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REINHARD TSCHAPKE

Überlegungen zum Verhältnis
von Herr und Knecht
in Karl Mays Abenteuerromanen



I.

Es gibt Menschen, die nicht leben, sondern gelebt werden, weil sie erst lernen müssen, was leben heißt. Einst hatte auch ich zu ihnen gehört. Ich war gelebt worden und hatte dies mit schwerem, bitterem, viele Jahre langem Weh bezahlen müssen. Dann hatte ich mich von denen, die mich lebten, freigemacht. Eine böse, mühe- und enttäuschungsvolle Lehr- und Gesellenzeit war gefolgt. Und heute nun sah ich mich endlich, endlich vor die Notwendigkeit des Beweises gestellt,  n i c h t  m e h r  K n e c h t ,  s o n d e r n  H e r r  m e i n e r  s e l b s t  z u  s e i n . (1)  Die Herr-Knecht-Metaphorik, mit der sich dieser Aufsatz beschäftigen will und die durch den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel ihre wohl bekannteste Deutung erfuhr, ist bei Karl May, wie das Zitat aus "Ardistan und Dschinnistan" vor Augen führt, an durchaus exponierter Stelle vorhanden. Zu fragen ist, in welcher Weise das in diesen Zeilen des Ich-Erzählers zum Ausdruck kommende Selbstverständnis mit den inzwischen schon klassisch gewordenen Kategorien Hegels verwandt und daher mit deren Hilfe nachvollziehbar ist.(2)

   In den Zusammenhang des Herr-Knecht-Verhältnisses zu stellen sind sicherlich die zahlreichen Herr-Diener-Konstellationen, denen man immer wieder im Werk Mays begegnet. Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand haben fast ständig eine untergeordnete Person bei sich, einen Abhängigen, einen "Knecht". Und ist es nicht gerade der kleine Orientale Hadschi Halef Omar, dessen Verhältnis zu Kara Ben Nemsi sich – analog zum Denken Hegels – so frappant wandelt, daß er, der arabische Analphabet, vom Knecht zum gleichwertigen Gefährten des deutschen Reisenden aufsteigt? Zu fragen und zu prüfen ist also mithin an exemplarischen Stellen, inwieweit Hegels Modell von Herr und Knecht, welches im folgenden zunächst dargelegt wird, mit der etwaigen Entwicklung der Figuren und ihren Beziehungen untereinander in den Romanen kongruiert.

   In dem oft gerühmten Kapitel "Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft" in seiner "Phänomenologie des Geistes" von 1807 stellt Hegel dar, daß der selbst-


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bewußte [selbstbewußte] Mensch, der »die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst«(3) besitzt, in jeder Begegnung mit dem anderen seine innere Selbständigkeit und Sicherheit gefährdet sieht. Das Wissen um sich selbst kann für Hegel nur dann einen Sinn entfalten, wenn es sich vergegenständlicht, wenn es sich praktisch äußert, wenn es sich thematisiert und zeigt, daß es die lebendigen Dinge beherrscht. »Das Selbstbewußtsein ist an und für sich«, schreibt Hegel, »indem und dadurch, daß es für ein Anderes an und für sich ist; d. h. es ist nur als ein Anerkanntes.«(4) Jeder sucht sich selbst im anderen geltend zu machen, so daß zwei ausgeprägte Ichs aufeinandertreffen. Die volle Anerkennung durch ein anderes Bewußtsein erscheint für den einen wie für den anderen unabdingbar notwendig, und das jeweilige Handeln ist aus diesem Grunde angespornt, den anderen zu verdinglichen, indem man ihn zur Anerkennung seiner selbst zwingt, während man selbst aber eigenständig bleiben und nicht verdinglicht werden möchte. Hegel stellt sich den Aufeinanderprall der Kontrahenten in seiner logischen Argumentation ganz einfach als einen Kampf auf Leben und Tod vor, weil dem eigenen Selbstbewußtsein das des anderen in gegenseitiger Abstoßung unabhängig gegenübertritt. – Ein Zustand, der zur Lösung und Entladung drängt, denn »das Andere ist auch ein Selbstbewußtsein; es tritt ein Individuum einem Individuum gegenüber auf.«(5) Die Gegner verspüren das wechselseitige Bedürfnis, dem anderen die Anerkennung abzunötigen, was einen Widerspruch in sich selbst darstellt, denn wahre Anerkennung gibt es nur aus freien Stücken:

»Jedes ist wohl seiner selbst gewiß, aber nicht des anderen, und darum hat seine eigene Gewißheit von sich noch keine Wahrheit; denn seine Wahrheit wäre nur, daß sein eigenes Fürsichsein sich ihm als selbständiger Gegenstand oder, was dasselbe ist, der Gegenstand sich als diese reine Gewißheit seiner selbst dargestellt hätte. Dies aber ist nach dem Begriffe des Anerkennens nicht möglich [ . . . ]«(6)

So müssen beide Selbstbewußtseine im Kampf auf Leben und Tod antreten, bei dem notwendig eines obsiegt, denn das nicht gleichrangige Individuum, welches das Leben nicht in die Waagschale des Schicksals warf und somit zum Knecht wird, »kann wohl als Person anerkannt werden; aber es hat die Wahrheit dieses Anerkanntseins als eines selbständigen Selbstbewußtseins nicht erreicht.«(7)

   Der Kampf endet vorläufig in Hegels Philosophie mit der Unterwerfung des einen durch den anderen. Der Tod des anderen kann nämlich nicht im Interesse des triumphierenden Selbstbewußtseins liegen, es will sich ja schließlich im anderen Selbstbewußtsein objektivieren, sich anerkannt wissen und dadurch zur Wahrheit seiner selbst kommen und dies auch nach außen dokumentieren. Derjenige siegt im Kampf, der die Todesverachtung, die eigene Furcht vor der Vernichtung, länger als sein Gegner überwindet und sich als wirklich autonom erweist, wäh-


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rend [während] der Gegner seiner natürlichen Todesfurcht anheimfällt. Das unterlegene Bewußtsein wird dadurch vom anderen Bewußtsein zum bloßen Medium funktionalisiert. Das heißt, es dient ihm nur noch dazu, sich selbst über ein anderes Bewußtsein Bestätigung zu verschaffen. Das Selbstbewußtsein hat sich damit in Hegels Terminologie in zweierlei Form erfahren – als selbständiges Fürsichsein und als unselbständiges, dienendes Sein: »zwei entgegengesetzte Gestalten des Bewußtseins; die eine das selbständige, welchem das Fürsichsein, die andere das unselbständige, dem das Leben oder das Sein für ein Anderes das Wesen ist; jenes ist der  H e r r ,  dies ist der  K n e c h t . « (8)

   Worin besteht nun das knechtische Bewußtsein im eigentlichen Sinne? Zunächst einmal in der Aufgabe seiner selbst, in der Favorisierung der Lebensverbundenheit, die das bloße physische Dasein einem Kampf um höhere Ideale vorzieht. Das knechtische Bewußtsein ordnet sich unter die Dinge ein, das Bewußtsein seiner selbst besteht als ein Dienendes. Den Herrn dagegen kennzeichnet, daß er im Kampf, den beide austrugen, ohne Rücksicht auf sein Leben kämpfte und länger aushielt. Das rein Physische ist ihm, im Gegensatz zum Knecht, längst nicht alles. Dies ist die »Kette« des Knechts, »von der er im Kampfe nicht abstrahieren konnte und darum sich als unselbständig, seine Selbständigkeit in der Dingheit zu haben erwies. Der Herr aber ist die Macht über dies Sein, denn er erwies im Kampfe, daß es ihm nur als ein Negatives gilt; indem er die Macht darüber, dies Sein aber die Macht über den Anderen ist, so hat er in diesem Schlusse diesen Anderen unter sich.«(9) Der Knecht sieht nur noch den erhabenen Herrn über sich, er definiert sich in seinem Selbstwertgefühl durch ihn, gehorcht und arbeitet, was dieser will. Die Tätigkeit des Knechts, der ja nicht genießen darf, sondern die Dinge für den Herrn genußfertig macht, und sich auch in diesem Punkt als ein bloßes Medium erweist, ist das verlängerte Tun des Herrn.

   Hegels Darstellung konnte hier nur stark verkürzt und ohne Bezug auf den großen Zusammenhang der gesamten "Phänomenologie des Geistes", die ja eine Höherentwicklung des Bewußtseins darzustellen sucht, indem sie das werdende, zu sich selbst kommende Wissen beschreibt, referiert werden. Sie verleitet bereits nach erstem Augenschein und schon aufgrund ihrer eindringlichen symbolischen Aussagekraft dazu, sie auf Karl Mays Erzählmodelle und Kunstfiguren, auf den omnipotenten Helden und seine Widersacher, auf das häufigste Motiv schließlich seines Werkes, das Duell und seine Folgen, und, natürlich, auf die vielen Herr-Diener-Szenen anzuwenden. Möglicherweise läßt sich die Problematik von Herr und Knecht aber auch individualpsychologisch auf die Vita Karl Mays übertragen, auf die Sehnsucht eines Mannes nach Anerkennung, auf ein Leben, das immer wieder und bis ins hohe Alter hinein, existentiell bedroht war, auf einen


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Schriftsteller, der versuchte, sich mit Hilfe seiner Herrenfiguren Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi autosuggestiv eine befriedigende Ich-Identität anzueignen, die ihm die Realität versagte. Doch müssen vor diesen interpretierenden Schritten, bei denen die autobiographische Spurensuche hier bewußt vernachlässigt werden soll, zwei wichtige Aspekte herausgestellt werden: Hegel geht es mit seinem Gestaltenpaar von Herr und Knecht um die Erfassung und Deutung philosophischer Zusammenhänge und Stadien innerhalb der gesamten Menschheitsentwicklung, etwa um Abläufe innerhalb der Spätantike oder in der Entstehungszeit der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Sein Modell läßt sich aber auch, wie interdisziplinäre Interpretationen umfassend und überzeugend darlegten,(10) weiterführen und als psychisch-soziales Muster, als eine existentielle Grunderfahrung des menschlichen Umgangs mit sich und den anderen deuten. Hegel umschreibt und analysiert ein konstitutives Moment der modernen Gesellschaft auch oder gerade des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, das vermutlich solange Gültigkeit und Interesse beanspruchen darf, wie Menschen existieren.

   Es ist weiter wichtig, darauf hinzuweisen, daß Hegels Gedankenführung zur Herr-Knecht-Problematik, die uns aus dem heutigen Abstand so ungewöhnlich wie neu in ihrer Zeit erscheint, durchaus im Rückbezug auf die Geisteswelt seiner Tage vollzogen wurde und eine weitreichende, hier nur andeutungsweise skizzierbare Tradition besitzt. Immer wieder finden sich in den Schriften bedeutender Persönlichkeiten des achtzehnten Jahrhunderts wie auch der vorangehenden Jahrhunderte ganz ähnliche Formulierungen und Bilder für das Verhältnis von Abhängigkeit und Unabhängigkeit, von Herrschaft und Knechtschaft. Diese gehen entweder auf den philosophischen Ursprung des Herr-Knecht-Verhältnisses bei Aristoteles und seine Beschreibung der Beziehung als ein lebensordnendes, ganz natürliches Strukturprinzip der Haushaltung zurück, oder sie beziehen sich auf die christlich-theologische Variante, die auf eine Personalisierung und Institutionalisierung von Herrschaft zielt und die Verknechtung des einen durch den anderen als irdische Zucht und Notwendigkeit zur Bekämpfung der sündhaften Sinnlichkeit (und damit zum Wohle des Menschen) erklärte und rechtfertigte.

   Der französische Rechts- und Geschichtsphilosoph Charles de Montesquieu schrieb über den Kampf im Innern des Menschen, über den ewigen Widerstreit der menschlichen Natur zwischen Leidenschaft und Vernunft, folgendes: »Der Mensch [ . . . ] ist aus den zwei Substanzen zusammengesetzt, deren jede in ihrem Hin- und Wiederfließen Herrschaft auferlegt und erleidet«.(11) Christian Wolff, Professor in Halle und Propagandist der deutschen Aufklärung, behandelte das Herr-Knecht-Thema im frühen achtzehnten Jahrhundert ausführlich und bezeichne-


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te [bezeichnete] den schwachen Menschen, der seiner Sinnlichkeit erliegt, als »einen Sklaven von sich selbst«(12) Man sieht, daß hier die Befreiung des Individuums aus den Fesseln seiner Affekte angestrebt und dabei auf das Personenpaar von Herr und Knecht zurückgegriffen wurde. Der Schotte David Hume sprach davon, daß die »Vernunft der Sklave der Leidenschaft ist«.(13) Auch die Philosophen und Schriftsteller des deutschen Idealismus haben sich schließlich dieses Bildbereiches bedient, seien es Schelling, der junge Fichte oder Immanuel Kant. Von Kant stammt der berühmte Satz aus seiner "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht", wonach der »Mensch [ . . .   ]  e i n e n  H e r r n  n ö t i g  h a t .  Denn er mißbraucht gewiß seine Freiheit in Ansehung anderer seinesgleichen; und, ob er gleich, als vernünftiges Geschöpf, ein Gesetz wünscht, welches der Freiheit alle Schranken setze: so verleitet ihn doch seine selbstsüchtige tierische Neigung, wo er darf, sich selbst auszunehmen. Er bedarf also einen  H e r r n ,  der ihm den eigenen Willen breche, und ihn nötige, einem allgemein-gültigen Willen, dabei jeder frei sein kann, zu gehorchen.«(14)

   Diese Sentenz steht nun deutlich nicht mehr in der aristotelischen Tradition der vorgeblich "natürlichen" Knechtisierung, sondern überwindet das Hauswirtschaftsverhältnis durch seine aufklärerische Grundlegung. Über- und Unterordnung erscheinen als eine positive Form, als ein zwangspädagogisches Vehikel und als eine Schule der Vernunft, wie es in ähnlicher Weise bereits der englische Staatsmann Thomas Hobbes im siebzehnten Jahrhundert, ausgehend von seinem »Bellum omnium contra omnes«, entwickelt hatte. Das Ideal des Königsberger Philosophen war die selbständige, in Freiheit agierende und vernünftige Persönlichkeit, die darauf gründet, daß das Subjekt über sich selbst Herr werde, seine privaten Neigungen und Triebe der Sinnlichkeit besiege und nur durch eine vertragliche Sicherung zum anderen in das Verhältnis der Knechtschaft trete. Friedrich Schiller, der Kants Philosophie seit 1790 intensiv studierte, ohne ihr in jedem Falle völlig zuzustimmen, läßt am Schluß von "Wallensteins Lager" die Reiter unter anderem singen: »Man sieht nur Herrn und Knechte [ . . . ] /Der dem Tod ins Angesicht schauen kann, /Der [ . . . ] allein ist der freie Mann/ [ . . . ] Und setzet ihr nicht das Leben ein, /Nie wird euch das Leben gewonnen sein.«(15)

   Noch vor Kant und Schiller äußerte Jean-Jacques Rousseau, einer der geistigen Wegbereiter der Französischen Revolution: Es »glaubt einer, der Herr der andern zu sein, der wirklich noch mehr Sklave ist als sie« und »Wer Herr ist, kann nicht frei sein«.(16)

   Bereits Denis Diderot, dessen Schriften Hegel verehrte, beschrieb in seinem philosophischen Dialogroman "Jacob, der Fatalist, und sein Herr" (1773–75 entstanden) die dialektische Abhängigkeit des Herrn von seinem Knecht als ein gesellschaftlich unhaltbares und zutiefst un-


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produktives [unproduktives] Verhältnis. Die Hauptfiguren aus "Jacques le Fataliste" sind mehr oder weniger Ausläufer einer weltanschaulichen Theorie: Der Diener Jacob und sein Herr, die durch Frankreich reisen, beziehen sich in ihren Gesprächen permanent auf die Willensfreiheit des Menschen, wobei der Diener vorgibt, eine stoisch-fatalistische Position einzunehmen, während sein motivationsarmer und wenig interessanter Herr dagegen in eine den freien Willen akzentuierende Haltung ausweicht, ohne auch nur ansatzweise in diesem Sinne einmal tätig zu werden. Gewürzt mit Sozialkritik und stets ironisch zeigt Diderot, daß der kluge und tatkräftige Diener wohl sehr gut ohne seinen trägen Geldgeber, dieser aber nicht ohne seinen eigentlichen Lenker existieren kann. »Die Lebensabhängigkeit der Herrenschicht von ihren Knechten ist hier zum ersten Male in der großen europäischen Literatur mit allen Konsequenzen vorgetragen. [ . . . ] Der Herr kann nur Herr bleiben, weil es einen Knecht gibt. Damit ist er an Jakob gekettet.«(17) – Wenn Diderot hier die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaftsordnung geistig verläßt und den Knecht als den eigentlichen Fortschrittsbewußten und Freien herausstellt, so ist ihm sein aufmerksamer Leser Hegel in der "Phänomenologie des Geistes" Jahrzehnte später darin gefolgt. Der rechten Anerkennung des Herrn fehlt nämlich nach der Austragung des in der "Phänomenologie" beschriebenen Kampfes auf Leben und Tod und nach der erzwungenen Anerkennung etwas – es ist »ein einseitiges und ungleiches Anerkennen entstanden«,(18) das aufgrund seiner unfreiheitlichen Struktur nicht zu befriedigen vermag. Denn nicht ein gleichwertiges Herrenbewußtsein erkennt diesen an, sondern ein geknechtetes, nichtiges Bewußtsein – was entschieden zu wenig ist. Andererseits ruft die einmal als total empfundene Furcht vor dem Tode beim Knecht ein Selbstbewußtsein hervor; die Angst um sein ganzes Wesen hat alles in ihm erschüttert und ein gewisses Fürsichsein assoziiert. Da der Gehorsam des Knechts im Dienen, in der fremdbestimmten Arbeit an der Natur besteht, die darauf hinausläuft, die Dinge dem Herrn zur Benutzung und zum Genuß zu bearbeiten, gestaltet und bildet sich der Knecht zunächst an der Natur. Die Arbeit, so Hegel, hilft dem Knecht, zu sich selbst zu kommen, sich – nicht wie der Herr im Kampf, sondern in der Arbeit – wiederzufinden, ein Selbstbewußtsein herauszubilden, das sich über das Nur-Dingsein für den Herrn zu erheben vermag:

»Ohne die Zucht des Dienstes und Gehorsams bleibt die Furcht beim Formellen stehen und verbreitet sich nicht über die bewußte Wirklichkeit des Daseins. Ohne das Bilden bleibt die Furcht innerlich und stumm, und das Bewußtsein wird nicht für es selbst.«(19)

Dialektisch geht so die Fortentwicklung des Selbstbewußtseins in der Herr-Knecht-Konstellation vonstatten: der Herr genießt, was der


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Knecht erarbeitet, wodurch er selbst wieder allmählich vom Knecht abhängig wird. So bildet sich der Knecht zum Herrn hinauf, das unterjochte Bewußtsein kehrt zu sich selbst zurück: »Es wird also durch dies Wiederfinden seiner durch sich selbst  e i g e n e r  S i n n ,  gerade in der Arbeit, worin es nur  f r e m d e r  S i n n  zu sein schien.«(20)

   Hegels Gedankenführung zur Herr-Knecht-Problematik, ausgeführt im Zeitalter des erstarkenden Bürgertums und der europäischen Frühindustrialisierung, war also in jeder Weise wegbereitend für zahlreiche politische, ökonomische und psychosoziale Analysen zur Auseinandersetzung um die Freiheit und Gleichheit der Menschen. Wesentliche Motivzusammenhänge wurden in Hegels Hauptwerk in ein sprachliches und sachliches Deutungssystem von Herr und Knecht verwandelt, das weitläufige Dimensionen in der allgemeinen Philosophie und Geistesgeschichte wie auch in der Literatur und – am Exempel Karl May besitzt.


II.

Nie war Karl May ein großer Entwickler von Charakteren, seine Figuren sind, von ganz wenigen Ausnahmen, wie etwa Old Wabble, abgesehen, alle in ihrer Psyche mehr oder weniger stereotyp ausgefallen. Allein durch die äußeren Ereignisse und durch Äußerlichkeiten wie Statur, Kleidung und Gesicht, versuchte May zu beschreiben, was das Innere für ihn ausdrücken sollte, welchen Wert und welche Bedeutung er einer Figur zumaß. Zahlreiche seiner komischen Gestalten fallen so etwa durch urige und besonders lange Nasen ins Auge, Schurken dagegen werden bevorzugt mit diabolischer Schönheit ausgestattet. Der arabische Begleiter des Helden, auf den sich die folgende Untersuchung konzentrieren wird, ist, in diese Reihe grober äußerer Kennzeichnung gestellt, konsequent mit seiner kleinen und drolligen Art zum Diener prädestiniert:

Halef war ein eigentümliches Kerlchen. Er war so klein, daß er mir kaum bis unter die Arme reichte, und dabei so hager und dünn, daß man hätte behaupten mögen, er habe ein volles Jahrzehnt zwischen den Löschpapierblättern eines Herbariums in fortwährender Pressung gelegen. Dabei verschwand sein Gesichtchen vollständig unter einem Turban, der drei volle Fuß im Durchmesser hatte, und sein einst weiß gewesener Burnus, welcher jetzt in allen möglichen Fett- und Schmutznuancen schimmerte, war jedenfalls für einen weit größeren Mann gefertigt worden, so daß er ihn, sobald er vom Pferde gestiegen war und nun gehen sollte, empornehmen mußte wie das Reitkleid einer Dame.(21)

Hadschi Halef Omar, dessen Schnurrbart übrigens nur aus dreizehn Haaren besteht (nämlich sechs rechts und sieben links),(22) der Zwerg,


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der hier mit allen wesentlichen Topoi einer komischen Personenbeschreibung dem Leser gleich zu Beginn des Orientzyklus vergnüglich vor Augen geführt wird, stellt die exponierteste Dienerfigur in fünfzehn May-Bänden vor. Wenn der Ich-Erzähler ihn auch direkt im Anschluß an diese Karikatur, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Diener und Herrn überspielend, als eine respektable Persönlichkeit vorzuführen sucht, welche ungemeinen Scharfsinn, viel Mut und Gewandtheit und . . . Ausdauer(23) besitzt, und ihn dann auch noch mehr als Freund denn als Diener(24) ausweisen möchte, der mit ihm eigentlich nur aus reiner Zuneigung reitet, so kann man dem Erzähler darin als Kenner des Werkes an dieser Stelle nicht folgen. Denn ohne Zweifel ist das kleine, zierliche Kerlchen vorrangig Diener und erst in zweiter Linie Freund, wie vertraulich es auch zeitweilig zwischen dem vergleichsweise großen Deutschen und dem kleinen Araber zugehen mag. Das einfache und zugleich starre Schwarz-Weiß-Schema, das für die guten und bösen Figuren bei Karl May gültig ist, spiegelt sich hier im unpsychologischen Oben und Unten in nur geringfügiger Verschiebung wider. Der wackere und originelle Kauz(25) Halef, dessen literarische Geburt in den Winter 1880/81 fällt, ist im Hegelschen wie auch im allgemeinen Sinne unerfahren und unselbständig, weil er weder die nötigen Techniken noch die intellektuellen Fertigkeiten mitbringt oder beherrscht, die ihn befähigen könnten, wie sein überragender Herr zu agieren. Anders formuliert: Er besitzt keineswegs die Gewißheit seiner selbst – worüber auch seine Prahlsucht nicht hinwegtäuschen kann. Gerade sie macht ja seine Unterlegenheit so offensichtlich und scheint unausrottbar. Noch im Spätroman "Ardistan und Dschinnistan", in dem Halef bewußt bei den "dienstbaren Geistern" untergebracht ist, heißt es, ihn seltsam kühl beschreibend:

Unter uns im Hof saß Halef bei einer Anzahl von Dienern und Dienerinnen. Er erzählte von seinen Abenteuern. Er tat das in seiner wohlbekannten, bombastischen, nach Beifall hungrigen Weise. Aber der Erfolg, den er an jedem anderen Orte einzuheimsen verstanden hatte, hier fiel er aus. Man hörte ihm ruhig zu; kein Lob erscholl; kein Beifall lief sich hören. Ein nachsichtiges Kopfnicken oder gar ein ironisches Lächeln, weiter gab es keinen Dank. Da stand er von seinem Platze auf, warf die Arme verächtlich in die Luft, ließ die Zuhörer sitzen und ging zum Tor hinaus. Wir achteten nicht auf ihn und diese seine wohlverdiente Niederlage.(26)

Obwohl Halef mit einer langen Reihe von islamischen Pilgernamen prunkt, war er noch nie in Mekka. – sicherlich eine kleine, gänzlich unschädliche Malice,(27) die Kara Ben Nemsi gegen den Aufschneider ins Feld führt, doch immer wieder wird mit der Bloßstellung des Prahlers, der seine Schwächen zu kompensieren sucht, auch der Status des anderen deutlich: hier der selbstdenkende Herr, dort der Knecht, hier der rhetorisch überlegene Spötter, der Sieger im Wortgefecht, dort der


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verbal Geschlagene: »Sihdi«, fragte er kleinlaut, »wirst du es ausplaudern, daß ich noch nicht in Mekka war?« – »Ich werde nur dann davon sprechen, wenn du wieder anfängst, mich zum Islam zu bekehren; sonst aber werde ich schweigen.«(28) Der Europäer nutzt nicht nur in Herrenmanier die Schwächen und Fehler des Unterlegenen zu seinen Gunsten aus, er ist dem Wüstensohn und Moslem ebenso auf dessen ureigenstem Gebiet, etwa bei der Spurensuche und Fährtenanalyse, überlegen. Daß er den Koran und dessen Bücher besser als sein Diener kennt, versteht sich von selbst. So ist eine natürliche Dichotomie von oben und unten von Anfang an gegeben, die vor allem in der einseitig verlaufenden Kommunikation und in der asymmetrischen Dialogregie ihren strukturellen Ausdruck findet und insgesamt nur wenig variiert.

   Wer die Orienterzählungen liest, wird permanent auf Fragen Halefs nach der Art von »Was gedenkst du nun zu tun, Sihdi?« oder »Was tun wir jetzt?« stoßen, die die gekonnten Erklärungen, geschickten Deutungen und Verhaltenshinweise des Herrn fortwährend nach sich ziehen.(29) Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist offensichtlich, darüber hinaus muß Halef das Dienen nicht erst erlernen, er ist es gewöhnt, Befehle entgegenzunehmen und darauf angewiesen, sich rückzuversichern, Auskünfte einzuholen und um Bestätigung oder Lob zu bitten. Vor allem aber wird die Unselbständigkeit Halefs über das hinaus, was mit Theorie oder Wissen gefaßt werden könnte, in seinen unglücklichen Aktionen, in der Praxis des Handelns also, deutlich. Halef kann und darf im Grunde in der wilden und rauhen Welt Arabiens oder Nordafrikas nur unter Anleitung seines Herrn agieren, er beherrscht nicht die Dinge und Verhältnisse, sondern sie beherrschen ihn. Auf seine Leistungen kann man sich nur bedingt verlassen. Der souveräne Erzähler und Ich-Held tut daher gut daran, in schwierigen und gefährlichen Situationen zuerst vorteilhaft von sich, von seinem unerschütterlichen Selbstbewußtsein, seiner wunderbaren Körperstärke und seinem Durchsetzungsvermögen auszugehen, wodurch er nun wieder den Mut seines Begleiters entscheidend zu festigen weiß. Kraß ausgebildet ist das Leistungsgefälle, immer wieder muß der Effendi seinen Diener aus selbstverschuldeten Notlagen befreien. So ist es nur zu natürlich und angebracht, daß Halef diese Überlegenheit auch anerkennt, seinem Herrn grenzenloses Vertrauen entgegenbringt und keinen Zweifel an der Kompetenz des Deutschen läßt, wenn er sie auch für sich in einem günstigen Licht erscheinen lassen will: »Du bist der Herr, und ich muß es mir gefallen lassen«,(30) heißt es an einer Stelle in "Durch Wüste und Harem", und später auch: »Sihdi, du bist klüger als ich und klüger als viele Leute . . . «(31)»Ja, du hast immer deine heimlichen Absichten. Du schaust weiter hinaus als wir . . . «(32) Diese Sätze sind subjektiv sicherlich ehrlich gemeint, auch dann, wenn man die orientalische Übertreibungssucht in Rechnung stellt, die sich ja immer auf den Herrn mitbe-


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zieht [mitbezieht], durch dessen Erhöhung auch ein wenig Glanz auf den Diener selbst zurückfällt.

   Kara Ben Nemsi verhält sich als Herr zu seinem Diener wie eine Geliebte zu ihrem abhängigen Liebhaber oder wie ein Erwachsener zu einem Kind. Im 2. Band des "Silberlöwen" heißt es an einer Stelle: »Du hast mir in allem, was ich sage und thue, beizustimmen; das ist es, was ich von dir verlange, weiter nichts! Und nun paß auf, und betrag dich ja nicht ungeschickt!«(33) Insgesamt bestimmt das Verhältnis eine wohltuende Zuneigung, die tätige Liebe ist dabei nicht ziellos, sondern verstandes- und zweckmäßig.(34) Kara Ben Nemsi ist so psychisch in der Lage, einmal eher wohlwollend, dann wieder ablehnender zu reagieren, im Grunde aber deutlich nach dem Herrschaftsprinzip zu walten:

Man muß den Orientalen zu behandeln verstehen. Derjenige Abendländische, welcher sich mißachtet sieht, trägt selbst die Schuld.(35)

Freundlichkeit und sanfter Zwang, strenger Befehl und bloße Anweisung gehen Hand in Hand, und die Verhältnisse bleiben unangetastet, selbst wenn der Umgang zuweilen spielerisch-überlegene Züge annimmt und durch einige Gesten der Hilfsbereitschaft und Zuneigung gemildert wird. Dies zeigt sich besonders in Szenen, in denen sich Halef anmaßt, den Herrn zu spielen, oder, zumindest, den Vermittler zwischen den Bittstellern und seinem Sihdi. Hier werden für Kara Ben Nemsi wichtige soziale Kompetenzen überschritten, die eine Zurechtweisung notwendig machen, etwa, wenn der kleine Ben Arab zu Beginn der berühmten Arzt-Szene der Senitza-Handlung als affektierter Portier behauptet, ein Sihdi, ein Effendi und gar ein tapferer Freund und Beschützer(36) seines Gebieters zu sein. Ich mußte das Talent Halef Aghas, sinniert der Erzähler, aufmerksam und unbemerkt der Szene lauschend, von Minute zu Minute mehr anerkennen, fühlte aber trotzdem große Lust, ihn seine eigene Nilpeitsche schmecken zu lassen.(37) Gerade die Peitsche wird an dieser Stelle nicht ohne Bedacht erwähnt. Sie muß als ein Versuch Halefs angesehen werden, sich selbst mit Hilfe eines Herrschaftszeichens in Anlehnung an eine Autorität als Respektsperson zu erhöhen: »Meine Peitsche gehört zu mir, wie meine Hand zu mir gehört; sie ist ein Teil von mir selbst. Sie hat auch ihre Ehre, welche zugleich die meinige ist.«(38) Noch in den "Silberlöwen"-Bänden, in denen der Schriftsteller ein weiteres Mal in den Orient fährt, trägt Halef sie zu diesem Zweck am Gürtel:

Ja, das ist sie, die Bringerin der Achtung, die Mutter des Gehorsams, die segensreiche Spenderin der Hiebe! Die konnte ich unmöglich liegen lassen; die mußte ich unbedingt mitnehmen. Es ist dieselbe, welche ich schon damals in und vor Aegypten hatte. Wenn weder Worte noch Winke helfen, so ist sie die Vermittlerin zwischen meinem Wohlwollen und dem Rücken der Uebelwollenden. Was keine Bitte


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und kein Befehl zu stande bringt, das wird von dem süßen Bewußtsein fertig gebracht, eine Haut zu besitzen, welche unter den Liebkosungen dieser Kurbadsch auseinanderplatzt.(39)

Von einer Freundschaft zwischen Halef und seinem Herrn kann nicht die Rede sein. Halef ist sicherlich auch immer in dem schlichten Sinne Diener, als er das verlängerte Tun seines Herrn, also die niederen und unverfänglichen Arbeiten, wie Pferdepflege, Speisenzubereitung, Botengänge und Strafausführung übertragen bekommt. Allerdings darf man Halefs Dienstverhältnis nun nicht in einem negativen, degradierenden oder demütigenden Sinne deuten, sieht man einmal von den Zurechtweisungen ab, die aus den Kompetenzüberschreitungen Halefs resultieren. Halef ist kein besserer Lakai, dem jegliche Entwicklungsmöglichkeit vorenthalten werden soll, die Organisation der Über- und Unterordnung ist vielmehr deutlich zum Wohle Halefs eingerichtet, dessen Leichtsinn und Jähzorn oft im Bündnis mit seinem leicht erregbaren Ehrgefühl leidenschaftlich mit ihm durchgehen und der deshalb, will man in Wolffschen Worten sprechen, ein »Sklave von sich selbst« ist, dessen Affekte und Reden also weitgehend unkontrolliert und ungebändigt ablaufen.

»Lieber Halef, du bist ganz auf deine Peitsche versessen, aber bedenke, daß das seine großen Gefahren hat.« – »Herr, sind wir beide dazu geschaffen, diese Gefahren zu fürchten?« – »Ja, bisher hast du stets Glück gehabt.« – »Und werde es auch weiter haben.« – »Auch wenn ich nicht mehr bei dir bin? Es ist mir immer gelungen, dich los zu machen, wenn du dich mit der Peitsche verwickelt hattest. Später ist das nicht mehr möglich.«(40)

Es gereicht Halef nicht gerade zum Ruhme, daß er auf ein martialisch anmutendes Macht- und Respektmittel angewiesen ist. Die Peitsche, die Halef so locker im Gürtel sitzt, kann zwar zum Symbol der Machtausübung werden, sie kann aber das Persönliche und Selbstische nicht ersetzen, wie Kara Ben Nemsi mit seiner Überzeugungsarbeit immer wieder deutlich zu machen sucht:(41)

»Daß du auch jetzt die Peitsche erwähnst, wo doch außer uns beiden kein Mensch zugegen ist, bildet einen unumstößlichen Beweis, daß du dich auch jetzt noch nicht beherrschen kannst. Wie ist es mir da möglich, dir Aufgaben anzuvertrauen zu deren Lösung unerschütterliche Ruhe, kaltes Blut und eine Umsicht gehören die sich auch von der geringsten Aufwallung nicht beeinflussen läßt?«(42)

Wer anders als Halefs Effendi ist fähig und willens, hier regulierend und sanktionierend einzugreifen, die Auswüchse des Leichtsinns fürsorglich zu dämpfen und den Schaden falscher Handlungen einzuschränken? Halef geht gewissermaßen in eine nie endende Schule, wie ja überhaupt die gesamte Halefhandlung als ein Lehrgang zur Emanzi-


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pation [Emanzipation] des Dieners auf Initiative seines Herrn verstanden werden kann.(43) Der liebenswerte Orientale hat im zweckpädagogischen Sinne Kants eine Schule der Vernunft nötig, er würde sonst die ihm gegebene Freiheit mißbrauchen. Wir wohnten nicht in der Stadt, sondern bei ihr im Palaste, beschreibt der Erzähler den Besuch bei Marah Durimeh, der legendarischen Sultanin Sitaras. Doch während er im selben Stockwerk mit ihr wohnt, kommt Halef nur im Erdgeschoß unter.

Sie liebte auch ihn. Sie war von seiner fast beispiellosen Liebe und Treue gerührt. Sie beglückwünschte mich, ihn gefunden und mir zum Begleiter erzogen zu haben. Aber sie tadelte an ihm, daß er sich keine Mühe gab, seine Seele in Geist umzusetzen, und sie hielt gerade das, was Andere an ihm lobten, nämlich seine Liebenswürdigkeit, für seine größte Schwäche. Sie, die unvergleichliche Menschenkennerin, konnte keinen Menschen für entwickelt halten, der nicht die Kraft besaß, über die Forderungen seiner körperlichen Anima hinauszukommen.(44)


III.

Das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft bietet sich offensichtlich zumindest als ein Beschreibungsmodell für das zentrale Personenpaar in Mays Ouvre an. Kann aber, darüber hinaus, auch derjenige Teil von Hegels Argumentation in bezug auf May aktiviert und zur Anwendung gebracht werden, der auf eine allmähliche Selbstbefreiung des Dieners zielt? May zeigte an inneren Abläufen, an »einer sorgfältigen Ursachenforschung zum Verhältnis seiner Figuren . . . insgesamt . . . wenig Interesse«.(45) Mutatis mutandis trifft das Umkehrungs- und Befreiungsmodell nur in Ansätzen zu. Implizit existiert eine gewisse Abhängigkeit Kara Ben Nemsis von Halef von Beginn an, weite Teile der Romanwelt sind vollkommen auf Halef angewiesen und würden ohne ihn blaß und konstruiert wirken. – Dies aber nur in einem ganz besonderen, engen und erzähltechnischen Sinne, der nur am Rande mit dem Herr-Knecht-Verhältnis in Einstimmung gebracht werden kann: poetologisch entwickelt nämlich die Einführung des Dieners eine große erzähltechnische Wirksamkeit und Qualität. Herr und Diener stellen ein Thema für sich dar, welches in den Zwischenepisoden zu den Abenteuern, aber auch sonst, immer wieder aktiviert werden kann. Desgleichen strukturiert es die Dialogführung und das Textarrangement: Halef ist so grundsätzlich wichtig für die Fortentwicklung der Handlung, für die Reihung der Abenteuer, für den Einbezug der Leser in die Pläne und Absichten des Helden und nicht zuletzt für die komische Untermalung der Szenen. Immer wieder gibt es schließlich im Werk Karl Mays hinderliche Statisten, Figuren, die den ordentlichen Gang der Handlung und die sorgfältigen Planungen des Helden durchkreuzen. Die "Taubenschlagepisode" aus "In den Schluchten des Bal-


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kan [Balkan]",(46) in der Halef wieder einmal vorschnell und unbedachtsam handelt, durch seine Neugierde und seine Tolpatschigkeit dazu beiträgt, eben nicht die ersehnte Lösung und Vereinfachung eines Problems herbeizuführen, sondern stattdessen eine Ausweitung, beweist dies ganz offensichtlich.(47) Hier wird nun ein Romanprinzip vor Augen geführt, das sich bei May motivisch wiederholt und im Endeffekt der Intention der Leser wie auch der Hauptfigur entgegenkommt. Der Held verfolgt »kein Ziel, von dem sich irgendwann einmal sagen ließe, daß es nunmehr endgültig erreicht sei und sich weitere Erfahrungen erübrigten. Der Ich-Held ist statt dessen darauf bedacht, kontinuierlich möglichst viel zu erleben, und sucht also das immer neu sich fortzeugende Abenteuer.«(48) Dies bedeutet, daß Halef, wie alle anderen Gefährten auch die »pragmatische Auflage« besitzt, »die Abenteuer zu vermehren und die Angriffsfläche des Ich gegenüber den Feinden zu vergrößern.«(49)

   Vernachlässigt man diese rein erzähltechnische Funktion Halefs, um auf das eigentliche Thema – die Weiterentwicklung des Knechts – zurückzukommen, so wird sehr schnell deutlich, daß es zwar Ansätze für eine Emanzipation, jedoch keinen rechten Fortschritt in dieser Sache zu verzeichnen gibt. Zuweilen scheint sich das Blatt zu wenden, und der wackere Halef wird, auf sich gestellt, zum eigentlich Agierenden, wie in der großen Krankheitsszene in "Von Bagdad nach Stambul". Während des Aufenthaltes bei den Ruinen zu Babel zeigt sich, daß der Herr in seiner Hilflosigkeit nicht ohne seinen Knecht, dieser aber auch leider nicht ohne seinen Herrn existieren kann und will. Rührende Anhänglichkeit, aufopfernde Treue während der Krankenpflege, Tapferkeit und Liebe können Selbständigkeit und Initiative nicht ersetzen. Der Knecht ist nichts ohne seinen Herrn, er definiert sich ganz durch ihn und scheint in seiner Angst vor neuen Aufgaben regressiv eins mit ihm werden zu wollen: »Sihdi«, sagte Halef, der mich immer beobachtet hatte, »dein Angesicht ist grau, und deine Augen haben einen Ring, ist dir sehr unwohl?« – »Nur Kopfschmerz. Gieb mir Wasser aus dem Schlauche und die Essigflasche!« – »Ich wollte, ich könnte diesen Schmerz in meinen Kopf nehmen!«(50)

   Und wenig später, als Kara Ben Nemsi, schon von der Pest körperlich ermattet, fiebrig und halbtot zur Erde sinkt, als ihm jede Verfügungsmacht über Sachen und die Befehlskraft über Halef wirklich entglitten scheint, muß Halef noch vom Sterbenskranken getröstet werden:

»Halef, weine nicht!« »O Herr, ich hielt auch dich für tot, gestorben an der Krankheit und am Schmerze. Hamdulillah; du lebst! Raffe dich auf! Dort sind ihre Spuren. Wir werden den Mördern folgen und sie umbringen! Ja, umbringen, bei Allah, ich schwöre es!« Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin müde. Gieb mir die Decke unter den Kopf!« »Kannst du nicht mehr reiten, Herr?« »Nein. « »Ich bitte dich, versuche es!« Der treue Mensch glaubte, durch den Gedanken der Rache meine


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Thatkraft gewaltsam aufrütteln zu müssen; es gelang ihm nicht. Und nun warf er sich selbst auf die Erde nieder und schlug sich mit den Fäusten vor die Stirn. »Allah verderbe diesen Elenden, den ich nicht fangen darf! Allah verderbe auch die Pest, welche dem Sihdi die Kraft des Mannes nimmt! Allah verderbe –– ia Allah il Allah, ich bin ein Wurm, ein Elender, der nicht helfen kann! Es ist am besten, ich lege mich auch her, um zu sterben!« Da raffte ich mich auf.(51)

Halef bleibt entschlußlos und ganz hilfesuchend, wie ein Körper ohne Kopf; auch erkrankt er schließlich selbst lebensgefährlich und überantwortet sich damit der Hilfe des nur langsam genesenden Effendi. Vor diesem Hintergrund kann von einer Willensfreiheit des Dieners noch gar nicht die Rede sein, obwohl gerade dieses Problem, angefangen mit den religiösen Bekehrungsversuchen Halefs, gleich zu Beginn der Orientreihe, eingesetzt – jedoch stets zuungunsten Halefs abgeschlossen wird, der ja schließlich im Innersten zum christlichen Glauben wechselt.

   Doch Halef lernt im Laufe der Abenteuer und Reisen dazu, er wird selbständiger und mutiger, er wird umso stärker, je mehr er leisten muß – und leisten darf. (Es war), stellt der Erzähler an einer Stelle fest, als ob er ein ganz anderer Mann geworden sei. Er fühlte sich unabhängig von mir und das gab ihm eine Sicherheit, eine Ruhe, welche von seiner sonstigen Leichterregbarkeit wohlthätig abstach.(52) Halefs Unbeholfenheit muß so in einem bestimmten Sinne auch auf die Abhängigkeit von seinem Herrn zurückgeführt werden. Je mehr Gelegenheiten Halef zur Bewährung erhält, desto mehr Gelegenheit erhält sein Effendi, ihn zu Recht wegen der erworbenen Tüchtigkeit zu loben. So befreit der kleine Halef, der sich stets im Kampf neben seinem Herrn bewährt, den gefangenen Kara Ben Nemsi ganz umsichtig in "In den Schluchten des Balkan" aus der Hütte des Bettlers.(53) An anderer Stelle lehnt Halef es sogar ab, seine geliebte Kurbadsch über Gebühr anzuwenden: »Wo es gilt, uns mit der Peitsche Achtung zu verschaffen, da bin ich bereit, aber ein Khawaß mag ich nicht sein. Die Peitsche ist ein Zeichen der Herrschaft; sie schwinge ich, aber nicht den Stock. Einen Rechtspruch zu vollziehen, ist das Amt des Henkers; ich aber bin kein solcher!«(54) Halef hat hier einmal so, wie es sein Herr erwartete, reagiert. Eine Verhaltensänderung deutet sich an: Aus dem rauhen Sohn der Wüste, dem ein ermordeter Franke nichts galt, wird ein Mensch mit ausgeprägten ethischen Empfindungen und humanen Gefühlen. Damit wird nun automatisch der Status seines Herrn mit erhöht, der den Diener zu sich heraufzieht. Die Achtung, die er durch seinen Diener erfährt, erscheint nicht mehr allein als die eines abhängigen "Werkzeugs" seiner Anweisungen und Entscheidungen. Der künftige Scheik der Haddedihn-Araber weiß jetzt auch die beweglichen Dinge zu beherrschen, er besitzt schließlich soziale Verfügungsgewalt über einen Stamm und ist nicht mehr Domestik, sondern mein


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Freund, der mich weithin begleitet und deswegen seine Heimat verlassen hat.(55)

   Von einer direkten Befehlsstruktur soll nun nicht mehr ausgegangen werden, so suggeriert der Erzähler dem Leser. Halef steht, zumindest gesellschaftlich, nach Abschluß der Orientserie nicht länger unter seinem Herrn. – Woraus sich, unbemerkt, allmählich ein Zustand der gegenseitigen Abstoßung aufbaut, der sich immer mehr zu verstärken scheint. Zwar avanciert der arabische Diener, doch dieser Avancierende meldet schließlich auch höhere Respektansprüche an, verlangt nach mehr Anerkennung, Geltung und Einfluß, was zu Kollisionen mit dem Herrn führen muß, wenn der bescheidene Reiseschriftsteller nicht freiwillig hinter dem Beduinen und obersten Scheik der Haddedihn zurückstehen will:

Dann schlug er die Hände froh zusammen und fügte mit glückstrahlendem Gesichte hinzu: »Hamdulillah, Preis, Lob und Dank sei Allah, denn nun wird uns wieder einmal die Luft der Wüste umwehen, und ich kann zeigen, daß ich, der Scheik und Hadschi Halef Omar, noch kein altes Weib geworden bin, sondern daß in mir noch immer der alte Held und Sieger lebt, den niemand überwinden kann, und der in jeder Not und Gefahr dein treuer Freund und tapferer Beschützer gewesen ist, lieber Sihdi, und dich auch jetzt wieder zu einem berühmten Mann und Krieger machen wird. Verlaß dich auf mich! Meine Kraft und Stärke wird dich vor jedem Feinde bewahren.« Ich ließ diese Rede still über mich ergehen. Er sprach nun einmal gern in diesem Tone, und wenn er dabei die Rollen umkehrte, so konnte mich das nur heimlich belustigen, niemals aber ärgern.(56)

Noch im gleichen Band des "Silberlöwen" hat der Erzähler das alte Bild von Halef zu revidieren:

Richtig war, daß ich ihn jetzt nicht mehr wie früher als meinen Diener betrachten durfte. Er hielt sich jedenfalls, natürlich ohne es mir zu sagen, für mir wenigstens gleichgestellt, und so hatte ich jetzt manches ruhig hinzunehmen, was sonst wohl nicht ohne Rüge geblieben wäre.(57)

Aber noch in dieser Selbstbeherrschung, im Gewährenlassen(58) des anderen, zeigt sich die alte Dichotomie, und Halefs "Erhebung", die schließlich im wesentlichen auf eine prahlerische Selbsterhöhung und nicht auf eine individuelle Weiterentwicklung des Selbst zurückzuführen ist, wird darüber hinaus auch durch einige andere Faktoren eingeschränkt. Denn Halef ist, wie so viele Figuren in Mays komischem Figurenarsenal,(59) ein Pantoffelheld. Als vermeintlicher "Herr" ist er nur der Knecht seines "Knechts", und so wie der ehemalige türkische Offizier polnischer Abstammung, der traurige Bimbaschi Dozorca, wird er beherrscht, anstatt selbst zu herrschen.(60) Die lieblichste unter den Haremsblumen(61) – Halefs Frau – ist die eigentliche Regentin der Haddedihn. Hanneh nimmt während der Abwesenheit Kara Ben Nemsis das


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Zepter fest in die Hand und hat damit all jene affektdämpfenden und schützenden Funktionen, die den heißblütigen und mitunter noch ganz unvernünftigen Halef vor Unbedachtsamkeiten zurückhalten. Ein gültiges Selbstbewußtsein hat sich also nicht bei Halef herausgebildet, und von einer Weiterentwicklung des Knechts im Sinne der Bewußtseinstheorie Hegels kann keine Rede sein. Vielmehr zeigt sich gerade in diesem wichtigen Bereich der psychologischen Personenkonstruktion und Charakterdarstellung ein weiteres Mal das Triviale beim Autor May: Seine Figuren bleiben an sich starr, sie sind viel eher Typen denn entwicklungsfähige Charaktere. Und auch den im nachhinein erst angestellten, sporadisch einfließenden Hinweisen und konstruierten Darlegungen zu einem angeblich von Anfang an durchdachten, langwierigen Lösungsprozeß Halefs von Kara Ben Nemsi fehlt jede Grundlage. Nur gewaltsam ließe sich eine solche Entwicklung skizzieren, die in ihren Anfängen steckenbleibt.

   Das Spätwerk reaktiviert zunächst die alte Rollenkonstellation. Auch hieran sieht man wieder, daß die oft beschworene Trennung von Spätwerk und vor 1900 Geschaffenem bei May so bedeutend nicht ausfällt, daß es vielmehr zahlreiche Verbindungslinien zu registrieren gilt, wozu nun ohne Zweifel gehört, daß Halef sich ganz mechanisch des Selbstdenkens mit Hilfe seines Herrn entledigt. Eingeschlossen in der Stadt der Toten, tröstet Halef die Gefährten auf eine drollige und zugleich bezeichnende Weise:

»Auch die Unwissenheit ist eine ganz hübsche Sache. Sie nützt dem Menschen zuweilen mehr als alles Wissen. . . . Wie oft, wenn ich gemeint habe, recht klug gewesen zu sein, habe ich mich tief in das Unheil hineingeritten! . . . Ich und mein Effendi haben uns noch in viel, viel schlimmeren Lagen befunden, als unsere heutige ist, und doch sind wir stets glücklich entkommen. Wir werden uns auch hier zu helfen wissen, und wie wir das anzufangen haben, das wird uns jetzt mein Sihdi sagen . . . !«

»Warum willst denn du es nicht sagen?« fragte ich ihn, wie ich gestehe, ein wenig ironisch.

»Weil ich es nicht weiß!« antwortete er.

»So! Aber ich? Ich soll und muß es wissen.?«

»Allerdings!«

»Warum?«

»Es ist deine Pflicht! Du hast mich einmal so daran gewöhnt, daß du nachdenkst, ich aber führe es aus. Alle großen und berühmten Heldentaten, die man von uns erzählt, sind in deinem Gehirn entsprungen. Von da sprangen sie dann zu mir herüber, in meine Arme und Beine. Da sind sie zur Tat geworden und hinaus in alle Welt gegangen. So soll es auch jetzt sein. Denke nur nach, Sihdi! Was du dir ersinnst, das machen wir!«(62)

Nach der Landung in Ardistan stellte sich heraus, daß Kara Ben Nemsi seine wichtigen Reisenotizen, darunter Landkarten, auf dem Schiff


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vergessen hatte. Für Halef ist dies ein so unbegreiflicher und tadelnswerter Vorgang, daß er sich erlaubt, das Verhältnis Herr–Diener einmal umzukehren. Doch ist diese "revolutionäre" Anmaßung nur mit dem Einverständnis seines Herrn möglich, der die Ventilfunktion erkennt, taktisch ausnützt und das Spielerische der Situation darüber nie aus den Augen verliert:

Wer mich und meinen Hadschi Halef kennt, der weiß, warum ich zuweilen stillschweigend darauf einging, mir von ihm derartige Predigten halten zu lassen. Er liebte und verehrte mich aufrichtig und wahr; aber immerwährend und immerwährend nur Verehrung, das erschien ihm langweilig; er mußte zuweilen fünf Minuten haben, in denen er seine ganze Entrüstung über mich ausschütten konnte; das lag so in seiner Natur, und dann war er sofort wieder der liebe, treue, aufopfernde Mensch, von dem ich verlangen konnte, was mir beliebte, sogar den Tod.(63)

Zeitweilig darf Halef in eine andere Haut schlüpfen, der Geführte befördert sich zum Leiter der Expedition:

»Die großen Taten habe ich auszuführen, nicht du! Und die berühmten Abenteuer habe ich zu erleben, nicht du! Früher warst du die Hauptsache, und ich, ich war die Nebensache. Jetzt aber ist es grad umgekehrt: Jetzt bin ich die Hauptperson, und die Nebenperson bist du: Gibst du das zu, Effendi?«

»Sehr gern,« antwortete ich.

»Sehr gern?« fragte er, indem er einen ungewissen Blick auf mich warf. »Der Ton, in dem du das sagst, gefällt mir nicht! Ich hoffe, du meinst es ehrlich!«

»Im höchsten Grade ehrlich!« versicherte ich. »Es ist mir geradezu eine Wonne, zu erfahren, daß du von jetzt an die Hauptperson bist.«

»Eine Wonne? Wieso?«

»Weil ich jetzt nichts mehr zu bedenken, zu überlegen und zu verantworten habe. Ich tue nur, was du befiehlst.«(64)

Halefs Zuversicht, schon durch die Ironie des intellektuell Überlegenen attackiert, wird spätestens in dem Moment erschüttert, wo es ihm nicht gelingen will, die richtige Reiseroute einzuschlagen. Bei dem sehr bald notwendigen Fährtenlesen versagt Halef dann schließlich so vollständig, daß man glauben möchte, zwischen dem ersten Ritt der beiden Helden in "Durch Wüste und Harem" und dem Ereignis aus "Ardistan und Dschinnistan" lägen nicht viele Jahre und gemeinsame Abenteuer, sondern nur wenige Stunden. Halef hat so gut wie nichts gelernt, ein weiteres Mal wird an diesem Indiz der Stillstand der persönlichen Entwicklung ganz offensichtlich:

Es war spaßhaft, wie unbeholfen er sich anstellte. Er hatte oft gesehen, mit welcher Sorgfalt ich so eine Spur behandelte. Sie durfte nur betrachtet, nicht aber berührt oder gar vernichtet werden. Er aber lief auf all diesen Eindrücken hin und her, trat sie nieder und löschte sie aus, ohne zu bedenken, daß dies ein unverzeihlicher Fehler war.(65)


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"Ardistan und Dschinnistan" führt Halef, der nicht zu den "Höheren"(66) gezählt wird, so letztlich mit all seinen Meriten und Fehlern, angefangen bei der unseligen Prunksucht bis hin zur Hitzigkeit, in bekannter Manier vor Augen.(67) Mit der durch Marah Durimeh ausgelösten Wandlung des Ich-Helden, mit der Abwendung von den alten Strategien kriegerischen Heldentums hin zur Liebesethik, soll sich dann allerdings im Spätwerk auch eine Veränderung Halefs vollziehen. Halef sollte heut zum letzten Male der sein, der er bisher gewesen war(68) heißt es an entscheidender Stelle. Man kann dem entnehmen, daß Kara Ben Nemsi versucht, Halef auf dem äußeren Ritt nach Dschinnistan auch innerlich zu läutern und vom "Anima"- zum "Edelmenschen" zu erheben. Sein Wille war gut, erläutert der Ich-Erzähler, das altbekannte Halef-Problem ansprechend, aber seine innere Kraft bedurfte eines festen, immerwährenden Haltes. Und der hatte ich ihm zu sein, nur ich allein, weiter Keiner!(69) – Wie ein Initiationspriester begleitet der Herr den geistig hilflosen Erdenmenschen. Hier taucht dann auch, ganz passend, der aufklärerische Topos von Herr und Knecht in der metaphernseligen Sprache des Spätwerks auf:

Meinen kleinen Hadschi beherrschten keine höheren Erwägungen, sondern Naturell und Temperament. Seine Seele war noch Leibesseele, nicht aber schon Geistesseele; sie trachtete vor allen Dingen nach dem körperlichen anstatt nach dem geistigen Wohle; sie verwechselte in Beziehung auf Leib und Geist den Herrn mit dem Knecht, die schaffende Hand mit dem Werkzeuge, die Ursache mit der Folge. Sie hatte noch nicht jenen Schritt getan, welcher sich vom Leibe zum Geiste, vom Vergänglichen zum Ewigen wendet . . . (70)

In Halef vollzieht sich erst noch, oder besser: soll sich erst noch vollziehen, was im Innern seines Herrn – ohne daß der Leser freilich Näheres darüber erfährt – bereits zum Abschluß gelangte und in der Herr-Knecht-Metaphorik seinen gültigen Ausdruck findet.(71)


IV.

Hegels Ausführungen beschränken sich nicht auf das Herr-Knecht-Modell, das exemplarisch an Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar durchexerziert wurde. Im weiteren Sinne geht es bei Hegel vor allem um die Anerkennungs- und Selbstbewußtseinsproblematik, ein Anwendungsgebiet, das im folgenden im Mittelpunkt stehen soll. Der archaische Kampf auf Leben und Tod, das Ringen um Herrschaft und die Konfrontation des Selbst mit dem Anderen stehen zweifellos im Zentrum von Karl Mays Abenteuerwelt und finden ihren prägnantesten Ausdruck im tödlichen Zweikampf, im Duell. Das Duell muß als das beste Beispiel für Hegels These angesehen werden, daß die Anerken-


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nung als Prozeß, als idealtypischer Kampf auf Leben und Tod abläuft, in dem versucht wird, dem anderen die Anerkennung seiner selbst abzunötigen. Damit ist nun nicht einfach das klassische Duell gemeint, mit seinen umständlichen und anachronistischen Prozeduren der Ehre mit formalisierten Abläufen wie Herausforderung, Sekundantenbenennung und Genugtuung. Im neunzehnten Jahrhundert hatte sich zunehmend eine pejorative Einschätzung des klassischen Duells durchgesetzt.(72) Diese Meinung ist insgesamt auch in der Abenteuerliteratur der Zeit ablesbar, doch müssen Karl Mays Schilderungen in einem gewissen Sinne davon ausgenommen werden. Das traditionell erstarrte, privilegierte Duell, das einem unnötigen Blutvergießen nahekommt, lehnt May ohne Zweifel ab; »auf der anderen Seite ist aber ein Festhalten am Duell spürbar«,(73) gerade bei dem vom Westmann Sam Hawkens ausgebildeten »Bürgerlichen«,(74) der den mitteleuropäischen Verhältnissen entflieht, um unter naturhaften, vorindustriellen Bedingungen zu leben.

   Von Anfang an wird in den entsprechenden Duellsituationen deutlich, wer das stärkste Bewußtsein seiner selbst besitzt, wer die Todesangst am leichtesten in sich überwindet, wer seinem Gegenüber technisch und intellektuell am ehesten überlegen ist: der kaltblütige Deutsche, der im dualistischen Kosmos Mays das Gute repräsentiert. Es ist interessant und zugleich auffällig, mit welchem Grad von hoher Empfindlichkeit, ja von manischer Besessenheit gerade der ansonsten so abgebrühte, standhafte und erprobte Ich-Held, beziehungsweise Reiseerzähler, immer wieder auf mögliche Geringschätzungen seiner Persönlichkeit, auf potentielle oder reale Respekteinbußen und unangemessene Grußbezeugungen reagiert und sofort die Auseinandersetzungen darüber sucht. In zahlreichen Fällen entscheidet in dieser Hinsicht gerade die erste Begegnung mit dem anderen – für die Einordnung nicht nur in die Kategorien von Gut und Böse, sondern auch für die innerhalb der sozialen und psychischen Hierarchie, denn daß der befehlsgewohnte, allmächtige Held nur neben ganz wenigen, ausgesuchten Persönlichkeiten, wie dem Apachenhäuptling Winnetou, reitet und sonst gerne eine Gruppe mehr oder weniger leistungsschwächerer Begleiter um sich schart, ist durchaus kein Zufall. Bei der Auswahl und beim gern wiederholten Aufeinandertreffen der Gegner geht es sichtlich nicht mehr nur um die Aufrechterhaltung des äußeren Scheins, um Anstand oder um die Einhaltung eines überholten bürgerlichen Grundkodexes.(75) Denn letztlich  n i c h t  die Verletzung eines Ehrenkodexes führt zum Duell, vielmehr »konstituiert der Ausgang des Zweikampfes Ehre und Persönlichkeit des Abenteuerhelden.«(76) Dies auch in Hegels Perspektive,(77) denn im Anerkanntwerden liegt ein Wohlbefinden verborgen, eine Gleichheit mit allen anderen, so daß man sich nicht ausgeschlossen fühlt. Das Individunm kann sich vor sei-


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nen [seinen] Anhängern als Held und Führer, als Vorbild und natürliche Verkörperung einer gerechten und erfolgreichen Ordnung profilieren. Nicht wegen einer bloßen Beleidigung oder Kränkung, nicht, um geringfügige Vergehen zu ahnden, wie der erste Blick glauben machen will, sucht der Held die Auseinandersetzung.

   Das Motiv der Anerkennung spielt in diesem Sinne oder direkt eine wesentliche Rolle, wobei intellektuelle und physische Überlegenheit stets aufs Neue bewiesen werden müssen: Ich bin kein argentinischer Schafsjunge, der sich von dem Worte General in die Enge treiben läßt. Bei mir gilt der Mann, nicht aber der Titel,(78) schmettert der lederne Deutsche einem aufgeblasenen südamerikanischen Generalissimo noch in bedrängter Lage entgegen. Und tatsächlich: obwohl wir nur äußerst wenig über die innere Verfassung des dominierenden Helden in Mays Romanen erfahren, obwohl Karl May sich stets mehr auf Äußerlichkeiten bei der Beschreibung konzentriert, wissen wir doch immerhin soviel, daß sein Ich-Held als Ausweis von Größe und Autorität nur das gelten läßt, was der Mensch tatsächlich durch sich selbst erringt. Der initiatorische Charakter des Werkes wird an dieser Erscheinung, an der Modellierung des Duells zum Lebens- und Anerkennungswettkampf, wieder ersichtlich. »Mit überschaubaren, offenen Mitteln zu kämpfen, den Gegnern zumindest gleiche Chancen zu lassen und sogar selbst gezwungenermaßen oder freiwillig, die schlechtere Ausgangsposition in Kauf zu nehmen, gibt dem Abenteurer Gelegenheit, sich als seinen Bedrängern überlegen zu zeigen. So nehmen die Szenen, in denen die Protagonisten ihre Westmannsfähigkeiten zeigen, oft den Charakter von Sportveranstaltungen an, der Ausgang des Wettbewerbes – auch hier zeigt sich wiederum die damit verbundene existentielle Bedeutung – entscheidet jedoch über Leben und Tod des Helden.«(79) Selbstbeherrschung und Todesverachtung, zwei von Hegel immer wieder herausgestellte Komponenten des wahren Selbstbewußtseins, geben den entscheidenden Ausschlag:

Nun wurde mit dem Stiele eines Tomahawk eine ziemlich große Acht in den Sand gegraben, worauf der Häuptling uns aufforderte, unsere Plätze einzunehmen. "Blitzmesser. musterte mich mit einem höchst verächtlichen Blicke und sagte mit lauter Stimme: »Der Körper dieses schwachen Bleichgesichtes bebt vor Angst. Wird er es wagen, diese Figur zu betreten?« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so trat ich in die nach Süden liegende Schleife der Acht. Dazu hatte ich zwei Gründe. Ich bekam nämlich dadurch die Sonne in den Rücken, während der Rote, welcher ihr nun das Gesicht zuwenden mußte, von ihr geblendet wurde. Man mag dies eine unehrliche Uebervorteilung nennen; aber er hatte meiner gespottet und gelogen, als er behauptete, daß mein Körper vor Angst bebe; dafür nun dies als Strafe. Das Zartgefühl, ihn in meine Schleife treten zu lassen, wäre hier am ganz unrechten Platze gewesen. Ich sage hier noch einmal, es war schrecklich, daß es auf Tod und Leben ging. Einen Menschen töten zu müssen, ist gewiß entsetzlich, aber hier mußte mir die geringste Schonung das Leben kosten, und so war ich


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fest entschlossen, diesen Simson zu erstechen. Kaltblütig war ich trotz seiner Gestalt und seines imponierenden Namens geblieben, weil ich keinen Grund hatte, mich für einen schlechten Fechter zu halten, obgleich ich jetzt zum erstenmale im Leben einem Menschen mit dem Messer in der Hand gegenüberstand.(80)

Selten nur endet ein Duell, zu dem sich der Kampf zwischen Verfolgern und Verfolgten, zwischen den Guten und den Bösen, etwa zwischen Old Shatterhand und Häuptling Tangua, letztlich wiederholt zuspitzt, mit dem Tode eines Kontrahenten; grundsätzlich aber mit der symbolischen Unterwerfung des Gegners. – Was sich eben nur zum Teil aus der humanen Gesinnung des Europäers ableiten oder erklären läßt, im wesentlichen aber wohl aus dem von Hegel dargelegten psychischen Drang herrührt, den anderen zur Anerkennung seiner selbst zu zwingen, und ihn eben nicht der physischen Vernichtung anheimzugeben, die unbefriedigend wäre. Damit stellt der Zweikampf ein institutionalisiertes, symbolisches Verfahren zur Gewinnung, Demonstration und Absicherung von Anerkennung dar, nicht zuletzt gegenüber den bei Duellen anwesenden Beobachtern:

Der Stich saß so gut, daß ein fingerstarker, roter, warmer Blutstrahl auf mich spritzte. Der Riese wankte nur einmal hin und her, wollte schreien, brachte aber bloß einen ächzenden Seufzer hervor und stürzte dann tot zu Boden. Die Indianer erhoben ein wütendes Geheul; nur einer von ihnen stimmte nicht ein, nämlich Tangua, der Häuptling. Er kam herbei, bückte sich zu meinem Gegner nieder, betastete die Ränder der Stichwunde, richtete sich wieder auf und betrachtete mich mit einem Blicke, den ich lange nicht vergessen konnte. Es lag in demselben ein Gemisch von Wut, Entsetzen, Furcht, Bewunderung und Anerkennung."(81)

Im Gegensatz zu dem eben Dargelegten finden der orientalische Schut ebenso wie der Nordamerikaner Santer oder der südamerikanische Sendador im großen Abrechnungskampf am Ende einer ganzen Serie von Verfolgungen, Gefangennahmen, wiederholten Befreiungsaktionen und Kämpfen den Tod. Damit sind die negativen Heldengestalten und Erzschufte, die Heroen des Bösen, als ausgeprägte, in sich sichere Charaktere gekennzeichnet, als willensstarke Menschen, die um sich große Banden und abhängige Menschen, ja, wie im Fall des Schut, sogar mafiaähnliche Organisationen und Imperien aufbauen. Schließlich ist ihnen der edle Charakterheld überlegen, und das gute Prinzip trägt den Sieg davon – aber doch wohl nur insoweit, als das Leistungsgefälle eigentlich nur ein moralisch bedingtes ist; denn die selbstbewußten und intelligenten Hauptschurken können tatsächlich selbst das allmächtige Ich in Schwierigkeiten bringen und sich als ebenbürtig erweisen. Die Grenzen zwischen den Ich-Stärken sind in diesem Falle fließend, Held und Antiheld sind sich im Grunde sehr wesensähnlich, nur perspektivisch voneinander unterschieden. Die Hauptschurken dem Selbst und


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seinen vorbildhaften Normen zu unterwerfen, brächte die rechte Anerkennung, doch ist dieses Vorhaben aufgrund einer gegenseitigen Abstoßung unmöglich, wie Hegel in seinem Modell zur Bewußtseinsproblematik verdeutlichte.



1 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909 S. 435 (Hervorhebung von mir)

2 Dem Problem, daß ein solcher Passus möglicherweise autobiographisch und ganz persönlich auf den Menschen Karl May zugeschnitten ist, dessen psychische Krisen und Selbstreflexionen ja gerade im Spätwerk immer häufiger und direkt in das Fiktionale einfließen, soll hier nicht nachgegangen werden. Verwiesen sei auf die zahlreichen psychologisch-biographischen Analysen in den Jahrbüchern der Karl-May-Gesellschaft.

3 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. Frankfurt a. M. 51981 S. 152 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 8)

4 Ebd. S. 145

5 Ebd. S. 148

6 Ebd.

7 Ebd. S. 149

8 Ebd. S. 150

9 Ebd. S. 151

10 Vgl. Alexandre Kojève: Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur "Phänomenologie des Geistes". Hrsg. von Iring Fetscher. Frankfurt a. M. 1975, und Hans Friedrich Fulda/Dieter Henrich (Hrsg.): Materialien zu Hegels "Phänomenologie des Geistes". Frankfurt a. M. 1973, bes. S. 189ff.

11 Zit. nach George Armstrong Kelly: Bemerkungen zu Hegels "Herrschaft und Knechtschaft". In: Fulda/Henrich wie Anm. 10 S. 189–216 (S. 203)

12 Christian Wolff: Philos. practica universalis, pars post. (1739) § 544 – zit. nach: Joachim Ritter u. a. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3: G-H. Darmstadt–Basel 1974 Sp. 1094 (Stichwort "Herrschaft und Knechtschaft")

13 Zit. nach Kelly wie Anm. 11 S. 203

14 Immanuel Kant: Werke in zehn Bänden. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Darmstadt 1983, Band 9, S. 40

15 Friedrich Schiller: Sämtliche Werke. Zweiter Band. Hrsg. von Gerhard Fricke/Herbert G. Göpfert. München 61981 S. 309ff.

16 Jean-Jacques Rousseau: Contrat social. I, 1 – Die Äußerung bezieht sich auf die widerstreitenden Seiten der menschlichen Persönlichkeit und ihre Bedürfnisse, der Rousseau als Lösung eine natürliche und freie Ordnung entgegenzustellen suchte. Sie bezieht sich aber auch, mit kritischem Blick, auf die sich ankündigenden tiefgreifenden sozialen Umbrüche seiner Zeit.

17 Hans Mayer: Diderot und sein Roman "Jacques le Fataliste". In: Grundpositionen der französischen Aufklärung. Hrsg. von Werner Krauss/Hans Mayer. Berlin/DDR 1955 S. 55–82 (S. 85), vgl. auch Ernst Bloch: Subjekt – Objekt. Erläuterungen zu Hegel. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt a. M. 1962 S. 65f.

18 Hegel wie Anm. 3 S. 152

19 Ebd. S. 154

20 Ebd. – Es waren gerade diese Gedanken der knechtischen Arbeit und der daraus resultierenden Selbstbefreiung an Hegels geistesgeschichtlichem Modell, die den jungen Karl Marx so faszinierten, daß er seine Entwicklung der Eigentumsproblematik, die Analyse des Kapitalismus (und der Aufhebung entfremdeter Arbeit darin) sowie die Reflexionen zur sozialen Frage und ihrer rovolutionären Lösung daran anschloß. Die Passagen Hegels avancierten zu einem »Schlüsseltext der marxistischen Gesellschaftskritik und Geschichtsphilosophie« (Kindlers Literatur Lexikon. Zürich 1982, Bd. VI, S. 7430).

21 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. I: Durch Wüste und Harem. Freiburg 1892


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S. 1f. – Es handelt sich hier um eine ironisch reflektierte Auswertung des rhetorischen Fundortes habitus corporis (Körperbeschaffenheit). – Es gibt einige Vorläufergestalten für die Figur Halefs im Werk Karl Mays, darunter den arabischen Diener Hassan el Kebihr, der sich prahlerisch Menschenwürger nennt ("Die Gum", 1878). Hassan ist ein ruhmrediger Feigling. Er hat schon die Marotte, seinen Namen eindruckschindend zu verlängern. In "Scepter und Hammer" (1879) taucht der zuverlässige Diener Ali-el-Hakemi-Ebn-Abbas-Ebn-er-Rumi-Ben-Hafis-Omar-en-Nasafi (in der Bamberger Fassung: Sawar) auf, eine schmächtige Gestalt, die sich ebenfalls dem Halef der Orienterzählungen nähert. – Vgl. hierzu auch: Franz Kandolf: Von Hassan el Kebihr bis Hadschi Halef Omar. In: Karl-May-Jahrbuch 1926. Radebeul 1926 S. 357–68.

22 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVI: Im Reiche des silbernen Löwen I. Freiburg 1898 S. 269

23 May: Durch Wüste und Harem wie Anm. 21 S. 2

24 Ebd.

25 May: Im Reiche des silbernen Löwen I wie Anm. 22 S. 291

26 May: Ardistan und Dschinnistan I wie Anm. 1 S. 4f.

27 May: Durch Wüste und Harem wie Anm. 21 S. 10

28 Ebd.

29 Der reisende Schriftsteller hat souverän jede Gesprächssituation in der Hand. Eine seiner Künste besteht darin, zu besänftigen: Sein [Halefs] Aerger war in allen solchen Fällen in hohem Grade ernst gemeint, ich aber pflegte der Sache so viel wie möglich eine humoristische oder für ihn überhaupt unerwartete Wendung zu geben, die ihn verblüffte. (May: Ardistan und Dschinnistan I wie Anm. 1 S. 27 – vgl. auch Ingmar Winter: »Bin doch ein dummer Kerl«. Vom Spurenlesen beim Spurenlesen. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1987. Husum 1987 S. 47–68).

30 May: Durch Wüste und Harem wie Anm. 21 S. 30

31 Ebd. S. 499

32 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. V: Durch das Land der Skipetaren. Freiburg 1892 S. 390

33 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XXVII: Im Reiche des silbernen Löwen II. Freiburg 1898 S. 23

34 Vgl. Hegel wie Anm. 3 S. 314.

35 May: Durch Wüste und Harem wie Anm. 21 S. 504

36 Ebd. S. 86

37 Ebd. S. 89

38 May: Im Reiche des silbernen Löwen II wie Anm. 33 S. 402

39 May: Im Reiche des silbernen Löwen I wie Anm. 22 S. 389

40 May: Durch das Land der Skipetaren wie Anm. 32 S. 75

41 Halef war mir stets ein unendlich treuer, aufopfernder und in gewöhnlichen Lagen höchst zuverlässiger Diener und Begleiter gewesen, heißt es im "Silberlöwen" zusammenfassend, sein Mut und seine Tapferkeit hatten nie versagt, und er hätte, um mich zu retten, gewiß jederzeit sein Leben auf das Spiel gesetzt; aber grad in Gefahren war seiner Zuverlässigkeit nicht immer ganz zu trauen gewesen, da ging seine Furchtlosigkeit zuweilen mit ihm durch, und er hatte mich dadurch, daß er über seine Instruktionen hinaus handelte, oft in sehr unangenehme Lagen gebracht. (May: Im Reiche des silbernen Löwen I wie Anm. 22 S. 286)

42 May: Im Reiche des silbernen Löwen II wie Anm. 33 S. 204

43 In dem Band "Am Jenseits" zeigt sich, daß Halef seine unbedachtsame Handlungsweise erkennt und selbst zu charakterisieren bzw. auch zu therapieren sucht: »Sihdi, mir soll dereinst keine stolze Standarte vorangetragen werden, sondern ich will in Demut . . . wandern; denn ich habe mir das Wort gemerkt, daß Allah den Demütigen Gnade giebt. Darum bitte ich dich: Wenn mich der Hochmut und der Stolz wieder einmal, was sie doch so oft thun, bei meinem Zorne packen, und wenn ich überhaupt im Begriffe stehe, etwas zu thun, was gegen die uns heute verkündigte Liebe ist, so rufe mir ja schnell "El Mizan, die Wage!" zu; dann wirst du sehen, daß ich sofort in mich gehe, um meinem Zorne die Bastonnade zu geben.« (Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXV: Am Jenseits. Freiburg 1899 S. 345f.)

44 May: Ardistan und Dschinnistan I wie Anm. 1 S. 3


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45 Helmut Schmiedt: Handlungsführung und Prosastil. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987 S.147–176 (S. 160); vgl. Volker Klotz: Durch die Wüste und so weiter. In: Karl May. Hrsg. von Helmut Schmiedt. Frankfurt a. M. 1983 S. 75–100 (S. 96).

46 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IV: In den Schluchten des Balkan. Freiburg 1892 S. 372ff.

47 Ebd. S. 369ff.

48 Schmiedt wie Anm. 45 S. 155

49 Klotz wie Anm. 45 S. 85

50 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. III: Von Bagdad nach Stambul. Freiburg 1892 S. 311

51 Ebd. S. 329f.

52 May: Am Jenseits wie Anm. 43 S. 263

53 Vgl. May: Von Bagdad nach Stambul wie Anm. 50 S. 192

54 May: Durch das Land der Skipetaren wie Anm. 32 S. 503

55 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VI: Der Schut. Freiburg 1892 S. 374

56 May: Im Reiche des silbernen Löwen I wie Anm. 22 S. 295f.

57 Ebd. S. 397f. Vgl. Ardistan und Dschinnistan I wie Anm. 1 S. 26.

58 Vgl. May: Im Reiche des silbernen Löwen II wie Anm. 33 S. 192.

59 Vgl. May: Durch Wüste und Harem wie Anm. 21 S.70ff., 88 sowie May: Am Jenseits wie Anm. 43 S. 7, 266f.

60 Vgl. May: Im Reiche des silbernen Löwen I wie Anm. 22 S. 498ff. sowie May: Im Reiche des silbernen Löwen II wie Anm. 33 S. 437.

61 May: Im Reiche des silbernen Löwen I wie Anm. 22 S. 285 sowie May: Durch das Land der Skipetaren wie Anm. 32 S. 87

62 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXII: Ardistan und Dschinnistan II. Freiburg 1909 S. 295f.

63 May: Ardistan und Dschinnistan I wie Anm. 1 S. 47

64 Ebd. S. 49

65 Ebd. S. 61

66 Ebd. S. 340

67 Halef, der Moslem, wird sogar in einer besonders üblen Situation vor Augen geführt: in betrunkenem Zustand (vgl. May: Ardistan und Dschinnistan I wie Anm. 1 S. 359f. )

68 Ebd. S. 420

69 Ebd.

70 Ebd. S. 424 (Hervorhebung von mir)

71 Ebd. S. 435

72 Vgl. Bernd Steinbrink: Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Studien zu einer vernachlässigten Gattung. Tübingen 1983 S. 49f.; Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte. Stuttgart 21980 S. 114ff. – Zur initiatorischen Bedeutung des Duells vgl. auch: Gerhard Neumann: Das erschriebene Ich. Erwägungen zum Helden im Roman Karl Mays. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1987. Husum 1987 S. 69–100.

73 Steinbrink wie Anm. 72 S. 50

74 Ebd.

75 Zuweilen grenzt dies an feudale Einstellungen, so, wenn das Erscheinen von Winnetou und Old Shatterhand im Eisenbahnerlager so wirkt, als ob zwei fürstliche Personen zu ihren Unterthanen getreten wären. (Karl May: Der schwarze Mustang. Stuttgart 1899 S. 28)

76 Steinbrink wie Anm. 72 S. 51

77 Vgl. Hegel wie Anm. 3 S. 318f.

78 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XII: Am Rio de la Plata. Freiburg 1894 S. 465

79 Steinbrink wie Anm. 72 S. 51

80 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VII: Winnetou der Rote Gentleman I. Freiburg 1893 S. 281f.

81 Ebd. S. 284; vgl. 376


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