//197//

DIETER SUDHOFF


Karl Mays ›Abdahn Effendi‹ · Eine Werkanalyse


Dem Andenken Amand von Ozoróczys



Überblickt man die bisherige Literatur zum Spätwerk Karl Mays, so fällt auf, daß die Erzählungen im Gegensatz zu den Romanen so gut wie unberücksichtigt geblieben sind. Ist das Zufall, oder gibt es Gründe für dieses auffallende Schattendasein der kleineren Arbeiten? Es drängt sich der Verdacht auf, daß hier eine vorurteilende Vermutung, nämlich es handele sich um wenig Gehalt- und Kunstvolles, eine Rolle gespielt hat. Die Kürze und der auf den ersten Blick oberflächlichere Charakter der Erzählungen mag suggeriert haben, es habe mit ihnen nicht viel auf sich, eine isolierte Betrachtung lohne sich nicht.
   Daß die Erzählungen den literarischen Rang der Romane nicht erreichen, läßt sich nun tatsächlich nicht bestreiten. Daß sie - oder doch zumindest ›Abdahn Effendi‹, der alleinige Gegenstand der vorliegenden Untersuchung - aber gleichwohl zu den, auch im wörtlichen Sinn, bedeutenderen Texten Mays zählen, will diese erste Werkanalyse einer späten Erzählung zeigen. Sie sollte keineswegs als endgültige Abhandlung mißverstanden werden. Vielmehr würde ich mich freuen, wenn sie anregend für weitere Arbeiten zu ›Abdahn Effendi‹ mit sicherlich vielfach anderen Ergebnissen würde. Vor allem aber wünsche ich mir, das Augenmerk allgemein mehr auf die Alterserzählungen zu lenken. Sie haben es durchaus verdient.


A. WERKGESCHICHTE

Die genaue Entstehungszeit von ›Abdahn Effendi‹ - ungleich wichtiger als die Erscheinungsdaten - läßt sich heute kaum noch ermitteln. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß sich im Besitz des Karl-May-Verlags Materialien finden ließen, etwa Briefe Mays, die auch hierüber Auskunft geben könnten. Immerhin läßt sich aber auch ohne dies zumindest der ungefähre Zeitraum der Niederschrift bestimmen. Erschienen ist ›Abdahn Effendi‹ zuerst als Vorabdruck im ›Grazer Volksblatt‹ vom 22. 3. bis 22. 4. 1908. Biographische Elemente, die in die Erzählung eingegangen sind, nämlich Reiseeindrücke aus dem


//198//

Riesengebirge - darauf wird noch eingegangen werden -, machen es mehr als nur wahrscheinlich, daß May nicht vor dem 8. Juli 1907, d. h. nicht vor dem Ende seines Kuraufenthaltes in Bad Salzbrunn und der anschließenden Tour durchs Riesengebirge mit der Erzählung begonnen hat. Der Zeitraum vom Juli 1907 bis März 1908 läßt sich noch einengen, wenn man bedenkt, daß May seit Oktober 1907 am ›Mir von Dschinnistan‹ arbeitete und daß Ende 1907 auch die psychologische Studie ›Frau Pollmer‹ entstand. Es ist kaum anzunehmen, daß May in dieser Zeit, in die ja auch die erste große Vernehmungswelle in der Meineidssache fällt, den nötigen zeitlichen und seelischen Freiraum fand, um sich auch noch an eine so relativ lange Erzählung wie ›Abdahn Effendi‹ zu machen. Gegen eine Datierung Ende 1907/Anfang 1908 spricht auch die Tatsache, daß sich keinerlei Spiegelungen der Haussuchung vom 9. 11. 1907 in ›Abdahn Effendi‹ nachweisen lassen.1 Am ehesten denkbar ist eine Entstehung im Spätsommer 1907, im Zeitraum vom 8. Juli bis Ende September.
   Die Erstveröffentlichung im ›Grazer Volksblatt‹ kam vermutlich durch Vermittlung Amand von Ozoróczys (1885 - 1977) zustande, der May im August 1907 erstmals besucht hatte, in der Absicht, ein Werk über ihn zu schreiben. May, der erfahren hatte, daß die meist unkritisch-lobhudelnden Verteidigungsschriften seiner Freunde und Verehrer ihm eher schadeten als nützten, widersetzte sich diesem Plan erfolgreich2, doch riß der Kontakt mit dem jungen Wiener bis zu Mays Tod nicht ab.3 Anstelle einer Monographie schrieb Ozoróczy zwischen 1907 und 1912 mehrere Aufsätze über May und sein Spätwerk, vorwiegend in der ›Augsburger Postzeitung‹4, unter anderem auch eine Rezension des ›Abdahn Effendi‹, die bis heute die vergleichsweise ausführlichste und zutreffendste Würdigung dieses Werkes geblieben ist.5 Sie erschien anonym in der ›Augsburger Postzeitung‹ Nr. 172 vom 28. 7. 1908 unter der Überschrift ›Zum Problem Karl May geht uns aus unserem Leserkreise folgende Zuschrift zu‹ und galt jahrelang als von May selbst verfaßt.6 Diese Vermutung kann inzwischen nicht mehr aufrechterhalten werden, denn Ozoróczy hat seine Autorschaft in seinen letzten Jahren immer wieder glaubhaft gemacht, doch war sie naheliegend: der ganze Text atmet in Sprache, Stil und Inhalt Mayschen Geist. Es ist anzunehmen, daß der Aufsatz in enger Zusammenarbeit mit May entstand, auf Grund von Gesprächen, nach einem von May aufgesetzten Konzept, vielleicht sogar nach Diktat. Die dort gegebenen Interpretationsansätze haben daher verbindlichen Charakter, auch für die vorliegende Arbeit. Ozoróczys Abhandlung wurde 1909 - ebenfalls anonym - in beinahe unveränderter Form als Vorwort zur


//199//

Bucherstausgabe in der ›Bibliothek Saturn‹ verwendet, vermutlich auf Betreiben Mays, der erkannt hatte, daß seine Erzählung ohne eine solche Einführung als einfache Schmugglergeschichte mißzuverstehen war. Nach der Erstveröffentlichung im ›Grazer Volksblatt‹ erschien ›Abdahn Effendi‹ aber zunächst noch in einigen weiteren Zeitschriften: so in der ›Mülheimer Volkszeitung‹ vom 4. 8. bis 3. 9. 1908 und 1909 in der von Leopold Gheri redigierten ›Gardaseepost‹; für Gheri und seine Zeitschrift ›Der Kunstfreund‹ hatte May 1906/1907 bereits seine ›Briefe über Kunst‹ geschrieben. Wie schließlich der Kontakt zum Stuttgarter Neuen literarischen Institut entstand, dem Verlag, der ›Abdahn Effendi‹ 1909 als Doppelband 3/4 in der illustrierten Reihe ›Bibliothek Saturn‹ herausgab, ist unbekannt. Vermutlich hatte sich der Verlag selbst um die Druckrechte beworben. Die Illustrationen - ein farbiger Titel, zwei Schwarzweiß-Tafeln und eine (unpassende) Eingangszeichnung - schuf Theodor Volz (1850 - 1916), der bereits 1891 ein May-Porträt für den ›Deutschen Hausschatz‹ gezeichnet hatte7, das 1893 noch einmal als Vignette zur Erzählung ›Der Verfluchte‹ im ›Regensburger Marienkalender‹ erschien, zusammen mit zwei weiteren Textillustrationen von Volz.8 Daß May ›Abdahn Effendi‹ nicht bei Fehsenfeld erscheinen ließ, zeigt deutlich, wie sehr sich Autor und Verleger inzwischen entfremdet waren. Auch die Erzählung ›Schamah‹ erschien nicht in Freiburg, sondern - 1910 - ebenfalls in der ›Bibliothek Saturn‹. Seit 1977 liegen beide ›Saturn‹-Bände, zusammengebunden, als Reprint des Karl-May-Verlags Bamberg und des Verlags A. Graff Braunschweig wieder vor.9 1927 war ›Abdahn Effendi‹ erstmals im Karl-May-Verlag erschienen, im Band 48 ›Das Zauberwasser‹ der Radebeuler Reihe der ›Gesammelten Werke‹. Die Erzählung ist dort ebenso wie im heutigen Band 48 der Bamberger Reihe bearbeitet. Beide Abdrucke sind für eine philologische Betrachtung ungeeignet. In den heute im Handel erhältlichen Bamberger Band hat auch Ozoróczys Rezension Eingang gefunden: die ›Anmerkungen des Herausgebers‹ E. A. Schmid10 übernehmen ganze Textpartien aus dem ›Problem Karl May‹. Die ansonsten recht verdienstvolle May-Reihe des Herrschinger Pawlak-Verlags hat unverständlicherweise auf einen Neudruck von ›Abdahn Effendi‹ verzichtet.


B. BISHERIGE WERTUNGEN

Als ›Abdahn Effendi‹ erstmals im ›Grazer Volksblatt‹ und in anderen Blättern erschien, wurde die Erzählung gründlich mißverstanden. Da


//200//

May eine ganze Reihe von Motiven verwandte, die bereits aus seinen frühen Reiseerzählungen vertraut waren - teils bewußt, um die Kontinuität seines Gesamtwerks zu suggerieren und um abspenstig gewordene ehemalige Leser wieder an sich zu binden, teils unbewußt, auf Grund einer partiellen Gestaltungsschwäche - , übersah man das Gleichnishafte der Erzählung und wertete sie hocherfreut als Rückkehr zu den Wurzeln. Bezeichnend ist das Urteil des May freundlich gesinnten Gralbündlers Lorenz Krapp in der ›Augsburger Postzeitung‹ vom 2. 10. 1908: »Seine frisch zugreifende Art der ersten 20 Romane war zuletzt einer für den künstlerischen Wert verderblichen Sucht nach Mystischem, Dunklem, Geheimnisvollem gewichen. . . . Mit Freude erfüllt es mich, daß . . . in ›Abdahn Effendi‹ jetzt wieder frischeres Leben pulst, die alte Lust am Geschehen bei May wiederkehrt. In Old Shatterhands und Kara Ben Nemsis Faust gehört die nie fehlende Büchse, nicht die Schriftrolle einer kumäischen Sibylle. Mitten unter Paschern und Verschwörern kann man keine Traumworte stammeln; das verbietet der künstlerische Sinn. Und nochmals begrüße ich es mit Freude, daß die Werke der jüngsten Zeit zur alten herzfröhlichen Art Mays zurückkehren, daß alles wieder präziser, jünger, fröhlicher, greifbarer wird.«11 Krapps Urteil kann als exemplarisch für die damalige Bewertung gelten, vor allem für die erste Zeit bis zum Erscheinen der Ozoróczy-Rezension.12 ›Abdahn Effendi‹ erschien als Zeitschriftenvorabdruck ja ohne jegliche Kommentierung, vor allem ohne die erst von Ozoróczy gelieferten Namensbedeutungen, die grundlegend für ein auch nur annäherndes Verständnis des symbolisch-allegorischen Gehalts sind. Durch Ozoróczys Rezension wurde die May-Gemeinde dann aber doch irritiert, und da die meisten um das, was man sich erst intellektuell erkämpfen muß, am liebsten einen Bogen machen, blieb ›Abdahn Effendi‹ in der Lesergunst seit Ozoróczy links liegen. Mays Versuch, die Rezeption in richtigere Bahnen zu lenken, nahm dem Text das öffentliche Interesse.
   Auch eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung fand - wie schon anfangs vermerkt - bis heute nicht statt. Schmid rekapituliert in seinen bereits genannten ›Anmerkungen des Herausgebers‹ nur noch einmal die Erläuterungen Ozoróczys, Ostwalds Vorwort zum Reprint ist unangemessen dürftig und drückt trotz angestrengter Versuche, in Tieferes zu dringen, vor allem den heimlichen Herzenswunsch aus, es möge sich hier doch nur um »Reiseerzählungen . . . in der üblichen Art«13 handeln. Immerhin hält er ›Abdahn Effendi‹ für »besonders gut (gelungen)«.14 Bei Erwähnungen ähnlicher Art ist es bisher geblieben. Arno Schmidt nennt ›Abdahn Effendi‹ einen »wich-


//201//

tige(n) Titel«15; Hans Wollschläger bescheinigt der »schartig gebrochene(n) Novelle«, in der es »dumpf bedeutend umgeht«, »durchaus Rang«. Zugleich stellt er fest, daß »eine Analyse ... noch aus(steht)«.16 Eine solche soll nun im folgenden erstmals versucht werden.


C. WERKANALYSE

I. Struktur

Die Erzählung ›Abdahn Effendi‹ ist wie die späten Romane Mays mehrdimensional aufgebaut, d. h. es läßt sich interpretatorisch unterscheiden zwischen Handlungsebene, Autobiographischer Ebene und Philosophisch-religiöser oder Abstrakter Ebene. Die Polyphonie der großen Romane ›Im Reiche des silbernen Löwen III/IV‹, ›Der Mir von Dschinnistan‹ und ›Winnetou IV‹ wird aber nicht erreicht. So sind zwar zahlreiche autobiographische Elemente in den Text eingegangen, doch fügen sie sich nur selten zu einem geschlossenen Bild zusammen und sind auch nicht immer bewußt eingebracht. Die reine Handlungs- und Aktionsebene wiederum behauptet sich häufig gegenüber der Ebene tieferer Bedeutung, d. h. May rutschte aus dem bewußt Gleichnishaften des Geschehens mehr als einmal ins rein Aktionistische. Das war nur zum Teil - wie bereits angedeutet - eine Konzession ans Publikum und Versuch der Kontinuität; entscheidender noch und für May kaum kontrollierbar war die spezifische Eigenart des Genres Erzählung (im Gegensatz zum Roman), lapidar gesagt die notwendige Kürze des Textes. Es ist ja nicht allein ›Abdahn Effendi‹, wo das überzeugende Ineinander der Ebenen nicht gelingt: dies Phänomen läßt sich auch bei den beiden anderen wichtigen Erzählungen des Spätwerks, ›Schamah‹ (1907/1908) und ›Merhameh‹ (1910) beobachten. Sie alle fallen strukturell gegenüber den Romanen ab, und es konnte auch nicht anders sein. In den Romanen hatte May die Möglichkeit, ein weitumspannendes Handlungsplateau aufzubauen, hatte genug Raum zu ausgedehnten philosophischen Reflexionen; die Form war offen für immer neue Entwicklungen, die dann nicht selten unterschichtig biographisch motiviert waren. Bei den Erzählungen aber war er von vornherein eingeengt. Für umfangreichere Dialoge und Reflexionen war kein Platz, die ihm nach wie vor nötig scheinende Aktionshandlung ließ sich nur wenig reduzieren17, und die Priorität der Botschaft drängte bewußt Autobiographisches vergleichsweise zurück.


//202//

Aktion und Bedeutung decken sich nicht immer, Bedeutungsgeladenes steht oft neben wenig Belangvollem, lediglich für das äußere Fortschreiten der Handlung Wichtigem. Mit der äußeren Form einer Schmugglergeschichte knüpfte May an ein von ihm - besonders in seiner schriftstellerischen Anfangszeit - gern benutztes Motiv an, um es mit ganz neuem Inhalt zu füllen. Dabei bedachte er nicht, daß ein solches Motiv - ebenso wie einige andere in ›Abdahn Effendi‹ verwandte - auch eine eigene Dynamik entwickelt, die nicht gänzlich zu kontrollieren ist, die Eigenheiten des Motivs also immer wieder zu Mays Inhaltskonzept philosophischer Art in Widerspruch geraten mußten. Darunter leidet natürlich die Geschlossenheit der Erzählung. Hans Wollschlägers Behauptung, bei ›Abdahn Effendi‹ handele es sich um eine »relativ klar gegliederte Allegorie«18, ist mithin einzuschränken. ›Abdahn Effendi‹ zeigt Mays Streben danach, seinen Versuch einer ausgedehnten Parabel, zeigt aber auch sein Scheitern daran. Zwar ist es eine Parabel geworden, aber eine, die in Bruchstücke zerfallen ist, deren jeweilige Zusammengehörigkeit nicht einwandfrei bestimmbar ist. Hier liegen die Schwierigkeiten einer Interpretation.


II. Biographisches

Wenn wir hier von Biographischem sprechen, dann ist zunächst vorwiegend die äußere Biographie Mays gemeint, die Spiegelung von realen Erlebnissen, realen Personen, realen Begebenheiten, realen Landschaften, also das konkret Faßbare aus dem Leben Mays. Wichtiger für ›Abdahn Effendi‹ wie für das Spätwerk insgesamt ist die innere Biographie, sind Mays innere Wandlungen, die nicht nur zur Quelle seiner späten Arbeitenwurden, sondern auch zu ihrem zentralen Thema. Diese innere Biographie wollte May als exemplarisch verstanden wissen, er überhöhte sie zur Botschaft an die Menschheit. So wie er sich aus dem Abgrund seiner frühen Verfehlungen befreit hatte, sich nach und nach von allen Schlacken des Animamenschentumes reinigt(e)19, um sich dann nur noch der Seele zu widmen, so soll sich auch jeder seiner Leser vom Anima- oder gar Gewaltmenschen hin zum Edelmenschlichen entwickeln. Da sich die innere Biographie Mays weitgehend mit der Botschaft deckt, sich beides auch nicht voneinander lösen läßt, soll an dieser Stelle nicht explizit darauf eingegangen werden. Andererseits ist aber auch eine genaue Trennung von Außen- und Innenbiographie nicht immer möglich, da beides sich vielfach bedingt. Daher wird schon in diesem Kapitel das eine oder andere thematisiert werden, was ebensogut im Abschnitt über die Abstrakte Ebene behandelt werden könnte.


//203//

   Vermutungen über autobiographische Spiegelungen finden sich bisher nur bei Thomas Ostwald in dessen ›Werksgeschichte‹ zum ›Abdahn Effendi/Schamah‹-Reprint.20 Sie sollen vorab hinterfragt werden.
   Bei der Suche »nach versteckten symbolischen Hinweisen und verschlüsselten Episoden . . . gerät der May-Freund« Ostwald »auf das Glatteis der Hypothese«21 und erblickt in der Figur Abdahn Effendi ein Selbstporträt Mays.22 Ihm fällt auf, daß Abdahn einen ganz ähnlichen »inneren Kampf« durchleidet wie der Missionar Waller im ›Friede‹-Roman und daß es in beiden Fällen eine Frau ist, die dabei eine »wichtige Rolle«23 spielt. Hinter den Frauen ahnt er jeweils Klara Plöhn. Ostwalds wichtigste These: ». . . in der Figur des Abdahn Effendi mag der gehetzte Schriftsteller angenommen haben, sich selbst und seine ›Verfehlungen‹ wiedergeben zu müssen. Abdahn Effendi muß erst alle seine ›Sünden‹ in der Öffentlichkeit bekennen und bereuen, ehe ihm vergeben wird - ein Motiv, in das sich May durchaus häufig in der Prozeßzeit flüchtete.«24 Seit Wollschlägers ›Spaltungs‹-Aufsatz25 wissen wir, was sich hinter Wallers »innerem Kampf« verbirgt: der Zusammenbruch Mays während der Orientreise, die Ablösung des väterlich bestimmten Ich-Ideals durch ein von mütterlichen Repräsentanzen geformtes Ideal. Auf die philosophische Ebene übertragen bedeutet dies den Konflikt von Gewalt- und Animamenschlichkeit mit der Edelmenschlichkeit, oder einfacher gesagt, den inneren Dualismus von Gut und Böse. Dieser innere Konflikt ist nicht nur Motiv in ›Und Friede auf Erden‹ und ›Abdahn Effendi‹, sondern spielt auch in fast allen anderen späten Arbeiten Mays eine wesentliche Rolle. Sein Ursprung ist zweifellos autobiographisch, daher haben auch die jeweiligen Spielfiguren, an denen May diesen inneren Kampf exemplifiziert, eine biographische Komponente. Das bedeutet aber keineswegs, daß es sich auch immer um eigentliche Selbstporträts, um personale Spiegelungen handelt. Waller war noch am ehesten ein solches Selbstbildnis; der Zusammenbruch während der Orientreise fand hier seine erste literarische Bewältigung. Danach aber war May frei genug, sein persönlichstes Problem zu einem allgemeinmenschlichen zu abstrahieren und die Thematik bewußter und mit mehr Abstand aufzuarbeiten. Was von nun an im Zentrum stand, waren Typen, Kunstfiguren, die vor allem etwas zeigen sollten. Abdahn Effendi spiegelt einen Aspekt des Menschseins, aber auch Ben Adl, beide sind gleichviel oder gleichwenig autobiographisch; ihr Agieren und das aller anderen Figuren hat einen Bezug zu dem Menschen May - aber primär in dem Sinn, wie sie Bilder des Menschlichen schlechthin sind. Ostwald hat also Unrecht,


//204//

wenn er in Abdahn Effendi ein Selbstporträt im engeren, personalen Sinn sieht. In anderem, funktionalem Sinne ist ihm aber durchaus zuzustimmen. Im Konflikt Abdahn Effendis und in seinem Zusammenbruch spiegelt sich, in allerdings abgeschwächter, quasi ritualisierter Form die Katastrophe von Padang. Wenn May sich auch nicht als ganzheitliche Person mit Abdahn identifiziert, so läßt er ihn doch als Spielfigur das erleiden, was ihn selbst während der Orientreise von Grund auf wandelte. Auf diese Spiegelung wird noch näher eingegangen werden.
   Urbilder aus der Realität lassen sich ausmachen - so dürfte die Frau Abdahns, aber auch die Ben Adls, auf Mays Mutter zurückgehen (also nicht etwa auf Klara Plöhn) -, aber sie erscheinen verschwommen; Abbilder im eigentlichen Wortsinn sind es nicht. Die Analyse wird zeigen, daß in Abdahn Effendi einiges von Münchmeyer eingegangen ist oder daß hinter dem Basch Tschausch Omar Münchmeyers Faktotum Walther zu ahnen ist. Auch sie erscheinen aber nur blaß und wenig konkretisiert. May hat seinen Figuren Züge ihm bekannter Personen verliehen und beim tagtraumhaften Schreiben auf Selbsterlebtes zurückgegriffen. Bewußt autobiographisch sind aber nur manche Handlungsfolgen gestaltet, vor allem das Geschehen um den Punsch und die vier Wege Kara Ben Nemsis und Halefs zu Ben Adl. Davon wird noch ausführlicher zu reden sein. Gehört auch das »Bekennen und Bereuen« Abdahn Effendis - wie Ostwald meint - zu diesen bewußt autobiographischen Motiven? Schließlich war es May in seinem Spätwerk ja auch um ein Bekennen, nämlich ein Bekennen vor sich selbst, um Selbstfindung zu tun. Dennoch hat Ostwald wohl schwerlich recht: Abdahn bekennt nämlich nirgends, an keiner Stelle der Erzählung, »seine ›Sünden‹ in der Öffentlichkeit«. Er betet um Erlösung. Recht hat Ostwald, wenn er meint, daß May die Worte, die er Halef gegenüber den »Gerechtigkeitsfanatikern«26, den Adjutanten, in den Mund legt - »Ihr armen Teufel ihr, die ihr nur immer von Gerechtigkeit redet und doch selbst nur Gnade und Mitleid braucht, weiter nichts!«(98) -, »gern einmal seinen Gegnern zugerufen«27 hätte. Auch hier ist aber wiederum zu konstatieren, daß in den Adjutanten nicht Maysche Gegner im konkreten Sinn gespiegelt sind - obwohl May durchaus an den einen oder anderen besonders gedacht haben mag.


1. Das Riesengebirge in der Landschaft Dschan

In einem Nebensatz behauptet Ostwald, es sei »offensichtlich«, daß ›Abdahn Effendi‹ - ebenso wie ›Schamah‹ - unter dem »Eindruck«


//205//

der Orientreise entstand.28 So sehr das für ›Schamah‹ zutrifft - wenn man einmal davon absieht, daß diese Erzählung wohl schwerlich unter dem direkten »Eindruck« der immerhin sieben Jahre zurückliegenden Reise entstanden sein kann, in Wahrheit nur ein fiktiv erweitertes Erinnern ist -, für eine derartige Spiegelung in ›Abdahn Effendi‹ lassen sich keinerlei Belege finden. Ostwald versucht das auch erst gar nicht. Verblüffend ist nun aber, daß sich in der Erzählung gleichwohl Reiseerinnerungen finden, daß die Bühne und Kulisse der Landschaft tatsächlich der Realität entnommen ist. Allerdings nicht einer orientalischen - und an der türkisch-persischen Grenze war May ja auch nie gewesen -, sondern einer europäischen. Die Landschaft Dschan, die Berge von Uluhm - man hat sie an der böhmisch-schlesischen Grenze zu suchen.
   Ich wies bereits in der Werkgeschichte darauf hin, daß ›Abdahn Effendi‹ nicht vor dem Kuraufenthalt im schlesischen Bad Salzbrunn, Sommer 1907, entstanden sein kann. Von Salzbrunn aus unternahm Karl May vom 3. 7. bis zum 8. 7. eine nicht wenig anstrengende Wagenfahrt durchs Riesengebirge, mit den Stationen Grüssau - Johannisbad - Schneekoppe - Spindlermühle - Hohenelbe - Rochlitz - Harrachsdorf - Josephinenhütte - Schreiberhau - Agnetendorf - Hermsdorf - Kynast - Warmbrunn - Hirschberg. Von Hirschberg aus fuhren Klara und er mit der Bahn wieder nach Radebeul zurück.29
   Nicht die Reise als solche findet sich in der Erzählung wieder30, wohl aber die Landschaft des Riesengebirges. Parallelen sind offensichtlich, auch wenn es mir leider nicht möglich ist, den Handlungsort präzise zu lokalisieren.31
   Die Erzählung spielt im Anfange des Sommers (47). Da die Jahreszeiten in den Sudeten sich gegenüber dem Radebeuler Raum um etwa einen Monat verschieben, kann der 3. 7., der erste Tag von Mays Riesengebirgstour, dort durchaus noch als Sommeranfang gelten.32
   Durch die weit ausgedehnte Landschaft Dschan, die sehr hoch (liegt) - ebenso weit ausgedehnt und hoch gelegen wie die Vorgebirgsgegend des Riesengebirges - (zieht) sich die türkisch-persische Grenze (12), so, wie sich zur Zeit Mays die böhmisch-schlesische (heute tschechisch-polnische) Grenze durch das Riesengebirge zog.
   In der Erzählung wird das Riesengebirge zu den Bergen von Uluhm, beide Gebirge (verlaufen) von Nordwest nach Südost (12). Sie bilden in ›Abdahn Effendi‹ zwei Reihen zum Teil scharf abgegrenzter, zum Teil auch ineinander fließender Höhen, die immer parallel miteinander . . . verlaufen, und zwischen sich ein langes, vielgewundenes, tief und steil eingeschnittenes Tal bilden, auf dessen Sohle ein sehr fischreiches


//206//

Wasser fließt. ... Die Berge von Ulahm sind, ebenso wie das zwischen ihnen liegende Tal, sehr dicht mit Busch und Wald bestanden, worin es Wild in Menge gibt. (12) Das Tal . . . war oft sehr breit, zuweilen aber auch ebenso schmal, immer aber von dichtem Unterholz besetzt, aus dem die Kronen hoher Bäume ragten. Es gab hier einen Holzreichtum, der für Persien beinahe als Wunder zu betrachten war. (23) Für Persien allerdings. Abgesehen von der Schneekoppe, die bereits alpinen Charakter aufweist, ist das Riesengebirge und sind zumal die Täler des Riesengebirgsvorlandes, durch die May reiste, dicht mit Wald und mannigfachem Grün bewachsen. Zahlreiche Bäche winden sich durch die Täler. An Wild und Fisch herrscht tatsächlich kein Mangel.
   Laut Hecker ist May »kreuz und quer durch die Täler des Riesengebirgsvorlandes« gereist, »auf meist nur in den Ortschaften geschotterten Straßen, die vielen kleinen Flüsse und Bäche auf Holzbrücken überquerend.«33 In ›Abdahn Effendi‹ heißt es: Der Weg wurde . . . gangbarer. Er verließ sogar zuweilen den Bach, um in gerader Richtung eine seiner Windungen abzuschneiden. Indem wir ihm aufwärts folgten, hatten wir diese Windungen bald zur rechten, bald zur linken Seite neben und unter uns liegen. Es galt, kleine Brücken zu übersteigen.(23)
   An mehreren Stellen der Erzählung schafft May einen Bezug zu seiner Heimat, zu der das Riesengebirge ja noch zu zählen ist. So, wenn er das kleine, reizende Landschaftsbild um die Mühle Ben Adls beschreibt (für die möglicherweise der Ort Spindlermühle Pate stand) und es Kara Ben Nemsi fast heimatlich anmutet (25). Von der Mühle selbst, deren innere Einrichtung ihm unbekannt ist, vermutet er, daß sie einer einfachen, primitiven deutschen Sägemühle ähnlich sei. (26) Nur ähnlich? Gab es damals in Persien überhaupt solche Mühlen? Schlesiens Wohlstand jedenfalls beruhte nicht zuletzt auf seinem Holzgroßhandel. Ben Adl sendet sein Holz »über das ganze Hochland bis nach Kurdasir und Feridan, sogar bis Teheran und Isfahan« (21). Das schlesische Holz ging vorwiegend nach Preußen-Deutschland, sogar nach Belgien und Frankreich. Im Gegensatz etwa zu Süddeutschland gab es in Schlesien kaum Forstgebiet im Besitz von Einzelbauern; der Wald gehörte zunächst dem Adel, später dem Staat oder großbürgerlichen Unternehmern. Die Forstwirtschaft wurde daher ›Herrenwirtschaft‹ genannt. Ein solcher ›Herr‹ (›Effendi‹) ist auch Abdahn.
   Ueberall sah man arbeitende Menschen. Auf den Weiden grasten Pferde, Kühe, Schafe und Ziegen. Und rund um dieses schöne, erfreuliche Bild zog der Hochwald seinen dichten schützenden Rahmen.(26) Reiseeindrücke aus der weiteren Heimat.
   Daß Deutschland im Hintergrund steht, wird besonders deutlich,


//207//

wenn May das sonst Unnötige für nötig hält, nämlich diesen Hintergrund explizit abzustreiten: Das Unterholz bestand hier aus dichten Jasmin- und wilden Weichselbüschen, welche in Blüten förmlich leuchteten und einen Duft verbreiteten, den dieselben Sträucher in Deutschland nie erreichen. (26) Sie erreichen ihn dort aber nur deswegen nicht, weil der Duft May als Zeichen dient: Dschinnistan kündigt sich durch ihn an.
   Das Hauptgebäude Abdahn Effendis erinnert an die schlesischen Bauden, die häufig ganz ähnlich aufgebaut sind: ein steinernes Parterre, auf das ein Holzaufbau gesetzt ist. Sie stehen oft in Verbund mit anderen Bauden, so wie Abdahn Effendis Anwesen aus einem nicht unbedeutenden Komplex von Häusern, Hütten, Stallungen, Schuppen, Tennen, Winkeln und Löchern (13) besteht.
   So sicher mir die genannten Parallelen - die sich noch erweitern ließen - eine Identität von Dschan und Uluhm mit dem Riesengebirge machen, so unsicher bin ich in der genauen Lokalisation des Handlungsorts. Mays Beschreibungen in ›Abdahn Effendi‹ treffen auf eine ganze Reihe von Tälern des Riesengebirges und des Vorlandes zu. Denkbar ist auch, daß sich seine spezifischen Reiseeindrücke zu einem ganz neuen Landschaftsbild summierten, dessen einzelne Teile zwar real gesehen sind, nicht aber die Komplexität. Falls May aber an ein konkretes Tal dachte, wird man es an der Grenze suchen müssen. Am wahrscheinlichsten ist das Tal zwischen Siebengründe und Kesselkoppe. Es ist denkbar, daß May sich für den Ursprung der Elbe interessierte, die dort mit sieben Quellbächen entspringt, vielleicht sogar einige Kilometer am Wasser entlangwanderte, so wie Kara Ben Nemsi mit Halef in der Erzählung. Eine heutige Beschreibung des Tales von Gerhart Pohl ähnelt jedenfalls auffallend dem Bild, das May entwirft: ». . . auch die verträumte Anmut ist ein Kennzeichen des Riesengebirges. Durch blaugrünen Hochwald schnüren silberig die Bächlein. Über das vielfältige Grün von Moosen, Farnen, Jungholz hinweg schweift der Blick in einen stillen Grund des böhmischen Landes, wo sich durch saftige Triften ein Rinnsal talwärts windet. Das Rinnsal ist die Elbe.«34 Eine andere naheliegende Möglichkeit wäre das Isertal bei Harrachsdorf. Dort überquerte May die böhmisch-schlesische Grenze, so wie Kara Ben Nemsi mit Halef in der Erzählung die türkisch-persische.
   Die Frage nach dem genauen Handlungsort wird vorerst ungeklärt bleiben müssen. Da Klaras Tagebuch sehr lückenhaft ist, von May selbst nichts Entsprechendes überliefert (oder nicht bekanntgeworden), bleibt auch jeder Versuch, hinter den in der Erzählung geschilderten Erlebnissen Reiseerlebnisse aus dem Riesengebirge auszuma-


//208//

chen, im Spekulativen stecken. Wir wissen nichts über mögliche nähere Kontakte Mays mit Zollbeamten an der Grenze, wissen nicht, ob man ihn im Johannisbader ›Hotel Reichsapfel‹, in der Riesenbaude an der Schneekoppe, wo May ebenfalls übernachtete, oder später irgendwo anders bat, zu erzählen, Abenteuergeschichten natürlich, und ihm dafür kostenloses Logis anbot - so wie Abdahn Effendi Kara Ben Nemsi bittet, ihm den Bären zu schießen. Die Bärenjagd ist für May in ›Abdahn Effendi‹ zur Nebenepisode herabgesunken, wenn, dann wird er ungern Abenteuerliches von sich gegeben haben. Und natürlich hat er seine Zimmer stets bezahlt. Auch wenn man, wie in der Riesenbaude, eine »schauderhafte Nacht« in »schauderhaften« Betten35 verbrachte, eben eine solche, wie auch Kara Ben Nemsi und Halef sie bei Abdahn Effendi verbringen. Vielleicht logierte ja auch in der Riesenbaude eine . . . Menge jener kleinen, lieblich duftenden und zutraulichen Wesen, die der Araber Bakka, der Perser aber Sas oder Millä (Wanze) nennt. (19) Auch an einen Besuch Mays in einer Sägemühle ist zu denken. Belegen läßt sich all dies nicht, so wenig wie es heute noch festzustellen ist, ob May sich auf der Reise an einem Punsch gütlich tat. Etwas anderes scheint mir dagegen gesichert: daß Abdahn Effendi nicht nur eine Kunstfigur ist, sondern als Typus auch zurückzuführen ist auf den schlesischen ›Locator‹. May mag von ihm gehört oder gelesen haben, so noch während der Reise die Anregung zu seiner Erzählung gewinnend. Ein weiteres Zitat aus dem Schlesien-Text Gerhart Pohls mag genügen, um das Urbild des Abdahn Effendi sichtbar zu machen: »Ein Locator, den man nach gegenwärtigem Sprachgebrauch als ›Manager‹ bezeichnen könnte, hat die Kolonisten seiner engeren Heimat zusammengerufen, den Bau der neuen Siedlung mit festen Häusern, Ställen und Scheunen organisiert und die Ackerlose des inzwischen urbar gemachten Landes an die einzelnen Bauern verteilt. Dafür ist er zum ersten Schulzen oder Schultheiß des Dorfes ernannt worden. Seine eigene Wirtschaft ist die ›Erbscholtisei‹ (erbliche Schulzenwirtschaft) geworden, weil dieser die Zins- und Pachtfreiheit ›für alle Zeiten‹ und überdies die Fischerei- und Mühlengerechtsamkeit, die Brotbank und die Fleischbank, also die Versorgungsmonopole, zuweilen auch das Gastwirtsrecht, der Betrieb des Dorfkretschams, eingeräumt wurden.«36 Bei May heißt es von Abdahn Effendi: Er betrieb die Viehzucht, die Landwirtschaft, die Bäckerei, die Fleischerei, die Fischerei, die Jagd, die Gastwirtschaft, den Binnen- und Außenhandel und war zu gleicher Zeit der Schech el Beled, der Kadi, und der Imam (Schultheiß, Richter und Geistlicher) . . . (11f.) Die Übereinstimmung ist offensichtlich.


//209//

   Zusammenfassend ist zu sagen, daß auch ›Abdahn Effendi‹ Mays Verfahren zeigt, bei seinen Landschaften auf Selbstgesehenes zurückzugreifen, wobei in ihm am nachhaltigsten das Neue, bisher Fremde wirkte, das er während seiner Reisen sah. Die besten Beispiele dafür sind die Romane ›Und Friede auf Erden‹ und ›Winnetou IV‹, deren Entstehung sich der Orient- bzw. Amerikareise verdankt. Auch ›Abdahn Effendi‹ wäre wohl nicht entstanden, hätte es nicht die Reise durchs Riesengebirge gegeben. Dreierlei kam für May motivierend zusammen: das Erlebnis der Landschaft, die Erfahrung der Grenze und schließlich der Typus des Locators. Ihnen verdankt die Erzählung ihren Anflug ins Realistische.


2. Autobiographische Spiegelungen

Mays ›Abdahn Effendi‹ ist als Parabel gemeint. Der Blick des Autors richtet sich auf das Menschliche schlechthin, das er in seine Phänomene Leib, Anima, Seele, Geist aufspaltet und beispielhaft miteinander agieren läßt. Sieht man von der Ich-Gestalt Kara Ben Nemsi (= Karl May = Menschheitsfrage) ab, ist keine Figur als vollständige gemeint.37 Da die Figuren an der Oberfläche, auf der Handlungsebene, dennoch als autonome Menschen handeln müssen, ergeben sich Widersprüche. Um diese nicht noch zu verschärfen, bemühte sich May, auf ein bewußtes Ablichten realer Freunde und Feinde mehr als sonst zu verzichten. Es geht ihm nicht so sehr um den äußeren Menschen, sondern um den inneren, und dabei hat er natürlich zwangsläufig sein eigenes Ich vor Augen, seine eigenen inneren Konflikte, die er sich aber allgemeinmenschlich und exemplarisch denkt. Die Erzählung könnte auch ›Karl May‹ oder ›Der Mensch‹ heißen, Mays Ich hat an jeder Person Anteil, nicht nur am Titelhelden Abdahn Effendi. Der markiert nur einen Teil seines Ich, den Leib, der ihm zu schaffen machte/macht und der zu überwinden ist. Sobald diese Teil-Ichs, Seele, Anima etc., in einem fiktiven Text personal zu gestalten sind, wird ihre Erscheinung im gleichen Sinne wie die Landschaft geformt von in der Realität Gesehenem, entweder von konkreten Personen oder von Versatzstücken verschiedenster Personen. Letzteres überwiegt in ›Abdahn Effendi‹. So kann man bei der ganzen, unsauberen Bande (11), die in der Erzählung ihr Unwesen treibt, an den Münchmeyer-Clan denken, bei den Adjutanten an literarische Gegner wie Cardauns und Schumann, und auch May wird an sie gedacht haben. Nur wirklich gestaltet, derart, daß diese oder jene Person ein deutliches Abbild geworden wäre, hat er diese Feinde und Gegner in seinen Figuren nicht. Worum es ihm geht,


//210//

ist, das Rätsel und Geheimnis Karl May, das Rätsel des Menschseins zu lösen, an dem viele berufene und unberufene Menschen gearbeitet haben, bisher stets vergeblich, weil sie selbst mit im Geheimnis standen (11), d. h. im Menschsein. Keiner von ihnen allen brachte es fertig, sich aus diesem Geheimnisse herauszustellen (11), also aus den eigenen Befangenheiten herauszutreten und sich selbst quasi von außen zu betrachten. May glaubt, diesen Abstand von sich selbst gewinnen zu können, indem er sich literarisiert und sich vor sich selbst stellt wie vor einen Spiegel. Der Vorgang wird zu einem Bild: Figuren, Orte, Handlungen tauchen doppelt auf, scheinbar unnötigerweise - ja, die Duplizität der Handlung, etwa die Besuche bei den Achmeds, ermüdet den naiven Leser sogar -, und doch ist die Verdoppelung ganz bewußt eingesetzt, um auch den Akt des Schreibens, die Selbstspiegelung, in ein Symbol zu fassen. Mays Hoffnung ist, das tiefe Geheimnis des Menschseins in seiner Erzählung dadurch öffentlich (11) zu machen, daß er die ganze, unsaubere Bande seines eigenen Innenlebens, die er in jedem Menschen weiß, beschreibt und dadurch entlarvt. Zugleich will er sich damit von belastendem Innenmaterial befreien, so wie Kara Ben Nemsi Dschan von Abdahn Effendi und seinen Freunden befreit. Bei dieser Entlastung drängen ganz selbstverständlich Ereignisse aus seinem Leben nach Gestaltung, die den prägendsten und prägnantesten Einfluß auf ihn bis ins Alter ausübten. Das geschieht teils unbewußt oder halbbewußt, detail- und bruchstückhaft in den Fällen, wo es May primär um die Botschaft zu tun ist, teils aber auch relativ bewußt und gewollt, wenn die Selbstfindung im Vordergrund steht. In diesen letzteren Fällen ergeben sich dann regelrechte Handlungsketten, die Teile der Biographie folgerichtig nachzeichnen. Es handelt sich dabei in ›Abdahn Effendi‹ vor allem um Spiegelungen der Münchmeyerzeit, der schriftstellerischen Entwicklung und des Zusammenbruchs während der Orientreise. Personen wie Münchmeyer werden auf diese Weise - wenn sie personal auch nur ansatzweise gespiegelt sind - funktional doch zu heimlichen Handlungsträgern.

a) Münchmeyer

Abdahn Effendi, aber auch die beiden Achmeds erinnern in manchem an Heinrich Gotthold Münchmeyer und an den Münchmeyer-Clan überhaupt. So war Münchmeyer als einer der stärksten Esser bekannt und soll laut May zusammen mit seinem Bruder Fritz bei Mays einmal an einem Sonntag von früh bis abends einen Schweinskopf, der elf Pfund wog, bis auf die Knochen aufgegessen38 haben. Von Abdahn Ef-


//211//

fendi schreibt May: Seine Eß-, nein Freßbegierde war geradezu widerlich (74). So wie Münchmeyer im Hauptfaktotum Walther, besitzt Abdahn Effendi im Basch Tschausch Omar jemanden, von dem er alles tun (läßt), was Niemand wissen (darf).39 Der türkische Achmed hat ihn, wie seine Manuschaften überhaupt, »nicht vom Militär, sondern aus der hiesigen Gegend« rekrutiert; »das ist vorteilhafter.« (52) Da unter hiesiger Gegend - wie zu zeigen sein wird - Ardistan zu verstehen ist, scheint es, daß May hier auf Münchmeyers Vorliebe für vorbestrafte Mitarbeiter anspielt. In der Erzählung wird der Vorteil nicht erläutert. Die Art Abdahns und der anderen, sich als Freunde anzubiedern, ist die Art Münchmeyers, der mehr als einmal May mit einem »Wir sind Freunde!«40 einzuwickeln suchte. Ihm wie Abdahn war/ist es bei diesen Beteuerungen um Profit zu tun. Nachdem Halef in altbekannter prahlerischer, übertriebener Weise von seinen und Kara Ben Nemsis Abenteuern und tausend Vorzüge(n) (17) erzählt hat - in Abwesenheit Karas - , tun sämtliche Agha . . ., als ob sie (Kara) schon längst gekannt und geliebt hätten (17). Sie hoffen nämlich, durch ihn den riesengroßen kurdischen Bär loszuwerden, der unter dem Wildstand (= Besitz Abdahn Effendis) ungeheure Verwüstungen anrichte(t). (18) Bei seinen Besuchen in Hohenstein-Ernstthal, auch bei Mays Vater - in Abwesenheit Karls, der noch im Zuchthaus Waldheim einsaß - hörte Münchmeyer Tolles, d. h. Übertriebenes und Gelogenes über Mays Abenteuer und tausend Vorzüge, die ihm außerordentlich passend für seine Kolportage41 schienen.42 Zunächst ging es Münchmeyer darum, seinen Konkurrenten Otto Freitag tot zu machen43 - Kara Ben Nemsi soll in Abdahn Effendis Auftrag den Bären töten. Die Bärenjagd kann also für Mays erste Tätigkeit bei Münchmeyer stehen, seine Zeit als Redakteur von ›Schacht und Hütte‹ und ›Deutsches Familienblatt‹, später der ›Feierstunden am häuslichen Heerde‹. Münchmeyer stellte May damals im Hintergebäude seines Verlages mehrere Zimmer als Redaktionswohnung zu Verfügung und zahlte ihm »ein jährliches Gehalt von 600 Talern, das aber je nach seiner Bewährung, bis auf 1200 Taler erhöht werden würde«.44 Kara Ben Nemsi fordert von Abdahn Effendi für seinen Bärendienst gute Unterkunft und gutes, gesundes Futter für unsere Pferde (18). So wie Abdahn Effendi mag auch Münchmeyer May für seine Dienste kostenloses Logis angeboten haben, was May aber abgelehnt haben wird, da er ahnte, daß (sein) Gehen nicht so friedlich wie (sein) Kommen verlaufen werde (19). Münchmeyer verfolgte mit seiner vorgeblichen Großzügigkeit die Absicht, May mit seiner Schwägerin Minna Ey zu verkuppeln, und da diesem eine solche Verbindung fernlag, war ein böses Ende schon


//212//

früh abzusehen. Daher hielt May es für ausgeschlossen, irgend etwas ohne Gegenleistung von ihm anzunehmen. (19)
   Ebenso wie Kara Ben Nemsi bei der Bärenjagd, hatte May als Redakteur Erfolge, wenn es ihm auch nicht gelang, Freitag tot zu machen. Sein Ansehen wurde gefestigt (Vgl. 35), und Münchmeyer beauftragte May, ihm so viel Wild wie möglich abzuschießen (35), d. h. so viel wie möglich zu schreiben und für seine Blätter tätig zu sein. Er wollte es (= das Wild = Münchmeyers Zeitschriften) versenden und verkaufen. Ich ging recht gern darauf ein, weil uns dies ein guter Behelf war, hier zu bleiben und uns mit den obwaltenden Geheimnissen zu beschäftigen. Die Bevollmächtigung zur Jagd (= zur Herausgabe der Zeitschriften) gab uns gute Ursache, überall herumzustöbern . . . (35) In der Selbstbiographie schreibt May: Es wurde mir hier ganz unerwartet die prächtigste Gelegenheit geboten, den Buchdruck, die Schriftsetzerei, die Stereotypie und alles noch hierher Gehörige in bequemster Weise kennen zu lernen.45
   Auch die zweite Münchmeyerphase, die Zeit der großen Kolportageromane, findet sich in ›Abdahn Effendi‹ gespiegelt. Für das Schreiben der Romane steht dort das Punschbrauen. So wie ein Punsch aus verschiedenen, relativ feststehenden Elementen bestehen muß, so gehören auch in einen Kolportageroman ganz bestimmte Motive und Topoi wie Mord, Irrsinn, Entführung, Verführung usw. Dem ersten Punsch für Abdahn Effendi entspricht der erste Roman für Münchmeyer, das ›Waldröschen‹. Kara Ben Nemsi stellt dabei die Bedingung, daß er »ihn selbst machen darf« und »daß es keinem Menschen erlaubt ist, (ihn) dabei zu stören« (41). Das Genre des ›Waldröschen‹ wurde May freigestellt, und er bestand auf einem Pseudonym.46
   Der Erfolg des »Waldröschens« schien nicht nur ein guter, sondern ein ungewöhnlicher zu werden.47 Auch der Erfolg des ersten Punsches ist ungewöhnlich: Man schnalzte mit den Zungen. Man war entzückt; man trank (= las)! Man war des Lobes voll! . . . Wir bekamen eine Menge Lobeserhebungen und Liebeserklärungen anzuhören . . . (43) Auch hier hat man wieder an die Anbiederungen Münchmeyers zu denken.
   Die beiden Punsche, die Kara Ben Nemsi später jeweils für die beiden Achmeds braut, verweisen auf die weiteren Kolportageromane Mays. Auch die Achmeds stehen an diesen Stellen jeweils funktional für Münchmeyer. Eine Besonderheit ist nun aber anzumerken: Kara Ben Nemsi verteilt beide Male Arrak und Rum derart in zwei Krüge, daß der Punsch in dem einen recht mild und lieblich, in dem andern aber zehnfach stark geriet. (55) Die milde Sorte teilt er Halef und sich, die


//213//

starke dem türkischen Achmed und seinem Basch Tschausch bzw. später dem persischen Achmed zu. Hier kann man wohl zu Recht eine Anspielung auf Mays zeitweise zweigleisiges Schreiben vermuten: zum einen schrieb er starke Kolportage für Münchmeyer, zum anderen milde und liebliche Reiseerzählungen für den ›Deutschen Hausschatz‹. Die Bedeutung von Knoblauch, Zwiebeln und Aloe läßt sich wohl nur auf der Abstrakten Ebene auflösen. Immerhin denkbar ist aber, daß May hier an die ›schlüpfrigen‹ Stellen dachte, von denen er immer behauptete, sie stammten nicht von ihm, sondern seien von Münchmeyer in die Romane praktiziert. Kara Ben Nemsi (= May) verwendet keinen Knoblauch etc. (= Sexualität) für seinen Punsch (= seine Romane), hält sein Werk also rein; Abdahn Effendi (= Münchmeyer) dagegen praktiziert all dies hinein und hat den Rausch (= Schaden) davon. Diesen Schaden wünschte May zur Zeit der Niederschrift von ›Abdahn Effendi‹ der Münchmeyer-Witwe Pauline und den mit ihr verbündeten Feinden.
   Die Gleichung Punsch = Kolportageromane ist autobiographisch eine der durchdachtesten in ›Abdahn Effendi‹. Die Wahl des Bildes ›Alkohol‹ im Zusammenhang mit dem Tiefstand seines Schriftstellerdaseins, seines damaligen Noch-verhaftet-seins an den Abgrund, aus dem alle Qualen seines Alters hervorgegangen sind, ist überraschend schlüssig. Alkohol - das evoziert zum einen Erinnerungen an die ersten und ältesten Eindrücke48 während der Kindheit in Ernstthal, im Sumpf, - Schnaps war überall dabei; man mochte ihn nicht entbehren.49 - zum anderen an seine Zeit im Abgrunde, als May seltsamer Weise stets großen Durst (fühlte)50, wie es in der Biographie heißt. Ebenso wie Abdahn Effendi wollte er damals sein Gewissen »durch Arrak, Rum, Zucker und heißes Wasser (betäuben)« (67). Der Punsch bei Abdahn Effendi und den Achmeds signalisiert sowohl, daß May sich auch während seiner zweiten Münchmeyerzeit immer noch nicht dem Sumpf und dem Abgrund entkommen sah, als auch, daß das Domizil Abdahn Effendis im Gegensatz zu dem Ben Adls auf der Abstrakten Ebene als Ardistan gemeint ist, als Sumpf und Abgrund. May hat ja mehrfach die Gleichung Hohenstein-Ernstthal = Sumpf = Ardistan aufgestellt.
   Mit Sicherheit sind die Punsch-Szenen, die breiten Raum einnehmen und trotz einer expliziten gegenteiligen Äußerung Mays (Vgl. 55) viel Burleskes haben, darüber hinaus in manchen Details konkrete Erinnerungen an Gastereien (65) von oder mit Münchmeyer, dessen Bruder u. a. So wie May es in ›Abdahn Effendi‹ beschreibt - . . . darf ich nicht verschweigen, daß wir nach einem kleinen Stündchen den


//214//

Basch Tschausch (also vielleicht Walther) hinüber auf sein Bett schaffen mußten, weil er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. (55) - , mag es tatsächlich manche Nacht im Hause Münchmeyer oder bei Mays zugegangen sein. Was hier Fiktion und was Wirklichkeit ist, läßt sich aber natürlich nicht klären. Noch manches andere Motiv der Erzählung hat (auch) einen realen Hintergrund in der Münchmeyerzeit. In den gegenseitigen Betrügereien Abdahns und der Achmeds kehren Zwistigkeiten im Hause Münchmeyer vage wieder. So soll Pauline Münchmeyer ihrem Mann laut May Geld gestohlen und im Keller unter den Kohlen versteckt haben.51
   Die Berichte der Achmeds, verfaßt, um einander gelegentlich zu vernichten und vom Basch Tschausch gestohlen, um Erpressungen auszuüben (54), erinnern an Münchmeyers Vorliebe für Mitarbeiter, die vorbestraft waren, auf die er daher Druck ausüben konnte. Aber auch an Ernstthaler Verhältnisse ist wieder zu denken. In seiner Biographie schreibt May: . . . da kein Mensch ohne Fehler ist, so hatte ein jeder seinen Nachbar im Sacke. Man wußte alles, aber man schwieg. Nur zuweilen, wenn man es für nötig hielt, ließ man ein Wörtchen fallen, und das war genug. Man kam dadurch zur immerwährenden aber stillen Hechelei, zur niedrigen Ironie, zu einem scheinbar gutmütigen Sarkasmus, welcher aber nichts Reelles an sich hatte.52
   Bei der Schmuggelei Abdahns und der Achmeds ist an die dunklen Geschäfte Münchmeyers zu denken, vor allem an den Betrug an May selbst, die Vorenthaltung der Rechte und der feinen Gratifikation. Daß May sich - zur Zeit der Niederschrift - vom Staat und der Justiz bei der Aufklärung dieser Münchmeyerschen Betrügereien nicht mehr viel verspricht, zeigt seine Darstellung der unfähigen Adjutanten. Nur auf sich selbst glaubt er noch rechnen zu können, in den Prozessen wie als Kara Ben Nemsi gegenüber den Machenschaften Abdahn Effendis und der Achmeds. Der Justiz traut er nicht »die geringste Spur von Geist und Befähigung« (98) zu. Die Vertreter des Staates, die Adjutanten halten Kara Ben Nemsi für einen Pferdedieb (Vgl. 72), d. h. werfen May seine Vorstrafen vor. Tatsächlich hatte May 1869 in Bräunsdorf einmal ein Pferd gestohlen. Nicht die Adjulanten sind es, Kara Ben Nemsi ist es, der die Verbrechen aufdeckt, die Verbrecher entlarvt und die unschuldigen ehemaligen Kommandanten rehabilitiert. In der Phantasie kann May seine Wünsche realisieren, die Befreiung der Kommandanten, mit denen sich der ehemalige Strafgefangene identifiziert, befreit auch ihn.


//215//

b) Der Zusammenbruch

Mays ›Abdahn Effendi‹ ist (auch) eine Auseinandersetzung des Autors mit sich selbst. Das angestrebt Exemplarische dieser Auseinandersetzung führt dazu, daß May sich zumindest bemüht - vielfach vergeblich, wie die Analyse bereits gezeigt hat -, individuelle Besonderheiten abzuschleifen. Zu den dennoch mit eingeflossenen eigenen, ganz konkreten Charakterzügen gehört auch die Titelanmaßung der Achmeds und Selims. Die unrühmliche Geschichte von Mays Doktortitel ist ja bekannt. Wie beim Punsch oder den Erpressungen schwingt aber auch hier zusätzlich wieder Mays Kindheit in Ernstthal mit. Mays Vater war es, der sich insgeheim53 - als Mitglied der Bürgergarde - höhere militärische Ränge verlieh: Mein Vater war Hauptmann der siebenten Kompagnie.54 . . . Aber er war mit dieser Charge nicht zufrieden; er trachtete nach höherem. Darum beschloß er, sobald er ausexerziert war, sich ganz heimlich, ohne daß irgend Jemand etwas davon bemerkte, im »höheren Kommando« einzuüben.... Vater war bald Leutnant, bald Hauptmann, bald Oberst, bald General . . .55 Dieses Erbteil des Vaters, die Renommiersucht, machte sich dann später auch bei Karl May bemerkbar, zunächst als Amtsanmaßung und Hochstapelei, dann im Streben, sich als Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand feiern zu lassen. Er trachtete nach höherem, aber vorerst nur in materieller Hinsicht, wie die Achmeds, wie die Selims. Im Alter überwand er dieses Animahafte dann weitgehend und gewann so den Abstand, der es ihm erlaubte, diese Prahlsucht zu karikieren - wie hier am Beispiel der Freunde Abdahn Effendis.
   Der Umschwung im Leben Mays, seine Wandlung vom Dr. Shatterhand zum Hakawati ist auf die Orientreise zu datieren.56 Der konkrete Anlaß, die äußere Ursache ist unbekannt geblieben, doch ist das innere Erlebnis leicht nachzuvollziehen. Die geordnete Außenwelt Radebeuls, in der May vielfache Anerkennung gefunden hatte, wurde plötzlich ersetzt durch eine vielfach erweiterte Außenwelt, die ihm keinerlei Anerkennung mehr gewährte, so daß seine in den letzten Jahren durch die Identifikation mit dem vom Lesepublikum geliebten Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi gewonnene Realitätssicherheit mit einem Mal auf ein Minimum zusammenschrumpfte. Gleichzeitig wurde sein bisheriger Illusions- und Freiheitsraum, den der Orient neben Amerika für ihn bedeutete, durch die Konfrontation mit der unerwarteten, so ganz anderen Realität zerstört. Die Folge war »ein totaler Zusammenbruch der narzißtischen Schutzpanzerung«57; das alte Ich-Ideal, repräsentiert durch Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi, mit seinen vom Va-


//216//

ter übernommenen Zügen brach zusammen und wich einem mütterlich bestimmten Ideal. Wie schmerzhaft diese Wandlung vor sich ging, zeigt eine Notiz Klara Mays: »Auch aus Sumatra schrieb K. M. nach Hause, daß er einen Anfall jener schrecklichen, quälenden Beeinflussung durchgemacht habe, die ihn zu seinen unsinnigen Taten zwang. Er habe 8 Tage gegen diesen Anfall kämpfen müssen und sich in dieser Zeit, wie ihm nachträglich klar wurde und wie ihm sein Diener Hassan sagte, wie ein Irrsinniger benommen. Ein Zwang trieb ihn, alle Nahrung in den Abort zu werfen. Er tat es und hungerte, bis endlich der Normalzustand siegte.«58
   Die eigentliche Verarbeitung seines Orienterlebnisses geschah im ›Friede‹-Roman. Sie gelang nicht vollständig, und so drängte das Thema May immer wieder zu neuer Konfrontation. Er abstrahierte es aber auch immer mehr von sich weg und band es in seine späte Weltanschauung ein. So auch in ›Abdahn Effendi‹, in der Darstellung von Abdahn Effendis innerem Konflikt. Mays ureigenste Problematik scheint hier durch, aber verschoben und in eine Ordnung gebracht, die vom gewollt Parabelhaften, von der Botschaft bestimmt ist, so daß man von einem wirklichen Selbstporträt im Sinne Ostwalds nicht reden kann. Wieweit Mays eigener psychischer Konflikt gleichwohl im Konflikt Abdahn Effendis sichtbar wird, soll im folgenden gezeigt werden.
   Im Gespräch mit Abdahn Effendi (65-67) deuten zwei Bemerkungen Kara Ben Nemsis/Mays darauf hin, daß hier auch Selbsterlebtes beschrieben wird. Auf die Frage Abdahns, ob er schon einmal von solchen Gewissensnöten, wie er sie jetzt erleide, gehört habe, antwortet Kara/May: »Ja; oft sogar!« (66) Und etwas später: ». . . ich kenne das und weiß, daß es kein Entrinnen gibt.« (67) Der Konflikt Mays, der erst 1899 während der Orientreise zum offenen Ausbruch kam, hatte sich schon in den Jahren zuvor vorbereitet, und zwar seit 1885, dem Todesjahr der Mutter. Da die Liebesversagung der Mutter der Urgrund für Mays Schreiben war59, konnte ihr Tod nicht ohne eklatanten Einfluß auf Mays weitere Entwicklung und damit auf sein Werk sein. Wirklich können wir ab 1885 ein sporadisches Durchbrechen der männlichen Omnipotenz des Ich-Helden durch weiblich-passive Züge beobachten, eine Entwicklung, die ihren Höhepunkt vor der Jahrhundertwende und der Reise in den Romanen ›Weihnacht‹ und ›Am Jenseits‹ erreicht. Als Abdahn Effendi von seiner Frau verlassen ist (= May seine Mutter durch den Tod verlor), (fällt) sein Inneres langsam aber sicher zusammen. (75) (= in May begann der Abbau des väterlichen Ich-Ideals) Abdahn Effendi besitzt - wie der May vor 1900 - viele Züge von Mays Vater. Die zahlreichen Unternehmungen, die Prahlsucht, der


//217//

Jähzorn. So wie Abdahn, mag auch Heinrich August May seine Frau oft geschlagen haben. Er hatte sich . . . mit ihr gezankt, hatte sie sogar geschlagen. (75) Wollschläger vermutet, Mays Mutter »könnte in einer solchen Krisenzeit einmal bei der Liebe eines anderen Mannes Zuflucht gesucht haben«60, was das Kind Karl May dann als Liebesversagung erlebt haben muß. Belegen läßt sich diese »Ur-Szene« Wollschlägers nicht, aber wenn es in ›Abdahn Effendi‹ von dessen Frau heißt, nach dem Streit sei sie gegangen, unbemerkt, still, ohne es ihm (Abdahn Effendi = Mays Vater) vorher zu sagen, ohne ihm vorher damit zu drohen (75), so mag May dabei durchaus nicht nur an die Flucht der ›Seele‹ vor dem Bösen hin zu Ben Adl gedacht haben, sondern auch an die Flucht seiner Mutter zu einem Geliebten. Wobei man sich möglicherweise sogar in einer Mühle, etwa der ›Roten Mühle‹ oder der ›Klaußmühle‹, beide in der Nähe Ernstthals, zum Stelldichein traf. So spekulativ diese Vermutung ist - daß sich hinter Abdahn Effendis Frau biographisch Mays Mutter verbirgt, scheint mir sicher. Man vergleiche allein die Beschreibungen, die May uns von den beiden Frauen gibt: Abdahn Effendis Frau - eine wortlose, knechtisch gehorchende, niemals klagende Frau (75), die Sklavin ihres Mannes (73), die, wenn er getrunken hat, weder aus noch ein mit ihm (weiß) (63), die aber auch seine einzige seelische Stütze (75) ist; Mays Mutter - eine Märtyrerin, eine Heilige, immer still, unendlich fleißig, . . . stets opferbereit . . . Sie war ein Segen für jeden . . . Sie konnte noch so schwer leiden, kein Mensch erfuhr davon.61 Dieses Mutterbild Mays ist nicht realistisch, es ist die verklärte Vorstellung, die May nach dem Tod der Mutter und erst recht nach der Orientreise gewann. Das mütterliche Ideal, zum Liebesideal abstrahiert, verdrängt das väterliche Ideal: Abdahn Effendi muß sterben, als seine Frau ihn verlassen, d. h. sich gerettet und behauptet hat.
   Den »Anfall jener schrecklichen, quälenden Beeinflussung«, von dem Klara May spricht, ihn erlebt auch Abdahn Effendi. Er ist - wie May während der Orientreise, als der Konflikt zwischen väterlichem und mütterlichem Ideal in ihm ausbrach, sein ganzes bisheriges Sein zusammenbrach - sehr krank und in einem ganz eigenartigen Zustande (63). Zitate wie die folgenden brauchten eigentlich gar nicht kommentiert zu werden. Die Krise, der Zusammenbruch auf Sumatra - bei seinem Alter Ego Abdahn Effendi spricht May offen davon. Dann hatte er wie ein Klotz gelegen und geschlafen. Am Nachmittag war Bewegung über ihn gekommen. Er hatte sich hin- und hergeworfen und allerlei dummes Zeug gesprochen, besonders einige ganz eigentümliche Worte über sich selbst . . . (63) Die zentralen Worte »Erlöse uns von Abdahn


//218//

Effendi und allen seinen Freunden!«, um die der ganze innere Kampf geht, meinen die Erlösung vom alten väterlichen Ich-Ideal, die Überwindung des Vaters. Der innere Kampf ist schwer, denn das ganze bisherige Sein Abdahns/Mays wird verhandelt und soll als falsch und nichtig entlarvt werden. May wehrte sich gegen diese Erkenntnis wie Abdahn: »Ich will nicht, ich will nicht! Aber ich fühle, daß ich muß, ich muß, ich muß!« (64) Das Gespräch Kara Ben Nemsis mit Abdahn Effendi wird zum Selbstgespräch. »Du mußt! Du wirst gezwungen!« (66) Auf der Abstrakten Ebene ist es das Gewissen, das den Zwang ausübt. Handelt es sich biographisch um die Gewissensbisse Mays gegenüber seiner Mutter, der er meinte, Unrecht getan zu haben? »Es schadet mir!« - »Das ist nicht wahr! Es schadet dir nur, wenn du es darin behältst! Heraus muß es! Wenn du es nicht vor Menschen sagen willst, weil es dir schaden würde, so knie nieder und sage es Gott!« (66) Tatsächlich konnte May es nicht wagen, öffentlich und ausdrücklich sein ganzes bisheriges Leben und Schreiben zu negieren. Er hätte seine Leser verloren, vor allem ihre Zuneigung und Liebe, auf die er sich nach wie vor angewiesen sah. Heraus mußte es aber, und es reichte nicht aus, es allein Gott anzuvertrauen. In fast allem, was May nun schreibt, kehrt das Geständnis verschlüsselt und menschheitlich überhöht - so daß es ihm nicht schaden kann - wieder.
   Der ›alte Adam‹ muß überwunden werden. Ein neues Leben und Schreiben hat zu beginnen. »Du sollst bekennen; du sollst beten! Du sollst ein anderes, ein neues Leben beginnen. Wenn du das nicht tust, so wirst du entweder verrückt, oder du stirbst!« (66) Vor diese Alternative, vor der er sich selbst damals sah, stellt May immer wieder zentrale Figuren seines Alterswerks, seine ›Stellvertreter‹.
   Der konkrete Anlaß von Mays Zusammenbruch - lag er in einem Wort?: »Ein einziges Wort, welches dir zu Ohren kommt, steigt in die Tiefe deiner Seele, weckt dein Gewissen aus dem Schlafe und läpt dir nicht eher wieder Ruhe, als bis du dich entschieden hast, ob du gehorchen willst oder nicht.« (67)
   Mays körperliche Reaktion war laut Klara May die Nahrungsverweigerung. Bei Abdahn Effendi ist es ganz ähnlich, nur gerade umgekehrt: Er aß wie ein Wahnsinniger, so häßlich und so viel. Als er nicht mehr konnte, sprang er, ohne ein Wort zu sagen, von seinem Platze auf und rannte hinaus. Wohin, das wußte niemand. Kein Mensch bekam ihn an diesem Abend wieder zu sehen. (76) Auch die Flucht ist typisch für Mays späte Konfliktfiguren. Es ist die typische Reaktion Mays auf Konflikte, seien es äußere oder innere. Sein ganzes Schreiben bis zur Jahrhundertwende war ja eine einzige Flucht vor der eigenen bedrük-


//219//

kenden Misere. Die Flucht, die Nahrungsverweigerung und die Schlaflosigkeit - von der auch Abdahn geplagt wird: Er ging schon vor uns schlafen. Aber daß er schlafen konnte, war unmöglich, und er sah am anderen Morgen auch wirklich so elend und übernächtig (sic) aus, wie einer, der sich die ganze Nacht zwischen Wachen und schlechten Träumen herumgeworfen hat. (77) -, all dies sind bei May stets Reaktionsbildungen auf seelische Krisen gewesen, also mit einiger Sicherheit auch bei der Katastrophe während der Orientreise. Ein Zitat aus der Selbstbiographie - May schildert hier seine Reaktion auf Gerüchte über ihn in Hohenstein-Ernstthal, während der Abgrund-Zeit - mag für viele andere stehen, die alle deutliche Parallelen zur Beschreibung in ›Abdahn Effendi‹ aufweisen: Das war ein schwerer, ein unglückseliger Tag. Es trieb mich fort, hinaus. Ich lief im Wald herum und kam spät abends todmüd heim und legte mich nieder, ohne gegessen zu haben. Trotz der Müdigkeit fand ich keinen Schlaf. Zehn, fünfzig, ja hundert Stimmen verhöhnten mich in meinem Innern mit unaufhörlichem Gelächter.62
   Als Abdahn Effendi endlich stirbt, mit den letzten Worten des Vaterunsers und der Ergänzung »Erlöse uns von Abdahn Effendi und von seinen Freunden!«, ist damit der alte May der frühen Reiseerzählungen, die omnipotente Vaterfigur Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi gestorben.63 Die beiden ehemaligen Kommandanten (= der zu Unrecht verurteilte und noch im Alter beschuldigte May ›in Ketten‹) und Ben Adl (= der neue May des Spätwerks, der zum Edelmenschen Reifende) besiegeln dies Ende mit einem »Amen!« (Vgl. 92)
   Die Adjutanten halten es wenig später für notwendig, auch den toten Abdahn Effendi noch mit den Achmeds, Selims und dem Basch Tschausch in die Luft zu sprengen. Funktional stehen die Adjutanten - in denen wir auch schon literarische Gegner wie Cardauns und Schumann und auch Vertreter der Staatsgerechtigkeit sehen konnten - hier für Mays Gegner und Feinde überhaupt; alle sind sie gemeint, die Genannten eingeschlossen. Es gibt eine Notiz Mays vom 18. 12. 1904, in Hans Jürgen Syberbergs ›Karl May‹-Film dem Kontrahenten Gerlach in den Mund gelegt, die mir wesentlich für die Interpretation dieser Tat der Adjutanten scheint: »Eine Höllenthat, und doch ein gutes Werk.«64 Ganz ähnlich äußert Kara sich in ›Abdahn Effendi‹ gegenüber den Adjutanten: »Ich gebe euch ebensowenig unrecht, wie der Soldat, der Held, dem Fleischer oder Schinder unrecht gibt. Ihr handelt nicht aus euch selbst, sondern zufolge eines ehernen Gesetzes und auch zugleich im Auftrage jener ebenso strengen als allgütigen Himmelsmacht, die uns befiehlt, nichts ohne den Zusammenhang zu betrachten. Abdahn Effendi war euch und uns zum Lernen aufgegeben. Ich lerne mehr von


//220//

ihm und auch anderes, als ihr. Wenn er, der Leib, in dieser Weise starb, so mußte alles, was geistig nur ihm allein entfloß, nach oben hin zerstäuben. Es wäre eine Lüge gewesen, es nicht in die Luft zu jagen. Ich sage euch das, obwohl ich weiß, daß man mich nicht versteht. Ihr habt also nicht nur folgerichtig, sondern allzu richtig gehandelt, und das, das treibt mich fort.« (97) Die Explosion - das ist die Geisterschmiede, in ein grelles Bild gebracht. In dieser Geisterschmiede sah May sich am Ende seines Lebens, ihm bereitet durch den Haß seiner Feinde. Er zürnt ihnen nicht, den Fleischern und Schindern, die, wie es in der Selbstbiographie heißt, Henker-, Schinder- und Kavillerarbeit65 leisten: Ich zürne Euch nicht, denn ich weiß, es mußte so sein. Es war meine Aufgabe, alles Schwere zu tragen und alles Bittere durchzukosten, was es hier zu tragen und durchzukosten gibt; ich habe das nun in meiner Arbeit zu verwenden. Ich bin nicht verbittert, denn ich kenne meine Schuld. Und was andere gezwungen an mir taten, das trage ich nicht nach.66 May weiß, daß ihm die Höllenthat seiner Feinde nützt, ein gutes Werk ist, denn sie dient seinem eigentlichen, einzigen, letzten »Werk«.67 Er sieht seine Feinde als Werkzeug Gottes - im Auftrage jener . . . Himmelsmacht - und als Vollstrecker des ehernen Gesetzes, daß das Böse, Niedrige und Animahafte unterzugehen, das Hohe und Gute aber zu triumphieren hat, eben auch in ihm, in May selbst und vor allem in seinem Werk. Seine Gegner helfen ihm zur Läuterung, so will May es sehen. Der alte Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi - sein Ende besiegelte sich schon während der Orientreise. Abdahn Effendi ist schon tot. Was geistig nur ihm allein entfloß, d. h. das bisherige Werk Mays, lebte aber im Publikum noch fort. May selbst verwirft es nun. Er bekennt sich aber nicht offen zu dieser Negation, begeht also seinen Lesern gegenüber die Lüge, von der er in ›Abdahn Effendi‹ spricht. Nur manchmal, etwa in der Selbstbiographie, ist die Negation ahnbar: Das war die Geisterschmiede . . ., in der man auf mich losschlug, daß die Funken durch alle Zeitungen flogen. . . . Daß all das Leid, welches über mich kam, . . . meine . . . schriftstellerische Aufgabe, beeinflussen mußte, versteht sich ganz von selbst. Auch da gab es Schlacken, und zwar mehr als genug. Auch sie mußten herunter. Es flog der Ruß, der Schmutz, der Staub, der Hammerschlag. Noch liegt das alles um mich her, doch nun wird ausgeräumt, damit das reine, edle Werk beginne.68 Auch hier Bilder, die an eine Explosion erinnern. In der Wendung nach oben hin zerstäuben ist zweierlei enthalten: die Negation des bisherigen Werkes und zugleich die Aufwärtsbewegung, die das künftige Werk zu bestimmen hat. May – unfreiwillig - zu diesem Werk verholfen zu haben, ist das Verdienst der Feinde. Sie haben sich also richtig verhalten, die Ad-


//221//

jutanten, aber auch allzu richtig. Die Anfeindungen haben May zwar schriftstellerisch beflügelt, ihn menschlich aber bis an den Rand des Todes gebracht. Und so ist es durchaus folgerichtig, daß May - was auf der Handlungsebene etwas befremdet - nach den rechtfertigenden Worten Kara Ben Nemsis seinem Halef, seiner immer noch nicht ganz überwundene(n) Anima69 auch noch harte, die Adjutanten anklagende Worte in den Mund legt: »Ihr armen Teufel ihr, die ihr nur immer von Gerechtigkeit redet und doch selbst nur Gnade und Mitleid braucht, weiter nichts!« (98) Mays Haltung zu seinen Gegnern war ambivalent: beinahe dankbar als Schriftsteller, gab er ihnen als Mensch ihren Haß in gleicher Münze zurück, hart und scharf, unbillig und unfügsam.70 Er entschuldigte sich damit, daß eben in manchen Momenten das Niedrige Macht über ihn habe, daß es seine Anima sei, die es ihm diktiere.71

c) Vier Wege zu Ben Adl

Nach der endgültigen Vernichtung Abdahn Effendis und seiner Freunde flieht Kara Ben Nemsi mit Halef die Dünste des Tales und reitet zunächst in die köstliche, staub- und schmutzfreie Atmosphäre der Hochebene (99) hinein, um nach diesem Umweg, der aber ein persönlich notwendiger Weg ist, endlich zum Garten Eden (100) des Edelmenschen Ben Adl zu gelangen. Das Bild löst sich leicht auf: nachdem Kara Ben Nemsi/May den ›alten Adam‹ überwunden hat, der noch in der Niedrigkeit des Tales, also Ardistans, Gefallen fand, nachdem die alte, väterlich fixierte Identifikationsfigur Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi und alles, was mit ihr geistig zusammenhing, in Nichts zerfiel, zieht es ihn in die Hochebene, d. h. zur Hochliteratur, zu seinem eigentlichen Werk. Der May, wie er sein soll, der Edelmensch Ben Adl, wartet schon auf ihn. Dschinnistan wartet. Mays Weg dorthin, zum Land des Edelmenschen, führt über sein Spätwerk.
   Vor diesem letzten Ritt, der über die Hochebene führt, war Kara Ben Nemsi schon dreimal bei Ben Adl gewesen, um dann aber doch jedesmal zurückzukehren zu Abdahn Effendi. Wenngleich es auf der Handlungsebene nicht manifest wird, kann man sagen, daß es ihm nicht gelang, dort zu bleiben. Abdahn Effendi, der May der frühen Reiseerzählungen, war noch nicht überwunden. Es mag gewagt scheinen, aber ich halte die These für vertretbar, daß die verschiedenen Anläufe Kara Ben Nemsis zu Ben Adl hin auch jeweilige Stadien im Leben/Schreiben Mays repräsentieren. Das bedeutet, daß der erste Weg, den Kara Ben Nemsi und Halef zu Fuß durch das Tal zurücklegen, am Ufer des Wassers entlang72, auch für Mays erste schriftstellerische


//222//

Schritte steht, also für das Schreiben der ›Geographischen Predigten‹, der Erzgebirgischen Dorfgeschichten, der Humoresken usw. Der Weg führt durch das Tal, es gelingt May in diesen Werken also noch nicht, sich aus den Niederungen Ardistans zu befreien. Dichtes Unterholz (23) herrscht vor, die Werke bewegen sich noch vorwiegend an der (Erd-)Oberfläche, doch gibt es vereinzelt auch Kronen hoher Bäume (23), die das Niedrige überragen, die nach oben streben, aus unserem Blickwinkel etwa die ›Geographischen Predigten‹. Aber der Dichter geht zu Fuß. Bei der Mühle angekommen, belauscht Kara Ben Nemsi zwar Ben Adl, zeigt sich ihm aber nicht, d. h. May findet noch keinen Kontakt zu seinem Alters-Ideal des Edelmenschen. Er findet ihn nicht, weil er es für ratsam hält (und hier offenbart sich wieder Mays Bemühen, auch seine ganz frühen, im Verhältnis zum Spätwerk relativ unbedeutenden Werke hinzustellen als bewußt äußerlich gehalten, um sich so erst einmal schriftstellerisch einzuüben) »sich erst um den Körper zu bekümmern, ehe man sich an die Erforschung des Geistes und der Seele macht« (25). Diese letztere Aufgabe stellt er sich erst im Spätwerk. In den Frühwerken geht es ihm noch um den Körper.
   Auch der zweite Weg zur Mühle wird zu Fuß zurückgelegt, aber immerhin geht man nicht wieder mitten durchs Tal, sondern am Rand desselben entlang, sucht also bereits die Nähe der Höhe. Es ist die Zeit, als May sowohl seine ersten Reiseerzählungen als auch die Münchmeyer-Romane schrieb. Bei seinen ›Hausschatz‹-Romanen kann May sich, wenn nicht auf, so doch an der Höhe halten, bei den Münchmeyer-Romanen aber wird er vom Weg zur Edelmenschlichkeit vorübergehend abgelenkt und ins Tal hinabgelockt: Kara Ben Nemsi und Halef entdecken Spuren, die in ein Gebüsch hinunterführen und kommen, als sie ihnen hinabfolgen, an eine Stelle, an der es fürchterlich stank. (61) May gerät zu Münchmeyer und stößt dort auf dessen dunkle Geschäfte. Diese Begegnung hemmt Mays Entwicklung zum Höheren, unterbricht den Weg zu Ben Adl, verhindert sie aber nicht. Wir stiegen . . . wieder zur Höhe hinauf und wanderten der Mühle entgegen. (62) Dort begegnen Kara und Halef erstmals Ben Adl, Mays Ideal beginnt zu reifen, doch ist es noch lange nicht erreicht. Abdahn Effendi treibt noch sein Unwesen und so führt der Weg wieder zu ihm zurück. Aber Kara Ben Nemsi und Halef nehmen zwei Rosen mit: Zeichen für den kommenden Sieg.
   Der dritte Weg zur Mühle wird zu Pferde zurückgelegt, über die Wegstrecke äußert May sich nicht. Es ist nun die Zeit der großen Reiseerzählungen bis zur Jahrhundertwende73, die ins Bild gebracht sind durch die Pferde. Der türkische Selim Agha, der Kara Ben Nemsi und


//223//

Halef beschatten soll, kann ihnen nicht folgen, weil er weder ein Pferd besitzt noch reiten kann. (Vgl. 71) Das Niedrige hat bei den Reiseerzählungen zurückzubleiben. Bei der Mühle begegnet man den Adjutanten (= literarischen Gegnern), die May als Pferdedieb verleumden. Die Pferde stehen hier, wie gesagt, für die Reiseerzählungen (wie überhaupt oft in Mays Spätwerk); der Pferdedieb könnte also auch ›Plagiator‹ meinen.74 Des Plagiats beschuldigt wurde May tatsächlich schon vor 1900. Wichtiger als solche Beschimpfungen, wichtiger als die ersten Presseangriffe ist es Kara Ben Nemsi/May, daß er nun Ben Adl und seine Frau näher kennenlernt. May hat an Lebensernst und Lebenserfahrung (73) gewonnen75, dem Ziel des Edelmenschentums ist er schon sehr nahe gekommen. Ich kann sagen, wir gewannen uns gegenseitig aufrichtig lieb. (74) Noch einmal kehrt man zurück zu Abdahn Effendi, nach dessen Überwindung dann auf dem Weg über die Hochebene des eigentlichen Werkes die Mühle, Dschinnistan, endgültig erreicht wird. In der Imagination hat May sein Ziel erreicht. »Ja, wir bleiben.« (102) Nun sind es keine einzelnen Rosen mehr, es sind Rosenbuschen, die den endlichen Sieg symbolisieren, ein Einklang, der seltsam auf Mays letzte Worte vorausdeutet: Sieg! Großer Sieg!. . . Rosen. . . rosenrot.76

III. Philosophisch-religiöses

Die relativ ausführliche Darlegung des autobiographischen Materials in ›Abdahn Effendi‹ hat möglicherweise den Blick verstellt für die Tatsache, daß es nicht die Biographie ist, sondern die Botschaft, die als Ordnungsprinzip in der Erzählung wirksam ist. Insoweit die Botschaft sich aber mit der Biographie deckt oder in ihr aufgeht, derart, daß aus dem Exemplarischen und Verallgemeinerbaren Besonderheiten herausragen, besteht diese Ordnung auch im Biographischen. Eine genaue Trennung von Biographischem und Philosophisch-religiösem ist, wie schon an anderer Stelle betont, nicht möglich, weshalb bereits im ersten Teil dieses Aufsatzes einiges vorweggenommen wurde, was mit ebensolcher Berechtigung auch erst jetzt, als Botschaft, interpretiert werden könnte. So vor allem die Wege Kara Ben Nemsis und Halefs zu Ben Adl, denen der zentrale Gedanke Mays zugrundeliegt, daß jeder Mensch von Ardistan nach Dschinnistan streben soll, empor ins Reich der Edelmenschen, und daß dies nur möglich ist, wenn er das Böse und Animahafte in sich überwindet und das Gute bestärkt. Da May diesen Kerngedanken seiner Weltanschauung aber individualisiert hat, durch die Spiegelung seiner vier persönlichen Werk- und Lebensepochen,


//224//

schien eine Thematisierung im Rahmen des Biographischen ratsamer. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Zusammenbruch, über den aber im Gegensatz zu den Wegen noch einiges zu sagen sein wird, da er sich autobiographisch nicht restlos interpretieren läßt.
   Eine allgemeine Darstellung von Mays Altersphilosophie ist an dieser Stelle weder möglich noch notwendig. Grundlegende Arbeiten dazu liegen bereits vor.77 Im folgenden kann es nur darum gehen, aufzuzeigen, wie May seine Anschauungen in ›Abdahn Effendi‹ vermittelt hat. Als Richtschnur der Interpretation hat uns dabei Amand von Ozoróczys ›Abdahn Effendi‹-Artikel bzw. -Vorwort ›Zum Problem Karl May‹ zu dienen, da sich in ihm Mays eigene Sicht dokumentiert.78 Autorisierte Äußerungen Mays zu ›Abdahn Effendi‹ sind nicht bekannt.

1. Der Leib

Die Figuren der Erzählung sind auf der Philosophisch-religiösen oder Abstrakten Ebene nicht als vollständige Persönlichkeiten gemeint, sondern als Personifikationen menschlicher Phänomene. Ins Zentrum rückt May Abdahn Effendi. Bei Ozoróczy heißt es zu ihm: »‹Abdahn‹ ist der Plural von Beden, d. h. ›Leib‹. Abdahn ist der Leibesmensch, der in seiner ganzen ultradicken Seelenlosigkeit das ganze Gewicht des Lebens nur auf den Körper legt.«79 Das ist zweifellos richtig, berücksichtigt aber nicht ausreichend das Funktionelle der Personifizierung. Abdahn Effendi ist Leibes m e n s c h ,  insofern er in der Erzählung agieren muß. Eigentlich aber steht er für das Prinzip ›Leib‹ schlechthin. Diese Deutung wird von May an einer Stelle explizit gegeben: er, der Leib (97). An anderem Ort spricht er von Abdahns Geist- und Serlenlosigkeit (23). Was dann bleibt, ist der Leib. Daß May den Plural des arabischen Wortes wählte, weist auf das Exemplarische hin: Abdahn steht für alle Leiber. Im Gegensatz zu Ozoróczy (und wohl May selbst) meint Wolf-Dieter Bach, der Name ›Abdahn‹ leite sich vom persischen ›abdan‹ = lederner Wassersack her.80 Wenngleich im Persischen unkundig, vermute ich, daß die Wörter ›beden, abdahn‹ und ›abdan‹ verwandt sind. Unter bestimmtem Blickwinkel ist beides dasselbe: der menschliche Körper besteht im wesentlichen aus Wasser und seine Haut ist eine Lederhülle. Ozoróczys und Bachs Interpretationen schließen sich also gar nicht aus.
   Daß Abdahn Effendi für den Leib steht und als Leibmensch agiert, wird in der Charakterisierung offensichtlich: May scheut sich nicht, Abdahns Leiblichkeit bis ins Groteske zu steigern. Er ist der dickste


//225//

Mensch, den ich in meinem Leben gesehen habe (11), ist ungeheuer dick (14), ein ultradicke(r) Effendi (18), dick und ungeschlacht (20), seine Wangen standen wie Halbkugeln und seine Aeuglein verschwanden fast ganz unter oder hinter dem Fettpolster, welches sie umgab. Den Mund sah man fast nicht, und der Schnurrbart war unter der dicken Rindstalgnase vor Fett ganz verdünnt, erstickt und verkammert. (14) Als Kara Ben Nemsi und Halef hinter ihm eine Leiter hochsteigen, mit dem Anblick seiner unförmlichen Fleischmasse (18) vor Augen, müssen sie bemerken, daß er nach allen möglichen schlechten Düften (stinkt) (22). Abdahns Tätigkeiten - die Viehzucht, die Landwirtschaft, die Bäckerei, die Fleischerei, die Fischerei, die Jagd, die Gastwirtschaft . . . (11f.) - beziehen sich fast alle auf den Körper, aufs leibliche Wohl, aufs Essen, Trinken, Schlafen. Kara Ben Nemsi trifft ihn schon bei der ersten Begegnung essend an. Ich habe ihn überhaupt fast nie anders als essend gesehen. (14f.) Es war das eine wirklich ausgebildete, direkte Gefräßigkeit. . . (74) Wein trinkt er wie Wasser (39), der Pöntsch macht ihn selig und gierig nach mehr. »Seine Karawanserei bildet den Inbegriff des Genußlebens«.81

2. Dschan

Ort der Handlung ist Dschan, eine imaginäre Landschaft an der türkisch-persischen Grenze. »Der Landschaftsname ist ›Dschan‹, zu Deutsch ›Seele‹. Damit ist auf das Deutlichste gesagt, daß alles, was erzählt wird, sich auf seelischem Gebiete ereignet, und daß Karl May nur Selbstgesehenes berichtet; denn niemand wird behaupten können, daß er nicht in diesem Dschan gewesen sei.«82 Dschan liegt sehr hoch, im Süden des kurdischen Gebirges. (12) Das kurdische Gebirge ist, wie May in der ›Erläuterung zu Babel und Bibel‹ schreibt, der Sitz der Menschheitsseele Marah Durimeh.83 Wenngleich in der Erzählung davon nicht explizit die Rede ist, mag die These erlaubt sein, daß May mit der Erwähnung des kurdischen Gebirges auf die Beziehung der Einzelseele zur Menschheitsseele anspielt. Ein Bild dafür könnte das Wasser sein, das von Nordwest nach Südost verläuft, potentiell also in den kurdischen Bergen entspringt. Es würde dann für den Einfluß der Menschheitsseele auf die Einzelseele stehen. Dieser Gedanke muß aber rein spekulativ bleiben.
   Beidseits des Wassers, ein tief und steil eingeschnittenes Tal (12) bildend, ziehen sich die Berge von Uluhm hin. »›Uluhm‹ ist Plural von ›Ilm‹, ›Wissenschaft‹, und dieser Bergzug bedeutet die innerliche Erhebung und Erhöhung, die Erziehung und Unterricht der Seele bie-


//226//

ten.«84 Den Begriff der Wissenschaft kann man hier interpretatorisch sowohl einschränken wie auch erweitern. Die Uluhm-Berge von Dschan können die Wissenschaft der Seele meinen, also die Psychologie, der Mays Hauptinteresse unter den Wissenschaften galt, können aber auch für den ›Geist‹ stehen, der sich in den Wissenschaften äußert. Beides ist denkbar, konkrete Anhaltspunkte gibt May uns nicht, doch neige ich mehr zur letzteren Bedeutung. Im übrigen braucht sich beides auch nicht auszuschließen. Wesentlich ist die Tatsache, daß die Berge sich in der Landschaft Dschan erheben. Hier hat May ein Bild gefunden für seine Vorstellung, daß Geist und Seele erst gemeinsam die Identität des Menschen ausmachen.
   Die Aufgabe des Menschen ist laut May das Hinter-sich-lassen des Irdischen und das Hinstreben zu Gott. Symbol für letzteres ist im Spätwerk stets die Emporbewegung, in diesem Fall der Berge. Das Verhältnis von Geist und Seele, die jeweilige Dominanz hat sich in Mays Denken mehrfach gewandelt. Seine späte - und hier relevante - Vorstellung war, daß der Mensch zwar eine eigene Seele (hat), aber zunächst keinen eigenen Geist. Dieser entsteht erst nach und nach dadurch, daß sich die Seele in der Schule des Lebens zum Geist entwickelt.85 Eine Konstellation, die wir in der Landschaft von ›Abdahn Effendi‹ wiederfinden.
   Durchschnitten wird Dschan von der türkisch-persischen Grenze, derart, daß der linke Bergzug von Uluhm zur Türkei, der rechte zu Persien gehört. Auch hierfür bieten sich mehrere Deutungen an, die sich nicht ausschließen müssen. Daß das Urbild Dschans im Riesengebirge und an der böhmisch-schlesischen Grenze zu suchen ist, haben wir gesehen. Die dortige Grenzlandschaft ist schon vor May oft Schauplatz von Schmugglergeschichten gewesen. Nirgends aber findet sich eine so auffallende Duplizität der Landschaft oder gar der Personen beidseits der Grenze. Es muß sich also um mehr handeln als um die Übernahme eines für Schmugglergeschichten typischen Motivs. Wir haben die Spiegelbildlichkeit an anderem Ort als Ausdruck des Mayschen Verfahrens gewertet, sich selbst in der Literatur wie in einem Spiegel wiederzugeben. Das erklärt, wie May überhaupt zu diesem Motiv kam.86 Es erklärt aber noch nicht die konkrete Bedeutung in ›Abdahn Effendi‹ . Alle Verbrechen in der Erzählung - Schmuggelei, Morde, um sie zu vertuschen usw. - haben ihre letzte Ursache im Bestehen dieser Grenze, d. h. im Versuch, Seele (Dschan) von Seele (Dschan) und Geist/Wissenschaft (Uluhm) von Geist/Wissenschaft (Uluhm) zu trennen. Um Grenzen werden Kriege geführt, an Grenzen bereichert man sich materiell (Schmuggelei), an Grenzen wird getötet.


//227//

So hoch gelegen Dschan auch ist, wie hoch die Seele eines Menschen auch steht, durch die Grenze, durch die Spaltung der Seelen und die Spaltung der Geister gelangt Ardistan, gelangt Abdahn Effendi - der sich ja nur der Grenze wegen dort festsetzte, da sie ihm die Möglichkeit zur Bereicherung bietet - auch in diese Seelenhöhe. Die Grenze könnte also die Menschheitsspaltung meinen, die ganz unnötig ist, findet sich doch auf beiden Seiten die gleiche Landschaft, die gleiche Seele, der gleiche Geist. Sie könnte die Religionsspaltung meinen, die ganz unnötige, da es auf beiden Seiten der gleiche Gott ist, der nur mit anderem Namen angeredet wird. Durch die beiden Adjutanten, von denen der Türke Sunnit, der Perser Schiit ist, findet sich hierfür auch ein Anhalt im Text. Indirekt setzt May durch sie die türkische Seite mit der Sunna, die persische mit der Schia gleich. Die Adjutanten sind zwar beide ungläubig, aber eben auch dies in (fast) gleicher Weise. Der Unglauben der Adjutanten ist folgerichtig, da beide aus Ardistan kommen, das jeweils gemeint ist, wenn May vom Sumpflande von Basra und vom Fieberlande von Laristan (19) spricht. Durch die Nennung von Suuna und Schia kann die Religionsspaltung konkretisiert werden. In einem seiner letzten Interviews sagte May: »So haben wir in Deutschland den Konflikt zwischen dem Protestantismus und Katholizismus. Wollte ich hievon erzählen, so würde ich mir sämtliche Finger verbrennen. Nun versetze ich die Verhältnisse in den Orient, wo es auch zwei religiöse Parteien gibt, die Schiiten und die Sunniten. Hier zeige ich die Kämpfe auf, um so für den Frieden und die Versöhnung der Menschheit zu wirken.«87 Die verschiedene Konfession also als die unheilbringende Grenze auch zwischen hohen Seelen und hohen Geistern.

3. Offene und geheime Usurpation

An dieser Grenze nun hat sich Abdahn Effendi, der Leibmensch/Leib breitgemacht, um von ihr zu profitieren. Das Niedrige triumphiert, wo das Hohe in sich gespalten ist.
   »Er usurpiert Dschan nur für den Leib allein. Alles, was Seele und Geist erkämpfen und erringen, soll nur seinem körperlichen Eigenwohle dienen.«88 Der Leib macht die Seele von sich abhängig und mißbraucht ihre Schätze, den inneren seelischen und geistigen Reichtum - die Fische, das Wild, das Holz von Dschan und Uluhm -, zu seinen eigenen niedrigen leiblichen Zwecken. So pervertiert er Seele und Geist/Wissenschaft und verstellt ihnen den Weg zu Gott. Er, die personifizierte Geist- und Seelenlosigkeit (23) maßt sich an, »für den Geist


//228//

den Richter (Kadi) und für die Seele den Priester (Imam) (zu) spielen«89, ihr Herr (›Effendi‹ ) zu sein. Die Leiblichkeit beherrscht das gegenwärtige Recht und die gegenwärtige Religion.90 May klagt die zeitgenössische Justiz und Kirche an, geistliche, gesetzgeberische Gewalttätigkeit91 auszuüben. Sie folgen nicht hohen Idealen, den Geboten Gottes, die Liebe und Gerechtigkeit fordern, sondern sind nur auf ihr leibliches, materielles Wohl aus. Sie wollen sich bereichern. Das Bethaus Abdahn Effendis liegt einsam auf einem kahlen Hügel (69). Der Gottesdienst, das Beten Abdahn Effendis, steht auf unfruchtbarem Grund, denn ihm fehlt der wirkliche Glauben. Als Kadi fehlt ihm der Glaube an die göttliche Gerechtigkeit. Er, und mit ihm die ganze Kirche und Justiz, sie (besorgen) unter dem Deckmantel der Religion und der Rechtsprechung ihre verwerflichen Geschäfte (69).
   Zur Schmuggelei heißt es bei Amand von Ozoróczy: Was Abdahn Effendi »nicht durch . . . offen dreiste Usurpation erreicht, versucht er durch versteckte List und heimliche Gewalttat. Er wird zum Obersten der Schmuggler, der Freund und Staat und Welt betrügt, am Ende aber sich selbst. Es gibt ja unzählige Menschen, die alle Interessen des Geistes und der Seele nach der großen Karawanenstraße hinüberzupaschen wissen, die zum angeblichen Wohle des Körpers führt . . .«92 Schon im IV. Band des ›Silberlöwen‹ , im ›Großen Traum‹ , hat May diese Art des Schmuggels angesprochen, bei der gottesdienstliche und philosophische Systeme (ausgeraubt)93 und die köstlichsten Schmuggelwaren aus allen Ländern, Zonen und Gedankenreichen94 zusammengetragen werden, dort wie in ›Abdahn Effendi‹ ein glänzendes Geschäft.95 Abdahn Effendi, der Leib als Oberhaupt der Schmuggler bedeutet, daß dieser Raubbau und Betrug an den Seelen, die geheime Usurpation, der materiellen Bereicherung dient - (ein konkretes Beispiel, an das May gedacht haben könnte, neben vielen anderen denkbaren, wäre die Missionierung). Die Achmeds, die auch auf eigene Faust schmuggeln und sich gegenseitig betrügen, sollen zeigen, daß es auf beiden Seiten der Grenze, also etwa der Konfessionsgrenze, diesen Seelenbetrug gibt. Sie alle eignen sich »die Güter höherer Ordnung« an, ohne dafür »persönliche Opfer (Zoll)«96 auf sich zu nehmen. Dazu bedienen sie (in der Erzählung der persische Achmed) sich sogar der allgemeinen Furcht vor dem Tod. May selbst negierte den Tod, sah im Sterben nur den Übergang in ein neues Leben. Am verwerflichsten schien es ihm, die Todesfurcht zur materiellen Bereicherung zu nutzen, in stinkende(n) Särge(n) (57) zu paschen. Bei der Bereicherung durch die Furcht anderer Menschen vor dem Tod (der persische Achmed, der die Furcht des türkischen ausnutzt) kann man wieder an die


//229//

Missionierung denken. Auch die Furcht des Menschen vor dem (eigenen) Tod, das Verhalten des türkischen Achmed, verwirft May, da sie den Menschen aufs Diesseits, auf die materielle Lust am Dasein fixiert und ihm so »die Güter höherer Ordnung« entgehen. Leider sind alle diese Überlegungen zur Schmuggelei nicht zwingend und müssen hypothetisch bleiben, da sich im Text nur wenig Anhaltspunkte für die symbolische Deutung finden, das Motiv in dieser Hinsicht nicht wirklich durchgestaltet ist und teilweise wohl ohnehin nur für das Movens auf der Handlungsobene wichtig ist.

4. Der Gewaltmensch

Der Leib ist nach May der todte, materielle Theil des Menschen. Die vorgespannte Kraft, durch welche . . . der Leib Bewegung erhält97, ist die Anima. Gemeint ist das Animalische des Menschen, seine Triebe. Sie sind in ›Abdahn Effendi‹ durch die Achmeds und die Selims personifiziert, vielleicht auch noch durch den Basch Tschausch. Während May seine eigene Anima im Spätwerk als ein Ganzes zeichnet, dargestellt in Halef, personifizieren die Freunde Abdahn Effendis bestimmte Phänomene der Anima. Der türkische Oberst mit dem Vogelgesicht meint - nach E. A. Schmid - die Habsucht, der persische Oberst mit dem Bulldoggengesicht die Rücksichtslosigkeit, der türkische Leutnant mit dem Fuchsgesicht die Hinterlist, der persische Leutnant mit dem Mardergesicht den Betrug.98 Den Basch Tschausch hält Schmid für eine Personifikation des Mordes: »Zur Erreichung ihrer niedrigen Zwecke schrecken sie (Abdahn Effendi, die Achmeds und Selims) nicht davor zurück, sich unter Umständen des Basch Tschausch, der Freveltat (Mord), zu bedienen.«99 Gegen diese Interpretation spricht nichts, doch könnte man im Feldwebel auch die Gewalttätigkeit sehen, also eine weitere Anima-Eigenschaft. Die Frage mag dahingestellt bleiben.
   Gleich bei der ersten Begegnung mit den Achmeds und Selims, die ihm natürlich sofort unsympathisch sind, bemerkt Kara Ben Nemsi, daß sie psychologisch außerordentlich interessant (15) sind. Die Achmeds und Selims gemeinsam stehen für die Anima des Menschen, für das, was geistig nur ihm (Abdahn Effendi = Leib) allein (entfließt) (97). Sie sind Kreaturen des dicken Effendi, (überragen) ihn in Beziehung auf die Intelligenz aber ganz bedeutend. (61) Die ganze Persönlichkeit, die May uns in ›Abdahn Effendi‹ vorstellen will, sehen wir erst dann vor uns, wenn wir Abdahn Effendi, die Achmeds, die Selims (und den Basch Tschausch?), und auch noch Abdahns Frau, die die Seele meint100, innerlich zu einem Gesamtbild komponieren. Dann steht der


//230//

Gewaltmensch vor uns, mit all seinen Trieben, die sich gegenseitig bekämpfen, die dem Leib nützen und zugleich schaden und die Seele zur Sklavin degradieren. (Vgl. 73) Ein Gewaltmensch ist jeder, der sich auf seinem Sondergebiet so benimmt, als ob er der alleinige und bevorzugte Besitzer des betreffenden Rechts oder des betreffenden Guts sei.101 Eben dies tut Abdahn Effendi, unterstützt von den Freunden und mit Mitteln der Gewalt, mit Hilfe des Basch Tschausch. Seine Frau dagegen, seine Seele, vernachlässigt er und läßt sie verkümmern.102 Während der Leib zu einer unförmlichen Fleischmasse (18) aufgebläht ist, ist sie eine ewig lange und unendlich dürre Frau (42), verschüchtert und mit einem traurigen Blick (43). Wie Abdahn Effendi die Landschaft Dschan ausbeutet, so macht er auch seine Frau, die Seele, zur Sklavin seiner Leiblichkeit und seiner Triebe (Vgl. 73)103, schlägt sie sogar. (Vgl. 75) Dabei ist sie seine einzige seelische Stütze (75).
   So, wie Abdahn, der Leib, sich als Effendi und Herrscher über Seele und Geist/Wissenschaft gebärdet, spielen sich die Achmeds und Selims als Aghas auf. Und so wie Abdahn, der Leib ohne jegliches Gemüt, sich immer wieder als Gemütsmensch hinstellt104, titulieren sich die Achmeds als Seelen.105 Die menschliche Anima, so heißt es in Mays Selbstbiographie, (gibt) sich für die Seele oder gar für den Geist (aus), ohne selbst zu wissen, was man unter Seele oder Geist zu verstehen hat.106 Dieser Anmaßung entspricht auch die falsche Rangbezeichnung, die die Offiziere sich widerrechtlich zugelegt haben.
   Kara Ben Nemsi und Halef gegenüber drängen sie und Abdahn sich als Freunde auf107, jedoch nur, um ihnen zu schaden und Profit zu machen. Es war ekelhaft, wie bös es diese Menschen meinten und wie freundlich sie doch taten, sie alle fünf! (69) Der Mensch auf der Suche nach Dschinnistan, für den Kara Ben Nemsi steht, soll durch den Leib und die Anima verführt werden, beim Gewaltmenschen in Ardistan zu bleiben. Es ist ihm streng verboten, die Besitzung Ben Adls, Dschinnistan, zu betreten. »Ich verbiete euch, seine Besitzung zu betreten oder mit ihm (Ben Adl) zu reden.« (20) Im ›Märchen von Sitara‹ heißt es daß es Jedermann auf das allerstrengste verboten (ist), Ardistan zu verlassen, um sich dem Druck des dortigen Gesetzes (= » D u  s o l l s t  d e r  T e u f e l  d e i n e s  N ä c h s t e n  s e i n ,  d a m i t  d u  d i r  s e l b s t  z u m  E n g e l  w e r d e s t ! «) zu entziehen. Die schärfsten Strafen aber treffen den, der es wagt, nach dem Lande der Nächstenliebe und der Humanität, nach Dschinnistan zu flüchten.108


//231//

5. Der Edelmensch

Ben Adl ist das Gegenbild zu Abdahn Effendi. »Der ist mein Feind.« (20) sagt Abdahn. »Des Bergmüllers Name, ›Ben Adl‹ , bezeichnet einen ›Sohn der Gerechtigkeit‹ , die man nur auf Höhen, nicht aber in den Niederungen des Lebens findet.«109 - so Ozoróczy. Auffallend und wohl nicht unbeabsichtigt ist die klangliche Nähe des Namens zu ›Adel‹ , ›Edel‹ . Er wohnt am Fuß der Berge von Uluhm, also auf der Grenze von Seele und Geist/Wissenschaft. Dieser Verbindung entspricht auch Ben Adls Verbindung mit seiner Frau. Bekanntlich sah May das männliche Prinzip vom Geist, das weibliche von der Seele bestimmt. Daher sind es im Spätwerk auch nur Männer, die den Geist, und nur Frauen, die die Seele personifizieren. Auch Ben Adl steht für den Geist, seine Frau für die Seele. An einer Stelle des Textes wird dies fast explizit. Als Kara Ben Nemsi mit Halef zum ersten Mal bei der Mühle ist, zieht er es vor, noch nicht zu Ben Adl und seiner Frau zu gehen, sondern sich zunächst ein Bild von der Mühle zu machen. Halef sagt dazu: »Du meinst, daß es geraten ist, sich erst um den Körper zu bekümmern, ehe man sich an die Erforschung des Geistes und der Seele macht?« (25) Also Ben Adl und seine Frau als Geist und Seole in einem Körper (= Mühle). Ihre Ehe ist Symbol für deren ideale Verbindung, zusätzlich augenfällig gemacht durch den Standort der Mühle.
   Auch Ben Adl ist also nicht als vollständige Persönlichkeit gedacht, ebensowenig wie Abdahn Effendi. Wie dieser als Leib zusammen mit den Achmeds, den Selims und seiner Frau, mit seinen Trieben und seiner verkümmerten Seele, den Gewaltmenschen meint, der sich sogar des Mordes, des Basch Tschausch bedient, also die negativste Form menschlichen Seins repräsentiert, so meint jener als Geist zusammen mit seiner Frau, der Seele, den Edelmenschen, die positivste Form menschlichen Seins. Wenn im folgenden vom Gewalt- oder vom Edelmenschen gesprochen wird, ist im Hinblick auf ›Abdahn Effendi‹ jeweils eine dieser beiden Konfigurationen gemeint.
   Wir haben gesehen, daß der Gewaltmensch Seelisches und Geistiges nur zu niedrigen, materiellen Zwecken verwendet, Seele und Geist/ Wissenschaft ausbeutet, ohne von höheren Zielen zu wissen. Er haßt den Edelmenschen vor allem deswegen, weil dieser den Reichtum Dschans, die seelischen und geistigen Güter, zu hohen, idealen Zwecken nutzt und ihm damit die Möglichkeiten der Bereicherung einschränkt. Abdahn Effendi fühlt sich um das viele, viele Geld bestohlen, betrogen und beraubt (21), das Ben Adl dadurch verdient, daß er aus den Bäumen Dschans Bretter für Pilgersärge schneidet. Um Geld ist es


//232//

aber Ben Adl - anders als Abdahn - nicht zu tun. Die Bäume meinen die seelischen Hochgedanken, auch das Gebet, die dem Edelmenschen zur Vorbereitung aufs Jenseits (= Schneiden der Bretter für die Pilgersärge) dienen. Die zurechtgeschnittenen Bretter, die der Edelmensch »über das ganze Hochland bis nach Kurdasir und Feridan, sogar bis Teheran und Isfahan versendet, wo Pilgersärge aus ihnen gezimmert werden« (21), meinen die Verbreitung dieser Hochgedanken, dieser beglückenden ldeen des Hochlandes110 bei all denen, die nach oben streben wollen. Auch ihnen sollen sie zur Vorbereitung aufs Jenseits dienen. Zum einen ist hier allgemein an die Verbreitung der Frohbotschaft und des Christentums überhaupt zu denken, zum anderen auch an Karl May selbst, der ja eben darin als werdender Edelmensch (Ben Adl als Ich-Ideal) seine Aufgabe sah. Nicht nur Pilgersärge, auch Bücher werden aus Bäumen gemacht.
   Die Frau Ben Adls, seine Seele, findet durchs Gebet den direkten Zugang zu Gott. »In diesem Gebete steigen deine Engel zum Himmel auf.« (62) In den ›Briefen über Kunst‹ schreibt May: Die Religion steigt . . . in der ihr eignen Weise unmittelbar zu Gott empor. Sie glaubt an den persönlichen Weltenherrn und an seine Ewigkeit; das heißt, sie wartet nicht auf die Vollendung der Erkenntnis, die sich nach und nach entwickelt.111 Der Geist unterstützt den Glauben, der sich im Gebet an Gott richtet, indem er über die Wissenschaft Erkenntnisbrücken zu Gott schlägt. Ben Adl arbeitet an einem Steinbruch Uluhms und leitet das Wasser, das seine Sägemühle betreibt, die sich fürs Jenseits dreht (um Bretter für Särge schneiden zu können), vom Berg herab. (Vgl. 26) So macht der Edelmensch die Wissenschaft fruchtbar fürs Jenseits; die Wissenschaft, richtig betrieben, dient - den Glauben unterstützend - als Weg zu Gott. »Zwei Pflichten also sind es, zu deren Erfüllung euch der Herr berufen hat: Ihr sollt mit allen euch gegebenen Kräften für das Diesseits und für das Jenseits wirken. Doch sind diese Pflichten eigentlich nicht zwei, sondern nur eine: Ihr sollt im Diesseits für das Jenseits wirken.«112 Wissenschaft und Religion miteinander auszusöhnen, ist nach May Aufgabe der Kunst, die er neben diesen beiden als dritten Weg zu Gott versteht. In der Wiener Rede sagte er: Die W. beschäftigt sich mit den irdischen Dingen, die R. mit den himmlischen. Die K. hat beide miteinander zu versöhnen, hat nachzuweisen, daß beide in derselben Richtung gehen und daß der Weg der Einen doch endlich in den Weg der Andern mündet.113 Diese Aufgabe der Kunst hat May in ›Abdahn Effendi‹ nicht gestaltet, wohl aber nach ihr gehandelt. Dadurch, daß er Ben Adl, den Geist, an der Wissenschaft tätig sein läßt, dessen Frau, die Seele, dem religiösen Weg folgen läßt und beide in der


//233//

Ehe vereint, sie in derselben Richtung zeigt, sie zusammen als den einen Edelmenschen verstanden wissen will, schafft er literarisch, also durch die Kunst, die Versöhnung von Wissenschaft und Religion.

6. Dschinnistan und Ardistan

Das Land des Edelmenschen ist Dschinnistan. Die Beschreibung, die May im ›Märchen von Sitara‹ von Dschinnistan gibt, stimmt weitgehend mit der von Ben Adls Land in ›Abdahn Effendi‹ überein. Im Märchen heißt es: Das Hochland . . . ist gebirgig, gesund, ewig jung und schön im Kusse des Sonnenstrahles, reich an Gaben der Natur und Produkten des menschlichen Fleißes, ein Garten Eden, ein Paradies.114 Das Paradies wurde den Menschen einst von Gott gegeben. Ben Adl erhielt sein Land vom Schah, der hier, wie auch im ›Silberlöwen‹, für Gott steht.115 Es liegt nicht im Tal, wie das Anwesen Abdahn Effendis, sondern an der Höhe. Als Kara Ben Nemsi und Halef es zum ersten Mal betreten, stoßen sie gleich auf zwei Riesenbuchen: Symbole edelmenschlichen Aufwärtsstrebens und der Verbindung zu Gott. Folgerichtig ist hier dann auch die Kirche, der Gebetsplatz (25). Wenig später sehen sie dann ein kleines, reizendes Landschaftsbild (25) vor sich. Das Land ist ganz geprägt vom Fleiß des Besitzers, von dem man gleich vermutet, daß es ein fleißiger, umsichtiger und überhaupt intelligenter Mann (= Geist) (26) ist. Das Land ist reich an Gaben der Natur und Produkten des menschliches Fleißes: Felder, Wiesen, Weiden, vom Bach bewässert. . . zwei große, wohlgepflegte Gärten. . . Pferde, Kühe, Schafe und Ziegen . . . Haufen von Stämmen, Klötzen und Brettern (26), ein Steinbruch, die Mühle. Gottgegebene Natur und menschlicher Fleiß stehen in Einklang: . . . rund um dieses schöne, erfreuliche Bild zog der Hochwald seinen dichten schützenden Rahmen. (26) Am Rande dieses Waldes besteht das Unterholz aus dichten Jasmin- und wilden Weichselbüschen, welche in Blüten förmlich leuchteten und einen Duft verbreiteten, den dieselben Sträucher in Deutschland nie erreichen.(26) Wir kennen diesen Duft. Das ist Jasmin, berückender Jasmin, das ist der heilge Duft der Sternenblumen . . ., beginnt ein Gedicht Mays.116 Auch von Taldscha, im ›Mir von Dschinnistan‹ , geht der Duft aus. Dort schreibt May erläuternd: Ein uraltes, orientalisches Märchen sagt, daß die Schwingen der Engel aus Blumenduft gebildet seien und daß die menschliche Seele nur im Blumenduft ihren Körper verlassen und zu ihm wiederkehren könne.117 Der Duft assoziiert also das Gebet, auch schon in ›Abdahn Effendi‹ , wo Kara Ben Nemsi Ben Adls Frau auf das gleiche Märchen anspricht: »Weißt du schon, o Müllerin, daß


//234//

die Engel des Gebetes am liebsten auf Blumendüften auf- und niedersteigen?« (62) Auf das Beten, als ein Kernmotiv der Erzählung, wird noch einzugehen sein.
   Daß mit dem Land Ben Adls Dschinnistan gemeint ist, wird am Schluß der Erzählung unübersehbar. Explizit spricht May dort vom Garten Eden, vom reinen, heiligen Glanz des Himmels überflutet. (100) Auch dort wieder Bilder des Fleißes - laut pries die Säge ihren eigenen Fleiß (100) -, zudem eine heute etwas peinlich anmutende Idylle: Pfauen, Tauben, Hunde, Kinder, Vater, Mutter, Großeltern und ein junges Kätzchen tummeln sich in fröhlicher Eintracht. Ein unbeabsichtigt verniedlichendes Bild, aus dem Fundus der Dorfgeschichten zusammengesetzt, und doch ein ganz ernst gemeintes und ernst zu nehmendes. So könnten alle Menschen leben, in Einklang mit sich selbst, mit anderen, mit der Natur, mit den Dingen, besäßen oder entwickelten sie den Herzenstrieb nach Höherem, das Wohlgefallen am geistigen und seelischen Aufwärtssteigen, das fleißige Trachten nach Allem, was gut und was edel ist, und vor allen Dingen die Freude am Glücke des Nächsten, an der Wohlfahrt aller derer, welche der Liebe und der Hilfe bedürfen.118
   Diesem Dschinnistan des Edelmenschen, dem Land Ben Adls, kontrastiert das Anwesen Abdahn Effendis, Ardistan, das Land des Gewaltmenschen, aufs entschiedenste. Dort dient alles Tun nur der Genußsucht und persönlichen Bereicherung, dort herrscht das Wohlbehagen im geistlosen Schmutz und Staub, das rücksichtslose Trachten nach der Materie, der grausame Vernichtungskampf gegen Alles, was nicht zum eigenen Selbst gehört oder nicht gewillt ist, ihm zu dienen.119 Die Erde ist dort nicht rein, wie bei Ben Adl, wie in Dschinnistan (Vgl. 98), es herrscht Finsternis und die Dünste des Tales nehmen jedem edel Denkenden den Atem. (Vgl. 99) Tief und steil eingeschnitten ist dieses Tal. (Vgl. 12) Der Gewaltmensch lebt im seelischen Tiefland, der Edelmensch an der geistig-seelischen Höhe.

7. Die Adjutanten und das Gebet

Ardistan und Dschinnistan - beides ist in der Landschaft Dschan, in der Seele gelegen. Gewaltmensch und Edelmensch, Abdahn Effendi und Ben Adl, beide befinden sich in ständigem Konflikt. Es war Mays Überzeugung, daß jeder Mensch, jede menschliche Seele zwei Prinzipe in sich (trägt), ein gutes und ein böses.120 Zwischen diesen Prinzipen besteht ein immerwährender Kampf, wobei der Mensch danach streben soll, das Böse in sich abzutöten (Abdahn Effendi, die Achmeds, die Se-


//235//

lims und der Basch Tschausch müssen sterben) und das Gute (Ben Adl und seine Familie) zu unterstützen. Kara Ben Nemsi und Halef gelingt dies, nicht aber den beiden Adjutanten, die sich die gleiche Aufgabe gestellt haben. Nur dem gläubigen Christen, dem einzigen wirklichen Menschen (97), wie May kühn behauptet, ist es gegeben, sich zu läutern, da nur er über das Gebet den Zugang zu Gott findet und nur er auf göttliche Hilfe bei seinem Streben rechnen kann. Der Weg zur Edelmenschlichkeit führt über den Glauben an Gott und den Glauben an die Kraft des Gebets.
   Die Adjutanten sind ungläubig, leugnen entweder Gott ganz oder doch die Macht des Gebets. Ihr Tun ist daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. In seiner Biographie schreibt May zum Beten: Ich habe täglich gebetet, in jeder Lage meines Lebens, und bete noch heut. Seitdem ich lebe, ist es mir keinen Augenblick lang beigekommen, an Gott, an seiner Allmacht, seiner Weisheit, Liebe und Gerechtigkeit, zu zweifeln. Ich bin auch heut noch unerschatterlich in diesem meinem felsenfesten Glauben.121 Das Zitat zeigt, daß May Beten und Glauben gleichsetzt. Ein Gottesglaube, der sich nicht ständig durch Gebete manifestiert, ist ihm undenkbar. Auch der persische Schiit ist daher wie der türkische Atheist für ihn ein Ungläubiger.
   In Gott hat nach May, aber natürlich auch nach der christlichen Glaubenslehre, alles Bestehende seinen Ursprung; er ist die Ursache allen Seins, und daher ist die Welt und ihr Geschick kausal von Gott abhängig. Diese Kausalität herrscht auch in der Ethik: das Gute (trägt) die Belohnung und das Böse die Bestrafung ohne alles Zuthun des Menschen schon in sich.122 Gott ist die »Liebe, die Himmel und Erde verbindet und die Menschen zu Brüdern, zu Kindern Gottes macht«123, doch die Liebe lächelt nicht immer! Sie bittet, und was man ihr versagt, was man ihr von ihren Rechten vorenthält (!), das holt und nimmt sie sich mit unwiderstehlicher Gewalt, nachdem sich ihre linde, milde Hand in die strafende Faust des Zorns verwandelt hat!124 In ›Abdahn Effendi‹ exemplifiziert May diesen Gedanken an den beiden Adjutanten. Dadurch, daß sie Gott leugnen oder ihm doch sein Recht auf Ansprache vorenthalten, ihn schließlich gar zwingen wollen, sich zu offenbaren und ihn mit dieser Forderung lästern, fallen sie seiner Strafe anheim. Zwar erfüllt Gott die Forderungen der Adjutanten, beweist ihnen damit seine Existenz und wendet für den gläubigen Ben Adl und seine Familie alles zu ihrem Heil und Segen (33), zeigt so die eine Seite seiner Wesenheit, die Liebe und Güte, zugleich aber trifft die strafende Faust des Zorns, Gottes andere Seite, die Gerechtigkeit, die Adjutanten: sie werden fürs Leben entstellt. Sie sind nun gezwungen, an Gott und an


//236//

die Macht des Gebets zu glauben, dienen Gott sogar, ohne es selbst zu wissen, als Werkzeug, indem sie Abdahn Effendis Freunde hinrichten, zur Edelmenschlichkeit aber haben sie sich nicht durchgerungen. Wie Gott die Liebe ist, ist auch sein Gebot die Liebe, Gottes Gerechtigkeit aber darf sich der Mensch auf Erden nicht anmaßen. Eben dies tun die Adjutanten, noch dazu, um ihre niedrigen Rachegelüste zu befriedigen. Sie haben Gott nicht wirklich verstanden, haben nicht wirklich das Vaterunser für sich angenommen, wo es heißt: »Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern!«(24) Wie sie zuvor für die Ungläubigen standen, werden sie nun, als sie ihrer Rache freien Lauf lassen, zu exemplarischen Vertretern des selbstgefälligen und überheblichen Christentums, das sich anmaßt, »über Seligkeit oder Verdammnis zu entscheiden« (98), und das May mindestens ebensosehr verurteilte wie den Unglauben. Vertretern dieses selbstgerechten Christentums war er immer wieder begegnet. Man denke an Pater Ansgar Pöllmann und Konsorten.
   Mays Kritik gegenüber den Adjutanten richtet sich aber nicht nur gegen die Pseudogerechtigkeit von Teilen der Kirche, sondern auch gegen die Staatsjustiz, deren Vertreter die Adjutanten ja ganz explizit sind. Unter ihrer ›Gerechtigkeit‹ , die ohne Gnade und Mitleid (98) ist, hatte er in seinen letzten Jahren besonders zu leiden.

8. Das Ende des Gewaltmenschen

Eine der wenigen Textstellen, an denen May ausführlicher eigene Ansätze zur Deutung eines Geschehens in der Erzählung liefert, bezieht sich auf den von Abdahn Effendi selbstgebrauten Punsch: »Ist das Gewissen noch so sehr durch Arrak, Rum, Zucker und heißes Wasser betäubt und schläft es noch so fest in diesem Rausche, die Aloe, der Knoblauch und die Zwiebeln, die sich der Mensch so toll ins Leben mischt, sie wirken doch! Ein einziges Wort, welches dir zu Ohren kommt, steigt in die Tiefe deiner Seele, weckt dein Gewissen aus dem Schlafe und läßt dir nicht eher wieder Ruhe, als bis du dich entschieden hast, ob du gehorchen willst oder nicht.« (67) Der Gewaltmensch betäubt sein Gewissen, indem er sich ins Genußleben stürzt und sich am Materiellen, am rein Diesseitigen berauscht. Seine Seele, den Sitz des Gewissens, Abdahns Frau, drängt er beiseite. Doch das Gewissen, das Gute auch im Gewaltmenschen, läßt sich nur verdrängen, nicht aber wirklich abtöten. Die Sünden, die Aloe, der Knoblauch und die Zwiebeln, die sich der Mensch so toll ins Leben mischt, sie wirken doch! Es genügt ein Wort, um das Gewissen zu wecken und den Gewaltmenschen in den


//237//

bisher unterdrückten inneren Konflikt von Gut und Böse zu stoßen. Obwohl Abdahn Effendi nichts von Gott weiß (Vgl. 47), wirkt das Vaterunser derart auf ihn ein. May war überzeugt von der Wirkungskraft des göttlichen Wortes. Die Unwahrscheinlichkeit dieses Vorgangs in der Erzählung wurde ihm vermutlich nicht bewußt. Denkbar ist aber auch, daß das Vaterunser hier nur exemplarisch gemeint ist für die Lehre und Botschaft Christi überhaupt. Die Kausalität würde dann wahrscheinlicher. Ist das Gewissen einmal geweckt, läßt es sich nicht mehr beruhigen. Der Konflikt drängt unweigerlich zur Entscheidung. »Es wird in ihm so lange wirken und arbeiten, bis er plötzlich explodiert.« (51)
   Das Gewissen, an sich eine abstrakte Instanz, wird als Person erlebt. Bei Immanuel Kant heißt es dazu: »Diese ursprüngliche intellektuelle und (weil sie Pflichtvorstellung ist) moralische Anlage, Gewissen genannt, hat . . . das Besondere in sich, daß, obzwar dieses sein Geschäfte ein Geschäft des Menschen mit sich selbst ist, dieser sich doch durch seine Vernunft genötigt sieht, es als auf das Geheiß einer anderen Person zu treiben . . . Diese andere mag nun eine wirkliche oder bloß idealische Person sein, welche die Vernunft sich selbst schafft.«125 Auch Abdahn Effendi erlebt sein Gewissen als Person: »Es steckt ein fremder Kerl in mir . . . « (65) May dachte sich das Gewissen, die innere moralische Instanz des Menschen, als den Einfluß Gottes und stellte sich diesen Einfluß, diese Kraft als den Schutzengel des Menschen vor. Daß es sich bei dem fremden Kerl in Abdahn Effendi um einen Engel handelt, wird zwar nicht explizit, ist aber kaum anders zu denken.126 Dieser Engel kämpft gegen das Böse, gegen den Teufel im Gewaltmenschen. Abdahn Effendi weiß sich bedroht. Der Erlösungssatz »Erlöse uns von Abdahn Effendi und allen seinen Freunden!«, das spezifizierte »Erlöse uns von dem Übel!« des Vaterunser, zu dem ihn das Gewissen, der fremde Kerl zwingen will, dabei unterstützt von der Seele, seiner Frau, die um diese Erlösung betet (Vgl. 76), dieser Satz erscheint ihm wie eine Kugel im Lauf einer Flinte, die auf ihn gerichtet ist. Schon dieses Bild - die Kugel, die auf das Übel, auf den Leib gerichtet ist - weist auf den späteren Tod Abdahn Effendis hin. Es ist klar, daß mit dem Leib dann auch dessen Triebe, alle seine Freunde, zu sterben haben. Die Hand am Drücker hat das Gewissen: »Die Hand, die nach dem Drücker greift, ist die Hand deines Gewissens. Dieses Gewissen will dich retten! Du sollst bekennen; du sollst beten! Du sollst ein anderes, ein neues Leben beginnen. Wenn du das nicht tust, so wirst du entweder verrückt, oder du stirbst!« (66) Abdahn Effendi, der Leib, ist natürlich gar nicht zu retten, er hat zu sterben. Zu retten aber ist die Seele, ist die


//238//

Frau Abdahns, die durch seinen Tod, durch die Überwindung des Bösen ein neues Leben beginnen kann. Um sie geht der innere Kampf Abdahns, was aber nicht deutlich wird, da es May nicht gelang, dies auf der Handlungsebene auszuführen. So ergeben sich einige Ungereimtheiten.
   Zunächst ist das Böse noch stärker als das Gewissen. Abdahn Effendi sucht sich vor seinem Gewissen zu retten, indem er seine Frau, seine Seele, die als Sitz des Gewissens zu verstehen ist, schlägt. Er will gewissermaßen sein Gewissen erschlagen. Seine Frau verläßt ihn darauflhin; die Seele des Gewaltmenschen flieht vor dem Bösen. Die Seele ist nach May von Gott gegeben127 und kehrt beim Sterben zu Gott zurück.128 Sie ist daher notwendig gut und stellt die Verbindung zu Gott dar. Auch Abdahns Seele/Frau ist mit der Edelmenschlichkeit (den Müllersleuten) befreundet und hat die Verbindung zu Gott - sie ist eine heimliche Christin. (Vgl. 76) Im ›Silberlöwen III‹ schreibt May: ». . . es giebt keine böse Seele. Die Seele scheut alles Böse, sogar schon alles Häßliche. Das Böse und das Häßliche hat nur darum so große Macht über uns, weil die Seele davon abgestoßen wird. Sie zieht sich zurück; dann stehen wir ohne ihren Schatz allein.«129 Da May zugleich Leben und Tod durch die Verbindung oder die Ablösung der Seele vom Körper definiert, bedeutet eigentlich schon der Weggang der Frau Abdahns den Tod des Gewaltmenschen. Das Böse richtet sich selbst, indem es die Seele, die das eigentliche Wesen des Menschen ausmacht, vertreibt. Die Wirkung des Weggangs der Frau/Seele verzögert sich aber in ›Abdahn Effendi‹ . Das Böse versucht noch einmal groß aufzutrumpfen, jetzt, wo es um Sein oder Nichtsein (79f.) geht, und alle seine Feinde auf einen Schlag durch eine Explosion zu vernichten. Der Mordplan Abdahn Effendis und seiner Freunde wie auch die anschließende Entlarvung durch Kara Ben Nemsi und die Adjutanten folgt nun ganz den üblichen Handlungsmotiven von Abenteuer- oder Kriminalliteratur. Auf der Abstrakten Ebene kommt ihnen kaum Bedeutung zu. Daß Abdahn Effendi schließlich das Erlösungswort spricht, hängt nur vordergründig mit der Entdeckung seiner Verbrechen zusammen. In Wahrheit ist es die späte Wirkung des Seelenverlustes. Durch die zeitliche Verzögerung ergeben sich einige Widersprüche, die sich aber weitgehend auflösen, wenn man den Seelenverlust und den Tod Abdahn Effendis wie auch den seiner Freunde zeitlich zusammenbringt.
   Die Seele, Abdahns Frau, unterhielt zwar stets (74) (= seit sie von Gott gegeben ist) heimliche Verbindungen mit Dschinnistan, der Leib aber und die Anima, Abdahn und seine Freunde, verboten es ihr und


//239//

zwangen sie, in Ardistan zu bleiben. Die Seele verkümmerte. Erst das Wort Christi, das Vaterunser, stärkt dann die Seele und weckt das Gewissen. Die Frau findet den Mut, endgültig zu Ben Adl zu flüchten, die Seele zieht sich zurück, als das Böse sie zu vernichten droht und sucht Schutz in Dschinnistan. Der Leib stirbt, da er ohne seelische Stütze (75) nicht existieren kann. Sein Inneres (fiel) langsam aber sicher zusammen. (75) Das Gewissen drückt ab. Die Seele ist aber noch nicht gerettet. Dazu bedarf es erst der Läuterung in der Geisterschmiede. Diese Geisterschmiede ist mit der Explosion gemeint. Dadurch, daß in ihr der Leib und die Anima endgültig vernichtet werden, alle Schuld gesühnt wird, wird die Seele geläutert und hat nun das Anrecht, in Dschinnistan zu bleiben. So wird Abdahn Effendis Seele durch das Leiden des Leibes und all dessen, was geistig nur ihm allein entfloß (97), gerettet. Ein anderes, ein neues Leben (66) beginnt. Ob May es für Abdahn Effendi erst im Jenseits oder schon im Diesseits sieht, d. h. ob das Sterben des Leibes nur bildlich als Überwinden oder als wirklicher Übergang ins Jenseits gemeint ist, bleibt offen.

D. WERTUNG

Literarisch fällt ›Abdahn Effendi‹ hinter die großen Romane ›Silberlöwe III/IV‹ , ›Der Mir von Dschinnistan‹ und ›Winnetou IV‹ zurück. Sprachlich hebt sich die Erzählung kaum von den frühen Reiseerzählungen ab, und auch zahlreiche inhaltliche Motive sind lediglich Varianten des früher schon Beschriebenen. Der Bedeutungsgehalt wird nicht wirklich offensichtlich, so daß es nicht erstaunen kann, daß ›Abdahn Effendi‹ als übliche Schmugglergeschichte mißverstanden werden konnte. Reflexionen, längere Gedankenspiele sind selten, was auf Kosten verbindlicher Verständlichkeit geht. Zu auch nur annäherndem Verstehen kommt der Leser nur dann, wenn er mit der Spätphilosophie und der Autobiographie Mays vertraut ist. Als Ersterlebnis eines späten May-Textes muß die Erzählung ihm in seiner tieferen Bedeutung beinahe gänzlich unverständlich bleiben. Die Symbolik ist nicht immer konsequent und oft mehr angedeutet als durchgeführt. Inkonsequenzen finden sich sogar auf der Handlungsebene.130 Die Hauptursache der meisten Mängel ist, wie bereits an anderer Stelle gesagt, in der Kürze der Erzählung zu sehen. Sie finden sich daher auch nicht nur in ›Abdahn Effendi‹ , sondern auch in den anderen Kurzerzählungen des Spätwerks. Unter ihnen ist ›Abdahn Effendi‹ neben ›Schamah‹ die bedeutendste. Ihre Bedeutung liegt in der artifiziellen


//240//

Struktur, die Autobiographisches mit Philosophisch-religiösem verschränkt und über einige Handlungsstrecken sogar zur Deckung bringt, derart, daß eine Trennung auch interpretatorisch nicht immer möglich ist. Dieser Kunstwerkcharakter wird aber dadurch etwas eingeschränkt, daß nicht überall ersichtlich ist, inwieweit May hier bewußt gestaltete, inwieweit es also eine bewußte Leistung ist. Die Inkonsequenzen und die nicht immer strikte Durchführung der Symbolik sprechen dafür, daß May die Erzählung nicht von Anfang an präzis durchkonzipierte, sondern sich während des Schreibens unbewußten und halbbewußten Eingebungen überließ. Das Ergebnis wird dadurch nicht geschmälert. Gehört ›Abdahn Effendi‹ auch nicht zu den literarischen Gipfeln des Mayschen Œuvres, so ist die Erzählung doch eine ansehnliche Erhebung gegenüber der planen Ebene seines Frühwerks und gegenüber manchen Abgründen der damaligen zeitgenössischen Schriftstellerei.

1Im Gegensatz zur im Nov./Dez. 1907 entstandenen Kürzestgeschichte ›Bei den Aussätzigen‹ , »in der sich die Haussuchung« immerhin »flüchtig spiegelt«. Vgl. Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 149
2Tagebucheintragung Klara Mays vom 15.8.1907: »war Herr v. Ozoróczy hier. Er will durchaus ein Werk über Karl schreiben. Herzle will auch wieder nicht. Er wurde böse, man soll ihn in Ruhe lassen. Alle diese Schreiberei bringe ihm nur Schaden. v. O. scheint aber ein Starrkopf zu sein.«
3Vgl. dazu Franz Cornaro: Amand von Ozoróczy zur 90. Wiederkehr seines Geburtstages am 13. Oktober 1975. In: M-KMG 26 (1975), S. 12 und Hansotto Hatzig: Amand von Ozoróczy zum Gedenken. In: M-KMG 34 (1977), S. 38. Der Nachlaß Ozoróczys ist in die Hände des Karl-May-Verlags übergegangen, so daß evtl. vorhandene Aufzeichnungen über seine Begegnungen mit Karl May vorerst unzugänglich sind.
4Siehe Amand von Ozoróczy: Aus vergilbten Blättern I-IV. In: M-KMG 21 - 24
5Wiederveröffentlicht in: M-KMG 22 (1974), S.23-26
6Zuletzt noch im Vorwort von Thomas Ostwald zum ›Bibliothek Saturn‹ -Reprint Abdahn Effendi/Schamah. Zwei Erzählungen von Karl May. Bamberg/Braunschweig 1977, S.2. Die Seiten des Vorworts sind nicht durchnumeriert. Meine persönliche Zählung beginnt mit 1 bei der ersten Seite der ›Werksgeschichte‹ .
7Siehe Karl May: Der Mahdi/lm Sudan. ›Hausschatz‹ -Reprint der KMG und der Buchhandlung Pustet. Regensburg 1979, S. 11
8Siehe Christus oder Muhammed. Marienkalender-Geschichten von Karl May. Reprint der KMG. Hamburg, Gelsenkirchen 1979, S. 52, 56, 60
9Nach dieser Ausgabe wird im folgenden zitiert werden.
10Bamberg 1954, 132. Tsd., S. 414 - 415. Ob dieser Text tatsächlich von Schmid stammt, ist fraglich. Möglicherweise schrieb ihn einer seiner Mitarbeiter.
11Lorenz Krapp: Ein Schlußwort zum Problem Karl May. In: Augsburger Postzeitung, Lit. Beilage Nr. 44 vom 2.10.1908
12Es ist wahrscheinlich, daß Krapp Ozoróczys Erläuterungen im Oktober 1908 noch nicht kannte. Seine Bewertung hätte sonst anders ausfallen müssen.
13Ostwald a. a. O. S.1
14Thomas Ostwald: Karl May. Leben und Werk. Braunschweig 1974, S.114



//241//

15Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie über Wesen, Werk & Wirkung Karl Mays. Frankfurt a. M. 1974, S. 12
16Wollschläger a. a. O. S. 150
17Daß er es zumindest versuchte, wird in ›Abdahn Effendi‹ ganz deutlich. Ein besonders gutes Beispiel ist die Bärenjagd, auf die er in nur wenigen berichtenden Sätzen eingeht. Vgl. 34f., 64f. Die Bärenjagd, früher oft und gern beschrieben (Vgl. 18), gilt ihm nun nur noch als Nebenepisode (34). Weitere Reduzierungen etwa 52, 61 und 55, wo es auch heißt: Ich übergehe alles nicht hierher Gehörige.
18Wollschläger a. a. O. S. 150
19Karl May: Mein Leben und Streben. Olms-Reprint. (Hrsg. v. Hainer Plaul). Hildesheim-New York 1975. Künftig abgekürzt: L&S. S. 144
20Ostwald a. a. O. S. 1 - 7
21Ebd. S. 2
22Vgl. ebd. S. 3ff.
23Ebd. S. 5
24Ebd.
25Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt«. Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays. In: Jb-KMG 1972/73. Hamburg 1972, S. 11 - 92
26Ostwald a. a. O. S. 5
27Ebd. S. 6
28Vgl. ebd. Die These hat auch Eingang gefunden in Gerhard Klußmeier und Hainer Plaul (Hrsg.): Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Der große Karl May Bildband. Hildesheim-New York 1978, S. 226, Abbildungen 526/527
29Vgl. zum Salzbrunner Aufenthalt und zur Riesengebirgsfahrt Manfred Hecker: Karl Mays Kuraufenthalte 1907 und 1911. 1. Teil. In: M-KMG 43 (1980), S.12-17
30Oder doch nur rudimentär, wenn es etwa heißt: Wir schlugen einen großen, weiten Bogen, nach West, über Nord, dann nach 0st zurück . . . (99) Das entspricht der Reisebewegung Mays.
31Kartenstudium reicht da nicht aus. Man müßte schon persönlich mit der Gegend vertraut sein.
32Hochsommerbeginn: 7. 8. - 13. 8. und später, laut Diercke-Weltatlas. Braunschweig u. a. 130. Aufl. S.23, Karte V
33Hecker a. a. O. S. 15
34Gerhart Pohl: Schlesien. In: Deutschland. Ein Hausbuch. Gütersloh 1960, 1964, S. 454
35Fritz Maschke: Bausteine zur Klara-May-Biographie. In: Karl-May-Jahrbuch 1978. Bamberg/Braunschweig 1978. Zit. nach Hecker a. a. O. S. 15
36Pohl a. a. O. S. 462f.
37Selbst bei Kara Ben Nemsi ist die Vollständigkeit zweifelhafl. May betonte ja immer wieder, er habe in Halef seine Anima darstellen wollen. Angewandt auf ›Abdahn Effendi‹ würde das bedeuten, daß auch May erst dann ganz vor uns steht, wenn wir Kara Ben Nemsi und Halef zusammen als eine Person sehen. Die Deutung Halefs als Mays Anima wird in der Erzählung aber nicht zwingend, wenngleich auch hierfür die eine oder andere Textstelle angeführt werden kann. So die Schleusen von Beredsamkeit (17), die Drohung mit der Kurbatsch (Vgl. 20), oder der Ausfall gegenüber den Adjutanten. (Vgl. 98) Es handelt sich aber nur um Einzelstellen, die es nicht rechtfertigen, die Gleichung Halef = Mays Animadie an diesen Stellen berechtigt istauf den ganzen Text auszudehnen. Dem würde auch widersprechen, daß Halef wie Kara Ben Nemsi am Schluß bei Ben Adl bleibt, dessen Anwesen, wie noch zu zeigen sein wird, Dschinnistan meint. Der Anima ist Dschinnistan aber nach Mays Vorstellung verschlossen.
38Karl May: Frau Pollmer. Eine psychologische Studie. Faksimilewiedergabe der Handschrift und der dazugehörigen Anlagen mit einem Geleitwort und Anmerkungen von Prof. Dr. Heinz Stolte und dem vollständigen Text in zeichengetreuem Nensatz als Anhang. Erstveröffentlichung aus dem Nachlaß. Karl May Prozeß-



//242//

Schriften Band 1. Herausgegeben von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 838 (Transskription S. 14)
39L&S S. 237
40Ebd.
41Ebd. S. 175
42Es ist durchaus wahrscheinlich, daß es gerade Mays Vater war, der in falschem Stolz auf dle ›Abenteuer‹ seines Sohnes Münchmeyer gegenüber mit diesen prahlte. Halef würde dann an dieser Stelle funktional für Heinrich August May stehen
43Vgl. L&S S. 181f.
44L&S S. 183 und Albert Hellwig: Die kriminalpsychologische Seite des Karl-MayProblems In: Karl-May-Jahrbuch 1920, S. 203. Zit. nach L&S S. 395 (Anhang)
46Vgl. Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Berlin-Charlottenburg 1910, S. 125
47L&S S. 202
48Ebd. S.82
49Ebd. S. 83
50Ebd. S. 159
51Vgl. Lebius a. a. O. S. 91
52L&S S.83f.
53Auch die Achmeds und Selims haben in ihren Berichten sich niemals als etwas Höheres bezeichnet als sie sind, und die falsche Rangbezeichnung allein dem Zivil gegenaber (29) verwendet.
54Tatsächlich war er nur Gefreiter. Siehe L&S S.349 (Anhang)
55L&S S. 43
56Vgl. dazu Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung . . .« s. Anm. 25
57Ebd.S.56
58Einzelnotiz Klara Mays. Archiv Karl-May-Verlag. Zit. nach Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung. . « s. Anm. 25, S. 55
59Vgl. Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung . . .« s. Anm. 25
60Ebd. S. 33
61L&SS.9
62Ebd. S. 163
63Der Name der Ich-Figur, ›Kara Ben Nemsi‹ , taucht bezeichnenderweise nirgends in ›Abdahn Effendi‹ auf. An einer Stelle heißt es sogar ausdrücklich: Kein Titel und kein Name. (101) Allzusehr ist mit dem Namen die Vorstellung des alten »Recken« verbunden. Der aber ist 1907 schon lange tot: »Du bist Kara Ben Nemsi Effendi?« »Ich war es« hat May im ›Silberlöwen IV‹ , Fehsenfeld, S. 67 geschrieben. Um nicht ständig von der ›Ich-Figur‹ sprechen zu müssen, verwende ich den Namen dennoch in dieser Arbeit.
64Zit. nach Syberbergs Filmbuch. München 1976, S. 36
65L&S S.309
66Ebd. S. 319
67Vgl. ebd. S. 310
68Ebd. S. 309f.
69Ebd. S.302
70Ebd. S.301
71Vgl. ebd. S. 302
72In einem seiner Artikel ›Auch »über den Wassern«‹ vergleicht May das innere und das äußere Werden des Menschen mit der Bildung eines Stromes . . ., der, einst ein kleines namenloses Wässerlein, berufen ist, in seinen Mannesjahren ein segenspendender Landbewässerer, Städtebildner und Kulturträger zu sein. In: Jb-KMG 1976 Hamburg 1976, S.254f. Möglicherweise soll auch das Wasser in ›Abdahn Effendi‹ diesen Werdegang des Menschen, des Menschen May insbesondere, meinen. Dem widerspricht allerdings, daß nur der erste Weg Kara Ben Nemsis am Wasser entlangführt.
73Die kommende Wende wird u. a. auch durch den ausdrücklichen Hinweis Mays an



//243//

gedeutet, daß der Ritt an einem Samstag, also am Vorabend des Sonntags unternommen wird. Vgl. 71
74Das muß nicht ausschließen, daß der Pferdedieb auch Mays Vorstrafen meint, speziell den tatsächlichen Pferdediebstahl von Bräunsdorf.
75Lebensernst und Lebenserfahrung beziehen sich im Text auf Ben Adl und seine Frau, da Ben Adl aber den zukünftigen May des Spätwerks, um 1900 ›geboren‹ , meint, läßt sich diese Charakterisierung ohne weiteres auf May zur Zeit der Jahrhundertwende beziehen. Dafür spricht die Altersangabe Mitte der Dreißigerjahre (73), denn 1900 war der Gedanke Mays, Schriftsteller zu werden, tatsächlich ca.35 Jahre alt.
76Zit. nach Wollschläger: Karl May. s. Anm. 1, S. 182
77Es sei vor allem verwiesen auf Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk. Ubstadt 1977; Gernot Grumbach: Das Alterswerk Karl Mays. Ausdruck einer persönlichen Krise. Sonderheft KMG 32 (1981); Walter Schönthal: Christliche Religion und Weltreligionen in Karl Mays Leben und Werk. Sonderheft KMG 5 (1976); Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk. Sonderheft KMG 16 (1979).
78Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß auch eigene Interpretationen Ozoróczys in den Text mit eingegangen sein mögen.
79Amand von Ozoróczy: Zum Problem Karl May. In: M-KMG 22 (1974), S.25. Als Vorwort im Reprint Abdahn Effendi/Schamah. s. Anm. 6, S. 9f. Die folgenden Nachweise meinen mit der ersten Seitenangabe jeweils die Zeitungsrezension, mit der zweiten das Vorwort. Beide Texte sind nahezu identisch.
80Wolf-Dieter Bach: Fluchtlandschaften. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 63
81E. A. Schmid: Anmerkungen des Herausgebers. In: Karl May: Das Zauberwasser. Bamberg 1954, 132. Tsd., S. 414
82von Ozoróczy: Zum Problem Karl May. s. Anm.79, S. 25/S. 9
83Vgl. Karl May: Erläuterung zu Babel und Bibel. In: Lichte Höhen. Aus Karl May's Nachlaß. Bamberg 1956, S. 273
84von Ozoróczy: Zum Problem Karl May. s. Anm. 79, S. 25/S. 9
85Vortrag Mays in Lawrence vom 18. 10. 1908 über ›Drei Menschheitsfragen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?‹ Bericht in: Der Deutsche Herold, Lawrence, vom 19. 10. 1908. Zitiert nach Klußmeier/Plaul, s. Anm. 28, S.
86Das sich, ins Persönlichste gewendet, auch im ›Silberlöwen IV‹ , als ›Chodem‹ findet.
87Interview von Paul Wilhelm. In: Neues Wiener Journal vom 2. 4. 1912. Zit. nach: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 89.
88von Ozoróczy: Zum Problem Karl May. s. Anm. 79, S. 25/S. 10
89Ebd. S. 25/S. 10
90Karl May: Erläuterung zu Babel und Bibel. s. Anm. 83, S. 270
91Ebd. S. 267
92von Ozoróczy: Zum Problem Karl May. s. Anm. 79, S. 25f./S. 10
93Zit. nach Karl May: Der Große Traum. Erzählungen. (Hrsg. v. Heinz Stolte und Erich Heinemann). München 1974, S. 143
94Ebd. S. 145
95Ebd. S. 146
96Vgl. E. A. Schmid, s. Anm. 81, S. 414
97Karl May: Drei Menschheitsfragen . . ., s. Anm. 85, S. 255
98Vgl. E. A. Schmid, s. Anm.81, S. 415
99Ebd.
100Explizit so bezeichnet 101.
101Karl May: Erläuterung zu Babel und Bibel. s. Anm. 83, S. 267
102Vgl. E. A. Schmid, s. Anm. 81, S. 414
103Wenngleich hier in erster Linie die Versklavung der eigenen Seele gemeint ist, ist es wohl nicht abwegig, zugleich auch an eine unterschwellige Verurteilung sexueller Nötigung zu denken.



//244//

104Vgl. etwa 38, 40, 44, 68, 74, 79
105Vgl. 44, 45, 48, 51, 53, 74
106L&S S. 210
107Vgl.45, 74f.
108L&S S.3f.
109von Ozoróczy: Zum Problem Karl May. s. Anm. 79, S. 25/S. 9
110L&S S. 114
111Karl May: Briefe über Kunst. In: Lichte Höhen. Aus Karl May's Nachlaß. Bamberg 1956, S. 324
112Karl May: Am Jenseits. Freiburg 1899, F. E. Fehsenfeld, S.310 (Herrsching o. J. Pawlak, S. 229)
113Karl Mays Wiener Rede ›Empor ins Reich der Edelmenschen!‹ Zit. nach Ekkehard Bartsch: Karl Mays Wiener Rede. Eine Dokumentation. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 65
114L&S S. 2
115Vgl. L&S S. 210
116Fragmente ›Weib‹ . Zit. nach Karl-May-Jahrbuch 1922, S 44
117Karl May: Der Mir von Dschinnistan. ›Hausschatz‹ -Reprint der KMG und der Buchhandlung Pustet. Regensburg 1976, S. 39
119Ebd.
120Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III. Freiburg 1902, F. E. Fehsenfeld, S 490 (Herrsching o. J., Pawlak, S. 329)
121L&S S. 65
122Karl May: Am Jenseits. Fehsenfeld S. 452f. (Pawlak S. 330)
123Ebd. S. 570 (Pawlak S. 413)
124Ebd. S. 571 (Pawlak S. 414)
125Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten. (Hrsg. v. Karl Vorländer). Leipzig 1922. 4. Aufl., S. 290
126Hat May wirklich beim Kerl an einen Engel gedacht, wird Wollschlägers These einzuschränken sein, »daß er sich Engel . . . generell weiblich vorstellte«. Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«. Lese-Notizen zu Karl Mays ›Am Jenseits‹ . (Materialien zu einer Charakteranalyse II). In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973, S. 169, Anm. 16
127Vgl. Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III. Fehsenfeld S. 465 (Pawlak S. 312)
128Vgl. ebd. S. 434 (Pawlak S 291)
129Ebd. S. 325 (Pawlak S. 218)
13048 entdeckt Abdahn Effendi, daß es sich bei dem Türken und dem Perser um Offiziere handelt, die eine Untersuchung gegen ihn einleiten wollen, 71 hat er plötzlich Kara Ben Nemsi in Verdacht. Ein anderer Fehler findet sich 61. In der 10. Zeile muß es statt ›Selim Agha‹ ›Achmed Agha‹ heißen.





Inhaltsverzeichnis


Alle Jahrbücher


Titelseite KMG

Impressum Datenschutz