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JÜRGEN WEHNERT

Joseph Kürschner und Karl May
Fragmente einer Korrespondenz
aus den Jahren 1880 bis 1892



Da die Beziehungen Karl Mays zum Schriftsteller, Redakteur, Verbandsfunktionär und Verleger Joseph Kürschner (1893–1902)(1) bereits mehrfach Gegenstand ausführlicher Darstellungen in den Jahrbüchern der Karl-May-Gesellschaft gewesen sind,(2) kann sich der vorliegende Beitrag ohne weitschweifige Einführung jener bisher nur kursorisch behandelten Zeitspanne zuwenden, die den Beginn ihrer rund zwanzig Jahre währenden Bekanntschaft bildete: Kürschners Stuttgarter Tätigkeit als Redakteur im Verlag W. Spemann (1880–1889) sowie als "litterarischer Direktor" in der Deutschen Verlags-Anstalt (1889–1892).

   Dank des freundlichen Entgegenkommens von Roland Schmid (Karl-May-Verlag) ist es möglich, die noch erhaltenen Teile der Korrespondenz zwischen Kürschner und May aus diesen Jahren vorzulegen,(3) die, ihrer Lückenhaftigkeit zum Trotz (schmerzlich ist vor allem der Verlust sämtlicher Briefe Mays an Kürschner, deren Zahl und Inhalt freilich aus den Schreiben Kürschners recht sicher rekonstruiert werden kann), sowohl einige Mosaiksteine aus Mays längst noch nicht vollständig erhellter Biographie der achtziger und frühen neunziger Jahre abwerfen als auch Antwort auf die bisher nicht befriedigend gelöste Frage geben, in welchem Umfang May für die von Kürschner betreuten Blätter Textbeiträge zur Verfügung gestellt hat.(4) Da die erhaltene Korrespondenz nur die Jahre 1884–1890 berührt, der hier zu besprechende Zeitraum aber die Jahre 1880–1892 umfaßt, ist es erforderlich, die Dokumentation des Schriftwechsels durch eine summarische Einleitung und eine (notgedrungen) ausführliche Ausleitung einzurahmen.


1.  D i e  J a h r e  1 8 8 0 – 1 8 8 3

In einem am 10.5.1880 geschlossenen Vertrag mit Wilhelm Spemann (1844–1910) verpflichtete sich der damals in Berlin ansässige Theaterkritiker und Redakteur Joseph Kürschner zur Lieferung einer "Illustrierten Musikgeschichte".(5) Auch wenn dieses Vorhaben nie realisiert wurde,(6) war dadurch ein Kontakt mit dem bekannten Stuttgarter Verleger hergestellt, dem Kürschner vermutlich noch im selben Jahr 1880(7)


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eine wesentlich erfolgreichere Übereinkunft zu verdanken hatte: sein Engagement als Redakteur für die von Spemann geplante Monatszeitschrift "Vom Fels zum Meer" – ein Unternehmen, dem sich Kürschner sofort nach seinem Übertritt mit besonderer Hingabe widmete, verhalf es ihm doch aus bisher völlig ungesicherten Verhältnissen zu einem ungeahnten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg.(8) In einer offenbar zunächst reibungslos verlaufenden Zusammenarbeit mit Spemann, der als Herausgeber des Blattes fungierte,(9) verstand es Kürschner »geradezu glänzend, diesen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen und wertvolle Beiträge herbeizuschaffen«.(10)

   Das Eröffnungsheft der neu begründeten Zeitschrift erschien am 1.9.1881 und wurde ein derartiger Erfolg, daß eine zweite und dritte Auflage der ersten Nummer erforderlich wurde.(11) Bereits am 3.10.1881 berichtet Kürschner »von einem Abonnentenstamm von 15000 Adressen«, der noch im Laufe des ersten Jahrgangs (bis September 1882) auf 35000 anwächst.(12) Mit dem kontinuierlichen Anstieg »auf 65000 monatliche Exemplare im Jahr 1885 wird "Vom Fels zum Meer" zu einem soliden Gewinnobjekt, das seinem Verlag zu allgemeiner Beachtung und finanzieller Sicherheit verhilft«.(13)

   Wann Kürschner bei seinen Bemühungen, zugkräftige Beiträge für "Vom Fels zum Meer" zu gewinnen, erstmals auf Karl May aufmerksam wurde, läßt sich nicht mehr präzise erhellen. Einer Notiz Adolf Spemanns zufolge dürften jedoch Mays im Jahre 1879 bei Franz Neugebauer, Stuttgart, erschienene Bücher "Im fernen Westen" und "Der Waldläufer" Anlaß gegeben haben, sich mit May in Verbindung zu setzen.(14)

   In Mays später Erinnerung stellt sich dieser Vorgang folgendermaßen dar: Professor Josef Kürschner, der ebenso fleissige wie berühmte Bibliograph, stand im Begriff, für Spemann, später »Union« in Stuttgart, ein Blatt im höheren Style zu ergründen. Er nannte es »Vom Fels zum Meere«, und ich sollte mich hieran beteiligen.(15) Nimmt man den Hinweis auf die Gründung der Zeitschrift ernst, muß die Einladung an May bereits 1881(16) erfolgt sein. Jedenfalls hat May nicht gezögert, Kürschner seine Zusage zu signalisieren, die er bereits im Folgejahr einlöste: Im November 1882 erschien das kurdische »Christi Blut und Gerechtigkeit«, bald darauf im März 1883 das lappländische »Saiwa tjalem«.(17) Ferner entstand (vermutlich in der ersten Hälfte 1883) "Ein Oelbrand. Erzählung aus dem fernen Westen", ein Beitrag, der allerdings nicht im "Fels", sondern in dem von Spemann 1880 begründeten "Jahrbuch für Haus und Familie" "Das Neue Universum" veröffentlicht wurde.(18)

   Der Eindruck, den diese Beiträge bei Kürschner und nicht weniger bei Spemann hinterließen, war offenbar derartig positiv, daß Spemann im Mai 1883 mit dem Angebot an May herantrat, einen "allgemeinen Verlagsvertrag" über »eine große Reihe noch nicht geschriebener Ro-


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mane [Romane] unter dem Sammeltitel "Ein Weltläufer"« zu schließen;(19) zwei Exemplare eines solchen Kontraktes (samt einem Vorschuß von 200 Mark) leitete Spemann am 17.5.1883(20) May zu, der sie wenige Tage später mit verschiedenen Änderungsvorschlägen an Spemann zurücksandte.(21) Wie Kürschners Brief vom 15.11.1886 (s. u.) erkennen läßt, dürfte der Vertrag (der neben der Lieferung neuer Reisenovellen vielleicht auch die Buchveröffentlichung der im "Deutschen Hausschatz", in "Vom Fels zum Meer" usw. erschienenen Ich-Erzählungen Mays vorsah(22)) anschließend wirksam geworden sein, ohne daß es freilich zu seiner Verwirklichung kam(23) – so konnte May den erhaltenen Vorschuß erst viel später und in ganz anderer Weise kompensieren (s. u. S. 352f.).

   Angesichts dieser Offerte Spemanns sowie der nachfolgend beständig wiederholten Einladungen Kürschners zur Mitarbeit an "Vom Fels zum Meer" mutet es doppelt tragisch an, daß sich May von Herbst 1882 bis Sommer 1887 ausgerechnet als Fronschreiber an den Dresdner Kolportageverleger Heinrich Gotthold Münchmeyer (1836–1892) verdingte und so eine Art geistiger Haftzeit auf sich nahm, die wirtschaftlich durch äußerst magere Honorare und persönlich durch unentrinnbar-klebrige Dauerkontakte zur Familie Münchmeyers in unerträglicher Weise belastet war.(24) Angesichts dieser nach außen hin sorgfältig verborgenen Verhältnisse Mays wird verständlich, wieso sein bisheriger Verleger Pustet in Regensburg weithin und nun auch Kürschner/Spemann in Stuttgart vollständig vergeblich auf die von ihnen ersehnten Manuskripte warten mußten.

   Daß Kürschners Briefe an May aus den Jahren bis 1887 eine gewisse Ratlosigkeit widerspiegeln, ist vor diesem Hintergrund mehr als verständlich – zumal Kürschner aus den wenigen von ihm aufmerksam festgestellten Veröffentlichungen Mays eher auf dessen Unterbeschäftigung schließen mußte. Dennoch blieb Kürschners Interesse an May (vielleicht auch auf Drängen Spemanns) größer als sein Ärger über die durchweg fruchtlose Korrespondenz: In immer neuen Anläufen versuchte er, May als Mitarbeiter für "Vom Fels zum Meer" zurückzugewinnen.


2.  D i e  J a h r e  1 8 8 4 – 1 8 8 9

Vom anfangs mutmaßlich regen Schriftverkehr zwischen Kürschner und May ist (Spemanns Briefe vom 17. und 28.5.1883 einmal unberücksichtigt gelassen(25)) nichts überliefert. Das älteste erhaltene Dokument datiert vom September 1884 und hat zudem (als einziges) nichts mit Mays Tätigkeit für die von Kürschner betreuten Zeitschriften zu tun, ist aber dennoch nicht ohne Interesse.

   Es handelt sich um einen »An Deutschlands Schriftstellerwelt« über-


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schriebenen [überschriebenen] vierseitigen Prospekt, der für die im Selbstverlag Kürschners herausgegebene "Deutsche Schriftsteller-Zeitung" (DSZ) wirbt. Zu Kürschners Bemühungen in den achtziger Jahren, die Organisation der deutschen Schriftsteller zu ihrer rechtlichen und finanziellen Sicherstellung voranzutreiben, siehe die ausführliche Darstellung von R. W. Balzer.(25a) Kürschners ehrgeizigstes Projekt war die Gründung eines für die Interessen seiner Mitglieder streitenden "Deutschen Schriftsteller-Vereins" (konstituiert im Dezember 1885(26)), dem Kürschner freilich bereits Mitte 1886 wegen unüberwindlicher interner und vor allem finanzieller Schwierigkeiten (die von Kürschner angeregte "Pensions-, Darlehns- und Unterstützungskasse" ließ sich nicht kurzfristig verwirklichen) den Rücken kehrte.(27) – Wirksamer, wenngleich ohne politischen Einfluß, blieb hingegen der von Kürschner Anfang 1882 von den Brüdern Heinrich (1885–1906) und Julius Hart (1859–1930) übernommene "Allgemeine Deutsche Litteratur-Kalender" (seit dem 5. Jg. 1883: "Deutscher Litteratur-Kalender"), den Kürschner bis zu seinem Lebensende als »Vereinigungspunkt, in dem die litterarische Welt Deutschlands in ihrer Gesamtheit friedlich bei einandersteht«,(28) herausgab und der bis heute mit seinem Namen verbunden ist.(29)

   Die im Dienste seiner Verbandspläne stehende DSZ stand freilich von Beginn an unter keinem günstigen Stern – schon der an May gesandte Prospekt verrät, daß das Vorhaben nur schleppend vorankam: Dasselbe Zirkular hatte Kürschner schon im Juli 1884 versandt,(30) offenbar mit so geringer Resonanz, daß im September eine umdatierte Zweitauflage erforderlich wurde. Entsprechend mußte Kürschner den Erscheinungsbeginn des Blattes vom 1.10.1884 (so der Juli-Prospekt) auf den 1.1.1885 verschieben.

   Daß May höchstwahrscheinlich nur ein Exemplar der Zweitauflage erhielt, mag zwanglos so zu deuten sein, daß er 1884 für Kürschner nicht zu den "ersten Adressen" gehörte, die dieser für sein Unternehmen zu gewinnen hoffte. Es steht zu vermuten, daß Kürschner die erste Auflage nur an ausgewählte Autoren versandt hatte, während er die zweite möglicherweise unterschiedslos jenen rund 6000 Adressen zugehen ließ, die ihm als Herausgeber des "Deutschen Litteratur-Kalenders" unmittelbar zur Verfügung standen.(31)

   Das faksimilierte Handschreiben, das den Prospekt in beiden Auflagen einleitet, schließt mit dem Satz: »Ich hoffe zuversichtlich auch Sie meinem vorhaben geneigt zu finden u. werde von aufrichtiger freude erfüllt sein bei der realisierung des auf den nutzen des ganzen gerichteten unternehmens auch Sie mit rath u. that an meiner seite zu wissen«(32) – Worte, die bei May auf durchaus goldenen Boden fielen: Er abonnierte das Blatt (in Mays Prospekt fehlt der Seite 4 angehängte "Bestellzettel", ferner sind in der nachfolgenden Korrespondenz einige Bezugnahmen Mays auf Kürschners DSZ-Beiträge unverkennbar) und er-


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wog sogar ernsthaft, wie er Kürschner »mit rath u. that« zur Seite stehen könnte. Mays Interesse fanden dabei besonders die S. 4 des Prospektes abgedruckten Honorarbedingungen (»Das Honorar beträgt für den 8seitigen Bogen . . . M 80«), die sich aufgrund klarer Detailangaben (»Der höchste Umfang, den ein Artikel  a u s n a h m s w e i s e  haben darf, beträgt 3 Seiten« à zwei Spalten – »Spaltengrösse wie die dieses Prospektes«) in eine einfache Berechnung übersetzen ließen, die May am Oberrand der zweiten Prospektseite vornahm:

   60 Zeilen · 15 Sylb.                    22 · 20
    900 Sylben d. Spalte.                    440

440 5400 Sylben = 3 Seiten. 12 Seiten d. Beitrag.
       440
       1000
        880

May zählt die Zeilen pro Prospektspalte korrekt mit sechzig und errechnet eine durchschnittliche Silbenzahl pro Zeile von 15. Daraus ergibt sich, daß der maximal zugelassene Beitrag von 3 Seiten 6 · 900 = 5400 Silben enthalten durfte. Diese Zahl teilt May durch die für seine Manuskriptblätter übliche Silbenzahl von 440 (22 Zeilen à 20 Silben) und erhält so das abgerundete Ergebnis, daß der Höchstumfang eines Beitrages für die DSZ 12 seiner Manuskriptseiten betragen darf.

   Freilich hat May einen solchen Beitrag für die "Deutsche Schriftsteller-Zeitung" nie geliefert. Sollte May bei seiner Berechnung an eine belletristische Arbeit gedacht haben, wäre sie für dieses Blatt, das ausschließlich Sachartikel veröffentlichte, ohnehin ungeeignet gewesen; spätestens nach Erhalt der ersten Nummer im Januar 1886 dürfte May seinen Irrtum eingesehen haben.

*

Die "Vom Fels zum Meer" betreffende Korrespondenz setzt – soweit heute noch vorhanden bzw. rekonstruierbar – mit dem 7.3.1885 ein. Unter diesem Datum sandte Kürschner eine Karte mit der Bitte, May möge ihm einen »novellistischen Beitrag« für den "Fels" liefern. Da May hierauf nicht antwortete (vielleicht auch unter dem Eindruck des Todes seiner Mutter am 15.4.1885), folgte im Mai 1885 eine präzisierte Anfrage Kürschners:(33)


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Stuttgart, 19./5 1885.

   Herrn Dr. Karl May

Dresden

    Verehrtester Herr!

   Darf ich nicht noch einmal auf meine Karte vom 7./III., in welcher ich der Hoffnung Raum gab, daß Sie mich durch einen novellistischen Beitrag für "Vom Fels zum Meer" erfreuen, erinnern? Es wäre mir sehr angenehm, recht bald von Ihnen ein Manuscript zu erhalten. Ich werde gewiß Alles aufbieten Ihnen die Mitarbeiterschaft so erfreulich wie möglich zu machen. Wir wollen jetzt namentlich kurze abgeschlossene Novellen im Umfang von 6–16 Seiten bringen und wäre ich Ihnen auch für solche aufs äußerste verbunden.

    Mit vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebener
            Kürschner

»jetzt«: Von "Vom Fels zum Meer" erschien gerade der zweite Band des 4. Jg. (April–September 1885). – »von 6–16 Seiten«: Im Gegensatz zu vielen wöchentlich erscheinenden Familienblättern beschränkte sich die Monatszeitschrift "Vom Fels zum Meer" meist auf den Abdruck nur eines Fortsetzungsbeitrages; redaktionelles Ziel war offenbar, möglichst in sich abgeschlossene Hefte zu publizieren.

Die erhaltene Korrespondenz weist nun wieder eine Lücke auf, doch läßt sich aus Kürschners Schreiben vom 2.2.1886 der weitere Gang der Dinge mit beträchtlicher Sicherheit rekonstruieren:

   Da May auf den Brief vom 19.5.1885 abermals nicht reagierte (nicht ausgeschlossen ist, daß Kürschner im Herbst 1885 noch einen weiteren erfolglosen Vorstoß unternahm), wurde Kürschner im Dezember 1885 oder Januar 1886 massiver: Mit erheblicher Verstimmung bat er May um Auskunft, wieso er im "Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel" die Ankündigung eines anderen Verlages für Mays Erzählung "Im fernen Westen" finden konnte,(34) während er selbst seit Jahr und Tag vergeblich um einen Beitrag nachsuche. Ob es Gründe gebe, ihn, Kürschner, der sich gerade so stark für das Wohl des ganzen Schriftstellerstandes einsetze, anderen gegenüber zurückzusetzen?

   Durch den Ton Kürschners beunruhigt und die Information über "Im fernen Westen" neugierig gemacht, sah sich May ca. am 30.1.1886(35) veranlaßt, ein ausführliches Schreiben an Kürschner zu richten. Wie aus der Antwort hervorgeht, behandelte May darin wenigstens vier Punkte:

a) May würdigte Kürschners unermüdliches Engagement für die Belange des Schriftstellerstandes (wie May aus der "Deutschen Schriftsteller-Zeitung" wußte, hatte Kürschner aufgrund von ihm angepranger-


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ter [angeprangerter] zweifelhafter Geschäftspraktiken mit erheblichen Widerständen seitens der Verleger zu kämpfen(36)) und versicherte ihn vermutlich seiner lebhaften Sympathie (ohne freilich seinen Beitritt zum Schriftsteller-Verein zu erklären, was der natürlichste Ausdruck von Solidarität gewesen wäre(37)).

b) Um Kürschner gefällig zu sein, wies ihn May auf das Auftreten eines Doppelgängers in Dresden hin, dem Kürschner schon länger auf der Spur war:(38) Dieses Kürschner-Double habe sich bei dem May bekannten Dresdner Redakteur Ferdinand Kießling(39) vorgestellt.

c) May klärte Kürschner darüber auf, daß es sich bei "Im fernen Westen" um keine Neuveröffentlichung, sondern um einen unberechtigten Nachdruck handele, von dem er bisher nicht einmal gewußt habe. Kürschner möge ihm daher mitteilen, welcher Verlag dafür verantwortlich sei, damit er unverzüglich entsprechende Schritte einleiten könne.

d) Abschließend dürfte May angedeutet haben, sich den Manuskriptwünschen Kürschners gegenüber künftig aufgeschlossener zu zeigen.

   Diesem Brief Mays (vermutlich dem ersten nach rund einjährigem Schweigen) folgte sogleich die Antwort Kürschners, die freilich (ungewollt?) so raffiniert ausfiel, daß May zu unmittelbarer Fortsetzung der Korrespondenz genötigt wurde:

Stuttgart, 2/2 1886

   Herrn Dr. Karl May

Dresden

    Verehrter Herr!

   Ihre freundliche Antheilnahme an meinen Bestrebungen und die gütigen Gesinnungen, die Sie auch meiner Person entgegenbringen, muß mich ja wohl versöhnlicher stimmen, so sehr ich auch Grund hätte Ihnen als Redakteur zu zürnen, da Sie alle meine Aufforderungen um einen Beitrag unberücksichtigt ließen. Ich wiederhole es auch heute und bitte dringend mich durch Zusendung von Beiträgen für "Vom Fels zum Meer" zu erfreuen. Sie haben gewiß sehr Vieles, was für uns geeignet ist und Sie wissen daß ich dankbar bin. Ihre Bemerkung über meinen Doppelgänger ist mir höchst interessant und ich würde mich ungemein freuen, wenn Sie zur Entdeckung des Lumpen beitragen könnten. Ich bin überhaupt nicht in Dresden gewesen. weder jetzt noch früher und ich wären [sic!] Ihnen dankbar wenn Sie auch Kießling davon verständigen wollten. Der Verleger Ihrer Erzählung "Im fernen Westen" ist laut Börsenblatt

   Also lassen Sie bald von sich hören.
        Mit vorzüglicher Hochachtung
            Ihr ergebenster
                Kürschner


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»Bemerkung über meinen Doppelgänger«: Von einem Doppelgänger, der unter Kürschners Namen in verschiedenen Städten auftauchte und dort (in betrügerischer Absicht?) bei Redaktionen vorsprach, fühlte sich Kürschner seit Juni 1885 belästigt; vgl. seine (durch Fettdruck hervorgehobene) »Warnung und Bitte!« in der "Deutschen Schriftsteller-Zeitung" Nr. 19 vom 1.10.1885, Sp. 462, die Anlaß für Mays Nachricht gewesen sein dürfte: »Schon am 20. Juni schrieb mir ein litterar. Freund, er habe vernommen, ich sei in München gewesen u. s. w. . . . Vor einigen Tagen nun wurde mir von einer andern Persönlichkeit schriftlich das Bedauern ausgedrückt, daß ich sie bei meinen wiederholten Besuchen in München verfehlt hätte. Ich bin aber weder diesen Sommer noch überhaupt jemals in München gewesen und bat deshalb die letzterwähnte Persönlichkeit um nähere Auskunft. . . . Es handelt sich hier jedenfalls um einen Schwindler, der meinen Namen zu irgend welchem Zwecke mißbraucht hat. Ich habe auch bestimmte Vermutungen, ohne sie aber beweisen zu können. Indem ich daher nachdrücklich Redaktionen und Kollegen vor meinem Doppelgänger warne, bitte ich zugleich Diejenigen, welche mir zur Habhaftwerdung des Schwindlers irgendwie behilflich sein könnten, um gütige Mitteilung.« – »Börsenblatt«: siehe Anm. 34.

Wie aus dem Folgenden zu ersehen ist, schob Kürschner diesem Schreiben unverzüglich die Erkundigung nach, ob May gewillt sei, ihm zu einigen Illustrationen einen geeigneten Text zu verfassen – möglicherweise bewußt den Umstand ausnutzend, daß er seinen Brief vom 2.2. an der für May interessantesten Stelle abgebrochen hatte, Mays Rückmeldung also unbedingt zu erwarten stand.

Tatsächlich ließ Mays Antwort nicht lange auf sich warten. Etwa am 15.2.1886 erkundigte er sich erneut nach dem betreffenden Verlag und gab Kürschner notgedrungen die Zusage, jene Illustrationen (aus dem Brief vom 15.11.1886 [s. u.] geht hervor, daß es sich um Schiffsbilder handelte) textlich behandeln zu wollen. Durch nähere Erkundigungen – ob er dem Beitrag eine humoristische Note geben dürfe und für welche Zeitschrift er bestimmt sei – stellte er zudem wenigstens ein freundliches Interesse unter Beweis. Kürschner reagierte am 18.2.1886:

Stuttgart, 18/2 1886.

   Herrn Dr. Karl May

Dresden.

    Verehrter Herr!

   Seien Sie bestens bedankt für die freundliche Zusage zu den Illustrationen einen Text schreiben zu wollen. Ich habe gar nichts dagegen, wenn die novellistische Skizze etwas länger wird. Selbstverständlich ist der Aufsatz für "Vom Fels zum Meer" bestimmt, da ich ja keine andere belletristische Zeitung redigiere; auch mit der humoristischen Färbung


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bin ich einverstanden. Ich sende Ihnen den Original Abzug mit dem Original-Text, muß aber dringend ersuchen, daß aus dem letzteren nicht das geringste in den Text übergeht, da wir sonst mit dem Verkäufer der Clisches Unannehmlichkeiten erhielten. Den Verlag der von Ihnen gewünschten Erzählung nenne ich Ihnen nun hier. Es ist:

   Neugebauers Verlagsbuchh. Nürnberg.

Ich wiederhole übrigens meine schon früher ausgesprochene Bitte, daß Sie Ihre nächsten Arbeiten mir nun zugehen lassen. Sie haben mir schon so oft etwas versprochen, daß ich wirklich Grund hätte Ihnen ernstlich böse zu sein.

    In vollkommener Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Kürschner

»keine andere belletristische Zeitung«: Außer "Vom Fels zum Meer" erschien bei Spemann natürlich noch das Jahrbuch "Das Neue Universum" (hierauf bezog sich vermutlich Mays Frage), das aber nicht von Kürschner redigiert wurde. Weitere Zeitschriftengründungen Spemanns – etwa das von Kürschner geleitete Blatt "Der Zeitgenosse. Eine neue Wochenschrift" (1883)(40) – hatten sich nicht als lebensfähig erwiesen. – »den Original Abzug«: Auffällig ist der Singular, da weiter oben von »den Illustrationen« die Rede ist (so auch im Brief vom 19.10.1886; vgl. das Schreiben vom 15.11.1886: »die Schiffsbilder«). Sollte gemeint sein, daß der eine »Original Abzug« mehrere Illustrationen enthielt, läge die Vermutung nahe, daß May von Kürschner jene acht zu einer Illustrationsseite komponierten Schiffsbilder erhielt, zu denen er später seinen Beitrag "Zum erstenmal an Bord" verfaßte (s. u. S. 356). Für diese Annahme spricht, daß die dort mit J. (?) Nash gezeichneten Illustrationen angelsächsischen Ursprungs sein dürften (also – wie Kürschner andeutet – von einer ausländischen Zeitschrift erworben wurden), ferner die von May beabsichtigte »humorvolle Note«, die er später zu wahrer Albernheit steigerte. – »Neugebauers Verlagsbuchh.«: Zur Geschichte dieses Verlages vgl. Herbert Meier: Einführung zu: Karl May: Scepter und Hammer/Die Juweleninsel. Hamburg 1978 S. 3–8; Roland Schmid: Nachwort zu: Karl May: Der Waldläufer. Bamberg 1987 N1–N46.

Auf dieses Schreiben reagierte May prompt – freilich kaum in dem von Kürschner beabsichtigten Sinn: Statt sich der Behandlung der Illustrationen zu widmen oder gar seine »nächsten Arbeiten« an Kürschner zu senden (May schrieb gerade an "Deutsche Herzen – Deutsche Helden" für Münchmeyer), stellte er am 20.2.1886 den Verlag Neugebauer wegen des Nachdrucks von "Im fernen Westen" zur Rede, woraus sich ein lebhafter Schriftwechsel entwickelte (s. die Dokumentation von R. Schmid im Nachwort zu Karl May: Der Waldläufer. Bamberg 1987, S. N17ff.).

   Durch die Münchmeyer-Romane mehr als ausgelastet (nach dem


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aufsehenerregenden Tod Ludwigs II. am 13.6.1886 ließ sich May auch noch zur Abfassung des hochaktuellen Alpenromans "Der Weg zum Glück" überreden), gerieten dann die Wünsche Kürschners einmal mehr in Vergessenheit. So war Kürschner – in Verstärkung einer entsprechenden Bitte W. Spemanns vom 20.9.1886(41) – gezwungen, sich abermals in Erinnerung zu bringen – diesmal endlich mit unwiderstehlichen Argumenten, die ihm die dauernde Wertschätzung Mays eintrugen:

Stuttgart, den 3/10 1886

    Herrn Dr. Karl May

Dresden

    Sehr geehrter Herr!

   Sie haben inzwischen schon wieder für andere Unternehmungen Beiträge geliefert, während Sie mich mit dem längst versprochenen noch immer im Stiche ließen. Das ist eigentlich nicht recht und ich bitte Sie dringend nun Ihr Versprechen mir gegenüber wahr zu machen. Ich will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen ohne Sie zu fragen ob Sie nicht geneigt wären einmal einen recht packenden, fesselnden und situationsreichen Roman zu schreiben. Ich würde Ihnen in dem Fall ein Honorar bis zu 1000 Mark pro Felsbogen zusichern können, wenn Sie etwas derartiges schreiben würden; allerdings auch wieder unter der Voraussetzung, daß sich die Sache nicht endlos in die Länge zieht.

    In vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Kürschner

»für andere Unternehmungen«: Gemeint sein dürfte die Erzählung "Unter der Windhose", die kurz zuvor in der ersten Ausgabe des Jahrbuches "Das Buch der Jugend" in K. Thienemann's Verlag, Stuttgart (also bei der unmittelbaren Konkurrenz Spemanns), erschienen war. – »pro Felsbogen«: Ein Bogen der Zeitschrift "Vom Fels zum Meer" enthielt seit der Vergrößerung des Formats 1885 16 Seiten à drei Spalten. Legt man die bei Mays "Fels"-Beitrag "Maghreb-el-aksa" (Januar 1888; s. u.) verwendete Schriftgröße zugrunde (pro Spalte 72 Zeilen a 11 Silben), hätte May, analog seiner oben (S. 345) wiedergegebenen Berechnung, ca. 86 – 87 Manuskriptseiten liefern müssen, um einen Bogen zu füllen. Das angebotene Honorar (»bis zu 1000 Mark« bedeutet freilich nicht unbedingt "genau 1000 Mark") hätte dann maximal 11,50 Mark pro Manuskriptseite betragen – angesichts der einen Mark, die May von Pustet (und später von Spemann für den "Guten Kameraden") erhielt (siehe Roland Schmid: Nachwort ,Auf fremden Pfaden" wie Anm. 73 A22) eine gewaltige Summe.

Diesen berühmt gewordenen Brief Kürschners, den May noch 25 Jahre später im Rahmen seiner Autobiographie "Mein Leben und Streben" für mitteilenswert hielt(42) (May hat dort freilich den wenig schmeichel-


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haften Schluß des letzten Satzes gestrichen), konnte May unmöglich ohne Antwort lassen. Etwa am 16.10.1886 teilte er Kürschner mit, daß er – neben dem Illustrationstext – auch den gewünschten Roman schreiben wolle, und erkundigte sich (schon aus pekuniären Gründen) nach dem größtmöglichen Umfang sowie danach, ob eine lieferungsweise Einsendung des Manuskriptes erwünscht sei. Kürschners positiv-zurückhaltende Antwort ließ nicht auf sich warten:

Stuttgart, den 19./10 1886

    Herrn Dr. Karl May

Dresden.

    Verehrtester Herr!

   Empfangen Sie vielen Dank für Ihre freundlichen Zeilen, von denen ich nur hoffen will, daß diesmal dem Versprochenen die Ausführung auch auf dem Fuße folgt. Ich sehe dem Artikel mit den Illustrationen sehr entgegen, freue mich aber noch mehr auf den Roman. Der Roman dürfte, wenn er sehr effectvoll ist, durch sechs Hefte und durch mehr laufen. Ich mag Ihnen hier keine besonderen Vorschriften machen; es versteht sich von selbst, daß er nicht allzu umfangreich werden darf. Sie haben ja aus den früheren Bänden genug Gelegenheit, sich über die Größenfrage zu orientiren. Auf eine theilweise Einsendung des Manuscripts können wir uns aber nicht einlassen. Was sollten wir machen, wenn eine auch von Ihnen ganz unverschuldete Verspätung der Manuscript-Sendung eintrifft. Das geht leider keinesfalls, aber ich denke auch so wird es Ihnen möglich sein meinen Wunsch zu erfüllen und ihr Versprechen wahr zu machen.

   Mit vollkommener Hochachtung begrüßt Sie
        Ihr ergebenster
            Kürschner

»durch sechs Hefte«: Fortsetzungsromane bildeten in "Vom Fels zum Meer" die Ausnahme (s. o. zum Brief vom 19.5.1885). – »aus den früheren Bänden«: Oktober 1886 begann der 6. Jg. des "Fels", May standen also fünf Jahrgänge à je zwei Bände zur Verfügung, um sich über die Anlage der Zeitschrift zu unterrichten.

Noch ehe sich May zu dieser Antwort Kürschners äußerte (die geforderte komplette Einsendung des Roman-Manuskripts mochte May, der durch seine Tätigkeit für Münchmeyer auf die Lieferung einzelner Textschübe geradezu gedrillt worden war, als fast unüberwindliches Hindernis erscheinen, zumal hierdurch regelmäßige Teilzahlungen des Honorars, auf die May angewiesen war, entfielen – vielleicht der ausschlaggebende Grund dafür, daß er dem attraktiven Angebot trotz grundsätzlicher Bereitschaft niemals nachkam), erreichte ihn bereits


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die nächste Anfrage Kürschners, die sich für Mays Schriftstellerlaufbahn als schicksalhaft erweisen sollte:

Stuttgart, den 10/11 1886

    Herrn Dr. Karl May

Dresden.

    Sehr geehrter Herr!

   Wären Sie nicht vielleicht in der Lage mir sofort ein größeres Manuscript, eine möglichst spannende anziehende Jugendschrift enthaltend, für ein neues Unternehmen zu senden über welches ich Ihnen gelegentlich noch Weiteres mittheilen würde? Sie verbänden mich dadurch sehr. Ich lege besonderes Gewicht auf überseeisches von großer Spannung und abwechslungsreicher Szenerie.

   Ihren Mittheilungen recht bald entgegensehend
        in vorzüglicher Hochachtung
            Ihr ergebenster
                Kürschner

»ein neues Unternehmen«: Die von Spemann geplante Jugendzeitschrift "Gaudeamus", die ab Januar 1887 unter dem Titel "Der Gute Kamerad" erschien (siehe hierzu die Korrespondenz W. Spemann – K. May, die, leider lückenhaft, im Reprintband Karl May: Der Sohn des Bärenjägers/Der Geist der Llano estakata. Hamburg 1983, S. 262–269, vorgelegt wurde; zur Ergänzung vgl. Christoph F. Lorenz: Einführung zu: Karl May: Kong-Kheou, das Ehrenwort. Hamburg 1984 S. 14).

Dieser zweiten Einladung hat May nicht mehr widerstehen können. Angesichts der sich abzeichnenden Möglichkeit, durch ein umfangreiches Engagement bei Spemann dem Münchmeyerschen Dunstkreis entfliehen zu können, sagte May ca. am 12.11.1886 spontan zu, auch den gewünschten Jugendroman zu schreiben. Dabei bezog sich May anscheinend auch auf die im Mai 1883 gegenüber Spemann eingegangene Verpflichtung zur Lieferung eines Novellenzyklus unter dem Titel "(Ein) Weltläufer" und fragte an, ob etwaige Textlieferungen für die geplante Jugendzeitschrift als Erfüllung dieser Vereinbarung gelten könnten.

   Kürschner nahm mit Spemann Rücksprache und gab May ebenso umgehend einen positiven Bescheid – freilich nicht, ohne die ausstehenden Beiträge für "Vom Fels zum Meer" abermals anzumahnen:


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Stuttgart, den 15/11 1886

    Herrn Dr. Karl May

Dresden.

    Sehr geehrter Herr!

   Empfangen Sie vielen Dank für Ihre gütigen Zeilen. Ich hoffe zuversichtlich, daß Sie mich unterstützen werden. Ich habe mit Spemann Rücksprache genommen; er hat gar nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie das für ihn contractlich zugesagte Werk auch für diesen Zweck uns einsenden, wodurch Sie ja gewissermaßen gleich 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen. Auf Ihren Roman für "Vom Fels zum Meer" bin ich gespannt, ebenso bitte ich nicht das Manuscript zu vergessen, welches Sie uns zu den Schiffsbildern schreiben wollten. Auch für den Fall, daß Sie die Jugendarbeit nicht sofort liefern könnten bitte ich doch, sie im Auge zu behalten und mir sobald es geht etwas dergleichen einzusenden.

    In vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebenster
        Kürschner

May ließ sich nun nicht mehr länger bitten und machte sich mit Eifer an die Arbeit; die erste Manuskriptlieferung des nun entstehenden Jugendromans "Der Sohn des Bärenjägers" traf jedenfalls so rechtzeitig (noch im November?(43)) in Stuttgart ein, daß "Der gute Kamerad" im Januar 1887 mit dieser Fortsetzungsgeschichte als Aufmacher erscheinen konnte (die erste Nummer wurde May vom Verleger am 7.1.1887 zugesandt.(44)).

   Die Korrespondenz Spemann-May, die sich nun parallel zu der zwischen Kürschner und May anschloß, ist an anderer Stelle ausführlich dokumentiert;(45) sie kann im folgenden unberücksichtigt bleiben, da sie sich mit dem Kürschner-Schriftwechsel, der sich auf die Zeitschrift "Vom Fels zum Meer" beschränkt, nicht berührt. Dennoch sei auf zwei wichtige Punkte hingewiesen: Neben der Niederschrift des "Bärenjägers" (die ja ihrerseits zwischen den Kolportageromanen "Deutsche Herzen – Deutsche Helden" und "Der Weg zum Glück" erfolgte) fand May sogar noch Zeit, kleinere Illustrationstexte für den "Guten Kameraden" zu liefern (vgl. Spemanns Empfangsbestätigung einer solchen – leider nicht näher bezeichneten – Arbeit vom 18.1.1887(46)); da May entsprechende Aufträge Kürschners immer wieder auf die lange Bank schob, ist die Schlußfolgerung erlaubt, daß May den "Guten Kameraden" – anders als den "Fels" – für eine Art Mission hielt, der er sich nach besten Kräften zu widmen gedachte. Ein zweites betrifft die Rolle Kürschners bei der Vorbereitung dieses Jugendblattes, über die viel gerätselt worden ist.(47) Die folgende Karte Kürschners an May macht deutlich, daß Kürschner weder Erfinder noch Herausgeber der Zeit-


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schrift [Zeitschrift] war, sondern nur umständehalber im November 1886 auf Bitten Spemanns für knapp zwei Monate als Redakteur einspringen mußte – immerhin hat May also seine ersten Manuskript-Lieferungen für den "Bärenjäger" an Kürschner gesandt:

    Herrn Dr. Karl May

Dresden.

    Sehr geehrter Herr!

    Besten Dank für die übersandten Manuscripte für die neue Jugendzeitschrift "Der gute Kamerad", die ich sofort an die Redaktion abgegeben habe. Ich selbst habe mich infolge Arbeitsüberhäufung gezwungen gesehen, noch vor Erscheinen der ersten Nummer von der Leitung zurückzutreten, die ich überhaupt nur aus Gefälligkeit für Spemann, dem der ursprüngliche Redakteur untreu geworden war, übernommen hatte. Ich bitte alle auf die Jugendzeitschrift bezüglichen Sendungen direkt an den Verlag von W. Spemann zu adressiren.

    In vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebenster
Stuttg. 14/1 87         Kürschner

Durch Mays Eifer für den "Guten Kameraden" fühlte sich Kürschner ermutigt, alsbald einen neuen Versuch zu wagen, um einen Teil der Arbeitskraft Mays für "Vom Fels zum Meer" abzuzweigen:

Stuttgart, den 29/3 1887

    Herrn Karl May

Dresden.

    Verehrtester Herr!

   Anliegend sende ich Ihnen 10 Illustrationen eines Aufsatzes über Kentucky. Hätten Sie nicht Lust, dazu einen Artikel zu schreiben von etwa 4–5 Seiten Umfang, leicht, interessant und anregend. Nur dürfte sich freilich die Sache nicht wieder so lange verzögern, wie der von Ihnen für "Vom Fels zum Meer" zugesagte Artikel, dem ich überhaupt nun bei nächster Gelegenheit entgegensehe. Ich bitte Sie dringend mich mit den beiden Artikeln nicht im Stiche zu lassen. Im Text bitte ich genau die Stellen anzugeben, wohin die Bilder, die ich zurückerbitte, gehören.

    In vollkommener Hochachtung
        Ihr ergebenster
          Kürschner

Freilich blieb auch diese Bitte unerhört: Weder traf der Illustrationstext über Kentucky bei Kürschner ein noch der längst zugesagte Beitrag zu den Schiffsbildern; enttäuscht und vielleicht auch eifersüchtig


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auf Mays starkes Engagement für den "Guten Kameraden" brachte sich Kürschner ein halbes Jahr später abermals in Erinnerung:

Stuttgart, den 10/10 1887

    Herrn Dr. Karl May

Dresden.

    Sehr geehrter Herr!

   Obgleich Sie seit langer, langer Zeit nichts mehr von sich hören ließen u. mich zudem in recht unangenehme Lage gebracht haben, riskire ich es doch heute abermals mit einer Bitte zu Ihnen zu kommen. Ich sende Ihnen in der Anlage einige Bilder und wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir zu denselben für "Vom Fels zum Meer" (also nicht "Guten Kameraden" u. dementsprechend weniger jugendlich u. dafür anziehender) einen Artikel schreiben wollten. Ich kann nur 3 Spalten darüber brauchen und soll auf diesen möglichst Alles gegeben werden. Können sie mir den Gefallen nicht erweisen, so senden Sie mir die Bilder postwendend zurück, andernfalls sehe ich dem Manuscript bis Sonnabend entgegen.

    In vollkommener Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Kürschner

»in recht unangenehme Lage«: Hat sich Kürschner wegen der nach wie vor ausbleibenden "Fels"-Beiträge Mays Kritik Spemanns gefallen lassen müssen? Kürschners erneuter Versuch, May ein Manuskript abzuringen (statt die notorisch fruchtlosen Kontakte endlich abzubrechen), könnte darauf hinweisen. »einige Bilder«: Es handelt sich um vier großformatige Skizzen des engl. Illustrators Richard Caton Woodville (1856–1927), der insbesondere für zeitgeschichtliche und historische Werke sowie für verschiedene Zeitschriften (u. a. für die "Illustrated London News") Bilder geliefert hat; die May übersandten Illustrationen (siehe Karl May: Der Krumir wie Anm. 4 S. 88–95) dürften von einer engl. Zeitschrift erworben worden sein. – »bis Sonnabend«: d. i. der 15.10.1887.

Ob May den gesetzten Termin eingehalten hat, läßt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls hat er den Beitrag – im gewünschten Umfang von knapp dreieinhalb Spalten – geliefert: Er erschien unter dem Titel "Maghreb-el-aksa" im Januar 1887 in Heft 4 des sechsten Jahrgangs von "Vom Fels zum Meer". Offensichtlich war May nicht daran gelegen, die Kontakte zu Kürschner durch weitere Untätigkeit zu strapazieren; der Bruch mit Münchmeyer im Sommer 1887 eröffnete ihm zudem endlich den zeitlichen Spielraum, den er bisher zur Realisierung der Wünsche Kürschners nicht besessen hatte.

   Leider ist Kürschners (vermutlich freudig-überraschte) Bestätigung


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des Eingangs von "Maghreb-el-aksa" ebensowenig erhalten geblieben wie die sich daran anschließende Korrespondenz. Der völlig veränderte, geradezu liebenswürdige Ton des knapp eineinhalb Jahre später geschriebenen Kürschner-Briefes vom 14.2.1889 läßt jedoch darauf schließen, daß May sich zu weiteren Textlieferungen bereit gefunden (oder zumindest zuverlässig bereit erklärt) hat. Freilich ergab eine Durchsicht der Inhaltsverzeichnisse der Jahrgänge 7, 1–9, 2 des "Fels" (Oktober 1887–September 1890) keine weiteren Veröffentlichungen Mays (für anonyme Beiträge Mays in "Vom Fels zum Meer" gibt es weder Grund noch Anhaltspunkte). Doch mag die Vermutung erlaubt sein, daß May im Laufe des Jahres 1888 endlich den im Brief vom 18.2.1886 gewünschten Beitrag über die Schiffsbilder (von denen dann nämlich nicht mehr die Rede ist) ablieferte. Kürschner dürfte allerdings dieser Text für eine Veröffentlichung im "Fels" ungeeignet erschienen sein, so daß er ihn an den "Guten Kameraden" abgab, wo er im Januar 1890 (Jg. 4, Nr. 15) unter dem Titel "Zum erstenmal an Bord" zum Abdruck kam.

   Aus den letzten Monaten seiner Tätigkeit für Spemann liegen glücklicherweise wieder einige Briefe Kürschners vor. Den Anfang macht ein Schreiben vom Februar 1889:

Stuttgart, den 14/2 1889.

    Herrn Dr. Karl May,

Dresden.

    Sehr geehrter Herr!

   Sie sind mir stets so freundlich entgegengekommen, dass ich auch heute hoffe, keine Fehlbitte zu thun, wenn ich Sie ersuche, uns zu den beifolgenden Illustrationen, die wir aus einem englischen Blatt für "Vom Fels zum Meer" erworben haben, einen nicht zu langen Artikel zu schreiben. Ich glaube dass der Gegenstand interessant genug ist, um auch bei uns behandelt zu werden und hoffe bestimmt, von Ihnen keinen abschlägigen Bescheid zu erhalten. Könnte ich den Artikel bald erhalten, wäre mir damit besonders gedient.

    Mit vollkommener Hochachtung
                    Ihr
        sehr ergebener
                Kürschner
California.

Da diesem Brief Kürschners irgendein Mißgeschick (auf dem Postweg?) zustieß, konnte May erst ca. am 5.3.1889 antworten, vermutlich ohne den gewünschten Artikel über Kalifornien mit der erhofften Bestimmtheit zuzusagen. Kürschner mußte daher einmal wieder nachfassen:


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Stuttgart, 8/3. 1889.

Herrn Dr. Karl May,

Kötzschenbroda.

   Sehr geehrter Herr!

   Das ist allerdings ein grosses Malheur, welches meinem Brief widerfahren ist. Sorgen Sie nur bitte, dass ich nicht allzusehr darunter leiden muss, sondern dass ich recht bald den Aufsatz von Ihnen erhalte. Sie sind ja ohnehin leider unserem Fels vollständig untreu geworden.

   Mit besten Empfehlungen
                Ihr
        hochachtungsvoll ergebener
                    Kürschner
Kürschner(48)

Da auch diese Karte ohne den gewünschten Erfolg blieb (sie geht überraschenderweise von einer zügigen Lieferung des Textes durch May aus), meldete sich Kürschner einen Monat später mit veränderten Plänen wieder:

Stuttgart, den 8/4 1889.

    Herrn Dr. Karl May,

Dresden-Kötzschenbroda.

    Verehrter Herr!

   Da Sie bis heute noch nicht den gewünschten Artikel über Kalifornien gesandt haben, weiss ich nicht ob Sie schon an dessen Bearbeitung sind. Sollte dies nicht der Fall sein, würde ich Sie bitten, ihn nicht zu schreiben, indem nämlich ein anderer Autor diesen Artikel bereits aus Versehen bearbeitet hat. Ich bitte Sie in dieser Sache um eine möglichst umgehende Antwort. Dagegen schicke ich Ihnen heute Illustrationen von Winter in Odisantars, und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir dazu einen Artikel von etwa 3 Seiten unseres Formats exklus. der Illustrationen schreiben wollten.

   Ich ersuche Sie, in dem Manuscript stets den Platz anzuzeichnen, wohin die einzelnen Abbildungen gehören und auf diesen den richtigen deutschen Titel anzugeben, unter Wiederbeifügung der Abzüge.

   Je früher ich den Artikel erhalte, um so angenehmer ist es mir.

   Mit vollkommener Hochachtung
            Ihr
        sehr ergebener
                Kürschner
Beilagen
    36.


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»ein anderer Autor«: Juli 1889 erschien in Jg. 8, 2 des "Fels" Karl Müller: Eine Sommerfrische in Kalifornien, Sp. 935–953 (mit 11 Illustrationen). – »Beilagen 36.«: Die handschriftlich nachgetragene Zahl »36.« dürfte sich – trotz ihrer Höhe – auf die anliegenden Illustrationen beziehen (von denen später nur eine Auswahl zum Abdruck kommen sollte). Jg. 8 des "Fels" enthält Beiträge mit bis zu 72 Illustrationen.

War May auf diese Weise von der Anfertigung des Kalifornien-Aufsatzes entlastet, so ergab sich durch eine überraschende berufliche Veränderung Kürschners Mitte des Jahres 1889, daß auch die Notwendigkeit für die Anfertigung des "Winter in Odisantars"-Beitrages (sowie des 1887 angeforderten Artikels über Kentucky) entfiel – Kürschner wechselte von Spemann zur unmittelbaren Konkurrenz über: Am 1.7.1889 trat er als "litterarischer Direktor" in die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) ein.(49)

   May erfuhr von dem bevorstehenden Wechsel gleichzeitig durch einen Brief Wilhelm Spemanns(50) und eine gedruckte Karte Kürschners:

Stuttgart, den 30. Juni 1889.

   Euer Hochwohlgeboren gestatte ich mir hierdurch mitzuteilen, dass ich nach freundlicher Vereinbarung mit Herrn Verlagsbuchhändler W. Spemann von der Redaktion der Zeitschrift "Vom Fels zum Meer" zurücktrete, die seit Begründung des Blattes (1881) in meinen Händen lag.

   Indem ich Ihnen für die Unterstützung danke, die Sie mir während meiner redaktionellen Thätigkeit bei "Vom Fels zum Meer" haben zu teil werden lassen, ersuche ich Sie gleichzeitig, Ihre Sendungen für das Blatt fernerhin direkt an Herrn W. Spemann in Stuttgart zu richten und der Zeitschrift auch in der Folge ein freundlicher und fördersamer Mitarbeiter zu bleiben.

   Dabei gebe ich zugleich der festen Hoffnung Ausdruck, dass unsere persönlichen Beziehungen die alten bleiben und dass ich auch in meinem neuen Wirkungskreise als litterarischer Direktor der Deutschen Verlags-Anstalt (vorm. Ed. Hallberger) und Herausgeber der Zeitschriften dieses Verlags ("Ueber Land und Meer", "Deutsche Roman-Bibliothek", "Illustrierte Welt" etc. ) Ihrer Mitwirkung sicher sein darf.

   Mit dem Ausdruck der Hochachtung
            Ihr kollegialisch ergebener
                Kürschner.

"Ueber Land und Meer": Dieses populäre Familienblatt erschien seit November 1858 im Verlag E. Hallberger (sog. Großfolio-Ausgabe); daneben wurde seit 1884 eine kleinere Version (sog. Groß-Octav-Ausgabe) herausgegeben (Einzelheiten bei Barth wie Anm. 9 Sp. 261–264). – »Deutsche Roman-Bibliothek«:


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Erschien seit 1873 (Barth wie Anm. 9 Sp. 270f.). – »Illustri(e)rte Welt«: Älteste Familienzeitschrift des Hallberger-Verlages; gegründet im Januar 1853 (Barth wie Anm. 9 Sp. 259–261).

Mit Kürschners Übertritt zur DVA endet auch Mays Mitarbeit an "Vom Fels zum Meer", die sich – trotz aller Anstrengungen und Angebote Kürschners – insgesamt nur lustlos hingezogen hatte. Zwar erneuerte Spemann in seinem Brief vom 30.6.1889 die Einladung, für "Vom Fels zum Meer" tätig zu werden,(51) doch scheint May (wie Spemanns Brief vom 27.2.1890 zeigt(52)) hierauf nicht mehr eingegangen zu sein.


3.  M i t t e  1 8 8 9 – M i t t e  1 8 9 0

Kürschners Wunsch, »dass unsere persönlichen Beziehungen die alten bleiben«, sollte sich in Bezug auf Karl May überraschenderweise erfüllen. Obwohl May bisher nur als äußerst schwieriger Mitarbeiter aufgetreten war, empfand er seine Kontakte zu dem bekannte(n), berühmte(n) Publizist(en)(53) offenbar als so bedeutsam, daß es recht bald zu einer Absprache gekommen sein muß, in der May zusagte, gelegentlich Texte (namentlich zu vorliegenden Illustrationen) für die von Kürschner zu betreuenden Zeitschriften zu liefern. Im Gegenzug dürfte Kürschner versprochen haben, mit Rücksicht auf Mays weitere Mitarbeit bei Spemann etwaige Arbeiten Mays für die DVA nur anonym oder pseudonym zu veröffentlichen. Da dieser heikle Punkt in den folgenden Briefen niemals angesprochen wird, ist eine formelle Vereinbarung zwischen Kürschner und May im Sommer 1889 vorauszusetzen, die freilich nicht durch Dokumente belegt werden kann.

   Die Pflege seiner persönlichen Kontakte zu Spemann einerseits und Kürschner andererseits führte so zu dem bemerkenswerten Sachverhalt, daß May nun für die beiden größten deutschen Presseverlage des ausgehenden 19. Jahrhunderts tätig wurde: für die DVA und die Union Deutsche Verlagsgesellschaft, die am 1.1.1890 durch Zusammenschluß der Verlage W. Spemann und Gebr. Kröner, welch letzterer bereits die Unternehmen von Ernst Keils Nachf. ("Die Gartenlaube"), H. Schönlein ("Das Buch für Alle", "Illustrirte Chronik der Zeit") und J. C. Cotta aufgekauft hatte, entstand (Einzelheiten siehe bei Barth wie Anm. 9 Sp. 200–204).

   Da Kürschner seine Herausgeberschaft der verschiedenen DVA-Blätter erst zum Jahrgangswechsel 1889/1890 aufnahm, erklärt es sich, daß er May zunächst zur Mitarbeit an der "Illustrirten Welt" aufforderte, die bereits im Juli (und nicht – wie die meisten anderen Blätter – im Oktober) mit dem neuen Jahrgang eröffnete.(54) Etwa am 15.9.1889 er-


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hielt [erhielt] May eine Eilanfrage Kürschners, ob er kurzfristig einen Illustrationstext für die "Illustrirte Welt" liefern könne. May sagte am 16. oder 17.9. telegrafisch zu, so daß Kürschner am 17.9. die zu behandelnde Illustration mit folgendem Begleitschreiben abschickte:(55)

Stuttgart, den 17. September 1889.

    Verehrter Herr Dr.!

   Freundlichen Dank für Ihre telegrafische Zusage.

   Hiebei sende ich Ihnen das betr. Bild mit der Bitte, dazu eine packende, lebhaft gefärbte, ca. 80. bis 100. Druckzeilen umfassende Novelette – Genre Lederstrumpf – zu schreiben.

   Das Bild – Titel bleibt Ihrem Gutfinden überlassen – ist für das laufende Heft (VI.) "Illustrirte Welt" bestimmt, welches bereits in Arbeit ist und muß die Arbeit allerspätestens Freitag den 20. ds., Frühpost, hier sein.

   Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie diesen Termin prompt einhalten würden. –

   Zwei weitere Bilder zu ähnlicher Behandlung werden dann alsbald nachfolgen.

    Mit hochachtungsvollen Grüßen
        Geh Hofrat Kürschner(56)
Herrn Dr. May,
Kötzschenbroda.

»das betr. Bild«: Eine Illustration des frz. Malers und Zeichners Georges Montbard (1841–1905), der – neben seiner Arbeit für verschiedene Zeitschriften auch eigene Werke herausgab (u. a. En Égypte. Notes et croquis d'un artiste. Paris 1892; A travers le Maroc. Notes et croquis d'un artiste. Paris 1894); die von May behandelte Illustration ist wiedergegeben in: Karl May: Der Krumir wie Anm. 4 S. 121. – »das laufende Heft (VI.)«: Diese in Vorbereitung befindliche Nummer erschien in der ersten Oktoberhälfte (vgl. den Brief vom 29.10.1889).

   May reagierte schnell und entwarf die Erzählung "Im Mistake-Cannon", die freilich kaum schon am 20.9., sondern eher am 24. oder 25.9. in Stuttgart eintraf. Immerhin hat May den Wunsch Kürschners binnen einer Woche erfüllt (der Text entstand zwischen dem 18. und 24.9.), was für seine Verhältnisse als außergewöhnlich prompt zu bezeichnen ist. Kürschners Dank und nächster Auftrag datieren vom 26.9.:

Stuttgart, den 26. September 1889.(57)

    Verehrter Herr Dr.!

   Der Aufsaz [sic!] zu dem Indianerbilde ist noch rechtzeitig eingetroffen und danke ich Ihnen freundlich für diesen Beitrag.

   Hiebei sende ich Ihnen nun die andern Illustrationen mit der Bitte, dieselben in gleicher Weise textlich zu behandeln. –


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   Der Umfang entspricht ganz meinem Wunsche und wollen Sie denselben auch bei diesen Bildern einhalten.

   Illustration b bitte ich, zusammen mit einem andern Bilde, dessen Wahl Ihnen überlassen bleibt, zu behandeln, da dasselbe nicht einzeln verwendet wird; es kann ganz gut als Vignette gelten. –

   Noch eins möchte ich anführen: Sie halten doch die Texte so auseinander, daß sie sich dem Inhalte nach nicht gleichen, also jedes Bild eine andere Handlung in sich birgt? –

   Sehr dankbar wäre ich Ihnen, verehrter Herr Dr., wenn Sie mir die Manuscripte in möglichster Bälde je in kurzen Zwischenräumen senden würden.

   In hochachtungsvoller Begrüßung
            Geh Hofrat Jos. Kürschner
Herrn Dr. May,
Kötzschenbroda.

»rechtzeitig eingetroffen«: Mays Beitrag konnte, wie geplant, noch in Heft 6 der "Illustrirten Welt" aufgenommen werden. – »die andern Illustrationen«: Bezieht sich auf den Brief von 17.9.1889, in dem »zwei weitere Bilder« angekündigt worden waren. Im folgenden werden freilich drei anliegende Illustrationen vorausgesetzt, von denen eine (»b«) nicht allein behandelt werden soll; May hat diese kleinformatige Abbildung nicht benutzt. Die beiden Großillustrationen (wiederum von G. Montbard) sind wiedergegeben in: Karl May: Der Krumir wie Anm. 4 S. 127 und 149.

Obwohl Kürschner keinen konkreten Termin gesetzt hatte, reagierte May abermals prompt und schrieb binnen vier Wochen die Erzählungen "Am 'Kai-p'a'" und "Die Rache des Mormonen". Wie Kürschners Zusatz in seinem Dankschreiben vom 29.10.1889 andeutet, kam jedoch Mays Eifer nicht ganz von ungefähr: Nicht auszuschließen ist, daß er sich im Zusammenhang mit der Einsendung der beiden Illustrationstexte ca. am 26.10.1889 (im eigenen oder fremden Interesse) nach der Möglichkeit erkundigte, als Redakteur bei der DVA einzutreten.

Stuttgart, den 29. Oktober 1889.

    Sehr geehrter Herr!

   Für die mir freundlichst übermittelten Aufsätze: "Die Rache des Mormonen" und "Am "Kai-p'a" danke ich Ihnen verbindlich. – Durch unsere Kasse werden Ihnen dafür M. 110. – Honorar zugehen.

   Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir die höfliche Bitte auszusprechen, mir auch einmal für "Ueber Land und Meer" einen hübschen Beitrag zu senden.

   Darf ich hoffen?


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   Von "Illustrirte Welt" Heft VI., welches "Im Mistake-Cannon" enthält, folgen 2 Exemplare unter x Band.

   Mit hochachtungsvollen Grüßen,
        Kürschner
Herrn Dr. May,
Kötzschenbroda                 v. s.
bei Dresden
Vertraulich

   Beziehendlich Ihrer Anfrage, Redacteur betreffend, wollen Sie mir Näheres mittheilen und vielleicht Namen nennen. Würde der betreffende Herr lebenslänglichen Contract eingehen? Glaube, Ihren Wunsch berücksichtigen zu können.
        Kürschner

»Die Rache des Mormonen«: Dieser Text kam im November 1890 unter dem Pseudonym "D. Jam" in "Illustrirte Romane aller Nationen", 11. Jg. (1890/91), Heft 10, zum Abdruck. – »Am "Kai-p'a"«: Veröffentlicht in der zweiten Januarhälfte 1890 in: "Illustrirte Welt", 38. Jg. (1889/90), Heft 14. – »x Band«: Kreuzband. – »v. s.«: volti subito (schnell umdrehen!); der Nachsatz befindet sich auf der Rückseite des Briefes.

Das Gewicht des als »vertraulich« gekennzeichneten Zusatzes wird dadurch erhöht, daß es sich hierbei um den einzigen nennenswerten Passus aller Briefe an May aus den Jahren 1884–90 handelt, der von Kürschners eigener Hand stammt. Leider enthalten die nachfolgenden Briefe keinen weiteren Hinweis auf diese Angelegenheit, so daß sich Spekulationen darüber erübrigen. Sollte sich Kürschners Angebot auf May selbst bezogen haben,(58) hat dieser jedenfalls keinen Gebrauch davon gemacht.

   Mitte Dezember 1889 trafen die nächsten Manuskriptwünsche Kürschners bei May ein:

Stuttgart, den 16. Dezember 1889.

    Verehrter Herr!

Sie haben bereits früher schon für "Ueber Land und Meer", und neuerdings auch für die "Illustrirte Welt" die Güte gehabt, meinen Bitten wegen Beiträgen Gehör zu schenken. Ich gebe mich deßhalb auch heute der angenehmen Hoffnung und sichern Erwartung hin, daß ich Sie nicht vergeblich zur Mitarbeiterschaft an "Ueber Land und Meer" aufgefordert habe. Wir haben eine Reihe Bilder aus "Century" erworben, welche "Des Ranchers Büchse im Gebirge" behandeln. Ich sende Ihnen das Heft, in dem ich die Bilder angestrichen habe, erbitte es aber nach geschehenem Gebrauch wieder zurück. Der Artikel soll amusant und


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spannend gehalten sein, dabei aber 2 Spalten nicht überschreiten. Ich denke weniger an eine Schilderung von Land und Leuten, als vielmehr an die Schilderung eines novellistisch behandelten Erlebnisses, in welches das Belehrende über den Gegenstand eingeflochten ist. Allerdings ist die Sache eilig und wäre ich Ihnen für eine möglichst umgehende Erledigung sehr dankbar. Ich benutze diese Gelegenheit, noch 20 Abbildungen beizufügen, welche die Zeichensprache bei den nordamerikanischen Indianern darstellen, zu denen ich ebenfalls sehr gern einen anziehenden Artikel hätte. Daß gerade diesen Gegenstand niemand wird besser behandeln können, als Sie, bin ich fest überzeugt. Ich lege daher doppeltes Gewicht darauf, den Aufsatz von Ihnen zu erhalten, knüpfe aber daran nochmals die Bitte, mich nicht lange warten zu lassen, da ich sowohl den ersten wie den letzten Aufsatz in nächster Bälde bringen möchte.

   Mit vorzüglicher Hochachtung
        Ihr
Herrn                 sehr ergebener
Karl May,                     Geh. Hofrat Jos. Kürschner
Dresden,
Schnorrstr. 31.

»früher schon für "Ueber Land und Meer"«: Offenbar Diktatfehler Kürschners oder Schreibfehler des Sekretärs; statt "Ueber Land und Meer" ist "Vom Fels zum Meer" zu lesen (May hatte bisher nichts für "Ueber Land und Meer" geschrieben; vgl. den Brief vom 29.10.1889 sowie die folgenden Ausführungen im vorliegenden Brief). – »Century«: "The Century. Illustrated Monthly Magazine" erschien seit 1870 (seit 1881 bei der The Century Co., New York). – »das Heft, in dem ich die Bilder angestrichen habe«: Es handelt sich um Heft 2 des Jg. 1888, Teilband 2 (= Bd. 36), vom Juni 1888, in dem S. 200–212 die Jagderzählung "The Ranchman's Rifle on Crag and Prairie" von Theodore Roosevelt (1858–1919; 26. Präsident der USA 1901–1909 und Friedensnobelpreisträger 1906) mit zehn Illustrationen des amerik. Malers und Illustrators Frederic Remington (1861–1909) zum Abdruck kam; die erste Buchveröffentlichung dieser Erzählung erfolgte New York 1888 im Rahmen des Rooseveltschen Textzyklus "Ranch Life and the Hunting Trail". – »20 Abbildungen«: Diese Illustrationen hat May nicht bearbeitet, sondern an Kürschner zurückgegeben (vgl. den Brief vom 14.1.1890). Ein entsprechender Text ist dann von Eduard Grosse verfaßt und 1892 in der Groß-Octav-Ausgabe von "Ueber Land und Meer" (9. Jg. (1892/93) 3. Band Sp. 438–446) veröffentlicht worden (unter dem Titel "Wie die Indianer schreiben" mit zehn der erwähnten 20 Illustrationen).

Jedenfalls gehört es zu den Kuriositäten, an denen Mays Leben und Schaffen nicht eben arm ist, daß er Ende Dezember 1889/Anfang Januar 1890 die Erzählung "Der erste Elk" ausgerechnet zu jenen Bildern des auch in Deutschland u. a. als Indianermaler bekanntgewordenen


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Frederic Remington schrieb,(59) die dieser für eine Erzählung des nachmaligen US-Präsidenten Th. Roosevelt angefertigt hatte. Freilich hat May die ernsthafte Jagdreportage Roosevelts, in der es nur u. a. um die Pirsch nach dem »lordly elk« geht, kaum mehr als flüchtig gelesen ("Der erste Elk" müßte sonst geradezu als Parodie bezeichnet werden), sondern sich im wesentlichen mit den Illustrationen Remingtons beschäftigt, die in der Tat die Struktur seines gesamten Textes festlegen: Schon das Porträt eines texanischen Cowboys (»The Texas Type of Cowboy«), das als Vignette Remingtons Illustrationszyklus zur Roosevelt-Erzählung eröffnet (siehe die Abbildung), wird von May sofort Zug um Zug literarisch umgesetzt und zur Hauptfigur seiner Erzählung gestaltet: Noch sehe ich ihn vor mir stehen, lang und überschmal, die Füße in ganz unbeschreiblichen Schuffles und die Beine in uralten Leggins steckend. Ueber dem Hemde, dessen Farbe ich lieber gar nicht erwähne, hing eine Jacke, deren einziger Vorzug eine allgemeine Offenherzigkeit war. Brust und Hals blieben unbedeckt; dafür aber trug er unter dem zerknüllten Hute stets ein um die Stirn gewundenes Tuch, dessen Zipfel auf die Schulter niederhingen, am Gürtel das lange Bowie-knife, an den Ohrläppchen schwere Silberringe und in der großen, braunen, knochigen Hand die stets glimmende, unvermeidliche Cigarette – anders hat ihn wohl selten ein Mensch gesehen:(60) Old Wabble nämlich, den Remington für die Erzählung Roosevelts gezeichnet und dem May in "Old Surehand" zur Unsterblichkeit verholfen hat.

   Unklar ist freilich, wieso dieser Zusammenhang zwischen den Roosevelt-Illustrationen Frederic Remingtons und Karl Mays "Elk" von der DVA wieder beseitigt und deshalb bis heute unbekannt geblieben ist: Erstaunlicherweise erschien der einzige bisher nachgewiesene Abdruck von "Der erste Elk" ohne die Illustrationen und auch erst im Mai 1893, also über drei Jahre nach der Ablieferung des (als eilig angeforderten) Textes, dessen Empfang Kürschner Anfang 1890 zu Recht »mit Vergnügen« bestätigt hatte:

Stuttgart, den 14. Jan. 1890.

   Verehrter Herr!

   Empfangen Sie den allerverbindlichsten Dank für die freundliche Übersendung des Manuskripts "Der erste Elk", das ich mit Vergnügen für uns acceptirt habe; es soll mir eine Freude sein, auch fernerhin Beiträge von Ihnen zu erhalten. Sollten Sie nicht event. einen recht spannenden Roman haben, der sich für die "Illustrirte Welt" verwenden ließe? Ebenso wären mir kürzere novellistische Skizzen von 3 Spalten für "Ueber Land und Meer" erwünscht.

   Darf ich auf prompte Erledigung meiner Anfrage rechnen, so werde


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Anfang von "The Ranchman's Rifle" (zu: "Der erste Elk") [232-Kb-Jpg]


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ich gewiß nicht versäumen, Ihnen öfters Illustrationen zu übersenden, mit der Bitte, mir entsprechende Texte zu schreiben.

   Mit vollkommener Hochachtung
        Ihr
                sehr ergebener
                Geh. Hofrat Js. Kürschner

   Die Zeichensprache ist auch eben eingetroffen.

Herrn
Dr. Karl May,
Dresden,
Schnorrstraße 31.

»Zeichensprache«: s. o. zum Brief vom 16.12.1889.

Über die Gründe, die einen sofortigen Abdruck des "Elk" (des wohl besten Beitrags, den May für die DVA geliefert hat) verhinderten, lassen sich beim gegenwärtigen Kenntnisstand nur Vermutungen anstellen: So ist möglich, daß im Dezember 1889 noch gar kein Vertrag zwischen der DVA und dem Century-Verlag über den Erwerb der Remington-Illustrationen vorlag; in diesem Fall könnten sich entsprechende Verhandlungen noch jahrelang hingezogen haben und endlich sogar gescheitert sein, weshalb Mays Beitrag schließlich unbebildert erscheinen mußte. Denkbar ist allerdings auch, daß der bislang als Erstveröffentlichung angesehene "Elk"-Abdruck im 9. Jahrgang der Groß-Octav-Ausgabe von "Ueber Land und Meer" in Wahrheit ein späterer Nachdruck ist (wie er auch von Mays Beitrag "Am 'Kai-p'a'" 1894 in einer anderen DVA-Zeitschrift vorgenommen wurde).(61)

Unglücklicherweise verhält es sich so, daß von »Ueber Land und Meer«, wofür Kürschner den "Elk" vorgesehen hatte (Brief vom 16.12.1889), nicht nur zwei formal und inhaltlich differierende Ausgaben existierten (s. o. zur Karte Kürschners vom 30.6.1889), sondern bis Oktober 1892 sogar vier: Neben die beiden deutschen Fassungen, die als "Ueber Land und Meer" vertrieben wurden, traten österreichische Parallelausgaben unter dem Titel "Neue Illustrirte Zeitung. Illustrirtes Familienblatt" (auch hier je eine Großfolio- und eine Groß-Octav-Ausgabe), die wiederum unter sich und mit den deutschen Ausgaben nicht inhaltsgleich sind.(62) Da nun die in diesen vier Blättern abgedruckten Texte nicht nur in jeweils einer Ausgabe erschienen, sondern (meist mit zeitlichen Verschiebungen) auch in einer (oder sogar mehreren) anderen, ist es denkbar, daß der Erstabdruck des "Elk" nicht erst 1893, sondern schon eher in einer anderen Ausgabe von "Ueber Land und Meer" (und dort vielleicht mit den Remington-Illustrationen) erfolgte.

   Eine Überprüfung aller in Deutschland und Österreich erreichbaren Jahrgänge von "Ueber Land und Meer" und "Neuer Illustrirter Zeitung" erbrachte


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jedoch kein positives Resultat. Freilich mußten die Nachforschungen lückenhaft bleiben, da sich von der Groß-Octav-Ausgabe der "Neuen Illustrirten Zeitung" nur die Hefte 1-3 des Jg. 1890 (Okt.–Dez. 1890) in der Universitätsbibliothek Wien nachweisen ließen. Eine Durchsicht der restlichen Hefte des Jg. 1890 sowie der Jgg. 1891 und 1892 dieser Fassung der "Österreichischen Ausgabe von Über Land und Meer"(63) könnte daher durchaus noch auf die Spur eines bislang unbekannten "Erstelks" führen.

Offenbar fühlte sich Kürschner Anfang 1890 der Mitarbeit Mays bereits so sicher, daß er die Korrespondenz in Sachen Illustrationstexte an die Redaktion der DVA abgab. Schon vier Tage nach der Empfangsbestätigung für "Der erste Elk" wurde May von dort um einen weiteren Beitrag ersucht:

Stuttgart, den 18. Januar 1890

   Verehrter Herr!

   Haben Sie die Güte, das mitfolgende Bild "Jagd auf wilde Truthühner bei Mondschein" in etwa 50 Druckzeilen textlich zu behandeln.

   Durch rasche Lieferung des Aufsatzes würden Sie uns zu ganz besonderem Dank verpflichten.

   Hochachtungsvoll
   Deutsche Verlags-Anstalt
        Redaktion.
            (Unterschrift)(64)
Herrn Dr. Karl May.
Dresden-Kötzschenbroda.
Schützenstr. 6.

»das mitfolgende Bild«: S. die Abbildung; lt. Copyright-Vermerk hat die DVA das Bild aus dem Jg. 1889 von "Harper's Weekly. A Journal of Civilisation" erworben, einer 1857–1916 im Verlag von Harper & Brothers, New York, erscheinenden Wochenzeitschrift; das Bild stammt von Rufus Fairchild Zogbaum (1849–1925), der insbesondere als Zeichner des amerikanischen Alltagslebens wirkte.

Obwohl eine Bestätigung Kürschners (bzw. der Redaktion) über den Erhalt dieses Beitrages nicht überliefert ist (immerhin weiß der Brief vom 27.1.1890 nur von freundlichen Textlieferungen Mays zu berichten), geht aus verschiedenen Indizien mit Sicherheit hervor, daß May auch diesen Artikel prompt geliefert hat:

a) Die genannte Illustration erschien mit dem Begleittext bereits kurze Zeit später in Heft 15 der "Illustrirten Welt", das in der zweiten Februarwoche 1890 ausgeliefert wurde; da Mitte Januar 1890 die Vorbereitungen für Heft 15 schon mit Hochdruck liefen (vgl. oben den Parallel-


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fall [Parallelfall] "Im Mistake-Cannon", wo zwischen Auftrag zur Abfassung des Textes und seiner Veröffentlichung derselbe Abstand vorliegt), scheidet eine Rückgabe des Bildes durch May mit anschließender Beauftragung eines anderen Autors durch die Redaktion praktisch aus.

b) Bedeutsam ist die Differenz zwischen Bild- und Texttitel ("Jagd auf wilde Truthühner bei Mondschein/in Texas"), die einem Redaktionsmitglied, das einen nicht rechtzeitig eintreffenden Illustrationstext auf die Schnelle und dann in engster Anlehnung an den Bildinhalt selber abzufassen hätte, schwerlich unterlaufen wäre. Diese Differenz weist vielmehr auf eine reflektierte Behandlung des Themas(65) hin, die sich u. a. darin ausdrückt, daß May die geographisch neutrale Illustration kurzerhand im fernen Westen lokalisiert, was bei jedem anderen Autor nicht mit gleicher Selbstverständlichkeit zu erwarten wäre.

c) Da nur die Einladung an May zur Abfassung dieses Textes dokumentarisch gesichert ist, von der Beauftragung eines anderen Autors oder eines DVA-Redakteurs hingegen nichts verlautet, und da der Text nichts enthält, was zweifelsfrei gegen eine Abfassung durch Karl May spricht, ist bis zum Erweis des Gegenteils von der Autorschaft Mays an der "Jagd auf wilde Truthühner in Texas" auszugehen.(66)

So gewiß daher dieser Text auf May zurückzuführen ist, so sicher ist freilich auch, daß er zum Schwächsten gehört, was ihm je aus der Feder geflossen ist. Namentlich die sprunghafte Komposition (nach kulinarisch-waidmännischer Kurzeinführung erfährt die Leserschaft fast beiläufig, daß aus dem südwestlichen Texas berichtet wird; zwei Zeilen später ist vom fernen Westen die Rede – soll beides dieselbe Gegend bezeichnen?) mag man May kaum zutrauen wollen. Doch steht zu vermuten, daß der Text von der Redaktion erheblich zusammengestrichen worden ist: Für die gewünschten 50 Druckzeilen (May tendierte dazu, eher mehr als weniger zu liefern) stand letztlich nur noch ein freier Raum von 28 Druckzeilen zur Verfügung, was zwangsläufig zu substantiellen Einschnitten in den ohnehin knappen Beitrag führen mußte. (Die Reduzierung des für May vorgesehenen Raumes mag dadurch zu erklären sein, daß sein Beitrag so spät eintraf, daß die Redaktion bereits befürchtete, den fehlenden Illustrationstext selber entwerfen zu müssen und deshalb den Raum vorsorglich minimierte; für eine Sendung Mays in letzter Minute spricht vor allem, daß Text- und Bildtitel nicht mehr ausgeglichen werden konnten.) Immerhin ließ die Redaktion von Mays Text noch folgendes übrig:


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Jagd auf wilde Truthühner in Texas.

Das beste, was von dem wilden Truthahn gesagt werden kann, ist, daß er einer der schmackhaftesten eßbaren Vögel ist; viel Intelligenz, diesem Schicksal zu entgehen, beweist er nicht. In der guten alten Koloniezeit fing man den Truthahn auf mancherlei Art. Die eine Methode bestand darin, daß man eine hausähnliche Falle errichtete, deren unterer Teil offen gelassen wurde. Dann wurde eine Spur von Welschkorn gelegt, welcher der Truthahn vertrauensvoll folgte bis inseits der Hütte, wo ihn

Jagd auf wilde Truthühner bei Mondschein [77,7-Kb-Jpg]


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dann sein Schicksal erreichte. Den Ruf des Vogels nachzunhmen und ihn so aus seinem Versteck zu locken, war auch eine beliebte Jagdmethode.

   Truthühner in der Balzzeit zu schießen, wie unsere Zeichnung es darstellt, kann eigentlich kaum mehr Sport im höheren Sinn des Wortes genannt werden; immerhin muß man dabei in Betracht ziehen, daß im südwestlichen Texas Fleisch eben Fleisch ist. Man tötet dort das Wild weniger des Jagdvergnügens als des Eßbedürfnisses wegen. Im fernen Westen, wo die Truthühner sich am liebsten an strombegrenzten Waldungen aufhalten, tragen sie ein geflecktes Federkleid. Während des Tages läßt der Jäger sie in Ruhe, in hellen Mondnächten jedoch schießt er sie zu Dutzenden herab von den schneebedeckten Zweigen der Bäume. Die Tiere scheinen sich der Gefahr meist nicht bewußt zu sein, und da sie reihenweise bei einander sitzen, so tötet ein Schuß oft deren zwei bis drei; dann erst erwacht die ganze Herde und fliegt auf und davon. Das reichliche Futter, welches der Truthahn in Texas findet, macht ihn zum schmackhaftesten aller eßbaren Vertreter des dortigen Vogelgeschlechts.

Kürschner war jedenfalls über Mays zuverlässige Mitarbeit so erfreut (er hatte von September 1889 bis Januar 1890 höchstwahrscheinlich fünf Beiträge erhalten – viel mehr als für "Vom Fels zum Meer" in fünf Jahren zähen Ringens), daß er ihn Ende 1890 für eine neue literarische Idee zu gewinnen suchte, von der sich Kürschner offenbar großen Erfolg versprach:

Stuttgart, den 27. Januar 0.

    Verehrter Herr!

   Nachdem Sie mehrfach so freundlich gewesen sind, mir auch für die jetzt meiner Leitung unterstellten Blätter Beiträge zu liefern, möchte ich Ihnen heute mit einem Plane kommen, an dessen Ausführung mir sehr viel läge.

   Ich habe, was die Zeitfrage anlangt mit Ihnen hier und da keine guten Erfahrungen gemacht, wesshalb Sie mir wohl meine Vorsicht verzeihen.

   Meine erste Frage geht also dahin: Kann ich, wenn Sie überhaupt mit meinem Plane einverstanden sind, absolut darauf rechnen, dass Sie ihn unverzüglich in Angriff nehmen und dass ich in absehbarer Zeit Alles erhalte? Es wäre mir lieb, wenn Sie mit der Arbeit sofort anfangen und mir im Laufe von 8-10 Wochen das ganze Material senden könnten, da ich bis zu diesem Termin die Arbeit notwendig haben muss.

   Sie haben ja jedenfalls unsere Zeitschrift "III. Welt" bereits gesehen. Um Ihnen aber ein besseres Bild von derselben zu verschaffen, füge ich die bis jetzt erschienenen Nummern dieses Jahrgangs bei. Wir gedenken in diesem Blatt eine Reihe von Artikeln zu bringen, welche durch alle Nummern hindurchlaufen und in denen eine Reise um die Welt ge-


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schildert [geschildert] wird. Die Leser sollen gewissermaßen von der "III. Welt" selbst auf dieser Reise um die Welt begleitet werden, und ich denke mir, wir nennen das Schiff, auf dem die Reise vor sich geht, geradezu "Illustrierte Welt". Jeder Artikel deren es 26 sein sollten dürfte etwa 3 Spalten umfassen, und müsste entsprechend illustriert sein. Vielleicht haben Sie die Güte und geben wegen der Illustrationen die nötigen Winke. Wert lege ich darauf, dass auf der Reise möglichst häufig die Leser Deutschen begegnen und so gewissermassen auch Sittenbilder aus dem Leben der Deutschen im Ausland geboten werden. Jerusalem wünsche ich jedenfalls erwähnt zu sehen. Die Artikel sollten möglichst an die Zeit anknüpfen, so etwa, dass unser Weihnachtsfest gerade einen Artikel brächte, in dem das Weihnachtsfest in irgend einem überseeischen Land geschildert wird, in ähnlicher Weise bei Ostern, Pfingsten u. s. w. Doch bedarf es ja natürlich bei Ihnen keiner weiteren Direktiven, da Sie bei Ihren reichen Kenntnissen und nicht minder reicher Fantasie das denkbar Beste treffen werden.

   Sie begreifen, dass eine derartige Serie nicht unterbrochen werden darf, noch von einem Andern fortgesetzt werden kann und dass ich desshalb unter allen Umständen sicher gehen muss.

   Ich sende diesen Brief "Eingeschrieben" und bitte mir sogleich nach Empfang Ihre Meinung mitzuteilen und bejahenden Falls sogleich einen Plan auszuarbeiten, der die einzelnen Etappen der Reise und ihre Verteilung auf die 26 Nummern darlegt.

   Nachträglich bemerke ich noch, dass ich grosses Gewicht darauf lege dass hie und da auch novellistische Momente in die Reise verflochten werden, wodurch das mehr belehrende Element, was bei einer solchen Reise immerhin geboten wird, sich auch noch zu Unterhaltendem gestaltet.

   Mit lebhaftem Interesse Ihren Mitteilungen entgegensehend, bin ich mit bekannter Verehrung

            Ihr
    sehr ergebener
      Geh. Hofrat Josef Kürschner
Beilage.

Herrn Dr. Karl May,
Dresden-Kötzschenbroda. Schützenstr. 6.
Villa "Idylle".

»im Laufe von 8–10 Wochen«: Kürschner plante, die "Reise um die Welt" mit Beginn des 39. Jg. der "Illustrirten Welt" (1890/91) im Juli 1890 zu eröffnen. Nach Mays Absage erschien dort ein entsprechender Textzyklus von Friedrich Meister unter dem Titel "Die Reise der "Illustrirten Welt" um die Erde" (in 19 Fortsetzungen). – »Beilage.«: Bezieht sich offenbar auf die anliegenden bisher erschienenen Nummern des 38. Jg. der "Illustrirten Welt".


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May hat sich für die Antwort auf Kürschners überraschenden Vorschlag fast zwei Monate Zeit gelassen – vielleicht Indiz für eine grundsätzliche Beschäftigung mit dem Thema Kürschner/DVA, das – wie May spätestens seit dem vertraulichen Zusatz Kürschners im Brief vom 29.10.1889 wußte – noch immer klärungsbedürftig war: Zum einen war ihm Kürschners Vorschlag, eine "Reise um die Welt" in 26 Folgen zu verfassen, sicher nicht unsympathisch; andererseits war er durch die Lieferungen an Spemann und Pustet (1889–1891 arbeitete May – abgesehen von den wenigen Illustrationstexten für die DVA – ausschließlich für diese beiden Verlage) hinreichend ausgelastet, so daß sich ein größeres Engagement für Kürschner zwangsläufig auf seine dortige Mitarbeit auswirken mußte. Ausschlaggebend war aber vielleicht, daß Mays gestiegene Eitelkeit die Veröffentlichung eines solch umfangreichen Textzyklus nur noch unter eigenem Namen zugelassen hätte, was aber mit Rücksicht auf Spemann nicht möglich war.

   Kurz vor Ablauf der von Kürschner gesetzten Lieferfrist (als ohnehin alles zu spät war) gab May ca. am 22.3.1890 endlich seine Antwort: Ohne sich zu einem klaren Nein durchzuringen, dürfte er Kürschner mitgeteilt haben, daß bei einem solch umfassenden Unternehmen seine Anonymität schwerlich gewahrt bleiben könne, zudem habe er sich gegenüber Speman kontraktlich verpflichtet, alle seine Arbeiten nur noch diesem zu liefern (May spielte damit auf seinen Verlagsvertrag mit W. Spemann vom 3.12.1888(67) an, den er freilich kaum zutreffend wiedergab; sein Engagement bei Pustet hat May gegenüber Kürschner wohlweislich verschwiegen, was letzterer nur allzu bald herausfinden sollte; vgl. den Brief vom 7.7.1890): So seien ihm, May, jetzt und in Zukunft bei allem guten Willen die Hände gebunden.

   Die Schaffung klarer Verhältnisse, zu denen sich der zauderliche May wieder einmal nicht durchringen konnte, besorgte dann Kürschner in einer Art Abschiedsbrief:

Stuttgart, den 25/3 1890.

    Verehrter Herr!

   Ihre Eröffnungen versetzen mich ins grösste Staunen, da ich offen gestanden, keine Ahnung davon gehabt habe, dass die Verhältnisse so liegen, wie Sie es mir sagen. Unter diesen Umständen ist es natürlich ausgeschlossen, dass Sie den Auftrag ausführen, was Niemand mehr bedauert als ich, da ich überzeugt bin, dass Sie etwas ganz Exquisites geschrieben hätten. Ich darf ja selbstverständlich voraussetzen, dass Sie nach keiner Richtung hin über die Angelegenheit reden, da wir natürlich durch die Neuheit der Sache uns eine grosse Wirkung versprechen. Ein Versuch, bei Spemann eine Ausnahme für Sie zu bewirken, würde in diesem Falle, wo es sich um eine direkte Concurrenz handelt, durchaus erfolglos sein.


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   Aufrichtig betrübt, durch diese Verhältnisse, Sie aus dem Kreise unserer Mitarbeiter scheiden sehen zu müssen, bin ich

    mit vorzüglicher Hochachtung immer
        der Ihrige
            Kürschner
Herrn Dr. Carl May, Dresden-Kötzschenbroda.

Damit wäre die Zusammenarbeit zwischen Kürschner und May zu einem klaren und definitiven Ende gekommen – hätte nicht Kürschner im Sommer 1890 herausgefunden, daß May gerade in Pustets "Deutschem Hausschatz" den ersten Teil des "El Sendador" veröffentlichte. Sogleich mußten Kürschner die von May geäußerten Hinderungsgründe fragwürdig und hinfällig erscheinen und folgerichtig erging die strenge Bitte um nähere Erläuterung – verbunden mit der Einladung an May, sich erneut als Mitarbeiter »einzustellen«:

Stuttgart, den 7. Juli 1890.

   Sehr geehrter Herr!

   Nachdem Sie uns s. Z. mitgetheilt haben, daß Sie kontraktlich gebunden sind, nur für Spemann allein zu schreiben, überrascht es uns, in den neuesten Heften vom "Deutschen Hausschatz" (Pustet in Regensburg) einen Roman von Ihnen zu finden. Dürfen wir Sie um gefl. Mittheilung bitten, wie sich dies verhält? Ist vielleicht eine Änderung in Ihren Abmachungen mit Spemann eingetreten und ist die Hoffnung gerechtfertigt, daß Sie sich auch bei uns wieder als Mitarbeiter einstellen werden?

   Wir sehen Ihren gefl. Nachrichten entgegen und begrüßen Sie hochachtungsvoll

Herrn Dr. Karl May                         Deutsche Verlags-Anstalt.
Dresden-Kötzschenbroda.                 Litterarische Abteilung.
                                                      Geh Hofrat Js Kürschner


4.  D i e  J a h r e  1 8 9 0 – 1 8 9 2

Mit Kürschners Bitte um Aufklärung schließt die überlieferte Korrespondenz zwischen Joseph Kürschner und Karl May. Wie May reagierte, muß daher beim gegenwärtigen Kenntnisstand Vermutung bleiben; doch bieten sich nur zwei Möglichkeiten an: Entweder ignorierte May Kürschners Brief (was – wie May nach allen bisherigen Erfahrungen annehmen mußte – endlose Nachfragen Kürschners provozieren würde, denen er sich auf Dauer nicht entziehen konnte, und was vor allem der Hochachtung widersprochen hätte, die er spätestens seit 1886 ["Fels"-Offerte; Vermittlung der Mitarbeit am "Guten Kameraden"] für


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Kürschner empfand) oder er lieferte die gewünschte Erklärung (die dann freilich eher rhetorisch als glaubwürdig ausgefallen sein dürfte): Angesichts der Tatsachen, daß beider Kontakte nach 1890 nicht abgebrochen sind, sondern praktisch bis zum Tode Kürschners weiterbestanden haben und daß für einen Affront Mays gegenüber Kürschner in den Jahren 1890ff. kein Anhaltspunkt existiert, ist unbedingt von der zweiten Möglichkeit auszugehen.

   Damit stellt sich jedoch sofort die Frage, welche praktischen Konsequenzen die Antwort Mays hatte: War er genötigt einzuräumen, daß ihm (vielleicht: »neuerdings wieder«) Veröffentlichungen auch bei anderen Verlagen möglich seien, kam er schwerlich daran vorbei, Kürschner weitere Textlieferungen in Aussicht zu stellen. Da andererseits sicher ist, daß May größere Arbeiten für die DVA (etwa im Sinne des Kürschner-Briefes vom 27.1.1890) auch fernerhin nicht geliefert hat, liegt es nahe, daß May (entsprechend der vermutlich im Sommer 1889 getroffenen Vereinbarung; s. o. S. 359) anbot, gelegentlich Kurztexte zu vorliegenden Illustrationen zu verfassen.

   So eröffnet Kürschners Brief vom 7.7.1890 als nächstliegende Möglichkeit, daß May noch weitere, bisher unbekannte Arbeiten für die verschiedenen Unterhaltungsblätter der DVA geliefert hat. Die Verifizierung solcher Beiträge stößt allerdings auf erhebliche Schwierigkeiten:

a) Hatte May mit seinem Brief vom ca. 22.3.1890 auch einen Rückzug von seinen kleineren DVA-Veröffentlichungen durchblicken lassen, wird sich solcher Unwille Mays nach Mitte 1890 kaum in einer größeren Zahl neuer Textlieferungen niedergeschlagen haben.

b) Die wenigen Arbeiten Mays, die trotzdem noch für die DVA entstanden sein können, sind mit Sicherheit weiter anonym erschienen, was ihre Identifizierung – in Ermangelung jeglicher dokumentarischer Anhaltspunkte – aufs äußerste erschwert.

Auch wenn sich daher bei der Identifizierung solcher Texte z. Zt. keinerlei Sicherheit erreichen läßt, ist andererseits festzuhalten, daß die Jahrgänge 1890ff. der verschiedenen DVA-Zeitschriften eine Reihe von Kurzbeiträgen (sämtlich zu Illustrationen verfaßt) enthalten, die sich stilistisch und thematisch ohne weiteres mit Karl May in Verbindung bringen lassen. Um diesen Befund zu präzisieren (und nicht mit dem kargen Daß der Möglichkeit weiterer DVA-Texte Mays zu schließen), sollen nachfolgend drei dieser Beiträge vorgestellt werden, die sowohl das inhaltliche Spektrum solcher Kurztexte andeuten als auch einen chronologischen Querschnitt durch die in Frage kommenden Zeitschriften-Jahrgänge bieten.

   Glücklicherweise setzt der baldige Austritt Kürschners aus der DVA im Juli 1892 der Zahl zu untersuchender Jahrgänge klare Schranken.


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Geht man davon aus, daß May seine DVA-Beiträge in erster Linie mit Rücksicht auf Kürschner verfaßte – also allein aufgrund einer personalen Beziehung –, hat May der DVA höchstens bis Mitte 1892 Beiträge geliefert. Nimmt man weiter an, daß zwischen Ablieferung und Veröffentlichung eines Beitrages maximal ein Jahr liegt (vgl. "Die Rache des Mormonen"; der verzögerte Abdruck von "Der erste Elk" dürfte andere Gründe haben; s. o.), ist mit Mitte 1893 (also spätestens zum Ende der Jgg. 1892/93) eine Obergrenze gesetzt, über die hinaus in DVA-Zeitschriften keine Originalveröffentlichungen Mays mehr zu erwarten stehen.

   Demnach besteht die Möglichkeit, daß zwischen Juli 1890 und Mitte 1893 noch weitere DVA-Beiträge Mays erschienen sind; aus den Veröffentlichungen dieses Zeitraums seien folgende Texte (sämtlich anonym und je zu einer Illustration verfaßt) herausgegriffen und näher untersucht:

a) "Sattler in Kairo"; erschienen Ende November/Anfang Dezember 1891 in: Ueber Land und Meer. Großfolio-Ausgabe, 34. Jg. (1891/92), Teilband 1 (= Bd. 67), Nr. 7 S. 134f.; Illustration von G. Montbard(68) ("Ein Sattel- und Pferdegeschirrmachersladen in Kairo") S. 140 (s. Abbildung); ein (orthographisch geringfügig abweichender) Paralleldruck erschien in: Neue Illustrirte Zeitung. Großfolio-Ausgabe, 20. Jg. (1891/92), Teilband 1, Nr. 7 S. 134; Illustration S. 132 (in der vierzehntägigen Heftausgabe: Heft 4, S. 122; Illustration S. 120).

b) "Am Steppenbrunnen"; erschienen Ende März/Anfang April 1892 in: Illustrirte Romane aller Nationen, 12. Jg. (1891/92), Heft 19 S. 607; Illustration (Signatur nicht identifizierbar) S. 605 (s. Abbildung).

c) "Eine Ansiedlung im nordamerikanischen Felsengebirge"; erschienen März 1893 in: Ueber Land und Meer. Großfolio-Ausgabe, 35. Jg. (1892/93), Teilband 1 (= Bd. 69), Nr. 22 S. 463f.; Illustration (aus dem Jg. 1890v on "Harper's Weekly"; s. o. zum Brief vom 18.1.1890) S. 464 (s. Abbildung).

In ihrer Erzähltechnik entsprechen alle drei Texte u. a. dem oben für May gesicherten Beitrag "Jagd auf wilde Truthühner in Texas": Durch die jeweils zugrunde liegende Illustration wird der Verfasser zu einer Erzählung angeregt, die zunächst über den eigentlichen Bildinhalt hinausgreift und einen größeren Zusammenhang entwirft; um den intendierten Bezug zwischen Text und Bild sicherzustellen, wird dann zum Ende hin (mehr oder weniger abrupt) der Bildinhalt als gleichsam realer Ausschnitt der soeben entworfenen Erzählwelt in den Text eingetragen. Das Bild hat bei diesem Verfahren eine doppelte Funktion: Es inspiriert die fiktive Erzählung und suggeriert zugleich die Gewißheit


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einer verläßlichen Schilderung realer Verhältnisse – der Text bewegt sich also in einem eigentümlichen Grenzbereich zwischen Schein und Sein und überläßt es letztlich dem Leser, ob er den Text als Dichtung oder Wahrheit oder als Mischung aus beidem verstehen will. Daß diese gewollte Unschärfe ihres Realitätsstatus für große Teile des Mayschen Erzählwerks (vor allem die "Reiseerzählungen"(69)) charakteristisch ist, mag an dieser Stelle nur angedeutet sein.

   Zu den Texten im einzelnen (die – eingedenk der Debatte um "Die weiße Kamelstute"(70) – bewußt in Grund- und nicht in Kursivschrift wiedergegeben werden):


a)  S a t t l e r  i n  K a i r o .

Die Hauptstadt Aegyptens, El Kahira, "die Siegreiche", hat in ihrem ältesten, nordwestlichen Teile, der sich um die weltberühmte Straße, die Muski, gruppirt, mehr charakteristische Eigentümlichkeiten des mohammedanischen Lebens vor dem alles nivellirenden Einfluß der europäischen Zivilisation bewahrt als irgend eine andere Stadt des türkischen Orients. Dieser Teil nimmt zwar nur einen sehr kleinen Raum der am Fuße des nackten rötlichen Mokattamgebirges weit ausgebreiteten Stadt ein, ist aber durchzogen von einem Gewirre von Gassen und Gäßchen, in denen sich noch ziemlich unverfälscht altorientalisches Wesen erhalten hat. Mitten in diesem alten Stadtteil, welcher natürlich, wie alles im Orient, auch deutliche Spuren des Verfalles aufweist, liegt der Khan el-Chalili, der ehemalige Mittelpunkt des geschäftlichen Lebens Kairos. Er bildet für sich ein besonderes Stadtviertel mit einer Hauptstraße und vielen engen und winkeligen Nebengassen, die von langen Reihen neben einander liegender Buden der einheimischen Kaufleute und Handwerker gebildet werden und alle zur Abhaltung der glühenden Sonnenstrahlen überdeckt sind. Den Zugang zu diesem abgeschlossenen Häuserkomplex bilden Thore, die früher bei Nacht oder bei den oft vorkommenden Unruhen sorgfältig abgesperrt wurden. Auch heutzutage entwickelt sich hier, namentlich am Montag und Donnerstag, den Hauptmarkttagen, noch ein reges geschäftliches Treiben, welches für den Ausländer von großem Interesse ist. Dann ist der Verkehr in den engen Gassen an vielen Stellen ein derartiger, daß ein Durchkommen schwer ist oder doch wenigstens sehr viel Zeit in Anspruch nimmt; aber gerade dieses bunte und lärmende Gewühl trägt ein echt orientalisches Gepräge. Außer diesen Khans, deren es mehrere gibt, hat der Handel auch die benachbarten Straßen in Besitz genommen, und zwar so, daß immer ein Erwerbszweig eine ganze Straße oder Gasse innehat, die dann nach ihm ihren Namen führt. Diese Gassen oder Bazare zu durchwandern, bietet schon darum reiche Unterhaltung, weil alle Geschäfte und alle Arbeiten nicht wie bei uns im Innern des Ladens abgemacht werden, sondern vor demselben. Ueberhaupt kann man eigentlich gar nicht von einem Innern des Ladens sprechen, denn dasselbe ist größtenteils nur sehr eng und dient zum Aufbewahren der Waren. Der Ladentisch aber steht davor, und auf ihm hockt mit unterge-


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Ein Sattel- und Pferdegeschirrmachersladen in Kairo [91,5-Kb-Jpg]


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schlagenen [untergeschlagenen] Beinen der Verkäufer, gewöhnlich mit der Pfeife im Mund, und wartet auf die Kunden. Erscheint dann einer, so werden die Waren herbeigeschleppt, und es beginnt der Handel, der sehr oft mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Ebenso sind die Läden eingerichtet, in denen Arbeitsleute sitzen. Auch letztere verrichten ihre Arbeit eigentlich auf offener Straße, da die weite Oeffnung ungehindert den Blick in den nur wenig tiefen Raum gestattet. Einen solchen Laden, und zwar den eines Sattlers, zeigt unser Bild. Wir erblicken den weißbärtigen Meister mit einem Gesellen im Hintergrunde bei der Arbeit mit untergeschlagenen Beinen auf einer kastenartigen Erhöhung sitzen, welche das Innere des Ladens vollständig bedeckt und noch auf die Straße herausreicht. Die ganze Einrichtung ist sehr primitiv, und nur wenige Stücke fertiger Ware sind zu sehen. Die Sattler haben ihren eigenen Bazar, den Suk es-Surugiye; es finden sich aber auch in anderen Straßen und Bazaren einzelne Läden dieser Art, so zum Beispiel in dem oben erwähnten Khan el-Chalili, wohin unser Bild den Leser führt.

Ohne auf die sprachliche Seite dieses Textes größeres Gewicht zu legen (Wendungen wie »Dann ist der Verkehr . . . ein derartiger, daß . . . « sind zweifellos für May charakteristisch, aber natürlich nicht auf May beschränkt), sei hier besonders auf das geographische Thema des Textes hingewiesen (»El Kahira, "die Siegreiche"«), das im Werk Karl Mays eine verblüffene Parallele aufweist – fast mit denselben Worten beginnt Mays Orienterzählung "Der Mahdi": Die Siegreiche, "El Káhira" . . . , so nennt der Egypter die Hauptstadt seines Landes.(71) Wie im "Sattler"-Artikel schließen sich auch im "Mahdi" Ausführungen über die Muski (hier ist der Verkehr am regsten und in Folge dessen das Gedränge am dichtesten), über Händler und Bazare an.(72)

   Frappierend ist aber, daß zu den sachlichen Übereinstimmungen eine chronologische Nähe beider Texte tritt, die nur schwer als zufällig bezeichnet werden kann: Die Veröffentlichung von "Der Mahdi" begann Anfang Oktober 1891 im "Deutschen Hausschatz" (18. Jg. (1891/92), Nr. 1),(73) also nur rund acht Wochen vor dem Erscheinen des Beitrages "Sattler in Kairo" (der zudem schon drei bis vier Wochen vorher in der DVA-Redaktion vorgelegen haben muß, um in dieser Nummer von "Ueber Land und Meer" erscheinen zu können). Dieses Zusammentreffen der Ereignisse macht es höchst unwahrscheinlich, daß hier zwei Autoren unabhängig voneinander den gleichen Einstieg in das Thema "Kairo" gefunden haben – naheliegender ist, mit zwei anderen Möglichkeiten zu rechnen: Entweder hat sich ein Epigone von Mays "Mahdi"-Einleitung zur Behandlung der ihm vorliegenden Kairo-Illustration inspirieren lassen und den so entstandenen kongenialen Beitrag in kürzester Frist bei der DVA abgeliefert, wo er ebenso zügig akzeptiert und zum Druck befördert wurde – oder die Redaktion der DVA (die den "Deutschen Hausschatz" beobachtete; vgl. den Brief vom 7.7.1890) wußte von Mays neuer Erzählung und bat den Autor,


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eine vorrätige Kairo-Illustration des May durchaus nicht unbekannten G. Montbard im Geiste seiner "Mahdi"-Erzählung kurzfristig textlich zu behandeln. Angesichts der zeitlichen, thematischen und sprachlichen Nähe beider Texte mag die zweite Möglichkeit größere Wahrscheinlichkeit beanspruchen als der nur hypothetische Hinweis auf das Werk eines Epigonen.


b)  A m  S t e p p e n b r u n n e n .

Viele Tagreisen weit erstreckt sich im südlichen und südöstlichen Rußland die Steppe, die man eher mit "Wüste" bezeichnen sollte, da sie nur stellenweise eine magere Vegetation aufweist. Während in den nördlichen Regionen die ausgedehnten Steppen mit dichtem, hohem Grase bewachsen sind, gedeihen im sonnverbrannten Süden nur kümmerliche Pflanzen, – holzige, blattlose Sträucher, die höchstens dann von den Kamelen und Pferden abgenagt werden, wenn es an jedem andern Futter fehlt. – Endlos geht es so in der unabsehbaren Ebene fort – kein Baum, der dem Wanderer Schatten und Kühle gewährt, – kein grasbewachsenes Plätzchen, auf dem er die müden Glieder strecken könnte! Scharen von Krähen, Tauben und Wüstenhühnern bevölkern die öde Gegend, und bei Nacht sind es die Schakals, welche mit ihrem kläglichen Gewimmer die ruhende Karawane umschleichen, hoffend, ihren nie befriedigten Hunger durch einige Abfälle stillen zu können. Aber auch diese Abfälle sind von gar magerer Art: bei solchen Reisen kann man sein Reittier nicht mit viel Proviant belasten; Datteln und Reis bilden in der Regel die Hauptgerichte, und wenn dabei der Magen knurrt, so zieht man einfach den Gürtel fester, bringt die Pfeife in Brand und vertröstet sich auf die Zeit, wo man in der nächsten Stadt das Versäumte nachholen wird. – Weit wichtiger ist bei solchen Märschen die Wasserfrage. Die Schläuche, die man beim Ausritt aus der Karawanserai gefüllt, sind in wenigen Stunden bereits leer, und jetzt heißt es froh sein, wenn man nach langem Suchen an eine Pfütze gelangt, wo Menschen und Tiere den Durst stillen können. Gleichviel ob das Wasser schlammig und trübe aussieht, und ob es bitter oder salzig schmeckt, es ist immer besser so, als hätte man gar keines, und so wird denn rasch Proviant geschöpft, um für die kommenden Stunden gesichert zu sein. – Allein auch diese Beruhigung nimmt eines Tages ein Ende. Man hat bereits eine gute Strecke abgesucht und gehofft, auf einer Stelle, wo das Strauchwerk üppiger wächst, die ersehnte Labung zu finden, – doch vergebens! Die Zunge klebt am Gaumen, und das Verlangen, dieselbe zu befeuchten, wird um so dringender, je hoffnungsloser die Dinge stehen. Auch die Pferde leiden; sie kommen nur mühsam vorwärts, straucheln bei jedem Schritt und lassen wehmütig die Köpfe hängen . . . Plötzlich spitzt das Tier des Führers die Ohren und stößt ein kurzes Wiehern aus, ein Ruf, den die anderen Tiere beantworten, während sie nun mutiger und kräftiger ausschreiten. In weiter Ferne wird ein niedriger Gebirgszug sichtbar, dem dünne Dunstwölkchen entsteigen und gegen welchen die Karawane in gerader Richtung losstürmt. Nach und nach vereinigen sich


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Am Steppenbrunnen [53,8-Kb-Jpg]


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mehrere Pfade in einen einzigen, der nun als breitgetretener Weg gegen den Höhenzug hinführt. – Ohne Zweifel – dort gibt es Wasser! Das letzte Stück legen die Pferde in kurzem Trab zurück, und jetzt zeigt sich der Eingang in eine niedere Schlucht, inmitten welcher ein dunkles Loch den freudig überraschten Wanderern entgegengähnt . . . ein Brunnen! Rasch springt man aus dem Sattel, bindet die Leine los und befestigt daran ein Trinkgeschirr. Der Brunnen ist tief, das Seil reicht nicht und muß zu wiederholtenmalen verlängert werden, bis schließlich das ersehnte Plätschern des tauchenden Gefässes an die Ohren schlägt. Nun rennt einer der Leute mit dem Ende des Seiles fort, das über einer von zwei anderen gehaltenen Stange läuft, und – endlich erscheint der Eimer voll des klarsten, frischesten Wassers! Mit wonnevollen Zügen wird da getrunken, bis man nicht mehr kann, dann erhalten die durstigen Tiere ihr Teil.

   Wie viele Generationen mögen an diesem Brunnen Labung gefunden haben! Für sein langes Bestehen zeugen die Spuren der Stricke, welche in die harte Felswand fast fußtiefe Rinnen eingerieben haben; möglich, daß hier schon zu biblischen Zeiten Durstige gerastet haben, um aus der Tiefe Erquickung und frische Kraft für den weiteren Marsch zu schöpfen.

Auf den ersten Blick scheint dieser Text in eine Terra incognita der Mayschen Weltkarte zu führen, doch mit der Identifizierung der Steppen des "südlichen und südöstlichen Rußlands" als "Wüste" erschließt sich der Verfasser einen geradezu klassischen Handlungsraum Karl Mays. Auf eine eventuelle Verfasserschaft Mays führen hier freilich weniger die fiktiven Räume des Geschehens als vielmehr dessen erzählerische Entfaltung, die praktisch in jedem Detail May-Assoziationen weckt. Dies gilt sowohl für die Gliederung und das Textgefälle (aus den harmlos geographisch-zoologischen Rahmennotizen entwickelt sich – trotz des allgemeinen Tones – ein geradezu lebensgefährliches Abenteuer, dessen glücklicher Ausgang hier durch die Illustration vorgegeben wird), für den Erzählduktus (samt einschlägig bekannten Wendungen wie »Die Zunge klebt am Gaumen, und das Verlangen, dieselbe zu befeuchten . . . «, »lassen wehmütig die Köpfe hängen«, »spitzt das Tier . . . die Ohren und stößt ein kurzes Wiehern aus«) als auch für mögliche Tiefenstrukturen des Textes, die sich etwa in der Architektur der vorgeführten Topographie spiegeln, wo Entsprechungen in gesicherten May-Texten unübersehbar sind (Sätze wie: »jetzt zeigt sich der Eingang in eine niedere Schlucht, inmitten welcher ein dunkles Loch den freudig überraschten Wanderern entgegengähnt . . . « »Der Brunnen ist tief, das Seil reicht nicht . . . « hätten keinen geringeren als Arno Schmidt(74) fasziniert, doch ist auch bei Ignorierung der Schmidtschen Landschaftsanalysen unübersehbar, daß in "Am Steppenbrunnen" dasselbe Material zugrunde liegt).

   Der letzte hier vorzustellende Beitrag führt wiederum in einen der bekanntesten Handlungsräume Karl Mays: in die "Jagdgründe des Felsengebirges". "Eine Ansiedlung im nordamerikanischen Felsengebir-


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ge [Felsengebirge]" erschien zwar erst 1893, doch kann der Text angesichts des Copyright-Vermerks (1890) bereits 1891 oder 1892 entstanden sein (vgl. oben den Parallelfall "Jagd auf wilde Truthühner bei Mondschein" aus dem Jahr 1890 mit Copyright-Vermerk von 1889). Trotz seiner Kürze, die zahlreiche ähnliche Illustrationstexte in den verschiedenen DVA-Zeitschriften auszeichnet und eine präzise Verfasserbestimmung praktisch ausschließt, weist er mindestens eine Besonderheit auf, die Aufmerksamkeit verdient: Im einleitenden Teil klingen – ohne durch den Bildinhalt im geringsten erforderlich zu sein – zwei "moralische" Positionen an, die May in seinen Nordamerika-Romanen immer wieder vertritt: die Kritik am Abschlachten der Büffel durch weiße Jäger und das Lob des besonnenen Jagdverhaltens der Indianer, die »nur die Tiere töten, die sie brauchen, die verschiedenen Rassen nicht ausrotten oder in unerreichbare Bergregionen vertreiben«.

   So würde es nicht überraschen, wenn sich – vorausgesetzt, es fänden sich noch weitere dokumentarische Belege für die Lieferung von Textbeiträgen Mays an die DVA – auch "Eine Ansiedlung im nordamerikanischen Felsengebirge" als Gelegenheitsarbeit Karl Mays herausstellen sollte:


c)  E i n e  A n s i e d l u n g  i m  n o r d a m e r i k a n i s c h e n  F e l s e n g e b i r g e .

Die aus dem Osten kommenden Besucher der Märkte der am Fuße des nordamerikanischen Felsengebirges, der Rocky Mountains, gelegenen Städte werden erstaunt sein über der Ueberfülle von erlegtem Bergwild, welches dort zum Verkaufe ausgebreitet liegt. Allerdings bringen jetzt nicht mehr wie früher die Farmer aus der Prärie auf ihren vollgeladenen Wagen ihre Jagdheute an Büffeln und Antilopen zu Markte, denn die erstgenannten gewaltigen Bewohner der weiten Grassteppen des Westens sind durch die Unvernunft der Jäger und durch die immer weiter um sich greifende Zivilisation gänzlich ausgerottet, und die leichtfüßigen Antilopen werden in kurzer Zeit das gleiche Schicksal haben. Für das Wild, dessen Heimat das offene Land ist, ist kein Platz mehr vorhanden. In den Bergen dagegen haben die Tiere noch hinreichenden Schutz vor den Nachstellungen der Menschen gefunden, und da die Natur des Felsengebirges selbst die Jagd mit Hunden verbietet, wird dieser Sport dort mehr nach Art der Indianer betrieben, die, da sie nur die Tiere töten, die sie brauchen, die verschiedenen Rassen nicht ausrotten oder in unerreichbare Bergregionen vertreiben. Unser Bild zeigt eine Niederlassung zweier Jäger während ihres Aufenthaltes in den Jagdgründen des Felsengebirges. Sie haben sich für ihre Hütte einen Platz ausgesucht, welcher den allgemeinen Charakter eines günstigen Jagdterrains mit der Annehmlichkeit einer schönen und romantischen Lage vereinigt. Ihr Hauptzweck ist, Rotwild zu erlegen. Die scheuen Tiere zur Winterszeit in die unwegsamen Felsregionen zu verfolgen, wäre unthunlich; aber die Jäger wissen, daß das gesuchte Wild zu bestimmten Stunden des Tages in die Thäler hinabsteigt, um


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Eine Ansiedlung im nordamerikanischen Felsengebirge [79,9-Kb-Jpg]

sich Nahrung zu suchen; da wird ihm aufgelauert. Die Hütte ist einfach aus roh zugeschnittenen Baumstämmen errichtet und die Spalten sind sorgfältig mit Gras, Moos oder Erde verklebt, so daß das Innere vollkommen gegen die rauhe Bergluft Schutz bietet.

Ob die hier vorgestellten Texte (und/oder noch andere) tatsächlich von Karl May an Joseph Kürschner bzw. die Redaktion der DVA geliefert worden sind, läßt sich – um dies abschließend nochmals zu betonen beim gegenwärtigen Wissensstand nicht mit hinreichender Sicherheit


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entscheiden. Fest steht dagegen, daß Kürschner nach unüberwindlichen Schwierigkeiten innerhalb der DVA (für die Balzer interessanterweise auch eine ausgeprägte Angst Kürschners vor öffentlichen Auftritten verantwortlich macht, die sich mit seiner beruflichen Stellung nicht vertrug; wie Anm. 1 Sp. 1503f. 1611–1614) im Juli 1892(75) Stuttgart den Rücken kehren mußte.

   Doch hat der Abschied von der DVA »– so schmerzlich er vielleicht auch für den ehrgeizigen Kürschner sein mag – . . . auch seine gute Seite. Er ermöglicht ihm Ende 1892 die Erfüllung eines seiner größten persönlichen Wünsche: Er kann sich endlich nach Thüringen zurückziehen. Bei Eisenach, auf einem Berg gegenüber der Wartburg, baut er sich sein langersehntes "Schlößchen", das er "Hohenhainstein" tauft. Die pompöse, dreistöckige Villa, nach Kürschners eigenen Ideen inmitten eines riesigen Grundstücks erbaut, legt unmißverständlich Zeugnis ab von der unverändert guten finanziellen Situation ihres Bauherrn. Dank der besonderen Gunst des Großherzogs darf er sein Haus oberhalb der "blauen Linie" errichten, – in diesem Bereich steht das Baurecht sonst ausschließlich dem Herzog selbst zu.«(76) May ist ihm auch in diesen Höhen durch seine Meldungen für den "Deutschen Litteratur-Kalender" verbunden geblieben,(77) bis beide Kürschners Projekt des vaterländischen Prachtwerkes "China", für das May den völkerverbindenden Roman "Et in terra pax" lieferte erneut zusammenführte.(78)



1 Zu Leben und Werk Joseph Kürschners vgl. die Dissertation von Rudolf Wilhelm Balzer: Aus den Anfängen schriftstellerischer Interessenverbände. Joseph Kürschner: Autor – Funktionär – Verleger. Diss. phil. Münster 1976. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 16 (1976) Sp. 1457–1648 (mit detaillierter Bibliographie zur Primär- und Sekundärliteratur Sp. 1635–1644). Balzers Untersuchung, die sich auf die im Kürschner-Nachlaß der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Literatur in Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, aufbewahrten Korrespondenz Kürschners stützen kann, zeichnet ein aufschlußreiches Bild sowohl der zahllosen Aktivitäten Kürschners als auch seiner zwiespältigen Persönlichkeit, die sich zwischen den Extremen des sozialen Engagements in der Schriftstellerbewegung einerseits und einem krassen Egoismus andererseits bewegt. Obwohl Balzer Karl May nicht ein einziges Mal erwähnt, verdienen seine Ausführungen über Kürschners Tätigkeit bei den Verlagen W. Spemann und Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) im Rahmen der vorliegenden Arbeit größtes Interesse.

2 Vgl. Ekkehard Bartsch: "Und Friede auf Erden!" Entstehung und Geschichte. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1972/73. Hamburg 1972 S. 93–122; Erich Heinemann: Ijar und Yussuf el Kürkdschü. Joseph Kürschner, Karl May und der Deutsche Literaturkalender. In: Jb-KMG 1976. Hamburg 1976 S. 191–206; Hermann Zieger/Joseph Kürschner: Briefe über Karl Mays Roman "Et in terra pax". Hrsg. und kommentiert von Hainer Plaul. In: Jb-KMG 1983. Husum 1983 S. 146 bis 196.

3 Roland Schmid hat mir ferner Transkriptionen der Briefe Kürschners an May vom 17.9.1889 bis 18.1.1890 zur Verfügung gestellt sowie Einsichtnahme in die Briefe Spemanns an May vom 17.5.1883, 28.5.1883 und 20.9.1886 gewährt. Dafür und für die Durchsicht eines Entwurfs des vorliegenden Beitrages, wodurch verschiedene


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Details korrigiert bzw. präzisiert werden konnten, bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet.

4 Diese Frage mußte in meinem Beitrag: Karl May, Joseph Kürschner und die Deutsche Verlags-Anstalt. In: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg Gelsenkirchen 1985 S.110–112, noch unbeantwortet bleiben. Der vorliegende Aufsatz unterrichtet über die seither gewonnenen Resultate und erfüllt damit das ebd., S. 112 Anm. 22, gegebene Versprechen.

5 Balzer wie Anm. 1 Sp. 1503f.

6 Ebd. Sp. 1506

7 ca. Ende 1880; Anfang 1881 zog Kürschner vertragsgemäß von Berlin nach Stuttgart um; vgl. Balzer wie Anm. 1 Sp. 1506.

8 Ebd. Sp. 1506f. und passim

9 Dieter Barth: Das Familienblatt – ein Phänomen der Unterhaltungspresse des 19. Jahrhunderts. Beispiele zur Gründung und Verlagsgeschichte. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 15 (1975) Sp. 121–316, Sp. 281f.

10 Adolf Spemann: Wilhelm Spemann. Ein Baumeister unter den Verlegern. Stuttgart 1943 S. 150

11 Balzer wie Anm. 1 Sp. 1509

12 Ebd.

13 Ebd. Sp. 1510. Einzelheiten zur weiteren Geschichte des Verlages W. Spemann sowie zur Entwicklung der Zeitschrift "Vom Fels zum Meer" unter der Leitung J. Kürschners referieren D. Barth wie Anm. 9 Sp. 279–282, sowie Balzer wie Anm. 1 Sp. 1503–1515, 1596–1602 (zu den hieraus resultierenden Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen Kürschners s. Balzer ebd. Sp. 1515–1517, 1602–1606).

14 A. Spemann wie Anm. 10 S. 178

15 Karl May: Ein Schundverlag. Ein Schundverlag und seine Helfershelfer. Prozeß-Schriften Bd. 2. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982 S. 345, vgl. Karl May: Frau Pollmer, eine psychologische Studie. Prozeß-Schriften Bd. 1. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982 S. 846. – Zur Ernennung Kürschners zum Professor ehrenhalber durch seinen Landesherrn Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha (1818–1893) im Jahr 1881 vgl. Balzer wie Anm. 1 Sp. 1516f. (vgl. Anm. 56).

16 Vielleicht könnte eine Durchsicht von Mays Schriftsteller-Kalender für 1881 im Archiv des Karl-May-Verlages (KMV-Archiv) noch Genaueres ergeben.

17 May: Ein Schundverlag wie Anm. 15 S. 345

18 Reprint in: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970 S. 221–257; sowie in: Karl May: Winnetou's Tod. Bamberg 1976 S. 7–48

19 A. Spemann wie Anm. 10 S. 178. Möglicherweise lautete der Titel des geplanten Textzyklus auch nur "Weltläufer" (ohne Artikel): So im Brief W. Spemanns an May vom 28.5.1883 (KMV-Archiv).

20 Der Vertragsentwurf ist nicht erhalten; das Begleitschreiben W. Spemanns vom 17.5.1883 befindet sich im KMV-Archiv.

21 Dies geht aus Spemanns Brief vom 28.5.1883 hervor.

22 Spemanns Brief vom 28.5.1883 scheint – neben der Abfassung neuer Texte – auch auf die Veröffentlichung bereits vorliegender Reiseerzählungen Mays anzuspielen.

23 Die Hinderungsgründe sind unbekannt. A. Spemann wie Anm. 10 S. 178 vermutet vage, daß Spemann entweder »den Zweig des Jugendschriftenverlages nicht weiter auszubauen wünschte oder . . . mittlerweile zu stark durch seine anderen Unternehmungen in Anspruch genommen war.« Näher liegt die Vermutung, daß May die von Spemann gewünschten neuen Manuskripte für den "Weltläufer"-Zyklus aufgrund der gegenüber Münchmeyer eingegangenen Verpflichtungen einfach nicht liefern konnte.

24 Einen tiefen Einblick in Mays damalige Lebenssituation offenbart (trotz aller Verzeichnungen) die Studie "Frau Pollmer" (vgl. Anm. 15).

25 Vgl. Anm. 20 u. 21.

25a Balzer wie Anm. 1 Sp. 1541–1581

26 Vgl. DSZ, 2. Jg. (1886) Sp. 24.

27 Mit Nr. 36 des 2. Jg. (1886) trat Kürschner auch von der Redaktion der DSZ zurück


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(15.6.1886; s. d. Sp. 283–286: »Zum Abschied«). Diesen Schritt hatte Kürschner bereits in Nr. 32 vom 15.4.1886 angekündigt. »Auf zahlreiche Bitten« teilte er dort (Sp. 185) u. a. mit: »So dankbar ich auch für die freundliche Gesinnung bin, welche aus dem Drängen spricht, die Redaktion der Deutschen Schriftsteller-Zeitung fernerhin leiten zu wollen, so kann ich diesem Drängen dennoch nicht nachgeben. Ich bin sowohl durch das Ueberhandnehmen einer mein Leben verbitternden Nervosität, als auch durch sonstige Gründe gezwungen, die Redaktion in andere Hände zu legen.«

28 Aus dem Vorwort zum 6. Jg. (1884) des "Litteratur-Kalenders" (zitiert nach Balzer wie Anm. 1 Sp. 1526 mit Anm. 238)

29 Zu Kürschners "Litteratur-Kalender" vgl. Balzer wie Anm. 1 Sp. 1521–1526 sowie Heinemann wie Anm. 2.

30 Ein Beleg des Rundschreibens vom Juli 1884 ist im Exemplar des 1. Jg. (1885) der DSZ in der Universitätsbibliothek Münster eingeheftet (Balzer wie Anm. 1 Sp. 1542 Anm. 292 und Sp. 1635 spricht fälschlich von »Vorsatzblättern« zur DSZ).

31 Vgl. DSZ 1. Jg. (1885) Sp. 56, wo die »Expedition der Deutschen Schriftsteller-Zeitung« Interessenten »ca. 6000 Adressen von deutschen Schriftstellern und Schriftstellerinnen . . . gegen Einsendung von 18 Mk.« sogar zum Kauf anbietet. – Vgl. Balzer wie Anm. 1 Sp. 1553f.

32 Die Verwendung der gemäßigten Kleinschreibung ist für Kürschners Handschreiben charakteristisch; er folgt damit dem Vorbild zahlreicher deutscher Gelehrter des 19. Jahrhunderts.

33 Auf die Wiedergabe der umfangreichen Briefköpfe wird hier und im folgenden verzichtet. Sämtliche Schreiben Kürschners an May bis zum 30.6.1889 stammen von dessen Privatadresse (Stuttgart, Reinsburg-Str. 45; zugleich Redaktionssitz der verschiedenen anderen literarischen Unternehmungen Kürschners) und sind von Sekretären (nach Diktat) gefertigt (zunächst handschriftlich, ab dem 14.2.1889 maschinenschriftlich). Alle Eigenheiten in Orthographie und Interpunktion der Originalbriefe blieben unangetastet.

34 Die betreffende Anzeige erschien im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Leipzig, 52. Jg. (1885), Nr. 278 vom 2.12.1885 S. 6165. Allerdings ist in dieser Annonce ausdrücklich von einer »2. Auflage« die Rede, was Kürschner möglicherweise unerwähnt ließ, um seine Argumentation nicht zu entkräften. (Die Auskünfte über die Börsenblatt-Annonce stellte freundlicherweise Hainer Plaul zur Verfügung.) Ein Hinweis auf diese Neuausgabe von "Im fernen Westen" findet sich kaum zufällig auch in der "Bibliographie" der DSZ, 2. Jg. (1886), Nr. 25 vom 1.1.1886 Sp. 26: Unter den dort aufgeführten Novitäten wird u. a. »C. May, Im fernen Westen. Erz., 2. A.« genannt.

35 Da Kürschner auf Zuschriften – soweit erkennbar – prompt reagierte, datiere ich die verlorenen Briefe Mays an Kürschner hier und im folgenden hilfsweise drei Tage vor dem Datum der betreffenden Antwort Kürschners (wobei ich für Niederschrift Mays, Posttransport, Lektüre sowie Reaktion Kürschners jeweils einen Tag ansetze; die weitere Korrespondenz macht deutlich, daß dies eher zu großzügig als zu knapp berechnet ist).

36 Vgl. die Darstellung von Balzer wie Anm. 1 Sp. 1563–1565. – Ein besonderer Stein des Anstoßes waren für Kürschner die Knebelungsverträge von Hermann Costenoble, Jena (Verleger u. a. von Friedrich Gerstäcker), denen er im 1. und 2. Jg. der DSZ eine ganze Artikelreihe widmete (s. u. a. »Der Fall Costenoble«. In: DSZ, 2. Jg. (1888) Sp. 85–98), die – für Kürschner vermutlich bezeichnend – angesichts juristischer Auseinandersetzungen freilich mit einer Ehrenerklärung (!) Kürschners für Costenoble endete (»Erklärung zum Abschluß des Falles Costenoble«. In: DSZ, 2. Jg. (1888) Sp. 353–355).

37 Dies geht aus den in der "Deutschen Schriftsteller-Zeitung" abgedruckten Mitgliederlisten hervor. Vgl. DSZ, 2. Jg. (1886) Sp. 45f., zur Bildung von Lokalvereinen des "Deutschen Schriftsteller-Vereins", wo May unter den in Dresden lebenden Vereinsmitgliedern nicht erwähnt wird.

38 Vgl. den Brief Kürschners vom 2.2.1886.


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39 Zu Ferdinand Kießling, u. a. Redakteur des "Patriotischen Hausschatzes" (1884/85) und vermutlich dadurch mit Karl May in Kontakt gekommen, vgl. Herbert Meier: "Unter Werbern" im "Patriotischen Hausschatz". In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 55/1983 S. 17–21. Kießling hat auch für W. Spemann gearbeitet; in "Das Neue Universum", 6. Jg. (1885) S. 189ff., erschien seine Erzählung "Das Geisterschiff. Episode aus dem Schiffsleben". Möglicherweise war er also auch Kürschner nicht ganz unbekannt.

40 Dieses Blatt (es enthält keine Beiträge Karl Mays) wurde bereits nach 13 Nummern wieder eingestellt; vgl. Balzer wie Anm. 1 Sp. 1597.

41 KMV-Archiv. Die Veröffentlichung dieses Schreibens sowie der Spemann-Briefe vom 17.5. und 28.5.1883 (vgl. Anm. 19f.) soll im Anhang des Reprintbandes "Der Sohn des Bärenjägers" erfolgen, der z. Zt. von Roland Schmid vorbereitet wird.

42 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910) S. 197 (Repr. Hildesheim–New York 1975, hrsg. von Hainer Plaul)

43 Da die ersten Fortsetzungen des "Bärenjäger"-Abdrucks bereits illustriert waren (was zeitraubende Vorbereitungen erforderte), muß May die Anfangsseiten des Manuskripts schon bald nach seiner grundsätzlichen Zusage abgeliefert haben (freundlicher Hinweis von Roland Schmid).

44 Vgl. den Anhang zu Karl May: Der Sohn des Bärenjägers/Der Geist der Llano estakata. (Repr. der KMG. Hamburg 1983 S. 263); vgl. ebd. S. 264, Spemanns Brief vom 11.1.1887.

45 Ebd. S. 263–269

46 Ebd. S. 264

47 Vgl. Heinemann: Einführung zu: Karl May: Der Sohn des Bärenjägers/Der Geist der Llano estakata wie Anm. 44 S. 3 mit Anm. 5.

48 Das Wort Kürschner ist von May – vermutlich wegen der hier völlig unleserlichen Unterschrift Kürschners – zur Verdeutlichung nachgetragen worden.

49 Zur Verlagsgeschichte – die DVA war am 1.7.1881 aus dem Verlag von Eduard Hallberger, Stuttgart, hervorgegangen – s. den Überblick bei Barth wie Anm. 9 Sp. 257–259, 264–268. Über die Tätigkeit Kürschners bei der DVA unterrichtet Balzer wie Anm. 1 Sp. 1606–1614. Die DVA hatte bereits 1886 versucht, Kürschner für eine leitende Position zu gewinnen. (Erste Kontakte Kürschners zum Verlag E. Hallberger reichen sogar bis ins Jahr 1876 zurück; vgl. Balzer wie Anm. 1 Sp. 1490.) In einem Brief an seinen Freund Gustav Wacht (d. i. Friedrich Algardi) teilte Kürschner am 20.6.1886 u. a. mit: »Ich erhielt . . . das direkte anerbieten die direktion der Deut. Vls. Anstalt zu übernehmen, gegen tantieme von verlag, druckerei, papierfabriken etc. Bei einem reingewinn wie 1884 würden sich beispielsweise meine einnahmen im jahr auf 73,000 mk. belaufen. . . . Schwer, sehr schwer freilich wird es werden, von Sp. (sc. Spemann) loszukomen« (zitiert nach Balzer Sp. 1580). Doch gelang es Spemann, Kürschner durch »ein fast gleichwertiges Angebot« vorerst »in seiner Firma zu halten« (ebd. Sp. 1581). Als Spemanns Geschäfte 1888 schlechter gingen, konnte er jedoch den Übertritt Kürschners – den er ihm nie verzeihen sollte (vgl. A. Spemann wie Anm. 10 S.185–188) – nicht mehr verhindern: »Am 20. April 1889 wird der Vertrag mit der DVA geschlossen, nachdem sich am 4.4.1889 der Verwaltungsrat der Gesellschaft für den Eintritt Kürschners ausgesprochen hat. . . . Die Einzelheiten des Kontraktes sind unbekannt. Aber man darf wohl mit einigem Recht vermuten, daß seine Konditionen nicht hinter jenen von 1886 zurückstehen. Als Leiter eines der größten Verlagshäuser des deutschen Reiches befindet sich Kürschner damit zweifellos finanziell und stellungsmäßig auf dem Höhepunkt seiner Karriere« (Balzer Sp. 1607).

50 Wie Anm. 44. S. 267

51 Ebd.

52 Ebd.

53 Karl May: Mein Leben und Streben wie Anm. 42 S. 196

54 Wehnert wie Anm. 4 S. 110 mit Anm. 8 – Nr. 1 des 38. Jg. (1889/90) der "Illustrirten Welt" erschien am 30.7.1889 (freundlicher Hinweis von Hainer Plaul). Über die Erscheinungsweise der einzelnen DVA-Blätter unterrichtet der Jubiläums-Kata-


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log [Jubiläums-Katalog] der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart und Leipzig. 1848–1898. Stuttgart 1898.

55 Auch bei den Schreiben der DVA an May verzichte ich auf die Wiedergabe der umfangreichen Briefköpfe (vgl. Anm. 33). Alle Mitteilungen Kürschners an May ab dem 17.9.1889 sind auf offiziellem DVA-Geschäftspapier erfolgt und von Sekretären niedergeschrieben (die Briefe vom 27.1. und 25.3.1890 maschinenschriftlich, alle übrigen handschriftlich).

56 Zum Hofrat war Kürschner im März 1884 durch seinen Landesherrn ernannt worden (vgl. Anm. 15), s. Balzer wie Anm. 1 Sp. 1602.

57 Das bei Wehnert wie Anm. 4 S. 111 mit Fragezeichen versehene Datum »20. September 1889« ist in »26. September 1889« zu korrigieren (desgl. ebd. S. 113, 123, 143 dementsprechend verändern sich die dort mitgeteilten Entstehungszeiträume der Erzählungen "Im Mistake-Cannon" "Am 'Kai-p'a'" und "Die Rache des Mormonen" geringfügig).

58 Naheliegender ist, daß sich May für jemand anderen – etwa aus dem Umfeld des Münchmeyer-Verlages (z. B. Max Dittrich) – verwendet hat (freundlicher Hinweis von Roland Schmid).

59 Eine Auswahl seiner Indianerbilder erschien z. B. in "Vom Fels zum Meer" Jg. 9, 2 (1890) Heft 11; zum Beitrag von Max Lortzing: Die Indianer-Reservationen und ihre Bewohner, Sp. 1057–1096.

60 Karl May: Der erste Elk. In: Ueber Land und Meer (Groß-Octav-Ausgabe), 9. Jg. (1892/93) Nr. 11 Sp. 341f. (Repr. in: May: Der Krumir wie Anm. 4 S.133). Diesen Textabschnitt hat May fast unverändert aufgenommen in: Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XIV: Old Surehand I. Freiburg 1894 S. 14.

61 Jürgen Wehnert: Am "Kai-p'a". In: Karl May: Der Krumir wie Anm. 4 S. 123 mit Anm. 9

62 Die "Neue Illustrirte Zeitung" wurde mit Ende des Jahrgangs 1892 eingestellt. – Um die Verwirrung komplett zu machen, sei erwähnt, daß die Großfolio-Ausgaben von "Ueber Land und Meer" und "Neuer Illustrirter Zeitung" jeweils in zwei Versionen ausgeliefert wurden: in wöchentlichen Nummern und in vierzehntägigen Heften. Es hat den Anschein, als sei die Heftausgabe nicht einfach durch Zusammenfügen zweier Nummern hergestellt, sondern (bei wohl gleichem Gesamtinhalt) mit einem von der Nummernausgabe abweichenden Layout ausgestattet worden; daraus folgt, daß identische Beiträge in Nummern- und Heft-Ausgabe an unterschiedlicher Stelle stehen können (s. S. 375 das Beispiel "Sattler in Kairo"). In dem hier interessierenden Zeitraum ist also genaugenommen zwischen sechs verschiedenen Fassungen von "Ueber Land und Meer" zu unterscheiden.

63 So der Untertitel der "Neuen Illustrirten Zeitung".

64 Die Unterschrift ist unleserlich.

65 Truthühner spielen übrigens in Mays Amerikaromanen verschiedentlich eine Rolle; so z. B. in: Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IX: Winnetou der Rote Gentleman III. Freiburg 1893 S. 509; Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XIX: Old Surehand III. Freiburg 1896 S. 274, Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXII: Satan und Ischariot III. Freiburg 1897 S. 91f.

66 Die Möglichkeit, daß die "Jagd auf wilde Truthühner in Texas" nicht von Karl May stammt, ist wegen der fehlenden Eingangsbestätigung des Textes durch die DVA prinzipiell gegeben. Die Fakten der Beauftragung Mays und der umgehenden Publizierung des Textes wiegen jedoch schwerer als dieser theoretische Einwand. Zu beachten ist ferner, daß die Korrespondenz Kürschner–May nur in Fragmenten erhalten geblieben ist, so daß aus dem Fehlen eines Schreibens keine Schlüsse gezogen werden können.

67 Der Vertrag befindet sich im KMV-Archiv, die Veröffentlichung soll im Anhang des Reprintbandes "Der Sohn des Bärenjägers" erfolgen (freundlicher Hinweis von Roland Schmid) vgl. das diesbezügliche Schreiben W. Spemanns an K. May vom 17.12.1888 (wie Anm. 44 S. 267). Hermann Wiedenroth/Hans Wollschläger: Editorischer Bericht zu: Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. III Bd. 2: Kong-Kheou, das Ehrenwort. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger.


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Nördlingen 1988 S. 552f., datieren Mays Unterschrift unter diesen Vertrag auf den 18.12.1888 (ohne Quellennachweis).

68 Zu G. Montbard s. o. zum Brief vom 17.9.1889.

69 Bezeichnenderweise hat May 1896 bei F. E. Fehsenfeld die Ersetzung des ursprünglichen Reihentitels "Reiseromane" durch "Reiseerzählungen" durchgesetzt.

70 Dieser 1887 anonym im "Guten Kameraden" (1. Jg. Nr. 3) abgedruckte Beitrag darf als warnendes Beispiel einer vorschnell für May reklamierten Arbeit stehen. Obwohl dieser Text definitiv nicht von Karl May stammt (vgl. Hainer Plaul: Die weiße Kamelstute. Ein Schlußwort. In: M-KMG 39/1979 S. 14f.), lebt das einmal entstandene Fehlurteil mit Zähigkeit fort (s. Heinemann wie Anm. 47 S. 4 mit Anm. 38).

71 Karl May: Der Mahdi. Reiseerzählung. In: Deutscher Hausschatz, XVIII. Jg. (1891/ 92) S. 12 li (Repr. der KMG. Hamburg/Regensburg 1979 S. 11 li)

72 Ebd. S. 12 re u. ö. (Reprint S. 11 re u. ö.)

73 Nach Roland Schmid: Nachwort (zu "Auf fremden Pfaden"). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben Bd. XXIII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984 A38f., erfolgte die Niederschrift des "Mahdi" bereits 1890, doch tangiert das die hier vorgetragene These nicht.

74 Vgl. Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie über Wesen, Werk & Wirkung KARL MAY's. Karlsruhe 1963.

75 Vgl. Jubiläums-Katalog der Deutschen Verlags-Anstalt wie Anm. 54 S. 107, 141f., 153 (hier wird die Herausgeberschaft Kürschners der verschiedenen DVA-Zeitschriften jeweils mit »bis Juli 1892« angegeben). Vgl. Barth wie Anm. 9 Sp. 261: Ab Heft 2 des 41. Jg. (1892/93) der "Illustrirten Welt" (Juli 1892) fehlt der Hinweis auf die Herausgeberschaft Kürschners.

76 Balzer wie Anm. 1 Sp. 1615

77 Dazu Heinemann wie Anm. 2 und neuerdings Roland Schmid: Karl May in den Literaturkalendern. Zur Bibliographie der Erstausgaben. In: 75 Jahre Verlagsarbeit für Karl May und sein Werk 1913–1988. Bamberg 1988 S. 83–110

78 Vgl. Bartsch und Zieger/Kürschner wie Anm. 2.

B i l d n a c h w e i s :  Für die freundliche Überlassung der Bildvorlagen habe ich folgenden Bibliotheken zu danken: "The Ranchman's Rifle" (aus "The Century Illustrated Monthly Magazine"): Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Göttingen; "Jagd auf wilde Truthühner bei Mondschein" (aus "Illustrirte Welt"): Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz/Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (West); "Ein Sattel- und Pferdegeschirrmachersladen in Kairo" und "Eine Ansiedlung im nordamerikanischen Felsengebirge" (aus "Ueber Land und Meer". Großfolio-Ausgabe): Badische Landesbibliothek, Karlsruhe; "Am Steppenbrunnen" (aus "Illustrirte Romane aller Nationen"): Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart.


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