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HEINZ STOLTE

Wertung im Widerspruch - Ein Literaturbericht



1. Horst  K ü n n e m a n n : Kinder und Kulturkonsum, Überlegungen zu bewältigten und unbewältigten Massenmedien unserer Zeit, unter Mitarbeit von Ingeborg Künnemann, 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Weinheim und Basel 1974. Darin: Kritische Einzelheiten zum Karl May-Phänomen, S. 110-121

2. Klaus  L i n d e m a n n : Verdrängte Revolutionen? Eichendorffs »Schloß Dürande« und Karl Mays Klekih-Petra-Episode im »Winnetou«-Roman, in: Aurora, Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft, Band 34(1974), S. 24-38, sowie: Echo auf die Deutung von Karl Mays Klekih-Petra-Episode, Aurora 37(1977), S. 223

3. Jochen  S c h u l t e-S a s s e : Karl Mays Amerika-Exotik und deutsche Wirklichkeit, in: Literatur für viele 2, hrsg. v. Helmut Kreuzer = Beiheft 2 der Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Göttingen 1976, S. 123-146

4. Friedhelm  M u n z e l : Karl Mays Frühwerk »Das Waldröschen«, eine didaktische Untersuchung als Beitrag zur Trivialliteratur der Wilhelminischen Zeit. Diss. Dortmund 1977 (Dissertationsdruck) 524 S.

5. Sibylle  B e c k e r : Karl Mays Philosophie im Spätwerk (Wissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt am Gymnasium) = Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 3. KMG-Presse Ubstadt, 1977, 108 S.

6. Helmut Heinrich  S c h m i e d t : Karl May, Studien zu Leben Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers. Diss. Bonn 1977 (Maschinenschriftlich) 465 S.

7. Erhard  S c h ü t z , Jochen  V o g t  u. a.: Einführung in die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, Band 1 Kaiserreich, in: Grundkurs Literaturgeschichte. Westdeutscher Verlag Opladen 1977


1.

Über das »Dilemma der Literaturpädagogik« in bezug auf eine zutreffende Beurteilung des Phänomens Karl May habe ich im ersten Teil meiner Abhandlung »Ein Literaturpädagoge« (Jb-KMG 1972/73) mancherlei Grundsätzliches ausgeführt. Dabei wurde wohl vor allem deutlich, auf welch niedrigem geistigen Niveau und mit welch platten Argumenten in der Vergangenheit jahrelang mit Spiegelfechtereien beim Für und Wider (besonders namentlich beim Wider!) um den umstrittenen Jugendautor agiert worden ist. Von Beispielen aus dem Sortiment solcher Läppischkeiten hatte ich geglaubt absehen zu können: Künnemanns damals soeben erschienenes Buch »Kinder und Kul-


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turkonsum« hätte sonst wohl dazugehört. Aber der Autor hat damit inzwischen zum zweiten Male zugeschlagen, gilt demnach doch auch als ein besonders versierter Experte auf seinem Fachgebiet, und so kommen wir wohl diesmal nicht umhin, wenigstens das Exempel zu statuieren.

Es geht uns dabei hier ja nur um das, was Horst Künnemann speziell zum Thema Karl May geschrieben hat, aber ich stehe nicht an zu verraten, daß ich unseren Befund hierüber durchaus als pars pro toto verstanden wissen möchte. Das übrige ist auch nicht anders. Das ist nicht verwunderlich, wenn schon am Eingang eines Buches ein so schief und verquer formulierter Titel steht. »Kulturkonsum« -, was für ein Wort aus der Sphäre des Ungeistes, des Banausentums, für eine Sache, die doch auf jeden Fall eine des Geistes ist. Ich konsumiere  K u l t u r? Welch ein gräßlicher Gedanke! »Konsumieren« heißt (laut DUDEN und seit jeher) verbrauchen, verzehren. Und so konsumiere ich denn auch mit gutem Gewissen Eier, Wurst und Schinken, und wenn ich das konsumiert habe, dann sind Eier, Wurst und Schinken weg, sind verzehrt, sind verputzt. Aber nun verputze mal einer »Kultur«! Kultur kann man schaffen, fördern, entwickeln, ausbreiten und zerstören -, »konsumieren« kann man sie nicht. Ich zweifle nun nicht daran, daß auch der Autor Künnemann das weiß, und daß sein Titel auch  s o  nicht gemeint gewesen ist. Aber das ist es wohl eben: Was man richtig weiß, darf man nicht falsch sagen.

Gleiches gilt leider auch von dem Untertitel, den Künnemann beigegeben hat, um damit klarzumachen, wovon er in seinem Buch zu reden gedenkt, nämlich von den »bewältigten und unbewältigten Massenmedien unserer Zeit«. Massenmedien, das sind - nach unserem Verständnis - Presse, Radio, Fernsehen, nach Künnemann aber auch Bilderbücher, Comics, Märchen, Puppenspiel, Kindertheater und eben auch Karl May, so will es jedenfalls das Inhaltsverzeichnis. Möge es so sein und Karl May als Massenmedium firmieren, aber nun hat der Autor diese Massenmedien, gleichsam die Lindwürmer und Drachen, die bedrohenden Ungeheuer unserer modernen Welt, bereits in seinem Untertitel in zwei Gruppen säuberlich getrennt: in »bewältigte« und »unbewältigte«. Man sieht ihn ja geradezu vor sich als Drachentöter, wie er die einen schon bewältigt hat - da liegen sie und rühren sich nicht mehr -, die anderen aber gerade zu bewältigen erst beginnen wird. Das könnte spannend sein, aber wer nachliest, wird sehen, daß davon


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jedenfalls in diesem Buch nichts zu finden ist: der Autor hätte nämlich in seinem Untertitel eigentlich etwas anderes sagen wollen, als was er tatsächlich gesagt hat. Er wollte sagen, daß er, der Autor, natürlich alle diese Ungeheuer schon bewältigt hat, daß aber die anderen, die Eltern und die Kinder, von ihm darüber aufgeklärt werden sollen, wie wohl auch sie solche Massenmedien bewältigen könnten. Denn dieses Buch, so heißt es auf dem Umschlag, »gibt Ratschläge, wie Eltern sich selbst und ihre Kinder zu kritischen und bewußten Konsumenten erziehen können«.

Ein Sonderkapitel, wie schon angedeutet, handelt nun davon, wie man, kritisch und bewußt (!), den Karl May konsumiert. Künnemann unterbreitet uns, so heißt die Kapitelüberschrift, »Kritische Einzelheiten zum Karl May-Phänomen«. Aber hier stock ich schon, weil der Literaturpädagoge die Orthographie nicht bewältigt hat, denn hätte er den DUDEN konsumiert, so hätte er »Karl-May-Phänomen« und nicht »Karl May-Phänomen« geschrieben. Lassen wir das und auch solche sprachlichen Sonderlichkeiten wie jenen »negativen Beigeschmack aus dem Blickwinkel . . . «, die »klischeehaften Eisbeine«, den »handgewirkten Humor« und ähnliches beiseite. Es geht vielmehr um die  S a c h e.

Ein Rezensent, der bestrebt sein muß, sich ein Bild über die Qualifikation des Autors, mit dem er es zu tun hat, zu machen, wird zu seiner Orientierung mit besonderer Aufmerksamkeit die Bibliographie, die jener aufschlüsselt, zu studieren und zu würdigen haben. Dies gilt vorzüglich in unserem Fall, da der Autor ausdrücklich erwähnt, die Sekundärliteratur über May sei »beängstigend angeschwollen« und habe schon mehr Bücher hervorgebracht als der Karl May selbst. Es lag ihm daran, aus solcher Fülle die besten und wichtigsten Bücher auszuwählen, und - wie er, die Leser motivierend, ausführt: »Wenn wir am Schluß dieses Kapitels eine Auswahl dieser Sekundärliteratur nennen, so in der Hoffnung, zu neuen Diskussions- und Denkanstößen beizutragen.« Das soll er nicht vergeblich geschrieben haben. Seine Bücherliste umfaßt 23 Titel, darunter hat er das Jb-KMG kulanterweise sogar zweimal verzeichnet, einmal in der Mitte und einmal am Schluß der Liste, einmal mit der Jahreszahl 1970, einmal mit der Jahreszahl 1971, einmal mit Claus Roxin als Herausgeber, einmal mit Claus Roxin als Verfasser. Ähnliche Aufmerksamkeit erfährt Forst-Battaglia, dessen May-Monographie von 1931 die Liste anführt, während die zweite


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Fassung des Werkes ohne Jahreszahl in der zweiten Hälfte der Liste gesondert erscheint. Arno Schmidts »Sitara« finden wir, wie es sich gehört, als in Karlsruhe 1963 erschienen verzeichnet, aber darüber hinaus nennt Künnemann noch eine Taschenbuch-Ausgabe, von der er uns verrät, sie sei »bei (sic!) rororo, Reinbek, Hamburg« erschienen. Freilich ist Künnemann wohl der einzige Mensch, der je diese rororo-Ausgabe hat konsumieren können; wir anderen müssen uns mit der Fischer-Taschenbuchausgabe begnügen.

Überhaupt scheint sich Künnemann ausgiebig in einer Art Gespensterbibliothek umgetan zu haben: er konsumierte und empfiehlt seinen Lesern drei schöne Bücher, die zweifellos manches zum Karl-May-Phänomen zu sagen hätten, die aber leider den einen Fehler gemeinsam haben, daß es sie gar nicht gibt, nämlich: Erich Wulffen, »Karl Mays Inferno«, Karl May-Verlag (sic!), Bamberg; Ludwig Gurlitt, »Die Karl May-Frage«, Karl May-Verlag, Bamberg; Roland Schmid/Franz Kandolf, »Winnetou - die Entstehung einer Legende«, Karl May-Verlag, Bamberg. Es müssen absonderliche Kriterien gewesen sein, nach denen Künnemann seine Auswahl getroffen hat. Doch wichtige Bücher, die es  n i c h t  gibt, aufzuführen, das gleicht er vollkommen dadurch wieder aus, daß er wichtige Bücher, die es gibt,  n i c h t  aufführt. Daß beispielsweise das bisher wohl wichtigste zum Thema einer literaturpädagogischen Wertung Karl Mays, Ingrid Brönings Dissertation »Die Reiseerzählungen Karl Mays als literaturpädagogisches Problem«, ein Jahr vor der 2. Auflage des Künnemannschen Buches erschienen (vgl. Jb-KMG 1974, 239-242), seitdem aber die Grundlage für alle ernstzunehmende Diskussion dieser Problematik, dem Autor Künnemann ganz unbekannt geblieben zu sein scheint, ist ein weiteres Indiz zur Beurteilung seiner wissenschaftlichen Kompetenz.

So qualifiziert, hat Küunemann sich daran gemacht, das Massenmedium Karl May auf 10½ Druckseiten zu bewältigen. Nicht daß er etwas sagt, was nicht schon vor mehr als siebzig Jahren an Argumenten gegen May gesagt worden wäre. Aber in manchen Einzelheiten hat er den fossilen Bestand doch um Nuancen bereichert. Es gibt da einiges, was man nicht mehr spaßhaft nehmen kann. »Die gefährlichsten Unwahrheiten«, sagte Lichtenberg, »sind Wahrheiten, mäßig entstellt.« Wer für die Gültigkeit dieses Ausspruchs Belege sucht, dem liefert sie Künnemann, und ich will hier zwei Beispiele davon niedriger hängen.

1. Es ist wahr, daß bei Karl May der Held in manchen heiklen und


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gefährlichen Unternehmen den ihn bedrohenden Gegner mit seinem berühmten Jagdhieb besiegt. Es ist auch wahr, daß Mays Ich-Held unendlich viele Diskussionen, Streitgespräche führt. Daraus zimmert nun Künnemann (S. 113) seine Behauptung, der Held habe die Gewohnheit »durch seinen Jagdhieb« einen »leidigen Diskussionsteilnehmer in Kurzschlaf« zu versenken. Einen Diskussionsteilnehmer! Man weiß, was eine Diskussion ist? Man setzt sich zusammen, um eine strittige Frage gesprächsweise zu klären. Und dann, so mitten im Sachgespräch, bekommt der »Diskussionsteilnehmer« vom Old Shatterhand, diesem Unhold, einen Boxhieb an den Schädel, daß ihm Hören und Sehen vergeht. So und nicht anders müssen sich harmlose Leser (Künnemanns »Konsumenten«) die Sache doch vorstellen; allerdings wohl nur diejenigen, die Karl-May-Bücher nie frequentiert haben. Die anderen, die echten May-Leser, die Zwölf- oder Dreizehnjährigen, die eigentlichen Kenner, die wissen, daß es dergleichen bei Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi nirgends gibt, sie werden solche mäßig entstellte Wahrheit auf ihre Weise charakterisieren und sagen: »Erstunken und erlogen!«

2. Da hat 1962 der Landtagspräsident des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Helmut Lemke, in einem Programmheft der Segeberger Festspiele »zum Geleit« geschrieben, die »junge Generation« möge »sich an diesen Spielen erfreuen« und bei den älteren Besuchern möchten »gute Erinnerungen an jene Zeit wachgerufen werden, in der sie sich für Karl May und seine Erlebnisschilderungen interessierten«. Nicht mehr und nicht weniger. Und es ist für jedermann klar ersichtlich, was Helmut Lemke gemeint hat: dasselbe nämlich, was uns Ernst Bloch ins Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1971 geschrieben hat: »Charley - schöne Erinnerung aus der eigenen Jugend beim Gedenken an Karl May.« Künnemann, der Bewältiger, hat nun die oben wiedergegebene Äußerung Lemkes zitiert und sogleich als »reaktionäres Gerede« bezeichnet. Denn warum? Weil, so führt er erklärend aus, im Jahre 1939 ein Bilderbuch des Karl-May-Verlages herausgekommen ist, und darin wurde am Schluß »in gotischer Schrift "Deutsche Jugend am Eingang zur Felsenbühne" in Rathen, Elbsandsteingebirge, gezeigt«. Ich zitiere hier wörtlich, Künnemann drückt sich wirklich so verschroben aus und muß wohl wissen, wie man denn »Jugend in gotischer Schrift im Elbsandsteingebirge  z e i g e n « kann. »Die Szene«, so schreibt er weiter, »beherrschten Hitlerjungen in Uniformen. Auch


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ihre Fahnen haben sie gleich mitgenommen. Interessant, wenn auch traurig und makaber zugleich, wäre die Frage zu stellen, wer von den damaligen jungen Leuten das Ereignis überlebte, das noch im selben Jahr 1939 seinen Anfang nahm und das in den Geschichtsbüchern der Schulen als Zweiter Weltkrieg firmiert.« Jetzt, nachdem er seine Frage so »interessant, traurig und makaber zugleich« gestellt hat, ist Künnemann denn auch da, wohin er strebte, und jammernd ruft er aus: »Was mag, um Himmelswillen, Landtagspräsident Lemke mit den "guten Erinnerungen an jene Zeit" gemeint haben!« Nun, was mag er wohl? Wo doch der Zweite Weltkrieg in Geschichtsbüchern »firmiert«? Um Himmelswillen! Der Mann will seinen toten Hitler wiederhaben! Ersehnt sich jene Zeit zurück! Möchte wieder deutsche Jugend in gotischer Schrift im Elbsandsteingebirge zeigen! Und doch hätte Horst Küunemann sich an den Fingern abzählen können, daß jedenfalls für Helmut Lemke »jene« Zeit, in der er, Jahrgang 07, sich »für Karl May und seine Erlebnisschilderungen interessierte«, so etwa um 1920 herum gelegen hat und nicht zwei Jahrzehnte später. Und auch hätte Horst Künnemann uns nicht zu verschweigen brauchen, was derselbe Helmut Lemke in einem weiteren Geleitwort (1967) zu demselben Spiel »Unter Geiern« von der Aktualität Karl Mays geschrieben hat, nämlich: »Wie aktuell ist gerade in unseren Tagen Old Shatterhands Aufruf zum  F r i e d e n  der Stämme!«

Na ja, von solchen Sachen hält wohl Horst Künnemann nicht viel, zitiert er doch auch, daß Bürgermeister und Bürgervorsteher von Bad Segeberg die Meinung geäußert haben, daß »unser Dichter . . . immer für die Sache des Rechts und der Gerechtigkeit eintrat«. Man höre: für Recht und Gerechtigkeit! Da kann Horst Künnemann nur lachen. »Potzblitz«, schreibt er, »wenn das keine Ewigkeitswerte sind!«

Ich manipuliere nicht: er hat das wirklich so geschrieben. Hat das geschrieben in einem Buch, das den Eltern dienen soll, ihre Kinder zu angemessener Lebensart anzuleiten. Potzblitz! Ein »Pädagoge« hat das geschrieben! Geschrieben hat er auch den Satz: »Mit Verboten KM vom Schauplatz zu fegen, ist untauglich.« Man vernehme das: »Untauglich« ist es, es erweist sich in diesem Falle als nicht recht geeignet. Wäre es tauglich, würde es Erfolg versprechen, würde man es durchführen können, ja, dann wäre es wohl das Wünschenswerteste, diesen Schriftsteller mit Verboten »vom Schauplatz zu fegen«. Nun, daß er wenigstens in einem Teile Deutschlands seit Jahren vom Schauplatz


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gefegt ist, das wird Horst Künnemann jedenfalls zur Genugtuung gereichen. Aber weil wir »keine Zensur in unserem Lande haben«, müssen wir uns wohl oder übel, sagt Künnemann, »Gedanken machen, wie wir selbst und unsere Kinder mit KM weiter leben können.« (S. 118)

Müssen wir wohl. Wollen ihn doch sogar »bewältigen«, diesen KM. Und wer hätte wohl gedacht, daß dies so einfach sein würde, wie es Horst Künnemann uns gemacht hat. Das ganze Geheimnis besteht darin, daß wir uns und unseren Kindern sechs Fragen stellen. Sind die richtig beantwortet, dann ist der KM bewältigt, und dann werden (sic!) »unsere Kinder . . . uns dabei ertappen«, daß wir »preiswerte Taschenbücher von 2-3,80 DM« von »Frederik Hetmann, von der Liselotte Welskopf-Henrich oder von Christopher S. Hagen lesen«.

Die erste Frage lautet: »Haben die Helden Karl Mays wirklich gelebt - oder sind sie nur erfundene Gestalten?« Dreimal dürfen wir da raten.

Die zweite: »Stimmt das Geschichtsbild, das KM zeichnete oder erfahren wir aus anderen Büchern, aus Filmen oder Fernseh-Dokumentationen ganz gegenteilige Antworten?« Nun, ich würde darauf sagen: Das Geschichtsbild stimmt, so im großen und ganzen, und Filme und Fernsehdokumentationen von heute können uns rein gar nichts darüber sagen, ob dies Geschichtsbild vor hundert Jahren gestimmt hat.

Die dritte Frage heißt: »Die Konflikte, die KM aufbaut, sind sie logisch überzeugend, können sie an der eigenen Erfahrung und der Wirklichkeit des Lesenden vergleichend gemessen werden? Wenn nicht, stammen sie nur aus der Vorstellungs- und Erfindungsgabe des Schreibenden, haben sie ihre eigene Realität nur zwischen den beiden Buchdeckeln, zwischen denen ich ihnen begegne.« Und damit sind wir denn auf dem tiefsten Grunde geistiger Niveaulosigkeit angelangt. Das ist das Letzte. Was seine eigene Realität hat zwischen den Buchdekkeln, was »aus der Vorstellungs- und Erfindungsgabe des Schreibenden« stammt, das wird Horst Künnemann nicht gelten lassen als Literatur, da fegt er den KM »vom Schauplatz«, dahin, wohin nach solchem Kriterium sie alle gehören, von Novalis bis Kafka, von Tieck bis Günter Grass, alles das, was so seine eigene Realität zwischen den Buchdeckeln hat. Aber was seine Frage betrifft: Konflikte, wird man ihm antworten müssen, kann man zwar hervorrufen und auslösen, aber


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»aufbauen« kann man sie nicht. Konflikte sind niemals »logisch überzeugend«, deshalb versucht man ja auch, sie zu beseitigen. Doch mit der Wirklichkeit »vergleichend messen« kann man sie immer.

Und weiter fragt Horst Künnemann: »Könntest Du Dir Old Shatterhand oder Kara ben Nemsi in der Gegenwart vorstellen? Mit welchen Kräften und Gegenmächten würde er unzweifelhaft zusammenstoßen?« Da stehe ich nun nicht an, mit Begeisterung zu antworten: »Das müßte lustig sein! Etwa so, wie der Trapper Geierschnabel in Deutschland? Oder vielleicht doch tragikomisch wie der KM in der Affäre Stollberg?« Man sollte darüber nachdenken, wie denn ja auch manche Zeitgenossen des Old Shatterhand, der Marx und der Engels, der Bismarck und der Kaiser Wilhelm, sich heute gleichermaßen verdutzt in der Welt umschauen würden. Potzblitz!

Noch fragt der Autor, ob man Abbildungen der Wunderwaffen Karl Mays (er zählt merkwürdigerweise auch die harmlose Silberbüchse zu den »Wunderwaffen«) gesehen habe, oder ob das »Ausgeburten von KMs Fantasien« sind. Da verweisen wir der Einfachheit halber auf Hoffmanns Aufsatz im Jb-KMG 1974.

Die letzte Frage aber hat es in sich: »Gibt es Widersprüche im Handlungsablauf und worauf sind sie zurückzuführen?« Na, und ob es Widersprüche gibt! Noch und noch! Und wo gibt es die nicht? Gibt es sie doch auch bei Horst Künnemann, der uns endlich, nachdem er uns sechs Fragen hindurch alle frei erfindende Phantasie, alle poetische Lizenz hat madig machen wollen, überraschenderweise mitteilt, es laufe »unsere Kritik darauf hinaus, nicht blühende Vorstellungsgabe und lebhafte Fantasie anzuschwärzen«, sondern zur Erkenntnis zu verhelfen, daß man »bei der Lektüre KMs auf doppeltem und hohlem Boden steht«. Versteh es einer, der's kann: Doppelt, so sagt man jedenfalls immer, hält besser!

Damit wäre nun der KM bewältigt, man wird es kaum glauben wollen, aber - sagt Künnemann - »denkbar« ist, daß wir »eines Tages der trivialen Handlungsmuster und Personenraster KMs überdrüssig« werden.

Denkbar ist das! Eines Tages. Besonders der »Personenraster«. Aber nicht wegen der intellektuellen Unbedarftheit und geradezu mitleiderregenden Schwäche, artikuliert zu sagen, was er leidet, haben wir uns mit diesem Literaturpädagogen so lange abgegeben. Er gilt mir vielmehr in einer besonderen Beziehung als ein Musterbeispiel. Es ist,


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wenn hier schon immer vom Karl-May-Phänomen die Rede gewesen ist, sozusagen das »Lebius-Phänomen«, das uns hier einmal mehr vor Augen geführt worden ist. Künnemann ist einer aus einer ganzen Reihe. Es ist eine eigenartige Erscheinung, daß ein rein literarisches Werk, das Opus eines Erzählers, nicht nur Kritik und Tadel erfahren hat, was ja durchaus in der Ordnung ist, sondern immer wieder in einzelnen dieser Kritiker merkwürdig übersteigerte Emotionen zu Tage fördert, gehässige Aggressionen und inquisitorische Gelüste, die auch vor Lügen, Fälschungen und Verleumdungen nicht zurückschrecken. Das entsprechende Vokabular eingeschlossen: das reicht vom »geborenen Verbrecher« bis zum »garnierten Schweinskopf«, wie es gerade so kommt. Man fragt sich erstaunt, warum all diese Pöllmann, Fronemann, Vollmann und Künnemann, warum auch sonst biedere Pädagogen, sobald es sich um Karl May handelt, sich dermaßen mit Gift schwängern, daß sie Objektivität, Fairneß und Seriosität verlieren. Auch in dieser Beziehung, was das Lebius-Phänomen betrifft, ist Karl May offenbar ein klassischer Modellfall.


2.

An einem Ort, an dem man dergleichen nicht zu finden erwartet hätte, nämlich im Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft, hat Klaus Lindemann den »korrumpierten Bürger Karl May« (ohne ehrenkränkende Attribute geht es nun einmal nicht, wenn es sich um May handelt) einer Untersuchung darüber gewürdigt, wie es bei ihm denn mit der Gretchenfrage stünde, das heißt: mit seiner Meinung über Revolutionen im allgemeinen und die von 1848 im besonderen. Er greift zu diesem Zweck aus dem Winnetou-Roman die Klekih-petra-Episode heraus und analysiert sie, immer im Vergleich mit seiner vorangehenden Untersuchung von Eichendorffs Novelle »Das Schloß Dürande«. Was nun diese letztere betrifft, so sind Lindemanns Ausführungen darüber, exakt aus dem Text gefiltert, durchaus überzeugend, wenn er deutlich macht, wie sich in Eichendorffs Darstellung der Revolution von 1789, unter Umdeutung und Verkehrung tatsächlicher historischer Konstellationen, das Standes-, beziehungsweise Klasseninteresse des Adligen manifestiert, der Revolutionen überhaupt als verderblich ablehnt.

Auch Karl May, der korrumpierte Bürger, erweist sich nach Lin-


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demann als ein strikter Gegner von Revolutionen, und Lindemann zitiert, als Beweis für solche Korrumpiertheit, einen halben Satz Mays, in dem es heißt: » . . . stets ist die, wenn auch langsamere, aber friedliche Entwicklung der staatlichen Verhältnisse einer Überstürzung vorzuziehen, die rücksichtslos über Glück und Leben zahlreicher Bürger schreitet und den wirtschaftlichen Wohlstand ebenso wie die öffentliche Ruhe und Sicherheit erschüttert.« Manchen wird es natürlich nicht leicht fallen, sich zu vergegenwärtigen, was wohl an solchem Satz Empörendes zu finden sein möchte; ebensowenig wird es ihnen gelingen, nachzuvollziehen, wieso Lindemann zu der Behauptung berechtigt wäre, May hätte dem Indianer »von vorneherein« eine »Berufung zu höheren politischen und gesellschaftlichen Aufgaben« abgesprochen und dergleichen »in den Bereich des Phantastischen verwiesen«, wenn er, wie Lindemann ausdrücklich zitiert, seinen Klekih-petra über Winnetou sagen läßt: »Dieser Jüngling besitzt reiche Gaben. Wäre er der Sohn eines europäischen Herrschers, so würde er ein großer Feldherr und ein noch größerer Friedensfürst werden.« Haben wir nicht immer genau das Gegenteil aus dieser Stelle herausgelesen, das Gegenteil von dem, was Lindemann hineinliest? Dachte ich doch, der Klekih-petra hätte damit sagen wollen, daß auch Indianer »von vornherein« berechtigt wären, so hohe Funktionen zu übernehmen wie Söhne legitimer europäischer Herrscher, wenn nur die Verhältnisse wären, wie sie sein sollten. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus! Merkwürdig ist ja auch, daß Lindemann der Meinung zu sein scheint, Armut könne nur vor, nicht aber nach Revolutionen und als Folgen der damit verbundenen Zerstörung wirtschaftlicher Strukturen vorhanden sein, und daß er sowohl Eichendorff wie auch Karl May tadelt, weil sie da wohl anderer Meinung waren. Sie wußten vielleicht nicht, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Not, Elend, Misere - das sind, so sagt Lindemann, »die objektiv greifbaren Voraussetzungen der Revolution«, und die werden nach seiner Meinung durch May wie Eichendorff »in ihr Gegenteil verkehrt und zu negativen Folgen verfälscht«.

F ä l s c h e r  sind sie also beide, und doch besteht da, laut Lindemann, noch ein Unterschied des Grades: Wenn Eichendorff schon schlimm ist, der korrumpierte Bürger Karl May ist viel, viel schlimmer.

Über den lautet der Urteilsspruch wie folgt:

»War bei Eichendorff der Verlust der Vernunft eine entscheidende Ursache für die anarchistischen Aktionen . . . , so wird der Studienrat


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bei May in einer Wendung ohnegleichen ins Irrationale gerade wegen eines Übermaßes an Vernunft zum bösen Revolutionär: "Meine Göttin hieß Vernunft". Die frühromantische Kritik an der Trivialaufklärung lebt noch einmal auf, wenn ganz anachronistisch "Ideen der Aufklärung" die verwerfliche Motivation für den Revolutionär von 1848 abgeben: "In mir hatten die Ideen der Aufklärung Wurzel geschlagen . . . Mein größter Stolz bestand darin, Freigeist zu sein, Gott abgesetzt zu haben, bis auf das Tüpfelchen nachweisen zu können, daß der Glaube an Gott ein Unsinn sei."« Und hierzu ergänzend heißt es bei Lindemann: »Es zeigt sich, daß Karl May in seiner Abrechnung mit der Revolution von 1848, die sich in seinem Winnetou zu einer eigenständigen Episode ausweitet, den Leser nicht mehr zum Nachdenken - die "Vernunft" wurde vorweg verteufelt - über die Revolution, ihre Ursachen und mögliche Kompromisse als Konsequenz anregen will, wie es Eichendorff ganz sicher mit seinem Aufruf am Schloß des "Schloß Dürande" beabsichtigte, sondern ihn zu einem gerührten Einverständnis mit der bestehenden Ordnung, bzw. zur "Versöhnung" mit ihr, veranlaßt.«

Das totale Fehlurteil, das hier vorliegt, wäre, da es ungezählte ähnliche, aus mangelhafter Information oder Mangel an good will geflossene gibt, die man ja nicht im einzelnen behandeln kann, auch weiter nicht der Beachtung wert, hätte sich daran nicht ein höchst interessantes Nachspiel angeschlossen, indem es Anlaß dafür wurde, daß uns Claus Roxin einen der gehaltvollsten Beiträge zur Karl-May-Philologie überhaupt geschenkt hätte: »Vernunft und Aufklärung bei Karl May - Zur Deutung der Klekih-petra-Episode im "Winnetou"«, inzwischen in den Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 28 (Juni 1976, S. 25-30) veröffentlicht. Wie geradezu grotesk Lindemanns Fehlurteil sich darstellt, kann jeder ermessen, wenn er das eilfertige Kurzschluß-Verfahren Lindemanns mit Roxins emotionsloser Darlegung seiner aus überlegener Kenntnis der weiträumigen Werkstrukturen Mays geschöpften, philologisch fundierten und literaturpsychologisch gedeuteten Resultate vergleicht. Ich brauche den Lesern dieses Jahrbuches wohl die Quintessenz aus Roxins Aufsatz hier nicht näher vorzuführen, will aber noch dasjenige zur Sprache bringen, was mir an Lindemanns Aufsatz, soweit er May betrifft, als Prinzipielles und vielleicht Typisches bemerkenswert erscheint.

Typisch scheint es zu sein, daß mancher Germanist und Philologe,


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sobald er sich dazu entschließt, Karl May zu behandeln, wie unter einem merkwürdigen Bann alles das vergessen zu dürfen meint, was nun einmal jeder Philologe als elementare methodische Verfahrensregeln gelernt hat oder gelernt haben sollte. In diesem unserem Falle sind es gleich deren  d r e i .

1. Es ist nicht erlaubt, bei der Interpretation eines epischen oder dramatischen Textes Auffassungen, Ansichten, Meinungen und Äußerungen, die der Autor einer seiner fiktiven Personen beigegeben hat, mit denen des Autors selber zu identifizieren. Ein solches Verfahren kann nichts Richtiges ergeben. Dies ist fast eine Binsenwahrheit, aber Lindemann hat sich nicht daran gekehrt. Er interpretiert die Meinungen des Klekih-petra, bildet sich ein Urteil über dessen anscheinende Korrumpiertheit und stülpt, ohne jedes Federlesen, dies Urteil dem Autor Karl May über den Kopf. Ein Halbsatz aus anderem Zusammenhang genügt ihm zur Verifizierung.

2. Es ist nicht erlaubt, ein Urteil über das gesamte Lebenswerk eines Schriftstellers herzuleiten aus der Analyse eines Minitextes, der einen verschwindenden Bruchteil dieses Werkes ausmacht. Lindemann hat zwei oder drei Dutzend Zeilen aus dem Winnetou-Roman verwendet, um an diesem Beispiel seine These zu beweisen; Karl May aber hat in seinem Leben weit über eine Million Druckzeilen veröffentlicht (d. i. viermal soviel wie Thomas Mann). Ist es da verwunderlich, daß Lindemanns Verfahren zu einem falschen Ergebnis kommen mußte? Er hat ganz offensichtlich die für die von ihm aufgeworfene Frage entscheidendsten Partien des Mayschen Werkes überhaupt nicht gekannt, vor allem nichts geahnt von dem in den Kolportageromanen gehäuften Potential plebejischer Revolte und dem im Alterswerk (aber auch schon früher) artikulierten antiimperialistischen und antimilitaristischen Engagement. Schade!

3. Es ist nicht erlaubt, Texte philologisch auszuwerten, ehe man sich von der Authentizität dieser Texte zweifelsfrei überzeugt hat. Niemand (außer, wie er berichtet hat, Horst Künnemann) wird doch im Ernst etwa, um den Schriftsteller Karl May beurteilen zu können, sich in Bad Segeberg die Theaterfassungen vornehmen. Das tut Lindemann nicht, aber er nimmt sich den Band 7 der seit Jahrzehnten immer wieder bearbeiteten Bamberger »Leseausgabe« vor. Die Spatzen pfeifen es inzwischen von den Dächern, daß die Texte dieser Ausgabe für wissenschaftliche Zitierungen nicht verwendbar sind, weil die Wort-


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laute unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten verändert wurden, um sie im Wandel der Zeiten einem Massenpublikum eingängig zu halten. Philologische Fahrlässigkeit, die hätte vermieden werden können, wenn Lindemann sich auch nur ein wenig mit der gegenwärtigen Forschungslage vertraut gemacht hätte, mußte ja wohl zum Desaster führen. Unter den wenigen Sätzen, die von Lindemann aus Mays »Winnetou« zitiert werden, sind - so will es sein Pech - gerade diejenigen zwei, auf die er sein Urteil von Karl May als dem »korrumpierten Bürger« gebaut hat, nicht vom Autor des »Winnetou«, sondern von einem Bearbeiter interpoliert: »Meine Göttin hieß Vernunft« und »In mir hatten die Ideen der Aufklärung Wurzel geschlagen«. Helmut Schmiedt, Walther Ilmer und Hansotto Hatzig haben diesen Sachverhalt schon in den Mitteilungen der KMG Nr. 27 (S. 2) klargestellt. Lindemanns korrumpierter Anti-Aufklärer und Vernunftfeind löste sich in Luft auf. Die neuerliche Erklärung Klaus Lindemanns in Aurora 37 (1977, S. 223), die mit dürren Worten auf Hatzigs und Roxins sogenanntes »Echo« verweist, erscheint mir als der Sache nicht angemessen.


3.

Zur »sozialpsychologischen Funktion von Trivialliteratur im Wilhelminischen Deutschland« (wie er es im Untertitel seines Aufsatzes formuliert) hat sich Jochen Schulte-Sasse von einer Analyse der Werke Karl Mays besonders deshalb überzeugende Einsichten versprochen, weil dieser seiner Ansicht nach noch 60 Jahre nach seinem Tode einen »unvergleichlichen Erfolg« und eine »für die meist kurzlebige Trivialliteratur äußerst erstaunliche Popularitätsentfaltung« aufzuweisen habe. Auf 175 Millionen Leser allein im deutschsprachigen Raum schätzt Schulte-Sasse in einer Art Hochrechnung die literarische Gemeinde die May seit dem Erscheinen des ersten Bandes seiner Gesammelten Werke gefunden habe. Mit Recht geht er in seinen sozialpsychologischen Untersuchungen von diesem Massenphänomen aus, denn dieses aus seinen Ursachen zu erklären ist gleichbedeutend damit, zu untersuchen, welche Bedürfnisse seelischer Art in diesen Massen vorhanden sind und welche spezifischen Darbietungen Karl Mays solchen Bedürfnissen entsprechen.


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Schulte-Sasse beschränkt seine Untersuchung auf den von ihm so genannten »Anfangserfolg« und versteht darunter das letzte Jahrzehnt des 19. und das erste des 20. Jahrhunderts, einen Zeitraum, den man einerseits als die Entstehungsperiode der Gesammelten Werke Mays, andererseits politisch als Wilhelminisches Zeitalter auffassen kann. Er nimmt Karl May nicht als Jugendschriftsteller, sondern nach dessen eigener Einschätzung als Schriftsteller für das Volk, für das ganze Volk, nicht nur für einzelne Stände, für einzelne Altersstufen, was in dem fraglichen Zeitraum auch durchaus zutreffend gewesen sei, während (wie er an Erhebungen des Karl-May-Verlages zeigt) später eine Verschiebung in der Zusammensetzung der Leserschaft dergestalt eingetreten sei, daß die May-Leser ihrem Durchschnittsalter nach immer jünger wurden. Schulte-Sasse will auch den Begriff der Trivialliteratur, auf May angewandt, nicht in einem abschätzigen Sinne verstehen und bietet eine freilich etwas haarspalterische ästhetische Theorie auf, um eigentlich auf dasselbe hinauszukommen, was die Volkskunde in früheren Jahren als »Volksliteratur« oder »Volkslesestoff« bezeichnete.

Wenn indessen die literarische Volkskunde und noch Ueding die epischen Hauptmotive im Werke Karl Mays vorzugsweise so interpretiert hatten, daß sie darin die gewissermaßen säkularisierten, modifizierten Sagen-, Legenden- und Märchenmotive erkannten, wie sie seit Urzeiten die Phantasie einer unterschichtlichen Fabuliertradition beherrschen, also  z e i t l o s  schwebendes Erzählgut, so will Schulte-Sasse zeigen, wie solche Motive in der Epoche, in der Karl May seine Reiseerzählungen schrieb, einen besonders gelagerten aktuellen  Z e i t b e z u g  hatten. Er exemplifiziert dies an dem sozusagen bürgerlichsten aller Themen, dem Komplex Geld, Vermögen, Schatz, Reichtum, dem gleichen übrigens, dem in diesem Jahrbuch auch die Untersuchung Lowskys gilt, so daß ein Vergleich der Ergebnisse beider lehrreich sein dürfte.

Schulte-Sasses Arbeit unterscheidet sich vorteilhaft von der Serie derjenigen soziologischen Abhandlungen, die nach einem nun schon modisch gewordenen Klischee die breiten Massen der Leser von »Trivialliteratur« von vornherein als arme Kitsch- und Schundschlucker, als ästhetische Idioten elitärer Verachtung ausliefern. Namentlich manchen sogenannten »linken« Literatursoziologen scheint, anders als etwa Ernst Bloch und seiner Schule, der plebejische Mief, den sie in allen literarischen Massenerzeugnissen wahrzunehmen glauben, intellektu-


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ellen Ekel zu bereiten. »Diese Ansichten«, so heißt es bei Schulte-Sasse, »schleppen einen in der deutschen Geistesgeschichte unheilvollen Geistesträgheitsverdacht gegenüber den Massen fort«; doch richtiger wäre es, »allererst zu fragen, ob die Konsolationseffekte von Trivialliteratur nicht notwendig sein können für das Glück von Individuen«.

Daß eine solche Fragestellung aufs genaueste dem entspricht, was Karl May selbst gelegentlich über Konsolationseffekte seiner Erzählungen geäußert hat, liegt für den Kenner auf der Hand.

Was das Geld- und Schatzmotiv betrifft, so geht Schulte-Sasse von dem Befund aus, daß in Mays Erzählungen so erstaunlich »viele wertvolle Gegenstände, Geldbeträge, Wertpapiere gefunden oder erworben, gestohlen und verfolgt werden«. Noch erstaunlicher aber ist ihm die Beobachtung, »daß May sich und seinen Lesern in den meisten Fällen das materielle happy end versagt«. Eben dieses, was Schulte-Sasse Mays »Verluststereotyp« nennt, ist aber durchaus eine Variante, durch die sich die Geld- und Schatzthematik bei May von derjenigen im Märchen abhebt, wo ja gemeinhin die Sterntaler, die da vom Himmel regnen, zu Glück und Freud nach Hause getragen werden. Verbunden ist das Verluststereotyp, bei dem eben vor allem der Hauptheld selber leer ausgeht und auch leer ausgehen will, mit der durch alle Maybände hindurch wiederholten, ebenso stereotypen Wendung, daß Reichtum an Geld verächtlich, erstrebenswert aber Reichtum an Weisheit und Erfahrung, an Ehre und Ruhm, an Gnade bei Gott und den Menschen sei. Schulte-Sasse zitiert diese Wendung aus Winnetou I, wobei (wie ich hinzufüge) die Gnade bei Gott und den Menschen wieder einmal ein auffälliger Anklang an Nathans Ringparabel darstellt.

Mit solcher Variante bezeugt sich, so die Hypothese des Verfassers, die Zeitbezogenheit, indem sich darin nicht nur persönliche moralische Anschauungen Karl Mays, sondern die mannigfaltigsten verwirrenden Erfahrungen, die Wünsche und Enttäuschungen einer ganzen Kleinbürgerschicht widerspiegeln, die in der Zeitspanne von 1873 bis 1896, im Zeitalter der »Großen Depression«, den langanhaltenden Auswirkungen einer Wirtschaftskrise ausgesetzt war, nachdem mit dem Börsenkrach von 1873 die üppige »Gründerzeit« geendet hatte. Die sich von »materialistischen« Strebungen ab- und so betont den »idealistischen« Werten zuwendende Deklamation vom »inneren Reichtum« und »wahren Glück« der Seele, diese ursprünglich dem armen Weber-


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sohn und deklassierten Schullehrer naheliegende Tröstung, konnte nach Lage der Umstände von einer ganzen Schicht wirtschaftsgeschädigter Kleinbürger zugleich als seelenstärkender Zuspruch verstanden werden: leer ausgehende Schatzsucher, wie sie doch alle waren! Darin liegt nach Schulte-Sasse der eigentliche »Konsolationseffekt«, den für die großen Massen nur diese Art von Lesestoff, die Trivialliteratur, haben kann.

Karl May habe übrigens die gesellschaftliche Problematik der deutschen Wirklichkeit in seinen exotischen Erzählungen nicht einfach abgestreift und hinter sich gelassen, um in ein unverbindlich-fiktives Wolkenkuckucksheim zu entschweben, sondern habe sie, diese deutsche Wirklichkeit, in verfremdeten Modellfällen in die Exotik transponiert, insofern also das Gegenteil von Romantik bewiesen. In diesem Zusammenhang vermerken wir mit Interesse, daß nun auch Schulte-Sasse, offenbar ohne Kenntnis des Aufsatzes von Lindemann, seinerseits Karl May mit Eichendorff konfrontiert. Und nun mit genau umgekehrten Vorzeichen. »Karl May«, so schreibt er, »darf auf keinen Fall als ein von antizivilisatorischen Affekten geprägter Romantiker oder Rousseauist betrachtet werden. Wenn der Romantiker Eichendorff dichtet

O Täler weit, o Höhen,
O schöner grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtiger Aufenthalt!

Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäftge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!

dann setzt er ohne Einschränkung die heilige Natur als positiven Raum der zivilisierten Welt als negativem Raum entgegen. Auch Karl May hat in seine Romane ganz bewußt Idyllen eingebaut, deren Bedeutung als Erinnerung an das, wie es sein könnte oder war, nicht unterschätzt werden darf. Die wichtigste ist das "Helldorf-Settlement", eine verwirklichte Utopie, die lange wie ein Wunder von dem Getriebe des Westens verschont geblieben war. "Tief ergriffen war ich", so schrieb ein Leser an Karl May, "ein Schauer rüttelte meinen Körper, als ich jene Stelle las, wo Old Shatterhand und Winnetou die Helldorf-Settle-


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ment so urplötzlich in dieser wunderbaren Naturschönheit entdeckten . . . " Aber auch diese rückwärtsgewandte utopische Idylle . . . wird schließlich dem stetigen Kampf zwischen dem Guten und Bösen, zwischen dem materialistischen und dem idealistischen Prinzip geopfert. Der Erzähler May holt in seinen abgeschlossenen Handlungsraum die ideologischen Auseinandersetzungen seiner Gegenwart in modellhafter, d. h. vereinfachter Form hinein. Die antikapitalistischen Idyllen der Romantiker sind nicht Modelle, sondern Gegenbilder der Wirklichkeit. . . . Mays Helldorf-Settlement wird zerstört, damit die aus den Fugen geratene Weltordnung von der moralischen Kerntruppe und der ihr in die Hand spielenden Vorsehung wieder eingerenkt werden kann.«

Die Skepsis gegen Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit und die Betonung eines »religiös motivierten Schicksalsplanes« bei Karl May entspricht nach Schulte-Sasse genau der vorherrschenden »Ideologie des deutschen Mittelstandes« in der Epoche der wirtschaftlichen Depression. Für ihn steht fest, »daß der Massenerfolg der populären Literatur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der (im Hinblick auf die Absatzzahlen) ersten großen Epoche der Trivialliteratur in Deutschland, überhaupt nicht möglich gewesen wäre ohne die geschichtlichen Irritationen des Kleinbürgertums und sein Bedürfnis, diese ideologisch aufzuheben«.


4.

Die Dortmunder Dissertation von Friedhelm Munzel über Mays »Waldröschen«, die ihr Verfasser als didaktische Untersuchung über die Trivialliteratur der Wilhelminischen Zeit konzipiert und die im Juni 1977 mit seiner Promotion ihre akademischen Weihen erhalten hat, ist, wie mir scheint, die erste wissenschaftliche Arbeit größeren Umfangs, die mit dem ganzen Instrumentarium der neuesten Forschung zu operieren vermochte, einem Instrumentarium, das erst im letzten Jahrzehnt (und vor allem im Zuge der Bemühungen der Karl-May-Gesellschaft) bereitgestellt worden ist. Munzel hat davon mit Umsicht und Kritik Gebrauch gemacht. Das Thema überhaupt zu stellen und in Angriff zu nehmen, wäre vor 7 Jahren noch kaum möglich gewesen; das heißt, ehe der Olms-Verlag der Literaturwissen-


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schaft das »Waldröschen«, diesen ersten großen Kolportageroman Karl Mays, durch seinen Reprint wieder verfügbar gemacht hatte.

Friedhelm Munzel, das muß ich hier vorab betonen, will keine speziell germanistisch-philologische Untersuchung vorlegen, keine Analyse mit dem Ziel, das Phänomen Karl May im Rahmen der Literaturgeschichte zu deuten, sondern er geht von Erfahrungen mit Schülern und in der Schule aus und will seinen Gegenstand immer im Hinblick auf die von der Pädagogik aus gestellten Probleme einer Literaturdidaktik im Bereich der Schule (namentlich der Grund- und Hauptschule) behandeln.

Als  d i d a k t i s c h e  Aufgabe (wie ja auch unser Jahrbuch das schon getan hatte) erfaßt Friedhelm Munzel das Problem der Trivialliteratur, für die er übrigens den ihm zutreffender erscheinenden Begriff »Unterhaltungsliteratur« substituiert; und da interessiert den Didaktiker speziell das Werk Karl Mays aus mehreren Gründen. Erstens, weil - wie er resignierend feststellt - die Schüler, sofern sie überhaupt aus freien Stücken lesen, fast alle lediglich »außerästhetische Lese-Interessen« haben. Der Schüler, sagt Munzel, »wünscht "Unterhaltung" und "Spannung". Die Annahme, der Literaturunterricht der Volksschule könne zum "guten Buch" erziehen, erweist sich bei näherer Betrachtung als illusorisch«. Und daraus folgert: »Ein Literaturunterricht, der ein ausschließlich ästhetisches Programm vertritt und nicht auf die Neigungen des Schülers Rücksicht nimmt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Lesefreude des Jugendlichen ersticken. Es gilt daher, die Lesemotive zu erkennen, innerhalb des Unterrichts aufzunehmen und mit geeigneten Mitteln zu lenken.« Zweitens hat Friedhelm Munzel bei seinen Erhebungen und als Lehrer an der Volksschule erfahren, daß es unter seinen Schülern keinen einzigen gab, dem der Name Karl May als der eines Erzählers nicht in einer oder anderer Form bekannt war. Und drittens hat neuerdings Karl May Einzug in eine ganze Reihe von Schullesebüchern gehalten, aus freilich sehr verschiedenen literaturpädagogischen Absichten heraus zur Diskussion gestellt, und solcher Diskussion wird auch der Lehrer sich anzunehmen haben.

Munzels Untersuchung holt nun, in dem Bestreben noch immer, ihr Thema dem akademischen Forum verständlich zu machen, weitläufiger aus, indem der Autor eine kurzgefaßte Geschichte der wissenschaftlichen Bemühungen um Karl May und sein Werk vorausschickt. Hierbei verdient der Exkurs über Arno Schmidts Thesen besondere


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Beachtung, und ein eigenes Kapitel hat der Verfasser der Karl-May-Gesellschaft gewidmet, worin es nach Referierung der Inhalte ihrer fünf ersten Jahrbücher heißt: »Seit Gründung der Karl-May-Gesellschaft ist nicht nur das Bild Mays in der deutschen Literatur objektiver geworden. Es haben sich auch zahlreiche neue wissenschaftliche Ansätze ergeben, die ohne eine Zusammenarbeit von May-Forschern auf breiter Basis und ohne eine gute Organisation nicht erfolgt wären« (S. 130).

Abgesehen davon, daß der Autor dieser Dissertation sein Vorgehen methodisch gut abgesichert hat, indem er die Hauptfragen der Literatursoziologie, der Kolportageforschung, der Literaturdidaktik und schließlich der speziellen Textgeschichte des Waldröschen-Romans samt statistischer Erfassung der May-Rezeption bei Grund- und Hauptschülern klärend herangezogen hat, ist er auch in bezug auf sein Hauptanliegen, die pädagogisch relevanten Elemente Mayscher Kolportage herauszustellen und zu prüfen, umsichtig und sozusagen pluralistisch vorgegangen. In dieser Beziehung greift seine Untersuchung weit über das hinaus, was etwa Schulte-Sasse verdienstvollerweise an  e i n e m  Sachverhalt exemplifiziert hat. Diese Vielfalt der Aspekte ist es ja gerade, deren Fehlen in der Vergangenheit die May-Dispute so unergiebig gemacht hat. Mit Recht schreibt Munzel (S. 459): »Von exakter wissenschaftlicher Arbeit auf breiter Basis kann man jedoch erst seit Gründung der Karl-May-Gesellschaft (1969) sprechen. Die verschiedenen Beiträge geben ein Bild der Komplexität des Autors und belegen, daß Leben und Werk Mays in ihrer Bedeutung bisher unterschätzt wurden. Schon das WR, von der Forschung zumeist übergangen und verachtet, bietet zahlreiche Motive, um die Vielseitigkeit Mays sichtbar zu machen und die immer noch vorhandenen stereotypen Anschauungen über sein Schaffen zu revidieren.«

Unter insgesamt zwölf Gesichtspunkten hat Munzel solche Komplexität vorgeführt, indem er vorzugsweise diejenigen Themen wählte, zu denen bereits mehr oder weniger extreme Urteile von Kritikern vorlagen und die im Schulunterricht besonders interessieren könnten. So findet er im »Waldröschen«, soweit das Positive dem Negativen entgegengestellt wird, nicht »abgrundtiefe Unsittlichkeit«, sondern »die Merkmale wahrhafter und echter Liebe«; nicht Anhimmelung des Adels, sondern »einen Blick für das Überlebte des Adels« und die Anschauung, daß »Charakter und persönliche Leistung« als der »Adel


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der Seele« entscheidend seien; nicht Anpassung und Untertanengesinnung, sondern ein Engagement, das »Ungleichheit nicht als unabänderlich« hinnimmt und »für soziale Gerechtigkeit, Freiheit und menschliche Würde« kämpft; nicht den Ruf nach autoritärem Erziehungsdrill, sondern den nach der »Gewährung eines Freiheitsraumes für das Kind«; nicht reaktionären Patriarchalismus, sondern »beachtliche Wertschätzung der Frau«, auch »über die Rechte hinaus, die man der Frau in der damaligen Gesellschaft für gewöhnlich zugestand«; nicht Verfälschung einer historischen Realität, sondern Widerspiegelung der »Tendenzen der Wilhelminischen Zeit« und des »hoffenden Menschen«, der sich »angesichts der bedrängenden gesellschaftlichen Zustände eine bessere Welt ersehnt«. Schließlich hebt Munzel als didaktisch bedeutsam das Märchenhafte, das Abenteuerliche, das Tagtraumhafte (Bloch) und den »Erholungseffekt« der Kolportage hervor.

Was nun die so oft berufenen Gefahren der Karl-May-Lektüre für Jugendliche betrifft, so kommt der Autor nach allem zu einem entschiedenen Urteil, wenn er schreibt (S. 478): »Der Verfasser hat bisher noch keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, daß, wie z. B. Manfred Schloter behauptet, der Jugendliche, der von der Karl-May-Lektüre nicht zum wertvollen Buch finde, "in den meisten Fällen zu Schundliteratur gelenkt" werde. Dagegen konnte vielfach der Beweis erbracht werden, daß Kinder, die nicht Karl May oder ähnliche Abenteuerlektüre lesen, überhaupt keinen Zugang zur Literatur haben.« Bezüglich etwaiger Faszination junger Leser durch Gewalt oder Brulalität, die sich gewiß in Abenteuerbüchern finden, meint der Verfasser abschließend, sei eben »der Literaturunterricht in der Schule wohl die einzige Möglichkeit, die Gefahren einsichtig zu machen und Alternativen anzubieten - keinesfalls aber dadurch, daß er zum Agenten einer gesellschaftlichen Norm oder eines ästhetischen Prinzips wird, sondern sich als Anwalt des Kindes versteht«.


5.

Die Karl-May-Forschung, so scheint es, kommt allmählich in die Blüte, und fast sieht es so aus, als ob ihre »hundert Blumen« gerade auf demjenigen Boden sprießen sollten, der sich in der Vergangenheit als


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so besonders spröde für dergleichen erwiesen hatte: im Universitätsbereich. Nicht nur Dissertationen zeugen dafür, auch mehrere Staatsexamensarbeiten haben sich des Themas bemächtigt, deren eine, die von Sibylle Becker, die KMG-Presse dankenswerterweise als Broschüre veröffentlicht hat. Die Verfasserin hat »Karl Mays Philosophie im Spätwerk« untersucht und damit das Augenmerk auf denjenigen Teil des Mayschen Schaffens gelenkt, dessen genauere Betrachtung sich diese Gesellschaft bei ihrer Gründung als eine ihrer vielleicht lohnendsten Aufgaben vorgenommen hatte. In der Tat ist es richtig, daß man, wenn es überhaupt darum geht, die  W e l t a n s c h a u u n g  dieses Erzählers zu erforschen, sich tunlichst an das Alterswerk, das heißt dasjenige seines letzten Jahrzehnts seit etwa 1900, zu halten hat. Erst in dieser letzten Phase seines Lebens ist ja die Auseinandersetzung mit Welt und Leben, deren Ergebnis man gemeinhin die »Weltanschauung« eines Menschen nennt, wie bei anderen so auch bei Karl May zu einigermaßen endgültigen Positionen gelangt. In unserem besonderen Falle kommt hinzu, daß erst in diesem Teil des Werkes durch die technischen Mittel des »Symbolismus« und der allegorischen Darstellung die Aufschlüsselung zu abstrakten Gedankenstrukturen geradezu gefordert wird.

Vielleicht ist es in einem strengen Sinne nicht richtig, von der »Philosophie« Karl Mays zu reden. Ein Philosoph war er gewiß nicht, und der Arbeitstitel dieser Abhandlung lautet denn auch: »Die philosophischen und religiösen Anschauungen Karl Mays in seinem Spätwerk«. Desungeachtet ist es erstaunlich, daß es der Verfasserin doch gelungen ist, so etwas wie ein »System« des »Denkers« Karl May zu erarbeiten. Sie bietet es dar, indem sie den Gesamtkomplex weltanschaulicher Ideen und Vorstellungen unter vier große Leitbegriffe ordnet: Anthropologie, Welt, Gott, Ethik. Jeweils unter solchen Aspekten wird dann das ganze Prisma der darunter subsumierten Hauptgedanken Mays entfaltet. Ich möchte nicht in die Einzelheiten gehen, aber entschieden betonen, daß schon hierin, in der aufgefächerten Vielfalt, ein beachtliches Ergebnis der Arbeit zu sehen ist, indem darin jene erstaunliche Komplexität und Universalität des sächsischen Phantasten und Grüblers deutlich sichtbar gemacht wird, von der sich Kritiker wie Fronemann, Vollmann und Künnemann in ihrer Schulweisheit nichts haben träumen lassen.

Einige Teile des von Sibylle Becker aufgeschlüsselten Ideenkomple-


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xes beanspruchen sicherlich unser besonderes Interesse, so die Darstellung der universalhistorischen Konzeption Karl Mays mit ihren Utopien (Shen, Dschinnistan, Winnetou-Clan) und ihren Weltfriedensidealen, insbesondere deren Projektion auf die politischen Probleme der damaligen Zeit. Ähnlich aufschlußreich ist das Kapitel über die religiösen Anschauungen Karl Mays, das uns ein zwar christlich gefärbtes und in katholischen Symbolen sprechendes, aber ganz undogmatisch verstandenes, unkirchlich-überkonfessionelles Credo, eine theologia sui generis offenbart.

Es liegt an der Vielfalt der in dieser Untersuchung zusammengeschauten Probleme, daß die einzelnen Abschnitte (wie: Körper, Anima, Seele, Geist, zwei Wesen im Inneren des Menschen, Leben und Tod usw.) weithin über eine mehr lexikalische Bestandsaufnahme nicht hinausgehen. Die Verfasserin ist sich dessen sehr wohl bewußt, daß eine tieferschürfende, auch kritische Auseinandersetzung mit Mays Philosophemen noch aussteht, insbesondere auch eine Untersuchung über die mannigfaltigen Einflüsse und Beziehungen, die sich hier spiegeln. »Ich hoffe«, sagt sie, »mit meiner Arbeit einen Beitrag für derartige Untersuchungen geliefert zu haben.«

Darin ist ihr zweifelsfrei zuzustimmen. Die Fülle des Materials hat sie hergezeigt. Und  e i n e s  kann angesichts der von ihr ausgebreiteten Gedankenwelt Karl Mays schon jetzt als bewiesen gelten: Karl May als Denker zeigt sich uns keineswegs als ein irgend einäugiger, ideologisch ferngesteuerter Klischeebenutzer, sondern was er sich da zusammengegrübelt hat, eklektisch in seinen Bestandteilen, aber in sich kohärent als Weltbild (wie Sibylle Becker resümiert), das ist ein höchst originelles Gebilde. Einmalig in seiner Art steht es da, kaum jemals so vorher vorhanden oder nachher wiederholbar, kauzig und naiv in vielen seiner Einzelzüge, aber mit einem beachtlichen Impetus humanistischer Gesinnung, zugleich skurril versponnen und großlinig gespannt. Die Widersprüche darin markieren die Bruchstellen einer schwierigen Existenz.


6.

Der Reiz, sich mit dem Thema Karl May zu beschäftigen, mag bei denjenigen Wissenschaftlern, die sich ihm in jüngerer Zeit zugewandt


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haben, nicht zuletzt darin bestehen, daß die so scharf widersprüchlichen Urteile über diesen Autor, die die öffentliche Diskussion beherrscht haben und eigentlich noch heute beherrschen, zu einer Klärung herausforderten. Wertung im fast totalen Widerspruch: War er der geborene Verbrecher oder ein Opfer unmenschlicher Justiz, ein Proletarier im Protest oder ein angepaßter Wohlstandsbürger; war er ein Schmierfink der Kolportage oder ein begnadeter Märchenerzähler, ein Jugendverderber oder ein genialer Literaturpädagoge; war er ein Frömmler oder ein Aufgeklärter und Aufklärer, Chauvinist oder Völkerversöhnler, Militarist oder Pazifist, Verherrlicher von Brutalität oder Verkünder des Edelmenschen? Die Reihe der Antithesen, wie sie im Streit um das in jeder Weise erstaunliche Phänomen Karl May zutage getreten sind, ließe sich um einiges verlängern. All dies in Verbindung mit dem Faktum der so ganz ungeheuerlichen Popularität des Umstrittenen macht ja deutlich, daß die Sache von einer mit der Erforschung der deutschen Literatur befaßten Wissenschaft wohl kaum auf die Dauer durch einfaches Wegsehen oder elitäres Abschütteln behandelt werden sollte. Wie ihr aber beizukommen wäre, dieser Sache, die durch den Streit der Meinungen eher verunklärt worden ist, das dürfte eine grundsätzliche Besinnung zur Forschungsmethode nötig machen. Wo so scharfe Antithesen bestehen, kann die Methode, sie befriedigend aufzulösen, nur eine  d i a l e k t i s c h e  sein. Der Befund, der auf diese Weise den Stand der Diskussionen um Karl May charakterisiert, erinnert mich geradezu an das Experiment einer mir bekannten Lehrerin, die ihren Schülern veranschaulichen wollte, daß man beim Behandeln einer Sache dialektisch verfahren müsse, wenn man der  W a h r h e i t  habhaft werden will. Sie hob, im Mittelgang der Klasse stehend, eine Zigarettenschachtel in die Höhe, ließ sie einen Augenblick anschauen und wieder verschwinden. Befragt, was man gesehen habe, sagten die zur Linken Sitzenden: »Eine Schachtel Ernte«, die auf der Rechten: »Eine Schachtel HB«. Daß nun zunächst jeweils die einen die anderen für Dummköpfe hielten, war zu erwarten gewesen bis schließlich, bei soviel unverächtlichen Zeugen auf jeder Seite, dialektisch-dialogisch herauskam, daß alle zwar wohl richtig  g e s e h e n , aber falsch  g e u r t e i l t  hatten, die  W a h r h e i t  vielmehr darin bestand, daß das Objekt »verfremdet«, d. h. die Schachtel entsprechend manipuliert worden war. Die Antithesen mußten zur Synthesis gebracht werden.


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Nun soll nicht gesagt werden, daß in bezug auf das Erkenntnisobjekt Karl May nicht schon je und je bemerkt worden wäre, wie sehr man es da mit  a m b i v a l e n t e n  Sachverhalten zu tun hatte; schon vor Jahrzehnten war ich in meiner Abhandlung über den »Volksschriftsteller« darauf aus, das widersprüchliche Ineinander unterschichtlicher und oberschichtlicher Geistesart in dem von mir untersuchten literarischen Typus zu analysieren. Freilich konnte da vieles nur angedeutet werden. Aber nun liegt uns erfreulicherweise eine umfangreiche Abhandlung vor, deren Verfasser nach so vielen einäugigen und einseitigen Stellunguahmen als ein rechter  S y n o p t i k e r  erscheint. Helmut Heinrich Schmiedt hat in seiner Bonner Dissertation »Karl May - Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers« sein Thema nicht nur so weit gefaßt, wie man es nur fassen konnte, er hat auch in allen Einzelfragen, die er anschneidet, umsichtig und kenntnisreich den Sachverhalten  d i a l e k t i s c h  ihre Widersprüchlichkeit, ihre Ambivalenz abgewonnen.

Was Schmiedt auf den 465 Seiten seiner Abhandlung (sie liegt bisher nur maschinenschriftlich vor) dargestellt hat, bietet sich uns als ein ausgereiftes Werk an, das außer seiner Kompetenz und Sachfülle den bei Arbeiten dieser Art so gar nicht selbstverständlichen literarischen Duktus besitzt, der die Lektüre erfreulich macht. Es wird, wenn gedruckt, ein sehr lesbares Buch abgeben; eine gewisse »epische« Breite wird man als dem Gegenstande angemessen, gerne akzeptieren.

In drei großen Hauptteilen hat Schmiedt sein Thema behandelt. Im ersten geht es um Mays Biographie, insofern sie, wie die Kapitelüberschrift lautet, »Grundlagen und Voraussetzungen zu Mays Werk« bildet, wobei ausführlich zunächst die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe, sodann Charakter und persönliche Erlebnisse und schließlich die literarischen Bildungseinflüsse zur Sprache gebracht werden. Der zweite Hauptteil bringt die »Werkanalyse« und stellt auch seinem Umfang nach den gewichtigen Kern der ganzen Abhandlung dar. Hierin hat sich der Autor denn doch insofern eine Beschränkung auferlegt, als er das Alterswerk aus seiner Betrachtung ausklammerte, sich auf die Kolportageromane und die Reiseerzählungen beschränkte, das heißt eben auf denjenigen Teil des Mayschen Schaffens, durch den ihr Urheber sich speziell als »Erfolgsschriftsteller« erwiesen hat. So entspricht es durchaus dem Thema dieser Disser-


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tation, und mit seinem symbolisch-allegorischen Alterswerk war der Radebeuler ja gewiß geradezu das Gegenteil eines Erfolgsschriftstellers. Die inhaltliche Analyse des so umrissenen Werkkomplexes ermöglicht es nun dem Verfasser, in 13 Einzelthemen den weltanschaulichen Gehalt zu abstrahieren, unter Stichworten wie: Karl May - Kara Ben Nemsi, Fluchtbewegung, Verbrecher, Tugendideale der Abenteurer, immergleiche Handlung u. ä. Daß zum Nachweis der vom Verfasser vertretenen Thesen eine Fülle von Zitat- und Faktenmaterialien aus dem Erzählwerk herangezogen und vor dem Leser ausgebreitet wird, auf diese Weise keine Behauptung ohne dokumentierte Verifizierung bleibt, das macht, wie schon angedeutet, das Reizvolle der Abhandlung aus. Besonders möchte ich darauf hinweisen, daß - soweit ich das überblicken kann - die bisherige Forschung mit ihren Ergebnissen teils kritisch, teils integrierend herangezogen worden ist; worüber näher noch das beigegebene, 187 Titel umfassende Verzeichnis der Sekundärliteratur unterrichtet. So stellt die Arbeit, wenn man vom Mayschen Alterswerk absieht, geradezu eine Art Handbuch der Karl-May-Forschung dar. Daß der Verfasser »dialektisch« vorgegangen ist, wurde schon gesagt. Da gibt es in seinen Analysen kaum eine für Karl May negative Feststellung, die sich nicht alsbald durch eine ebenso belegbare positive als aufgehoben erwiese, und keine positive, die nicht durch andere Befunde wieder eingeschränkt oder überschattet würde. Allerdings ist die Bilanz, die Schmiedt jeweils zu ziehen weiß, im ganzen dann doch für den Menschen und Schriftsteller Karl May bemerkenswert günstig. Ich kann nicht auf einzelnes eingehen, um aber einen Eindruck von der dialektischen Methode Schmiedts zu erhalten, möge man dessen in diesem Jahrbuchband veröffentlichten Essay lesen, der im kleinen eine Kostprobe von dem, was im großen Werk vorliegt, zu geben geeignet ist. Auch der gehaltliche Grundgedanke, daß sich in Mays Erzählwerk Traditionen der europäischen Aufklärung (dies im weitesten Sinne einer auf Vernunft, Freiheit und Toleranz verpflichteten humanitären Bewegung genommen) über Relikte irrationaler, unreflektierter, massenpsychologischer Instinkte und Vorurteile zu schieben und diese zu überschichten streben -, er ist, nimmt man alles in allem, auch die Grundidee der Dissertation; eine Hypothese, die dem Verfasser zu reichem Ertrag seiner Untersuchungen verholfen hat.

Mit gleicher Sorgfalt wie das Inhaltliche hat Schmiedt auch das


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Formale untersucht, das, was er die »erzähltechnische Realisation« nennt: Erzählperspektive, Tektonik, Sprache und das Verhältnis von Form und Inhalt.

Schließlich gilt der letzte Teil seiner Abhandlung der sogenannten »Rezeption«, d. h. der Wirkungsgeschichte des Schriftstellers Karl May. Er bietet ihm insbesondere Gelegenheit, die scharfe Antithetik namentlich der Sekundärliteratur um diesen Autor hervorzuheben und dabei noch einmal zusammenfassend die eigene Methode der Synopsis, von der wir gesprochen haben, zu formulieren. »Die Mißverständnisse«, sagt er (S. 394), »dauern bis in die Gegenwart an. Immer wieder haben sich "linke" und "rechte" Kritiker Mays auf eine einzige Seite seines Werkes konzentriert, sie absolut gesetzt, May einsträngig als Konservativen oder als Oppositionellen gesehen und ihn dann ohne große Einschränkungen für das eigene Lager proklamiert oder zum Verbündeten des politischen Gegners gestempelt. Besser als alle Vermutungen über die Haltung des anonymen Massenpublikums belegen die Hinweise auf solche Interpretationen, wie verführerisch und leicht es ist, aus dem Werk stets nur jene Züge zu destillieren, denen man sich nach persönlicher Neigung verbunden fühlt. Die Einsicht des Filmregisseurs Hans-Jürgen Syberberg: "Da sind einerseits die Quellen des Nationalsozialismus, und andererseits ist da ein guter, großer Deutscher", hat nur wenige Vorbilder gefunden.« Daß zu denen, die die Sache besser, das heißt: differenzierter betreiben, neuerdings vor allem der Kreis der Karl-May-Gesellschaft gehört, hat der Verfasser dann ausführlich gewürdigt. Auch hier konstatiert er freilich einen latenten Widerspruch zwischen der wissenschaftlich-objektiven Arbeit der an der Forschung Beteiligten und einer nostalgischen, Kindheitserinnerungen hegenden Liebhaberei sowie einem apologetischen Eifer, Karl May gegen Herabsetzungen zu verteidigen. Das ist ja vollkommen richtig. Aber wenn Schmiedt meint, solche Engagiertheit, solches Sympathisieren tadeln zu müssen, wird man ihm nicht zustimmen können. Ohne das nostalgische Quentchen unverwelkter Jugendliebe in allen, die sich da zusammengefunden haben, gäbe es diese literarisch-wissenschaftliche Gesellschaft mit ihren heute über 800 Mitgliedern überhaupt nicht. Auch wohl nicht diese so beachtliche Dissertation von Helmut Heinrich Schmiedt. Und der Apologie, so meine ich, bedarf es sehr wohl angesichts der Tatsache, daß ein Autor wie dieser noch immer in seiner eigenen Heimat »vom Schauplatz


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gefegt« ist. So illegal es ist, einen Schriftsteller zu verbieten, so legitim ist es, sich für ihn zu engagieren.


7.

Mit der seit einigen Jahren im Gange befindlichen Reform der gymnasialen Oberstufe und der damit verbundenen Aufgliederung des Deutschunterrichts in einzelne »Kurse« geht notwendigerweise das Bestreben einher, neue, dieser didaktischen Struktur angepaßte Lehrbücher zu erarbeiten. Eines davon ist der soeben erschienene »Grundkurs Literaturgeschichte: Einführung in die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, Band 1: Kaiserreich«, für den federführend für ein sechsköpfiges Team Erhard Schütz und Jochen Vogt verantwortlich zeichnen. Es ist, bei aller Strittigkeit einzelner Urteile über die in diesem Band exemplarisch herausgestellten Autoren, einiges Lobenswerte an dem neuen Schulbuch. Hierzu gehört zweifellos die Tatsache, daß von den insgesamt 18 Kapiteln auch zwei der Unterhaltungsliteratur gewidmet sind, die denn nun auch von der Schuldidaktik als wichtiger Bestandteil einer im »historischen Prozeß« gesehenen Literatur erkannt worden ist. Ein ganzes Kapitel ist Karl May gewidmet. Sein Verfasser, Karl W. Bauer, zeigt sich auf den 13 Seiten seiner auch die wissenschaftliche Problemlage sichtbar machenden Darstellung als ein guter Kenner der neuesten Sekundärliteratur zu seinem Thema. Den Modellcharakter Mays für eine bestimmte Art von Literatur hat er sehr wohl erkannt, indem er z. B. seine kurze Skizze der Biographie Karl Mays ausdrücklich als »exemplarischen Werdegang eines deutschen Volksschriftstellers« betitelt. In der Analyse der Reise- und Abenteuergeschichten (ausführlicher des »Winnetou«) legt er die durch Bloch und seine Schule angeregte Unterscheidung von Kitsch und Kolportage zugrunde, wonach »Kitsch« als Verklärung des Bestehenden »gesellschaftlich affirmative Funktion« ausübt, »Kolportage« hingegen (so Bloch) »doch letzthin Revolution träumt«, ihre Motivationen jedenfalls aus den Konflikten mit dem Bestehenden zieht. Zum zweiten Typus wird Karl May gerechnet. Und in der Winnetou-Expertise Bauers begegnet uns zum anderen Male auch Klekih-petra, der echte, wohlgemerkt, und nicht der des Klaus Lindemann: »Ablehnung bürgerlicher Normen ist im Winnetou überall spürbar. Personen, die in geordneten bürgerli-


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chen Verhältnissen leben, kommen nur am Rande vor, die Westmänner heben sich ab durch Aussehen und Kleidung, ihre Handlungsweisen unterliegen nicht dem bürgerlichen Gesetz, sie gehorchen nur den "Gesetzen des Wilden Westens". . . . Noch in der Gestalt Klekih-petras, eines aus Deutschland geflohenen ehemaligen 48er-Revolutionärs, der seine politische Vergangenheit sühnen will, indem er die Apatschen in der christlichen Lehre unterweist, tritt der antibürgerliche Gestus zutage« (S. 210).

Mag es sich so verhalten. Wir jedenfalls halten ein buchenswertes Faktum fest. Wie Pilatus ins Credo, kam Karl May in den Grundkurs. Es war fast vorauszusehen. Sie haben ihn endlich doch hineingebracht: in die L i t e r a t u r g e s c h i c h t e nämlich.


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