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INGMAR WINTER

»Der Unterricht war kalt, streng, hart«
Das Abbild zeitgenössischer Pädagogik
bei Karl May



Karl May lebte in einer politisch sehr bewegten Zeit. In seiner Jugendzeit erlebte er die wechselvolle Geschichte Sachsens mit, das aus seinem ständigen Hin und Her mit und gegen Preußen den Weg in den Norddeutschen Bund finden mußte; er erkannte die Chancen des Aufstiegs zum Deutschen Reich und erahnte im Alter den Weg in den Weltkrieg. Dieser Entwicklung der Politik mußte sich die Bildungsgeschichte unterordnen, die hier im Vorspann in drei epochemachenden Stationen in aller Kürze dargestellt werden soll, weil sie sich in dem literarischen Werk Mays wiederfindet.

   Das erste Datum ist die 1848er Revolution. Genährt von der freien Forschungsidee Humboldts, der sich mit nachhaltigem Erfolg gegen die utilitäre Pädagogik der Aufklärung durchgesetzt hatte, legten die Lehrer bis zu diesem Ereignis eine hoffnungsvolle Betriebsamkeit an den Tag. Die aufklärerisch-emanzipatorische Bewegung wurde aber von den Regierenden im Namen der Wiederherstellung einer "ordentlichen" Gesellschaft nach der Revolution gestoppt. Man faßte das Übel der Liberalisierung durch Staatsräson an der Wurzel: eine verbindliche Seminarkonzeption verpflichtete die Lehrer dem Prinzip einer strikten Bildungsbegrenzung. Umfangreiches Wissen durfte keine kritische Haltung mehr hervorrufen.

   Der zweite Meilenstein der Bildungsgeschichte war das Jahr 1872, also unmittelbar nach der Reichsgründung. Die aufkommende Industrialisierung im neuen Reich verlangte neue Qualifikationen: man muß das enorme Wachstum der großen Industrien und das veränderte Schulwesen als einen ökonomisch bedingten Anpassungsprozeß begreifen. Das Schulaufsichtsgesetz aus diesem Jahr, erwachsen aus der liberalen Politik im Rahmen des Kulturkampfes, brachte einen weitgehenden Konsens besonders der Volksschullehrer mit der politischen Führung. Aber schon das Sozialistengesetz 1878 und besonders Bismarcks kulturpolitische Macht stießen die Erwartungen der Lehrerschaft auf das didaktische Niveau einer bildungskonservativen Haltung zurück.

   Der dritte Fixpunkt, gerade noch im 19. Jahrhundert liegend, bildete


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erneut einen Berg im pädagogischen Wellengang. Der Pädagogik eines monarchischen Katechismus, eines politischen Konservativismus und einer lernpsychologischen Unterdrückung setzte Gaudig die Pädagogik vom Kinde aus entgegen, die freie geistige Tätigkeit des educandus. Die Reaktion auf staatsverordnetes Nicht-Denken beim Lernen endete vorerst in der Arbeitsschulbewegung.

   Damit ist plakativ, sozusagen in grober Holzschnitztechnik, ein vorläufiger Abriß der Bildungsbewegung von 1848 bis Mays Tod gegeben, den der Leser in Mays Romanen wiederfinden wird. Es erscheint daher naheliegend, Mays Einstellung zur Pädagogik dieser Zeit dem skizzierten Weg der Politik nebenzuordnen. Doch ist dieses methodisch ungeschickt.

   Jede Literatur steht in ihrer Zeit und bildet diese ab, ist aber nicht chronologisch der Zeitgeschichte zu parallelisieren. Sehr häufig treten erzählte und erzählende Zeit auseinander, so daß hin- und rücklaufende Verweise über Mays pädagogische Auffassung gefunden werden. Es treten in den frühen Werken Zeitabbildungen auf, aber auch Wünsche und Idealentwürfe, die in einer späteren, noch vom Autor erlebten Zeit Wirklichkeit werden. In den späteren Werken werden Reminiszenzen wach, die aus der Retrospektive des Schriftstellers frühere Abbildungen zeichnen. Selbst die Autobiographie Mays gibt nicht den chronologischen Weg der Bildungseinschätzung wieder, da sie eine zurückliegende Zeit überblickt, die vom Standpunkt des Wissenden unhistorisch, i. e. "überzeitlich" eingefärbt, erscheint.

   Aus diesen Gründen verbietet sich methodisch eine Betrachtung der pädagogischen Auffassung Mays entlang am Faden der Geschichtsdaten. Stattdessen empfiehlt sich eine Einteilung nach didaktischen bzw. bildungspolitischen Grundtypen von Volksschule, die zwar in ihrem Aufeinanderfolgen den historischen Fortgang spiegeln, in der literarischen Darstellung durch Karl May aber als Fäden vor- oder rückgewandter Einschätzung in einzelnen Werken verknüpft sind.


1.  S c h u l e  d e r  A r m u t

Es waren damals schlimme Zeiten, zumal für die armen Bewohner jener Gegend, in der meine Heimat liegt. Dem gegenwärtigen Wohlstande ist es fast unmöglich, sich vorzustellen, wie armselig man sich am Ausgange der vierziger Jahre dort durch das Leben hungerte. Arbeitslosigkeit, Mißwachs, Teuerung und Revolution, diese vier Worte erklären Alles.(1) Vor allem erklären sie das Elend der Weber, in dem das Kind Karl aufwuchs. Käthe Kollwitz und Gerhart Hauptmann ("Die Weber") haben in ihren künstlerischen Aussagen dieses Bewußtsein bis heute wachgehalten. Die Hauptbeschäftigung bildete die Weberei. Der Verdienst war


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kärglich, ja oft überkärglich zu nennen. Zu gewissen Zeiten gab es wochen-, zuweilen sogar monatelang wenig oder gar keine Arbeit. (LuS 82) Die unmenschliche Abhängigkeit von feudalen Arbeitgebern (May: "Der verlorene Sohn") erniedrigte einen Zahltag zu einem Sklavengang ("Die Weber", I. Akt; LuS 82), bei dem nicht nur jeder Weber sein Stück zu Markte (LuS 82), sondern die eigene Haut zu Markte tragen mußte. Der ausbezahlte Lohn, der ausbeuterisch-sarkastisch ausgeteilt wurde, reduzierte das Leben der Weberfamilien auf den jeweils nur aufgeschobenen Tod. Ohne den Zugewinn durch die Arbeit ihrer Kinder wäre ein Überleben oft unmöglich gewesen.

   Die Notlage, die die Kinderarbeit verlangte, durchbrach in dieser Zeit das Gesetz der Schulpflicht. Die Fabrikanten waren auf billige Arbeiter, die Familien auf die Mitarbeit ihrer Kinder angewiesen. Selbst der Volksschulreferent von Beckedorff war nicht gegen Kinderarbeit, sondern nur gegen deren Auswüchse. Im Erlaß vom 7.7.1822 fordert er ein bescheidenes Niveau in herrschaftskonformer Elementarerziehung. »Hinter Beckedorffs Konzept der Bildungsbegrenzung steckt letztlich ein Modell der Erziehung zu materieller Bedürfnislosigkeit«.(2) Die Elementarschule behielt den Charakter der religiösen Armenschule, ganz im Sinne der Regierenden, die eine kritische Haltung bei Kindern als den zukünftigen Erwachsenen verhindern und das Los der Armut als gottgewollt ansehen lassen wollten. Die daraus erwachsene Lebenshaltung schildert May für eine Weberfamilie, in der die Armuth . . . eine geizige Freundin(3) ist, im Gebet wird das Schicksal des unwürdigen Lebens dankbar hingenommen.

   Die Kinderarbeit hatte zur Folge, daß die Elementarschulen nur von wenigen Schulpflichtigen, zumindest aber in unregelmäßiger Häufigkeit besucht wurden. Das muß der Lehrer Walther erfahren, als er seinen ersten Schultag hält: »Heut sind nicht der Drittheil Schülern dagewest.«(4) Die armen Weberfamilien verzichteten nicht auf die Mitarbeit ihrer Kinder, so daß einige nie eine Schule besuchen konnten. Er [Mays Vater] hatte nie eine Schule besucht (LuS 9); auch dachte niemand daran, den "Dorftrottel" in die Schule zu schicken (vgl. WzG 166), aber anders verhielt es sich für die Kinder der höheren Klasse. Für den gesellschaftsstabilisierenden Erhalt ihrer Macht schien es ihr unumgänglich, ihren Kindern die Elementarschulbildung zu ermöglichen, ja abzuverlangen. Der schon erwähnte Lehrer Walther hat diese Ambitionen durchschaut und setzt bewußt den Verweis aus dem Unterricht als "Schulstrafe" ein (WzG 667). Was den Armen als willkommene Mithilfe zu Hause vorgekommen wäre, trifft die Reichen des Dorfes an der empfindlichsten Stelle ihrer Bildungsvorstellung. »Den Meinigen hat er auch heimgeschickt« . . . »Und da bekommt dera Lehrern den Gehalt!« rief der Silberbauer. »Keinen Pfennig soll er erhalten nicht einen einzigen!« (WzG 669) In dem daran anschließenden span-


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nungsreichen [spannungsreichen] Disput zwischen dem Silberbauern und Walther fordert der Lehrer auch die Erziehung der Erwachsenen. Dem Reichen genügt die Unterrichtung in den Kulturtechniken, die die Kinder später der armen Bevölkerung überlegen bleiben läßt; der Lehrer aber hat darüber hinaus einen Erziehungsauftrag (WzG 670), der Schüler seiner Klasse zu zufriedenen Mitgliedern einer neuen Gesellschaft werden läßt. Damit schließt der allgemeine Schulunterricht nicht nach einer bestimmten Alterserreichung, sondern wenn das Kind das gelernt hat, was es gelernt haben muß! (WzG 670) Diese Forderung auf arme Weberkinder übertragen hieße, sie Anschluß gewinnen zu lassen an die Bildung der höheren Schichten, was der Schulaufsicht der 1840er Jahre zuwiderliefe.

   Walther kann mit dieser Auffassung von Schule und Erziehung nur in der Fiktion des Romans siegen. May, für den Walther einen Zug eines idealen Lehrers darstellt, hatte die Wirklichkeit anders erlebt. Als er Ostern 1848 eingeschult wurde (LuS 35, 344), fand er den bereits beschriebenen Unterricht vor. Das System sah je vier Knaben- und Mädchenklassen vor, so daß jeder Schüler zwei Jahre in einer Klasse blieb (LuS 352). Zur Zeit der Einschulung Mays mußten die Klassen, bedingt durch das Bevölkerungswachstum und die Durchsetzung der Schulpflicht, sehr groß gewesen sein. 1822 entfielen in Preußen durchschnittlich 68 Schüler auf einen Lehrer, um 1850 aber schon fast 90. Es dürften für Sachsen noch höhere Zahlen angenommen werden, da dort die höchste Quote der schulpflichtigen Kinder registriert wurde.(5) »So niedrig auch die Ziele der Volksschule in inhaltlicher Hinsicht gesetzt waren: in puncto Disziplin wurde von Lehrern wie Schülern eine an militärischen Vorbildern orientierte Perfektion erwartet.«(6) Unumgänglich erschien allen, selbst den Betroffenen, bei diesen großen Klassen die Prügelstrafe. »Na, den muß er doch durchhauen!« (WzG 669)

   Diese Prügelstrafe wurde auch auf die Mädchen der Klasse bezogen: »Das unterlaß, wenn Du nicht Etwas erleben willst, was sonst nur ungezogene Mädchen in der Schule erleben, nämlich eine Tracht Prügel zu bekommen.« (WzG 1279) Nahezu sadistische Strafen gehörten zum festen pädagogischen Programm der Lehrer. Den Kindern wurden beispielsweise schwere Holzklötze um den Hals gehängt, manchmal wurden Schüler in einem Korb an der Decke des Klassenzimmers vor den Augen aller Kinder aufgehängt.(7)

   Diese Erziehungsmethode wurde selbstverständlich in die Familie, genauer: in die väterliche Hand gegeben. May erzählt: Am Webstuhl hing ein dreifach geflochtener Strick, der blaue Striemen hinterließ, und hinter dem Ofen steckte der wohlbekannte "birkene Hans", vor dem wir Kinder uns besonders scheuten, weil Vater es liebte, ihn vor der Züchtigung im großen "Ofentopfe" einzuweichen, um ihn elastischer und also eindringlicher zu machen. (LuS 10) Selbst die Schwester mußte ban-


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gen [bangen]: Unsere älteste Schwester, ein hochbegabtes, liebes, heiteres, fleißiges Mädchen, wurde sogar noch als Braut mit Ohrfeigen gezüchtigt, weil sie von einem Spaziergange mit ihrem Bräutigam etwas später nach Hause kam, als ihr erlaubt worden war. (LuS 11)

   Mays Vater hatte keine Elementarschule besuchen können (LuS 9), dazu war die Arbeit in der Familie zu viel, das Geld zu wenig.(8) Außerhalb der Schule hatte er sich Lesen und Schreiben beibringen müssen (LuS 10). Diese autodidaktische Mühe erschöpfte sich allerdings nicht im bloßen Zuhandensein der kulturellen Techniken, er verwirklichte einen großen Teil seiner Bildsamkeit im Leben. Er besaß zu allem, was nötig war, ein angeborenes Geschick. Was seine Augen sahen das machten seine Hände nach. (LuS 10) Und wie bei aller handwerklichen Betätigung der Sinn des Bildners nach Ästhetik, nach Schönheit geht, so auch bei Mays Vater: Er schnitzte und bildhauerte gern, und was er da fertig brachte, das hatte Schick und war gar nicht so übel. (LuS 10) Der Sohn Karl hat ihn in seine Fiktion(9) und seine Autobiographie hineingestellt.

   Für diese Abhandlung ist eine andere Frage von Wichtigkeit: Woher nimmt ein Vater, der nie eine Schule besucht hat, das pädagogische Wissen, die eigenen Kinder im "richtigen" Sinne zu erziehen? Sicher sind es in erster Linie zeitgeprägte Erziehungsnormen, Erwartungen einer schichtgegliederten Gesellschaft. Aber gleichzeitig will die Kindeserziehung nicht schichtstabilisierend sein; die späteren Generationen sollen, besonders in den untersten, damals elenden Schichten, das Kastensystem verlassen zugunsten eines besseren Lebens. Damit kommen zu dem genannten Teil des Erziehungspotentials der Eltern auch deren Sehnsüchte hinzu, die in den Kindern Wirklichkeit werden können.

   Zwei Auswege aus der Webermisere bietet Karl May dem Leser an. Zuerst ist reines Kompensationsverhalten zu beobachten, das sich im Gebet (VS 481ff.) oder im Vertrinken des kargen Weberlohnes (LuS 82) äußert. Doch diese Reaktionen verfestigen Gewohnheiten, stabilisieren letztlich das überkommene System, aus dem man gerade noch entfliehen wollte. Die wahren Sehnsüchte liegen im Bildungsfortschritt. In dem bescheidenen Rahmen, den das Weberdasein bot, blieb Heinrich August May das Lesen. Das Buch wurde ihm zum Medium des Lernens (LuS 27f.), zweifellos nicht im selbstlosen, freien Bereich der Erbauung, sondern in dem der utilitären Handhabung (LuS 29). Da aber mit dem Lesen nicht nur die Methode des Lernens erworben, sondern auch der Gegenstand des Buches transportiert wird, ist die Auswahl des Buches von großer Bedeutung. Nicht nur die Staatsregierung mußte das beachten (vgl. Kapitel 2), sondern auch der Sohn Karl konnte es erfahren. Für diesen gab es nicht nur verwerfliche Lektüre (LuS 67, 76f.), sondern auch lebensorientierende, d. h. für Karl May


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Märchen (LuS 22; vgl. auch 55, 94) und anderes (LuS 27–29). Gute Elementarausbildung und Sehnsüchte ergaben also das pädagogische Potential, aus dem der Vater seine Kindeserziehung ableitete.

   Die einfache schulische Grundausbildung reichte dem Vater für seinen pädagogischen Ehrgeiz nicht, sein Sohn Karl sollte mehr lernen als das, was der damalige Elementarunterricht bot. (LuS 48). Der ältere Karl May erkannte deutlich die Funktion der ihm "verordneten" Erziehung: Es sollte sich nämlich an mir erfüllen, was sich an ihm nicht erfüllt hatte. (LuS 35) Nun kam es darauf an, welchen Weg und welche Weise er meiner Erziehung gab. Er wollte, was für mich gut und glücklich war. (LuS 36; vgl. 51) Weil die Schule den Weberkindern keine Bildungschancen eröffnete, wurde der Sohn Karl erzogen, wie man Muster herausarbeitet, um sie andern anzupreisen (LuS 67). Hochgesteckte Ziele lassen beim Lernenden hohe Erwartungen aufkommen. Wenn auch der konkrete Berufswunsch den Erwartungen nicht standhielt (LuS 77), so doch die Lebenserwartungen hinsichtlich der Schriftstellerei, die das übermittelte vielwisserische Material(10) nutzen konnte.

   Leider aber war er [der Vater] sich über die Wege, auf denen, und über die Mittel, durch welche dieses Ziel zu erreichen war, nicht klar, und er unterschätzte die gewaltigen Hindernisse, die seinem Plane entgegenstanden. (LuS 51) Gegenstände und Methode des Lernens waren schlecht ausgewählt. Dem späten Karl May fehlte, auch aufgrund der pädagogischen Entwicklung der vergangenen Zeit, vor allem die Liebe (LuS 37). Die erlebte tyrannische Strenge (LuS 9), das unbedingte Durchsetzen der väterlichen Erziehung verhinderte, daß Karl ein "richtiges" Kind wurde. Dieses fehlende Kindsein, das erst im späteren Leben des Zöglings zurückerobert werden konnte (LuS 33), war die Folge des Willens, das reine Wissen enzyklopädisch in Karl anzuhäufen. Der Bildungstrieb des Vaters trieb den Lernenden in Schulklassen hinein, in die er altersmäßig nicht gehörte (LuS 52); modern gesprochen: die fehlende Gruppenkohäsion verhinderte den entscheidenden Lernerfolg. Eine soziometrische Abbildung der damaligen Lerngruppe hätte den Schüler Karl als Außenseiter (LuS 52) gezeigt. Der Erzieher, der sich im Reiche der Menschen- und der Kindesseele auskennt, wird keinen Augenblick zögern, dies ernst, sehr ernst zu nehmen. (LuS 53)

   May wird das in seiner Autobiographie als fehlende "Psychologie" bezeichnen; 1886 wird das Vaterbild im Lehrer Walther derart idealisiert, daß Walther die wesentliche Bildung von Elementarwissen und Naturliebe (LuS 27 – WzG 557) verfolgte und die defizitäre psychologische Einsicht des Vaters in positiver Weise aufhob (WzG 563).

   Die hochtrabenden väterlichen Wünsche, der Sohn solle ein gebildeter, womöglich ein hochgebildeter Mann (LuS 51) werden, kollidierten mit den Erwartungen des Jugendlichen; Karl, der auf ein Gymnasium resp. auf die Universität wollte, sah sich getäuscht: Ich mußte mit mei-


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nen [meinen] Wünschen weit herunter und kam zuletzt beim Volksschullehrer an. (LuS 77) Um diesen bitteren Satz in heutiger Zeit zu verstehen, muß die Situation des Volksschullehrers zur Zeit des Weberelends bis zur Revolution in knappen Zügen geschildert werden.

»Willst wissen du mein lieber Christ
Wer das geplagtste Männchen ist?
Die Antwort lautet allgemein:
Ein armes Dorfschulmeisterlein.«(11)

Die deutsche Literatur gibt Zeugnisse über den armen Dorfschulmeister in größter Vielzahl; der Beispielbogen dieser Zeit reicht von Jean Paul ("Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wuz", 1790/91) bis Jeremias Gotthelf ("Leiden und Freuden eines Schulmeisters", 1838/39). Beide Romane veranschaulichen eindringlich die Not des Volksschullehrers. Appelle und Petitionen, Situationsberichte und Anklagen änderten in dieser Zeit nichts an der finanziellen Notlage. Die Armut setzte einen Unmut und eine Nachlässigkeit in der beruflichen Amtsauffassung frei, was durch bessere Bezahlung verhindert worden wäre. »Setzet den Lehrern der Jugend des Volkes eine reichlichere Nahrung auf den Tisch . . . – und ihr werdet sehen, nicht bloß die Lehrer gedeihen besser, indem ihr Recht und Gerechtigkeit übet und alles Unrecht sühnet: sondern auch die Erziehung und die Lehre gedeihen besser«, fordert Diesterwegs Schrift vom Jahre 1838.(12) Diese, durch die finanzielle Not motivierte, geistige Unbedarftheit karikiert, allerdings erst 1864, Wilhelm Raabe: »Karl Silberlöffel unterschrieb sich der Lehrer . . . Ach, der Arme führte seinen Namen nur der Ironie wegen; er war nicht mit einem silbernen Löffel im Munde geboren worden.«(13)

   Die Situation als Hungerlehrer prägte nicht allein das öffentliche Leben, sondern auch das private: er war kein erstrebenswerter Ehepartner. »Sie meinen, sich mit einem Schulmeister wegzuwerfen.« (WzG 605) Der Lehrerstand war ein unwürdiger. Die Bezahlung erfolgte durch die Gemeinden bzw. Städte und fiel nach deren Finanzlage unterschiedlich aus (vgl. WzG 669), so daß die Lehrerstelle in den Dörfern oftmals als Strafversetzung (WzG 562, 586) galt. Das durchschnittliche Einkommen betrug auf dem Lande zu dieser Zeit nur 86 Taler (also wohl auch in Ernstthal), während ein Lampenaufseher in Dresden 400 Taler verdiente.(14) Auch die den Lehrern bzw. ihren Witwen verbleibende Pension war nur als kärgliche zu bezeichnen, wie uns May im "Methusalem" mitteilt. Die Dorfschulen, deren Lehrer auf Nebenämter (Kantor o. ä.) und Naturalentlohnung angewiesen waren, blieben ein Machtinstrument des gutsherrlichen Schulpatrons (WzG 633).

   Diese Berufsperspektive hatte Karl May vor Augen, als er seine Wünsche enttäuscht sah und zuletzt beim Volksschullehrer (LuS 77) an-


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kam. Ein Aufstieg aus dem Webermilieu war dadurch kaum zu erreichen.

   Die Armut verhinderte eine weitere Schulbildung, selbst der hochbegabten Kinder (LuS 9; "Methusalem"(15)). Deshalb rekrutierten sich zukünftige Lehrer fast zwangsläufig aus den unteren Ständen. Auch unter den Seminaristen fanden sich meist Lehrersöhne (LuS 97); 62,6 % kamen aus der Landbevölkerung, und noch 1903 wollten 14 % der Arbeiterkinder in Leipzig Lehrer werden.(16) Bei einer Arbeitsbelastung in einklassigen Landschulen, vor- und nachmittags unterrichtend (WzG 731), 30 Wochenstunden und mehr, war der Lehrerstand nicht zu beneiden. Das Ansehen im Volk, besonders in den unteren Klassen, kam aus der Tätigkeit als Kantor oder Organist (LuS 49, 50, 68). Das wurde beim jungen Karl in der Kindererziehung früh angelegt, als er über den Elementarunterricht hinaus in die Kurrende (LuS 48) aufgenommen wurde. Besonders in Sachsen hatten die aus bedürftigen Schülern gebildeten Knabenchöre über Begräbnisgänge hinaus den Gottesdienst zu begleiten, was der Bevölkerung die leitende Lehrertätigkeit vor Augen führte.

   Es ist aus der Geschichte verständlich, daß im Lehrerstand Unzufriedenheit herrschte, besonders durch die revolutionären Ereignisse ab 1830 geschürt. Im Geburtsjahr Mays nahm die Radikalisierung dieser Berufsgruppe zu. Die Politik jedoch reagierte schnell: Friedrich Wander, der Wortführer der schlesischen Lehrerbewegung, erhielt eine schwere Disziplinarstrafe, weil er eine Liberalisierung durchsetzen wollte. Die Staatsräson antwortete mit Strenge. Dennoch blieb bis 1848 die Lehrerschaft auf dem eingeschlagenen Weg der liberalen Forderungen, für Diesterweg das deutliche Zeichen einer vormärzlichen Emanzipationsbewegung, deren Folgen das nächste Kapitel beschreibt.


2.  S c h u l e  d e r  Z u c h t

Die 48er Revolution machte alle liberalisierenden Bestrebungen der Lehrer zunichte. Deren Betriebsamkeit setzte alle Hoffnungen in die bildungspolitische Perspektive, ein einheitliches staatliches Schulsystem aufzubauen, um eine Benachteiligung der verschiedenen Lehrergruppen aufzuheben. So lautete zusammengefaßt der Aufruf in Eisenach am 28.–30.9.1848 auf der Gründerversammlung des Allgemeinen Deutschen Lehrervereins. Hinzu kam der Ruf nach der Abschaffung der geistlichen Aufsicht.

   In dieser Abhandlung interessiert uns lediglich, wie der Staat schulpolitisch auf die Revolution reagierte. Wenn auch den studentischen Bewegungen pro forma geringfügig nachgegeben wurde, fand die


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Staatsräson doch einen Prügelknaben der rovolutionären Unruhen. Friedrich Wilhelm IV. wälzte das ganze Elend des freien Geistes auf die Volksschullehrer ab, die konservative Zucht »traf freilich in voller Schärfe nur Volksschule und Lehrerseminare«.(17) Dem politischen Höhepunkt, der sich in vielen Lehrerversammlungen kundtat (auch der sächsischen in Leipzig Ende April 1848 und Wanders Forderung nach dem Lehrerverein im August in Dresden), folgte das Tief durch Reglementierung. Die alte Zucht und Ordnung sollte wieder hergestellt werden; und da die Regierenden die kritische Haltung einer Jugend fürchteten, antworteten sie mit drastischer Bildungsbeschränkung. Da zu dieser Art von Erziehung der Lehrer als Multiplikator dienen mußte, ging eine Reform der Lehrerseminare einher. Wir betrachten also zuerst die Volksschulerziehung, dann im weiteren die Auswirkungen auf die Ausbildungsseminare.

   Ironisch charakterisiert Wilhelm Raabe die 48er Revolution und ihre nie gedachten Folgen für den Lehrerstand: »auch ein hohes Ministerium möge seinen Feinden Gutes tun und sie zum wenigsten anständig kleiden und notdürftig füttern«.(18) Die Volksschule ist wieder auf die ehemalige Armenschule zurückgedrängt worden, und das besonders im geistigen Niveau. Von der Forderung nach einem einheitlichen Schulsystem konnte keine Rede mehr sein. Wie notwendig dieses gewesen wäre, zeigt der Preußische Schulerlaß aus den späteren Jahren (1862), nach dem in Preußen (Sachsen war noch nicht assoziiert) die Lehrer der Schulen sich wenigstens auf Vereinheitlichung der Rechtschreibung (z. B. Brot, Brod, Brodt) einigen mußten. Nach 1848 wurde die einzelne Volksschule wieder unter die Aufsicht der Geistlichkeit gestellt; es entstand bei den Lehrern zwar ein Antiklerikalismus, aber im wesentlichen blieb doch deren religiöse Grundeinstellung erhalten. Der Unterricht wurde mehr denn je "besucht" (anhospitiert), der Lehrer kam unter die Obhut des Ortsgeistlichen, »dessen Aufsicht sich de facto nicht nur auf den dienstlichen, sondern auch auf den privaten Bereich erstreckte«.(19)

   Schon die Beschlüsse des Vorparlaments vom 31.3. bis 4.4.1848 drängten den Antrag des radikaldemokratischen Struwe zurück, der für die Schule eine freiere Eigenverwaltung gegen die konstitutionellen Kräfte durchzusetzen strebte.(20)

   Im Zentrum der Volksschulbildung stand der Religionsunterricht und der ebenfalls kirchlichen Zwecken dienende Musikunterricht. Das hatten die Regulativa 1854 Ferdinand Stiehls gefordert: »Die Schule ist die Tochter der Kirche und die Gehülfin der Familie.«(21) Damit drängte er die Volksschule auf die religiöse Armenschule zurück. Hier war ja schon vorher die Festigkeit von Altar und Thron betont worden. Der angebotene Religionsunterricht beschränkte sich aber im wesentlichen auf Bibellesen und den christlichen Katechismus, dessen Wortlaut "ein-


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gebleut [eingebleut]" werden sollte. »Und wanns die Buben so abgehaut haben, nachhero könnens auch ein frommes Liedl mit ihnen singen. Das wird eine viel bessern Melodie geben, als ohne Prügeln.« (WzG 626) Blicken wir in die erste Unterrichtsstunde des Lehrers Walther hinein, dem gerade dieser Elternrat gegeben war. Der Unterricht wurde durch ein Lied aus dem Gesangbuch begonnen. Zerstört wird dieser Einstieg durch den rüden Zwischengesang eines frechen Jungen, der daraufhin vom Lehrer aus dem Unterricht gewiesen wird (WzG 626f.). An diesem hohlen, stereotypen Unterrichts- und Stundenbeginn, der vom Pfarrer in der Regel begleitet wurde (WzG 626), konnte sich natürlich kein religiöser Geist entzünden.

   Auch in die Lehrerausbildung wurde der herrschaftsstabilisierende Religionsunterricht eingeführt. Wer als Seminarist nicht religiös war, konnte seinen Glauben durch ihn nur noch mehr verlieren. Und es gab für sämtliche Seminarklassen einen wohldurchdachten, sehr reichlich ausfallenden Unterricht in Religions-, Bibel- und Gesangbuchslehre. Das war ganz selbstverständlich. Aber es gab bei alledem Eines nicht, nämlich grad das, was in allen religiösen Dingen die Hauptsache ist; nämlich es gab keine Liebe, keine Milde, keine Demut, keine Versöhnlichkeit. (LuS 95) Dieser im kirchlichen Jahreskreis immer wiederkehrende Unterricht hatte es bei keinem jungen Menschen erreicht, aus freien Stücken einmal die Hände zu falten, um zu beten (LuS 96).

   Mit dem Vergrößern des Religionsanteils im Stundenplan ging das Zurückdrängen der Realienfächer (Geschichte, Erdkunde, Naturkunde) einher. Das Ziel der Stiehlschen Regulativa vom 1.–3. Oktober 1854 war, eine bessere Bildung und eine soziale und politische Mobilisierung des Volkes zu verhindern. Dieser zu der Zeit deutlich anachronistische Bildungsgedanke wurde mit äußerster Strenge durchgesetzt. Das bekamen in erster Linie die Schüler zu spüren. Ein Beispiel gibt uns Karl May in der Erzählung "Des Kindes Ruf" von 1879. Hier wird des Fährmanns Paul vom Lehrer gemaßregelt, als die neunjährigen Abc-Schützen nach dem Nachmittagsunterricht im Begriff sind, die unliebsame Gefangenschaft im Schulgebäude mit der goldenen Freiheit(22) zu vertauschen: der Lehrer will ihm nicht die Hand geben, weil Paul sich nicht gewaschen hat! Das Urteil über Paul gipfelt in der geringschätzigen Bezeichnung Struwwelpeter. Diese Kinderbuchgestalt steht für das ungesittete Kind. Heinrich Hoffmann hatte es im Revolutionsjahr herausgegeben, und der große Erfolg lag nicht nur in der Gunst eben dieser Stunde. Die Erziehungsvorschläge, die aus den Negativbeispielen dieser Bildergeschichten abgeleitet werden sollten, erfüllten die Forderungen der Schulaufsicht. Doch für Paul war der Vorwurf des Lehrers, Struwwelpeter zu sein, nur für sein verwahrlostes Äußeres gerechtfertigt; seine Bewährung, die er im Laufe der Erzählung besteht, konnte er in keiner Schule gelernt haben.


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   Die Mädchenerziehung wurde in dieser Zeit strikt auf die Einübung der Rolle als Hausfrau ausgerichtet. Mit dem Aufkommen der Feminisierung im Lehrerberuf(23) war die Lehrerin angehalten, daß sie den jungen Schulmädchen Unterricht in den weiblichen Handarbeiten ertheilte (WzG 1032). Im häuslichen Bereich ging die Erziehung in die Hand der Mutter und älteren Schwestern über; das war keine väterliche Aufgabe. Notabene mich "erzog" er; um die Schwestern bekümmerte er sich weniger. (LuS 51) Dem Sohn widmete der Vater seine pädagogische Aufmerksamkeit (vgl. Kapitel 4). Die Revolutionäre in Sachsen wollten den König absetzen und die Regierung aus dem Lande (LuS 40) jagen. Heinrich August May aber blieb königstreu: Es galt nämlich, den König Friedrich August und die ganze sächsische Regierung vor dem Untergange zu retten. (LuS 40) Deswegen übte er mit dem Sohn Karl paramilitärische Spiele ein (LuS 43f.)

   Zusammengefaßt zeigt sich ein bildungspolitischer Rückgang in der nachrevolutionären Zeit, eine rigorose Bildungsbegrenzung, die im Religionsunterricht eine gläubige, kritiklose Verankerung an den Thron finden sollte. Dadurch wurde für das Volk die emanzipatorisch-demokratische Idee zurückgedrängt.

   Die bedeutsamen Stiehlschen Regulativa von 1854 setzten auch erstmals eine verbindliche Konzeption für die Lehrerausbildung fest. Bis dato hing die Lehrplankonzeption stark von den Direktoren ab, zu denen zwar fortschrittliche wie Diesterweg, aber auch konservative wie Stiehl gehörten. Einen Markstein der nun von seiten der Regierung gewünschten Entwicklung stellte für Preußen das Jahr 1826, für Sachsen 1835 dar. Ab jetzt wurden Abschlußprüfungen verlangt. »Nach drei Jahren mußte sich der junge Lehrer einer zweiten Prüfung unterziehen, sofern er nicht das Examen mit der ersten von drei Notenstufen abgelegt und mittlerweile eine feste Stelle erhalten hatte.«(24) Diese Ausbildungsanstalten, die schon bald die Bezeichnung "Seminar" führten, waren nach 1854 ebenfalls dem Prinzip einer strikten Bildungsbegrenzung verpflichtet. Diese Beschränkung sollte auch dadurch erreicht werden, daß Absolventen der Volksschule, die dem Ortsgeistlichen förderungswürdig erschienen (LuS 93), in einer Lehrerfamilie für die Aufnahme ins Lehrerseminar "präpariert" werden sollten. Aus dieser Selbstrekrutierung sollte die Bildungsbegrenzung entstehen.

   Karl May zog zu Michaelis 1856 in das Proseminar ein.(25) Die Enttäuschung, zuletzt doch nur beim Volksschullehrer angekommen zu sein, setzte sich hier fort. Also nicht Gymnasiast, sondern nur Seminarist! Nicht akademisches Studium, sondern nur Lehrer werden! (LuS 94) Aber Mays pädagogischer Impetus ließ Hoffnungen aufkommen: Nur? Wie falsch! Es gibt keinen höheren Stand als den Lehrerstand, und ich dachte, fühlte und lebte mich derart in meine nunmehrige Aufgabe hinein, daß mir Alles Freude machte, was sich auf sie bezog. (LuS 94) Je-


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doch [Jedoch] die Reglementierung der Seminare durch die Schulaufsicht konnte der positiven Motivation nicht gerecht werden. Der Unterricht war kalt, streng, hart. Es fehlte ihm jede Spur von Poesie. Anstatt zu beglücken, zu begeistern, stieß er ab. (LuS 95)

   Der Seminarist Karl, der durch seinen Vater enzyklopädisch Vielwisserei anhäufen mußte, konnte die regellose, ungeordnete Anhäufung von Wissensstoff (LuS 97) nicht verwerten. Ich hatte mir zwar eine Unmasse von Fleisch zusammengeschleppt, aber keinen einzigen tragenden, stützenden Knochen dazu. (LuS 98) An der Seminarbildung erfuhr May den gesellschaftlichen Auftrag von Schule allgemein. »Jetzt ist die Situation gewandelt, Schulmeister haben Bindeglied zwischen den Schichten zu sein, sie säen Glauben an Gott und das Herrscherhaus in Dresden, nun auch das in Berlin, Lehrer bilden einen Damm gegen Gottlosigkeit und Sozialdemokratie.«(26) Den Glauben an Gott konnte man in dieser Ausbildung nicht finden (LuS 96). Aber auch jede andere Fachrichtung war auf stures, trockenes, phantasieloses, paukendes Lernen ausgerichtet (LuS 96, 98); der monarchische Katechismus war auswendigzulernen wie der christliche. Der Klerus war als Schulaufsicht noch nicht wegzudenken.

   May erfuhr die Lebensabgewandtheit und Entindividualisierung im Unterricht (LuS 97). Man gab uns lauter Knochen; daher die geradezu schmerzende Trockenheit des Unterrichts. (LuS 98)

   Jeder Ausbildung des individuellen Lernens, auf das der späte May so viel Wert legte (vgl. Kapitel 4), standen die Ausbilder entgegen. Ich hätte mich wohl gern einem unserer Lehrer anvertraut, aber die waren ja alle so erhaben, so kalt, so unnahbar, und vor allen Dingen, das fühlte ich heraus, keiner von ihnen hätte mich verstanden; sie waren keine Psychologen. (LuS 98f.) In May streiten in dieser Ausbildungszeit die zitierten zwei Lehrerbilder: Das reale Bild des unnahbaren, trockenen, katechetischen und staatshörigen Lehrers mit der Utopie des liebevoll vertrauenden, phantasiereichen, sozial engagierten. Beide Gestalten sind in seiner Fiktion Wirklichkeit geworden.

   Erwähnen wir zuerst kurz das utopische Lehrerbild. Es findet seinen literarischen Niederschlag im Lehrer Hermann Bernstein der Erzählung "Das Geldmännle" (1903). In ihm sind sicherlich biographische Bezüge verarbeitet, die uns aber hier nicht beschäftigen sollen. Zwar fällt sein Wirken in die Zeit der großen Industrialisierung, aber er äußert sich über die revolutionären Ereignisse. In seiner Ansicht über eine Dorfausstellung äußert er: Wir wollen nicht etwa gegen das Kapital kämpfen, denn wir brauchen es; aber es soll sich nicht mehr zwischen den Produzenten und Konsumenten stellen, um beide auszubeuten.« (Geldmännle 462)(27) Gewaltauswirkungen zur Erreichung höherer sozialer Ziele lehnt er für die arme Bevölkerung ab, er hofft auf den friedlichen Weg() des Gesetzes und christlicher Liebe (ebd.). Er, selbst ein


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Weberkind, für dessen Fortbildung das Geld gefehlt hat (Geldmännle 531), spricht sich folgerichtig dafür aus, durch Aufklärung eine Verbesserung der Arbeiterschicht zu erreichen. So wäre sicherlich sein Buch "Die Notlage der Handweberei im Erzgebirge . . . " (Geldmännle 532) indiziert worden, wenn kritisches Bewußtmachen geschürt worden wäre. »Ich bin ein Kind des Hungers und der Not; darum schreibe ich für mein liebes, armes Volk, für den hungernden Arbeiter!« (Geldmännle 534) Aber Bernstein ist für die Dorfschule "ungeeignet": die Schulaufsicht als Vollstrecker der Stiehlschen Regulativa müßte ihn als volksaufwieglerisch aus dem Dienst entlassen. In der Erzählung hält auch der Minister ihn für ungeeignet, aber aus anderen Gründen (Geldmännle 642): höhere Aufgaben könnten auf ihn warten. Bernsteins Engagement entspringt nicht der revolutionären Auflehnung, er ist kein Geschöpf der geldgebenden Machthaber (Geldmännle 529), sondern es entspringt der Liebe zum unterdrückten Teil des Volkes (Geldmännle 648).

   Sicherlich ist diese Gestalt ein utopischer Typus, da er fiktional verkörpert, was die Zeit der Nachrevolution der Lehrerausbildung vorenthielt. Er bildet Mays Wunsch ab, nicht nur der Lehrer armer Dorfschüler zu sein, sondern der Lehrer einer ausgebeuteten Volksschicht. Doch dieser Lehrertyp sollte von den konservativen Schulbehörden verhindert werden.

   Ein anderes Lehrerbild bietet Klekih-petra.(28) Er, der jetzt Lehrer von Winnetou und Intschu tschuna ist, hat beide erzogen. Die erste Begegnung läßt den Schüler als "gebildet" (GR 7, 124) erscheinen; hiermit bildet Klekih-petra einen bedeutenden Vaterwunsch (LuS 51) ab. Während seiner Lehrertätigkeit in Deutschland war er Anhänger einer vormärzlichen Emanzipationsbewegung gewesen: »Ich trat öffentlich als Führer der Unzufriedenen auf«. (GR 7, 128) Er rief zum Kampf auf, denn keine Obrigkeit, kein König schien ihm heilig. »Dann kam die Zeit der Revolution.« (GR 7, 128) Die gefallenen Opfer, die er einst mit engagierter und gekonnter Rhetorik gewonnen und überzeugt hatte, legten sich auf sein schuldbewußtes Gewissen. Klekih-petra zerriß, zumindest in der Sicht des Autors, die Einheit von Thron und Altar, von Obrigkeit und Gott (GR 7,128). Erst in der Erkenntnis, eine gottgegebene Einheit aufgelöst zu haben, fühlte er sich als Massendieb der Volksseele, als Massenräuber und Demagoge. Das Schicksal der niedergeschlagenen Revolution (Tod, Zuchthaus) erfüllte sich an der Familie, die ihn gerettet hatte (GR 7, 129).

   Der Revolutionär erlag den revolutionär-freiheitlichen Verlockungen. Sein Fehlschlagen, seine Schuld ist in den Augen Mays zugleich die Schuld des Volksaufstandes. Die emanzipatorische Bewegung, hier reduziert auf die Schuld eines Mitglieds der Lehrerschaft, war durch die Mißachtung der "gottgewollten" Staatsführung zum Scheitern verurteilt. Diese Haltung, die sich in dem sympathisch dargestellten Apa-


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chenlehrer [Apachenlehrer] verkörpert, mag man bei Karl May erstaunlich finden. Gerade er, der als Webersohn die beklagenswerte Armut erlebt hatte, der den strengen, kalten, unpsychologischen Unterricht als Schulknabe und Seminarist erdulden mußte, hätte der Träger einer revolutionären Idee werden können. Stattdessen wird konservatives Handeln gepredigt. Beide, May und Klekih-petra, stellen sich letztlich der reformerischen Bewegung nicht: der eine wird aus dem Schuldienst entlassen, der andere "versagt" durch die Flucht aus der Vergangenheit, sprich: durch Auswanderung.(29) Aber Klekih-petra wird zur Gestalt des wahren, "echten" Lehrers. Auf die letzte Äußerung könnte auch eine Textparallele hinweisen: während der Schulmeister Andreas Müller in "Die Liebe des Ulanen"(30) sein vorgetäuschtes Amt mit falschem Buckel spielt, ist der Buckel des Lehrers Klekih-petra (GR 7, 105) echt.

   Aber eine Utopie in Klekih-petra bleibt: es ist die der individuellen, schülergemäßen Erziehung, die er Winnetou angedeihen läßt (GR 7, 130). Erst so werden Schulpflichtige zu geistigen Kindern (GR 7, 131), eine Erkenntnis, die am Knaben May nie Wirklichkeit geworden war. Für das Bild des echten Lehrers dieser Zeit spricht die Verankerung in der Anerkennung der "heiligen" Ordnung: »Hört, Sam, ein Lehrer zu sein, ist ein hochwichtiger, ein heiliger Beruf!« (GR 7, 153) Die preußische Staatsführung sah letztlich in der verordneten Zucht in den Schulen die notwendige Volksdisziplin. »Ein vielzitierter Satz klingt im Direktor [des Zuchthauses] auf, in der Schlacht von Königgrätz [3.7.1866: Moltke siegt über das österreichische Heer unter Benedek] habe der preußische Schulmeister über den österreichischen gesiegt. Also auch über den sächsischen, denn Sachsen stand fatalerweise auf seiten Österreichs.«(31)


3.  S c h u l e  d e s  K i n d e s

Die Revolutionsjahre 1848/49 zerschlugen die demokratischen Hoffnungen. In Sachsen erlebte König Friedrich August II. Unruhen, die mit preußischer Hilfe am 9.5.1849 niedergeschlagen wurden. Schulpolitisch war der Kampf gegen Konfessionalismus und behördliche Bevormundung ebenfalls vergebens. Das äußere, exemplarische Ende der Hoffnungen war die Amtsenthebung des Seminardirektors Adolph Diesterweg 1850, »des publizistischen Führers der liberalen Volksschullehrerschaft«(32), und die Stiehlschen Regulative von 1854. Es ist erwähnt worden, daß bis zum Anbruch des Zeitalters der großen Industrien der konservative Elementarunterricht blieb und vornehmlich dem Zwecke herrschaftskonformer Glaubenserziehung "christlicher Untertanen" diente. Was das Kind für das Leben lernen wollte, konnte es nicht in der Schule erwerben. Was mich betrifft, so hatte ich mich


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während meiner Schülerzeit aus besonderer Liebhaberei auch mit der arabischen Sprache beschäftigt . . . (33) Für kindgemäße, individuelle Interessensgebiete bot der Lehrplan keinen Platz.(34)

   Im Gegenteil: das Lesen, außer in den vorgeschriebenen Fibeln oder der Bibel (LuS 67), wurde zum Bildungsfeind erklärt. Goethe hatte Eckermann gesagt: »Man lernt nicht, wenn man liest, aber man wird etwas« (13.12.1786). Und diese Identität, unkontrolliert durch den Staat, wollte die Obrigkeit verhindern.

   Was die Staaträson der Lehrerschaft verordnete, wurde von dieser in aller Schärfe den Schülern weitergereicht. So wurden diese in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in die Rolle des kleinen Erwachsenen gedrängt. Für den Geist sind alle Schulen da, von der A-B-C-Schützen-Schule bis hinauf zur Universität, für die Seele aber keine einzige. (LuS 143) Karl May hatte dieses Erziehungsziel während seiner Schülerzeit erfahren. Daß ich bei ihm [dem Vater], in der Gesellschaft erwachsener Männer, gewiß auch nicht besser aufgehoben war, dafür hatte er kein Verständnis. (LuS 54) Wie viele andere Kinder auch wurde Karl aus (der) Kindheit herausgehoben (LuS 55). Durch das Bildungsvorhaben, die Kinder nicht mit ihren Seelen zu akzeptieren, wurden bildungsgeschichtlich die Errungenschaften von Rousseau bis zu den Philanthropinisten, von Pestalozzi bis Fröbel zunichte gemacht. Die Kinder wurden kleine Untertanen der Erwachsenen, wie diese diejenigen der Oberen sein mußten.

   Alle Wünsche nach lebensnahem Lernen waren außerhalb der Schule zu befriedigen. Karl May lernte Latein aus des Kantors Buch (LuS 68), Englisch und Französisch (LuS 69) und Geographie aus Büchern des Rektors (ebd.); der private Sprachunterricht wurde durch die Tätigkeit als Kegeljunge verdient (LuS 71). War die Kinderarbeit zu dieser Zeit kaum noch ein Problem, so blieb für das Lernen außerhalb der Schule wieder keine Weiterbildungszeit für das Schulkind.(35)

   Zum kindgerechten Lernen gehört aber nicht nur der Lerninhalt, sondern neben der Lehrmethode auch die äußere Gegebenheit. »Die Kirchen ist so klein, daß man dera Decken mit dem Kopf einistoßen kann. Beim Pfarrhaus kann man mit der Hand grad aufs Dach langen, wann man vor dera Hausthüren steht und ein richtigs Schulhaus haben wir gar nicht. . . . Aberst eigentlich ists Spritzenhaus. Daran ist eine kleine Stuben baut worden, worinnen die Kindern zusammen kommen und den Unterricht erhalten.« (WzG 592) Hier dürften die räumlichen Verhältnisse der Dorfschulen treffend abgebildet sein.(36)

   So, vielleicht sogar noch schlimmer sind die Fabrikschulen vorzustellen, in denen Karl May als Hilfslehrer seinen Unterricht geben mußte (7.10.1861). Nach zweiwöchiger Tätigkeit an der Armenschule in Glauchau (LuS 103) und der vorzeitigen fristlosen Entlassung durch den Superintendenten C. W. Otto kam der junge Hilfslehrer an die


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zwei Fabrikschulen in Altchemnitz (LuS 370), deren Schüler ausschließlich aus ziemlich erwachsenen Fabrikarbeitern bestanden (LuS 103). Nach den Recherchen von Hainer Plaul handelte es sich aber hier um 10- bis 14jährige Kinder (LuS 370), die hier berufsvorbereitend und -begleitend unterrichtet werden mußten.

   Die Geldgeber waren die Inhaber der Spinnereien Julius Claus und C. F. Solbrig & Söhne, bei denen der Lehrer sich vorzustellen hatte (LuS 103). Die Art und Weise dieser Vorstellung hat Karl May in die Fiktion gedrängt. So wie das Vorsprechen Walthers beim Schutzpatron (WzG 633–635) mußte Mays Antrittsbesuch gewesen sein: die Asymmetrie der Kommunikation (z. B. Sie – Du) spiegelte die Untertänigkeit des Lehrers gegenüber dem Vorsteher wider. Walthers mutiges Auftreten in Shatterhand-Manier ist wohl der Wunsch des Autors für die Zeit 1861 gewesen. Ebenso ist es fiktionaler Wunschentwurf, die Unterwürfigkeit des Lehrers durch eine Großtat aufzuheben, die den mächtigen Schulpatron in dessen Schuld geben muß.(37) Die Wirklichkeit hat anders ausgesehen: May war in der Ansicht der Gesellschaft ganz unten, der Aufstieg sollte erst beginnen. Ich hatte die Schülerzeit hinter mir; ich besaß ein Amt; ich bekam Gehalt. Der Anfang zum Aufstieg war da. (LuS 105) Wie wir jedoch wissen, endete Mays Lehrertätigkeit, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte.(38) Die Stelle in den Fabrikschulen mußte wie eine "Strafstelle" (vgl. WzG 562) empfunden worden sein. May tröstete sich in der tiefen pädagogischen Enttäuschung mit der freien Welt, die ihm offenstehen sollte: Mir meine Karriere verdorben? Hätte das überhaupt Jemand gekonnt? Selbst wenn der Staat mich nicht mehr anstellen will, gibt es doch Privatstellen genug, die besser bezahlt werden als diejenigen des Staates. (LuS 108) Es wäre eine Selbstlüge, würde May hier an private Lehrerstellen denken, denn aufgrund einer noch bestehenden Verfügung von 1825 mußte jeder Lehrer die ihm zugewiesene Stelle antreten, während der Übertritt in Privatschulen mit Rückzahlung von Unterstützung und Unterrichtsgeld bestraft wurde. Mays berufliche "Karriere" mußte ab sofort außerhalb der Schule versucht werden.

   Wenn man rückblickend Mays Schüler- und Lehrerzeit (1848–1861) überschaut, war der Unterricht geprägt von strenger Zucht unter geistlicher Schulaufsicht, der auf die Bedürfnisse des Kindes keine Rücksicht nehmen wollte. Wurde die Psyche des Kindes erkannt, dann wurde ihr Ruf nur in der Familie gehört, aber nicht in jeder. May fand die kindgemäße Ansprache bei der Großmutter; sie erzog ihn bescheiden, wahr und klug (LuS 32). Ihre Zuwendung als Märchenerzählerin bildete den Enkel bis ins spätere Leben hinein (LuS 33). Der individuelle Erziehungsprozeß ist in der Mädchengestalt Schakara gestaltet worden, die in der Großmutter-Marah Durimeh ihre pädagogische Meisterin fand.(39)


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   Die Wirklichkeit der Schulpolitik sah diese Erziehungsart nicht vor. Ihre Direktiven waren auf Untertanengeist aus. Die von May empfundene Härte und rigorose Überbestrafung im Strafvollzug (LuS 80f.) war der Schulausbildung vergleichbar. Die Zeitläufe und mit ihnen die Anforderungen an das Kind hinsichtlich der wachsenden wirtschaftlichen Lage in Deutschland ließen das Schulwesen im Stiehlschen Sinne immer fragwürdiger erscheinen. Die Regulativa waren zwar seit 1861 durch mehrere Erlasse modifiziert worden, aber eine Revision kam nicht aus pädagogischer Einsicht. Für die Schulentwicklung der Jahre bis etwa 1872 ist es wichtig, »einen ursächlichen Zusammenhang mit dem stürmischen Wachstum der großen Industrie anzunehmen und den Ausbau des Volksschulwesens als einen ökonomisch bedingten Anpassungsprozeß zu begreifen.«(40) Die schon erwähnte Stadt Chemnitz, wo May seine Hilfslehrertätigkeit aufnahm, hatte sich im 19. Jahrhundert im Dienste der Maschinenfabrikation schnell zur Stadt entwickelt; die Fabrikschulen konnten nach altem Muster nicht mehr fortbestehen.

   Die sozio-ökonomische Entwicklung machte die Einhaltung der Schulpflicht unerläßlich. »Die unter diesen Voraussetzungen konsolidierte Volksschule brachte dann als Aufbaueinrichtung die Fortbildungsschule hervor«,(41) die erst als säkularisierte religiöse Sonntagsschule entstand. Besonders Sachsen, das unter König Johann (1854 bis 1873) konservativen Fortschritt plante, sah sich gezwungen, das Bildungswesen im Sinne der erhöhten Anforderungen durch die Industrie voranzutreiben. Auch nach dem Zerschlagen der königlichen Triasidee und nach der Eingliederung in den Norddeutschen Bund (21.10.1866) gewann die Sozialdemokratie als "Umsturzpartei" schnell an Einfluß. Deutsche Industriegüter hielten einem internationalen Vergleich nicht mehr stand; die Folge war der Ruf nach Fachschulen. Wer in das Schulwesen des Auslandes gesehen hatte, empfand die Notwendigkeit dieser Forderung: Mit dem Ertrage dieses Unterrichtes und jener Pension hatte sie es fertig gebracht, ihrem Sohne die polytechnische Schule zu München besuchen zu lassen. (WzG 1032) In München wagte man den Anschluß an das europäische Ausland.

   Die Volksschule dieser Jahre erfuhr im Rahmen des Kulturkampfes eine Schulpolitik unter liberaler Ägide. Die "Allgemeinen Bestimmungen" von 1872, herausgegeben von Stiehls Nachfolger Karl Schneider und dem Kultusminister Adalbert Falk, griffen in den konservativen Lehrplan ein: Religion wurde auf zwei Wochenstunden reduziert, der Ausbau der ehemals zurückgedrängten Realien wurde gefördert.(42) Eine Karikatur des deutschen Lehrplans gibt uns Karl May in "Die Liebe des Ulanen", einem Roman, der Deutschland um 1870 abbildet. Der Hausherr, bei dem sich Müller alias Richard von Königsau vorstellt, kritisiert: »Sie haben da allerdings ganz ausgezeichnete Censuren; aber


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ich finde nur Dogmatik, Didaktik, Methodik, Geschichte, Geographie, Sprachen und so weiter. Man scheint in Ihrem Vaterlande keinen großen Werth auf die Ausbildung des äußeren Menschen zu legen.« (Ulan 63) Aber Müller, der falsche Lehrer, zeigt sich im weiteren Gespräch den französischen Anforderungen einer allseitigen Kindeserziehung gewachsen (Ulan 64): Deutschland hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aufgeholt. Müller ist in der Ausbildung in technischen Wissenschaften, die in Frankreich durch die École polytechnique vorangetrieben waren, gleichwertig (Ulan 107)! Da allerdings zur Zeit dieser Romanentstehung, 1883, Deutschland immer noch nicht den Vorsprung anderer Länder eingeholt hatte, wie die Weltausstellungen in Philadelphia 1876 und Paris 1878 bewiesen, bleibt Müller als deutscher Kulturträger ein Wunschbild Mayscher Vorstellung.

   Für die Schulpolitik um 1872 kam es neben der Beherrschung elementarer Kulturtechniken verstärkt auf das Arbeits- und Sozialverhalten in den industriellen Betrieben an. Im wesentlichen wurde Wert darauf gelegt, den Kindern folgende Qualifikationen zu vermitteln:

1. Die betriebliche Hierarchie forderte Unterordnung im Dienste des Produktionsablaufs, worauf die Schule mit höheren Lernstufen antworten sollte.

2. Der Aufstieg im Betrieb durch Bewährung erforderte eine Aufstiegsorientierung, was in der Schule durch verstärkte Sanktionen wie Sitzenbleibenlassen eingeübt werden wollte.

3. Arbeitskontrolle und pünktliche Regelmäßigkeit am Arbeitsplatz spiegelte der strenge Stunden-Plan wider.

4. Eine Akkordentlohnung setzte im Sozialverhalten ein Konkurrenzdenken voraus, das dem Erreichen einer bestimmten Schulzensur angepaßt war.(43)

Die Lehrerseminare mußten ebenfalls aus der Erlaßenge der Stiehlschen Regulativa entlassen werden; so hatte schon 1870 Sachsen seine Präparandenseminare in die seitdem sechsklassigen Lehrerseminare integriert.(44) Durch die finanzielle Aufbesserung der Gemeinden wuchsen die Lehrergehälter bis 1878 um bis zu 40 % an.

   Die äußeren Verordnungen unter dem Druck ökonomischer Gesichtspunkte schlugen auch nach innen in die Schulklasse durch. Die Lehrmethoden mußten, die genannten Qualifikationen im Auge, sich dem Kind zuwenden. Während dieser Zeit hatte Müller seinem Zögling Alles zu Gefallen gethan; er erkannte in dem Knaben eine jener Naturen, welche sich am Leichtesten leiten lassen, wenn man ihnen den Schein läßt, daß sie es sind, welche regieren. Er behandelte ihn darnach, und so kam es, daß Alexander großen Gefallen an seinem neuen Lehrer fand, der gar nicht that, als ob er ihn in seine pädagogische Dressur nehmen wolle, sondern sich sogar herbeiließ, Eichkätzchen mit ihm zu jagen.


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(Ulan 82) Damit ist der Ausgang aus religiös-konservativem Drill gegeben (»Sie predigen nicht; Sie geben keine guten Lehren«, Ulan 111) und der Anschluß gewonnen an die Philanthropinisten, die eine kindgemäße Erziehung verwirklichen wollten. Hiermit wird versucht, dem Kind, das partout nichts lernen will und mag (Ulan 54), nach neuen pädagogischen Zielen zu seinem Recht zu verhelfen.

   May gibt im "falschen" Lehrer Dr. Andreas Müller das Idealbild eines echten Erziehers. Das geschieht, indem May die Lehrer-Schüler-Eltern-Kommunikation doppelt zerbricht. Als Hauslehrer ist Müller der Untergebene des Hausherrn, der ihm als Schutzpatron Anweisungen zu geben hat. Als Gouverneur Alexanders (Ulan 117) ist er dem Sohn des Hausherrn, in der sozialen Stelle vermeintlich untergeben, als der wissende Lehrer überlegen. Diese Überkreuzstellung der Asymmetrien hebt May durch die Lehrmethode auf: »Er ist mein Lehrer, und ich erkläre, daß er außerdem mein Freund ist« (Ulan 117), erklärt der Schüler.

   Aus dem Gesagten geht hervor, daß May in Müller einen "modernen" Lehrertyp darstellt, der den pädagogischen Erfordernissen der 1870er Jahre nachkommt. Zur selben Zeit etwa, zu der "Die Liebe des Ulanen" spielt, handelt auch "Der Weg zum Glück" (Zeit Ludwigs II. 1864–1886). Auch der darin vorgestellte Lehrer Walther ist ein Idealtyp Mayscher Vorstellung, wie wir schon festgestellt haben. Während aber Müller das Ideal des Lehrers trifft, der in der Lehrmethode seinen Schüler in dessen kindgemäßen Bedürfnissen und im Unterricht wie einen Freund annimmt, ist Walther mehr der Idealtyp auf biographischer Ebene. Er verkörpert den Prä-Shatterhand (WzG 568f.), der nicht nur mit der Faust, sondern auch mit der Feder (WzG 733, 889–896) umzugehen weiß. Mit diesen Tugenden bildet er stärker die Großmannssucht ab, die aus den politischen Bestrebungen der Gründerzeit erwuchs. Beide Lehrerbilder zusammen ergeben das Gesamtbild des Lehrers, das May in den 1870er und folgenden Jahren nach den Bedürfnissen der politisch-pädagogischen Ambitionen gezeichnet hat.

   Mit der Liberalisierung der Schulpolitik, die einen weitgehenden Konsens der Volksschullehrer mit der politischen Führung bedingte, nahmen die Vereine zu: 1871 entstand der Deutsche Lehrerverein. Besonders das Schulaufsichtsgesetz von 1872 stieß bei der Mehrheit auf freudige Zustimmung, schien doch damit das Ende der geistlichen Schulaufsicht gekommen. Aber die sozialistischen Bewegungen, die unter liberaler Politik heftiger wurden, sollten durch ein Gesetz eingedämmt werden: das Sozialistengesetz wurde 1878 verabschiedet. Das wirkte sich natürlich schulpolitisch aus. Der neue preußische Kultusminister Falk, der 1872 die "Allgemeinen Bestimmungen" als Revision der Stiehlschen Verordnungen pries, deutete sie sechs Jahre später ex post als Kampfmaßnahme gegen die Sozialisten. Und wieder einmal, als


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Signum des 19. Jahrhunderts, traten konservativ-kirchliche und bürgerliche Ideologien an die Stelle der freiheitlichen, kindgemäßen pädagogischen Bestrebungen. »Die konservative Staatsführung aber sah in dem ihr nun als Bundesgenossen zufallenden Mittelstand, insbesondere im Handwerk, eine wichtige Kraft für die Erhaltung von "Thron und Altar", d. h. in ihrem Kampf gegen die Sozialdemokratie«.(45)

   Auf dem Höhepunkt dieser restringierten pädagogischen Weiterentwicklung vertrat Bismarck am 6.7.1889 die These: die Volksschule liefere einen politischen monarchischen Katechismus, auswendig zu lernen wie den christlichen.(46) Bismarck wiederholte damit die "Allerhöchste Ordre" Wilhelms II. vom 1.5.1889, in der eine uneingeschränkte Theoriefeindlichkeit gefordert wurde.(47) Damit war wieder einmal eine dem Kind zugewandte Pädagogik unmöglich, denn die Forderungen der Staatspolitik bedeuteten, fast bis in den Wortlaut hinein, einen Rückfall auf das didaktische Niveau von Stiehl.


4.  S c h u l e  d e s  L e b e n s

Wir müssen uns zu Beginn dieses Kapitels für kurze Zeit von Karl May und seinem Schrifttum entfernen, um die bildungsgeschichtlichen Voraussetzungen der anschließenden Epoche (etwa 1880 bis 1910) zu vermitteln. Das geschieht am anschaulichsten durch eine Darstellung des dreigliedrigen Schulsystems.(48)

   Die Volksschulen nahmen nach 1890 infolge des starken Zustroms der arbeitenden Bevölkerung in die Fabrikstädte ganz erheblich zu. Das Fehlen der häuslichen Pflege durch die Mitarbeit der Mutter und die Wohnungsnot führten aber zu gesundheitlicher Schwächung und sittlicher Gefährdung. Der Staat mußte durch Programme der Jugendpflege eingreifen, um die Kinder vor der Ausnutzung ihrer Lehrherren zu schützen, sie aber gleichzeitig auf das Berufsleben vorzubereiten. Der erfolgreichste Erneuerer der Volksschuldidaktik war der Leipziger Professor Tuiskon Ziller, der für den Lehrstoff die praktische Verwertbarkeit aufwies. Sein Schüler, Wilhelm Rein aus Jena, zeigte der breiten Masse der Volksschullehrerschaft die praktische Verwendbarkeit der Kultur- und Formalstufenlehre Herbarts. Die neu, durch die Industrialisierung notwendig gewordene didaktische Besinnung, die letztlich aus dem allgemeinen Bildungshunger nach dem Tatsachenbereich der irdischen Welt hervorging, ließ neue Bildungseinrichtungen entstehen. Einzig hier erwähntes Beispiel soll das 1898 von Hermann Lietz gegründete Landerziehungsheim sein, das nach englischem Vorbild(49) ausgerichtet war, um Familiengemeinschaft, Naturverbundenheit und die umfassende Erziehung von Körper und Geist zu verfolgen.

   Auch die Mittelschulen, nach Falkscher Initiative ausgerichtet, nah-


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men [nahmen] in dieser Zeit an Zahl und Ausbreitung zu. Das Auftreten von Handel und Gewerbe erforderte eine bessere Ausbildung für das Berufsleben. Mit der Frauenfrage kam auch die Mädchenausbildung in den Vordergrund; Helene Lange richtete 1888 Realkurse für Mädchen ein. In den Rang der höheren Schulen kamen Mädchenschulen allerdings erst zwanzig Jahre später. So rekrutierte sich die Lehrerschaft meist aus männlichen Lehrern, Lehrerinnen im Kollegium mußten im Ausland gesucht werden: »Bedenkt doch, daß wir nur in England und Wales über fünfzigtausend Lehrer und über hundertfünfzigtausend Lehrerinnen an den board schools haben«.(50) Für Deutschland war noch keine "Feminisierung" der Lehrerkollegien in Sicht. Ein Mädchen, das um die Jahrhundertwende auf eine höhere Bildung (Abitur, Universität) verweisen wollte, hatte oftmals im Ausland studiert.(51)

   Schließlich die Gymnasien: sie wurden erschüttert durch den Streit der humanistischen und realistischen Bildungsströmungen. Am Ende des 19. Jahrhunderts standen drei Typen konkurrenzhaft nebeneinander: zuerst die Oberrealschule, die aus der lateinlosen Realschule entstand, indem man sie um die Lateinpflicht erweiterte, dann das Realgymnasium, eine neunklassige Realschule mit Lateinverpflichtung und das humanistische Gymnasium humboldtscher Tradition.(52) Der Konkurrenzkampf endete in der zweiten preußischen Schulkonferenz von 1900, auf der Wilhelm II. grundsätzlich die Gleichwertigkeit der durch alle höheren Schulen vermittelten Allgemeinbildung veranlaßte.

   Somit bleibt für die Gesamtentwicklung des deutschen Schulwesens dieser Zeit festzuhalten, daß die Erfordernisse einer praktischen Verwertbarkeit des Wissens, das die Entwicklung der großen Industrien und die damit verbundenen Anforderungen nötig machten, in das didaktische Schulkonzept Einzug halten mußten. Es war der Vielwisserei, der intellektuellen Überfrachtung, der unfruchtbaren Gelehrsamkeit und dem hohlen Historismus der Kampf angesagt, wie ihn Friedrich Nietzsche bereits 1872 prognostiziert hatte.(53)

   Für diese Epoche ist es wichtig, wiederum die Didaktik und Bildungskonzeption als Anpassung an die ökonomischen Verhältnisse zu begreifen. Die trockene Vielwisserei sollte durch Erziehung auf Lebensbewältigung abgelöst werden.

»Ich pflüge deutsch und nicht latein,
doch will ich gern gefällig sein.
Drum hört, was ich euch sagen kann,
und wendet es dann praktisch an!

Wenn jeder Mensch nach Kräften gut
und willig seine Pflichten tut,
so hört wohl in der Zeiten Lauf
die Dummheit ganz von selber auf.«
(54)


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Zwar wollte die wilhelminische Politik die organisierte Arbeiterklasse gewaltsam in die autoritäre Klassengesellschaft des Kaiserreichs integrieren und in dieser Folge die Schule im Zeichen des "Neuen Kurses" nach 1890 systematisch als Herrschaftsmittel gegen die Sozialdemokratie einsetzen,(55) doch die Didaktik der Lebensorientierung setzte sich unaufhaltsam fort. Die Preisschrift Kerschensteiners von 1901(56) war die Geburtsurkunde der Berufsschule, die aus der Fortbildungsschule entstanden ist.

   Einen Übergang dieser neuen didaktischen und bildungspolitischen Entwicklung zu unserem thematischen Anliegen finden wir in Mays "Ardistan und Dschinnistan I" (1909):

»Vor allen Dingen lernt er [der Mensch] unser gegenwärtiges Leben als einen Anschauungs- und Uebungsunterricht betrachten, den der Himmel der Erde erteilt, damit sie dann, wenn der Tod die Schule schließt, sich für die neue, herrliche Gotteswelt, in die sie tritt, bereits hier in der alten, nun für sie vergangenen, vorbereitet habe.«(57)

Hier wird deutlich, wie das Leben "erzieherisch" wirken soll, allerdings wird beim späten May das Leben als realer Bestand um die moralisch-intelligible Welt erweitert. Dieses Bildungsgut, das zwar hier sein letztes Ziel bekommt, wurde 1886, eingeschränkt auf den Wirklichkeitsbezug, vorgemerkt, wenn der Lehrer Walther den wahren Unterricht im Leben, d. h. in der weiten Welt sucht (WzG 2147). In dieser Konsequenz war das deutsche Schulwesen noch zurück. So konnte das englische nur Vorbildcharakter haben, das mit seinem reichen Verschulungsprogramm die Erfordernisse der Zeit auffängt. Das wird deutlich in den »zahlreichen Fachschulen, für Aerzte und Apotheker, Theologen, Lehrer, Techniker, Polytechniker, Künstler, Offiziere, Ingenieure, Landwirte, Tierärzte, Kaufleute und dergleichen!«(58) In Deutschland war die berufsspezifische Ausbildung zu dieser Zeit (1904) noch in den Anfängen.

   Soll diese neue Bildungsorientierung gelten, konnte die Bildung nicht mit dem Abschluß der Schule vorbei sein. Das Leben stellt Anforderungen, die den lebenslangen Erziehungsprozeß verlangen. Das weiß noch kaum der jugendliche Lerner: Ich glaubte . . . ein außerordentlich kluger und erfahrener Mensch zu sein; hatte ich doch, so was man zu sagen pflegt, studiert und nie vor einem Examen Angst gehabt! Daß dann das Leben die eigentliche und richtige Hochschule ist, deren Schüler täglich und stündlich geprüft werden und vor der Vorsehung zu bestehen haben, daran wollte mein jugendlicher Sinn damals nicht denken. (GR 7, 9) Der Erziehungswunsch dieser Zeit muß als lebenslanger Prozeß begriffen werden. Dieses Ziel wird bei Erik Erikson kurze Zeit später zum psycho-sozialen Programm.(59)

   Die May-Zitate aus den späten Romanen, also aus der Zeit nach der


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Jahrhundertwende, nehmen diese Bildungsaufgabe auf. May reflektiert in "Silberlöwe III" (1902) diesen Erziehungsauftrag an der Gestalt des Tifl: »Es geschieht zu deiner Erziehung. Kinder müssen erzogen werden«,(60) läßt er Pekala sagen. Die Naturanlagen allein reichen nicht, wie das die Metapher des Reitens anzeigen soll: Tifl erwies sich als ein unübertrefflicher Naturreiter. Von den feineren, erzieherischen Verhältnissen zwischen Mensch und Tier aber wußte er wohl nichts.(61) Nur eine Konfrontation mit dem Leben, begleitet von erzieherischen Einwirkungen, formt den Menschen. »Ich [Pekala] erzog ihn aber auch sehr sorgfältig und erziehe ihn noch heut! Ein Mann muß nämlich stets erzogen werden!«(62) Bei diesem Erziehungswillen spielen der Drill, die Dressur keine Rolle mehr; die Zuwendung, die dem Lernenden gegeben wird, bestimmt die Qualität und den Erfolg der Erziehung. »Denn zur Erziehung eines Mannes gehört außerordentlich viel Liebe, Geduld und Energie, und diese drei sind nicht bei euch, sondern nur bei uns zu finden.«(63)

   Daß hier auf psychologisch-biographischer Ebene die Stimmung in Mays bröckelnder Ehe mit Emma, die im folgenden Jahresbeginn (14.1.1903) geschieden wurde, wiedergegeben wird, kann nicht übersehen werden. Für diese Abhandlung ist es nur wichtig, daß auch die implizite Kritik über das Defizit der erlebten Gattenliebe und deutscher Erziehungsmethoden in die Qualifikation des Orients verlagert wird. Dieses Zitat nimmt die Linie Mayscher Erziehungswünsche auf, nach der die liebevolle Erziehung durch die Großmutter (LuS 32) auf Marah Durimeh übergeht, die in ihrer Zuwendung zum Kind (Schakara in "Silberlöwe IV")(64) das Ideal verkörpert. Die wichtige Zweierbeziehung war für May immer ausschlaggebend: Ich erklärte im Weiterschreiten meinem kleinen Schüler alles, was ihm noch nicht verständlich war, und hatte dabei meine helle Freude über sein gutes, scharfes Fassungsvermögen,(65) aber es fehlte in der Abenteuerliteratur das mütterliche Element, das der Disziplinierung und strengen Ordnung das liebevolle Zuwenden zur Seite stellte. Erst mit der Berücksichtigung beider Seiten, der körperlichen sowie der seelischen, der praktischen und der intellektuellen, wird eine "psychologisch" angemessene(66) Erziehung garantiert. Die wahre Pädagogik verbindet zwei verschiedene geistige Gestalten(67) auf dem Wege zum Ziel.

   Der Widerstreit zwischen schulischer Kunstphilisterei und Lebenswahrheit wurde in dieser Zeit in der intelligenten Schicht deutlich empfunden. Die Verwirklichung wahrer Schulung wurde außer Landes gesucht, Gurlitt sagt dazu: »Der Philister, der froh ist, seine pensionsberechtigte Amtsanstellung zu haben, und mit Stolz auf seine gesammelten guten Schulnoten zurückblickt, kann nicht begreifen, daß es einer so gearteten Seele in der Schulstube und in dem kleinen Glück der Spießer zu enge wird, daß sie Befreiung sucht im freien Fluge über alle


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Schranken der engen bürgerlichen Welt hinaus, kann auch nicht begreifen, daß ihr der Kleinkram und die ewigen Sticheleien und Quengeleien der Umwelt schließlich zum Ekel werden und ihn verlocken, sich eine bessere Welt jenseits des großen Wassers und in der eigenen Brust aufzubauen.«(68) Für die Zeit von 1880–1910 konstatiert er ein »flaches und albernes Kunstgeschwätz« und Datenwissen(69) auf der einen, ein lebensgewinnendes, wirklichkeitseroberndes Wissen(70) auf der anderen Seite. Die akademische Hybris der Lehrerschaft ließ »Herolde der Musen«(71) entstehen, die nicht mit Kindern umzugehen verstanden. »Diese genießen May als Gegengift gegen die Schule«; »frohgemut hat sie meistens nicht die Schule, sondern Karl May gemacht.«(72) Aus dem Widerspruch zwischen der gelehrten schulischen Muskelspielerei und der vorenthaltenen Realität einer Schule des Kindes leitet Gurlitt die damals mißverstandene pädagogische Wirkung Mays auf Jugend und Volk ab: »Schulleiter, die vorher für ihn warm eingetreten waren, entfernten seine Werke aus den Schulbibliotheken.«(73) Aber damit verlassen wir das jetzige thematische Anliegen (Abbild der zeitgenössischen Pädagogik) und überlassen das Weiterverfolgen einer späteren Abhandlung.

   Die Pädagogik des "Neuen Kurses" ab 1890 war letzlich auch ein Streit zwischen traditionell humanistischer und realienbezogener Bildung. Humboldt hatte gerade die Schulfächer wie Latein, Griechisch, Mathematik und Literatur gefordert, die, fernab einer utilitären Bezugsorientierung, den Menschen in seinem Wesen bilden sollten. Erst die Zwänge einer ökonomischen Neuorientierung ließen das Humboldtsche System brüchig erscheinen (man denke auch an die 1960er Jahre in Deutschland). Eine Entscheidung wurde staatspolitisch gesetzt: Wilhelm II. forderte 1890 mehr Leibesübungen, mehr deutsche Geschichte und die Beseitigung des lateinischen Aufsatzes, denn er wollte die Jugend nicht zu Griechen oder Römern, sondern zu Deutschen erzogen sehen. Im Jahre 1900 wurden die verschiedenen gymnasialen Formen als gleichwertig anerkannt.(74)

   Die Realienbildung hatte nun endlich gegenüber der humanistischen aufgeholt. Letztlich war der Streit ein Streit um das Latein als Unterrichts- und Bildungsfach. Wie schlägt dieser sich im Werke Mays nieder? Wir erwähnen einige exemplarische Stellen und kommen zu einer dreigliedrigen Einschätzung.

1. Latein war zu Mays Zeiten, außer in wissenschaftlichen Kreisen, keine Sprache der Kommunikation. So reduzierte sie sich in den Augen der Gymnasiasten auf das Auswendiglernen von Vokabeln und Grammatik. Das empfand auch der blaurote Methusalem, dessen Jugendwunsch der Beruf des Brauers war. Der Vater aber hatte den Ehrgeiz, einen gelehrten und angesehenen Sohn zu haben. »Ich sträubte mich


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dagegen, denn ich wollte nichts andres werden, als was auch er geworden war, ein Brauer. Mein Sträuben half nichts. Ich mußte fada, die Bohne, deklinieren, obgleich mir der Hopfen über alle Bohnen ging.«(75) Totes, wenn auch gelehrtes Wissen stritt mit dem praktischen; »ein unnützes Mitglied der menschlichen Gesellschaft« will dann endlich »Thaten tun«.(76) Wir erinnern uns bei dieser Episode an Mays Vater, der seinem Sohn über den Herrn Pastor eine lateinische Grammatik als Lernstoff überließ. Die damit angestrebte Nützlichkeit, den lateinischen Text unserer Kirchengesänge in die deutsche Sprache übersetzen zu lernen (LuS 68), kann nur ironisch aufgefaßt werden. Karl lernte auswendig:

Ein [p]uer lernen muß,
Wenn er will werden dominus,
Lernt er aber mit Verdruß,
So wird er ein asinus!
(LuS 68)

Der Vater, der ganz entzückt über diesen Vierzeiler (LuS 69) war, fand wohl Gefallen an asinus und dominus, deren Bedeutung er schichtenspezifisch verstand: erst die lateinische Bildung garantierte die "Dominanz" in der Gesellschaft. Doch in der Rückschau der Autobiographie blieb das Gelernte formelhaftes Wissen, sein mittransportierter Gegenstand konnte die traditionelle formale Bildung nicht weiterentwickeln.

2. Ein zweiter Werkkreis zentriert sich um das Latein als zu vermittelndes Wissen für den Leser. Es handelt sich hier um spezielle Jugendbücher Mays ("Die Sklavenkarawane", "Der Geist des Llano estakado", "Das Vermächtnis des Inka"; 1887 bis 1892); das mitgegebene Lateinvokabular richtete sich am Gymnasiasten der damaligen Zeit aus. Doktor Morgenstern vermittelt dem jugendlichen Leser nicht nur zoologische Fachausdrücke (z. B. Eidechse, lateinisch Lacerta genannt(77)), sondern übersetzt auch, was zu seiner typischen Sprachmarotte wird, im laufenden deutschen Kontext hervorstechende Wörter ins Lateinische. Im erzählten Geschehen bleibt dieser gelehrige Kauz jedoch spannungsretardierend, unfähig des rauhen Lebens in der Pampa, der nur naiv glücklich die Abenteuer auf der Suche nach seinem Mastodon übersteht. Morgenstern bekennt stolz: »Ich bin Privatgelehrter und studiere die Vorwelt«, worauf Vater Jaguar kontert: »Und ich bin Laie und studiere die Mitwelt.«(78)

   Ähnlich "lernt" der jugendliche Leser botanische und zoologische Namen in der "Sklavenkarawane"(79) – z.B. »Ach so, ein Flußadler, Haliastus vocifer, ein prachtvolles Tier!« (Skl. 153) Oft in Mays Jugendliteratur wird dieses Wissen in lustiger didaktischer Form geboten, wie die Verwechselungen der Wissenschaften im Gespräch des Slowaken mit Schwarz zeigen (Skl. 52f). Darin wird sich der Schüler wieder-


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finden [wiederfinden], der, wenn er im Raten sein Prüfungsheil finden will, mit Sicherheit das Falsche trifft.

   Auch die dritte hier zu erwähnende Jugendschrift, "Der Geist des Llano estakado", vermittelt Lateinwissen:

»Gaudeamus, Igelkur,
Juvenal kaut Humus!«
(80)

Diese und viele weitere lateinische Redewendungen, die Hobble-Frank zum besten gibt, mögen die Studenten in den Bierkellern gesungen haben (vgl. "Auerbachs Keller"). May vermittelt Wissen: »humorvoll und in Form von Rätseln, die zwar anspruchsvoll, aber dem Niveau der (damaligen) Gymnasiasten durchaus angemessen gestaltet sind.«(81)

   Die Jugendromane zeigen das Latein als damals empfundenes "fossiles" Wissen (Inka), das als termini technici in die Wissenschaften gehört (Sklavenkarawane), das aber auch schon verballhornt (Geist) und zum albernen Blödsinn wird.

3. Kurz vor der Anerkennung der lateinlosen Schulen erscheint "»Weihnacht!«"(82) 1897. Hier wird der fehlende Lebens- und Realitätsbezug lateinischer Redewendungen deutlich. Auf einer Wanderung kehren Sappho und Carpio beim Wirt Franzel ein, der auf Schulmeister studiert, die Sache aber aufgegeben (hat), weil ihn die reiche Wirtin zum Mann genommen hat. (Weihnacht 29) Er kompensiert sein versäumtes Studium, indem er seine Gespräche mit lateinischem Glanz verziert: »Ich weiß, was Bildung heißt. Corvus corvo nigredinem objicit!« (Weihnacht 36) Nur der Wissende durchschaut die Bildung: Den lateinischen Text hatte er sich gemerkt, aber nicht den Sinn desselben, und so durfte man sich nicht darüber wundern, daß er sie meist grad dann in Anwendung brachte, wenn ihr Gebrauch zum Unsinn wurde. (Ebd.) Diese Verwendung des Lateinischen karikiert den Angehörigen einer "gebildeten" Schicht und die Hohlheit solcher Bildungsrequisiten gegenüber den echten Lebenssituationen.(83) Daß das natürlich auch anders geht und sein muß, zeigt May allerdings auch, indem in richtiger Situation das passende Sprichwort eingeflochten wird: Er [Carpio] erklärte, seinen Heißhunger nur durch die allerstrengste Diät wieder herstellen zu können: Similia similibus curantur. (Weihnachten 93).(84)

   Unsere dreifache Aspektierung an exemplarischen Werkausschnitten Mays zeigt nunmehr den Stellenwert, den die lateinische Sprache und sein Erlernen in der damaligen Zeit besaß: angesichts des Realitätssinns der Menschen im ausgehenden Jahrhundert war es nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse der Lebenserfordernisse zu befriedigen.


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1 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910) S. 39 (Repr. Hildesheim–New York 21982, hrsg. von Hainer Plaul) (künftig: LuS))

2 Hans-Georg Herrlitz u. a.: Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Königstein/Ts. 1981 S. 55. Vgl. Hannsferdinand Döbler: Döblers Kultur- und Sittengeschichte der Welt, Bd. V: Schrift, Buch, Wissenschaft. München 1978, bes. S. 167 bis 171 auf Sachsen bezogen.

3 Karl May: Der verlorene Sohn. Dresden 1883–85. Repr. Hildesheim–New York 1970ff. S. 485 (künftig: VS)

4 Karl May: Der Weg zum Glück. Dresden 1886/87. Repr. Hildesheim–New York 1971 S. 669 (künftig: WzG)

5 Herrlitz wie Anm. 2 S. 50

6 Rainer Bölling: Sozialgeschichte der deutschen Lehrer. Göttingen 1983 S. 68

7 Dieter Arendt: Der Lehrer als Hungerleider. In: betrifft: erziehung, 18. Jg. (1985), Heft 10, S. 44–52. Vgl. auch Erich Kästners "Das fliegende Klassenzimmer".

8 Ludwig Gurlitt: Gerechtigkeit für Karl May! Radebeul 1919 S. 24–29

9 Zwei Beispiele sollen erwähnt werden: Dieter Sudhoff: Karl Mays "Schamah". Eine Werkanalyse. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1984. Husum 1984 S. 193–195, und Hartmut Vollmer: Die Schrecken des "Alten": Old Wabble. Betrachtung einer literarischen Figur Karl Mays. In: Jb-KMG 1986. Husum 1986 S. 159.

10 Sudhoff wie Anm. 9 S. 195

11 Douglas R. Skopp: Auf der untersten Sprosse. In: Geschichte und Gesellschaft 6 (1980) S. 383–402 (S. 386)

12 Adolph Diesterweg: Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer 1838. Ndr. von Julius Scheveling. Paderborn 1958 S. 8f.

13 Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor. Berlin 1931 S. 34. Eine Karikatur dieser Zeit übertreibt nicht, wenn sie einen Lehrer bitten läßt, eine abgetragene Hose vom Schulpatron erhalten zu dürfen.

14 Bölling wie Anm. 6 S. 70f. Vgl. Konrad Fischer: Geschichte des Deutschen Volksschullehrerstandes, Bd. II: Von 1790 bis auf die Gegenwart. Hannover 1892.

15 Karl May: Der blau-rote Methusalem. Stuttgart (1892) S. 7f.

16 Bölling wie Anm. 6 S. 76–80

17 Herwig Blankertz: Bildung im Zeitalter der großen Industrie. Pädagogik, Schule und Berufsbildung im 19. Jahrhundert. Hannover 1969 S. 96f. Wie die Strenge auf Schule und Ausbildungsseminare weiterwirkte, zeigt Thomas Mann (1901) in einer amüsanten Episode über Hanno Buddenbrooks Schultag: Die Buddenbrooks. Verfall einer Familie. Frankfurt a. M.–Hamburg 1965 S. 493–502 (Fischer TB).

18 Raabe wie Anm. 13 S. 35

19 Bölling wie Anm. 6 S. 63

20 Vgl. Helmut Berding: Die deutsche Revolution von 1848/49. Quellen zur Geschichte und Politik. Stuttgart 1985 S. 40f. (vor allem Punkt 7).

21 Centralblatt für die gesammte Unterrichts-Verwaltung in Preußen, Jg. 1ff. (1859ff.). Berlin S. 291

22 Karl May: Des Kindes Ruf. In: Karl May: Erzgebirgische Dorfgeschichten. Dresden–Niedersedlitz o. J. (1903) S. 51

23 Herrlitz wie Anm. 2 S. 96–101

24 Bölling wie Anm. 6 S. 55f.

25 May absolvierte in Waldenburg nach einem einjährigen Proseminar das Hauptseminar; in der Zeit der II. Klasse ereignete sich der bekannte Vorfall, der seine Relegation zur Folge hatte. Nach Genehmigung der Fortsetzung des Studiums ging er nach Plauen im Vogtland, wo er 1861 mit der Schulamtskandidatenprüfung seine Studienzeit beendete. Das Lehrerseminar in Plauen war 1797 erstmals genannt und eng mit dem Städtischen Gymnasium verbunden. Obwohl es bereits 1810 unter der Bezeichnung "Vogtländisches Schul-Lehrer Seminarium" staatlich anerkannt wurde, trennten sich beide Bildungsanstalten erst 1835. Ein eigenes Gebäude erhielt es 1844/45. Die wechselvolle Geschichte, ihre Bauten und die Aufnahme weiblicher Absolventen, die Anzahl der Zöglinge und die Seminarübungsschulen erwähnt Gerd Kramer in dem Kalender "Sächsische Gebirgsheimat" 1987. Etwa hundert Jahre nach Mays


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Geburtsjahr, das sei hier noch erwähnt, erscheint die Schulchronik "Plauener Seminarbote" (1908–1941), in der C. Forberger ein Schülerverzeichnis erscheinen ließ, in dem Karl May aufgeführt ist.

26 Erich Loest: Swallow, mein wackerer Mustang. Karl-May-Roman. Hamburg 1980 S. 38

27 Karl May: Das Geldmännle. In: May: Erzgebirgische Dorfgeschichten wie Anm. 22

28 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VII. Winnetou der Rote Gentleman I Freiburg 1892 (künftig: GR 7)

29 Deswegen fehlt diese "unrühmliche" Vorgeschichte Klekih-petras auch in der Winnetou-Ausgabe der DDR; vgl. dazu ausführlich Ingmar Winter: Der "rote" Gentleman. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 67/1986 S. 35

30 Karl May: Die Liebe des Ulanen. Dresden 1901f. Repr. Hildesheim–New York 1972 S. 62 (künftig: Ulan)

31 Loest wie Anm. 26 S. 38. Man erinnere sich auch an die "Gefängniserziehung" des Wilhelm Voigt in Carl Zuckmayers "Der Hauptmann von Köpenick".

32 Blankertz wie Anm. 17

33 Karl May: Die Gum. In: Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. X: Orangen und Datteln. Freiburg 1894 S. 5

34 Man vergleiche hiermit das Gedichteschreiben und die daraus folgenden Verweise und anderen Strafen in Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIV. »Weihnacht!«. Freiburg 1897 S. 18.

35 Interessant wäre eine nähere Untersuchung über die autobiographische Episode (LuS 58–62), in der Karl als Trommler im Erwachsenentheater mitspielt. Auch auf diesem Feld hat er sich den Anweisungen der Erwachsenen zu fügen, die er mit seinem Trommlermarsch auf der Bühne kindlich verspielt durchbricht. Das erinnert an den Trommler Oskar Matzerath (Günther Grass: Die Blechtrommel), der durch seine Trommel sein Kindsein gegen eine Erwachsenenwelt demonstriert.

36 Bei Raabes "Hungerpastor" wird ein ekliges Bild eines Schulgebäudes gezeichnet (wie Anm. 13 S. 33f.). Ein ebenso katastrophales Bild wird die Fabrikschule geboten haben, vgl. dazu Peter Richter: Die Chemnitzer Textilindustrie und ihre Fabrikschulen. In: M-KMG 59/1984 S. 33–37.

37 Vgl. May: Ulan wie Anm. 30 S. 62. Der "Lehrer" Müller ist nicht als Lehrer ausgebildet, meistert dennoch seine Aufgabe. Bei Gerd Gaiser – 1958 – ist die Lehrerfigur Soldner ebenfalls wegen ihrer nie erlebten Ausbildung trotzdem ein "vorbildlicher" Lehrer, vgl. Gerd Gaiser: Schlußball. Frankfurt a. M. 1974 S. 122.

38 Hainer Plaul und Klaus Hoffmann: Stand und Aufgaben der Karl-May-Forschung. Dargelegt auf der Grundlage zweier Privatarchive. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970 S. 186f., Klaus Hoffmann: Zeitgenössisches über »ein unwürdiges Glied des Lehrerstandes«. Pressestimmen aus dem Königreich Sachsen 1864–1870. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971 S. 110, Loest wie Anm. 26 S. 57; Plaul: Anhang zu May: Leben und Streben wie Anm. 1 S. 372, Anm. 111. Das Unterrichten muß nicht leicht gewesen sein, der Lehrer war den Schülern wie ein "Todeskandidat" ausgeliefert; dazu Ernst Wiechert: Der Todeskandidat. In: Der Vater. Drei Erzählungen. Wien–München–Basel 1954 S. 54.

39 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIX: Im Reiche des silbernen Löwen IV. Freiburg 1903 S. 210

40 Herrlitz wie Anm. 2 S. 92f.

41 Blankertz wie Anm. 17 S. 129

42 Herrlitz wie Anm. 2 S. 88. Man vergleiche auch die Nachwirkungen in: Karl Kupisch (Hrsg.): Quellen zur Geschichte des deutschen Protestantismus. München–Hamburg 1965 S. 93.

43 nach Herrlitz wie Anm. 2 S. 95

44 Bölling wie Anm. 6 S. 61

45 Blankertz wie Anm. 17 S. 95

46 Herrlitz wie Anm. 2 S. 99

47 Bernhard Michael und Hans-Heinrich Schepp (Hrsg.): Politik und Schule von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart. Bd. I. Frankfurt a. M.1973 S. 409. Das


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Beamtentum, eingeordnet in den staatsdienlichen Vollzugsapparat, blieb die Stütze der Herrschaft. Wir erinnern nur an Professor Unrats Sohn, der trotz der schlechten Gesellschaft und seines Examensabbruchs »immer noch ein brauchbarer Beamter hätte werden können«; Heinrich Mann: Professor Unrat. Hamburg 1951 S. 16 (Rowohlt TB). Manns Roman erschien 1905.

48 Ich folge der Anordnung der meisten Geschichten der Pädagogik; vgl. Albert Reble: Geschichte der Pädagogik. Stuttgart 51960 S. 247 bis 253; Hermann Weimer: Geschichte der Pädagogik. Berlin 161964 S. 143–160.

49 Vgl. das literarische Abbild bei Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXX: Und Friede auf Erden! Freiburg 1904 S. 549.

50 Ebd.

51 Man beachte auch das literarische Bild dieser Zeit, in dem eine Frau (Anna Mahr) nach Zürich gegangen war, um zu studieren; Gerhart Hauptmann: Einsame Menschen. Frankfurt a. M.–Hamburg 1962 S. 91 (1. Akt).

52 Die Entwicklung und Begründung sei hier ausgespart. Nachzulesen bei Weimer wie Anm. 48 S. 144f.; Reble wie Anm. 48 S. 247ff.; vor allem aber bei Blankertz wie Anm. 17 S. 95–100.

53 Friedrich Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen. (Besonders:) "Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten". Zweiter Vortrag (6.2.1872). In: Friedrich Nietzsche: Gesammelte Werke 2. München 1964 S. 283–298

54 Karl May: Ein Bauer an die Gelehrten. In: Karl May's Gesammelte Werke Bd. 49: Lichte Höhen. Bamberg 1956 (123. Tsd.) S. 433

55 Darüber mehr bei Blankertz wie Anm. 17S. 135–138

56 Die "Preisfrage" der Erfurter Akademie im Jahre 1900 lautete: »Wie ist unsere männliche Jugend von der Entlassung aus der Volksschule bis zum Eintritt in den Heeresdienst am zweckmäßigsten für die bürgerliche Gesellschaft zu erziehen?« Die Antwort: Georg Kerschensteiner: Die Erziehung der deutschen Jugend. In: Jahrbuch der Königl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Neue Folge, Bd. XXVII (1901) und ders.: Staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend. Erfurt 1901. Heute in: ders.: Berufsbild und Berufsschule in: Schriften I. Hrsg. von Wehle. Paderborn 1966

57 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909 S. 410f.

58 May: Und Friede auf Erden wie Anm. 49 S. 549

59 Erik H. Erikson: Identität und Lebenszyklus. Frankfurt a. M. 1980

60 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVIII: Im Reiche des silbernen Löwen III. Freiburg 1902 S. 362

61 Ebd. S. 367

62 Ebd. S. 413f.

63 Ebd. S. 414

64 May: Im Reiche des silbernen Löwen IV wie Anm. 39 S. 210

65 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VI: Der Schut. Freiburg 1892 S. 602. Der Umschwung der Pädagogik, gespiegelt im Werk Karl Mays, ist dargestellt worden von Ingmar Winter: »Bin doch ein dummer Kerl«. Vom Spurenlesen beim Spurenlesen. In: Jb-KMG 1987. Husum 1987 S. 47–68. Es bleibt immer noch ein weiter Weg zum Lehrer als Lerner: das blieb dem neuen Jahrhundert überlassen; vgl. Erich Kästner: Als ich ein kleiner Junge war. In: Ges. Schriften für Erwachsene. Bd. 4. Zürich 1969 S. 55. Bei Mays pädagogischer Intention zum "Edelmenschen als allgemeinem Erziehungsauftrag ist die Parallelität zu Pestalozzis (unverstandenem) Ziel der Wesensbildung aller Menschen aufgefallen. Es muß überprüft werden, ob das Mays explizite Aufnahme war (durch die Lehrerausbildung naheliegend) oder ob die Parallelität durch die Zeitforderungen entstand. Vgl. dazu Harald Zühlsdorf: Die pädagogische Diskussion im Streit um Karl May. Eine Dokumentation. Magisterarbeit (maschschrftl.). Lich 1985 S. 143.

66 May: Im Reiche des silbernen Löwen III wie Anm. 60 S. 427

67 Ebd. S. 425

68 Gurlitt wie Anm. 8 S. 106f.


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69 Ebd. S. 77

70 Ebd. S. 107

71 Ebd. S. 77

72 Ebd. S. 107

73 Ebd. S. 76; vgl. auch S. 148–164.

74 Blankertz wie Anm. 17 S. 108

75 Gleich zu Beginn des Bandes "Der blau-rote Methusalem" (wie Anm. 15 S. 8). Auf diese Entwicklung des Methusalems ist andernorts hingewiesen worden. Er wird, da er die jugendliche Seele der (damaligen) Zeit wiedergibt, als ein Vorläufer der Arbeitsschulbewegung gekennzeichnet, so von Fritz Prüfer: Die Jugendschrift "Der blaurote Methusalem". Methodisch psychologische Streiflichter. In: Karl-May-Jahrbuch 1918. Radebeul 1918 S. 104. Dieselbe Entwicklung »von der Ferne in die Nähe, vom exotischen Traum zu besonnener Leistung, vom Abenteuer zur Arbeit« findet Heinz Stolte in der "Sklavenkarawane". – Vgl. Heinz Stolte: Ein Literaturpädagoge. In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973 S. 178. Würdigung beider Arbeiten unter diesem Aspekt durch Zühlsdorf wie Anm. 65 S. 70f.

76 May: Der blau-rote Methusalem wie Anm. 15 S. 9

77 Karl May: Das Vermächtnis des Inka. Stuttgart (1895) S. 112

78 Ebd. S. 61

79 Karl May: Die Sklavenkarawane. Stuttgart (1893) (künftig: Skl.). Daß May nicht nur an den Schüler, sondern auch an den Lehrer gedacht haben soll, verlegt Erich Loest (Swallow wie Anm. 26) in den fiktiven Dialog: »Abends liest er immer dieselbe Stelle aus "Durchs wilde Kurdistan", in ihren Wirkungen erprobt er sie auf Schüler, die Spannung suchen und auf Lehrer, die Völkerkundliches für ihren Unterricht aus erster Hand erfahren wollen.« (S. 247)

80 Karl May: Der Geist des Llano estakado. In: Die Helden des Westens. Stuttgart (1890); hier zitiert nach: Karl May: Der Geist des Llano estakado. Stuttgart 1984 S. 143 (Reclam UB 8235)

81 Bernhard Kosciuszko: Anmerkungen in: May: Der Geist des Llano estakado wie Anm. 80 S. 304

82 Karl May: Weihnacht wie Anm. 34

83 Corvus corvo nigredinem objicit: Der Rabe wirft dem Raben seine schwarze Farbe vor.

84 Similia similibus curantur: Gleiches wird mit Gleichem geheilt (homöopathischer Grundsatz).


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