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RAINER JEGLIN

Karl May und der antisemitische Zeitgeist*



1. > D e r  B ö r s e n - u n d  G r ü n d u n g s s c h w i n d e l < -
1 8 7 4 :  d e r  Z e i t g e i s t  w e n d e t  s i c h

Als Karl May am 2. 5. 1874 aus dem Zuchthaus zu Waldheim entlassen wurde und sich gezwungen sah, nach gescheiterter Lehrerlaufbahn als Schriftsteller und Redakteur sich eine neue Existenz aufzubauen, erlebte das neugegründete deutsche Kaiserreich gerade einen tiefgreifenden Wandel des politischen und geistigen Klimas. Bis zum Herbst 1873 war die Öffentlichkeit erfaßt von der Reichsgründungseuphorie und einem wirtschaftlichen Optimismus, der sich in dem schier überschäumenden Boom 1867- 1873 manifestierte. Das Gründungs- und Spekulationsfieber hatte nicht nur Bourgeoisie und Adel gepackt, sondern auch weite Kreise des Mittelstandes; die Vorzüge des sich entfaltenden liberal-kapitalistischen Systems im obrigkeitsstaatlichen Gehäuse Hohenzollern-Preußens schienen nahezu jedermann evident, mithin auch liberale Wirtschaftsprinzipien wie Freihandel oder Gewerbefreiheit. Der Nationalliberalismus, jene parteipolitische Strömung des (noch) liberalen Bürgertums, auf das sich Bismarck zusammen mit der militärisch-aristokratischen Elite bei der Errichtung des Reiches bis 1879 stützte, hatte auf der politischen Bühne seine Konjunktur und bestimmte somit den >Zeitgeist<. Von dieser >liberalen Ära< profitierte unter anderem auch die jüdische Minderheit, denn die nahezu hundertjährige Debatte, die hohe Verwaltungsbeamte, Schriftsteller und Parlamentarier in der gebildeten und politisch interessierten Öffentlichkeit über die rechtliche Gleichstellung und >bürgerliche Verbesserung der Juden< (so Christian Wilhelm Dohm in seiner bahnbrechenden Schrift von 1781) führten, fand mit dem von den Nationalliberalen durchgesetzten Emanzipationsgesetz von 1869 beziehungsweise 1871 ihren politischen Abschluß. Diese nun endlich vollzogene >Emanzipation< der Juden, deren befremdliche Minderheiten- und Sonderexistenz am Rande der alten, vormodernen Gesellschaft schon lange zutreffend als das Ergebnis jahrhundertelanger Verfolgung, Ausbeutung

* Vortrag, gehalten am 8. 10. 1989 auf der 10. Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Augsburg.


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und Unterdrückung durch die christliche Mehrheit erkannt war, bildete dabei ein Element der notwendigen Modernisierung Deutschlands hin zu einer liberal-kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft, in der längerfristig weder Privilegien des Adels noch diskriminierende Sonderstatuten für Bürger etwa aufgrund des religiösen Bekenntnisses Platz haben konnten.

Schon während der Emanzipationsperiode und verstärkt nach der Reichsgründung, als keine Hindernisse in der Freizügigkeit mehr vorhanden waren, gelang es einem großen Teil der etwa 470000 Juden im Reich, die damals 1,2% der Gesamtbevölkerung ausmachten, in gesichertere Mittelschichtspositionen aufzusteigen. Anders als in Handwerk und Industrie, wo der Anteil der jüdischen Beschäftigten entweder unterrepräsentiert oder nur durchschnittlich blieb, fanden Juden vor allem in den Sektoren Handel und Verkehr ihre Existenzgrundlage, wobei ihnen die früher aufgezwungene Spezialisierung auf Handel und Kreditgeschäfte in dem ersten tiefgreifenden Kapitalisierungsschub gewisse Startvorteile verschaffte. Besonders auffällig waren die Aufstiegserfolge im akademischen Bereich; trotz weiter bestehender informeller Diskriminierungsschranken - Juden blieben vom diplomatischen Dienst, vom höheren Staatsdienst und vom Offizierskorps weitgehend ausgeschlossen - konnten Juden ihren Anteil an der Studentenschaft eindrucksvoll steigern. Sie wandten sich mit dieser Ausbildung dabei vermehrt den freien Berufen (Ärzte, Rechtsanwälte oder Journalisten) zu. Zusammenfassend wird man sagen können, daß zu Beginn des Kaiserreichs »die Mehrzahl der Juden, wahrscheinlich waren es nahezu zwei Drittel, zur wirtschafts- und bildungsbürgerlichen Oberschicht« zählte, daß also die jüdische Bevölkerung »bei der Verteilung des materiellen Wohlstands weit über dem Durchschnitt« lag und deshalb »in der bürgerlichen Klassengesellschaft des Deutschen Kaiserreichs eine deutlich herausgehobene Stellung« vorübergehend einnahm.(1)

Mit dem >Gründerkrach< von 1873, der die lang anhaltende >große Depression< einleitete und den Deutschen erstmalig die Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Produktionsweise vor Augen führte, waren nicht allein die liberal-kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien diskreditiert, sondern ebenso die politisch-sozialen Errungenschaften der >liberalen Ära<. Ständisch-traditionelle Schichten, vor allem der Mittelstand, sahen sich als Opfer der neuen Wirtschaftsfreiheit und fühlten sich bedroht von dem neuen Konkurrenzprinzip; und sie mußten häufig gleichzeitig ansehen, wie die vormals randständigen Juden den krisenhaften Prozeß besser meisterten. Diese neue Stimmungslage bildet


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den Hintergrund für den zunächst von verkrachten Journalisten vertretenen >modernen Antisemitismus<, der fortan den Zeitgeist im Kaiserreich wesentlich mitprägen sollte.

1874/75 erschien in der >Gartenlaube<, einem ansonsten gemäßigt konservativen bis liberalen Unterhaltungsblatt des Klein- und Bildungsbürgertums, das auch der angehende Schriftsteller May auf der Suche nach geeigneten literarischen Vorbildern wie Gerstäcker oder Möllhausen intensiv studiert haben dürfte, eine Artikelserie des dem katholischen Zentrum nahestehenden Journalisten Otto Glagau mit dem bezeichnenden Titel >Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin<; in ihr werden die Beschwerden des alten Mittelstandes (Handwerker, Kleinunternehmer, Gewerbetreibende, aber auch untere Beamte und Bauern) aufgegriffen und antisemitisch beantwortet: Jüdische Abgeordnete, vor allem bei den Nationalliberalen, hätten - so Glagau ­ Gesetze durchgesetzt, die Handel, Börse und Großunternehmen zum Schaden von Handwerk und Landwirtschaft förderten. Dieser >ökonomische Liberalismus<, der in der Begrifflichkeit Glagaus und seiner Zeitgenossen auch den Spitznamen >Manchestertum< erhielt, sei also das Werk der gerade emanzipierten Juden. Glagau formuliert dabei eine Liberalismus- und Kapitalismuskritik im antisemitischen Gewand, die typisch bleiben sollte bis hin zur antikapitalistischen Phraseologie der NSDAP:

»Das Judentum ist das angewandte, bis zum Extrem durchgeführte Manchestertum. Es kennt nur noch den Handel, und auch davon nur den Schacher und Wucher. Es arbeitet nicht selber, sondern läßt Andere für sich arbeiten, es handelt und spekuliert mit den Arbeits- und Geistesprodukten Anderer. Sein Zentrum ist die Börse (...) Als ein fremder Stamm steht es dem Deutschen Volk gegenüber und saugt ihm das Mark aus. Die soziale Frage ist wesentlich Gründer- und Judenfrage, alles übrige ist Schwindel.«(2)

Diese »Oberflächenkritik der Gesellschaft«(3) aus der Feder von obskuren Enthüllungsjournalisten wird »eine Angelegenheit der Politik und der politischen Strategie«,(4) als 1875 sowohl in der >Germania<, dem führenden Organ des politischen Katholizismus, als auch in der ultrakonservativ-reaktionären >Kreuzzeitung<, dem Sprachrohr der protestantischen Elite Preußens, antisemitische Artikelserien erschienen. In beiden fungiert der Antisemitismus als Agitationsmittel gegen den >jüdischen Liberalismus<, gegen die Modernisierung und Säkularisierung (Kulturkampf!) des neuen Staates. Mit diesen schrillen Polemiken bahnte sich Bismarcks innenpolitischer Kurswechsel an, nämlich dessen Abkehr vom Liberalismus zugunsten einer neuen konservativen Mehrheit im Rahmen der sogenannten >zweiten Reichsgründung<


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1878/79, die in wirtschaftlicher Hinsicht eine schwerindustriell-agrarische Interessengemeinschaft, ein Bündnis von >Rittergut und Hochofen<, mit einer Schutzzollpolitik auf Kosten der Mehrheit der Verbraucher und der liberal-freihändlerischen Export-Industrie bediente.

Mit der Gründung der >Christlich-sozialen Partei< im Jahre 1878 durch den Hofprediger (!) Adolf Stoecker wird erstmals der Antisemitismus breitenwirksames Kampfmittel und Programmpunkt einer politischen Partei. Wollte Stoecker ­ gemäß seinem herausragenden Amt ein preußisch-konservativer Monarchist - mit seiner Partei und ihrer antiliberal-antisemitischen Agitation ursprünglich die selbstbewußt werdende Arbeiterschaft vom Sozialismus abbringen und für den angeblich sozial-fürsorglichen christlichen Hohenzollernstaat zurückgewinnen und sie in ihn einbinden, so findet er, nachdem sich die Arbeiter gegenüber diesen konservativ-klerikalen Integrationsversuchen auf dem Rücken der jüdischen Minderheit resistent erwiesen hatten, schließlich im desorientierten Mittelstand und in Teilen des (protestantischen) Bildungsbürgertums seine Zielgruppe. Wie Glagau polemisiert Stoecker gegen den >Mammonismus< und >Materialismus< der Zeit und sieht sie ebenfalls als Resultate eines >jüdischen Liberalismus<. Auf der Grundlage von altchristlichen antijüdischen Ressentiments, gemischt mit nationalistischen Überzeugungen der Reichsgründungszeit, schlägt bereits Stoecker rassistische Töne an, die später von den sogenannten >Radau-Antisemiten< aufgegriffen und intensiviert werden. Stoecker geht es nämlich nicht mehr allein um eine Revision der Judenemanzipation, wenn von der »parasitischen Existenz« der Juden inmitten des christlich-deutschen Volkes die Rede ist:

»Das jüdische Trachten nach Gold und Geld, diese Gier nach Gewinn und Genuß (...), dieser jüdische Kampf gegen alles, was heilig und unverletzlich ist, gegen alle Hoheit und Majestät im Himmel und auf Erden, dieses jüdische Wesen ist ein Gifttropfen in dem Herzen unseres deutschen Volkes. Wenn wir gesunden wollen, wenn wir unsere deutsche Volkstümlichkeit festhalten wollen, müssen wir den giftigen Tropfen der Juden aus unserem Blut loswerden.«(5)

Stoeckers Stimmungsmache erreichte in den Jahren 1879 bis 1881 ihren Höhepunkt. Sie erfaßte endgültig das gehobene Bildungsbürgertum. So machte Heinrich Treitschke, der renommierte Historiker und Publizist, antisemitische Ressentiments in höchsten Kreisen des Reiches salonfähig. Ursprünglich ein Parteigänger der Nationalliberalen, befürwortete Treitschke zwar (noch) die Judenemanzipation, doch folgt er dem neuen Zeitgeist, wenn er alle Krisen und Probleme des modernen Deutschlands außer den von ihm besonders gefürchteten und be-


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kämpften Sozialdemokraten der jüdischen Minderheit anlastet, die sich nach seiner Auffassung der völligen Assimilation widersetzen und somit den neuen Nationalstaat gefährden; sein berühmt-berüchtigter Artikel vom November 1879 in den >Preußischen Jahrbüchern< faßt noch einmal den Zeitgeist, akademisch-gemäßigt formuliert, doch wünschenswert klar zusammen:

Der »Instinkt der Massen hat in der That eine schwere Gefahr, einen hochbedenklichen Schaden des neuen deutschen Lebens richtig erkannt (...). Über unsere Ostgrenze (...) dringt Jahr für Jahr aus der unerschöpflichen polnischen Wiege eine Schaar strebsamer hosenverkaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen sollen; die Einwanderung wächst zusehends und immer ernster wird die Frage, wie wir dies fremde Volksthum mit dem unseren verschmelzen können (...) Unbestreitbar hat das Semitentum an dem Lug und Trug, an der frechen Gier des Gründer-Unwesens einen großen Antheil, eine schwere Mitschuld an jenem schnöden Materialismus unserer Tage, der jede Arbeit nur noch als Geschäft betrachtet und die alte gemüthliche [!] Arbeitsfreudigkeit unseres Volkes zu ersticken droht; in tausend deutschen Dörfern sitzt der Jude, der seine Nachbarn wuchernd auskauft. Unter den führenden Männern der Kunst und Wissenschaft ist die Zahl der Juden nicht sehr groß; umso stärker die betriebsame Schaar der semitischen Talente dritten Ranges (...) Am gefährlichsten aber wirkt das unbillige Uebergewicht des Judenthums in der Tagespresse (...) Bis in die Kreise der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuths mit Abscheu von sich weisen, ertönt es heute wie aus einem Munde: die Juden sind unserer Unglück!«(6)

Zwar blieb diese von Treitschke losgetretene Mine im akademischen Bereich nicht unwidersprochen und entfachte damals bereits einen >Historikerstreit<, doch zeigt dieser Artikel ­ deutlicher vielleicht als die grobschlächtige Hetze der Radau-Antisemiten -, wie radikal sich das politisch-geistige Klima innerhalb von sechs Jahren gewandelt hat, wenn ein Befürworter der Emanzipation sich veranlaßt sieht, für seine politisch-publizistischen Zwecke die antisemitischen Ressentiments zu verwenden. Daß er mit der wirkungsmächtigen Floskel »Die Juden sind unser Unglück« eine Propagandaformel der NS-Ideologie schuf, sei hier nur am Rande erwähnt.

Vor allem auf Berlins Straßen und in den Parteilokalen schwoll unterdessen die antisemitische Bewegung an. Ende des Jahres 1880 kam es zu regelrechten Radauszenen, in denen organisierte Banden >Juden raus!< riefen, Geschäfte und Lokale demolierten und angeblich >jüdisch aussehende< Passanten drangsalierten. Gleichzeitig war eine Unterschriftensammlung im Gange; Ziel dieser >Antisemitenpetition< war »die Emanzipation [!] des deutschen Volkes von einer Art Fremdherr-


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schaft«,(7) verlangt wurde darin das Verbot, zumindest aber die Einschränkung der Immigration ausländischer Juden, der Ausschluß der Juden von allen Regierungsstellen, die beschränkte Zulassung von Juden bei Gerichten, in den Schulen usw. Mit über 200000 (!) Unterschriften wurde diese Petition Bismarck überreicht.

Auch wenn danach der parteipolitische Antisemitismus u. a. auf grund der verbesserten konjunkturellen Entwicklungen seinen ersten Zenit überschritten hatte, konnte von einem Nachlassen der antijüdischen Stimmung im Reich keine Rede sein. Jenseits der parteipolitischen Schwankungen sorgte die hier skizzierte Entwicklung dafür, daß antisemitische Einstellungen in den achtziger Jahren nachhaltig in Verbände und Vereine drangen und dort das politische Alltagsbewußtsein weiter Bevölkerungskreise prägten.

2. M a y s  p h i l o s e m i t i s c h e r  E i n s t a n d  ( 1 8 7 5  -  1 8 7 8 )

Bereits ein Jahr nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus mußte sich der Redakteur May in dem Münchmeyer-Blatt >Schacht und Hütte<, das der >Unterhaltung und Belehrung für Berg-, Hütten- und Maschinenarbeiter< (so im Untertitel) dienen sollte, mit den genannten Krisensymptomen auseinandersetzen. Der Artikel >Ein jetzt Vielgenannter<, der das Leben, den Aufstieg und Sturz des Kapitalisten und Spekulanten Strousberg erzählt, ist vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte bemerkenswert.

Bethel Henry Strousberg (1823 - 1884), den die >Gartenlaube< beziehungsweise Glagau bevorzugt nach dessen abgelegten jüdischen Vornamen Baruch Hirsch in denunziatorischer Absicht nannte, war bis zum Börsenkrach 1873/74 eine in der bürgerlich-liberalen Presse gefeierte, prototypische >Gründerpersönlichkeit<. Seinen vorübergehend gewaltigen Reichtum erwarb er sich vornehmlich auf der Grundlage privater Eisenbahnspekulation. Nach 1873/74 wurde in dem nun notwendigen »Selbstreinigungsprozeß der Gründer-Bourgeoisie«(8) Strousberg zur Unperson und mußte als öffentlicher Sündenbock herhalten. Besonders aber für Glagaus populäre Abrechnung mit dem >Geld- und Börsenjudentum< avancierte er zum Negativ-Star.

Es hätte nun durchaus nahegelegen, daß der Anfänger May mit seiner neuen Zeitschrift der beliebt gewordenen Personalisierung der kapitalistischen Krise gefolgt wäre, zumal >Schacht und Hütte< darauf angelegt war, die >Belehrung< der Arbeiterschaft über die Ursachen ihres Klassenschicksals nicht zu weit zu treiben, wie etwa der beschwichtigend-verschleiernde Artikel über den angeblich zu Unrecht verteufel-


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ten Kapitalisten dokumentiert (diese >Verteidigung eines Vielverkannten< erschien gleich in der ersten Nummer!). Zwar spricht May in dem Strousberg-Artikel ebenfalls die Namensänderung an und unterstellt gemäß den gängigen Stereotypen eine besondere Geschäftstüchtigkeit des getauften Juden, was indessen folgt, ist die Lebensgeschichte des >Tycoon< ohne Häme oder antisemitische Polemik. Vor allem Strousbergs arme Kindheit und Jugend in der ostpreußischen Provinz wird voller Sympathie nachgezeichnet. Die Verarmung des Vaters zwang zum Abbruch der angestrebten gymnasialen Schulbildung, so daß Strousberg als jugendlicher Autodidakt sich die erforderlichen Kenntnisse für die weitere Handelslaufbahn aneignen mußte. In Formulierungen, wie: Manche Nacht durchwachte er bei dem trüben Schein des Oellämpchens und studirte Sprachen, Geschichte, Geographie,(9) läßt sich unschwer erkennen, daß May in der Biographie dieses Selfmademans sein eigenes Schicksal zumindest teilweise gespiegelt sah und deshalb den Aufstieg Strousbergs mit einem gewissen Mit-Leiden beschrieb.

Bemerkenswerter jedoch sind die - wie bereits Stolte hervorgehoben hat(10) - ausgesprochen philosemitisch gehaltenen Passagen über den Vater. Dieser sei ­ so May - ein frommer und rechtschaffener Jude gewesen, den man entgegen dem Vorurteil nicht für einen gewöhnlichen Schacherer halten durfte, denn als positiver Jude war Vater Strousberg einer der Gebildetsten am Ort, der für unsere Classiker, insbesondere Lessings Nathan den Weisen, schwärmte und als guter Patriot tapfer gegen Napoleon mitgefochten hatte.(11) Entspricht das lobende Hervorheben der Bildungsanstrengungen, der Bemühungen also, deutsche Kultur sich anzueignen, den gängigen Erwartungen und Hoffnungen liberaler Emanzipationsbefürworter (daß nämlich die jüdische Minderheit sich allmählich assimiliere und dadurch verschwinde), so erweist sich May in diesem frühen Aufsatz in den freundlichen Bemerkungen über die nach wie vor bestehende jüdische Frömmigkeit des Vaters als besonders tolerant, denn die jüdische Religiosität erscheint hier eben nicht als etwas Fremdes, gar Abstoßendes oder zu Überwindendes wie bei vielen Liberalen der Emanzipationsdebatte, sondern als legitim-selbstverständliche Haltung des Vaters.

Auch Mays erster Versuch auf dem Gebiet des Romans, nämlich >Der beiden Quitzows letzte Fahrten<, der ein Geschichtsbild aus der Jugendzeit des Hauses Hohenzollern mit den Mitteln und Requisiten des trivialen Ritterromans darbieten will, widerspricht (noch) völlig dem sich parallel entwickelnden, neuen antisemitischen Zeitgeist und erweist sich ebenfalls in seinen philosemitischen Tendenzen 1876/77


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auf angenehme Weise als >anachronistisch<;(12) dieser Text ist nämlich noch gänzlich geprägt vom Geist der (national-)liberalen Ära der Gründerzeit. Deshalb werden die heroischen Taten der angeblichen Vorfahren des Reichskanzlers Bismarck und der Grafen Moltke im Kampf gegen die altadligen Raubritter als erste notwendige Schritte zur modernen deutschen Staatlichkeit gefeiert. Auf der Seite des damals allgemein so definierten preußisch-nationalen Fortschritts befinden sich im Roman die beiden jüdischen Kaufleute Aron Itzig und Veit Schmuel aus Gardelegen. Als brave Händlernaturen geht ihnen zwar die heroische Attitüde ab, doch gehören sie so sehr zum positiven Romanpersonal, daß ihnen von den Helden gegen die Raubritter - in seltsamer Analogie zu Bismarcks zeitgenössischem Eintreten für seinen jüdischen Bankier Bleichröder - geholfen wird: »Herr Henning von Bismarck ist gekommen, zu gedenken der Kinder Juda...«(13) Im Sinne des Kulturkampfes und der von May hier noch hochgehaltenen liberalen Zeit wird mit der Figur des Burgkaplans Eusebius, der als Spion der Räuber tätig ist und zudem Itzigs schöne Tochter zum Christentum bekehren und dabei verführen will, gegen klerikal-antijüdische Einstellungen polemisiert. Der Mut der Tochter, sich dem Werben-Drohen zu widersetzen und dem Glauben ihrer Väter treu zu bleiben, wird durch eine May-typische Befreiungstat belohnt. Religion ­ so das implizite Fazit dieser merkwürdigen Romanszene(14) - ist und bleibt Privatsache.

Das hier zum erstenmal bei May angedeutete Motiv der schönen jüdischen Tochter, die ihrem Vater geraubt wird, findet seine erste orientalische Entfaltung in der 1878 veröffentlichten Erzählung >Die Rose von Sokna<. Der jüdische Händler Manasse Ben Aharab entspricht zwar in seinem ausgeprägteren Geldstreben dem Judenstereotyp, doch seine Klage über die geraubte Rahel - jung wie Sulamith, schön wie Bathseba und stolz wie Judith(15) - ist nicht nur fast wortgleich mit Itzigs Tochter-Beschwörungen, vielmehr adelt solche Vaterliebe die Figur, so daß der Ich-Held schließlich Rahel rettet.

3. J u d e n s t e r e o t y p e n  w ä h r e n d  d e r  K o l p o r t a g e z e i t
( 1 8 8 3  -  1 8 8 5 )

Auf dem Höhepunkt der noch weitgehend vom konservativ-christlichen Stoecker bestimmten antisemitischen >Berliner Bewegung< organisierte sich ebenfalls erstmals parteipolitisch der völkisch-rassistische Radikal- oder Radauantisemitismus, dessen Ideologie später wesentlich Hitler und seine NSDAP prägen sollten. Unter Rückgriff auf diverse >Rassetheorien< und sozialdarwinistische Gedankengebäude radika-


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lisierten und biologisierten politisch engagierte Vertreter der bildungsbürgerlichen Mittelschicht (wie der Bibliothekar Otto Boeckel oder der Jounalist Wilhelm Marr, von dem der Begriff >Antisemitismus< 1879 geschaffen sein soll) den Kampf gegen die jüdische Minderheit und wußten damit zeitweise so wie Stoecker die von der Krise und möglicher Deklassierung bedrohten (unteren) Mittelschichten anzusprechen und deren Ängste und Sorgen auf die Juden als angebliche Verursacher aller Beschwernis zu lenken. Zwei Gedankenfiguren u. a. machten diese eher plebejische Spielart des Antisemitismus in Deutschland sehr populär: einerseits die Biologisierung der (ur-)alten antijüdischen Ressentiments (dem >parasitären< Juden liegen >Schacher<, >Wucher< und >Geldgier<, aber auch perverse sexuelle Gelüste >im Blute<; da hilft auch keine christliche Taufe mehr) und andererseits die paranoide Vorstellung von einer jüdischen Weltverschwörung (die u. a. Mays Kolportage-Kollege Retcliffe mit den fingierten >Protokollen der Weisen von Zion< in die Welt setzte), also die Wahnidee, das verstreute jüdische Volk würde die seßhaft-redlichen >Wirtsvölker< durch raffgierige, verbrecherische Geschäfts- und Spekulationspraktiken >aussaugen< (die Methoden können dabei kapitalistisch oder gegenteilig auch anarchistisch-sozialistisch sein). Der völkische Antisemitismus wanderte in den Jahren 1882 bis 1890 nach dem Abebben der >Berliner Bewegung< in die Provinz. Neben Hessen war Sachsen eine Hochburg dieser Strömung, so daß auch May etwas davon bemerkt haben dürfte, zumal in Dresden vom 10. bis 12. September 1882 ein >Erster internationaler antijüdischer Kongreß< stattfand.

Vor diesem Hintergrund muß Mays Rückgriff auf jüdische Stereotypen im >Verlorenen Sohn< (1883 -85) sowie im Fragment >Ulane und Zouave< aus dem zeitgleichen Erstdruck der >Liebe des Ulanen< erklärt und beurteilt werden. Gemessen an Mays judenfreundlichem Einstand erfahren die Figuren Judith und Salomon Levi einerseits und Baruch Silberglanz andererseits zwar eine deutlich negativere Profilierung, doch folgt diese, wie zu zeigen sein wird, kaum den 1883/85 modern ge- wordenen antisemitischen Vorurteilen und Ideologiebildungen.

Die Forschung hat dem >Verlorenen Sohn< wie auch den anderen Lieferungsromanen Mays zutreffend eine >ohnmächtige Sozialkritik< bescheinigt, die neben dem offenkundigen Unvermögen des phantasierenden Schriftstellers, die Ursachen der ihn umgebenden sozialen Wirklichkeit zu erkennen, auch eine Erbschaft der damals etwa vierzigjährigen Literaturtradition darstellt, die May hemmungslos kopierte: in der Manier der Geheimnis- und Misereromane von Eugène Sue und Alexandre Dumas(16) schildert May bekanntlich in grellen Farben die


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Auswirkungen der kapitalistischen Ökonomie auf die Menschen und greift damit ein im nach- und aufholenden Deutschland noch sehr brisantes Thema für die unterprivilegierte Kolportage-Kundschaft auf.

Gemäß den Erfordernissen der Trivialliteratur, dem Leser geistige Entlastung zu verschaffen und deshalb sich dessen Alltagsbewußtsein mit Hilfe von Klischees und Stereotypen anzupassen, gemäß dem daraus abgeleiteten Prinzip der Evidenz(17) ­ etwa der Personifizierung und

Moralisierung komplexer gesellschaftlicher Prozesse - erscheint in dem Roman das Elend (und dies zeigt vorrangig Mays Grenzen der Sozialkritik!) als das Resultat finsterer Machenschaften einer verschworenen Geheim- und Verbrecherclique. Diese Bösewichte frönen dem bourgeoisen Prinzip der ökonomischen Selbstverwirklichung in krimineller Gestalt. Geld fungiert auf dieser finsteren Seite des Kolportage-Kosmos »als Triebobjekt« »in der Doppelform von Besitzgier« und »(sexueller) Lüsternheit«.(18) Demgegenüber verwendet der Heilsbringer sein nicht durch Ausbeutung erworbenes Geld zu allgemeinen sozialen Wohltaten. Diese durchweg paternalistische Lösung des Elendsproblems markiert den eher sozialkonservativen Unterstrom der Misereliteratur bei Sue ebenso wie bei May: So geschieht »im Roman zwar vieles für das Volk, aber nicht durch das Volk; an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen darf jedenfalls nicht gerüttelt werden«; die Eingriffe der Helden und Rächer der Enterbten »sind immer nur kompensierend (.. .) Sie verschaffen dem Betroffenen, was ihm eigentlich zukommt, aber nie über dessen ursprüngliche Verhältnisse hinaus.«(19) Wenngleich demzufolge literarische Vorbilder und Vorlagen wesentlich für Mays märchenhaft-regressive Sozialphilosophie verantwortlich zu machen sind, darf andererseits nicht vernachlässigt werden, daß auch zeitgenössische Tendenzen der konservativ-reaktionären Materialismuskritik in die Lieferungsromane eingegangen sind. Der von May hervorgehobene Doppelcharakter des Geldes - auf der Seite der Bösen dessen moralisch und sozial negative, auf der Seite des Guten dessen positive, heilsbringende Funktion - folgt der seit dem Börsenkrach modisch gewordenen Unterscheidung zwischen >schaffendem< und >raffendem< Kapital: »Der Held und sein Gegenspieler können zumindest partiell als Verkörperungen jeweils einer dieser Kapitalfunktionen aufgefaßt werden.«(20)

May befindet sich damit in einer durchaus bedenklichen Nähe zu sozialdemagogischen Argumentationsmustern des modernen Antisemitismus, der ja in seiner moralisierenden Geld- und Kapitalismuskritik nicht müde wurde, über Juden zu betonen, >sie schaffen nichts und sie verderben alles!<, und gleichzeitig von der >schaffenden Hand< des


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deutschen Handwerks sowie der biederen deutschen Kaufmannschaft und dem >raffenden< Kapital jüdischer Kreditgeber und Spekulanten zu reden. Nahe ist May solchen verführerisch einfachen Weltbildern auch insofern, als das Prinzip der Evidenz und der Personalisierung in der Kolportage im Grunde das gleiche Verfahren ist, das Glagau und seine Nachfolger anwenden, wenn der Gründerkrach auf >jüdischen Schwindel< zurückgeführt wird, den es zu enthüllen gilt; deshalb, wäre May dem damaligen Zeitgeist konsequenter gefolgt und hätte er die schon verfügbare reaktionäre Weltverschwörungstheorie seines Kollegen Retcliffe beherzigt, hätten Juden im >Verlorenen Sohn< eine wesentlich prominentere Negativ-Rolle spielen müssen. Daß May dieser Versuchung dennoch nicht erliegt, sondern bei ihm aufgeklärt-liberale Grundüberzeugungen überwintert haben, zeigt die personelle Zuordnung von Gut und Böse in seinem Elendsroman, denn das Verbrechen wird von dem altadligen Erbschleicher Franz von Helfenstein angeführt, was als Rudiment bürgerlich-liberaler Adelskritik angesehen werden darf. Demgegenüber tritt der positive Gegenheld zunächst ­ bevor die Hofintrige sein Leben vorübergehend zerstört ­ als tüchtiger und aufstiegsorientierter (Klein-)Bürger auf.

Zwar erweisen sich der jüdische Pfandleiher, Trödler und Schmuckhändler Salomon Levi sowie dessen Frau Rebekka und Tochter Judith in der Handlungskonstruktion als mittelbare Helfershelfer des Bösen, doch ihre Aufgaben innerhalb des kriminellen Geheimbundes sind völlig untergeordnet und peripher. Salomon, das geschäftstüchtige Familienoberhaupt, nimmt meist nicht aktiv teil an den trüben Unternehmungen, sondern wird oft dazu gezwungen oder erpreßt, obgleich sein Beruf, das geldgierige Gehabe, der Schachergeist, alles in allem seine materialistische Borniertheit als typisch >jüdisch< gekennzeichnet (und diffamiert) werden. Salomon repräsentiert (vielleicht mit Ausnahme derjenigen Episode, in der er selbstbewußt und vertrauend auf das moderne Geld- und Leistungsprinzip den im alten Standesdünkel verharrenden Leutnant von Scharfenberg wegen dessen Schulden in Bedrängnis bringt(21)) keineswegs die liberal-kapitalistische Moderne: Beruf, sozialer (Rand-)Status und die vom Autor betonten Verhaltensmerkmale zeigen, daß er keinem assimilierten >Finanz- und Börsenjuden<, also keinem >cravat jew<, sondern eher einem >caftan jew<(22) aus vormoderner Zeit entsprechen soll.

Das hierbei von May in Rudimenten ausgenutzte Bild vom Schacher und Wucherjuden weist eine lange christlich-abendländische Tradition auf und drang mit Hilfe von Sagen, Legenden, Volksbüchern, Karikaturen, Moritaten und schließlich Trivialromanen in die kollektiven


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Mentalitäten ein. Seit dem 17., spätestens jedoch seit dem 18. Jahrhundert lag damit ein vielschichtiges Judenstereotyp vor, das sich einerseits aus den paranoiden Vorurteilen der christlichen Mehrheit und andererseits aus partiellen Realerfahrungen mit jüdischen Existenzformen, die in Deutschland besonders lange überdauerten, speiste. Hauptsächlich vier Elemente prägen dieses Stereotyp:

a) Die beengte und bedrückende Ghettosituation der Juden im christlichen Ständestaat sowie die haarsträubenden hygienisch-sanitären Verhältnisse in diesen Bezirken kondensierten sich in dem Topos vom >schmutzigen Juden<, wie er noch in allerdings erheblicher Abschwächung auch bei Salomon aufscheint, der mit wenigen Ausnahmen in abgeschabter Kleidung herumläuft.(23)

b) Innerhalb der festgefügten Ständegesellschaft waren die meisten randständigen Juden gezwungen, als Betteljuden und Trödler über Land zu ziehen, woraus die Vorstellung von einer spezifisch >jüdischen Händlernatur< ihre Nahrung bezog, was sich in Salomons Wesen und Beruf deutlich wiedererkennen läßt.

c)'Ebenfalls als eine Folge der mobileren Lebensform darf das Vorurteil von der >jüdischen Unrast< erklärt werden. Die Volkslegende über den ewig wandernden und vergeblich nach Erlösung suchenden Juden Ahasver, der Christus auf dem Kreuzweg verhöhnte und darum umherirren muß, gehört hierzu ebenso. Das Ahasver-Motiv fand nach Schubart und Goethe im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine weite Verbreitung (zu denken ist etwa an Sues >Le Juif errant<), allerdings vor allem in der Erweiterung und Wandlung zu einem »Gleichnis für eine arbeitsame und leidende Menschheit«,(24) von dem sich auch May im hohen Alter fasziniert zeigte.

d) Die altchristliche Legende vom Antichristen schließlich wird im Verlauf des 18. Jahrhunderts, als eine kleine Gruppe von Juden sich zu Hoffaktoren an absolutistischen Fürstenhöfen etablieren konnte (bekanntestes Beispiel ist Joseph Süß Oppenheimer in Württemberg), erweitert und säkularisiert zum modernen Mythos von der Herrschaft des Finanzjudentums.

Von den hier kurz erläuterten Elementen des Judenstereotyps weist Salomon Levi lediglich die beiden ältesten und gängigsten Klischees auf, so daß, wie bereits vermerkt, diese Figur 1883/85 wie ein Relikt vergangener Zeit erscheint, was May zudem sprachlich-stilistisch dadurch zu unterstreichen sucht, daß Salomon ein dem Hochdeutsch angenähertes Pseudojiddisch spricht, was wohl dem >jüdischen Gemauschel< nachempfunden sein soll.

Modernisieren und assimilieren soll diese jüdische Familie nach dem


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Wunsch des Vaters dessen Tochter Judith; »... einzige Erbin von Salomon Levi wird einst erhalten eine Million. Sie soll haben Geist und Bildung, um zu heirathen einen Grafen, und zu erfreuen mit Stolz das Herz ihres Vaters!«.(25) Gemäß dem Ziel, mit Hilfe der Tochter sich von der ungeliebten jüdischen Randexistenz zu befreien, erscheint Judith (wie alle jüdischen Töchter bei May) in wesentlichen Aspekten zunächst emanzipierter und assimilierter. Sie ist beherzter und scharfsinniger als ihre Eltern, ist ein willensstarkes, kräftiges Mädchen,(26) spricht außerhalb der Familie selbstverständlich Hochdeutsch, schwärmt für deutsche Dichter, versucht sogar selbst zu dichten, eignet sich also tätig und voller Hingabe deutsche Kultur an, ganz wie es liberale Emanzipationsbefürworter sich vorgestellt haben.

Doch so vorbehaltlos positiv und unproblematisch wie etwa noch in den siebziger Jahren sieht May diese Emanzipationsversuche 1883/85 nicht mehr. So ironisiert er die Anpassungs- und Aufstiegsbemühungen nicht allein in der närrisch-bornierten Tochtervergötzung des Vaters, vielmehr läßt er Judith in der tragisch-traurigen und unerwiderten Liebe zu dem Dichter Robert, einem Nebenhelden mit autobiographischen Anklängen, scheitern, weil Judith trotz aller Anstrengungen ihre orientalische Herkunft nicht verbergen und zügeln kann (so bescheinigt auch Robert Judith, ihre Gedichte seien nichts wert und stilisiert und degradiert sie damit zur bloßen Schönheit).(27) Robert entscheidet sich deshalb in seinem Zwiespalt mit der Damenwelt für die brave Tochter der Aristokratie Fanny von Hellenbach (und bewerkstelligt so seinen sozialen Aufstieg) und gegen die vulkanische Gluth der schönen Jüdin, welche Schlacken und Asche mit sich führt.(28) Als echte Tochter des Orients(29) und somit als exotische Staffage paßt sie mit ihrer Erotik, ihrer übergroßen Liebe und ihrem wilden Haß nicht in die regulierte deutsche Affektwelt, so daß ihr vom Autor nur ein paar mitleidige Worte nachgeschickt werden können.(30)

May bedient sich in der Schilderung dieser schönen Jüdin zweier Figurentypen aus der literarischen Tradition, die im 19. Jahrhundert längst in den trivialsten Verdünnungen auch für die Kolportage bereitlagen:

a) In der erotisch-sinnlichen Schönheit dieser femme fatale ist der Zauber der biblischen Rahel, aber auch der gleichnamigen Jüdin von Toledo noch sichtbar (die letztere verdrehte bekanntlich dem spanischen König Alfons VIII. sieben Jahre lang den Kopf, bis sie von Granden zur >Errettung< der spanischen Christenheit umgebracht wurde); und

b) in der handgreiflichen Rach- und Eifersucht gleicht Judith ihrer alttestamentlichen Namensgeberin, der Mörderin des Holofernes und


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Retterin ihrer Heimath, wobei May aber eher an Hebbels Version des alten Stoffes gedacht haben dürfte, in der die Ermordung des Tyrannen weniger patriotischen Beweggründen folgt als den verletzten Gefühlen einer verschmähten Frau.(31)

Sind die Juden in Mays Kolportage auf dem nicht-materiellen Weg der Assimilation durch Bildungsanstrengungen (noch der assimilierte Bankier von Hamberger im >Weg zum Glück< wird darin bespöttelt!), durch Liebe und durch Einheirat nicht erfolgreich, so bleibt ihnen nur der materielle, wie ihn in dem zum Themenkreis des >Verlorenen Sohnes< gehörenden >Zouave-Fragment< der Pfandleiher Baruch Silberglanz beschreibt: Wir durften nicht Bürger werden; wir durften kein Haus, kein Feld, kein Stückchen Landes kaufen... Da blieb uns nur der Handel offen... wir hungerten, aber wir arbeiteten und sparten... Man sperrte uns in besondere Gassen, uns, den Abschaum der Gesellschaft; wir aber hatten in unseren Truhen Gold und Silber... Die Macht des Goldes erzwang [!] uns endlich Gleichberechtigung [!], und nun konnten wir den offenen Kampf beginnen ...(32) Bemerkenswert ist zunächst, daß May hier eine weitgehend zutreffende Begründung dafür liefert, weshalb Juden vor ihrer rechtlichen Gleichstellung in ihren Berufsmöglichkeiten vielfach auf Handel und Geldgeschäfte notgezwungen beschränkt waren; doch schätzt der Kolportage-Autor die Emanzipation durch Geld eher negativ ein, denn Baruch (Strousbergs bekannter Vorname findet hier wieder Verwendung!) nutzt es dazu, Nichtjuden in Abhängigkeit und Ruin zu treiben, um sich für erlittene Diskriminierung zu rächen. Zwar wird mit dem sozialgeschichtlichen Hinweis auf die alten Lebensumstände der Juden Baruchs Handlungsweise hinlänglich motiviert, aber es zeigt sich darin in abgeschwächter Form auch, daß May der Mythos von der Herrschaft des Finanzjudentums durchaus geläufig war.

Die im Vergleich zum eindeutiger philosemitisch gehaltenen literarischen Anfang Mays problematischeren Judenfiguren der Lieferungsromane sind einerseits wohl eine ungewollte Konsequenz der insgesamt judenfeindlicheren Zeitströmungen und -umstände, deren sich May zu erwehren hatte, andererseits sind sie bedingt aus der Tatsache, daß der überlastete Viel- und Lohnschreiber ohne nennenswerte Überlegung auf überkommene Judenstereotypen der Volks- und Trivialliteratur zurückzugreifen genötigt war.


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4. J u d e n f i g u r e n  i n  d e n  R e i s e e r z ä h l u n g e n  d e r n e u n z i g e r  J a h r e

Bedeutsame Judenfiguren finden sich danach rund zehn Jahre später einzig in dem Reiseroman >Satan und Ischariot< (geschrieben 1891 - 92; erstmalige Zeitschriftenveröffentlichung 1893 - 95) sowie in der Erzählung >Eine Befreiung< (1894), die eine erhebliche qualitativ-inhaltliche Erweiterung und Veränderung der hier schon kurz angesprochenen >Rose von Sokna< darstellt. Der nahezu zeitgleiche Entwurf jüdischer Figuren folgt dabei sehr unterschiedlicher Tendenz.(33) Orientiert sich May in der Orientgeschichte an der judenfreundlichen Haltung seines literarischen Einstands, ja intensiviert sie noch, so bedeutet das jüdische Vater-Tochter-Gespann Jakob und Judith Silberstein eine Wiederholung und Fortführung der Figuration aus dem >Verlorenen Sohn<, nun allerdings in deutlich antijüdischer Ausrichtung.

Diese Ambivalenz ist mit Bezug sowohl auf den Zeitkontext der neunziger Jahre als auch auf den neuen Adressatenkreis der Reiseerzählungen ein erklärungsbedürftiges Phänomen. 1890 bis 1894 war ja nicht allein die Zeit der größeren Wahlerfolge der völkisch-radikalen Antisemitenparteien. Wichtiger ist für diese Phase der politischen Kultur im Wilhelminismus der Umstand, daß ab etwa 1881 der Antisemitismus eine tragende Ideologie bedeutender Verbände und Interessengruppen im Kaiserreich wurde. Zu nennen sind hier nur der bekannte >Kyffhäuserverband< (1881) und die zahlreichen Studentenverbindungen, die dafür sorgten, daß weite Teile des Bildungsbürgertums bis hin zur Wandervogel- und Jugendbewegung der Jahrhundertwende nachhaltig erfaßt wurden. Aber auch das Handwerk, die Angestellten und die Landwirtschaft(34) verfolgten in und mit ihren Großverbänden mittlerweile einen oft militanten Antisemitismus, so daß die Facetten der völkischen Ideologie »die geistige Welt der herrschenden Kultur der Zeit« bestimmten, also den »Zusammenhang von Gedanken, Assoziationen und Emotionen, in denen sich alle, die >dazugehören< wollten, bewegten, vom Adel über alle Schichten des Bürgertums bis hin zu den proletarisierten Handwerkern und Kleinhändlern.«(35) Einzig die Großgruppe der sozialdemokratisch orientierten Arbeiterschaft erwies sich als immun gegenüber dem antisemitischen Zeitgeist.

Mit Blick auf die im Vergleich zur Kolportage gehobenere, teils kleinbürgerliche, teils bildungsbürgerliche Leserschaft des >Deutschen Hausschatzes< beziehungsweise der Fehsenfeld-Ausgaben ist aber nicht allein dieser Zeitgeist bei der Erläuterung der Judenfiguren in >Satan und Ischariot< zu bedenken, sondern ebensosehr sind Vorbilder


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aus dem Bereich der gutbürgerlichen >Hochliteratur< anzuführen, wie sie vor allem in den beiden überaus erfolgreichen Bildungs- und Entwicklungsromanen >Soll und Haben< (1855) von Gustav Freytag und >Der Hungerpastor< (1864) von Wilhelm Raabe gegeben sind. Beide Autoren waren bekanntlich keine Antisemiten, sondern Befürworter des liberalen Emanzipationskonzepts. Trotzdem greifen sie noch während dieser liberalen Debatte auf antisemitische Stereotypen zurück. In dem Bemühen, die überlegene moralisch-geistige Qualität der aufstrebenden Bourgeoisie beziehungsweise des Bildungsbürgertums während des Gründungsprozesses des deutschen Nationalstaates zu veranschaulichen, werden in den Romanen jeweils zwei Lebensläufe, der eines >Deutschen< und der eines jüdischen Emporkömmlings, kontrastierend erzählt, wobei der konkurrierende Jude in seiner Wurzellosigkeit, Habgier und seinem Hang zu Betrug und Skrupellosigkeit zu diesem frühen historischen Zeitpunkt schon zu einem Zerrbild der Moderne avancierte. Die antisemitische Rezeptionsmöglichkeit dieser Romane ist dadurch gegeben, daß aufgrund der in ihnen entworfenen dualistischen Welt- und Personensymbolik Leser, die tatsächlich oder nur in ihrer Einbildung unter der sozioökomonischen Instabilität der Moderne zu leiden hatten, die erfahrenen Bedrohungen in den Juden als vermeintliche Verursacher wiedererkennen konnten; antijüdische Ressentiments, die in den kaiserzeitlichen Konjunkturwellen und Weltanschauungsströmungen ja oftmals »nur unterschwellig empfunden worden waren, traten durch die Lektüre der Romane deutlicher ins Bewußtsein. Aus zunächst noch vagen und diffusen Vorurteilen formierte sich eine bildhafte Vorstellung vom verwerflichen Juden, die sich leicht in eine kohärente antisemitische Ideologie verwandeln ließ«,(36) wie die fatale Wirkungsgeschichte dieser Romane belegt.

In dem Rezeptionskontext während und nach der >großen Depression< verbanden sich nämlich die antijüdischen Stereotypen mit der zu Beginn erwähnten antiliberalen und antiwestlichen Polemik und Kulturkritik. Gegen das >Gift des Merkantilismus und des Materialismus<, gegen den >Mammonsgeist< und gegen das >mobile Kapital< propagierten in den neunziger Jahren und danach Männer wie Julius Langbehn in dem Bestsellerbuch >Rembrandt als Erzieher< (Leipzig 1890; 1891 bereits die 30. Auflage!) eine als typisch deutsch erklärte >echte Herzenseinfalt< und christlich-religiöse Güte, die zugleich eine vormoderne Agrar- und Handwerkeridylle als Lösung der modernen Gesellschafts- und Wirtschaftskrisen anpeilte. Deutsches Gemüt und deutscher Geist stehen dabei im schroffen Gegensatz zum Judentum: Die »Ausbeutungsgier« der Juden »ist grenzenlos; sie gehen krumme


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Wege; und ihre Moral ist nicht unsere. Sie würdigen Kunst und Wissenschaft herab. Sie sind demokratisch [!] gesinnt.«(37)

Schulte-Sasse hat nachgewiesen, wie sehr gerade Mays Amerikaromane mit ihren scheinbar so gesellschaftsfernen, archaischen dark and bloody grounds, dem edelmenschlichen hell-dunklen Freundespaar Old Shatterhand-Winnetou sowie deren engeren Helfersfreunden in der Trappergemeinschaft geprägt sind von der zeitgenössischen >Mammonskritik< des deutschen Klein- und Bildungsbürgertums; und diesem Einfluß ist es zuzuschreiben, daß in >Satan und Ischariot< die im Ganzen problematischsten Judenfiguren in Mays Werk anzutreffen sind.

Ohne große Mühe lassen sich Schulte-Sasses Befunde auch auf >Satan und Ischariot< übertragen. Der verderbliche >westliche Krämergeist< wird vorrangig repräsentiert durch yankeehafte Superschurken, in unserem Fall durch die teuflischen Meltons, die in ihrer Geldgier eine deutsche Auswanderergruppe schädigen und vernichten wollen, sodann das Millionenerbe eines Deutschamerikaners durch Mord vorübergehend an sich bringen, schließlich sich im Zuge der Verhinderungs- und Bestrafungsaktionen Old Shatterhands wie wahnsinnige Dämonen(38) selber umbringen. Die triebhafte Jagd nach dem Mammon offenbart am Ende das Geist- und Seelenlose der Meltons.

Auf der anderen Seite agiert der deutsch-christliche Held, der den antiindustriellen deutschen Geist penetrant predigt: Gemüt besitzt überhaupt nur der Germane.(39) Entsprechend dieser Maxime rettet er die deutschen Landsleute, die sowohl daheim als auch in far west als proletarisierte Handwerker oder kleinbäuerliche Pächter in den Strudel der Moderne (nämlich in Verarmung, Ausbeutung und in Deklassierung in Gestalt der aufgezwungenen Bergwerksarbeit für die Meltons) geraten sind; und er verhindert den Verbleib der Erbschaft in falscher, weil >raffender< Hand: in folgerichtiger Weiterführung der in dem Roman ausgefabelten deutschen, idealistischen Mammonskritik wandelt sich das mobile Kapital des verstorbenen Jäger-Hunter, dessen vorheriges Assimilationsstreben in die Yankeezivilisation abfällig kommentiert wird,(40) in eine heimische Stiftung; nicht zu Börsen- und Spekulationszwecken wird es also am Ende verwendet, sondern zur Errichtung einer Pension für >Begabte Kinder armer, braver Eltern<.(41)

Im Hinblick auf die dichotomische Gruppierung der Figuren und auf den umrissenen Rezeptionskontext ist die antisemitische Ausprägung von Judith und Jakob Silberstein darin zu bestimmen, daß beide zu Beginn der Handlung noch der deutschen Auswanderergruppe angehören (der Vater tritt sogar als ihr gewählter Sprecher auf), sich aber


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zunehmend von ihr isolieren(42) und schließlich in die von May so häufig geschmähte amerikanische Stadtzivilisation eintauchen und verschwinden.

Jakob Silberstein - später vom unaufmerksamen Autor in Silberberg umbenannt, dann jedoch folgerichtig amerikanisiert in Silverhill - wird trotz seiner Sprecherfunktion für die deutsche Gruppe aus dem polnisch-deutschen Grenzgebiet sofort als polnischer Hebräer eingeführt, für den Ich-Erzähler ohne Mühe auszumachen am Gesicht vom ausgesprochensten jüdischen Typus und an dem Anzug.(43) Aufgrund der außerdeutschen Herkunft entspricht er wie Salomon Levi dem Stereotyp des Schacher- und Mauscheljuden. Abermals also wird uns kein assimilierter deutscher Jude vorgestellt, sondern ein Vertreter des Ostjudentums - jetzt konkret benannt, so daß zeitgenössische Leser ohne weiteres die Figur einordnen konnten -, dessen >Zustrom< ins Deutsche Reich die antisemitische Agitation demagogisch ausschlachtete (auch Treitschke schauderte ja vor dieser »unerschöpflichen polnischen Wiege«). May folgt mit der hier vorgenommenen »>Auslagerung< der alten Judenklischees auf die Figur des Ostjuden«(44) einer von Freytag begründeten Tradition. Dessen jüdischer Negativ-Held Veitel Itzig aus dem mährisch-schlesischen Grenzgebiet (!) ist ebenfalls noch nicht hinreichend assimiliert, was auch dadurch unterstrichen wird daß er gelegentlich eine Sprache spricht, die zwar kein Jiddisch ist, aber für einen deutschen Leser so klingen soll und tatsächlich ein Juden-Deutsch ist, das allenfalls »Züge eines jiddischen Substrats aufweist« lediglich syntaktische Abweichungen durch Umstellung oder Ausklammerung, selten jedoch Lautveränderungen oder jiddische lexikalische Elemente bietet.(45) In diesem Pseudojiddisch, das übrigens Freytag der älteren antijüdischen Tendenzliteratur entnommen hatte, lobt auch Jakob die sächsische Heimat des Ich-Helden: »Ich kenne und habe lieb Ihr Vaterland, da ich bin gewesen zu reisen oft nach Leipzig zur Messe, um zu ergreifen auf dem Brühle und vielen andern Straßen die Konjunkturen des Handels und des Wandels. Nehmen Sie die veranlaßte Gewogenheit, daß ich bin Handelsmann von Kindesbeinen an...«(46) Freytag wie auch später May machen es mit dieser böswilligen Karikatur des Ostjuden ihrer teilweise auch jüdisch-assimilierten Leserschaft einfach, sich nicht angesprochen beziehungsweise angegriffen zu fühlen, zumal Jakob Silberstein - darin dem Itzig-Klischee folgend ­ so >undeutsch< ist, daß er noch nicht einmal versucht, sich deutsche Werte und deutschen Geist anzueignen, wie es bei Salomon Levi immerhin noch zu erkennen war; vielmehr verhöhnt sein Mammonsgeist nunmehr (deutsche) idealistische Bildung: »Was ist Bildung! ... Ist ein


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neues, seidenes Kleid keine Bildung? Hat derjenige, welcher einen Palast oder gar ein Schloß besitzt, nicht einen großartigen Verstand ? Was steckt in einem Seminare, in einem Gymnasium, in einer Universität? Hölzerne Bänke zum Sitzen mit Tintenfässern zum Schreiben.«(47)

Die Tochter Judith teilt nicht nur den Vornamen mit ihrer Kolportage-Vorgängerin, sondern ebenso die orientalischen Zügevon ungewöhnlicher Schönheit,(48) die fortgeschrittene Assimilation (erkennbar an ihrem Normdeutsch), wie auch daraus folgend die närrische Liebe und Vergötterung durch ihren Vater, der sich durch Judith den sozialen Aufstieg erhofft. Doch sind die Unterschiede interessanter und zugleich problematischer. Im Gegensatz zur Kolportage-Judith, die ja von der deutschen Dichtung ehrlich ergriffen ist und ihre Emanzipation durch Liebe und Heirat mit einem armen Poeten nahezu idealistisch zu bewerkstelligen versucht, geht Silbersteins Tochter ausschließlich materielle und damit modernere Wege. Erbarmungslos macht sie Jagd auf Männer, die Geld und Kapital zu besitzen scheinen. Kein Gefühl, keine Liebe leiten ihre permanenten Partnerwechsel, sondern eben nur ihr herzenskalter Materialismus. Als Frau und Jüdin, die in kompromittierenden Situationen nicht einmal errötete,(49) die sich im Doppelsinn >emanzipiert< zeigt, gerät sie mit ihrem lasterhaft-frechen (Geld)Trieb zu einer Männer mißbrauchenden Schlange, einem Satansweib, einer gefühlskalten Furie,(50) die vom Ich-Helden schließlich nur noch gefesselt und zur Dienerarbeit (!) mit brachialer Gewalt gezwungen werden kann. Damit ist das alte, schon längst trivialisierte Motiv der schönen Jüdin ins Negativ-Dämonische gesteigert.

In der neueren May-Forschung und Interpretation, die sich wesentlich an biographischer oder psychologisierender Fragestellung interessiert zeigt,(51) ist zur Erklärung (und zur Rechtfertigung?) dieser extremen Verzeichnung der Figur angeführt worden, daß May in Judith fatale Eigenschaften und Verhaltensweisen seiner ersten Frau Emma Pollmer literarisch spiegelte und verarbeitete. So schlüssig dies zunächst im einzelnen erscheinen mag, so wird doch meines Erachtens eine auf Einzelheiten der Autorenbiographie fixierte Interpretationsmethode blind für das historisch-soziale Umfeld einer solchen Literatur-Jüdin und damit blind gegenüber den eindeutig antisemitischen Rezeptionsmöglichkeiten. In der Tat: mußte ein zeitgenössischer Leser, der nicht gerade Details aus Mays erster Ehe kannte (und seit wann können solche Intimkenntnisse allen Ernstes zur Voraussetzung für eine angemessene, das heißt hier nicht-antisemitische Romanauffassung erklärt werden?), nicht etwas ganz anderes assoziieren? Erinnert Judith Silberstein nicht auch (und zuerst) an die im Kaiserreich ausgebildeten


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und später virulent werdenden Männerphantasien, zumindest an diejenige vom >frechen jüdischen Weib(52)

Gerechterweise muß die unumgängliche Kritik dieser Judenfigur dahingehend relativiert werden, daß auch in >Satan und Ischariot< (wie überall bei May) jegliche rassistisch-antisemitische Argumentation oder Charakterisierung fehlt: Judith ist >modern<, das heißt, nach dem damaligen Verständnis Mays, verdorben, nicht als Folge ihrer biologischen Abstammung (dafür gibt es im Text keine Hinweise), sondern weil sie nicht die Charakterstärke und Herzensgüte aufbringt, die erforderlich ist, um den Verlockungen des Geldes widerstehen zu können. Gleichwohl hat May mit seinem Reiseroman die vorhandenen antijüdischen Ressentiments seiner nun gehobeneren Leserschaft bestätigt und gebündelt, indem er die seiner Zeit wohlfeile Mammonkritik mit der Verwendung antijüdischer Stereotypen verquickte. Wie seine >höheren< Kollegen Freytag und Raabe ist auch er nicht im Ansatz der Künder irgendwelcher völkischer Ideologie, wohl aber im Rezeptionskontext vor dem ersten Weltkrieg ein Mitläufer der >antisemitischen Gesellschaftsstimmung< (wie es einmal der berühmte Friedrich Naumann nannte), die vor 1914 jene manichäische Weltanschauung ausbilden sollte, die zwischen der heroisch-deutschen Geisteswelt einerseits und dem >verjudeten materialistischen Sumpf< andererseits unterschied.

Daß May tatsächlich anders, nämlich toleranter dachte als die Mehrzahl der sich gebildet dünkenden Mittelschichten, belegt, wie vermerkt, die Erzählung >Eine Befreiung<, unmittelbar nach >Satan und Ischariot< entstanden. Ekkehard Bartsch und vor allem Heinz Stolte haben überzeugend dargelegt und nachgewiesen,(53) daß in dieser Orient- und Wüstengeschichte um den reichen jüdischen Händler Manasse Ben Aharab und dessen (vermeintlicher) Tochter Rahel, die, wie sich später herausstellt, ein christliches Findelkind ist, »ganz bewußt das Modellschema des Lessingschen >Nathan< zum Muster genommen« wurde.(54) Eine solch erstaunliche Stoffadaption belegt, wie eindrücklich und nachhaltig gerade Lessing, dessen Religionsphilosophie sowie Humanitäts- und Toleranzgedanke auf das Weltbild des jungen May gewirkt haben, der sich anschickte, durch Bildung und Fleiß aus dem Elend des Webermilieus zum Volksschullehrer >emporzusteigen<.

Eingedenk dieses Einflusses und dieser Vorlage gestaltet May den jüdischen Kaufmann sympathisch-positiv; mehrfach wird vom Ich-Helden hervorgehoben, daß die Erinnerung an dieses gastliche Haus in Mursuk mit zu meinen schönsten gehört.(55) Geradezu überschwenglich philosemitisch gibt sich Kara Ben Nemsi, wenn er den geretteten


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Richard Forster, einen von Manasse abgelehnten Werber um die Tochter, zurechtweisend fragt: »Sind sie Antisemit, Mr. Forster?«, und dieser mit aller Emphase antwortet, antworten muß: »Nein, nein, gar nicht... «(56) Dennoch unterläuft May selbst in dieser ganz dem Geist der Toleranz verpflichteten Erzählung abweichend von deren judenfreundlichen Gesamttendenz in der Handlungskonstruktion ein deplazierter Rückgriff auf antijüdische Stereotypen: Der sterbende Manasse beichtet nämlich, daß die schöne Rahel gar nicht seine Tochter ist, sondern ein Kind christlicher Eltern, daß er bei der Adoption nicht ehrlich vorging, indem er Papiere und Geld, die für Rahels ferneren Verwandten bestimmt waren, unterschlug, so daß er mit fremdem Vermögen seinen Reichtum begründen konnte.

Stolte weist zwar zu Recht darauf hin, daß Manasse diese Schuld ­ in der Erzählung glaubwürdig psychologisch motiviert - einerseits durch außergewöhnliche Vaterliebe und andererseits mit seiner Beichte und seinem Testament, das Rahel ein sorgenfreies Leben an der Seite von Forster garantiert, abgetragen hat, ein Verhalten, das Manasse »von einem bloßen Betrüger« unterscheidet und »ihn als einen im Kerne anständigen, akzeptablen Charakter erscheinen« läßt;(57) doch muß kritisch angemerkt werden, daß das Motiv für Manasses schuldhafte Tat eben aus dem Fundus antijüdischer Vorstellungen stammt: »Er wollte ehrlich [!] sein; aber die Geldscheine [!] siegten über sein Gewissen.«(58)

5. V e r s u c h  e i n e r  Z u s a m m e n f a s s u n g

Dieses, auch hier im Kleinen und eher Unscheinbaren festzustellende Changieren zwischen einer im Ganzen tolerant-judenfreundlichen Grundhaltung des Autors und der Verwendung antijüdischer Stereotypen, das - so hoffe ich, gezeigt zu haben ­ Mays Werk durchgängig kennzeichnet, möchte ich nutzen für ein Fazit (mit kleinen Ausblicken auf die >Altersperiode<). Die erkannte Ambivalenz Mays hat nach meiner Sicht und Kenntnis zwei Gründe:

a) Der insgesamt positiv zu beurteilende Einfluß Lessings und der Aufklärung hat Mays Emanzipationsvorstellung geprägt. Der judenfreundliche Teil der Aufklärung(59) erwartete von der von ihr geforderten >bürgerlichen Verbesserung der Juden<, daß diese sich in ihren Sitten und Gebräuchen der Mehrheit anpaßten, daß einzig ihre Religion (als Privatsache) sie noch unterscheidet von den anderen. So operiert selbst Lessing in den Stücken >Die Juden< und >Nathan< mit dem Typus des >edlen Juden<;(60) ihn zeichnet Besitz und Bildung aus, sein Judentum ist dagegen kaum noch sichtbar. Auf diese Weise wird die »Kunst-


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figur Nathan, die alle spezifischen Charakteristika jüdischer Existenz abgestreift hat«, »zur Idealgestalt der Aufklärung, mit der sich Christen und Juden identifizieren können«.(61) Dieser Tradition folgend, sind auch bei May >gute<, das heißt unproblematische Juden eher angepaßt; ihr Jude-Sein wird kaum oder gar nicht hervorgehoben, bestenfalls mit einem knappen Hinweis auf den besonderen Glauben angemerkt.

b) Mit der blassen Judenvorstellung aus der Tradition von Aufklärung und Liberalismus konkurriert bei May das Judenstereotyp aus dem Reservoir der älteren Volks- und Trivialliteratur, das sich als wirkungsvolleres Vorbild immer dann für den Geschichtenerzähler anbot, wenn Juden die Szene beziehungsweise Handlung exotisch-geheimnisvoll anreichern sollten; dann wird die pseudojiddische Sprache, die angeblich orientalische Erotik der jüdischen Frau(62) oder die Geldgier als Charaktermerkmal thematisiert.

Die schillernde Judenfiguration belegt dabei im Detail die »höchst interessante Mittlerstellung«, die May »einnimmt zwischen einem Unten und Oben unserer Kulturwelt«,(63) also zwischen Trivialliteratur und Hochbelletristik. In unserem Fall erweist sich das erlesene Bildungsgut der Aufklärung als das stärkere Element: hätte es nicht für den entlassenen Sträfling, den wurzellosen Halbschriftsteller und Redakteur ab 1874 näher gelegen, mit seiner Halbbildung wie andere, ähnlich obskure und verkrachte Journalisten und Schriftsteller sich dem mächtigen antisemitischen Zeitgeist ganz zu verschreiben? Daß der Autodidakt und Vielschreiber May dieser Versuchung, aufs Ganze betrachtet, widerstand, muß eingedenk der individuellen und sozialen Umstände seiner literarischen Produktion anerkennend hervorgehoben werden. Möglicherweise hat der mehrjährige Zuchthausaufenthalt und die darauf folgende, zeitraubende Kolportage-Fron etwas Gutes gestiftet: aufgewachsen und ausgebildet noch in der >liberalen Ära<, fehlten May die Voraussetzungen in der Erfahrung für einen Nachvollzug des antisemitisch bestimmten Stimmungsumschwungs, stattdessen war er gezwungen, an seine Vorbildung direkt anzuknüpfen. Die Vielarbeit am nächtlichen Schreibtisch nach 1874 dürfte sodann zusätzlich dazu beigetragen haben, daß May die aktuellen Fieberkurven des kaiserzeitlichen Antisemitismus im nennenswerten Umfang gar nicht aufnehmen konnte.

Auf diese Weise blieb May, wie mehrfach betont, in seiner Judenvorstellung im weitgehend positiven Sinn >ungleichzeitig< und >unmodern<. Seine Eloge auf das Judentum im Wiener Vortrag von 1912 kurz vor seinem Tod folgt jedenfalls der Erbschaft aus der Aufklärung: Und


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I s r a e l, das Volk Gottes! Was haben wir von ihm überkommen und geerbt! Nie können wir genug dankbar sein!(64) Solche und andere, nicht schriftlich überlieferten Passagen aus der Rede wurden denn auch von der sonst wohlwollenden zeitgenössischen Presse kritisch vermerkt: »Leider machte May dem Judentum, das sehr stark vertreten war, ein Kompliment, indem er darauf hinwies, daß dem Judentum die größte Sehnsucht nach Erlösung innewohnte.«(65) ­ Aus heutiger Sicht ein vom damaligen Berichterstatter ungewolltes Kompliment an den offenbar nicht in allem >verwirrten Proleten< Karl May.



1 Helmut Berding: Moderner Antisemitismus in Deutschland (Neue Historische Bibliothek, hrsg. von H.-U. Wehler). Frankfurt 1988, S. 39

2 Otto Glagau: Der Bankerott des Nationalliberalismus und die >Reaktion<. Berlin 1878, S. 71; hier zitiert nach Paul W. Massing: Vorgeschichte des politischen Antisemitismus. Frankfurt a. M. 1959, S. 10. Massing gibt wohl die detaillierteste Analyse der antisemitischen Strömungen im Kaiserreich.

3 Detlev Claussen: Vom Judenhaß zum Antisemitismus. Materialien einer verleugneten Geschichte. Darmstadt-Neuwied 1987, S. 105

4 Massing, wie Anm. 2, S. 13

5 Die Berliner Juden und das öffentliche Leben. Reden, gehalten vor der Versammlung Deutscher Bürger in den Sälen der Berliner Bocksbrauerei am 2. Juli 1883; zitiert nach Berding, wie Anm. 1, S. 94

6 Heinrich Treitschke: Unsere Ansichten. In: Preußische Jahrbücher, November 1879; zitiert nach: Der Berliner Antisemitismusstreit. Hrsg. v. Walter Boehlich. Frankfurt a. M. 1965, S. 7ff.

7 Massing, wie Anm. 2, S. 43

8 Informationen zu Henry Strousberg aus neuerer Sicht in: Wolfgang Voigt: Der Eisenbahnkönig oder Rumänien lag in Linden. Materialien zur Sozialgeschichte des Arbeiterwohnungsbaus mit Beispielen aus Hannovers Fabrikvorort Linden. AG SPAK Publikationen M 46. München 21986, S. 65-87 und S. 124

9 Karl May: Ein jetzt Vielgenannter. In: Schacht und Hütte. Jg. 1875/76, S. 70. Reprint Hildesheim-New York 1979

10 Heinz Stolte: Auf den Spuren Nathans des Weisen. Zur Rezeption der Toleranzidee bei Karl May. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1977. Hamburg 1977, S. 30f.

11 May: Ein jetzt Vielgenannter, wie Anm. 9, S. 70

12 Siehe hierzu Hainer Plaul: Redakteur auf Zeit. Über Karl Mays Aufenthalt und Tätigkeit von Mai 1874 bis Dezember 1877. In: Jb-KMG 1977. Hamburg 1977 S. 178.

13 Karl May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten. In: Feierstunden am häuslichen Heerde. 1. Jg. (1876/77), S.230; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1972

14 Ebd., S. 231

15 Karl May: Die Rose von Sokna. In: Deutsche Gewerbeschau, Beilage >Für den Feierabend<. 1. Jg. (1878), S. 14; Reprint in: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1985

16 Vgl. Volker Klotz: Abenteuer-Romane. München 1979 - außerdem Volker Klotz: Woher, woran und wodurch rührt >Der verlorene Sohn 17 Siehe hierzu Hainer Plaul: Illustrierte Geschichte der Trivialliteratur. Hildesheim-NewYork 1983, S. 112 - 118 sowie Marion Beaujean: Der Trivialroman in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bonn 21969, S. 161 - 175 - auch Volker Klotz: Abenteuer Romane, wie Anm. 16, S. 22 - 28.


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18 Manuel Köppen/Rüdiger Steinlein: Karl May: Der verlorene Sohn oder Der Fürst des Elends (1883-85). Soziale Phantasie zwischen Vertröstung und Rebellion. In: Romane und Erzählungen des Bürgerlichen Realismus. Hrsg. von Horst Denkler. Stuttgart 1980, S. 278f.

19 Hans-Jörg Neuschäfer: Eugene Sue, Die Geheimnisse von Paris. In: Literaturwissenschaft Grundkurs 1. Hrsg. von Helmut Brackert und Jörn Stückrath. Reinbek 1981 siehe hierzu auch Cornelia Strieder: Melodramatik und Sozialkritik in Werken Eugene Sues. Erlangen 1986, S. 177- 180 (Erlanger Studien Bd. 66).

20 Köppen/Steinlein, wie Anm. 18, S. 278

21 Karl May: Der verlorene Sohn. Dresden 1883 - 85, S. 1455ff. und S. 1588ff.; Reprint Hildesheim-New York

22 Die Begriffe stammen von Theodore S. Hamerow: Cravat Jews and Caftan Jews. In: Commentary 77 (1984),5, S.29 - 38 - siehe auch Peter Gay: Freud, Juden und andere Deutsche. Herren und Opfer in der modernen Kultur. München 1989, S. 129ff.

23 May: Der verlorene Sohn, wie Anm. 21, S. 1441

24 Leon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. Bd. 6. Emanzipation und Rassenwahn. Worms 1987, S. 150

25 May: Der verlorene Sohn, wie Anm. 21, S. 141

26 Ebd., S. 138, 295

27 Ebd., S. 236, 240f.

28 Ebd., S. 242

29 Ebd., S. 240

30 Dem Fürsten that das verschmähte Mädchen leid. Es war ein Character, der durch Liebe zu allem Guten, Schönen und Erhabenen zu bringen war. Ebd., S. 1648

31 Ebd., S. 141

32 Karl May: Die Liebe des Ulanen. Original-Roman aus der Zeit des deutsch französischen Krieges. In: Deutscher Wanderer. Lieferung 89, S. 1411; zit. nach Ekkehard Bartsch (Hrsg.): Karl May. Leben - Werk - Wirkung. Eine Archiv-Edition. Abt. IIa, Heft 1. Karl May: Ulane und Zouave. Bad Segeberg 1988, S. 13 - vgl. auch Claus Roxin: Die Liebe des Ulanen im Urtext. Teil II. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 15/1973, S. 9.

33 Der zu geradlinigen Interpretation, daß »parallel zur Entstehungszeit eine >zunehmende Toleranz< festzustellen« sei, wie sie N. Strech in seiner verdienstvollen Arbeit behauptet, muß mit Blick auf ,Satan und Ischariot< widersprochen werden - siehe Norman Strech: Die Darstellung der Juden bei Karl May. In: M-KMG 58/1983, S.39.

34 Zu nennen sind die ersten >Deutschen Innungs- und Allgemeinen Handwerkertage<, die vom Handwerkerbund im Februar 1892 in Berlin veranstaltet wurden und auf denen offen antisemitisch agitiert wurde - siehe Berding, wie Anm. 1, S. 122. Vor allem anzuführen ist schließlich der militant antisemitische >Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband< (DHV), sodann der >Bund der Landwirte< (1892/93) und der opportunistische Schwenk der großagrarischen Interessen verpflichteten >Konservativen Partei< vom Dezember 1892 (sogenanntes >Tivoli-Programm< - siehe dazu Massing, wie Anm. 2, S. 71f.).

35 Hermann Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland. Darmstadt 1983, S. 72

36 Berding, wie Anm. 1, S. 80f. - siehe hierzu auch die Studie von Konstantin Felden: Die Übernahme des antisemitischen Stereotyps als soziale Norm durch die bürgerliche Gesellschaft Deutschlands 1875- 1900. Diss. Heidelberg 1963.

37 Julius Langbehn: Rembrandt als Erzieher. Leipzig 301891, S. 284 - siehe hierzu auch Erich Straßner: Der Rembrandtdeutsche - Vorkämpfer der deutschen Volkswerdung? Zentrale Wortfelder und formale Strategien in Julius Langbehns »Rembrandt als Erzieher«. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung. Bd. 16 (1986-87). Burg Ludwigstein 1986-87, S. 27-44.

38 Siehe Jochen Schulte-Sasse: Karl Mays Amerika-Exotik und deutsche Wirklichkeit. Zur sozialpsychologischen Funktion von Trivialliteratur im wilhelminischen Deutschland. In: Karl May. Hrsg. von Helmut Schmiedt. Frankfurt a.M. 1983, S. 101-129. - Eine entsprechende Szene findet sich in Karl May: Gesam-


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melte Reiseerzählungen Bd. XXII: Satan und Ischariot III. Freiburg 1897, S. 481 und S. 492.

39 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XX: Satan und Ischariot I. Freiburg 1896, S. 407

40 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXI: Satan und Ischariot II. Freiburg 1896, S. 79

41 May: Satan und Ischariot III, wie Anm. 38, S. 613

42 z. B. May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 40, S. 99ff., S. 127 u. a.

43 May: Satan und Ischariot I, wie Anm. 39, S. 40ff. - Auffällig ist in diesen Passagen, daß sie auf der Ebene von Nennungen verharren; nähere, konkretere Beschreibungen und Kommentare fehlen, so daß vieles nur angedeutet bleibt, was allerdings der zeitgenössische Leser in seinem antisemitischen Umfeld mühelos konkretisieren konnte.

44 Hans-Peter Bayerdörfer: Das Bild des Ostjuden in der deutschen Literatur. In: Juden und Judentum in der Literatur. Hrsg. von Herbert A. Strauss und Christhard Hoffmann. München 1985 S. 221

45 Hans Peter Althaus: Soziolekt und Fremdsprache. Das Jiddische als Stilmittel in der

deutschen Literatur. In: Zeitschrift für deutsche Philologie. Bd. 100/1981, S. 212-232; hier speziell S. 220f.

46 May: Satan und Ischariot I, wie Anm. 39, S. 42f.

47 May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 40, S. 99

48 May: Satan und Ischariot I, wie Anm. 39, S. 40

49 May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 40, S. 28

50 May: Satan und Ischariot III, wie Anm. 38, S. 480

51 Siehe hierzu vor allem die Vor- und Nachworte von Walther Ilmer zu Karl May: Die Felsenburg. Deutscher Hausschatz. XX. Jg. (1894); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg/Regensburg 1980, und zu Karl May: Krüger Bei. Die Jagd auf den Millionendieb. Deutscher Hausschatz. XXI/XXII. Jg. (1894 - 96); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg/Regensburg 1980 - sowie Werner Tippel/Hartmut Wörner: Frauen in Karl Mays Werk. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft Nr.29/1981 S.30f.,41 -43

52 Siehe auch Klaus Theweleit: Männerphantasien, Bd. 1. Frankfurt 19i7.

53 Ekkehard Bartsch: Vorwort (zu >Die Rose von Kairwan<). In: Karl May: Die Rose von Kairwan. Osnabrück 1894; Reprint Hildesheim-New York 1974, S. VIIIf. - siehe auch Stolte, wie Anm. 10.

54 Stolte, wie Anm. 10, S. 44

55 May: Die Rose von Kairwan, wie Anm. 53, S. 245

56 Ebd., S. 310

57 Stolte, wie Anm. 10, S. 46

58 May: Die Rose von Kairwan, wie Anm. 53, S. 333

59 Poliakov hat energisch darauf hingewiesen, daß es auch eine ausgesprochen judenfeindliche Tendenz der Auflklärung (z. B. bei Kant und Voltaire) gibt - siehe Leon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. Bd. 5. Die Aufklärung und ihre judenfeindliche Tendenz. Worms 1983.

60 »Am Anfang der jüdischen aufgeklärten Emanzipation wird von Lessing in der Kunstfigur das wünschbare Ergebnis bereits vorweggenommen. Nathan ist nur noch der Religion nach Jude.« Hans Mayer: Außenseiter. Frankfurt a. M. 1975, S. 341

61 Klaus L. Berghahn: Der Jude als der Andere. Das Zeitalter der Toleranz und die Judenfrage. In: Jüdische Intelligenz in Deutschland. Hrsg. von Jost Hermand und Gert Mattenklott. Hamburg 1988, S. 22 (Argument-Sonderband AS 157/Literatur im historischen Prozeß. Neue Folge 19)

62 Diesen Topos dürfte May u. a. aus Wilhelm Hauffs Novelle >Jud Süß< übernommen haben.

63 Stolte, wie Anm. 10, S. 20

64 Aus Mays Redekonzept, dokumentiert von Ekkehard Bartsch: Karl Mays Wiener Rede. Eine Dokumentation. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 59

65 Deutsches Volksblatt. Wien, 23. 3. 1912; abgedruckt in Ekkehard Bartsch: Wiener Rede, wie Anm. 64, S. 76


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