden hat das Christentum, das formelle und das ideelle. Es ist beklagenswert!

   »Pöllmann wird das nicht erreichen, was er in Absicht hat: Karl May zu vernichten, literarisch und gesellschaftlich zu töten, ihn auszuschalten aus dem Gedankenumlauf. - Aber er wird erreichen, daß Viele irre werden am katholischen Priestertum, denn dieser tiefgründige Haß muß seine Früchte bringen, leider, leider! Und auch die ethischen Kosten dieses Kampfes wird Karl May nicht tragen, sondern der Katholizismus. Denn durch solche Pöllmanns sind wir alle bedroht, die sich anders als sie zu denken erlauben. Solche Pöllmanns sind kulturfeindliche Streiter, und es wird notwendig sein, daß die Bedrohten sich sammeln! Das ist die praktische Lehre und Konse-


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quenz aus dem Pöllmannschen Streit . . . Sie aber schreiben ruhig weiter. Sie sind uns noch viel schuldig!« - -

   Der Verfasser obiger Zeilen ist ein hochgebildeter, strenggläubiger Katholik, dem es niemals eingefallen ist, seiner Kirche und seinem Klerus die höchste Anerkennung zu verweigern. Nun schreibt er so! Ich besitze viele Dutzende von gleichen und ähnlichen Briefen, sogar auch aus der Hand geistlicher Herren, die bei mir eingegangen sind, seit Pater Pöllmann mich mit Schmach und Schmutz überschüttet. Wie lange soll das noch weitergehen ? Mir schadet das nichts! Ich halte es aus! - - -



1Genaue bibliographische Angaben in den anschließenden ›Streiflichtern‹
2Gemeint ist der Verlag H. G. Münchmeyer, Dresden. ›Ein Schundverlag und seine Helfershelfer‹ ist der Titel eines Privatdrucks von Karl May, o. O., o. J. (A. Risse, Dresden 1905 und 1909)
3Gemeint ist möglicherweise der italienische Schriftsteller Emilio Salgari, der oft als der »italienische Karl May« bezeichnet wird.
4vgl. Hainer Plaul im Anhang zu: Karl May, Mein Leben und Streben I., Reprint der ersten Buchausgabe (1910), Hildesheim-New York 1975, S. 486 ff. (Anm. 360)
5Gottesminne. Monatsschrift für religiöse Dichtkunst. Vgl. die ›Streiflichter‹, S.281 dieses Jahrbuchs; ferner die »Anmerkung der Herausgeberin« in: Mein Leben und Streben, 2. Aufl., hrsg. von Klara May, S. 227 ff.
6Die Wahrheit. Freies deutsches Wochenblatt. hrsg. von Wilhelm Bruhn (vgl. Plaul a.a.O., S. 332, Anm. 11)
7Erklärungen Mays und Pöllmanns zusammen abgedruckt in: Freie Stimme Radolfzell, Nr. 29 vom 6. 2. 1910 (vgl. Plaul, a. a. O., S. 420, Anm. 224)
8Der gleiche Vorwurf wurde von Lebius auch Karl May gemacht, vermutlich aufgrund des Bibelzitats im ›Dankbaren Leser‹, S.9 (von May im ›Schundverlag‹ II, Rudolf-Lebius-Liste S. 5, als »Infamie« gekennzeichnet).
9vgl. hierzu Pöllmanns Entgegnung (›Streiflichter‹, S. 279 dieses Jahrbuchs)
10Gemeint sind die »Audienzen« der 90er Jahre (vgl. Claus Roxin im Jb-KMG 1974, 15 ff.), vor allem die Besuche im Hotel Trefler, München, 1897/98. Einmal soll der Ansturm der Besucher so groß gewesen sein, daß der Verkehr behindert wurde und man die Menschenmenge mit einer Wasserspritze zerstreute. Darauf bezieht sich das von Pöllmann (S. 63) abgedruckte Telegramm Mays »an eine hochgestellte Dame«: Gestern abend ganz matt hierangekommen; in München mußten die Leser per Spritze vom Hotel entfernt werden.
11Friedrich Wilhelm Kahl, unter dessen Namen Lebius 1908 ein Pamphlet mit dem Titel ›Karl May, ein Verderber der deutschen Jugend‹ veröffentlichte, vgl. die ausführliche Dokumentation von Hainer Plaul im Jb-KMG 1974, 195 ff.
12Über Heinrich Medem hatte sich Karl May 1909 durch ein Berliner Detektiv-Büro Auskünfte geholt.
13Lebius an Selma vom Scheidt v. 22. 11. 1909 (vgl. Jb-KMG 1970, 22 f.)
14vgl. Mein Leben und Streben I, S. 141, 147 f., 208, 212 f., 295
15vgl. Mein Leben und Streben I, S. 212
16›Der sanfte Heinrich‹: Nürnberger Bilderbogen Nr. 275 (Nürnberg, Kenner und Schuster, Anfang 19. Jh.); nachgewiesen aus: ›Die Schwiegermutter und das Krokodil‹. 111 Bilderbogen. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1975
17›Der Prairievogel‹, Roman von Charles A. Murray (1806 -1895), erschienen 1844 (vgl. Beissel im KMJB 1918, 245). Eine deutsche Ausgabe erschien ca. 1884 »nach Murray für die Jugend bearbeitet von Ernst Linden«. Da May in seiner Frühzeit


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gelegentlich das Pseudonym Ernst von Linden verwendete, tauchte die Frage auf ob er ebenso wie Ferrys ›Waldläufer‹ - auch den ›Prairievogel‹ bearbeitet hat. Wahrscheinlich war dieser Bearbeiter jedoch der Schriftsteller Rudolf Scipio, der unter dem Pseudonym »Ernst Linden« Indianergeschichten schrieb (vgl. Alfred Schneider, Die Jagd nach dem ›Prärievogel‹ in: Mitt. der Arbeitsgemeinschaft Karl-May-Biographie Nr. 22, Dez. 1968, S. 5, sowie Notiz im Rundbrief vom 29.1. 1969).
18vgl. Erich Heinemann in diesem Jahrbuch, S. 202
19vgl. dazu auch Karl May in: Dittrich, Karl May und seine Schriften (Dresden 1904, Reprint: Ubstadt 1976), S. 102; auch abgedruckt bei Bartsch in :Jb-KMG 1972/73, 110
20vgl. Mein Leben und Streben I, 195 ff.
21›Ave Maria‹. Gedicht und Komposition für Männerchor von Dr. Karl May. Erstdruck in: Deutscher Hausschatz, Jg. XXIII (1897), Heft 38 (S. 691)
22vgl. Karl May, Briefe über Kunst, Erstdruck: Nr. 1-5 in ›Der Kunstfreund‹, Innsbruck 1906/07, Nr. 6 in KMJB 1920, 65 ff.; heute (bearbeitet) in: Ges. Werke Bd. 49 ›Lichte Höhen‹.
23Bei Mays ständiger Betonung im Alter, seine »eigentlichen« Werke erst schreiben zu wollen, erscheint es unverständlich, warum in der Bearbeitung des Bandes ›Ich‹ das Schlußkapitel der Selbstbiographie in ›Letztes Streben‹ umbenannt wurde.
24vgl. Mein Leben und Streben I, S. 209 ff.
25Daß der persische Henker in der biographischen Leseebene des ›Silberlöwen‹ Hermann Cardauns sein soll (vgl. Wollschläger, Karl May, Reinbek 1965, S. 95), steht nach dieser Aussage wohl außer Zweifel, zur Möglichkeit, daß mit dem Scheik ul Islam evtl. nicht, wie bisher angenommen, Carl Muth, sondern Ansgar Pöllmann gemeint sein könnte, vgl. einstweilen Franz Cornaro im Jb-KMG 1975, 210 ff.
26Zum nachfolgenden Bild vgl. auch Karl May in seinem Wiener Vortrag (22. 3. 1912): Jb-KMG 1970, 54 f.
27vgl. auch Mein Leben und Streben I, 222 ff.
28zur Quellenbenutzung Mays vgl. auch Ekkehard Koch in diesem Jahrbuch, S.37 f.
29Daß dieser Hinweis beinahe zu einer Klage Maeterlincks geführt hätte, ist dokumentiert bei Plaul, a. a. O., S. 423 f. (Anm. 228)
30Was es mit diesen von May erwähnten Raubdrucken auf sich hat, konnte bisher leider nicht ermittelt werden.
31Karl May war 1897 zu Gast beim Grafen Jankovics in Scholastika am Achensee (vgl. Maschke, Karl May und Emma Pollmer, Bamberg 1973, 73; ferner A. von Ozoróczy in: Mitt. d. KMG Nr. 25, S. 8).
32vgl. Plaul, a. a. O., S. 482 ff. (Anm. 351-353), der Streitfall wird außerdem kurz abgehandelt im Nachwort der ›Materialien zur Karl-May-Forschung‹, Bd. 2: Dittrich/Wagner/Weigl, Schriften zu Karl May (Ubstadt 1976).
33Es handelt sich um Pater Willibrord Beßler; vgl. Mein Leben und Streben I, S.291, und Plaul, a. a. O., S. 482 ff., Anm. 351-352.
34Hotel Gärner, Leoben. Mays Gästebuch-Eintragung vom 13. 10. 04 erschien in Faksimile in: Mitt. d. KMG Nr. 9 (Sept. 1971), S. 18 f.
35Beßlers Erklärung veröffentlichte May in: Mein Leben und Streben I, S. 291.
36Laut einer Widmung Karl Mays in Klaras (evgl.) Gesangbuch besuchte er die Frauenkirche, Dresden.
37Standesamtliche Trauung 17. 8. 1880 kirchlich 12. 9. 1880, warum E. A. Schmid (›Eine Lanze für Karl May‹, Radebeul 1918, S. 36) den 17.8. 1880 als »unrichtig« bezeichnete, ist unklar; heute richtige Daten in: ›Ich‹, 29. Aufl., S. 210.
38vgl. weiter unten: Anm. 59
39Pöllmann: ». . . um die behaupteten erzieherischen Eigenschaften eines Mannes zu prüfen, muß ich mir wohl den Mann selber ansehen.«
40Venanz Müller (1831-1906) war erster Redakteur des ›Deutschen Hausschatz‹ (bis 1888); Heinrich Keiter (1853-1898) wurde sein Nachfolger und hatte den Posten bis zu seinem Tode inne. Vgl. Heinz Neumann in: Mitt. d. KMG Nr. 15, S. 14 ff.;



Gerhard Klußmeier in: Mitt. d. KMG Nr. 16, S.17 ff., Nachruf auf Heinrich Keiter in: Deutscher Hausschatz, Jg. XXIV (1898), S. 968.
41Es ging um die umfangreichen Streichungen des Hausschatz-Redakteurs in Karl Mays Roman ›Satan und Ischariot‹. Vgl. E. A. Schmid, Die verfälschte Handschrift in: KMJB 1926, 245 ff.
42Der Plan, eine Oper zu schreiben, stammt aus viel früherer Zeit. Karl May erwähnt ihn am 16. 10. 1892 in einem Brief an Fehsenfeld (abgedruckt in: KMJB 1918, 259f.)
43Ernst Weber veröffentlichte in einem Sammelband ›Zur Jugendschriftenfrage‹ (Leipzig 1903) einen Aufsatz: ›Karl May. Eine kritische Plauderei‹. Vgl. dazu Claus Roxin in: Jb-KMG 1974, 24 f., und Klaus Hoffmann in. Jb-KMG 1974, 88.
44Zum Thema »Auslandsreisen« vgl. Klaus Hoffmann in: Jb-KMG 1975, 265 ff.
45Seite 273 bezieht sich auf die Erzählung ›Three carde monte‹ (vgl. Ekkehard Koch in diesem Jahrbuch, S. 29 ff.)
46Seite 272 bezieht sich auf die Lieferungsromane, vor allem das ›Waldröschen‹, ein - lt. Pöllmann - »im innersten Wesen gemeines Erzeugnis einer perversen Phantasie«.
47Beschreibung des Negers Quimbo
48Seite 274 bezieht sich auf die Streichung des »k« und des »Dr. phil.« im ›Kürschner‹ vgl. Erich Heinemann in diesem Jahrbuch, S. 201 f.
49Lebius in ›Pilatus‹/›Sachsenstimme‹ vom 11. 9. 1904 (»Mehr Licht über Karl May«): »Sie (Frau May) verwies mich auf Chateaubriands wundervolles Buch Attala, dessen entzückende Schilderungen der amerikanischen Naturschönheiten nicht auf Selbstgesehenes, sondern auf die Phantasie des Dichters zurückzuführen seien« (von Pöllmann S.308 f. wörtlich zitiert). - Zu Chateaubriand, der tatsächlich einige Zeit in Amerika war, und zu seinem Indianerroman ›Atala‹ vgl. Rudolf Beissel in: KMJB 1918, 223 f.
50Flugblatt Fehsenfelds vom 22.4.1910 »An die Leser Karl Mays« (vgl. Wollschläger a. a. O., 143).
51vgl. Anm. 10
52vgl; Wollschläger/Bartsch, ›Karl Mays Orientreise 1899/1900‹, in: Jb-KMG 1971, 174
53vgl. Foto im Jb-KMG 1971, gegenüber S. 160 und in ›Ich‹, 29. Aufl., Bildtafel 16
54Einer der ursprünglich geplanten Titel für ›Mein Leben und Streben‹
55Flugblätter Karl Mays vom August 1907 (auf hellgrünem Papier gedruckt): Die »Rettung« des Herrn Cardauns; An die deutsche Presse, Ist Cardauns rehabilitiert?; Aus dem Lager der May-Gemeinde
56Am 20. 9. 08 wurde Ildefons Schober dritter Erzabt von Beuron (vgl. Plaul, a. a. O. S. 485, Anm. 354).
57»Fürstenberg, deutsches mediatisiertes Fürstentum von 2090 qkm . . . liegt unzusammenhängend in dem südl. Teile Schwabens und steht seit 1806 unter der Landeshoheit von Baden, Württemberg und Hohenzollern-Sigmaringen (Preußen).« (Brockhaus Konversationslexikon, Bd. 7, Leipzig 1908, 312)
58Ein von Karl May im Alter gern gebrauchtes Bild. Vgl. z. B. ›Babel und Bibel‹ 2. Akt, 20. Auftritt: Nicht Einzelwesen, Drama ist der Mensch,/Um Zeit und Ort mit Handlung zu beleben,/Und deres dichtet, wohnt nicht im Gehirn/Und nicht im Leib - - -
59Laut einer undatierten Zettelnotiz stellte May sogar fest: Humoresken schrieb ich von 1860 an. Erzgebirgische . . . von 1866 an. Winnetou . . . von 1870 an. »Wüste~ ... von 1878 an. (Zitiert nach: Hans Wollschläger, Karl-May-Bibliographie. Konzept. Ungedr. Manuskript 1962). Vgl. auch Hainer Plaul in: Jb-KMG 1975, 182f.
60Der einzige nachweisbare Abdruck der ›Geographischen Predigten‹ erschien 1875/76 in der Zeitschrift ›Schacht und Hütte‹ (Verlag H. G. Münchmeyer Dresden). Die später im ›Kürschner‹ stets aufgeführte »3. Aufl 1880« dürfte Fiktion sein (vgl. auch Erich Heinemann in diesem Jahrbuch S. 202); immerhin



beweist diese sicher auf Mays Information beruhende Angabe, wie wichtig ihm noch in späterer Zeit dieses Frühwerk erschien.
61in der Erzählung ›Old Firehand‹, Abdruck in: ›Deutsches Familienblatt‹ (Verlag H. G. Münchmeyer, Dresden) 1875/76; ob ein anonymer Abdruck in Lieferungsheften evtl. noch früher zu datieren ist, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden.
62Ansgar Pöllmann als Priester und Schreiber (Scheik ul Islam?), vgl. Anm. 25
63vgl. Mein Leben und Streben I, S. 208, und Plaul, a. a. O., S. 409 f. (Anm. 213)
64Schamah. Reiseerzählung aus dem Gelobten Lande von Karl May, in: ›Efeuranken‹ Jg. XVIII, 1-6 (1907/08); erste Buchausgabe als Bd. 7 der ›Bibliothek Saturn‹ (Stuttgart 1910); heute in bearbeiteter Fassung enthalten in Ges. Werke, Bd. 48; unveränderter Nachdruck der Erstausgabe in: Karl May, Der große Traum (dtv 1034), München 1974, 170-240
65Gemeint ist der einführende Text von Prof. Dr. Johannes Werner zu: Sascha Schneider, ›Titelzeichnungen zu den Werken Karl Mays‹, Freiburg o. J. (1905); unveränderter Neudruck u. d. T. ›Empor zum Licht!‹, Radebeul o. J., Bilder und Text heute enthalten in: Hansotto Hatzig, Karl May und Sascha Schneider (Beiträge zur Karl-May-Forschung, Bd. 2), Bamberg 1967.
66vgl. Mein Leben und Streben I, S. 259 ff.
67Huc, Gabet und Heine sind die von Pöllmann ermittelten Quellen Mays zum ›Kiang-lu‹ (vgl. ›Streiflichter‹).
68Flugblätter als Beilage zum ›Bund‹ (vgl. Plaul a. a. O., S.495, Anm. 380). Die große Schmähschrift von Lebius ›Die Zeugen Karl May und Klara May‹ lag zu jener Zeit noch nicht vor, sondern erschien erst im Herbst 1910.
69Schon in den Hist.-polit. Blättern 1900, S. 745 (›Der Helledank‹) beklagte sich Pöllmann: »Karl May streicht mit seinen Abenteuer-Romanen Riesensummen ein und Helle darbt . . .« (Friedrich Wilhelm Helle, Verfasser von ›Jesus Messias‹).
70Lebius in ›Mehr Licht über Karl May‹ (vgl. Anm. 49): »Er (May) entwickelte . . . eine höchst mystische Zweiseelentheorie . . .« May kennzeichnete diese Behauptung in seinem Schriftsatz ›An die 4. Strafkammer des Königl. Landgerichts III in Berlin‹ vom Juni 1910 (S. 13) als »absichtliche Fälschung« Nr. 48. Die »Zweiseelentheorie« übernahm noch nach Mays Tode Alfred Kleinberg in seinen umstrittenen May-Nekrolog (zitiert bei E. A. Schmid Eine Lanze für Karl May, Radebeul 1918, S. 12; vgl. dazu Schmid a. a. O., S. 35).
71vgl. ›Streiflichter‹, S. 283 ff.
72Gemeint ist der Charlottenburger Prozeß vom 12.4. 1910, der »schwärzeste Tag in Mays Alter« (Wollschläger, a. a. O., S.139), Klara Mays einzige Tagebuch-Eintragung unter diesem Datum besteht aus drei Kreuzen. Vgl. dazu auch: M. Jacta, Zu Tode gehetzt (Der Fall May), in: Berühmte Strafprozesse. Deutschland III, München 1972 (Sonderdruck des May-Abschnitts auch: Bamberg 1972).
73Phantasievoll ausgeschmückte Schilderung bei Fritz Barthel, Letzte Abenteuer um Karl May (Bamberg 1955), Kapitel: »Das kann man tun in Allemagne?«





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