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HARTMUT VOLLMER

Karl Mays "Sonnenscheinchen"

Interpretation einer späten »Erzgebirgischen Dorfgeschichte«



I. VORBEMERKUNG

Mays nach der Orientreise gefaßter Entschluß, sich der eigentlichen Aufgabe anzunehmen, bedeutete nicht allein den Beginn einer neuen Schaffensperiode, die Entstehung der symbolisch-allegorischen Spätwerke; May wollte die literarische Um- oder Neuorientierung - nachträglich - auch für sein bisheriges Œvre geltend machen, somit sein gesamtes Werk als Kontinuum erscheinen lassen. Maßgeblich gefördert wurde diese Intention durch die um die Jahrhundertwende einsetzenden Presseangriffe, die May der Schundschriftstellerei bezichtigten und ihn »auf den Index« gesetzt wissen wollten. Bereits in der frühesten Verteidigung Mays, die er - nach den Angriffen Fedor Mamroths in der "Frankfurter Zeitung" - unter dem Namen seines Freundes Richard Plöhn in der Dortmunder "Tremonia" veröffentlichte, nahm May explizit Bezug auf die frühen "Geographischen Predigten" und betrachtete sie als erklärende Einleitung seines literarischen Schaffens.(1) In seiner 1902 erschienenen Verteidigungsschrift »Karl May als Erzieher« und »Die Wahrheit über Karl May« ("Der Dankbare Leser") ging May auch auf die »Erzgebirgischen Dorfgeschichten« ein und sah sie im Zusammenhang mit den "Himmelsgedanken". Es offenbare sich hier ganz genau derselbe May, der so viele Jahre später sein erschütterndes »Weihnacht« und sein tiefsinniges »Am Jenseits« geschrieben habe.(2)

   Wenngleich die frühen Werke Mays unter dem Blickwinkel dieses Anspruchs interpretiert werden  k ö n n e n ,  so dürfte eine  b e w u ß t e  Neuorientierung, die nun in den Mittelpunkt seines Schreibens rückende didaktische Intention, der Aufruf zu Liebe, Frieden und Humanität, frühestens mit "Am Jenseits" (1899) begonnen haben. Nach dem Erscheinen der "Himmelsgedanken" (1900) und der Reiseerzählung "Et in terra pax" (1901), während der Arbeit am "Silberlöwen III" (1902/03), konnte May im "Dankbaren Leser"  z u  R e c h t  auf den neuen Bedeutungsgehalt seiner Werke verweisen und behaupten, daß er  b i l d l i c h  schreibe, daß er »Besuchsreisen« schildere,  » w e l c h e  d i e  d e u t s c h e  V o l k s s e e l e  u n t e r n i m m t ,  u m  d i e  S e e l e n  a n d e r e r  V ö l k e r  k e n n e n  z u  l e r n e n  u n d  l i e b z u g e w i n n e n « ;  der Leser bewege sich in einer Welt der Ideale, deren Gestalten zwar dem wirklichen Leben angehören, deren Seelen aber den verderb-


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lichen [verderblichen] Einfluß des Materialismus zu überwinden streben.(3) Er (May) schuf Gestalten, und er schuf sie doch auch nicht. Er griff hinein in das Leben, dem sie alle angehörten, und nahm sie in seinen geistigen Dienst. Sie durften bei ihm sein, was, und bleiben, wie sie waren, doch mußten sie sich nach seiner Art und Weise kleiden und auf die Namen hören, die er ihnen an Stelle der ihrigen gab. Denn niemand sollte wissen, wer sie eigentlich seien, weil der Mensch nicht gerne bekannte Personen als Vorbilder anerkennt. Sie waren also nicht etwa Gebilde seiner Phantasie. Sie lebten und handelten in Wirklichkeit. Und er nahm aus dieser ihrer Wirklichkeit nur das, was seinen Absichten entsprechend war.(4)

   May hatte hier klar den Schlüsselcharakter seines Spätwerks formuliert und Hinweise auf die verschiedenen Lese- oder Interpretationsebenen - Realitätsprotokolle und Idealschöpfungen - gegeben, die sich in diesen späten Büchern in hochartifizieller Weise verknüpfen.


II. DIE SPÄTEN »ERZGEBTRGISCHEN DORFGESCHICHTEN«

Mays Selbstbiographie "Mein Leben und Streben" (1910) ist ein eindrückliches Zeugnis seiner Bemühung, sein literarisches Schaffen als eine Kontinuität zu begreifen. Seine Reiseerzählungen seien von Anfang an bildlich, symbolisch gemeint gewesen(5), den Weg von Ardistan nach Dschinnistan, die Entwicklung des Gewaltmenschen zum Edelmenschen aufzeigend.

   Während May bei der Intention, einen umfassenden Symbolcharakter seines Œvres zu beweisen, im "Dankbaren Leser" noch explizit sein Frühwerk heranzog, sind die Erwähnungen der frühen Arbeiten in der Selbstbiographie eher spärlich, und es mag überraschen, daß May bei der Betrachtung seiner Werke die Humoresken und die »Erzgebirgischen Dorfgeschichten« übergehen zu können meint, weil auch die Kritik über sie geschwiegen habe.(6) Dieses »Übergehen« erscheint um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß er mit der Herausgabe der "Erzgebirgischen Dorfgeschichten · Karl Mays Erstlingswerke · Autorisierte Ausgabe, Band 1" im Jahre 1903 (Belletristischer Verlag Dresden-Niedersedlitz, ein Schwester-Unternehmen des Münchmeyer-Verlags)(7) einen ganz bewußten Versuch unternahm, die Bedeutung dieser Geschichten, die er im Zusammenhang mit seiner symbolisch-allegorischen Spätphase sehen wollte, sichtbar zu machen. Allerdings stammten nur vier Erzählungen aus der frühen Schaffenszeit. Eigens für diesen Band schrieb May zwei allegorische Erzählungen - "Sonnenscheinchen" (entstanden Ende Februar/Anfang März 1903) und "Das Geldmännle" (April 1903)(8) -, die, geschickt an Anfang und Ende gesetzt, vier bereits früher veröffentlichte, nun leicht überarbeitete Dorfgeschichten umschlossen: "Des Kindes Ruf", "Der Einsiedel" (vor-


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mals [vormals] unter dem Titel "Der Teufelsbauer"), "Der Dukatenhof" und "Vergeltung" ("Der Waldkönig").(9)

   Ein in rhythmischer Sprache abgefaßtes Vorwort (vom 8. Mai 1903)(10) sollte den Schlüssel des Verstehens der scheinbar harmlosen Geschichtchen liefern:

   Komm, lieber Leser, komm! Ich fahre Dich hinauf in das Gebirge. Du kannst getrost im Geiste mit mir gehen. Der Weg ist mir seit langer Zeit bekannt. Ich baute ihn vor nun fast dreißig Jahren, und Viele, Viele kamen, die meine Berge kennen lernen wollten, doch leider nur, um sich zu unterhalten! Daß es auch Höhen giebt, in denen man nach geistgem Erze schürft, das sahen sie bei offnen Augen nicht, und darum ist es unentdeckt geblieben. Ich führte sie dann einen anderen Weg, der von der flachen Wüste aufwärts stieg, durch fremdes Land und fremde Völker führte und oben enden wird bei Marah Durimeh. Auf diesem Weg begann man, zu begreifen. Man sah nun endlich ein, was die Erzählung ist: nur das Gewand für geistig frohes Forschen. Man hat gelernt, zum Sinn hinabzusteigen, der uns des Erzes Adern, der Tiefe Reichthum zeigt. Wer das ihm Nahe nicht verstehen will, den muß man klüglich in die Ferne leiten, wenn auch auf die Gefahr, dabei verkannt zu werden!

   Heut kehr ich nun ins Vaterland zurück, um jenen alten Weg aufs Neue zu betreten. Er ist nicht weit und auch nicht unbequem. Er führt nur auf ein kleines »Musterbergle«. Wir nehmen uns ein »Sonnenscheinchen« mit, so einen Seelenstrahl, der uns zu leuchten hat, bis wir an unser kleines »Häusle« kommen. Im »Bergle« giebt es Silber, wohl auch ein wenig Gold. Das wird bewacht vom Geist des Neubertbauers. Wer diesen Geist, den doppelten, begreift, der darf den Schatz und dann auch selbst sich heben!

   Nahm May nach Erscheinen dieses Bandes nur noch selten Bezug auf die »Erzgebirgischen Dorfgeschichten«, so versäumten es seine Apologeten jedoch nicht, die Bedeutung dieser »tiefgründigen« Werke hervorzuheben. Max Dittrich knüpfte bei der Analyse von "Mays Werke(n) und Wirken"(11) bewußt an das Vorwort zu den "Dorfgeschichten" an, um aufzuzeigen, daß »May mit diesen Erzählungen einen tiefer liegenden Zweck verfolgt, daß er mit ihnen und in ihnen mehr sagen will, als man sonst mit derartigen "Geschichten" zu sagen hat«.(12) Heinrich Wagner betonte, daß »das Erzgebirge ... nur den äußerlichen Hintergrund und das Dorfleben nur die nebensächliche Staffage« bilde. »Der eigentliche innere Hintergrund war das stets wiederkehrende Urteil: "Du wirst genau mit dem gestraft, womit Du sündigst!" Es geht eine ebenso tiefe wie gewaltige Ethik durch diese Erzählungen. Sie ragen wie granitene Felssäulen aus dem abwärts gleitenden Geschiebe der damaligen Literatur.«(13) Eine Überschätzung dieser Geschichten war es sicherlich, wenn Wagner weiter schrieb: »Leider hat der Verfasser diesen Erzählungen nicht diejenige geschäftliche Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdienen, sonst würden sie, wie seine späteren Reiseerzählungen, überall, wo die deutsche Zunge klingt, verbreitet sein.


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Schon in ihnen ist das eigentliche Geschehen ein inneres, ein seelisches, und schon in ihnen spielt der Kampf zwischen Gewaltmenschen und Edelmenschen die hervorragende Rolle. Schon in ihnen betrachtet Karl May den Geist.«(14) Mit dieser Schlußfeststellung setzte Wagner Mays Bemühen fort, diese frühen Werke vor dem Hintergrund der Spätwerke zu betrachten. Berufen haben dürfte er sich dabei vor allem auf die - aber eben erst in der Spätphase entstandenen - Erzählungen "Sonnenscheinchen" und "Das Geldmännle". Dies unterstreicht etwa auch Franz Weigl: »Mit der Kinderseele, dem kleinen, lieben, süßen "Sonnenscheinchen" in den "Erzgebirgischen Dorfgeschichten", hat er (May) seine literar-psychologische Tätigkeit begonnen; man schlage nach und lese! Von da aus hat er alle Stufen seelischer Schilderung erstiegen und ist nun bei Marah Durimeh, der "Menschheitsseele", angekommen, die in Sitara wohnt, dem hochgelegenen "Land der Sternenblumen".«(15)

   Nur unzureichend sind bis heute die beiden späten Dorfgeschichten beachtet worden. Eine wesentliche Ursache dafür scheint mir der Umstand zu sein, daß diese Erzählungen zu sehr im Kontext der frühen Dorfgeschichten Mays betrachtet wurden(16), die sich, hübsch und naiv zu lesen, im Grunde doch als recht harmlos erweisen. Die Tatsache, daß diese späten Geschichten dem Alterswerk Mays zuzuordnen sind, wurde weniger aufgrund eingehender Werkanalysen nachgewiesen als vielmehr aufgrund der Datierung ihrer Entstehung - ein zweifellos äußerst oberflächliches und vereinfachtes Verfahren. Um diesen Erzählungen aber gerecht werden zu können, orientiert sich die folgende Werkanalyse von Mays "Sonnenscheinchen" am literarischen »Grundmodell« des Mayschen Spätwerks, also an den verschiedenen Leseebenen, deren Entschlüsselung Hinweise auf Entstehungsursachen, auf Schreibmotivation und -intention, auf die literarische Bedeutung der »späten Dorfgeschichte« geben wird.


III. WERKANALYSE

1.  H a n d l u n g s e b e n e

Im Mittelpunkt der Erzählung "Sonnenscheinchen" steht ein heruntergewirtschafteter Pachthof, dessen Besitzer, der »Major«, eines Tages mit seiner Frau und seinem elfjährigen Sohn erscheint, um den Hof zu inspizieren. Sie treffen dabei auf die Familie Fritz Felbers, des ehemaligen Hofknechtes; durch den Einfluß des »Majörles« und Sonnenscheinchens, der Kinder des Majors und Felbers, entwickelt sich zwischen beiden Familien schnell eine herzliche Beziehung. Die Ursache für den abgewirtschafteten Hof ist bald erkannt: sie liegt im heruntergekommenen Wesen des Pachtbauern, eines alten Rivalen Felbers.


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Dramatischer Höhepunkt dieser Rivalität ist ein Mordversuch des Pachthofers an Felber, der jedoch vereitelt wird. Nur durch das Eingreifen Sonnenscheinchens kann Felber daran gehindert werden, den überwältigten Rivalen zu töten. Der Pachtbauer erhält schließlich, statt vor Gericht gestellt zu werden, die Chance, nach Amerika auszuwandern, um dort eine neue Existenz aufzubauen. Den Hof aber vertraut der Major nun einem neuen Pächter an: Fritz Felber.

   Auf der planen Oberfläche erscheint die Handlung der Erzählung sicherlich etwas dürftig, ja teilweise recht naiv; Roland Schmid nannte die Geschichte »in ihrer Handlungsführung sehr anspruchslos«(17), alles in allem sei es eine »flache Mär«.(18) Nicht übersehen werden darf jedoch, daß May sich eines Erzähltypus' bediente, der ganz bewußt Volksdichtung sein wollte, damit zum Einfachen, Ursprünglichen, Naiven tendierte. Daß die »Dorfgeschichte« dadurch in den Kontext der Unterhaltungs- und Trivialliteratur rückt, liegt nahe.

   Ekkehard Bartsch weist allerdings darauf hin, daß bei den beiden späten Erzählungen im Vergleich zu den übrigen Dorfgeschichten die Sprache, der »wirklich gelungene und bis zum Schluß durchgeführte Märchen-Ton« auffalle.(19) Das ist gewiß kein Zufall, May sah sich in seiner Spätphase bekanntlich explizit als »Hakawati«, als  M ä r c h e n erzähler.

   Jürgen Hein hat in seiner Untersuchung der »Erzgebirgischen Dorfgeschichten« Mays bemerkt, daß die Erzählung "Sonnenscheinchen" »vom Inhalt her die Wesensmerkmale einer Dorfgeschichte« erfüllt und nennt insbesondere das »Nebenbuhler«- und »Amerika-Motiv«, die »Stadt-Land-Thematik«, das Motiv »vermittelnder Kinder« sowie die »Schilderung des bäuerlichen Lebens«, die »Figurenzeichnung« und den »volkstümlichen Stil«.(20) Da es Heins Anliegen ist, May in die Erzähltradition der »Dorfgeschichte« einzuordnen, kann er sich einzelnen Werken verständlicherweise nicht in dem Maße widmen, wie es tiefgreifende Fragestellungen, die auf Entstehungsursachen dieser Geschichten zielen, erforderten.

   Schon Roland Schmid hat - trotz seiner Kritik an der schlichten Handlungsführung - erkannt, daß der eigentliche Sinn der scheinbar harmlosen Geschichte vom Sonnenscheinchen unter der Oberfläche verborgen liegt, die »Armut an packendem Geschehen« nehme »man ... in Kauf, wenn man im Bewußtsein des Doppelsinns liest und zudem einige Kenntnisse von Leben und Werk Karl Mays hat«.(21) Schmids nachfolgende symbolische Entschlüsselungen sind zwar interessant, doch bieten sie eben nicht mehr als »nur einige wenige Gesichtspunkte«.(22)

   Die bisher noch ausstehende umfassende Analyse der symbolisch-allegorischen Struktur des "Sonnenscheinchen" soll der folgende Text liefern.


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2.  A u t o b i o g r a p h i s c h e  E b e n e

a) Die Familie des Majors

Überblickt man das Personal im "Sonnenscheinchen", so kann man von drei miteinander verknüpften Parteien sprechen, die sich um den im Zentrum stehenden, gewissermaßen als Ruhe- wie Unruhepunkt fungierenden Pachthof gruppieren: die Familie des Majors (der Major, seine Frau, das »Majörle«), die Familie Fritz Felbers (Fritz Felber, seine Frau Paule, Sonnenscheinchen, die Mutter Paules) und der Pachtbauer.

   Bekanntlich hat May im Spätwerk sein Ich in vielfältigster Weise aufgespalten, unzählige Teil-Ichs auf verschiedene Handlungsfiguren übertragen, wodurch er die Möglichkeit bekam, sich selbst aus unterschiedlichster Perspektive zu betrachten, seine bewußten und unbewußten, äußeren und inneren Erlebnisse zu vergegenwärtigen, um damit zu einer umfassenden Selbsterkenntnis vorzustoßen. Wie bisherige Werkanalysen bewiesen haben, kann man von bestimmten »Ur-Geschichten« Mays sprechen, von stetig auftauchenden Grundkonflikten, deren Lösung, bei allen literarischen Kompensationsversuchen, nie endgültig erreicht werden konnte. Hierin liegt die Erklärung, warum May immer wieder von neuem Figuren auftreten ließ, auftreten lassen  m u ß t e ,  die, als Stellvertreter seines Ichs fungierend, den Weg der Erlösung, Mays eigene Rettung, suchen. Daß das Personal der Mayschen Werke sowohl unter autobiographischen als auch unter philosophisch-religiösen Aspekten zu betrachten ist, daß es sich also um verschlüsselte, Mays Biographie bevölkernde Figuren und gleichzeitig um allegorische Bedeutungsträger handelt, die den Gang vom sündigen Tiefland zum erlösenden Hochland, von Ardistan nach Dschinnistan exemplarisch vollziehen, ist eine grundlegende Erkenntnis der bisherigen Forschung; von ihr ist auszugehen, wenn man die verschiedenen Funktionen, die den einzelnen Figuren zukommen, deuten will.

   Die das Spätwerk charakterisierende Vervielfältigung des Mayschen Ichs findet sich auch im "Sonnenscheinchen". Roland Schmid hatte in seinem »Entschlüsselungsansatz« noch recht vage vermutet, daß »der namenlose "Major" samt seinem Sohn, dem "Majörle" ... offenbar das Symbol des Verfassernamens« berge: »Maj(or) = May«.(23)

   Vater und Sohn sind zweifellos Selbstbildnisse Mays, lassen aber sicherlich ebenso an sein reales Vater-Sohn-Verhältnis denken, auch wenn es im "Sonnenscheinchen" idealisiert erscheint. Der militärische Rang des »Majors« verweist vermutlich auf Reminiszenzen an die frühe Kindheit Mays, als Vater und Sohn in den erzgebirgischen Wäldern militärisches Exerzieren einübten.(24) Doch sind dies lediglich biographische  A n k l ä n g e ;  zwingender und schlüssiger erscheint es, das Vater-


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Sohn-Verhältnis [Vater-Sohn-Verhältnis] als Beziehung des späten zum frühen May zu interpretieren. Der, bis auf eine Ausnahme, allseits geliebte, im Dienst (d. h. hier: bei der literarischen Arbeit) zwar unnachsichtig strenge, im Privatleben aber gegen alle Menschen mild und freundlich(e) »Major« mit dem braune(n) Gesicht, der hohen Stirn und den hellen Augen (3)(25) ist das Alter ego des reifen, besonnenen May des Spätwerks. Die militärische, doch nicht ungerechte Strenge des Majors und seine gleichzeitige Güte und Milde entspricht Mays Ideal eines selbstbewußten, zur Persönlichkeit gereiften Menschen, das er im Alter postulierte.

   Ist die militärische Strenge eher als ein Erbteil des Vaters Mays auszumachen, so resultiert die Güte und Freundlichkeit sicher vor allem aus dem Einfluß der Mutter, wohl auch der geliebten Großmutter. Im "Sonnenscheinchen" wird dieser Einfluß - neben der Frau und der Tochter Felbers - von der gedichteschreibenden Frau des Majors ausgeübt, eine für Mays Spätwerk typische, die Seele (hier: die Poesie) verkörpernde Figur. Daß in ihr Klara-May-Züge eingegangen sind, darf als sicher angenommen werden; ihre wesentliche Funktion gewinnt sie jedoch unter philosophisch-religiösen Gesichtspunkten. Darauf werden wir noch zurückkommen.

   Dem ruhigen, abgeklärten Major/May steht das unruhige, aufschneidende und übertreibende Wesen des »Majörle« gegenüber, die Verkörperung des frühen, noch der Kolportage und bunter Abenteuerliteratur verhafteten May. Schmids These, daß die Szene der Maskierung und »Verkleisterung« des »Majörles« im Zusammenhang mit dem ebenfalls durch Pflaster verunstalteten, bekanntlich Mays Schundromane allegorisierenden Pferd »Kiss-y-Darr« aus dem "Silberlöwen IV" zu sehen ist(26), dürfte wenig stichhaltig sein, denn im "Sonnenscheinchen" handelt es sich bei dieser Verkleidung eher um einen harmlosen Scherz, der zudem noch von Sonnenscheinchen, dem Seelenstrahl, ins Werk gesetzt wird. Vielmehr spiegelt das Imponiergehabe, die Prahlerei und die Großmannssucht, wie der Elfjährige sie gegenüber Sonnenscheinchen zeigt - »Wir sind reich, sehr reich!« Er richtete sich bei diesen Worten so hoch auf, wie er konnte (7) - und nicht zuletzt das Zurschaustellen seiner Person durch eine schöne, bunte Uniform (4) (sicherlich auch alles Relikte Mayscher Hochstapeleien während seiner Strafzeit) die Phase wider, in der die »Old-Shatterhand-Legende« entstand, als es May nicht mehr gelang, Realität und Fiktion im Leben seiner omnipotenten Helden zu trennen.(27) May dürfte diese Maskeraden, die Abenteuerschriftstellerei (ebenso seine Straftaten) nach der Jahrhundertwende als unreife, überwundene  » K i n d e r streiche« eingeschätzt haben. Welch eine Distanz er mittlerweile zu diesen »Torheiten« gewonnen hatte, zeigt gerade die »Maskierungsszene« im "Sonnenscheinchen", in der das »Majörle« derart übertrieben und unförmig verkleidet und verpflastert erscheint, daß dieser Auftritt trotz der


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ernsthaften Intention des »Maskierten«, die tragische Auseinandersetzung zwischen dem Pachtbauern und Felber nachzuspielen, durch diese maßlose Übertreibung nur noch Komik, nur noch Lachen hervorrufen kann. Das »Majörle«, das »Kind« (= die Vergangenheit) des reifen Majors (Mays), demonstriert kindliche Naivität und Unreife. Der Knabe in Geist und Seele kommt erst unter dem Einfluß Sonnenscheinchens, dem er nicht imponieren kann, das ihn durchschaut, zur Einsicht. May hat diesen Prozeß recht sinnbildlich dargestellt: die durch die Maskerade hervorgerufene Kopfblessur des »Majörle« erfordert die warmen Umschläge Sonnenscheinchens. Der Major deutet den tieferen Sinn dieser »Hilfe« in den Schlußsätzen der Erzählung an: »Du wirst sie (die Umschläge) sicher bekommen. Wir wissen nun, daß dir auch noch ganz andere Umschläge nötig sind. Das Sonnenscheinchen hat uns die Augen geöffnet. Bedanke dich bei ihm!« (47) Ja, die »Augen waren geöffnet«, May konnte das Spätwerk schreiben.

b) Die Familie Fritz Felbers

Wie der Major und das »Majörle«, so verkörpert auch wiederum Fritz Felber das Ich Mays, allerdings steht er für eine andere Lebensphase und Entwicklungsstufe seines Autors.(28)

   Als Vater des Sonnenscheinchens, dessen philosophisch-religiöse Bedeutung wir noch zu behandeln haben werden, birgt Felber zwar alle Anlagen der von May propagierten Edelmenschlichkeit in sich (so beweist er etwa seine Nächstenliebe, indem er für den Pachtbauern, trotz Mordversuchs, beim Major bittet und sich selbst anklagt [vgl. 30]), ist jedoch noch nicht der endgültig gefestigte Charakter. Interessant sind hierzu auch die Parallelen der noch wankenden Seelenstärke Felbers zu der des krisenhaften »Ichs« in "Am Jenseits".

   Nur durch das Einschreiten Sonnenscheinchens, durch das Rezitieren des von der Frau des Majors verfaßten, Sonnenscheinchen gewidmeten Gedichtes, kann Felber, nachdem er vom Pachtbauern überfallen worden ist, von einem Mord zurückgehalten werden. Diesen seelischen, ja »himmlischen« Einfluß, die Macht der Poesie, die Felber vor dem Sturz in den Abgrund bewahrt, hat May äußerst eindrücklich geschildert: Felber schloß zunächst für ein paar Augenblicke die Augen, als ob in seinem Innern etwas vor sich gehe, was niemand von außen sehen dürfe. Dann stieß er einen Schrei aus, der laut durch die Stube schmetterte und noch draußen auf der Straße gehört werden konnte. Hierauf schnellte er sich empor, warf das Messer weit von sich und stürzte auf sein Kind zu. Er kniete vor ihm nieder, drückte es an sich und rief, es küssend und immer wieder küssend: »Mein Sonnenscheinchen, mein liebes, liebes Sonnenscheinchen ----! Ja, ja, es ist richtig: Der liebe Gott hat dich von draußen hereingeschickt -! Was hätte ich getan --


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was, was? -- Das war der Mord, der Mord! ---- Es war finster vor meinen Augen, ganz finster, dunkel, dunkel! Da kamst du, der liebe, helle Sonnenschein. Da wurde es wieder licht -- licht --- licht ---! Ja, komm, komm, komm --- hinaus ins Freie! ... Das soll das letzte Mal im Leben sein, daß ich mich vom Zorn um den Verstand bringen lasse!« (25f.)

   In "Am Jenseits" ist es der Warnung des Münedschi bzw. Ben Nurs zu verdanken, daß Kara Ben Nemsi vor der Ausübung der Todesstrafe bewahrt wird.(29) Auch hier übt das Böse, »El Aschdar«, der Drache, eine derartige Macht aus, daß eine tiefe seelische Krise ausgelöst wird. Durch göttliche Hilfe können die vor dem Abgrund Stehenden aber schließlich gerettet werden - May hat in diesen Szenen immer wieder seine Vergangenheit aufgebrochen.

   Haben wir den Major und das »Majörle« als May des Spät- und Frühwerks interpretiert, dann könnte man Felber als den Autor der  s p ä t e n  R e i s e e r z ä h l u n g e n  entschlüsseln, der sich noch auf dem Weg zum Spätwerk befindet, wobei der Zweikampf zwischen dem Pachtbauern und Felber wiederum Mays Abrechnung mit seiner Abenteuerschriftstellerei spiegelt: die wahre »Seelenpoesie« (Sonnenscheinchen und ihr Gedicht) bringt May (Felber) schließlich zur Abkehr von seiner bisherigen Schreibweise, der »Poesie des Raubes und des Mordes«, wie es später in "Merhameh" heißen sollte.(30)

   Ähnlich wie die Frau des Majors übt auch Felbers anmutige und hübsche Frau Paule, liebevoll »Sonnenschein« genannt, einen seelischen Einfluß auf ihren Mann aus. Die Duplizität erlaubt es, in dieser Figur wiederum ein Porträt Klara Mays zu sehen. Wie der Auftritt Schakaras im "Silberlöwen", so machen auch die Frauengestalten im "Sonnenscheinchen" deutlich, welche Erlösung und Seligkeit, welche seelische Kraft May nach all den Jahren zänkischer und aufreibender Ehegeschichten mit Emma durch Klara empfing. Die Familienidylle der Felbers, das Leben in einem bezeichnenderweise »Im Sonnenschein« genannten hellgestrichene(n) Häuschen, dessen Schornstein gastlich raucht (8), spiegelt Mays Wunsch nach Harmonie und Frieden, sicher auch nach einem eigenen Kind wider.

   Im selben Jahr, als das "Sonnenscheinchen" erschien, konnte May Klara, an deren Seite er sich den lang ersehnten Frieden, den »Sonnenschein« im sonst doch oftmals trüben Alter erhoffte, vor den Altar führen ...(31)

   Selbstverständlich lassen sich nicht alle im "Sonnenscheinchen" auftauchenden Szenen und Personen völlig eindeutig und schlüssig interpretieren. Wir müssen uns ja immer vergegenwärtigen, daß hinter den Verschlüsselungen nur  t e i l w e i s e  ein ganz bewußtes System stand; in erheblichem Maß haben wir es hier mit unterbewußt laufenden Auf-


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arbeitungen [Aufarbeitungen] autobiographischen Geschehens zu tun, die natürlich anderen Gesetzen gehorchen als denen der Logik und der Kausalität. So stehen wir bei den Werken Mays häufig vor »biographischen Überschneidungen«, vor Mehr- und Vieldeutigkeiten, vor verschiedenartigen Aspekten, die in einer Figur, in einer Episode zusammenlaufen.

   Über Fritz Felbers Vergangenheit erfahren wir, daß er bis zu seiner Verheiratung Oberknecht auf dem Pachthof war. Da der Pachtbauer Paule nachstellte, sie ihn jedoch abwies, kam es schließlich zum Bruch zwischen ihm und Felber - auf diese Beziehung wird im nächsten Kapitel einzugehen sein. Nach dem zweiten Aufeinandertreffen der Rivalen, nach der Überwältigung des Pachtbauern und der ihm gebotenen Möglichkeit, nach Amerika auszuwandern, wird Felber vom Major zum neuen Pächter ernannt. Diese Schlußszene ist wiederum mehrschichtig angelegt. Fritz Felber ist nicht nur eine Selbstspiegelung Mays, sondern auch ein Porträt seines Verlegers Friedrich Ernst Fehsenfeld, den May auch im "Silberlöwen" als »Pedehr«, als »Vater der Dschamikun« auftreten läßt. Sowohl der Name der Mayschen Figur - Fritz (= Friedrich)  F e lber - als auch deren Familie - bekanntlich hieß Fehsenfelds Frau Pauline (!), zu Fehsenfelds Tochter Eva hatte May ein herzliches Verhältnis(32) - weisen deutlich auf diese Verschlüsselung hin. Die Beziehung Mays zu Fehsenfeld dürfte sich in der Hofübergabe spiegeln: Der Major (May) vertraut Felber (Fehsenfeld) seinen Hof (seine Manuskripte zur Buchherausgabe) an. Felbers vormalige Trennung vom Pachthof betrifft möglicherweise Fehsenfelds Weigerung, die "Erzgebirgischen Dorfgeschichten" zu drucken, wie er denn Mays literarische Wandlung überhaupt recht skeptisch verfolgte (nur widerstrebend verlegte er etwa die "Himmelsgedanken"). Als der "Silberlöwe" aber »anlief«, wird May wohl wieder optimistisch gestimmt gewesen sein, daß Fehsenfeld den »neuen« May nun annahm - der Schluß des "Sonnenscheinchen" drückt dies sehr wahrscheinlich aus.

   Die Entschlüsselung der Schwiegermutter Felbers kann nur eine hypothetische bleiben. Liegt es zum einen nahe, sie als ein Porträt der »lieben Seelengroßmutter« Mays zu sehen - auffälligerweise wird im "Sonnenscheinchen" immer wieder von der  » G r o ß m u t t e r «  gesprochen(33) -, so könnte sich hinter ihr aber auch die Mutter Klaras, Wilhelmine Beibler, verbergen, die herzliebe, gute Mutter, wie May sie nannte.(34) Geradezu tragikomisch will uns allerdings ihre Rolle während des Kampfes zwischen Felber und dem Pachtbauern erscheinen, als sie ihren Schwiegersohn derart behindert, daß es dem Pachthofer gelingt, ihm eine Verletzung zuzufügen, worauf Felber die Mutter von sich los(reißt) und ... sie auf die Seite (schleudert) (24). Diese »Behinderung«, die es dem Gegner ermöglicht, »zuzustechen«, muß aber sicherlich noch in einem anderen, uns im nächsten Kapitel beschäftigenden Zusammenhang gesehen werden, wenngleich sich das Bild »Großmut-


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ter [Großmutter]« bzw. »Mutter« = Wilhelmine Beibler weiter aufrechterhalten ließe, denkt man daran, welche »ardistanische Seiten«(35) diese einfach gewöhnte, sehr arbeitsame, praktische Frau(36) besaß, »durch die May nicht selten "aus dem Konzept gebracht wurde"«(37) - freilich vor allem in der Zeit, als Wilhelmine Beibler zu den Mays in die "Villa Shatterhand" zog (von 1904 bis zu ihrem Tode 1909)(38)

c) Der Pachtbauer und der Pachthof

Roland Schmid vermutete in seiner Kurzbetrachtung des "Sonnenscheinchen" zu Recht, daß es in dieser Erzählung offenbar »eine Reihe von Beziehungen zu Karl Mays Werken und deren Verlegern« gebe, »wobei der ungetreue Pachthofer aus der Sicht von 1903 sich mit größter Wahrscheinlichkeit auf den Verlag Münchmeyer oder einen seiner Repräsentanten bezieht«.(39) Zweifellos ist der Pachthof nicht nur als Inbegriff der Werke Mays, sondern, im speziellen, als Münchmeyer-Verlag zu interpretieren, der es May ermöglichte, eine literarische und gesellschaftliche Existenz aufzubauen. Mit Recht durfte er in seiner Selbstbiographie behaupten, daß er als umsichtiger Redakteur in jener Zeit fleißig gewesen war und sich ehrliche Mühe gegeben hatte, die Münchmeyersche Kolportage in einen anständigen Verlag zu verwandeln(40); ja, er war zum »Oberknecht« auf dem Münchmeyerschen »Hof« geworden!

   Kein Zufall scheint es zu sein, daß May in "Mein Leben und Streben" bemerkt, die drei von ihm bei Münchmeyer gegründeten Unterhaltungsblätter seien darauf berechnet (gewesen), besonders die seelischen Bedürfnisse der Leser zu befriedigen und Sonnenschein (!) in ihre Häuser und Herzen zu bringen.(41)

   Aber es sollte zwischen May und Münchmeyer bald zum Bruch kommen.

   Im "Sonnenscheinchen" kommt es wegen einer Frau, Paule, zur (ersten) Auseinandersetzung zwischen Felber und dem Pachtbauern. Als Grund für seinen Bruch mit Münchmeyer gab May dessen Verkupplungsmanöver (im "Sonnenscheinchen" sehr wahrscheinlich als Buhlschaft des Pachtbauern verfremdet(42)) an: Man machte mir..., um mich an die Firma zu binden, den Vorschlag, die Schwester der Frau Münchmeyer (Minna Ey) zu heiraten.(43) »Karl May und Minna Ey / die werden niemals zwei« brodelte die Gerüchteküche hellsichtig; May kündigte, sein Glück sollte für ihn in der Heimat warten: Emma Pollmer!

   Nach Felbers Kündigung ging es mit dem Pachthof stetig bergab; May hat hier wiederum sehr deutlich autobiographisches Geschehen geschildert. Als ich aus seinem (Münchmeyers) Geschäft getreten war, hatte er keinen passenden Redakteur für die von mir gegründeten Blätter gefunden. Er selbst verstand nicht, zu redigieren. Sie verloren sehr


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schnell ihren Wert; die Abonnenten fielen ab; sie gingen ein. Dabei blieb es aber nicht. Es wollte überhaupt nichts mehr gelingen. Verlust folgte auf Verlust, und jetzt stand es so, daß er die Hamletfrage Sein oder Nichtsein nicht länger von sich weisen konnte, heißt es in der Selbstbiographie.(44)

   Felber erkennt: »Hätte ich mich damals (vor dem ersten Bruch) beherrscht, so wäre ich bei ihm geblieben und müßte mir jetzt nicht vorwerfen, schuld zu sein, daß er und der Pachthof nun so weit heruntergekommen sind.« (10) May ließ sich bekanntlich zur »Rettungstat« überreden und schrieb Münchmeyer fünf dickleibige Kolportageromane, Ursache späterer langwieriger Prozeßleiden.

   Felbers Anstellung auf dem Pachthof meint beide Phasen von Mays Mitarbeiterschaft bei Münchmeyer. Damit läßt sich die Buhlschaft des Pachtbauern um Paule also auch als das Werben Münchmeyers um Emma entschlüsseln, der auf diese Weise Einfluß auf May zu erreichen versuchte, daß er ihm die Romane schreibe (vielleicht ging dieses Buhlen aber auch über Geschäftsinteressen hinaus).

   Wir haben bereits auf die »Behinderung« Felbers durch seine Schwiegermutter, die Botenfrau (8), hingewiesen, die es dem Pachtbauern ermöglicht, Felber zu verwunden. Möglicherweise steht hinter dieser Szene Emmas angebliche Vernichtung der ominösen, wahrscheinlich aber niemals existiert habenden Briefe Münchmeyers, die May die Rechte an seinen Romanen sichern sollten.(45)

   Bezeichnenderweise ist der Pachtbauer zum Lump, zum Fälscher und Betrüger (31) geworden - Münchmeyer hatte May insgeheim betrogen, dessen Romane gefälscht, unsittliche Stellen hineingebracht.

   Der erste Konflikt zwischen Felber und dem Pachtbauern endete noch mit einer kräftigen Ohrfeige Felbers; bei der zweiten Auseinandersetzung bekämpft man sich nun »bis aufs Messer«: Felber wird verwundet, kann erst im letzten Augenblick davon zurückgehalten werden, den Pachtbauern umzubringen.

   May bekam es nach Münchmeyers Tod(46) und dem Geschäftsverkauf durch dessen Witwe Pauline an Adalbert Fischer, der den Verlag nur wegen der Romane von Karl May gekauft hatte(47), mit einem neuen, aber ebenso gefährlichen »Pachtbauern« zu tun; es kam zur »blutigen« Zuspitzung des Konfliktes: als "Karl Mays Illustrierte Werke" gab Fischer trotz des Verbotes Mays 1901 die Münchmeyer-Romane neu heraus, mit derartigen Reklametrompetenstößen, daß alle Welt auf dieses Unternehmen aufmerksam werden mußte.(48)

   Die Vertreibung des Pachtbauern nach Amerika und die Hofübergabe an Felber am Schluß der Erzählung waren wieder einmal typisch Maysche Ideallösungen realer Konflikte, mitgeprägt wohl auch durch den, wie sich aber später herausstellen sollte, verhängnisvollen gerichtlichen Vergleich mit Fischer im Frühjahr 1903: Felber geht in den


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Pachthof, May überläßt Fischer - wie es der Vergleich vorsah - seine, allerdings von Unsittlichkeiten zu reinigenden Kolportageromane.

   Um Fischer für sich und gegen Pauline Münchmeyer zu gewinnen, gab May ihm gar die "Erzgebirgischen Dorfgeschichten" in Verlag (Felber bringt das Sonnenscheinchen (die gleichnamige Erzählung) mit zum Hof), lediglich unter der Bedingung, »daß das Buch nicht unter dem Verlagsnamen H. G. Münchmeyer erscheinen dürfe«.(49) Fischer, der beabsichtigte, neben Kolportageromanen, die er weiterhin unter dem Verlagsnamen »H. G. Münchmeyer, Dresden-Niedersedlitz« veröffentlichte, auch anspruchsvolle Literatur zu drucken - dazu gründete er den »Belletristischen Verlag, Dresden-Niedersedlitz« -, kam dieser Auftrag sehr gelegen.(50) »Gewonnen« war für May dadurch jedoch nichts, das »grauenhafte Monsterverfahren«(51) hatte ihn in seinen Fängen.

   Die erwähnte Vielschichtigkeit der Mayschen Figuren läßt auch der Pachtbauer, leichten Sinnes, die Arbeit weniger (liebend) als das Vergnügen (5), erkennen. Er fungiert auf der Autobiographischen Ebene nicht nur als Münchmeyer- bzw. Fischer-Spiegelung, sondern verkörpert ebenfalls wiederum das Ich Mays. Die Personifikationen des Bösen sind uns aus allen Werken Mays vertraut; sie lassen sich eigentlich immer als Vertreter der dunklen, ardistanischen Seiten Mays, geformt aus den Erinnerungen tiefer seelischer Krisen, entschlüsseln. Ganz offensichtlich verweist der Pachtbauer, der gefesselte Mörder und Betrüger (31), der resigniert feststellen muß: »Alles, was ich in die Hand nehme, läuft zum Unglück aus« (41), auf Mays Strafzeit.

   Bedeutet Amerika am Ende wirklich die Rettung, kann es einen Neuanfang bieten oder ist es nur ein Fluchtpunkt, so, wie ihn der junge May in Zeiten seiner kriminellen Delikte sah? - Ich reise ab; man wird meine Vergangenheit vergessen und verzeihen, und als ein neuer Mensch mit einer besseren Zukunft komme ich wieder, versprach er 1869 seinen Eltern.(52) Wie für viele seiner Zeitgenossen war Amerika für ihn ein magisches Wort, das verheißungsvolle Land »unbegrenzter Möglichkeiten«. May steht diesem Traumbild im "Sonnenscheinchen" jedoch äußerst kritisch gegenüber. Dort bemerkt der Major: »Wenn einer abgewirtschaftet hat oder überhaupt nicht arbeiten will, der trachtet nach Amerika. Deutschland hat noch Platz genug für Abertausende von ehrlichen und arbeitsamen Leuten. Wenn mir jemand sagt, er wolle nach Amerika, so denke ich mir gleich, was mir beliebt. Unter hundert, die das tun, sind siebzig Taugenichtse, zwanzig überspannte Menschen und nur zehn Vernünftige, die aber geschäftlich hinüber müssen.« (38)

   Martin Lowsky hat in dieser Äußerung eine Schlüsselaussage gesehen, die Mays Wandlung vom Reiseschriftsteller zum »Hakawati« des Spätwerks dokumentiert und anzeigt, »daß das abenteuerliche Element in Mays letzter Schaffensperiode erheblich an Bedeutung ver-


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liert [verliert]«, »daß May gerade den Wilden Westen, der von allen Schauplätzen des Dichters am meisten begeistert hat, nun auffällig deutlich meidet«.(53)

   Der Hinwendung zu einer stärkeren Realitätsbezogenheit, die die Spätphase charakterisiert, kommt der heimatliche, oder heimatähnliche Schauplatz der Fabeln Mays natürlich sehr entgegen; die »Erzgebirgische Dorfgeschichte« mußte sich dieser neuen Intention im Grunde geradezu anbieten.(54)

   Wie die bisherige Interpretation gezeigt hat, ist die literarische Wandlung Mays ein zentrales Thema im "Sonnenscheinchen". Fritz Felber, übrigens neben seiner Frau und seiner Tochter die einzige Figur, die namentlich genannt wird, ist der Protagonist dieser Wandlung.(55) Sein Schicksal steht im Zentrum der Erzählung, zwischen Gut und Böse, zwischen dem »Alten«, den frühen, nun aber überwundenen Werken, und dem Kommenden, dem Spätwerk, das Felber/May am Ende sein eigen nennen kann.


3.  P h i l o s o p h i s c h - r e l i g i ö s e  E b e n e

a) Der »Seelenstrahl«

Steht auf der Autobiographischen Ebene die Person Fritz Felbers und dessen Schicksal im Mittelpunkt, so auf der Philosophisch-religiösen Ebene Felbers achtjährige Tochter Sonnenscheinchen. Der (von May nicht in Anführungszeichen gesetzte) Name des Kindes verweist auf dessen allegorische Bedeutung; May hat es explizit als Seelenstrahl interpretiert.(56) Sonnenscheinchen ist damit primär eine idealisierte Figur weniger das Porträt einer realen Person.(57) Wir haben darauf hingewiesen, daß alle weiblichen Figuren in unserer Erzählung einen seelischen Einfluß auf die männlichen Personen ausüben; die weiblichen Personifikationen der Seele sind für das Spätwerk Mays ganz charakteristisch. Wie wir wissen, sind die Gründe dafür primär in Mays Biographie, in seinem »seelischen Umbruch«, der Ablösung des vom Vater bestimmten Ich-Ideals durch das Mutter-Ideal, zu suchen. Seelische Züge haben die Frauengestalten aber auch durch Klara, das »Herzle«, bekommen, die Karl May in seiner Selbstbiographie - sicherlich überhöhend - als tapfere, hochstrebende, ihn auf Engelsflügeln über alles Leid erhebende Seele bezeichnete.(58)

   Sonnenscheinchens seelische Kraft, die Macht der reinen Kinderseele, wird an verschiedenen Personen demonstriert: an seinem Vater, den es vor einem Mord bewahren und damit zur Edelmenschlichkeit führen kann (als »Vater« Sonnenscheinchens ist hier auch der »Besitz« des Seelenstrahles gemeint); an dem Pachtbauern (der in der Erzählung das böse Prinzip, den Anima- und Gewaltmenschen allegorisiert), dem


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es vor seiner Auswanderung einen Glückspfennig schenkt und damit den noch nicht endgültig entschwundenen guten Kern des Pachtbauern weckt; an dem »Majörle» (es steht für den Animamenschen(59)), das letztlich, statt Sonnenscheinchen mit seiner Großtuerei und Besserwisserei zu imponieren, der Blamierte, der Lernende ist; an der Frau des Majors, die auf das Kind ein Gedicht verfaßt; und schließlich auch am Major, der durch Sonnenscheinchens Einfluß Nachsicht mit dem Pachtbauern hat (vgl. 39). Sie alle erliegen der charismatischen Erscheinung Sonnenscheinchens, dem »göttlichen Strahl«.

   Sonnenscheinchen personifiziert - dies unterstreicht sein Name - Licht und Wärme, die von Gott gegebene Seele, all das, wodurch May aus dem tiefen Sumpf der Vergangenheit gerettet werden konnte und das ihm nun, im Alter, die so notwendige Kraft, den Lebensmut und die Hoffnung gab.

b) Die »Poesie« und der »hohe Herr«

Mit den beiden, ebenfalls die Seele verkörpernden Frauengestalten ist Sonnenscheinchen, das lebendige Frühlingsgedicht (8), eng verknüpft. Von seiner Mutter, selbst »Sonnenschein« genannt, hat es deren Seele gewissermaßen »geerbt«, zur hochgebildet(en) und außerordentlich ideal(en) (4), gedichteschreibenden Frau des Majors entwickelt sich durch Seelenverwandtschaft schnell eine herzliche Beziehung. Die Augen der Majorsfrau hätten fast die Farbe der Veilchen (3), heißt es in der Erzählung; Veilchen sind bezeichnenderweise die Lieblingsblumen Sonnenscheinchens (vgl. 13), neben den Rosen waren es auch die Mays!(60)

   Die Majorsfrau allegorisiert aber nicht nur die Seele allgemein, sondern, im speziellen, das »poetische Gemüt«. Nach der Begegnung mit Sonnenscheinchen verfaßt sie ein Gedicht, dessen seelische Kraft während des Kampfes zwischen Felber und dem Pachtbauern demonstriert wird:

»Komm mit hinaus in meinen Sonnenschein.
Ich bin der Frühling. Laß dich doch erflehen!
Der liebe Gott schickt mich zu dir herein.
Du sollst mit mir hinaus ins Freie gehen!« (25)

Das Geschehen auf der Handlungsebene wird durch dieses leitmotivische Gedicht auf die Philosophisch-religiöse Ebene transponiert.(61) Die Begegnung der »Poesie« (der Majorsfrau) mit dem Seelenstrahl (Sonnenscheinchen) ist Ausdruck der Kunstauffassung Mays. Kunst ist nach May himmlische Botschaft(62); sie hat die Aufgabe, die verlorne Erinnerung an Himmlisches, an Ewiges uns zurückzugeben.(63) Poesie entsteht - das wird im "Sonnenscheinchen" deutlich - durch Gottes


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Licht und Wärme, durch göttliche Erleuchtung, durch den göttlichen »Sonnenschein«.

   Noch in beiläufigen, nebensächlich erscheinenden Szenen kann Mays »System« verschiedener Bedeutungsebenen als schlüssig erkannt werden: als sich die Familien des Majors und Felbers trennen, vergißt die Frau des Majors ihr Poesiebuch. Kurz darauf kommt es zur dramatischen Auseinandersetzung zwischen Felber und dem Pachthofer. Da die Majorsfrau unterwegs den Verlust bemerkt - »ich muß meine "Poesie" bei Euch verloren haben. Ich vermisse sie; darum sind wir umgekehrt« (27) -, fährt man zurück, und der Major kann als Richter den Konflikt zwischen den beiden Rivalen beenden. Ganz offensichtlich steht das verlorene Poesiebuch im Zusammenhang mit diesem ausbrechenden Konflikt: der Verlust der »Poesie« ist der Verlust der himmlischen Kraft, damit die Möglichkeit für das Böse, seine Macht zu beweisen. Göttliche Vorsehung aber hat Sonnenscheinchen das Poesiebuch finden lassen, das »lebendige Gedicht« kann das Dämonische besiegen.

   Das »Gerichtsverfahren«, das ein gerechtes Ende des Konflikts findet, erlaubt es, an ein Gottesgericht zu denken; demnach müßte der Major als Gott, oder zumindest als Funktion Gottes zu deuten sein - in der Tat gibt es für diese These zwingende Hinweise. Nachdem das gerechte Urteil gefällt ist, bemerkt der Major: »Kinderseelen sind das köstlichste, was Gott den Menschen anvertraut.(64) Möge das unsere sich in so guten, treuen Händen befinden wie der Pachthof, den ich Ihnen, Felber, jetzt übergebe! Ja, Sie sind der neue Pächter! Mit Ihnen kommt Ihr Sonnenscheinchen mit durch dieses Tor.« (46) Der Major weist hier explizit auf die Parallelität hin: wie Gott den Menschen die Kinderseele anvertraut, so übergibt der Major Felber den Pachthof, d. h. Felber wird zum »Verwalter« der ihm von »höchster Stelle«, vom »obersten Herrn« »anvertrauten« Literatur, May empfängt den »göttlichen Auftrag«, das Spätwerk zu schreiben.

   In "Am Jenseits" heißt es über die Liebe: »Kann sie nicht durch Güte wirken, so greift sie zur Rettung durch die Strenge. Sie ist nachsichtig und barmherzig, solange sie glauben darf, daß dies zum Ziele führt; zwingst du sie aber zum Gegenteile, so wird sie zur Mutter, welche ihr Kind straft, nicht obgleich, sondern weil sie es liebt!«(65) Was hier von der Liebe, dem Wesensmerkmal Gottes gesagt wird, das trifft auch für den Major im "Sonnenscheinchen" zu. Er ist einerseits streng, dabei aber gerecht, andererseits mild und freundlich, von (fast) allen geliebt. Sein Auftreten zeugt von einer allseits anerkannten Souveränität und Autorität. Seine »Schwäche« ist eigentlich nur das »Majörle«, das ein so ganz anderes Wesen offenbart als sein Vater. Sicherlich sah May im »Majörle«, das sich als Herr der Situation (13) fühlt, ohne es zu sein(66), den Stellvertreter für den Menschen, für dessen menschliche Schwächen allge-


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mein [allgemein], denen man, aufgrund der Unzulänglichkeit des Menschen, mit »väterlicher Nachsicht« zu begegnen hat.

c) "Zum Sonnenschein"

Die Aufwärtsbewegung in der Mayschen Symboltopographie läßt sich im Spätwerk als Weg von Ardistan nach Dschinnistan, vom sündigen Tiefland zum hochgelegenen Paradies interpretieren; May deutete in seinem Vorwort zu den "Erzgebirgischen Dorfgeschichten" auf die allegorische Bedeutung des »Gebirges« hin.

   Der Anfang der Erzählung vom Sonnenscheinchen kündet, wie so viele Werke Mays, von Aufbruch, vom Beginn einer Reise: der Herr Major fährt mit seiner Familie durch ein idyllisches Bergdorf, um seinen Pachthof zu besichtigen; man atmet frei gesunde, reine Bergesluft (3) ein, an diesem wunderbare(n), einzigschöne(n) Frühlingstag (4). Die Luft schien still zu stehen, doch fühlte man den Hauch des jungen Lebens, welcher aus dem Munde des Lenzes geht, wenn dieser der Natur leise verkündet, daß er nun wieder blühen und duften lassen werde. Die Sonne hatte den Mittagspunkt noch nicht erreicht, schien aber schon so warm wie sonst im Mai. Es war, als habe sie die Leute sogar aus der Kirche gelockt. Der Sonntags-Frühgottesdienst war zu Ende, und die Besucher desselben kamen, die Gesangbücher in den Händen, aus dem hohen, breiten Tore, um sich heimkehrend im Dorfe zu verteilen. Diejenigen von ihnen, welche dem Wagen des Majors begegneten, grüßten mit jener warmen Höflichkeit, der man es ansieht, daß sie aus dem Herzen kommt. (4)

   Was hier so fromm und idyllisch, so nah am Kitsch stehend, an bekannten Mustern der Trivialliteratur lehnend erscheint, ist ein schlüssiges Bild, das das philosophisch-religiöse Anliegen Mays veranschaulicht. Die Natur, als Offenbarung Gottes, zeigt den Einzug des »Hofbesitzers«, des »hohen Herrn« an, stellt eine Beziehung zu den allegorischen Figuren, insbesondere zum Sonnenscheinchen (: Sonne, Frühling) her. Die Frömmigkeit der Dorfbewohner verweist geschickt auf die gewissermaßen metaphysische Bedeutung dieser Szene.

   Der am oberen Ende des Dorfes (6) gelegene Pachthof ist das Ziel der Reise des Majors: Man sah das Tor von weitem. Es gab über ihm eine Sonnenuhr, die jedenfalls von einem schon längst verstorbenen Dorfkünstler gemalt worden war. Sie stellte einen Engel dar, von welchem sehr schön gelbgefärbte Strahlen ausgingen. Seine Wangen glühten wunderbar zinnoberrot, und die Augen waren ganz ausgesprochen himmelblau. Die Stundenziffern standen auf den beiden Flügeln. (6)

   Dieser »Uhrenengel« ist allerdings Materie; er »lebt« erst durch die himmlische Kraft, durch die Strahlen der Sonne. Daß das Sonnenscheinchen gerade vor dem Tore steht, als die Familie des Majors er-


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scheint [erscheint], ist natürlich kein Zufall. May zeigt hier nicht nur die Beziehung des Kindes zum »Uhrenengel«, im Gegensatz zum künstlichen Engel strahlt das Mädchen Lebendigkeit, Frische, Natürlichkeit aus.

   Bevor es zur Abwirtschaftung des Hofes kam, nannte man das Gut aufgrund der Sonnenuhr "Zum Sonnenschein"; inneren Sonnenschein habe es aber im alten Hause nur selten gegeben (17). Stattdessen wird nun, durch den Einfluß, durch das Wesen Paules und Sonnenscheinchens, das Häuschen Felbers "Im Sonnenschein" genannt.

   Durch den am Tore des Pachthofes stehenden, den Eingang »bewachenden« Engel kann man an eine Darstellung des Himmelstores denken. Der »Gutshof«, das Eigentum Gottes, wäre aber nicht nur als Himmel oder - wie die Szene der Hofübergabe am Schluß der Erzählung beweist - als Seele zu entschlüsseln, sondern, da er einem »Pächter« anvertraut wird, ebenso als Leben, als menschliche Existenz. Diese Deutung steht auch in Einklang mit unseren autobiographischen Interpretationen des Pachthofes als den May eine Existenz verschaffenden Münchmeyer-Verlag sowie als Allegorie für die Kunst, für die Literatur schlechthin. Der alte Pachthofer hatte seine ihm gebotene Chance als »Pächter« verspielt und den Hof »abgewirtschaftet« (erinnert wird man hier etwa an das biblische Gleichnis von den Talenten (Matthäus 25, 14ff.)); mit Felber und seiner Familie, mit seiner Frau, dem »Sonnenschein«, und seiner Tochter, dem »Sonnenscheinchen«, kehrt schließlich das Licht und die Wärme der Seele zum »Hof« zurück. Der innere Frieden ist wiederhergestellt: May kann sein Spätwerk schreiben.


IV. SCHLUSSBETRACHTUNG

Mays "Sonnenscheinchen" ist ein charakteristisches Spätwerk; mehrdimensional, vielschichtig aufgebaut, zeigt es eindrücklich die Verknüpfung, die Kongruenz der verschiedenen Leseebenen, der Versuche, autobiographisches Geschehen zu bewältigen und höhere Sinnzusammenhänge darzustellen. Daß May sich hierbei des Typus' der »Erzgebirgischen Dorfgeschichte« bedient, allen Ansprüchen einer »Dorfgeschichte« gerecht werdende Topoi, Motive und Stilmittel verwendet, macht es vielleicht ein wenig diffizil, den symbolisch-allegorischen Charakter der Erzählung zu erkennen; so bedurfte May eines »Vorworts«, um explizit auf die tiefsinnige Bedeutung der Dorfgeschichte hinzuweisen.

   Bei näherem Hinsehen ist das "Sonnenscheinchen" nichts anderes als ein kunstvolles »heimatliches Märchen«, ein Gleichnis, das die literarische Wandlung Mays thematisiert und dokumentiert. Diese literarische Wandlung, die Abrechnung mit der Abenteuerliteratur und der


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Kolportagezeit, wird aber nicht nur benannt, bestimmte Figuren der Erzählung stehen nicht nur für bestimmte Entwicklungsphasen Mays, sondern sie  e n t w i c k e l t  sich in der Geschichte, indem die Handlung mehrschichtige Bedeutungsebenen hervortreten läßt. So kann die Dreiteilung der Erzählung in »Handlungsebene«, »Autobiographische Ebene« und »Philosophisch-religiöse Ebene« wiederum in verschiedene »Unterebenen« aufgeteilt werden, auf denen Figuren, Sachmotive oder Szenen besondere Funktionen erhalten. May hat sein Ich in unterschiedlichste Teil-Ichs aufgespalten, die jeweils verschiedene Entwicklungsstufen seiner äußeren wie inneren Biographie darstellen und durchspielen. Das Verhältnis zu seinen Verlegern, der Prozeß der Aufnahme und Wirkung seiner Werke wird ebenso berücksichtigt wie die innere, seelische Entwicklung, die Ursachen für die literarische Neuorientierung, wobei die Kunst, die Literatur als ein Geschenk und gleichzeitig als Aufgabe und Auftrag Gottes verstanden wird.

   Das Verhältnis des frühen zum späten May dokumentiert auch die »Kinderebene« der Erzählung; sie ist darüberhinaus aber ebenfalls Ausdruck der philosophisch-religiösen Intention Mays, auf die Stufe der noch reinen, unschuldigen Seele zurückzugehen und von ihr aus Beziehungen zur Erwachsenenwelt, zum Reifeprozeß herzustellen. Es ist die Hochachtung vor der »kostbaren Kinderseele«, die es dem reifen Major verbietet, auf das großtuerische Wesen des »Majörle« mit Gewalt und Strenge zu reagieren, vielmehr begegnet er den »kindlichen Schwächen« mit Nachsicht und Güte. Wie stark diese »Kinderebene« May beschäftigte, beweist seine 1907 entstandene Erzählung "Schamah", in der vieles von dem wieder auftaucht, was er im "Sonnenscheinchen" schon dargestellt hatte.(67)

   Bekanntlich läßt May Figuren mit kindlichen (seinen eigenen) Schwächen, die sich nur schwer in der Welt der Erwachsenen zurechtfinden können, häufig auftreten; in ihrem Innern haben diese »großgewordenen Kinder« immer noch den reinen Kern der Kindheit, die unbefleckte Kinderseele bewahrt.

   Gebührt in der nüchternen, rationalen Erwachsenenwelt nur noch dem »Kind im Menschen« ein Freiraum und ein Freirecht der Phantasie, dann erscheint Mays Erkenntnis, ein Kind für alle Zeit geblieben zu sein(68), nur folgerichtig.



1 K. May: Antwort an die "Frankfurter Zeitung". In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973, S. 133. Diese "Geographischen Predigten" enthalten die ganze vollständig festgestellte Disposition meiner Werke, nach welcher ich ganz genau gearbeitet habe und auch weiter arbeiten werde. Sie enthalten ferner eine ausführliche Erklärung der Gründe, warum ich meine "Predigten" in das Gewand der Reiseerzählungen kleide ... (ebd.).


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2 »Karl May als Erzieher« und »Die Wahrheit über Karl May« oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte, von einem dankbaren May-Leser. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 1. Ubstadt 1974, S. 14

3 Ebd. S. 64

4 Ebd. S. 37

5 Vgl. K. May: Mein Leben und Streben. Hildesheim-New York 1975 (künftig abgekürzt L&S), S. 141

6 Vgl. ebd. S. 208

7 Ein zweiter Band der »Erstlingswerke« ist nie erschienen; ein Neudruck des »ersten Bandes«, in größerem Format, kam 1907 in einer Auflage von allerdings nur 2000 Exemplaren bei Fehsenfeld (der die Geschichten 1903 nicht drucken lassen wollte) als Weihnachts-Neuerscheinung heraus, »anstelle des von Karl May fest zugesagten, aber nie gelieferten Romans "Abu Kital"« (Ekkehard Bartsch: Vorwort zu K. May: Erzgebirgische Dorfgeschichten. Hildesheim-New York 1977, S. XVI).

8 Vgl. Hans Wollschläger: Erste Annäherung an den "Silbernen Löwen". Zur Symbolik und Entstehung. In: Jb-KMG 1979. Hamburg 1979, S. 128. Wie Wollschläger mitteilt, ist das 64seitige Manuskript vom "Sonnenscheinchen" im Karl-May-Verlag erhalten (a.a.O. S. 135, Anm. 110).

9 Lange Zeit hielt man die beiden späten Erzählungen für Frühwerke Mays. Noch 1926 beantworteten die Herausgeber des Karl-May-Jahrbuches die Frage, ob "Das Geldmännle" wirklich dem Frühwerk zuzurechnen sei: »Jawohl! Um 1876 erschienen« (Karl-May-Jahrbuch 1926 (Radebeul), S. 479). May selbst bemerkte in seiner 1907/08 entstandenen Schrift "Die Schundliteratur und der Früchtehunger": Vor nun fast fünfzig (sic!) Jahren begann er seine »Erzgebirgischen Dorfgeschichten« mit dem unvergleichlichen »Sonnenscheinchen«, dem bald das ebenso herzige »Karlinchen« (s. "Das Geldmännle") folgte. (In: Jb-KMG 1983. Husum 1983, S. 53).

10 Vgl. H. Wollschläger: Erste Annäherung an den "Silbernen Löwen". a.a.O. S. 128. In der Fehsenfeld-Ausgabe fehlt das Vorwort.

11 So der Titel eines Kapitels seiner Apologie "Karl May und seine Schriften. Eine literarisch-psychologische Studie für Mayfreunde und Mayfeinde". Dresden 21904 (auch als Reprint in: Schriften zu Karl May. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 2. Ubstadt 1975).

12 Ebd. S. 51 (Reprint S. 51). Zu den beiden späten Dorfgeschichten schrieb Dittrich: »Wie seelenvoll ist die Geschichte vom "Sonnenscheinchen", und wie spannend liest sich das durch eine Hochflut rasch fortschreitender Handlung das Interesse des Lesers bis zum Ende fesselnde "Geldmännel" (sic!)«. (ebd. S. 57; Reprint S. 57).

13 Heinrich Wagner: Karl May und seine Werke. Eine kritische Studie. Passau 1907, S. 9 (auch als Reprint: Schriften zu Karl May. a.a.O. S. 137). Wagner orientierte sich hier deutlich an Mays Bemerkungen im "Dankbaren Leser": Wer noch nicht an Gott glaubt, der  m u ß  hier glauben lernen. Wer an der Gerechtigkeil der Vorsehung zweifelt, dem wird hier das freudigste Vertrauen kommen. Und Niemand und Nichts als nur das Böse geht zu Grunde. (a.a.O. S. 14).

14 H. Wagner: Karl May und seine Werke. a.a.O. S. 9 (Reprint S. 137)

15 Franz Weigl: Karl Mays pädagogische Bedeutung. München 21909, S. 40 (auch als Reprint: Schriften zu Karl May. a.a.O. S. 220).

16 Vgl. etwa Jürgen Hein: Die "Erzgebirgischen Dorfgeschichten". Zum Erzähltyp »Dorfgeschichte« im Frühwerk Karl Mays. In: Jb-KMG 1976. Hamburg 1976, S. 47-68

17 Nachwort in: K. May: Der Waldschwarze. Bamberg 1971, S. 476

18 Ebd. S. 477

19 Vorwort zu K. May: Erzgebirgische Dorfgeschichten. a.a.O. S. XIV

20 J. Hein: Die "Erzgebirgischen Dorfgeschichten". a.a.O. S. 61f.

21 a.a.O. S. 476

22 Ebd.

23 Ebd. S. 477

24 Vgl. L&S S. 43ff.


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25 Zitiert wird nach: K. May: Erzgebirgische Dorfgeschichten. (mit einem Vorwort v. Ekkehard Bartsch). Hildesheim-New York 1977

26 a.a.O. S. 477

27 Ähnliche Verschlüsselungen dieser Phase Mayscher Maskeraden finden wir auch in Mays 1907 entstandener Erzählung "Schamah". Zur Deutung dieses Werkes s. Dieter Sudhoff: Karl Mays "Schamah". Eine Werkanalyse. In: Jb-KMG 1984. Husum 1984, S. 175-230

28 Mit dem realen Carl Felber, einem Freund Mays, hat die Figur im "Sonnenscheinchen" nicht mehr als dessen Namen gemein, vgl. dazu: Alfred Schneider: Karl May und seine Hamburger Freunde Carl und Lisbeth Felber. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 163ff.

29 Vgl. K. May: Am Jenseits. Freiburg o. J., 26.-30. Tsd., S. 530f.

30 K. May: Merhameh. In: Christus oder Muhammed. Marienkalender-Geschichten von Karl May. Hamburg 1979, S. 126

31 Die Bedeutung Klaras als »Sonnenschein« macht besonders "Winnetou IV" deutlich. Die Beziehung von Sonne und dem Auftritt Klaras dokumentiert bereits der Anfang des Romans: Ein lieber, lieber Sonnenstrahl schaute mir zum Fenster herein ... Da kam das »Herzle« ... herauf ... (K. May: Winnetou IV. Freiburg o. J. (1910), 1.-10. Tsd., S. 1; s. dazu: D. Sudhoff: Karl Mays "Winnetou IV". Studien zur Thematik und Struktur. Materialien der Karl-May-Forschung Bd. 6. Ubstadt 1981, S.137f.).

32 Vgl. Ekke W. Guenther: Karl May und sein Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld. In: Jb-KMG 1978. Hamburg 1978, S. 161

33 Die »Leseschwierigkeiten« der Schwiegermutter Felbers, die May liebevoll-ironisch beschreibt (vgl. 22), sind vermutlich ein Hinweis auf die frühe Kindheit Mays, als ihm seine Großmutter, die wie Felbers Schwiegermutter das Lesen von selbst gelernt hatte (L&S S. 21), aus dem angeblich so bedeutsamen »Phantasiebuch« "Der Hakawati" Märchen vorlas. Großmutter kannte diese Märchen alle. Sie erzählte sie gewöhnlich wörtlich gleichlautend; aber in gewissen Fällen, in denen sie es für nötig hielt, gab sie Aenderungen und Anwendungen, aus denen zu ersehen war, daß sie den Geist dessen, was sie erzählte, sehr wohl kannte und ihn genau wirken ließ, schreibt May in der Selbstbiographie (L&S S. 22). Daß es der Großmutter im "Sonnenscheinchen" gar nicht so wichtig ist, sich beim Lesen strikt am Text zu halten - zumal sie das Buch so ziemlich auswendig kann (22) - ist ein Indiz für die über den konkreten Text hinausgehende, phantasieauslösende Bedeutung der Literatur. Man hatte die Bücher nahe schon zwanzigmal durch, heißt es in "Mein Leben und Streben", fing aber immer wieder von vorn an, weil sich dann immer neue Gedanken fanden, die besser, schöner und auch richtiger zu sein schienen als die früheren. Am meisten gelesen wurde ein ziemlich großer und schon sehr abgegriffener Band (d. i. "Der Hakawati") ... (L&S S. 21f.).

34 s. H. Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 103

35 Ebd. S. 167

36 L&S S. 244

37 H. Wollschläger: Karl May. a.a.O. S. 167f.

38 Äußerst hypothetisch wäre es, in der »Behinderungs«-Szene die »Mutter-Last«, d. h. die nicht abgebüßte Schuld bei der Mutter zu sehen, die May, trotz der Entstehung des befreienden Spätwerks, nie ganz abzulegen vermochte, von der er sich nicht lösen konnte - »Laß mich los, Mutter!« rief er. »Nein, nein!« antwortete sie. »Ich halte dich fest, bis du mitgehst.« Sie hing sich so an ihn, daß er sich fast nicht rühren konnte. (24)

39 a.a.O. S. 477

40 L&S S. 185

41 Ebd. S. 184

42 Möglicherweise war das Nebenbuhler-Motiv auch von eigenen Erlebnissen Mays mitgeprägt worden, etwa der Dreierbeziehungen May - Marie-Thekla Vogel - Friedrich Hermann Albani, May - Henriette Meinhold - Ernst Meinhold, May - Anna Preßler - Karl Hermann Zacharias, oder auch von Erinnerungen an die Zeit seiner Werbung um Emma Pollmer.

43 L&S S. 186


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44 Ebd. S. 199

45 Emmas Tätigkeit konnte man, als sie May 1877 nach Dresden folgte und »ihren Lebensunterhalt im Haus der Pastorswitwe durch Arbeit in Küche und Haushalt« verdiente (Fritz Maschke: Karl May und Emma Pollmer. Bamberg 1973, S. 11f.), durchaus mit der einer »Botenfrau« vergleichen!

46 Auch im "Sonnenscheinchen" wird vom Tod des alten Pächters, dem Vater des jetzigen liederlichen Pachthofers, gesprochen, der den Hof jedoch stets gut bewirtschaftet hatte (5).

47 L&S S. 242

48 Ebd. S. 243. Auf Fischer-Spiegelungen im "Sonnenscheinchen" hatte schon Wollschläger hingewiesen (vgl. H. Wollschläger: Erste Annäherung an den "Silbernen Löwen". a.a.O. S. 128).

49 E. Bartsch: Vorwort zu K. May: Erzgebirgische Dorfgeschichten. a.a.O. S. IX

50 Vgl. ebd., S. IXf. Das "Sonnenscheinchen" soll Fischer für ein »allerliebstes Geschichtchen« gehalten haben (vgl. H. Wollschläger: Erste Annäherung an den "Silbernen Löwen" a.a.O. S. 128).

51 H. Wollschläger: Karl May. a.a.O. S. 113

52 Brief Mays vom 20.4.1869; abgedruckt bei: Klaus Hoffmann: Karl May als »Räuberhauptmann« oder Die Verfolgung rund um die sächsische Erde. Karl Mays Straftaten und sein Aufenthalt 1868 bis 1870, 1. Teil. In: Jb-KMG 1972/73. Hamburg 1972, S. 222

53 M. Lowsky: Alterswerk und »Wilder Westen«. Überlegungen zum Bruch in Mays Werk. In: M-KMG Nr. 36 (Juni 1978), S. 3

54 So liegt es im "Sonnenscheinchen" etwa nahe, daß das »Bergdorf« Ernstthal meint, die »Residenz« Dresden (möglicherweise spiegeln sich in der Kutschfahrt des Majors aber auch Erinnerungen Mays an seine Reise nach Tirol im Jahre 1902.

55 Auch wenn diese Wandlung ebenfalls an der Figur des »Majörle« (durch Sonnenscheinchens Einfluß) gezeigt wird.

56 Vgl. sein Vorwort zu den "Erzgebirgischen Dorfgeschichten".

57 Hier läge es nahe, etwa an eine der »Orgelpfeifen« der mit May befreundeten Familie Seyler zu denken oder an Clara Selbmann, die Tochter der Schwester Mays, die bisweilen bei den Mays zu Besuch war, vielleicht drückte sich hier auch die Sehnsucht nach dem unehelichen Kind (Helene Ottilie Vogel) Mays aus (bestärkt wird dieser Gedanke durch Dieter Sudhoffs Anmerkung in seiner Studie zu "Schamah". a.a.O. S. 228, Anm. 106). Sicherlich ganz interessant ist es, daß May 1902 in einem Hotel in Riva unter dem Pseudonym »Dr. Richard Sonnenschein« auftrat (vgl. H. Wollschläger: Karl May. a.a.O. S. 124).

58 L&S, S. 312

59 Die menschliche Anima, so heißt es in Mays Selbstbiographie, (gibt) sich für die Seele oder gar für den Geist (aus), ohne selbst zu wissen, was man unter Seele oder Geist zu verstehen hat (L&S S. 210)!

60 Seelische Bedeutung gewinnen die Veilchen auch im "Silberlöwen".

61 Diese literarische »Technik«, die leitmotivische Funktion eines Gedichtes, finden wir beispielsweise auch in "Weihnacht" und in "Et in terra pax".

62 Vgl. etwa sein Gleichnis von der himmlischen Wahrheit, L&S S. 140f.

63 K. May: Briefe über Kunst. In: K. M.: Lichte Höhen. Bamberg 1956, S. 324

64 Darum üben die Eltern des »Majörle« auch keinen Zwang und keine Gewalt auf ihn aus.

65 K. May: Am Jenseits. a.a.O. S. 574

66 Vgl. Anm. 59!

67 s. z. B. die Parallelen in der Figurenzeichnung der Kinder oder die Maskierungsszene Thars.

68 L&S S. 33


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