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CLAUS ROXIN

Ein geborener ›Verbrecher‹
Karl May vor dem Königlichen Landgericht in Moabit



I


Karl May ist am 18. Dezember 1911, drei Monate und zwölf Tage vor seinem Tode, in einem Privatklageverfahren wegen Beleidigung als Berufungskläger vor der 4. Strafkammer des Königlichen Landgerichtes III in Moabit aufgetreten. Es war ein trüber Wintertag, und wenige von denen, die im Gerichtssaal dabei waren, werden vermutet haben, daß hier ein Ereignis stattfand, das für die Literaturgeschichte wichtig war und den Vorsitzenden, Landgerichtsdirektor Ehrecke, dem Gedächtnis der Nachwelt überliefern würde. Und doch ist es so. Schon Hans Jürgen Syberberg hat in seinem Film »Karl May« (1974) die in ihrem Ablauf gut dokumentierte Verhandlung in Moabit1 nachgespielt, und nun schickt sich ein Strafrechtsprofessor an, diesen Prozeß zum Gegenstand eines Vortrages zu machen, der im Jubiläumsjahr Berlins zur höheren Ehre der Stadt beitragen soll.

   Um das zu verstehen, muß man wissen, daß Karl May als literarische Gestalt heute anders dasteht als vor Jahrzehnten. Im Jahre 1911, als der alte, körperlich schon gebrochene Mann in Berlin vor Gericht stand, hielten ihn weite Kreise der Öffentlichkeit für einen Kriminellen und Schundschriftsteller. Ferdinand Avenarius (1856-1923), ein Neffe Richard Wagners, der Gründer des ›Dürerbundes‹ (1903) und ein für den literarischen Geschmack des wilhelminischen Bürgertums meinungsbildender Kritiker, nannte in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift ›Kunstwart‹2 die Karl-May-Lektüre »eine Art Volksgehirnerweichung« und fand den Erfolg Karl Mays »zum Halbtotschämen für unser Volk«. Dreißig Jahre später, in meiner eigenen Kindheit, lasen alle Jungen Karl May und schämten sich dabei durchaus nicht, aber ein Gegenstand literarischen Interesses oder wissenschaftlicher Beachtung war Karl May nicht.3

   Heute ist das anders. Wenn die deutsche Bundespost Karl May anläßlich seines 75. Todestages am 30. März dieses Jahres eine Sondermarke gewidmet hat, so wird die erste regierungsamtliche Ehrung, die


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Karl May je erfahren hat, nicht als befremdlich, sondern als ein Ereignis angesehen, das an der Zeit war. In den Medien hat der Gedenktag eine Resonanz gefunden wie in der Rezeptionsgeschichte Mays keiner zuvor. Gert Ueding, Professor in Tübingen und ein bekannter Literaturkritiker, schrieb am 25. März dieses Jahres im Börsenblatt des deutschen Buchhandels: »Mays Romane zeugen nicht allein von außerordentlicher (auch ästhetischer und psychologischer) Vielschichtigkeit, sondern sind auch auf besondere Weise zum Medium und sogar zur Triebkraft deutscher Geistesgeschichte geworden.« Reclam hat Karl May schon 1984 in sein Pantheon aufgenommen. 1987 sind neben dem obligaten Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft allein fünf weitere Bücher über Karl May erschienen, darunter bei Kröner ein Karl-May-Handbuch, das neben dem Shakespeare- und dem Richard-Wagner-Handbuch das dritte dieser Reihe ist und auf 750 Seiten den Ertrag der bisherigen Karl-May-Forschung zusammenfaßt. Um schließlich allem die Krone aufzusetzen, erscheint seit März 1987 im Verlag Greno, der durch seine ›Andere Bibliothek‹ in den letzten Jahren viel Aufsehen erregt hat, eine auf 99 Bände angelegte historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke Mays, herausgegeben von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger, dem Joyce-Übersetzer und Dichter der ›Herzgewächse‹.



II


Karl May beschäftigt also heute neben den jungen Lesern die Erwachsenen und die Wissenschaft, und zwar seit einigen Jahren auch wieder in der DDR. Es wäre reizvoll, darzulegen, worin denn nun seine literarische Bedeutung besteht und wie es zu seiner abenteuerlichen Rezeptionsgeschichte gekommen ist. Das ist in diesem Zusammenhang nicht umfassend möglich; doch will ich immerhin gleich noch zeigen, inwieweit Mays literarische Wirkung mit seinen Straftaten verknüpft ist. Und Karl Mays letzter Prozeß in Berlin, den ich näher erörtern will, hat mit seiner heutigen Bedeutung wenigstens das eine zu tun, daß seine persönliche und literarische Rehabilitation an jenem 18. Dezember im Gerichtssaal von Moabit begonnen hat.

   In dieser Verhandlung stand noch einmal Mays ganzes Leben zur Diskussion, und man muß weit ausholen, um das aus der Vorgeschichte verständlich zu machen.4 Karl May war 1842 als Sohn eines Webers im sächsischen Ernstthal am Fuße des Erzgebirges geboren. Die Familie war bitterarm. Beide Großväter endeten in Trunkenheit und Verzweif-


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lung, der eine durch Selbstmord, der andere durch den Absturz in eine winterliche Schlucht. Neun der vierzehn Kinder starben in den ersten beiden Lebensjahren. Karl war der einzige überlebende Knabe. Er erblindete kurz nach der Geburt, wohl infolge einer Infektion, und wurde erst im fünften Lebensjahr wieder sehend.

   Man muß diesen sozialen und familiären Hintergrund kennen, wenn man die Straftaten des jungen Mannes erklären will, die ihn dann bis in den Gerichtssaal von Moabit verfolgt haben. Karl May war ein guter Schüler, und die Eltern waren sich einig, daß er zu Höherem bestimmt sei. Aber das höchste, was ein mittelloser Webersohn damals erreichen konnte, war der Beruf des Volksschullehrers. Auf dieser sozialen Stufenleiter kam der junge Karl May dreimal zu Fall. Er wurde als 17jähriger vom Lehrerseminar in Waldenburg verwiesen, weil er aus Anstaltsbeständen sechs Kerzen für den elterlichen Weihnachtsbaum zurückgelegt hatte. Das ging noch glimpflich aus; nach einem Gnadengesuch durfte er in Plauen weiterstudieren und bestand die Lehrerprüfung mit ›gut‹. Seine erste Stelle als Hilfslehrer an der Armenschule in Glauchau verlor der 19jährige schon nach zehn Tagen, weil er sich in eine Liebesbeziehung zu der gleichaltrigen Frau seines Vermieters verstrickt hatte. May fand eine neue Stelle an einer Fabrikschule in Altchemnitz, und hier kam es gut zwei Monate später zum endgültigen Sturz auf seinem beruflichen Weg nach oben. Er fuhr mit einer fremden Taschenuhr in die Weihnachtsferien und wurde dafür zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, vermutlich nicht wegen Diebstahls, sondern wegen »widerrechtlicher Benutzung fremder Sachen«, die nach Art. 330 Abs. 3 des sächsischen Strafgesetzbuches noch unter Strafe stand.

   Damit war ihm der Lehrerberuf endgültig verschlossen, und die gesamte Ausbildung des noch nicht 20 Jahre alten Karl May war umsonst gewesen. Erst in dieser Situation wurde er wirklich zum Kriminellen; denn die Vorfälle, die seine Laufbahn ruiniert hatten, waren Bagatellen, die in ähnlicher Weise den meisten jungen Leuten in der Unbesonnenheit der Vorerwachsenenzeit unterlaufen. Der furtum usus, um den es sich bei der nie ganz aufgeklärten Uhrengeschichte wohl höchstens gehandelt hatte, ist ja heute nicht einmal strafbar.

   Nun aber kam vieles zusammen. Der junge Mann geriet in materielle Not, weil die Versuche, sich durch Privatunterricht über Wasser zu halten, nicht sehr erfolgreich waren. Er fühlte sich zudem gedemütigt und in ungerechter Weise deklassiert, und die staatliche Überreaktion, als die man die völlige Zerstörung seiner Berufslaufbahn gewiß ansehen muß, machte ihn zum Rebellen. Er schreibt selbst: Ich sann auf Rache . . Diese Rache sollte darin bestehen, daß ich, der durch die Bestraf-


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fung unter die Verbrecher Geworfene, nun wirklich auch Verbrechen beging.5 Die frühkindliche Blindheit hatte zu einer Entwicklungsverzögerung, zu sozialer Kontaktschwäche und zur Ausbildung einer wunscherfüllenden Phantasiewelt geführt, die unter dem Druck existenzvernichtender Schläge nach außen drängte, sich gegen die bürgerliche Ordnung kehrte und die Mays Realitätssinn auch sonst beeinträchtigt hat. So trat er nun unter hochstaplerischen Masken hervor, als Dr. med. Heilig, Seminarlehrer Lohse, Notenstecher Hermes, Polizeileutnant von Wolframsdorf oder als Mitglied der Geheimpolizei. Er erschwindelte sich in diesen Rollen Kleidungsstücke und beschlagnahmte angebliches Falschgeld, mit dem er dann verschwand. Einmal stahl er auch fünf Billardbälle und ein andermal ein Pferd.

   May berief sich später auf seelische Spaltungserscheinungen und Dämmerzustände, unter deren Einfluß er seine Taten begangen haben will. Das läßt sich nicht mehr exakt nachprüfen. Doch ist mindestens verminderte Schuldfähigkeit immerhin wahrscheinlich. Denn er war zweifellos ein schwer neurotischer Mensch, bei dem psychotische Eskalationen auch im späteren Leben auftraten. Jedenfalls wurde er wegen dieser Taten zweimal zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, die er 1865-1868 im Arbeitshaus in Zwickau und 1870-1874 im Zuchthaus Waldheim bei Leipzig verbüßte.

   Nach seiner Entlassung als 32jähriger - er hatte die letzte Straftat im Alter von 27 Jahren verübt - wurde Karl May nie wieder straffällig; eine dreiwöchige Haftstrafe wegen Amtsanmaßung, die er 1879 erlitten hat, beruht auf einem Fehlurteil. Statt dessen begann er die großen Lebensrollen, die er zuvor in der sächsischen Realität hatte spielen wollen, in Erzählungen umzusetzen und in exotische Länder zu transponieren. Er erzielte damit bekanntlich einen beispiellosen Erfolg, der bis heute andauert. Als ab 1892 seine ›Gesammelten Reiseromane‹ erschienen, wurde er bald zu einem der meistgelesenen Schriftsteller Deutschlands. Im bayrischen Königshaus und am Kaiserhof in Wien wurde er ehrenvoll empfangen.



III


Aber das Erlebnis seiner Kriminalität und seiner Bestrafung haben ihn nicht losgelassen. Die Folgen für sein bürgerliches Leben kulminieren in den Berliner Prozessen, über die ich näher berichten will. Aber auch über die literarischen Auswirkungen will ich ein paar Worte sagen. Denn Karl Mays privates Schicksal gewinnt seine Bedeutung erst vor


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dem Hintergrund seines Werkes und ist mit diesem untrennbar verbunden.

   Meine These ist, daß sich Karl Mays ganzes Werk lesen läßt als ein Versuch, das Trauma seiner Straftaten zu verarbeiten. Denn bei aller ausufernden Phantasie und Detailfülle lassen sich bei May einige Grundmotive feststellen, die seine fiktive Welt konstituieren und die sein Schicksal zum Motor seiner Wirkung machen. Ich nenne nur fünf solcher Motive.


1 .  D e m ü t i g u n g  u n d  s i e g h a f t e  E r h ö h u n g


Mays Weg vom Seminar bis ins Zuchthaus war eine einzige, immer weiter fortschreitende Deklassierung und Entpersönlichung gewesen. Er hat oft erzählt, daß ihn die erste Bestrafung wie ein Schlag auf den Kopf getroffen habe, unter dem er zusammengebrochen sei, und daß die Degradierung zur namenlosen Nummer und die despektierliche Anrede mit »Du« ihn beim Leben in der Strafanstalt mehr als alles andere geschmerzt haben.

   Es ist ein kompensierender Tagtraum von berauschender seelischer Heilkraft, wenn der so schlimm Gedemütigte sich nun als Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi mit literarischen Mitteln eine neue Existenz schuf, die ihn für alles entschädigen mußte, was ihm das wirkliche Leben versagt hatte. Schon die Namen sprechen: Er, der von der staatlichen Ordnungsmacht niedergeschmettert worden war, wird nun selbst zur Schmetterhand; er, der Namenlose, von seinem Vaterland Verstoßene, erhebt sich als Karl, Sohn der Deutschen, zu einer nationalen Symbolgestalt. Er schrieb seine bekanntesten und suggestivsten Geschichten in der Ich-Form, nicht aus literarischen Gründen, sondern weil es ihm tatsächlich darum ging, sich selbst umzuschaffen. Darum bestand er auch im privaten Leben - was ihm später sehr geschadet hat - auf der Identität des Schriftstellers Karl May mit den Helden seiner Romane. Ich besitze einen Brief Mays vom 16. 12. 1894, in dem er einer Leserin schreibt: Ja, ich habe das alles und noch viel mehr erlebt. Ich trage noch heute die Narben von den Wunden, die ich erhalten habe. Man braucht die Wendung von den Wunden und Narben nur ein klein wenig metaphorisch zu nehmen, um zu sehen, wie wahr er im Gewande scheinbarer Lüge sprach.

   Wer die großen Orientromane von ›Durch die Wüste‹ bis zum ›Schut‹ gelesen hat, der weiß, welche Triumphe Kara Ben Nemsi in der Auseinandersetzung mit korrupten Strafverfolgern und Behörden beschieden sind. Sie werden entlarvt und oftmals abgesetzt oder hand-


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greiflich zurechtgewiesen, während das erzählende Ich und seine Begleiter das aus Straftaten stammende Geld an die Armen verteilen und in einer verdorbenen Welt die Gerechtigkeit wiederherstellen. Gewiß, das alles spielt sich fern in der Türkei ab. Aber May hat im Alter, als er mehr Klarheit über sich gewonnen hatte, immer wieder selbst betont, er erzähle rein deutsche - und zwar innere! - Begebenheiten in exotischem Gewande. Er sagte auch hier die Wahrheit.

   Es ist kein Zweifel, daß May unter der Mißachtung der Mitwelt und dem Gedanken, vor dem Leben versagt zu haben, schwer gelitten hat. Sein literarisches ›Ich‹ versagt infolgedessen niemals mehr: Old Shatterhand kann, weiß, durchschaut und dirigiert (fast) alles; und die Geringschätzung, die Mays empirisches Ich erfahren hatte, verwandelt sich in Anerkennung und Ruhm, die er dem idealen Ich von Gnaden seiner Phantasie zuteil werden läßt. Wohl hundertmal hat May die Szene gestaltet, wie der scheinbare Nichtskönner oder gar Verdächtige sich plötzlich als der berühmte Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi zu erkennen gibt. Da fällt es den Menschen dann wie Schuppen von den Augen, und sie stehen in staunender Bewunderung.

   Sie werden nun fragen, inwiefern eine solche literarische Selbsttherapie, die auch tatsächlich zu bürgerlicher Resozialisierung führte, über die Bedeutung hinaus, die sie für ihren Autor gehabt hat, einen vernünftigen Leser interessieren kann. Die Antwort liegt nahe: Es gibt hunderttausende gedemütigte, in ihrem Selbstgefühl beschädigte Menschen, vor allem auch junge, die sich als Außenseiter in der Welt der Etablierten und Erwachsenen fühlen. Ihnen allen kann die Identifikation mit den Helden Karl Mays Glücks- und Erfolgserlebnisse und mit ihnen seelische Kraft geben. Ich möchte noch weitergehen und die Behauptung wagen, daß das Motiv der sieghaften Selbsterhöhung auch an uneingestandene Wünsche des psychisch stabilisierten Normalmenschen rührt. Welcher Professor möchte denn, wenn er ganz ehrlich ist,  n i c h t  seine Feinde (sprich: wissenschaftlichen Gegner) niederschmettern und die Fährten zu den verborgensten Geheimnissen seines Faches entdecken, auf daß an allen Lagerfeuern (sprich: auf allen wissenschaftlichen Kongressen) sein Ruhm verkündet werde? Welcher Richter möchte nicht gelegentlich den Schönfelder beiseite legen und nach dem von Karl May berufenen Gesetz der Prärie einer paragraphenlosen höheren Gerechtigkeit souverän zum Siege verhelfen? Und welcher Anwalt möchte nicht den Entrechteten so wirkungsvoll beistehen, wie Mays Ich den unterdrückten Indianern oder Kurden? Die scheinbar realitätsferne Welt Mays - und darin liegt ein Geheimnis seines Erfolges - hat so viel Symbolkraft, daß jeder sie leicht auf seine eigene Realität beziehen kann.


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   Natürlich kann man der Meinung sein, daß literarische Omnipotenzphantasien solcher Art, wirkungsvoll, wie sie sein mögen, doch seriöserweise nicht erlaubt sind und zu viel Knäbisches, Geltungssüchtiges, Unreifes in sich haben, als daß man sie loben dürfte. Daran ist etwas Wahres, und sicher liegt hier ein Element des Trivialen, das mindestens den Abenteuererzählungen Mays immer anhaften wird. Aber in alledem liegt doch noch etwas mehr. Denn die fiktive Selbsterhöhung ist aus der Not des Verstoßenen geboren. Sie dient der Rekonstruktion einer intakten Persönlichkeit, der Wiederherstellung verlorener Menschenwürde. Die Sehnsucht nach erfülltem Menschsein, die sich darin artikuliert, gibt der heldischen Selbststilisierung eine Legitimation, die man vielleicht gelten lassen darf.


2 .  G e f a n g e n s c h a f t  u n d  B e f r e i u n g


›Gefangenschaft und Befreiung‹ ist das zweite Zentralmotiv, das Mays gesamtes Werk durchzieht. Die tragenden Figuren werden immer wieder gefangengenommen; immer wieder aber zerbrechen sie ihre Fesseln und entrinnen dem Kerker. Es gibt wohl keinen anderen Autor, bei dem dieses Motiv so zwanghaft wiederkehrt. Es liegt auf der Hand, daß das Trauma einer achtjährigen Haft diese Befreiungsphantasien ausgelöst hat. Die Sehnsucht nach einer zunächst vor allem physisch verstandenen Freiheit geht so weit, daß Mays Helden meist nicht einmal in Häusern übernachten mögen, sondern den Schlaf unter freiem Himmel vorziehen. In ›Winnetou III‹ heißt es sogar über ein Leben in den Mauern der Städte: Der gute Sam befand sich erst einige Viertelstunden hier und empfand doch bereits Sehnsucht nach der freien Prairie. Wie muß es den ›Wilden‹ zu Mute sein, wenn sie, um ›gebessert‹ zu werden, in die enge einsame Zelle einer Philadelphischen oder Aumburnschen [gemeint ist: Auburnschen] Zwingburg gesteckt werden . . .6 Der Nachsatz ist überhaupt nur verständlich, wenn man den lebensgeschichtlichen Hintergrund des Autors kennt.

   Das Freiheitsmotiv begründet aber auch die Wahl der Schauplätze. Nicht Wohnungen und enge Städte dienen den Helden Karl Mays zum Aufenthalt, sondern die grenzenlosen Weiten der Wüsten und Savannen. Während der Strafgefangene notgedrungen der seßhafteste aller Menschen ist, sehen wir die Helden Karl Mays in immerwährender räumlicher Veränderung. Sie gehen auch nicht, sondern sie jagen auf pfeilschnellen Pferden und Kamelen durch den unendlichen Raum. Reiseerzählungen nannte Karl May seine Bücher mit Recht. Das Bedürfnis nach ungebundener Bewegung bestimmt Aufbau und Struktur


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dieser Romane. Das zeigen oft schon die Titel: ›Durch die Wüste‹, ›Durchs wilde Kurdistan‹, ›Durch das Land der Skipetaren‹ usw. Das alles wäre wohl nie entstanden, wenn ihr Verfasser nicht acht Jahre seiner Jugend im Kerker hätte verbringen müssen.

   Die Sehnsucht nach Freiheit drängt aber unseren Autor immer weiter. Nicht nur der Kerker, die Wohnung, die Stadt und die Heimat werden ihm zu eng, so daß er seine Geschichten in exotische, vorzivilisatorische Räume verlagert. Die Erde selbst hält ihn schließlich nicht mehr. Sein später Großroman ›Ardistan und Dschinnistan‹ spielt auf einem außerirdischen Stern (›Sitara‹), und das Motiv des Fliegens, der Aviatik, wie man damals sagte, bestimmt seine letzten dichterischen Konzeptionen. Sein Pegasus ist ihm nun (im ›Silberlöwen IV‹) das Roß der Himmelsphantasie... Die Hufe warfen Zeit und Raum zurück; der dunkle Schweif strich die Vergangenheiten.7

   May übertrug schließlich das Befreiungsmotiv aus dem Räumlichen ins Seelische. So sagt er in seiner Autobiographie, er wolle durch seine Erzählungen das Innere seiner Leser vom äußeren Druck befreien. Sie sollen empfinden und erleben, wie es einem Gefangenen zumute ist, vor dem die Schlösser klirren, weil der Tag gekommen ist, an dem man ihn entläßt. So leicht es ist, diese Gefangenschaft bildlich zu nehmen, so leicht ist es auch, meine Bücher zu verstehen und ihren Inhalt zu begreifen.8 Er schrieb ein Buch ›Am Jenseits‹ (1899), wie auch sonst der Übergang in die Transzendenz, die Erlösung von der irdischen Qual, sein spätes Dichten und Trachten immer mehr bestimmt. Mit seinem nächsten Buch, sagte er noch wenige Tage vor seinem Tode in einem Gespräch über sein Schreiben an den Grenzen des Irdischen: Mit dem nächsten, paßt auf, komme ich dann hinüber. Es wird heißen: ›Im Jenseits‹.9 Hier liegt auch der Ursprung des seltsamen Wortes von Arno Schmidt, der May den »letzten Großmystiker« unserer Literatur nannte. Wie sehr dies alles aber in der traurigen Erfahrung der Haftzeit seinen Ursprung hat, zeigen noch die Gedichtzeilen, mit denen May seine Lebensschilderung schließt: Nach meines Lebens schwerem Prüfungstag / Wird nun wohl bald des Meisters Spruch erklingen, / Doch, wie auch die Entscheidung fallen mag, / Sie kann mir nichts als nur Erlösung bringen. / Ich juble auf. Des Kerkers Schloß erklirrt; / Ich werde endlich, endlich nun entlassen10 usw. Er empfand also schließlich die ganze Welt als Gefängnis und sah die Freiheit nur noch außerhalb ihrer.

   Ich enthalte mich aller literarischen Wertung. Aber die sozialpsychologische Wirkung solcher Literatur darf man nicht unterschätzen. Sie erlöst den Leser aus der Enge seiner Verhältnisse, unter der in irgendeiner Weise - von den äußeren Lebensbedingungen bis zu den


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inneren Schranken, die uns gezogen sind - jeder leidet. Das Spektrum der Bedürfnisse, die ein derart entgrenzendes Schreiben befriedigt, reicht vom Trieb zum Wandern und Reiten über die Fernensehnsucht bis zum metaphysischen Drang nach innerer Freiheit und Erlösung. Hören wir noch einmal, was May in der Autobiographie über seine Leser sagt: Sie sind Gefangene, ich aber will sie befreien. Und indem ich sie zu befreien trachte, befreie ich mich selbst, denn auch ich bin nicht frei, sondern gefangen, seit langer, langer Zeit.11 Nur ein acht Jahre Eingeschlossener hat wohl solche Bücher hervorbringen können.


3 .  F r e m d b e s t i m m u n g  -  S e l b s t b e s t i m m u n g


›Fremdbestimmung und Selbstbestimmung‹ nenne ich als drittes Hauptthema Karl Mays. Auch hier ist der biographische Rückbezug auf den ersten Blick deutlich. Die Strafanstalt ist wohl der fremdbestimmteste Ort der Welt; wenigstens waren es die Zuchthäuser des 19. Jahrhunderts.

   May reagiert darauf mit Büchern, deren Protagonisten ein Leben absoluter Selbstbestimmtheit führen können. »Sidhi«, sagt der berühmte Hadschi Halef Omar zu Beginn der späten Reiseerzählung ›Am Jenseits‹ zu seinem Kara Ben Nemsi, »es war doch immer wunderschön, wenn wir beide, auf unsern unvergleichlichen Pferden sitzend, . . . immer hinein in Allahs schöne Welt ritten, wohin es uns gefiel! Diese Welt gehörte uns. . . Wir thaten, was wir wollten, und unterließen, was uns nicht gefiel; wir waren unsere eigenen Herren...«12 In der Reiseerzählung Karl Mays gibt es keine Arbeitszeit, keine Vorgesetzten, keine Pensenschlüssel, keine Arbeitsteilung und keine Spezialisierung auf immer dieselben einseitigen Betätigungen. Statt dessen genießen seine Helden unbeschränkte Autonomie und einen dauernden Aktivurlaub. Der Ich-Erzähler sieht sich, an keinen Beruf gebunden, des Geldes nicht bedürftig und ausgestattet mit unendlich viel Zeit, nach eigenem Entschluß in der Welt um, sucht sich seine Abenteuer und Beschäftigungen selbst, findet seine Nahrung in der freien Natur und beugt sich vor niemandem. Sonne, Mond und Sterne sind ihm der äußere Kompaß, sein christlicher Glaube die innere Richtschnur in einer Welt, die von der Bürokratie, von Verwaltungserlassen und moderner Gesetzesflut noch nicht erreicht ist. Auch bei diesem Motiv ist leicht ersichtlich, daß May mit seinen Erzählungen nicht nur auf ein besonders extremes persönliches Schicksal antwortet, sondern mit seinem fiktiven Weltentwurf seelische Defizite ausgleicht, die durch die Struktur unserer modernen Gesellschaft bedingt sind und unter denen Millionen leiden.


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Das Leben fast aller Menschen wird heute durch äußere Zwänge diktiert, und der Bundeskanzler ist in seinen Entschlüssen und in der Gestaltung seines Tagesablaufs oft nicht freier als ein gewöhnlicher Lohnarbeiter. Wieviel Glück kann da eine Lektüre vermitteln, die den psychischen Druck der Fremdbestimmung aufhebt!

   Freilich hat May sich wegen dieser Tendenz oft von rechts und links gleichermaßen kritisieren lassen müssen. Konservative Eltern und Lehrer befürchten, daß die manchmal geradezu süchtige Karl-May-Lektüre junge Menschen zu Aussteigern und Nichtsnutzen erzieht, anstatt ihnen den einzig angemessenen Weg der Arbeit und Pflichterfüllung zu weisen. Und linke Kritiker bemängeln, daß den Menschen hier ein Fluchtraum geboten wird, der sie vom realen Kampf um bessere Lebensbedingungen und gesellschaftliche Veränderungen abhält und durch fiktive Ersatzbefriedigung erst recht zu Objekten sozialer Ausbeutung werden läßt. Die Kritik hebt sich gegenseitig auf. In Wahrheit ist es so, daß solche Literatur in elementarer und ganz unideologischer Weise das menschliche Grundbedürfnis nach selbstgestaltetem Leben ausspricht. Damit werden gewiß die realen Verhältnisse nicht unmittelbar geändert, aber es wird ein Impuls wachgehalten, ohne den unser Leben verarmen würde.


4 .  H a ß  u n d  L i e b e


Ich bin im niedrigsten, tiefsten Ardistan geboren, ein Lieblingskind der Not, der Sorge, des Kummers, lautet der erste Satz in der Autobiographie Mays.13 Dabei bezeichnet ›Ardistan‹ in der Mythologie des alten May das Land der Gewalt- und Egoismusmenschen, das unter dem Gesetz steht: Du sollst der Teufel deines Nächsten sein, damit du dir selbst zum Engel werdest.14 Es ist mit anderen Worten: eine Welt ohne Liebe, voller Selbstsucht und Aggression. May hat seine ganze Jugend so gesehen: aber wehe hat es doch getan, wenn ich den Sonnenschein auf dem Leben Anderer liegen sah, und ich stand so im hintersten, kalten Schattenwinkel. Und ich hatte doch auch ein Herz, und ich sehnte mich doch auch nach Licht und Wärme. Aber Liebe muß sein, selbst im allerärmsten Leben . . .15 Die narzißtische Neurose, an der May in der Straftatenzeit erkrankt war, besteht im wesentlichen im Verlust der Liebes- und Bindungsfähigkeit, und es ist kein Zweifel, daß Erbitterung, Aggression und völlige innere Isolierung, daß der Haß auf Menschen und Gesellschaft ihn damals geleitet haben.

   May schreibt einen wesentlichen Einfluß auf die Besserung seines Zustandes dem katholischen Anstaltsgeistlichen im Zuchthaus zu, der


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ihm mit Liebe und Verständnis entgegengetreten war: Es liegt noch heut eine unendliche Dankbarkeit für diese Wärme und diese Güte in mir, die sich meiner annahm und keinen einzigen Vorwurf für mich hatte, als alles Andere gegen mich war. Ich habe sie gesegnet bis auf den heutigen Tag und werde sie segnen, so lange ich lebe!16 Jedenfalls wird sein Werk mit zunehmendem Alter immer mehr eine Predigt der Liebe, in deren Verlust er die Ursache alles äußeren und inneren Elends in der Welt sah. »Ihr sprecht von Liebe und sprecht auch vom Leben, doch beides ist dasselbe«, sagt er nun (›Am Jenseits‹, S. 515). Oder noch deutlicher: »Das einzige Licht der Seele ist die Liebe; die einzige Nahrung der Seele ist die Liebe. . . Mein Dasein aber hatte nur mir gegolten; ich war liebeleer gewesen und hatte also nichtgelebt.« (S. 512) Er hebt auch sein persönliches Schicksal gleich wieder ins Allgemeine, wenn er sagt, die Sehnsucht nach Liebe gehe durch die ganze Schöpfung, . .. durch die ganze Menschheit. Grad in der heutigen Zeit ist es kein stilles, heimlich klagendes Verlangen, sondern ein lautes Schreien nach Liebe; aber die, denen es gilt, die wollen es nicht hören! (S. 571)

   In den Reiseerzählungen setzt sich das zunächst in charakteristische Handlungselemente um: Die Helden werden immer milder, vermeiden nach Möglichkeit jedes Blutvergießen, lassen die Schurken immer wieder laufen und engagieren sich für unterdrückte einzelne oder Volksgruppen. Später hat May die diesem Verhalten zugrundeliegende psychische Disposition dann zu einer programmatisch seine letzten Werke durchziehenden Liebesethik ausgebaut. Sie beruht auf einem überkonfessionellen Christentum, verarbeitet aber auch das Gedankengut der Auflklärung. Sie lehrt Humanität, Toleranz, Nächstenliebe und Völkerverständigung. In einem von May veröffentlichten Glaubensbekenntnis heißt es mit unzeitgemäßer Emphase: Und ich glaube an das Gute im Menschen, an die Kraft der Nächstenliebe, an die Verbrüderung der Nationen, an die Zukunft des Menschengeschlechtes. Das ist das irdische Paradies, nach dem wir streben sollen, und in diesem Streben beginnt schon hier auf Erden die uns für dort verheißene Seligkeit!17 Das führt ihn zu einer scharfen Verurteilung von Kolonialismus und Imperialismus: »... ich klage die ganze sich ›zivilisiert‹ nennende Menschheit an, daß sie trotz aller Religionen und trotz einer achttausendjährigen Weltgeschichte noch heutigen Tages nicht wissen will, daß dieses ›Zivilisieren‹ nichts anderes als ein ›Terrorisieren‹ ist!« heißt es in ›Und Friede auf Erden!‹.18 Es werden einst, so fährt er fort, »die Wohlmeinenden aller Nationen sich zu vereinigen haben, um die unausbleiblichen Folgen dieses ›zivilisatorischen‹ Terrorisierens wieder gut zu machen. Denn gut gemacht muß alles Schlimme werden,


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vollständig gesühnt und bis auf die letzte Ziffer abgebüßt, so will es die göttliche Gerechtigkeit.« (279)

   Man wird sagen müssen, daß dies alles von heute unverminderter Aktualität ist, vom psychologischen Problem der menschlichen Liebesfähigkeit und vom Narzißmus als Zeitkrankheit bis zu den Problemen des Umgangs mit der Dritten Welt. Wenn Mays Bücher vielen Lesern mehr geben als Unterhaltung, dann liegt dieses ›Mehr‹ für sie meist weniger in ästhetischen Erlebnissen als im Ethos seines Spätwerks. Wie sehr es aus dem eigenen Leben und aus den Lehren der Strafzeit geschöpft ist, ist auch bei diesem Motivkomplex nur allzu deutlich sichtbar.


5 .  K r i e g  u n d  F r i e d e n


Das Thema von ›Haß und Liebe‹ leitet unmittelbar hinüber zum letzten Doppelmotiv von ›Krieg und Frieden‹. Karl May hatte in seiner Jugend die Welt erlebt als einen immerwährenden Kampf: der einzelnen gegeneinander, der einzelnen gegen die Gesellschaft, der Gesellschaft gegen den einzelnen, der Stämme und Völker gegeneinander. Das spiegelt sich in seinen Büchern, die von kämpferischen Auseinandersetzungen beherrscht werden. Der Weg vom Haß zur Liebe, den ich soeben skizziert habe, mußte May aber notwendig auch vom Krieg zum Frieden führen. So geht es denn in seinen Abenteuererzählungen bei fortschreitender Reife nicht mehr um die Inszenierung kriegerischer Verwicklungen, sondern mehr und mehr um deren Verhinderung. Schon in ›Old Surehand‹ schreibt er: »Wie es einen Menschen gab, welcher die erste Mordwaffe erfand, so wird es dereinst, so wahr ein Himmel über uns ist, auch einen Menschen geben, der die letzte Waffe zwischen seinen Fäusten zerbricht. Wie lange aber soll es währen, bis dies geschieht? Den Befehl dazu hat Christus schon vor nun fast zweitausend Jahren gegeben; sollen noch Jahrtausende verstreichen, ehe er in Erfüllung geht? lch wiederhole es noch einmal: Sprecht mir ja nicht von Eurer Civilisation und von Eurem Christentum, so lange noch ein Tropfen Menschenblut durch Stahl und Eisen, durch Pulver und Blei vergossen wird!«19

   Im Alter wurde er, der einst der Gesellschaft den Krieg erklärt hatte, Pazifist und Mitstreiter Bertha v. Suttners. 1901 erschien ›Et in terra pax‹, 1904 in erweiterter Form ›Und Friede auf Erden!‹. Karl May malt in seiner späten Lyrik den Krieg in apokalyptischen Farben: Es liegt vor mir ein weites Trümmerfeld, das sich vom Einst bis auf das Heut erstreckt: die Klagewüste einer Schattenwelt, die selbst den Mut des Mutig-


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sten erschreckt. Und mitten in der Öde, blutig rot, getränkt von Krieg und Sieg, ein tiefer See; da haust als Völkermord der Heldentod und badet sein Skelett im Menschenweh!20 Eine Schreckensvision. die heute als realistisch erscheint; bedenkt man aber, was die meisten deutschen Dichter noch 1914 drucken ließen, dann überrascht es doch, daß der verachtete Karl May ihnen und dem ganzen deutschen Bürgertum schon Jahre früher einige Einsichten voraushatte. Auch alle Bücher, die auf ›Et in terra pax‹ noch folgten, haben die Friedensbotschaft als Leitthema. Mays wohl bedeutendster Roman, ›Ardistan und Dschinnistan‹ (1907-1909), beschwört in großen Visionen den ewigen Frieden als die Rückkehr des Paradieses: Umfaßt er mit seinen Wurzeln die ganze Erde . . ., so wächst er hoch über Irdisches empor und trägt als Früchte die ewigen Sterne in seiner Krone.21 - Zwar kommt morgen ein neuer Tag, unaufhaltsam und unwiderstehlich, aber er ist ein ganz andrer Tag als der heutige. Die Erde sehnt sich nach Ruhe, die Menschheit nach Frieden, und die Geschichte will nicht mehr Taten der Gewalt und des Hasses, sondern Taten der Liebe verzeichnen... Die Gewalt herrsche nur noch heut, länger aber nicht. Es sei ihr nur noch diese eine Nacht vergönnt, die Seelen der Menschen zu erschrecken und zu quälen. . . Schon morgen früh aber sollen diese Menschen aufatmen und jubeln, wie hoch über uns das Wort Gottes in der Bibel jubelt: Der gestrige Tag ist vergangen; es ist Alles neu geworden!22 Das war damals und ist noch heute eine Utopie. Aber es ist sicher, daß hier mehr die Angst und Sehnsucht der Menschen unserer Tage angesprochen werden als die der Zeitgenossen Mays, die vor dem ersten Weltkrieg fast alle ahnungslos dahinlebten.



IV


Wenn man meine beiden Motivreihen gegeneinanderhält, so stehen auf der einen Seite Demütigung, Gefangenschaft, Fremdbestimmung, Haß und Krieg, also alles das, was May erlebt hatte und als Realität vorfand; auf der anderen Seite finden wir sieghafte Erhöhung, Befreiung, Selbstbestimmung, Liebe und Frieden, also die Motive, mit Hilfe derer er in seiner Phantasie die Realität überwand. Es war die Realität eines Straffälligen und Gescheiterten, eines Mannes, der sich zeitlebens als Gefangener empfand und sein irdisches Dasein noch kurz vor seinem Tode als ununterbrochene Lebensqual bezeichnete.23 Aber seine Bücher, deren Erfolg noch heute die auf den Kanon der deutschen Klassiker eingeschworenen Beurteiler schockiert - wohl neun Zehntel seiner Auflage sind erst nach 1950 gedruckt worden -, bringen doch


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Lebens- und Weltprobleme zur Sprache, die allen zu schaffen machen heute vielleicht sogar mehr als früheren Generationen.

   Sein ungewöhnliches Schicksal als Zuchthäusler und Ausgestoßener hat ihn die Leiden der Epoche nur schmerzhafter erfahren lassen als andere. Er selbst empfand sein ›Leben und Streben‹ - so der Titel seiner Autobiographie - als exemplarisch und schrieb: Das Karl May-Problem ist das Menschheitsproblem, aus dem großen, alles umfassenden Plural in den Singular, in die einzelne lndividualität transponiert.24 Das klingt beinahe lächerlich. Aber er hatte wohl recht. Ein Schriftsteller kann nur dann hundert Jahre lang eine ständig wachsende Zahl von Lesern finden, wenn seine Themen mehr als private Probleme behandeln. So war es bei May, der sich schließlich als Monograph der ›Menschheitsseele‹ verstand.25 Das ist ein wenig hoch gegriffen. Aber seine aus existentieller Betroffenheit entstandene Gegenutopie vom wahren Leben hat ihre Anziehungskraft auf junge oder sonst dem ›Prinzip Hoffnung‹ verpflichtete Menschen bis heute nicht verloren. Es ist kein Wunder, daß Ernst Bloch und seine Schüler zu den Pionieren der May-Forschung gehören.

   Man kann also sagen: Was Karl Mays bürgerliches Leben in der Jugend zerstört und im Alter ein zweites Mal ruiniert hat, hat sein Leben als Schriftsteller und seinen literarischen Erfolg erst ermöglicht. Straffällig werden ist leicht. Daraus aber etwas Produktives, Fortdauerndes, Freudegebendes und in mancher Hinsicht Menschheitsdienliches zu machen, ist schwer. Man sollte dem viel geschmähten Mann die Achtung dafür nicht versagen.



V


Nach diesem literarischen Exkurs kehre ich auf den biographischen Weg zurück, der Karl May nach Moabit führte. Dieser Weg beginnt im 63. Lebensjahr Karl Mays, 1904, als der Journalist Rudolf Lebius (1868-1946), die verhängnisvollste Erscheinung in der Biographie Karl Mays, seine Bekanntschaft suchte. Lebius, Redakteur der ›Sachsenstimme‹ in Dresden, war ursprünglich Sozialdemokrat gewesen, wechselte dann zur äußersten Rechten über und wurde zum erbitterten Gegner der SPD. Er versuchte, von May, dem inzwischen Berühmten und Begüterten, ein Darlehen, erst drei- bis sechstausend, dann zehntausend Mark, zu erhalten; als Gegenleistung bot er publizistische Unterstützung an. May lehnte ab. Daraufhin erhielt er am 7. September 1904 eine anonyme Postkarte: »Ein gewißer Herr Levius, Redakteur


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der ›Sachsenstimme‹, erzählte einem Herren, daß er einen Artikel gegen Sie schreibt. .. Es warnt Sie ein Freund vor dem Manne.«

   Tatsächlich schrieb Lebius in den folgenden Wochen und Monaten eine Reihe von Enthüllungsartikeln, in denen immer deutlicher auf Mays Vorstrafen hingewiesen wurde. Karl May sei zweimal bestraft worden: »In der nächsten Nummer wird es schon möglich sein, zu sagen weshalb.« Oder: »Wir wissen, wer Karl May ist. Aber wir sagen es noch nicht.«26 Karl May erstattete am 19. 12.1904 Strafanzeige wegen Erpressung.

   Aber die Ermittlungen wurden eingestellt, und auch ein Klageerzwingungsantrag Mays blieb erfolglos. Zwar wurde das Gutachten eines Schriftsachverständigen, wonach Lebius die Postkarte verfaßt habe, als »überaus überzeugend« beurteilt, doch konnten die Justizbehörden letzte Zweifel nicht überwinden. Auch heißt es in dem Einstellungsbeschluß, es fehle »an jedem Anhalt dafür, daß Lebius etwas schreiben konnte, was May zu fürchten gehabt hätte. Desgleichen fehlt in der Karte ein irgendwie zwingender Hinweis auf das, was May tun oder lassen soll, wozu May genötigt werden soll«.27 Das liest sich etwas naiv, wenn man den Hintergrund kennt und die Postkarte zusammen mit der Darlehensforderung und den Artikeln der ›Sachsenstimme‹ würdigt. Freilich hatte May sich verständlicherweise auch gescheut, Genaueres darüber mitzuteilen, was er tatsächlich zu fürchten hatte.

   Immerhin brachte May die Vorgänge nun in die allgemeine Presse, und damit war er erfolgreich. Lebius schrieb später: »Kaum hatte das Konkurrenzblatt der Sachsenstimme die Maysche Denunziation veröffentlicht, so galt ich in den Augen vieler Spießbürger als gerichtet. Viele Leute sind zu einfältig, um den Unterschied zwischen einer Beschuldigung und einem gerichtlichen Wahrheitsbeweis zu begreifen. Kurz und gut: die großen Firmen entzogen der Sachsenstimme die Inserate und damit war das Blatt lebensunfähig geworden.«28 Lebius mußte Dresden unter Hinterlassung erheblicher Schulden verlassen. Karl May aber hatte sich einen Todfeind erworben.



VI


Lebius wandte sich nun nach Berlin, und damit beginnt Karl Mays Alterstragödie, die in seltsamer Weise mit der deutschen Parteiengeschichte verknüpft ist. Lebius war ein Wortführer der von den Arbeitgebern inspirierten ›gelben Werkvereine‹, die den Gewerkschaften das Wasser abgraben sollten. Er lag in ständiger Fehde mit der SPD, die in


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einem Artikel im ›Vorwärts‹ (vom 26. 7. 1907) behauptet hatte, Lebius sei kein Ehrenmann.29 Lebius erhob gegen den Vorwärts-Redakteur Carl Wermuth Privatklage wegen Beleidigung, und dieser bezog sich zum Beweise seiner Behauptung auf den Zeugen Karl May.

   Lebius begann daraufhin eine neue Pressekampagne gegen Karl May, die er selbst als »Vernichtungsfeldzug«30 bezeichnete. Welche Motive ihn im letzten dazu getrieben haben, ist bis heute unklar; eine Biographie dieses bedenkenlosen, aber begabten und auch unabhängig von seiner Rolle im Leben Karl Mays nicht uninteressanten Mannes steht noch aus. Lebius selbst hat sich vor der Strafkammer in Moabit so geäußert: »Die sozialdemokratische Presse berief sich bei. . . Angriffen gegen mich immer auf Karl May, der als angesehener Jugendschriftsteller bezeichnet wurde. Es lag mir deshalb daran zu beweisen, daß May unglaubwürdig ist.«31

   Er veröffentlichte zunächst unter Einschaltung eines Strohmannes eine Broschüre: ›Karl May, ein Verderber der deutschen Jugend‹ (1908). Darin wurde May als »atavistischer Schriftsteller« verunglimpft: »Er machte«, heißt es da, »im frühesten Alter eine schwere chronische Krankheit durch, die offenbar kulturhemmend gewirkt hat.«32 May gelang es, die Schrift verbieten zu lassen. Lebius näherte sich nun der geschiedenen ersten Frau Karl Mays und warf sich zu ihrem Interessenvertreter auf. Er fuhr auch nach Ernstthal und horchte die Leute über Mays nun schon 40 und mehr Jahre zurückliegende Straftaten aus. Das Ergebnis verarbeitete er zu Presseartikeln und Flugblättern ganz ungeheuerlicher Art. Danach sollte May jahrelang als Räuberhauptmann durch die erzgebirgischen Wälder gezogen sein; außerdem wurde er verdächtigt, Blutschande getrieben und seinen Schwiegergroßvater erwürgt zu haben.

   Die Unwahrheit dieser unglaublichen Beschuldigungen steht heute fest und ist zum größten Teil auch schon zu Lebzeiten Mays gerichtlich erwiesen worden.33 May erhob diverse Klagen gegen Lebius und seine Gewährsleute, die teils erfolgreich, teils bei seinem Tode noch nicht erledigt waren. Er verfaßte zudem auf das Drängen der Vorwärts-Redaktion eine Schrift ›Lebius, der Ehrenmann‹, die erst im Jahre 1983 aus dem Nachlaß veröffentlicht worden ist.34 Zu der Zeugenvernehmung Mays und zur gerichtlichen Verwertung des Materials ist es damals am Ende überhaupt nicht mehr gekommen, weil Lebius im Oktober 1909 seine Klage gegen den Vorwärts-Redakteur zurückzog. Seine Angriffe gegen Karl May setzte er aber mit unverminderter Heftigkeit fort.


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VII


Und damit stehen wir bei dem auf den ersten Blick vergleichsweise harmlosen Fall, der später die Strafkammer in Moabit beschäftigte. Lebius schrieb am 22. November 1909 an die Opernsängerin Selma von Scheidt einen Privatbrief, der folgendermaßen beginnt:35 »Sehr geehrtes gnädiges Fräulein! Da ich seiner Zeit mit dem Schriftsteller Karl May, den ich für einen geborenen Verbrecher halte, sehr schlechte Erfahrungen gemacht hatte, so wandte ich mich im Frühjahr ds. Js. an seine geschiedene Gattin, die auch ein Opfer seines kriminellen Egoismus geworden war«; die weiteren Ausführungen des Schreibens interessieren hier nicht. Die Adressatin übersandte den Brief an Karl May, der unter Hinweis auf den Ausdruck ›geborener Verbrecher‹ sofort eine weitere Privatklage wegen Beleidigung gegen Lebius erhob.

   Die Hauptverhandlung fand am 12. April 1910 vor dem Schöffengericht in Charlottenburg statt. May schrieb später: Ich hielt es nicht für nötig, einen Rechtsanwalt mitzunehmen. Die Beleidigung erschien mir so klar erwiesen, . . . daß es gewiß keines Advokaten bedurfte, die Notwendigkeit einer Bestrafung einzusehen. 36 Es kam aber ganz anders. Der Vorsitzende, Amtsgerichtsrat Wessel, hatte schon die Verurteilung Lebius' zu 15 Mark Geldstrafe ausgesprochen, als er sich von dessen Verteidiger Bredereck durch den Hinweis unterbrechen ließ, er habe noch nicht oder nicht ausreichend plädiert. Der Vorsitzende ließ den Verteidiger reden und verkündete anschließend einen Freispruch auf Grund Wahrnehmung berechtigter Interessen.

   In der Urteilsbegründung heißt es, die Bezeichnung ›geborener Verbrecher‹ sei »erst neuerdings auf Grund der von Lombroso gemachten Untersuchungen in die gerichtlich-medizinische Wissenschaft eingeführt«. Ob die Ansicht des Beklagten zutreffend sei oder nicht, könne »nur auf Grund eingehender Gutachten von Sachverständigen festgestellt werden«. Das Gericht brauche solche Beweise jedoch nicht zu erheben, weil Lebius sowohl eigene Interessen wie auch diejenigen der geschiedenen Frau Mays wahrgenommen habe. Außerdem sei das Verfahren nur wegen formeller Beleidigung nach § 185 StGB eröffnet worden § 193 StGB beziehe sich auch auf § 185 StGB, und eine Beleidigungsabsicht sei aus dem Brief nicht zu ersehen, u. a. wegen »der Anwendung des fachmännischen Ausdrucks«.37


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VIII


Der Charlottenburger Prozeß wirft mancherlei Rechtsfragen auf. Noch in der Berufungsinstanz wurde darüber gestritten, ob eigentlich das erste oder das zweite Urteil, das verurteilende oder das freisprechende, wirksam sei. Mit Recht wurde das zweite Urteil, also der Freispruch, als gültig angesehen. Denn die Urteilsverkündung ist erst mit der mündlichen Bekanntgabe der Gründe beendet, die hier noch nicht erfolgt war. Bis dahin ist das Gericht nicht an seinen Ausspruch gebunden und kann noch wieder in die Verhandlung eintreten.38 Das Gericht durfte sich also noch korrigieren, so sonderbar ein solcher Vorgang wirken mußte.

   Dafür war das zweite Urteil freilich der Sache nach unrichtig. Das Gericht hat den Ausdruck ›geborener Verbrecher‹ anscheinend sowohl als eine dem Beweise zugängliche Tatsachenbehauptung nach § 186 wie als Formalbeleidigung nach § 185 StGB angesehen. Richtigerweise kam von vornherein nur eine Formalbeleidigung in Betracht, denn Lombrosos schon damals sehr umstrittene und inzwischen längst widerlegte Theorie von der Existenz geborener Verbrecher konnte als diskriminierender Ausdruck im privaten Briefverkehr eines kriminologisch völlig ungebildeten Menschen nicht als Behauptung beweisbarer Fakten gelten. Wenn das Gericht aber einmal annahm, hier sei ein Faktum angesprochen, das durch Sachverständige hätte geklärt werden können, dann hätte der Wahrheitsbeweis erhoben werden müssen, bevor auf § 193 StGB zurückgegriffen wurde;39 auch eine Beschränkung des Verfahrens auf § 185 StGB, wie sie das Gericht anscheinend vornehmen wollte, wäre dann nicht möglich gewesen. Bei einer Beweisaufnahme hätte sich dann ohne weiteres ergeben, daß ein Mensch, dessen letzte Straftat mehr als 40 Jahre zurücklag, der sich inzwischen zu Ansehen und Wohlstand emporgearbeitet hatte und außerdem nicht ein einziges der von Lombroso angenommenen Merkmale aufwies, keineswegs ein geborener Verbrecher sein konnte. Um das zu erkennen, hätte es nicht einmal eines Sachverständigen bedurft. Einer so leichtfertig falschen Tatsachenbehauptung hätte dann aber auch nicht der Schutz des § 193 StGB gewährt werden können.

   Ging man andererseits, wie es richtig gewesen wäre und worauf sich auch das Gericht bei der Entscheidungsfindung anscheinend beschränken wollte, von einer reinen Formalbeleidigung aus, so war darauf entgegen der Meinung des Gerichts § 193 StGB von vornherein nicht anwendbar. Denn diese Bestimmung kommt nach ihrem Wortlaut nicht in Betracht, wenn »das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form


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der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht«. Eine schlimmere Diskriminierung als die Bezeichnung ›geborener Verbrecher‹ ist aber kaum denkbar. Es verschlägt demgegenüber nichts, wenn das Gericht unter Hinweis auf die »Anwendung des fachmännischen Ausdrucks« an der Beleidigungsabsicht des Angeklagten Lebius zweifelt. Denn erstens kann natürlich eine Beleidigung nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß man sie in fachmännische Ausdrücke kleidet; wer einen anderen als verrückt oder idiotisch bezeichnet, begeht auch dann eine Beleidigung, wenn er sich dazu einer psychiatrischen Terminologie bedient. Und zweitens ist nach richtiger, vom Reichsgericht allerdings nicht geteilter Auffassung eine Beleidigungsabsicht für eine Formalbeleidigung überhaupt nicht erforderlich;40 wenn es für eine Beleidigung nach § 185 StGB einer darauf gerichteten Absicht unbestrittenermaßen nicht bedarf, ist es nicht einzusehen, warum im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen etwas anderes gelten sollte.



IX


Dies alles sind juristische Überlegungen, wie sie als Anmerkung in einer Fachzeitschrift Platz gehabt hätten. Die Wirkung aber, die das Charlottenburger Urteil in der Öffentlichkeit auslöste, war von ganz anderer Art. Nachdem gerichtlich entschieden war, daß Lebius berechtigterweise Karl May einen geborenen Verbrecher hatte nennen dürfen, ging fast die gesamte Presse - von Lebius mit entsprechenden Berichten versorgt - davon aus, daß die von diesem verbreiteten Beschuldigungen nunmehr erwiesen seien. Ich zitiere nur einige Überschriften: ›Karl May - ein abgestrafter Räuber‹; ›Reiseschriftsteller und Räuberhauptmann. Der entlarvte May‹; ›Vom Räuberhauptmann zum Romancier‹; ›Ein literarischer Schinderhannes‹ usw.41

   Dieser Schlag hat Mays Gesundheit, die durch mancherlei andere Pressekämpfe und Prozesse schon vorher geschwächt war, vollends zerstört. Schwere Nervenschmerzen und ein Gallenleiden setzten ihm zu; mehrere Lungenentzündungen brachten ihn dem Tode nahe. Egon Erwin Kisch, der ›rasende Reporter‹, hat ihn im Mai 1910, wenige Wochen nach dem Charlottenburger Urteil, besucht und berichtet darüber: »Eben schüttelt ihn ein Hustenanfall, und trotzdem er, die Hilfe der Gattin unwirsch abweisend, aufrecht ins Haus zurückgeht, ist nicht zu verkennen, daß sein Lächeln vom hippokratischen Zug erbarmungslos durchstrichen wird.«42 In seiner Selbstbiographie schreibt May


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wenig später: Ich kann nicht liegen, nicht sitzen, nicht gehen und nicht stehen, und doch muß ich das alles. Ich möchte am liebsten sterben, sterben, sterben... 43

   Man wird wohl sagen müssen, daß nicht nur dieser gesundheitliche Zusammenbruch, sondern auch Mays Tod, knapp zwei Jahre danach, auf den Folgewirkungen des Charlottenburger Urteils beruhte. Fragt man sich, wie es dahin kommen konnte, so trifft, wenn man den Urheber Lebius einmal beiseite läßt, ein kleiner Teil der Schuld Karl May selbst; hätte er einen Anwalt zur Seite gehabt, der dem Gericht fundierte Rechtsausführungen vorgetragen hätte, so wäre es zu dem Freispruch wohl nicht gekommen. Auch das Gericht verdient Kritik; der alte Amtsrichter, der kurz darauf in den Ruhestand versetzt wurde, war anscheinend dem Prozeß nicht mehr recht gewachsen, wie auch der sonderbare Verlauf der Verhandlung zeigt. Aber die bei weitem größte Verantwortung trifft doch die Presse; denn das Charlottenburger Urteil hatte ja die Wahrheit der von Lebius behaupteten Tatsachen weder geprüft noch bestätigt, sondern es hatte durch den Rückgriff auf § 193 StGB ein Eingehen auf die Sache selbst gerade vermieden. Wenn trotzdem fast die gesamte deutsche Presse die Räuberhauptmannslegende übernahm, anstatt eine seriöse Berichterstattung oder gar eine Urteilsanalyse zu liefern, dann war das reiner Sensationsjournalismus. Der schon erwähnte Egon Erwin Kisch gehörte zu den wenigen, die ihn damals verteidigten. Er schrieb: »Man beschimpft ihn, wie man nie einen betrügerischen Kaufmann, einen gemeingefährlichen Fabrikanten, einen bestechlichen Beamten, einen selbstherrlichen Gutsherren oder gar einen mißhandelnden Offizier zu beschimpfen wagen würde.«44 Abgesehen von diesem Versagen der Presse gibt der Fall aber auch zu der rechtspolitischen Überlegung Anlaß, ob es nicht einer humanen Rechtsauffassung entspräche, eine öffentliche Erörterung abgebüßter Straftaten, die vierzig und mehr Jahre zurückliegen, von vornherein als unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu verbieten. In der Epoche des informationellen Selbstbestimmungsrechts wäre die Zeit dafür reif.



X


Aber ich will zu meiner Geschichte zurückkehren, die ihrem Höhepunkt erst jetzt zustrebt. Karl May legte gegen den Freispruch seines Gegners natürlich Berufung ein. Das Verfahren verzögerte sich wegen der häufigen Erkrankungen Mays. Sein letztes Werk ist ein auf den


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3. Dezember 1911 datierter Schriftsatz ›An die 4. Strafkammer des Königl. Landgerichtes III in Berlin‹.45 Am 18. Dezember erschien May vor der Strafkammer in Moabit in Begleitung des Dresdener Anwalts Netcke und des BerlinerJustizrats Sello, derdurch seine Schriften (u. a. ›Die Irrtümer der Strafjustiz und ihre Folgen‹, 1911) noch heute bekannt ist. Landgerichtsdirektor Ehrecke, der Vorsitzende der Strafkammer, hatte sich mit dem Fall offenbar gründlich beschäftigt. Vor Eintritt in die Verhandlung regte er einen ehrenvollen Vergleich an.46 Er hielt insbesondere Karl May vor, daß es in einer Hauptverhandlung kaum zu vermeiden sein werde, den einmal vorhandenen dunklen Punkt in seinem Vorleben zur Sprache zu bringen. Dieser dunkle Fleck auf seiner weißen Weste sei ja durch seine Verdienste verblaßt, und diese Vorgänge aus längst vergangenen Zeiten würden seinen Ruhm nicht verkleinern können, doch möge er daran denken, daß durch das Waschen im Gerichtssaal der dunkle Punkt nicht beseitigt werde, sondern nur gelbe Ränder bekomme. May erklärte seine prinzipielle Bereitschaft, Lebius aber lehnte ab.

   Die Verhandlung hat dann von morgens um 9.00 bis abends um 19.00 Uhr gedauert. Noch einmal wurde Mays ganzes Leben aufgerollt, vor allem erhob Lebins eine Flut von neuen Beschuldigungen. Das ging bis in die nebensächlichsten Details. Ich will eine kurze Passage wörtlich wiedergeben, weil sie trotz ihrer Beiläufigkeit über den Prozeß hinausgewirkt hat.47


R e c h  t s a n w a I t  B r e d e r e c k :   Der Privatkläger hat sich auch in dem Kostüm eines amerikanischen Trappers photographieren lassen.

M a y :   Jeder Schauspieler läßt sich photographieren, wie es ihm beliebt, warum soll sich nicht ein Schriftsteller, der über amerikanische Dinge schreibt, als Trapper abbilden lassen?

R e c h t s a n w a l t  B r e d e r e c k :   Alles das wird nur angeregt, um die pathologische Lügenhaftigkeit des Privatklägers zu illustrieren.

V o r s i t z e n d e r :   Ein Verbrechen wären doch solche phantastischen Dinge bei einem Dichter nicht, und ich halte Herrn May für einen Dichter.


Schließlich lehnte das Gericht alle weiteren Beweisanträge ab. Karl May sagte in seinem Schlußwort: Er wolle nur als Mensch, als fühlender Mensch noch sagen: er habe heute so oft mit bitterer Empfindung hören müssen, daß er ein Verbrecher sei. Er nehme es Herrn Bredereck nicht übel, daß er ihn für einen Verbrecher halte. Es sei richtig, er habe als Mensch gefehlt und sei in jungen Jahren in den tiefsten Abgrund gesunken. Aber er sei durch ungeheure Kraftanstrengung wieder gestiegen, und es sei traurig, daß nun Superkluge und Pharisäer kämen und sich bemühten, ihn abermals von der mühsam erreichten Höhe hinunterzustürzen.48


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   Um 19.30 Uhr wurde das Urteil verkündet: Das Gericht vertrat die Meinung, daß nur   e i n  rechtsgültiges Urteil des Schöffengerichts vorliege, und zwar das freisprechende. Es sah in dem Ausdruck ›geborener Verbrecher‹ keine wissenschaftliche Kennzeichnung, sondern eine allgemeine Bezeichnung; geboren bedeute so viel wie ›durch und durch‹. Dem Angeklagten sei an sich der Schutz des § 193 zuzubilligen, doch seien dessen Grenzen überschritten, da die Absicht der Beleidigung dem Gericht nicht zweifelhaft sei; sie werde durch das Adjektiv ›geboren‹ noch gesteigert. Mit Rücksicht auf die Schwere der Beleidigung werde Lebius zu 100 Mark Geldstrafe, ersatzweise 20 Tagen Gefängnis, und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt.49



XI


Warum war dieses Urteil denkwürdig? Hans Wollschläger, der Biograph Mays, meint: Der Prozeß bedeutete »Mays endgültigen Sieg über den Bösesten der Feinde; obwohl damit nur eins der ausstehenden Urteile, und formell fast ein nebensächliches, gefallen ist, entscheidet es doch sämtliche noch nebelhaft schwebenden Fälle mit«.50 Ähnlich hat es auch Karl May selbst gesehen. Ich besitze eine Postkarte von ihm, auf der er noch am Abend des 18. Dezember Freunden den Ausgang des Prozesses mitteilt. Da schreibt er am Ende: Diesem kleinen Siege folgen nun die größeren. 51 Diese größeren Siege, die zu einer Verurteilung des Lebius auch wegen seiner zahlreichen sachlichen Falschbeschuldigungen geführt hätten, wären wohl tatsächlich gefolgt.52 Aber die kurze Lebenszeit, die Karl May noch blieb, hat es dazu nicht mehr kommen lassen.

   Ich sehe die Bedeutung des Urteils mehr in der Wirkung, die es auf die literarisch interessierte Öffentlichkeit gehabt hat. Robert Müller (1887-1924), der heute zu Unrecht fast vergessene frühexpressionistische Wiener Dichter, veröffentlichte schon am 1. Februar 1912 im ›Brenner‹, einer der damals bedeutendsten Kulturzeitschriften des deutschsprachigen Raumes, einen Essay unter dem Titel: ›Das Drama Karl Mays‹.53 Darin zitiert er am Anfang die Bemerkung Ehreckes: »Ein Verbrechen wären doch solche phantastischen Dinge bei einem Dichter nicht, und ich halte Herrn May für einen Dichter!«, und er fährt fort: »Diese Worte, die einen Richter als Menschen und Dichter ehren, sind bei dem letzten großen Ehrenbeleidigungsprozeß in Berlin, den Karl May gegen seinen Gegner gewann, gefallen. Wer sich das jugendliche in schönen Affekten befangene Gemüt auch noch als Richter


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bewahrt hat, ist auch ein Stück Dichter geblieben. Es wäre zu wünschen, daß alle Richter ihre Aufnahmsfähigkeit für Gebilde einer schöpferischen Phantasie also wahrten; Justitia würde, wenn sie schon blind ist, hinter ihrer Binde die Träume der Menschenseele nach Größe und Kraft besser verstehen und die daraus emporbrechenden Strahlen der Leidenschaft gütiger zu deuten wissen.«



XII


Robert Müller faßte nun den Plan, Karl May auch vor aller Öffentlichkeit zu rehabilitieren. Er war Leiter des Wiener ›Akademischen Verbandes für Literatur und Musik‹, vor dem zu sprechen er Karl May anläßlich seines 70. Geburtstages am 25. Februar 1912 einlud.54 Karl May nahm an, obwohl er eine schwere Lungenentzündung noch kaum überstanden hatte. Der Vortrag wurde auf den 22. März angesetzt; im März trat auch Georg Trakl, der große Lyriker, dem akademischen Verband bei. Trakl war »ein begeisterter Karl-May-Leser«55, und Robert Müller vermittelte ihm nun die erste Veröffentlichung im ›Brenner‹. So seltsam verknüpfen sich die Fäden der Literaturgeschichte.

   Der Vortrag war publizistisch umsichtig vorbereitet worden, u. a. durch eine Umfrage, die bei Dichtern über Karl May gehalten wurde. Auch in den Antworten klingt das Wort des Richters Ehrecke nach, wenn etwa Heinrich Mann mitteilt: »Ich höre, daß Karl May der Oeffentlichkeit so lange als guter Jugendschriftsteller galt, bis irgendwelche Missetaten aus seiner Jugend bekannt wurden. Angenommen aber, er hat sie begangen, so beweist mir das nichts gegen ihn - vielleicht sogar manches für ihn. Jetzt vermute ich in ihm erst recht einen Dichter!«56 Sein Bruder Thomas war freilich noch nicht ganz auf der Höhe der Moabiter Erkenntnisse; er schrieb: ». . . soll er nicht Räuberhauptmann gewesen sein? Ich glaube, ich würde mir ein Billet kaufen . . .«57



XIII


Karl May traf am 20. März in Wien ein. Im Hotel besuchte ihn Bertha von Suttner, die Friedensnobelpreisträgerin, die sich Karl May seit seinem Roman ›Und Friede auf Erden!‹ (1904) verbunden fühlte.58 Sie bat ihn, in seinem Vortrag auf ihr letztes Buch ›Der Menschheit Hochgedanken‹ hinzuweisen. Schon am 13. März hatte sie ihm geschrieben:


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»Ich freue mich lebhaft, Sie ... in Wien sprechen zu hören. Daß Sie mein Gesinnungsgenosse in Friedenssachen und anderen Fragen sind, das weiß ich ja... Nicht wahr, wir Geistesarbeiter, die wir die Leiter halten, auf der die Menschheit ›die  E d e l menschheit‹ emporsteigen soll, müssen einander behilflich sein.« Der heute sonderbar klingende Titel, den May seinem Vortrag gab, ›Empor ins Reich der Edelmenschen‹, ist denn auch, wie dieser Brief zeigt, eine Huldigung an Bertha von Suttner.

   Mit dem Vortrag verbanden sich also viele Pläne und Hoffnungen, und - sonderbar genug - sie gingen in Erfüllung. Die 2-3000 Plätze des Sofiensaals waren an jenem Freitag völlig ausverkauft; viele hatten keinen Einlaß gefunden. Karl May sprach weitgehend in freier Rede, über die Notizen und Presseberichte, aber keine Nachschriften erhalten sind. Der Vortrag handelte über sein Leben, über sein Werk und den Weltfriedensgedanken. Bertha von Suttner berichtete: »Er sprach viel vom Sterben und vom Jenseits, von göttlichen und ewigen Dingen, und es lag etwas Seherhaftes, Unendlichkeitssehnendes in seiner ganzen Art.«59 Das ›Wiener Montags-Journal‹ schrieb: »Karl May ist erst vor kurzem von schwerer Krankheit genesen und wurde ungefähr in der Mitte seines Vortrages von Schwäche befallen, welche jedoch erfreulicherweise ebenso rasch, als sie gekommen, wieder verschwand.«60 Sonst meisterte er aber die Situation eindrucksvoll. »Eine schlanke, ungebeugte Gestalt«, berichtete das ›Neue Wiener Tageblatt‹, »das bleiche Gesicht mit dem buschigen grauen Schnurrbart ausdrucksvoll und interessant, das noch ziemlich dichte Haupthaar grau meliert. Auch sein Organ hat eine überraschende Kraft, es beherrschte den weiten Saal und ließ während des Vortrages, der mehr als zwei Stunden dauerte, keine Ermüdung spüren.«60

   Ich lasse den näheren Inhalt des Wiener Vortrages und das durchaus kontroverse Presseecho jetzt beiseite und beachte nur die Wirkungen des Moabiter Urteils. Da zeigt sich denn, daß die riesige Menschenmenge, die wohl im wesentlichen aus Karl-May-Lesern bestand, tatsächlich gekommen war, ihren Autor zu rehabilitieren. Das ›Neue Wiener Journal‹ schreibt: »Ein Sturm von Beifall begrüßte den Schriftsteller schon bei seinem Erscheinen, und es vergingen Minuten, ehe er zu Wort kommen konnte«, und die ›Kleine Österreichische Volkszeitung‹ berichtet: »Er wird jubelnd begrüßt, und da er sich linkisch, unbeholfen, sichtlich überrascht bedankt, wird der Beifall zehnfach stärker. Die Jungen erhoben sich von den Sitzen und grüßten den Mann, der ihnen den Winnetou schenkte . . .« Entsprechend ging es am Ende des Vortrages zu. »Beifallsgeklatsche umtoste, Anhänger um-


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ringten ihn, und nur mit schwerer Mühe konnte May zum Ausgange gelangen. Inmitten des huldigenden Gedränges rief er emphatisch aus: ›Bleiben Sie mir treu!‹« (›Deutsches Volksblatt‹).62



XIV


Die Wiener Anstrengung war über seine Kräfte gegangen. Eine Woche später, am 30. März, starb Karl May an einem Herzschlag. Aber noch in den Nachrufen klingt die Verhandlung in Moabit wider. Bertha von Suttner gab in der Wiener ›Zeit‹, die Karl May noch vor Jahresfrist einen »abgestraften Räuber« genannt hatte, unter dem Titel ›Einige Worte über Karl May‹ ihren Eindruck von dem Wiener Vortrag wieder, pathetisch und etwas verschwärmt - die alte Dame hatte ihn offenbar in ihr Herz geschlossen -, aber doch auch anrührend. Die Schlußsätze lauten: »Er hatte noch eine große Freude erlebt. Der Jubel, mit dem ihn die dreitausend Zuhörer umtosten, war ja nicht nur der Ausdruck von dem Schriftsteller gewidmetem Beifall gewesen, sondern vielmehr eine Demonstration von persönlicher Verehrung, ein Protest gegen die Bosheits- und Verleumdungskampagne, die gegen ihn geführt worden und aus der er voll rehabilitiert hervorgegangen war, die ihm aber durch zehn lange Jahre das Leben verbittert hatte. Wer den schönen alten Mann an jenem 22. März ... sprechen gehört, durch ganze zwei Stunden, ..., begeisterungsvoll, in die höchsten Regionen des Gedankens strebend - der mußte das Gefühl gehabt haben: In dieser Seele lodert das Feuer der Güte.«63

   Hier erscheint also der kürzlich noch ›geborene Verbrecher‹ schon geradezu verklärt. Gewiß übertrieb die verdienstvolle Frau; aber sie war geleitet von dem humanen Impuls, einen vor kurzem noch Ausgestoßenen in seine Menschenwürde wiedereinzusetzen, wie es in Moabit begonnen worden war. Auch das ›Neue Wiener Tagblatt‹ hielt am 2. April eine Rückschau, die auf Mays Schlußwort in Moabit anspielt: »Und wie er nun hier auf dem Podium im Sophiensaale erschien, tatenbleich und fassungslos, und auf einmal den stürmischen Beifall vernahm, der ihm galt, ging ein freudiges Lächeln über sein Gesicht; und er konnte nachher auch gar nicht aufhören, von dem Glücksgefühl zu sprechen, mit dem ihn dieser Augenblick erfüllte, da er sah, daß man ihn, der sich in so schweren Leiden aus einem Abgrund emporgerungen, seine Jugend nicht entgelten ließ, sondern den in Arbeit alt gewordenen phantasievollen Erzähler in ihm ehrte.«64

Man darf wohl sagen, daß hier ein tragisches Leben einen versöhn-


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lichen Ausklang gefunden hat und daß an jenem 22. März der Wiederaufstieg Karl Mays begann. Eigentlich aber hatte er schon am 18. Dezember des Vorjahres in Moabit begonnen. Denn ohne das Königliche Landgericht und ohne den Kammervorsitzenden Ehrecke wäre es zu dem allen nicht gekommen. Die Annalen der Berliner Justizgeschichte haben diesem Tage bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt. Doch meine ich, er sei in einem Jahr, das der Feier Berlins gilt, eines Erinnerns wert.

*


Der vorstehende Text ist die wörtliche Wiedergabe eines Vortrages, den ich aus Anlaß der 750-Jahrfeier der Stadt Berlin auf Einladung der Berliner Juristischen Gesellschaft und des Berliner Senators für Justiz und Bundesangelegenheiten am 30. September 1981 im Plenarsaal des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin gehalten habe. Mein Beitrag war Bestandteil einer Vortragsreihe, die herausragenden Ereignissen der Berliner Justizgeschichte gewidmet war. Er ist - zusammen mit anderen Vorträgen - in dem Sammelband ›Rechtsentwicklungen in Berlin‹, 1988, S. 71-97, abgedruckt worden. Ich danke dem Verlage de Gruyter, Berlin-New York, für die Erlaubnis, ihn auch im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft wiederzugeben.


1 Eine zuverlässige Wiedergabe bietet Rudolf Beissel: »Und ich halte Herrn May für einen Dichter . . .« Erinnerungen an Karl Mays letzten Prozeß in Berlin. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1970. Hamburg 1970, S. 11-46. Ausführliche Prozeßberichte, die offenbar auf stenografischen Aufzeichnungen beruhen und bisweilen in mehreren Folgen - am 18., 19. und 20. 12. 1911 - erschienen sind, liegen mir aus nachstehenden Berliner Blättern vor: Vossische Zeitung, Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Berliner Lokal Anzeiger, Preußische Zeitung (Kreuz Zeitung), Berliner Börsen-Courier, Berliner Volks Zeitung, Vorwärts.

2 Der Kunstwart. 15. Jg. (1902) u. 23. Jg. (1907); Reprint in Bernhard Kosciuszko: Im Zentrum der May-Hetze - Die Kölnische Volkszeitung. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 10. Ubstadt 1985

3 Die einzige Ausnahme bildet Heinz Stoltes Dissertation: Der Volksschriftsteller Karl May. Radebeul 1936 (Reprint Bamberg 1979). Einige Rezensionen, die diese Schrift damals erfahren hat, sind im Jb-KMG 1987. Husum 1987, S. 245ff., abgedruckt; sie zeigen, wie wenig ernst man damals Karl May nahm.

4 Eine ins einzelne gehende, aber komprimierte Darstellung von Mays Leben gibt die Biographie, die ich für das Karl-May-Handbuch (Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 62-123) nach dem jüngsten Stande der Forschung verfaßt habe.

5 Karl May: Meine Beichte. In: Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Berlin-Charlottenburg 1910, S. 4-7 (4); auch in: Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34: »Ich«. Bamberg, 29. Auflg., 1975 (und Nachauflagen), S. 13-20

6 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IX: Winnetou der Rote Gentleman III. Freiburg 1893, S. 300

7 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIX: Im Reiche des silbernen Lowen IV. Freiburg 1903, S. 208

8 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 317; Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul. Der Band enthält S. 321-570 umfangreiche Erläuterungen des Herausgebers.


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9 Robert Müller: Nachruf auf Karl May. Fremden-Blatt, Wien, 3. 4. 1912. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 109

10 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 8, S. 320

11 Ebd., S. 318

12 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXV: Am Jenseits. Freiburg 1899, S. 1

13 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 8, S. 8

14 Ebd., S. 2

15 Ebd., S. 37

16 Ebd., S. 174

17 In der Donauzeitung Nr.3 des Jahres 1907. Nachdruck in: Schriften zu Karl May. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 2. Ubstadt 1975, S. 245f.

18 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXX: Und Friede auf Erden!. Freiburg 1904, S. 278

19 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XIX: Old Surehand III. Freiburg 1896. S. 128

20 Karl May's Gesammelte Werke Bd. 49: Lichte Höhen. Bamberg 1956 (viele Nachauflagen), S. 448

21 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909, S. 223

22 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXII: Ardistan und Dschinnistan II. Freiburg 1909, S. 633

23 Karl May: Auch »über den Wassern«. In: Jb-KMG 1976. Hamburg 1976, S. 239

24 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 8, S. 12

25 May: Meine Beichte, wie Anm. 5, S. 6

26 Nachweise bei Plaul, wie Anm. 8, S. 454f.

27 abgedruckt bei Lebius, wie Anm. 5, S. 265-268

28 Ebd., S. 269

29 Vgl. im einzelnen Plaul, wie Anm. 8. S. 469ff., Fußnote 317.

30 Lebius, wie Anm. 5 S. 321

31 Vossische Zeitung vom 18. 12. 1911, Abendausgabe

32 Friedrich-Wilhelm Kahl-Basel: Karl May, ein Verderber der deutschen Jugend. Ber lin 1908, S. 6

33 Man vergleiche nur die Aktendokumentation in Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 262ff.

34 in: Jb-KMG 1983. Husum 1983, S. 13ff.

35 Vgl. die Wiedergabe im Charlottenburger Urteil, abgedruckt bei Lebius, wie Anm. 5, S. 297.

36 In seinem Schriftsatz: An die 4. Strafkammer des Königl. Landgerichtes III in Berlin. Prozeßschriften Bd. 3. Hrsg. v. Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 114

37 Abgedruckt u. a. bei Lebius, wie Anm. 5, S. 296ff.

38 Ständige Rechtsprechung; zuletzt: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen. Bd. 25 (1974), S. 333ff. (335/336)

39 Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen. Bd. 11 (1958), S. 273ff.

40 Vgl. Schönke/Schröder/Lenckner: Strafgesetzbuch, Kommentar. 23/1988, § 193, Rdn. 27.

41 Lebius, wie Anm. 5, S. 298

42 Egon Erwin Kisch: Im Wigwam Old Shatterhands. In: Egon Erwin Kisch: Hetzjagd durch die Zeit. Frankfurt a. M. 1974, S. 32-54 (54)

43 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 8, S. 300

44 Kisch wie Anm. 42

45 Vgl. Anm. 36

46 nach der Berliner Volkszeitung, Abendausgabe vom 18. 12. 1911

47 Sie findet sich fast wörtlich übereinstimmend in: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung (Vossische Zeitung), 18. 12., Abendausgabe Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 20. 12.; Berliner Lokal Anzeiger. 18. 12., Abendausgabe.

48 In allen in Anm. 1 genannten Zeitungen außer dem Berliner Lokalanzeiger


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49 Außer den in Anm. 1 genannten Zeitungen wird auch die Nachschrift von Beissel, wie Anm. 1, S. 43f., herangezogen.

50 Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 179 (Diogenes Taschenbuch 112)

51 wiedergegeben in Jb-KMG 1970, S. 171

52 Vgl. dazu meine Darlegungen in Jb-KMG 1980. Hamburg 1980, S. 170ff.: Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 294ff.

53 wieder abgedruckt in: Jb-KMG 1970, S. 98ff.

54 Über den Verband vgl. näher Hans Wollschläger: Sieg - großer Sieg - - Karl May und der Akademische Verband für Literatur und Musik. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 92-97.

55 Vgl. Otto Basil: Georg Trakl in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1965, S. 37, 160 (rowohlts monographien 106).

56 Jb-KMG 1970, S. 79 (Neues Wiener Tagblatt vom 2. 4. 1912)

57 Jb-KMG 1970, S. 97

58 Über Mays Beziehungen zu Bertha von Suttner näher Hansotto Hatzig: Bertha von Suttner und Karl May. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 246-258 (das folgende Briefzitat S. 252)

59 in der Wiener ›Zeit‹ vom 5. April 1912; abgedruckt in Jb-KMG 1970, S. 80

60 abgedruckt in Jb-KMG 1970, S. 77

61 abgedruckt in Jb-KMG 1970 S. 73

62 Das gesamte Presse-Echo und alle Zitate sind der Dokumentation entnommen: Ekkehard Bartsch: Karl Mays Wiener Rede. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 47-80 (S. 70, 69, 77).

63 von Suttner, wie Anm. 59

64 wie Anm. 56





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