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HELMUT SCHMIEDT

Die Thränen Richard Wagners oder Der Sinn des Unsinns ·
Thesen zu einem Konstruktionsprinzip in Karl Mays Kolportageromanen



Jedem, der regelmäßig und intensiv liest, wird dies schon einmal begegnet sein: daß er während der Lektüre plötzlich stockt, bei einem einzelnen Satz verharrt, ihn immer wieder anschaut, sich fasziniert fühlt. Ein solcher Satz entzieht sich dem schnellen Verständnis, bindet das Interesse des Lesers und ragt über die vorhergehenden und folgenden Sätze hinaus, obwohl er, was den oberflächlichen Sinngehalt betrifft, durchaus nur deren konsequentes Bindeglied sein mag. Er erregt vielleicht durch eigenwillige Formulierung unser Wohlwollen oder unsere Abneigung, ebenfalls durch einen besonderen Assoziationsreichtum, durch auffällige formale Konstruktion und ähnliches. Es ist hier nicht an Formen der Kurzprosa zu denken, etwa an den Aphorismus, der schon nach seiner Definition in der Individualität brilliert: gemeint sind vielmehr Einzelstücke aus größeren Textzusammenhängen, die zunächst in sich, dann aber auch im Kontext ihrer Umgebung rätselhaft, perspektivenreich und provozierend wirken, ohne den Grund dafür sogleich preiszugeben. Manchmal mag dieser Effekt mit ganz persönlichen Empfänglichkeiten und Idiosynkrasien des Lesers zu tun haben, für eine literaturwissenschaftliche Analyse also belanglos erscheinen, und der betreffende Satz wird dann an sich recht harmlos sein. Oft aber sind solche Sätze in der Tat von außergewöhnlicher Qualität; bei näherem Hinsehen enthalten sie Gedanken, deren Vielfältigkeit und Einfallsreichtum ein überraschend grelles Licht auf ihre engere und weitere Umgebung werfen, die im Idealfall also wie ein prägnanter Kurzkommentar wirken, der Erkenntnisse über den Gesamttext vermittelt oder zumindest anregt, die sich bisher der Entdeckung entzogen haben. Der damit gespendete Mehrwert an Einsicht läßt sich nicht immer


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sofort erschließen: ein Satz, der den Leser am Beginn eines Romans verwirrt, mag oft erst nach vollständiger Kenntnis des Werkes in seiner Komplexität durchschaut werden. Der Leser, der in Günter Grass' Roman »Hundejahre« nach wenigen Zeilen auf die Bemerkung stößt: »Der Federführende schreibt Brauksel zumeist wie Castrop-Rauxel und manchmal wie Häksel« und der im folgenden erfährt, daß Brauksel auch gelegentlich »seinen Namen wie Weichsel«(1) schreibt, wird das zunächst vielleicht nur kurios finden, denn erst der Fortgang des Romans zeigt, daß in diesen wenigen Worten eines der Grundmotive des Werkes: das notwendige Spiel mit gefälschten Identitäten, rekapituliert wird, das wiederum zu allen anderen Themen darin in enger Beziehung steht und noch den sarkastischen Stil und die Kompositionsprinzipien des Ganzen prägt. Die Neigung mancher Literaturwissenschaftler, sich in endlosen Analysen immer wieder über dieselben ganz kurzen Textstücke zu beugen, erscheint, will man die Implikationen solcher Sätze aufarbeiten, nicht generell so abwegig, wie es manche spöttischen Kommentare nahelegen.

Läßt sich mit solchen Bemerkungen ein Aufsatz über Karl May sinnvoll einleiten? Sicherlich hat die in den letzten Jahren erfolgte Aufwertung dieses Autors zumindest implizit auch eine gewisse Aufwertung seiner rhetorischen Fähigkeiten gebracht, aber überragende, virtuose Formulierungskunst, auch nur im kleinen Einzelfall, hat ihm mit gutem Grund noch niemand zugestanden, und daran soll auch diese Arbeit nichts ändern. Auffallende und ausgefeilte sprachliche Wendungen erwarten wir, wenn überhaupt, wohl am ehesten in Mays Alterswerk zu finden, dem Schaffensabschnitt, in dem seine Romane von den umfassendsten Ambitionen getragen wurden. Der vielzitierte Schlußsatz des »Ardistan«-Romans ( Wir aber wendeten unsern weitern Aufstieg nun den Bergen, über deren Pässe der Weg nach Dschinnistan führte, und unsrem hohen, weiteren Ziele zu (2)) übertrifft denn auch die gleichen Passagen früherer Texte: die apodiktische, exakte Aussage im ersten Satzteil kollidiert mit der vagen Formulierung am Ende, die konkrete Aktion mit dem nur intentional und abstrakt zu formulierenden Ziel der Reise, während das auf den ersten Blick am Schluß recht ungeschickt wirkende zu beide Teile verbinden will; von einer ähnlichen Spannung zwischen Plan und Verwirk-


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lichung, einer Entwicklung und einem letztlich unerreichbaren Finale, zwischen - aufs Schlagwort gebracht - Realismus und Utopie also redet der gesamte Roman. Die Qualität des Satzes wird freilich erst durch seinen Positionswert sichtbar: seine Suggestionskraft entwickelt er, weil er die Zusammenfassung der Motivik des planvollen Reisens mit der Pointierung des offenen Endes an diesem Ende verbindet.

Am wenigsten würden wir einschlägige Sätze dagegen in Mays Kolportageromanen erwarten. Hier erforderte, wie wir wissen, allein schon die Quantität der abzuliefernden Textmassen eine der Qualität sicherlich abträgliche Eile bei der Arbeit, und während Mays Phantasie sich dabei besonders ungebärdig entfalten konnte und mußte, ist mit Einzelheiten, die im genannten Sinne attraktiv wirken könnten, kaum zu rechnen. Aber gilt dies wirklich, wenn wir uns näher auf die Eigentümlichkeiten dieses Autors besinnen? Geht der vorstehende Gedanke nicht zu eilfertig vom Bild des poeta doctus aus, der aus wohlüberlegter Distanz zu seinen Sujets schreibt, nachdem er eine Fülle von Wissen über sie zusammengetragen hat, und der mit der Ausgestaltung seiner literarischen Welt gleich noch die Reflexion über sie mitliefert, wie wir es mehr oder weniger bei allen der neueren Hochliteratur zugerechneten Schriftstellern finden? Daß Karl May zu solcher Distanz nicht fähig war, begründet ja die merkwürdige Naivität seiner abenteuerlichen Welt und, als Folge davon, die Verachtung, mit der die Literaturwissenschaft ihr lange Zeit begegnete; andererseits begründet Mays schlichtes Vertrauen in sein künstlich konstruiertes Terrain auch dessen Anziehungskraft, und daß darin bei sorgfältiger Beobachtung durchaus nicht nur eine Ansammlung von Trivialitäten herrscht, hat insbesondere die neuere Sekundärliteratur zu demonstrieren versucht. Mit anderen Worten: die Flüchtigkeit des Stils, die Mays Kolportageromane charakteristisch durchzieht, darf nicht dazu verleiten, hier jeden Gedanken an reizvolle Details von vornherein abzuweisen.

Im »Weg zum Glück«, Mays letztem Münchmeyer-Roman, geht es unter anderem um die Karriere eines Mädchens, das eigentlich Magdalena Berghuber (3) heißt, Muhrenleni genannt wird und sich -dank der Hilfe Ludwigs II. und Richard Wagners - von einer schlichten Sennerin zum umjubelten Gesangsstar entwickelt. Daß


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sie auf diesem Weg die Tugenden. die sie einst auszeichneten. nicht zugunsten eines lasterhaften Künstlerlebens einbüßt, versucht der Erzähler am Ende des Romans noch einmal zu unterstreichen. und dabei ist ihm die folgende aparte Formulierung eingefallen: Und sie war keine Sängerin, sondern Jungfrau - so rein, keusch und züchtig. Dem Zahn der Sünde war es nicht gelungen, dieses Mädchen zu verwunden. (4) Das mag vorerst nur komisch wirken. Aber bei näherem Hinsehen scheint mir mehr darin zu stecken: am Schluß gar der Umriß eines dem Autor gewiß nicht voll bewußten ästhetischen Programms, nach dem die Kolportageromane gearbeitet sind.

Was in formaler Hinsicht zunächst auffällt, ist der strenge, apodiktische Ton des Erzählers. Wie aus den vorhergegangenen Sätzen zu ersehen ist, geht es zwar eigentlich um die Beobachtung, die eine andere Romanfigur anstellt, aber just in dem Augenblick, da die Sache einen ausgeprägt individuellen Charakter erhält, löst der Erzähler sich aus dieser beschränkten Sicht und verallgemeinert und objektiviert so die Aussage, was durch den folgenden Satz - Das sah man ihr an (5) - unterstrichen wird. Kein Zweifel: der eigenwillige Kommentar vermittelt ein gültiges Urteil, der Leser hat Leni so zu sehen, wie es ihm der hier mit der ganzen Kraft seines Amtes auftretende auktoriale Erzähler suggeriert.

Dabei gerät der Leser nun rasch in eine schwer auflösbare Verwirrung: nicht Sängerin, sondern Jungfrau sei Leni, und abgesehen davon, daß der Roman eben Lenis Gesangskarriere über weite Strecken verfolgt, scheinen diese beiden Begriffe so recht doch gar nichts miteinander zu tun zu haben. Wenigstens nicht im Rahmen des scharfen Kontrasts, in dem sie uns hier entgegentreten: unter einer jungfräulich wirkenden Sängerin könnten wir uns, in Abgrenzung etwa zur koketten Soubrette, etwas vorstellen, da würden dann die Klischees vom sittlich anrüchigen Künstleralltag und einem bestimmten weiblichen Idealbild gegeneinander ausgespielt, und eine solche Verbindung zweier Begriffe aus unterschiedlichen Sinnbereichen ergäbe ein sinnvolles Drittes, so wie z. B. die Töne, die in Brentanos »Abendständchen« »golden« niederwehen(6), eine verständliche synästhetische Eigenart besitzen, obwohl das eine Farbe charakteristisierende Adjektiv mit den Tönen auch nicht sogleich zu harmonieren scheint; überdies er-


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hielten wir damit eine Bestätigung für den trivialliterarischen Charakter des Textes, denn die ungehemmte Neigung zu Katachresen und Synästhesien zeichnet nach weitverbreiteter Ansicht gerade den Kitsch aus. Aber hier verhält es sich anders. Ohne daß ein die beiden Begriffe vergleichendes Element auftaucht. werden sie in einen scharfen Gegensatz gebracht, dem also offenbar jede Grundlage fehlt, und der Erzähler geht dabei mit dem Gestus der größten Selbstverständlichkeit vor. Wenn er dann nicht etwa diese Zusammenstellung erläutert, sondern das mit dem Begriff Jungfrau - rein, keusch, züchtig - tun zu müssen meint, dann erweckt er fast den Eindruck, er treibe seinen Spott mit dem Leser: was eine Jungfrau ist, soll der erfahren, nicht aber, warum die Jungfrau Leni als Gegenbild zur Sängerin zitiert wird, obwohl sie eine ist. Gewiß läuft die Charakterisierung Lenis, von der Oberfläche der Handlung her gesehen, dann doch auf das hinaus, was eine »jungfräuliche Sängerin« meinen könnte, aber es bleibt festzuhalten, daß die Worte des Erzählers einer solchen eingängigen Deutung strikt widersprechen.

Die Verhältnisse werden noch komplizierter, wenn wir den zweiten Satz des Zitats hinzunehmen: Dem Zahn der Sünde war es nicht gelungen dieses Mädchen zu verwunden ; daß May dabei assoziativ auf das Wort vom »Zahn der Zeit« zurückgreift, das deutlich auch im Sinn des Satzes anklingt, sei am Rande vermerkt. Der Schwerpunkt liegt an anderer Stelle, und über ihn ist zu reden, selbst wenn man nicht an die tiefenpsychologischen Deutungen denkt, die Freud den Träumen gegeben hat, in denen Zähne eine Rolle spielen.(7) Ohne Umschweife sei's gesagt: die Vorstellung vom Zahn der Sünde, der die Jungfrau nicht verwundet, ist, bei Lichte und sehr konkret besehen, ein Stück handfester pornographischer Phantasie, ein kruder Zynismus, so radikal beiläufig und penetrant zugleich wie auf einer freilich bewußten Ebene das »Some girls give me children I never asked them for« in einem neueren Erzeugnis der englischer Popularkultur, und das angehängte Das sah man ihr an erinnert in fataler Weise an gewisse Scherze der Spezies Herrenwitz (woran erkennt man... ?), wie sie auch damals schon im Schwange gewesen sein mögen: daß der männliche Teilhaber der beobachteten Szene - es ist der Herr, der Lenis Jungfräulichkeit demnächst ein Ende setzen wird -, mit


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einem Gefühle süßer Befriedigung, wie er es noch niemals empfunden hatte (8), erfüllt ist, wird an dieser These nicht gerade irremachen. Es geht hier nicht darum, Arno Schmidts »Sitara«-Theorien von der unterschwelligen sexuellen Spannkraft in Mays Werken wiederaufzufrischen; aber die Eigenart dieser Stelle veranlaßt uns gewiß mit Recht, einmal gründlich nachzusehen, mit welchen Assoziationen und Stilmitteln May seine Protagonistin beschreibt, und im Grunde potenziert der zweite Satz ja auch nur die Widersprüchlichkeit im vorigen. Natürlich geht es May gar nicht in erster Linie - und das macht der Beginn des Zitats sehr deutlich - um physische Aspekte der Jungfräulichkeit, sondern um die eher abstrakten des züchtigen Verhaltens, der äußeren Schönheit, der Wirkung einer Persönlichkeit. Aber eben dies faßt May mit Begriffen ganz entgegengesetzter Herkunft: der Zahn der Sünde , das nicht verwundete jungfräuliche Mädchen - konkreter läßt sich der Gedanke kaum formulieren. May benutzt also eine quasi dingliche Vorstellung, um einen ganz und gar nicht in gleicher Weise dinglichen Tatbestand zu explizieren, und er tut dies so drastisch, daß wir über die Radikalität einer derartigen Zusammenstellung beinahe mühelos hinweglesen können, da wir kaum mit ihr rechnen.

Er tut dies auch ex negativo. Der Sinn beider May-Sätze läuft ja, wie gesagt, keineswegs darauf hinaus, pornographische oder auch nur schlichtere sexuelle Assoziationen an Leni zu knüpfen: daß dies nicht tunlich sei, wollen das »sondern« im ersten Satz - wenn wir ihm denn überhaupt die einsehbare inhaltliche Aussage zuerkennen wollen - und das »nicht« im zweiten eindringlich beschwören. Das, was die auffälligen Formulierungen auszeichnet, dient also der Begründung und Erläuterung eines ganz gegenteiligen Gedankens: die ausgeprägte Sittlichkeit wird durch die ebenso flüchtige wie deutliche Anspielung auf ein derbes sexuelles Phänomen artikuliert. Ex negativo huldigt May dem in Zoten so beliebten Deflorationskult: so wie das blendend weiße Fleisch (9) der armen Emma Arbellez im Harem des Sultans von Härrär, das sich also durch die Farbe der Virginität vehement auszeichnet, zum Ausgangspunkt einer Szene von einiger sexueller Dynamik wird, so wie über den Augen eines siebzehnjährigen Mädchens in »Scepter und Hammer«, dessen Formen (. . . ) beinahe diejenigen eines vollendeten Weibes (10) waren, ein recht doppeldeutiger Schleier jungfräulicher


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Ahnungslosigkeit (11) liegt, so nährt sich auch der Sinn der »Weg zum Glück«-Szene aus dem gelösten Spiel mit Gegensätzen. Was im Grunde gemeint ist, wird durch sein Gegenteil erhellt, und was als Sinngehalt sich destillieren läßt, ist den Worten des Erzählers mühsam abzuringen oder wird durch sie gar dementiert.

Es ergibt sich also die kuriose Situation, daß May mit großer Energie einen für den Inhalt des Romans wichtigen Gedanken zu artikulieren versucht und ihm, gewissermaßen im gleichen Atemzug, entschieden widerspricht. Wo Gegensätze derart unvermittelt aufeinanderprallen, droht der Sinn, jedenfalls nach den Normen des durchschnittlichen Urteils, in Unsinn umzuschlagen. Es scheint nun bemerkenswert zu sein, daß der Blick auf die recht umfangreiche Sekundärliteratur zu den nach dem ersten Eindruck doch so simplen Münchmeyer-Romanen ebenfalls eine Reihe deutlicher Antithesen zutage fördert; vielleicht deutet sich damit an, daß der beobachtete Einzelfall das Zeichen einer übergeordneten Methode ist, die nahezu zwangsläufig die Interpreten zu widersprüchlichen Ergebnissen verführt, daß der Mikrostruktur des einen Satzes die Makrostruktur des Gesamttextes entspricht. So hat z. B. Volker Klotz in seiner Analyse des »Waldröschen« die Herrschaft eines streng aristokratisch-hierarchisch orientierten Weltbildes zu erkennen gemeint(12), während Gert Ueding diesen Gedanken verwarf und alte Ideale bürgerlicher Selbstbestimmungsbestrebungen als entscheidende Triebkräfte bei den positiv gezeichneten Protagonisten erblickte(13); ich selbst habe mich dann um eine vermittelnde Position bemüht und die Beobachtungen zu integrieren gesucht.(14) Hat uns der Autor ganz systematisch in die Irre geführt und, indem er im großen Rahmen so prinzipiell kontradiktorisch verfuhr wie beim Beispiel des Einzelfalls, damit jeden von uns bestätigt und jedem widersprochen, so daß alle Bemühungen, einen einsehbaren Sinn davonzutragen, letztlich scheitern müßten? Schon Heinz Stolte hat im »Waldröschen« - und dies gilt mehr oder weniger auch für die anderen Werke der Münchmeyer-Serie - eine »Welt im Zustande totaler Verwirrung und Unordnung« gefunden, »ein heilloses Inferno«, in dem alles »verrückt und vertauscht«(15) ist; das wäre also jenes Chaos an Sinngehalten, das sich bei der Beschreibung der dubiosen Jungfrau abzeichnete. Aber Stolte beobachtete dann weiter, wie sich das wirre Durchein-


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ander auflöst, wie »aufgeräumt und in Ordnung gebracht«(16) wird und der Roman sich, bei allen Signalen tiefer Irritation, auf ein harmonisches Ende zubewegt. In der Tat ist der Begriff des happy end wohl selten eher angebracht gewesen als hier: die definitive Aufklärung aller Verbrechen, die weitreichende Korrektur ihrer Folgen, die zahlreichen Eheverbindungen und Nobilitationen der Helden überwinden das frühere Chaos so gründlich, daß es plötzlich nur noch wie ein ferner Alptraum erscheint; aber eben diese so weit überzogene Wiedergutmachung der Mißstände, die den Helden letztlich ganz fremde Zukunftsperspektiven eröffnet, erschien mir wiederum zu aufgesetzt(17), als daß sie wie ein zwingender Abschluß der Ereignisse wirken könnte: das Finale opponiert den Inhalten und auch den Idealen, die May seiner Romanwelt über Hunderte von Seiten oktroyiert hat, und daß z. B. Karl Sternau fortan nur die Traditionen .seines herzoglichen Hauses ( . . . ) würdig zu vertreten (18) weiß, klingt wie ein Hohn auf die endlose Reihung von Aktivitäten, durch die dieses Genie sich vorher erst in seiner Individualität entfaltete. Das Chaos wird korrigiert mit einem Ergebnis, dessen scheinbare Eindeutigkeit selbst sogleich wieder suspekt wirkt, und diese Einsicht widerspricht nicht eben der Vermutung, das Beispiel aus dem »Weg zum Glück« habe Methode. Walther Ilmers Entdeckungen zu den »Deutschen Herzen deutschen Helden«(19) schließlich erhärten diese These weiter: durch verschiedene Kontinente werden die Schurken, die einst die Familie Adlerhorst ins Unglück getrieben haben, und ihre Opfer verfolgt, aber welcher Konflikt dem Verbrechen zugrunde lag und wie es sich dann im einzelnen abspielte, wird niemals geklärt; so fehlt diesem Roman bis zum Schluß der Hintergrund, vor dem sich sämtliche Aktivitäten abspielen.

Derartige Widersprüchlichkeiten sind in den Kolportageromanen Legion, und daß May sie gelegentlich bis in diverse Sätze reichen läßt und sie geradezu virtuos zelebriert, muß davor warnen, sie unter Hinweis auf die Überstrapazierung des Autors vorschnell als nicht weiter interessante Fehlleistungen ad acta zu legen. Schon der Titel des »Waldröschen« - ob er von May oder Münchmeyer stammt, ist hier belanglos - verdient unter diesem Aspekt Aufmerksamkeit. Sein erster, bekannterer Teil, eben »Das Waldröschen«, wirkt harmlos, verträumt und richtet den Blick keines-


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wegs in gefährliche Fernen; dann aber protestiert der Untertitel: eine Verfolgung rund um die Erde finde statt, es gehe in Anlehnung an Sues Erfolgsroman und seine Nachfolger um nichts geringeres als die Geheimnisse der menschlichen Gesellschaft . Ein größerer Gegensatz läßt sich kaum denken: auf der einen Seite ist die Begrenzung zu assoziieren, die womöglich kitschige Enge, die Harmonie des bescheidenen Ruhens: auf der anderen Seite geht es um ein universelles Ausgreifen, um unbeschränkte Weite und ihren Untergrund: es geht darum, daß - wenn wir ein Auge zudrücken - das Apollinische und das Dionysische hart aufeinanderprallen (mit, wie angedeutet, entsprechenden Ergebnissen im Finale). In der Eingangsszene des »Verlorenen Sohns« wird das Spiel zwischen einem kleinen Knaben und einer jungen Dame geschildert(20): wenn er zufällig einen Laut von sich gab, welcher von der regen, liebevollen Phantasie für eine Antwort genommen werden konnte, dann belohnte sie dieses eingebildete Verdienst mit ungezählten Küssen ihrer schönen, frischen Lippen, deren sattes volles Roth kaum von der Farbenpracht einer, im Aufbrechen begriffenen Granate erreicht werden konnte . Das ist gewiß Kitsch par excellence, der sich durch die naiv-maßlose Übertreibung fast aller auftauchenden Begriffe auszeichnet. Aber ist dies nicht auch zugleich das Zeugnis einer geradezu peniblen, auf Details versessenen Sicht auf die Dinge, die den ganz konträr wirkenden, ausufernden Kitsch erst ermöglicht? Kaum ein Substantiv in diesem nicht gerade kurzen Satz bleibt ohne erläuterndes Adjektiv: daß das Verdienst des Knaben nur eingebildet ist, wird beinahe ängstlich wiederholt: in welchem Stadium der Entwicklung sich die Granate befindet, mit der die doch schon hinreichend beschriebenen Lippen der Dame zu vergleichen sind, muß genau festgehalten werden. Die Übertreibungen werden fixiert durch das Bemühen um eine fast technokratische Präzision in der Beschreibung, so daß das stilistische Verfahren und sein Ergebnis - die Reihung mehr oder minder beliebiger Superlative - in einen skurrilen Gegensatz geraten. Daß hier kein genrespezifisches Charakteristikum vorliegt, sondern eines der Mayschen Stilistik, belegen zwei Zitate aus dem Reprintdruck der »Juweleninsel«, einem frühen Roman, der zwar nicht bei Münchmeyer erschien, den dortigen Kolportageromanen jedoch in vieler Hinsicht sehr ähnlich ist. Da findet sich


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zu Beginn eines Kapitels die folgende Landschaftsbeschreibung(21): Mitten in der weiten Ebene erhebt sich ein vielfältig zerklüfteter, aus gewaltigen Basaltmassen bestehender Berg, welcher mit seinem Haupte hoch in die Wolken ragt und seine Füße weit in das Land hineinstreckt, wie ein vom Himmel gefallener Titane oder ein aus dem Innern der Erde emporgeschleuderter riesiger Cyklope, der nun seit Jahrtausenden im Schlummer liegt, um von den gigantischen Kämpfen auszuruhen, die ihn vom Olympos stürzten oder aus dem Orkus an das Tageslicht hervorgetrieben haben. Das ist, freilich auf ein ganz anderes Objekt bezogen, die gleiche Sprache wie an der eben zitierten Stelle, getragen von den gleichen Widersprüchen (und noch einigen mehr: man beachte die gegensätzlichen Bewegungen, die der Vergangenheit des Berges angedichtet werden). Der Zufall will es nun, daß auf der folgenden Seite des Reprints der »Juweleninsel« die Erzählung eines anderen Autors teilweise mit abgedruckt ist - er heißt J. B. Karg, der Text ist überschrieben »Bis zum Tod getreu« - und daß sie ebenfalls mit einer Landschaftsbeschreibung einsetzt(22): »Mit ihren scheidenden Strahlen beleuchtete eben die Sonne die pittoresken Alpenländer, die himmelanstrebenden Berge und das grünlich helle Gewässer des Königs- oder St. Bartholomäussees, auf dessen spiegelnder Fläche das Bild seiner Umgebung widerstrahlte. Kein Jodeln der Hirten, kein Geläute der Heerden erscholl von den Höhen, denn die Alpen waren abgeweidet und die Rinder, Ziegen und Schaafe eingestallt.« Das ist gewiß eine Stelle, die in der Konzeption nicht grundsätzlich vom Verfahren Mays abweicht, aber ihr Eindruck bleibt doch unvergleichlich blässer. Der Grad des Auslebens der Extreme - der Detailsucht und des ungebändigten Gesamtbildes - trennt die Formulierungen mit einer Grenzlinie, die individuelle Charakterisierungen gestattet; ferner arbeitet May mit Bezügen auf so unterschiedliche Wissensgebiete wie die Gesteinskunde einerseits, die Mythologie andererseits und personifiziert dann auch noch ohne Umschweife das Phänomen, das sich aus der Verklammerung der konträren Assoziationsfelder ergibt, wohingegen Karg eine Stimmung schafft, in der von vornherein bruchlos alles zu allem paßt und sich noch die scheidenden Sonnenstrahlen mit den eingestallten Herden harmonisch im Bild vom Abschied ergänzen. Erwähnenswert an der »Juweleninsel« ist in unserem Zusammenhang


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auch der Titel: während die Münchmeyer-Romane z.T. darin auf ein Übermaß an einander tendenziell ausschließenden Sinngehalten hinzuweisen suchen, steht »Die Juweleninsel« über diesem Opus allein und unangefochten: was ihr widerspricht, ist dann freilich nicht weniger als die gesamte Handlung des Romans, denn jedesmal, wenn das titelspendende Eiland ins Blickfeld rückt - und das geschieht ohnehin selten genug -, blendet der Erzähler rasch ab und weicht in andere Epochen und Räume der Weltgeschichte aus. Übrigens ist auch dieses Bauprinzip typisch für die Kolportageromane: statt mittels einer linearen zeitlichen Vorwärtsbewegung erfolgt die Handlungsschilderung in einer Fülle von zeitlichen und räumlichen Sprüngen, die den zugrundeliegenden Plot noch nebulöser erscheinen lassen, als er es tatsächlich ist; beinahe ließe sich als Collage oder Montage bezeichnen, was hier dem einlinigen Verständnis der Handlung penetrant zuwiderarbeitet.

Um die Eigentümlichkeiten der Kolportageromane in einem größeren Kontext zu studieren, kehren wir noch einmal zu Magdalena Berghuber, genannt Leni, zurück. Es geht um ihr Debütkonzert, und das ist, nach dem Bericht des Erzählers, eines der denkwürdigsten kulturellen Ereignisse jener Zeit gewesen; im Publikum befinden sich König Ludwig II., Richard Wagner und Franz Liszt. Bei ihren ersten Liedern wirkt Lenis Stimme zunächst nur virtuos, mächtig voll und jubilierend steigt sie in das dreigestrichene cis hinauf (23). Aber damit nicht genug: Leni beeindruckt, jenseits aller technischen Fähigkeiten, immer stärker durch eine persönliche Ausstrahlungskraft, die mit musikalischer Terminologie nicht mehr zu fassen ist, obwohl es um nichts anderes als musikalische Ereignisse geht. Das Innere dieses einzigartigen Mädchens ist es, was sich in den Tönen mit unbeschreiblicher Eindringlichkeit entlädt: Das Forte und Piano, das An- und Abschwellen, es konnte ja gar keine Beachtung finden vor dem himmlischen Wohllaute dieser Töne. (. . .) Es war als ob eine hingebende Seele sich auflöse und nun dahinschwinde in Klängen, welche man wohl hören, nicht aber begreifen konnte. (24) Mit elementarer Wucht ergreift diese Kunst ihre Zuhörer, deren Spannung steigt ins Unerträgliche, und als Leni zum Abschluß die Huldigung einer Bettlerin an ihren König vorträgt, von verrathener Liebe und zehrendem Grame (25) ebenso singt wie von der letzten Tagesreise der


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irdischen Pilgerfahrt und der Brandung der Ewigkeit (26), da kommt es zu unvergleichlichen Reaktionen(27):

Schon in der Mitte der Strophe hatte die Stimme Leni's zu zittern begonnen. Thränen füllten ihre Augen. Bei den Worten: »Ade, ade, ihr grünen Matten« mußte die Begleitung eine Pause machen, denn die Sängerin schluchzte laut auf und konnte nicht weiter; dann aber fuhr sie weiter fort, und unter strömenden Thränen, aber wie mit Orgelton und Glockenklang endete sie mit mächtig dahinbrausender Stimme:

»Ich steh in meines Königs Schatten;

Mein König hat an mich gedacht!«

Die Worte waren verklungen, und die Musik schwieg. Still wie in einem leeren Tempel war es für einen Augenblick - da schallte ein lautes, herzzerbrechendes Weinen durch den Raum; der Sepp war es. Der Fex konnte sich auch nicht halten und fiel ein. Leni, bis jetzt still stehend, schlug die beiden Hände vor das Gesicht und eilte schluchzend hinter die Coulissen und ---

War es möglich! War so Etwas bereits einmal dagewesen? Auch draußen im Zuschauerraume, rechts und links, oben und unten, brach die Rührung hervor, welche nicht mehr zurück zu halten war: Man weinte allgemein.

Auch der König saß still und bewegungslos, den Arm, welcher das Taschentuch hielt, auf die Brüstung gestützt und das Gesicht in die Hand gelegt --- er weinte!

Wagner und Liszt, die beiden Meister der Tonkunst, auch ihre Kraft war zu gering: Sie hatten Thränen.

Nur Einer saß unten, dessen Auge nicht naß wurde - der Krikelanton.

Die Stelle bedarf kaum eines Kommentars, und wer erfahren möchte, was man unter einem gottbegnadeten Dichter versteht, wird sich an ihr endlos delektieren können; die aberwitzige Eskalation des Konzerts will alle Grenzen überschreiten, schlägt gleichzeitig in unfreiwillige Komik um und konzentriert schon damit dominante ästhetische Grundlagen des Werkes. Aber trotz der Bemühungen des Erzählers, die einlinige Entwicklung in einem Crescendo ohnegleichen einzufangen, konterkariert er im letzten Satz des Zitats sogar explizit seine so streng verfolgte Tendenz: der Krikelanton weint nicht mit; er, der - im platonischen Sinne - Geliebte der Leni, nimmt Anstoß an ihrer äußeren Erscheinung beim Auftritt, und seine Bedenken durchsetzen schon vorher störend die Schilderung der famosen Veranstaltung: »Sie zeigt ihren Busen und ihre Arme. Hol sie der Teufel!« (28) Während also der Text immer stärker danach drängt, eine einzigartige Stimmung zu beschwören, durchkreuzen kleinliche, altertümlich wirkende Eifersüchteleien eben dieses Spiel mit der Singularität. Und nicht nur sie: auch ein italienischer Konzertmeister mit Namen Antonio Rialti geistert ständig durch die Szene, indem er versucht, die


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keusche Leni in ihrer Garderobe beim Auskleiden zu Gesicht zu bekommen. Der pfiffige Wurzelsepp, der Held des Romans, hintertreibt diesen Plan allerdings und lockt Rialti, während Leni ihre Zuhörer fasziniert, auf den Baum vor eines jener heimlichen Gemächer welche zwar in jedem Hause sehr nothwendig sind, ihm aber keineswegs zur öffentlichen Zierde gereichen und, darum meist an einem Punkt angebracht werden wo sie am Wenigsten in die Augen fallen. 29 Sein Irrweg plagt Rialti immer heftiger: er kann nur unter großen Mühen vom Baum herabklettern, verpaßt den eigenen Konzertauftritt, wird beinahe von einem Hund gebissen, zerreißt sich die Frackschöße und kehrt als Arrestant in den Musentempel zurück: »0h Unglück, oh Schmerz!« (30) Von der gediegenen Stimmung, die der Auftritt Lenis verbreitet, ist in diesen planmäßig eingestreuten Szenen nichts zu bemerken; eher zerstören sie den absurden Glanz des Konzerts, den der Erzähler so angestrengt zu vermitteln sucht.

Was hier zu beobachten ist, kann nun wohl, nachdem wir es an mehreren exemplarischen Stellen in ähnlicher Form vorgefunden haben, als allgemein gültig angesehen werden: der »Sinn« der Kolportageromane läuft oftmals darauf hinaus, einsehbare Zusammenhänge, konsequente stilistische Entwicklungen, inhaltliche »Aussagen«, eben Sinngehalte, systematisch zu unterminieren und zu zerstören; was konstruiert wird, wird im gleichen Moment demontiert. Es hat sich gezeigt, daß derartige Brüche im Werk in bezug auf seinen autobiographischen Hintergrund gelegentlich mit einiger Logik zu entschlüsseln sind(31), aber das kann uns in dem Befund, der sich aus den Texten selbst ergibt, nicht irremachen. Gerade weil die Romane so energisch auf die Herrschaft klar formulierbarer, positiver Lehrsätze abzielen, muß deren Zersetzung um so gravierender erscheinen. Schon frühzeitig rücken z.B. die Erzählungen den verwirrenden Beziehungen ihrer Protagonisten mit einem handlichen Schwarz-Weiß-Schema der Moral und Unmoral zu Leibe; in ihren Helden haben sie Figuren, die neben vielen anderen Funktionen auch die des Räsoneurs erfüllen, der die Haltung des Autors und Erzählers auf eindeutige Begriffe bringt; »Unsere Schicksale haben uns gelehrt, daß der Mensch nur so viel werth ist als er wiegt und daß Rang, Stand, und Besitz nur eine nebensächliche Bedeutung besitzen« (32): mit diesen Worten


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rekapituliert Karl Sternau, nunmehr geadelt, seine Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre, und um so unfüglicher erscheint es, daß er fortan, wie der Roman mitteilt, in erster Linie der Pflege seines Ranges, Standes und Besitzes leben wird. In Mays Abenteuerromanen um Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi lassen sich übrigens z.T. ähnliche Beobachtungen anstellen, allerdings mit erheblich modifiziertem Ergebnis. Der Unsinn wird hier zumeist einem anderen Ziel untergeordnet und ohne Verkleidungen vorgezeigt: so dienen etwa die konfusen Zeugnisse seiner Bildung, die der Hobble-Frank - besonders im »Mustang« und in den »Helden des Westens« offenbart, nicht dazu, die Figur zu denunzieren oder das Ideal humanistischer Gelehrsamkeit ad absurdum zu führen, sondern einem höheren didaktischen Zweck: der Leser dieser für Jugendliche bestimmten Erzählungen soll Frank, wie es auch die Mitreisenden tun, korrigieren und rekonstruieren, was sich in Franks Erinnerung verwirrt hat.

Steht hier die von allen anderen als Frank selbst erkannte Planlosigkeit im Dienste einer umfassenden Konzeption, so verhält es sich in den Kolportageromanen gerade umgekehrt. Sie reihen Wörter, Sätze und Sinnelemente aneinander, die danach trachten, sich auszuschließen, indem sie sich permanent widersprechen; höchstens ließe sich ein Perspektivismus des Erkenntnisinteresses postulieren, der rücksichtslos von einem Pol des Zugriffs zu seinem Antipoden wechselt; gewiß liegt auch, wenn wir an die von May in vielen Punkten zitierte Tradition des Genre denken, in all dem ein Element der Parodie. Aber der entscheidende Aspekt ist dies nicht, und wenn wir ihn erreichen, dann verlieren sich auch die Gedanken an die Trivialität dieser Trivialromane (daß sie es sind und dennoch Erkenntnisse ganz gegensätzlicher Qualität freigeben, zählt nicht zu ihren geringsten Widersprüchen): auf einer sehr abstrakten Ebene ist die Verweigerung von Sinnzusammenhängen das dominante Agens der Kolportageromane, entfaltet sich als ihr Ziel die konzentrierte Formulierung eines sich in Widersprüchen fortbewegenden Absurditätsprinzips. Auf dieser Ebene ist der Weltzustand und die Gesellschaft, deren Geheimnisse aufzuklären die Romane sich mühen, weder gut noch schlecht, weder geordnet noch ungeordnet, sondern ein durch und durch nihilistisches, chaotisches Terrain, das an die Bemühungen um Lehrsätze nur


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als an Ausflüsse des Spotts denken läßt; die Modernität einer derartigen literarischen Struktur soll hier nur angedeutet werden. Es geht, über weite Strecken, nichts mehr in dieser Kolportageszenerie, die allein im Hinblick auf ihre eigene Brüchigkeit wirkungsvoll funktioniert. Die Jungfrau, die keine Sängerin ist und vom Zahn der Sünde verschont blieb: sie ist nichts anderes als ein freundliches Monstrum, zum Zeichen, daß die Welt, in der sie denn auch nicht länger singen mag, monströs und weitgehend sinnentleert ist. Aber nicht einmal das will ernstgenommen werden.



1 Günter Grass: Hundejahre. Neuwied - Darmstadt 1974, 9

2 Karl May: Ardistan und Dschinnistan. II. Bd. (Gesammelte Reiseerzählungen XXXII), 651

3 Karl May: Der Weg zum Glück. Hildesheim - New York 1971, 3 (Reprint der Erstausgabe Dresden 1886/87)

4 Ebd. 2177

5 Ebd

6 Clemens Brentano: Werke. Bd. 1. München 1968, 144

7 Vgl. Sigmund Freud: Die Traumdeutung (Studienausgabe II). Frankfurt a. M. 1972, 377ff. u.ö.

8 Wie Anm. 4

9 Karl May: Das Waldröschen. Hildesheim - New York 1970, 1223 (Reprint der Erstausgabe Dresden 1882)

10 Karl May: Scepter und Hammer. Hamburg o.J. (1978), 79 (Reprint der Erstausgabe 1880)

11 Ebd.

12 Vgl. Volker Klotz: Ausverkauf der Abenteuer. Karl Mays Kolportageroman »Das Waldröschen«, in: Fritz Martini (Hg.): Probleme des Erzählens in der Weltliteratur. Stuttgart 1971, 159ff.

13 Vgl. Gert Ueding: Glanzvolles Elend. Versuch über Kitsch und Kolportage, Frankfurt/M. 1973, 68ff.

14 Vgl. Helmut Schmiedt: Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers. Königstein/Ts. 1979, 76ff.

15 Heinz Stolte: »Waldröschen« als Weltbild. Zur Ästhetik der Kolportage, in: Jb-KMG 1971, 31

16 Ebd.

17 Wie Anm. 14, 85 ff.

18 Wie Anm. 9, 2612

19 Vgl. Walther llmer: »Mißratene« Deutsche Helden, in: Karl Mays Deutsche Herzen und Helden. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1977, 4ff.

20 Karl May: Der verlorene Sohn oder Der Fürst des Elends. Hildesheim - New York 1970, 1 (Reprint der Erstausgabe Dresden 1883/85)

21 Karl May: Die Juweleninsel. Hamburg o.J. (1978), 230 (Reprint der Erstausgabe 1881)

22 Ebd. 231

23 Wie Anm. 3, 464

24 Ebd. 471 (25) Ebd. 485 (26) Ebd. 486 (27)Ebd. 488 (28) 473

29 Ebd. 468 (30) Ebd. 481

31 Vgl. Walther llmer (wie Anm. 19), ders.: Das Adlerhorst-Rätsel, ein Tabu? in: M-KMG 34/1977, 25ff.

32 Wie Anm. 9, 2611


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