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HEINZ STOLTE

»Stirb und werde!«
Existentielle Grenzsituation als episches Motiv bei Karl May*


Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.

Goethe, Westöstl. Divan
(Selige Sehnsucht)

... de morte transire ad vitam.
(Requiem)

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Ich erlaube mir, mit einem Karl-May-Zitat zu beginnen, von dem ich zunächst nicht angeben will, wo ich es gefunden habe. Es lautet wie folgt:

»Wasser, Wasser!« wollte ich rufen, denn ich fühlte einen geradezu entsetzlichen Durst, brachte aber keinen Laut, nicht einmal einen hörbaren Hauch hervor. Ich sagte mir, daß es um mich geschehen sei, und wollte, wie jeder Sterbende es soll, an Gott und das, was jenseits dieses Lebens liegt, denken, wurde aber von der Ohnmacht wieder übermannt. ... dann starb ich, wurde in den Sarg gelegt und begraben; ich hörte, daß die Erdschollen auf den Sarg geschaufelt wurden, und lag dann eine ganze, ganze Ewigkeit, ohne mich bewegen zu können, in der Erde, bis auf einmal der Deckel meines Sarges geräuschlos nach oben schwebte und dann verschwand. Ich sah den hellen Himmel über mir; die vier Seiten des Grabes senkten sich. War dies denn wahr? Konnte dies geschehen? Ich fuhr mir mit der Hand nach der Stirn und - - - »Halleluja, Halleluja! Er erwacht vom Tode; er erwacht!« ...

Das ist - wird man mir zugeben - ein merkwürdiges und gewiß einigermaßen auffälliges Stückchen Text. Und doch wird wohl nicht jeder,

* Vortrag, gehalten am 7. 10. 1989 auf der 10. Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Augsburg.


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der im Zuge einer ohnehin spannenden Abenteuergeschichte auf dergleichen phantasievoll ausgemalte Motive stößt, gerade dieses als befremdlich empfinden, sich darüber verwundern und darüber nachdenklich werden. Es ist ja mit dem, was wir die Rezeptionsgeschichte des Literarischen nennen, immer wieder bemerkenswert, daß ein und dasselbe Werk bei den es Rezipierenden die allerverschiedensten psychischen Reaktionen weckt und dementsprechend die bis zum Extrem widersprüchlichsten Beurteilungen findet. Gerade hierfür ist ja Karl May ein hervorragendes Beispiel, bei dem der Meinungsstreit um Wert oder Unwert seit Jahrzehnten hohe Wogen schlägt. Die Literaturpsychologie weiß, daß es in Sachen der Poesie Objektivität des Urteilens nicht gibt, sondern nur das ganz subjektiv bestimmte Angezogen- oder Abgestoßenwerden durch das, was aus dem literarischen Text dem Lesenden als das seine eigene Existenz Anrührende bewußt wird. Anders gesagt: Jeder, der liest, sucht in dem poetischen Text, den er liest, immer bewußt oder unbewußt nach dem, was ihn selber betrifft. »Jeder möchte gern in der Dichtung sich selber gestaltet finden«, wie es mein Lehrer Arthur Witte geradezu als ein literaturpsychologisches Grundgesetz formuliert hat.(1)

Daß für verschiedene Personen das gleiche literarische Werk je nach psychischer Gestimmtheit, ästhetischer Sensibilität und existentiellen Interessen so sehr Verschiedenes bedeuten kann, ist nur das Eine, durch das Deutung und Kritik, aufs Ganze gesehen, so verwirrend erscheinen. Hinzu kommt, wie es jeder von uns an sich selber schon erlebt hat, daß eine und dieselbe Person, wenn sie ein literarisches Werk zu ganz verschiedenen Perioden ihres Lebens und unter veränderten Umständen liest, möglicherweise meint, es sei gar nicht dasselbe, das sie aus früherer Lektüre genau zu kennen meint. Solches ist sicherlich gerade im Falle der May-Lektüre anzutreffen, indem gar mancher, in die Jahre gekommen, nicht recht mehr versteht, was ihn etwa am >Winnetou< in früher Jugendzeit einmal so sehr fasziniert hat. Und auch Umgekehrtes ist uns bezeugt, wie ich es einmal(2) am Beispiel von Fedor Mamroth gedeutet habe, der ein so entschiedener, gestrenger Gegner Karl Mays gewesen war, aber später, im letzten Jahr seines Lebens, auf dem Krankenbett die Bücher des von ihm so Perhorreszierten gelesen und ­ nach dem Zeugnis seines Sohnes - so dankbar als Palliativ empfunden hat. So oder so: unter veränderten Umständen hat ein Buch für uns jeweils veränderte Bedeutung.


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Damit komme ich zu dem, was mir ganz persönlich einmal auszuführen vorschwebte. Der Anlaß war, daß zu einem Hauptwerke Karl Mays Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer im Suhrkamp-Verlag einen Materialienband herauszubringen beschlossen hatten. Dieses Werk - ich war dessen gewiß - war mir genau bekannt, und ich hatte ja darüber geschrieben. Doch ich beschloß, es zu dieser Gelegenheit wieder einmal vorzunehmen, es zu lesen mit den Augen eines um Jahrzehnte Älteren. Und nun kam etwas Entscheidendes dazwischen: zwei schwere Operationen, von denen ich hier nicht öffentlich sprechen würde, wenn dies nicht eine gewissermaßen philologische Bedeutung hätte, gemäß dem erwähnten Witteschen Grundgesetz, daß jedem aus einem literarischen Werk das ihn zutiefst existentiell Betreffende ansprechen muß, weil er sich selber gestaltet finden will. Denn als ich mich später an die Lektüre machte, da kam mir dieses Buch doch seltsam verwandelt, verfremdet vor. Was ich gar nicht im Gedächtnis gehabt hatte, sprang mir plötzlich geradezu schmerzhaft in die Augen. Und das war, unter anderem und vor allem anderen jene Textstelle, die ich anfangs zitiert habe. Sie handelt von nichts weniger als vom Tode, genauer: vom Sterben und vom Wiederauferstehen. Paradox in dem wunderlichen Stil der Ich-Erzählung: dieses ... dann starb ich bis zu dem jubelnden »Halleluja, Halleluja! Er erwacht vom Tode ... «, das ja schon fast blasphemisch an das biblische Osterwunder und an gottesdienstliche Festtagsriten anklingt. Und dementsprechend heißt es alsbald: »So ist ein großes Wunder geschehen.« Auch daß der so wunderbar aus der Nacht des Todes wieder Auferstandene der >Seligkeit< teilhaftig geworden ist, hat sich, wie man nach allem erwarten darf, eingestellt: Ich schloß die Augen und lag nun wieder still, doch nicht im Grabe, sondern in einer seligen Müdigkeit, in einem wonnigen Frieden. Ich wünschte, ewig, ewig so liegen bleiben zu können.

Was ist das? Dieses sozusagen säkularisierte und ins Kolportagehafte transponierte Sterben und Auferstehen, dieses - mit Goethe zu sprechen - »Stirb und werde!«, das, wie es heißt, derjenige haben müsse, der nicht auf dieser dunklen Erde ein »trüber Gast« bleiben wolle - was ist das? In diesem Buche, von dem die Rede ist, steht es fast genau in der Mitte der ganzen Erzählung. Es akzentuiert das Kernmotiv und im Ablauf der weitgespannten Handlung die große, entscheidende Wende. Nicht ewig ist jene Seligkeit (so wenig wie Goethes >Selige Sehnsucht<), denn alsbald heißt es: Da hörte ich Schritte. Eine Hand betastete mich und bewegte meinen Arm; dann vernahm ich die Stimme Winnetous...(3)


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Und dies ist denn der Anfang des neuen, des größeren, vollkommeneren Lebens. Winnetou! Sie haben es längst erraten, meine verehrten Zuhörer, daß es sich bei unserem Zitat um eines aus >Winnetou I< handelt, und es ist genau die Stelle, an der, mit Goethe zu sprechen, unser Held aufhört, bloß ein trüber Gast auf dunkler Erde, oder, mit Sam Hawkens zu sprechen, aufhört, ein Greenhorn zu sein. Die Wiedergeburt schenkt ihm den Herzensfreund Winnetou und den Glanz, der die Mythengestalt des Old Shatterhand umstrahlen wird, einen Glanz freilich, der in einem Lande aufgeht, das ansonsten, von Horizont zu Horizont, verfinstert unter den Schatten des Todes, den Melancholien des Unterganges, des Sterbenmüssens liegt. Und der Todesgedanke durchzieht alles, was in diesen Jagdgründen geschieht, den >finsteren<, wie sie auch treffend genannt werden.

Dieser wilde Westen ist ein Revier, in dem Thanatos herrscht, ist ein Land des Todes. Ist ein kimmerisches Reich, das, wie Homer erzählt, am Rande des Hades liegt und dessen Bewohner keinen Schritt tun ohne die Gefahr, von dieser Tiefe verschlungen zu werden.

Wie aber, so fragt sich der Leser von heute, hat man doch einst so fröhlichen Herzens und von Spannung euphorisiert diese bunte Welt der Abenteuer im ersten Band der Winnetou-Trilogie verschlungen? Hatte die kindliche Phantasie von der unheimlichen Tiefe nichts gespürt, weil der Scherzbold Sam Hawkens seine Clownerien trieb und das erzählende >Ich< die wohltuende Gewißheit gab, daß ja doch bezüglich seiner, des Wichtigsten, am Ende alles gut gehen würde?

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Da hätte er, dieser kindliche Leser, es doch schon in der Einleitung merken können, wo geschrieben stand: Ja, die rote Nation liegt im Sterben! Vom Feuerlande bis weit über die nordamerikanischen Seen hinauf liegt der riesige Patient ausgestreckt, niedergeworfen von einem unerbittlichen Schicksale, welches kein Erbarmen kennt. Er hat sich mit allen Kräften gegen dasselbe gesträubt, doch vergeblich; seine Kräfte sind mehr und mehr geschwunden; er hat nur noch wenige Atemzüge zu thun, und die Zuckungen, die von Zeit zu Zeit seinen nackten Körper bewegen, sind die Konvulsionen, welche die Nähe des Todes verkündigen... Da steigen viele, viele Fragen auf ... Aber was nützen solche Fragen angesichts des Todes, der nicht abzuwenden ist!(4)

Ja, wir nehmen diese und andere Erklärungen des Autors Karl May mit zunehmendem eigenen Lebensalter ganz ernst und gewichtig und


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erkennen schon von hier aus, daß >Winnetou I< ein Buch vom Tode, vom Sterben der Todgeweihten ist Dieser dunkle Schatten liegt über allem. Natürlich, wird man vielleicht einwenden, das ist doch immer die Art solcher Wildwestgeschichten: Abenteuer, aventiure lebt immer vom Reiz der Todesnähe. Aber schon, wenn wir die auch heute gängigen Grenzergeschichten und Westernfilme vergleichend heranziehen, wird man bemerken: in diesen herrscht der Optimismus des Siedler- und Pioniertums vom Fortschritt auf dem American way of life, und Leser oder Zuschauer identifizieren sich damit. In unserem >Winnetou< hingegen ist das umgekehrt. Eine zutiefst pessimistische Aussage steht schon programmatisch am Eingang, und der Autor selbst identifiziert sich mit diesen Todgeweihten. »Morituri te salutant« könnte als Motto voranstehen.

Insofern sind die ersten drei Bände der Winnetou-Tetralogie durchaus auch von anderen Produktionen dieses Autors unterschieden, als es hier kein Happy-end gibt, sondern die Unerbittlichkeit des Tragischen herrscht. Der Tod rafft sie alle dahin: Klekih-petra, Intschu tschuna, Nscho-tschi und zuletzt auch Winnetou selbst, von dem es schon in der Einleitung heißt: Er, der beste, treueste und opferwilligste aller meiner Freunde, war ein echter Typus der Rasse, welcher er entstammte, und ganz so, wie sie untergeht, ist auch er untergegangen, ausgelöscht aus dem Leben durch die mörderische Kugel eines Weißen. Ich habe ihn geliebt wie keinen zweiten Menschen und liebe noch heut die hinsterbende Nation, deren edelster Sohn er gewesen ist.(5)

Man weiß also, worauf es hinauslaufen und daß das tragische Ende unaufhaltsam, unaufhebbar sein wird. Merkwürdig ist es schon, daß der Dichter des >Winnetou< hier so anscheinend völlig gegen das eigentliche Interesse des erfolgreichen Erzählens verstößt, nämlich das Ende voranstellt und damit der epischen Spannung Abbruch tut. Eben dieses ist es, was den nachdenklichen Leser fasziniert. Wenn tragischer Verlauf und tragisches Ende so gewiß sind, vom erzählenden Old Shatterhand abgesehen, so will der Autor uns damit bedeuten, daß es ihm außer und hinter den bunten aventiuren noch um Wichtigeres geht. Zunächst darum: Ihm, Winnetou, literarisch das wohlverdiente Denkmal zu setzen, und wenn der Leser, so heißt es, welcher es mit seinem geistigen Auge schaut, dann ein gerechtes Urteil fällt über das Volk, dessen treues Einzelbild der Häuptling war, so bin ich reich belohnt.(6)

Ein Heldenlied also erwartet uns, und man mag an den Spruch aus der Edda denken, der da lautet: »Besitz stirbt/ Sippen sterben/ Du selbst stirbst wie sie/ Doch Nachruhm stirbt nimmermehr/ Den der Wackere gewinnt«.


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So scheint es. Aber der eigentliche Gehalt dieser mythischen Dichtung von Winnetou liegt tiefer, in tieferen Bonanzen, um einen Ausdruck Karl Mays zu verwenden. Wenn der Tod das eigentliche Kernthema ist, so doch nicht einfach als das bloß brutale Ende des Lebens, Sturz ins Nichts und ins Sinnlos-Hoffnungslose. Vielmehr dieses eben ist das Anliegen des Erzählers, zu fragen, ob Sterben, das dem Menschen als Vernichtung so grauenvolle Phänomen, nicht doch außer seiner biologischen Zwangsläufigkeit einen uns einsehbaren Sinn birgt. Das ist das Thema und - wenn man es so nennen will - die Philosophie insbesondere im ersten Band des >Winnetou<. Ich will es hier am Beispiel Klekih-petra des näheren interpretieren.

Es ist ein jäher, brutaler Tod, den Klekih-petra, der gute Mensch und weise väterliche Lehrer der Apachen, der Erzieher und Lehrer vor allem Winnetous, von der Hand eines sinnlos betrunkenen Mörders und dazu durch eine Kugel, die nicht für ihn, sondern für Winnetou bestimmt war, findet. Man sieht: ein sinnloseres, sinnwidrigeres Sterben läßt sich kaum denken. Ihm einen Sinn, eine Schicksalsbedeutung und einen in Künftiges wirkenden Lebenswert abzugewinnen, das ist ganz offenbar des Erzählers Absicht.

In dreifacher Weise hat Karl May das im Falle Klekih-petra ausgeführt. Ich bezeichne es vorwegnehmend in drei Stichworten: Schuld und Sühne ­Opfertod - Verklärung und Nachfolge.

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Zum Ersten: Schuld und Sühne sind insofern im Spiele, als Klekih-petra, wie er noch kurz vor seinem plötzlichen Tod Old Shatterhand in einer Art Lebensbeichte erzählt, in der achtundvierziger Revolution einer der fanatischsten Demagogen gewesen ist und sich deshalb am Tode vieler von ihm ins Unglück geführter Parteigenossen schuldig fühlt. Selber der Verfolgung entronnen, hat er seitdem sein ganzes weiteres Leben der Sühne dieser Schuld gewidmet. »... Wie oft bin ich dem Selbstmorde nahe gewesen; immer hielt mich eine unsichtbare Hand zurück - Gottes Hand. Sie leitete mich nach Jahren der Qual und der Reue zu einem deutschen Pfarrer in Kansas, der meinen Seelenzustand erriet und in mich drang, mich ihm mitzuteilen. Ich that es zu meinem Glücke. Ich fand, freilich erst nach langen Zweifeln, Vergebung und Trost, festen Glauben und inneren Frieden ...«(7)


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Nur am Rande sei hier bemerkt, wie sehr ernst und im Innersten engagiert Karl May an dieser Klekih-petra-Episode geschrieben hat, handelt es sich doch abermals um eine der Stellen, an denen das literarische Gebilde gleichsam gläsern wird und den Blick ins Menschlich-Biographische des Erzählers selbst freigibt. Claus Roxin hat schon darauf aufmerksam gemacht, wo die Begegnung mit jenem Pfarrer in Kansas ihre >Urszene< hat: in dem Kochta-Erlebnis während seiner Gefängniszeit, von dem May in >Mein Leben und Streben< berichtet hat.(8)

Inneren Frieden habe er gefunden, läßt May seinen Klekih-petra sagen, doch dieser Friede beruht auf der tätigen Wiedergutmachung: »Ich wollte wirken, womöglich grad entgegengesetzt meinem früheren Wirken. Da sah ich den roten Mann sich verzweiflungsvoll sträuben gegen den Untergang; ich sah die Mörder in seinem Leibe wühlen, und das Herz ging mir über von Zorn, von Mitleid und Erbarmen. Sein Schicksal war beschlossen; ich konnte ihn nicht retten; aber eins zu thun, das war mir möglich: ihm den Tod erleichtern und auf seine letzte Stunde den Glanz der Liebe, der Versöhnung fallen lassen. Ich ging zu den Apachen ... «(9)

Und am Ende seiner Lebensbeichte heißt es: »Woher es nur kommt, daß ich Ihnen dies erzählt habe? Ich sehe Sie heut zum erstenmal und werde Sie vielleicht nie wiedersehen. Oder ist es auch eine Gottesfügung, daß ich hier und jetzt mit Ihnen zusammengetroffen bin? ... Es ist mir mit einemmal so sonderbar, so weich, so wehe um das Herz, doch ist dies >wehe< kein schmerzliches Gefühl. Eine ganz ähnliche Stimmung überkommt einen, wenn im Herbste die Blätter fallen. Wie wird sich das Blatt meines Lebens vom Baume lösen? Leise, leicht und friedlich? Oder wird es abgeknickt, noch ehe die natürliche Zeit gekommen ist?«(10)

In dieser Stimmung von Melancholie kündigt sich das alsbald kommende Ende schon an, und zwar in einem poetischen Motiv, zu dem es bei Karl May ja ein lyrisches Gegenstück gibt, worin es heißt:

Ich bin so müd, so herbstesschwer
Und möcht am liebsten scheiden gehn.
Die Blätter fallen rings umher;
Wie lange, Herr, soll ich noch stehn?

Und hiermit stimmen dann auch die letzten Worte des sterbenden Klekih-petra überein: »Da fällt mein Blatt ­ - abgeknickt - ­ nicht leise ­ leicht - ­ es ist ­ - - die letzte Sühne ­ - ­ ich sterbe wie ­ ­ - wie ich es - - gewünscht.«(12)

Die letzte Sühne! Dieses also ist eine der Sinngebungen für Klekih-petras Tod. Erst sein Sterben vollendet das Abgelten jener Schuld am


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Tode anderer, unter der er sich belastet gefühlt hat. Und auch, daß es dieser gewaltsame Tod ist, der ihn dahinrafft, wie seine Mitkämpfer einst gewaltsam umgekommen sind, das Gleiche also durch das Gleiche gesühnt wird, diese Erkenntnis gibt noch dem Sterbenden die Überzeugung, daß sein Tod im Sinne einer metaphysischen Gerechtigkeit gottgewollt ist.

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Was der Erzähler auf diese Weise bewirken will, entspricht dem Bestreben des klassischen Dramatikers, das Tragische als sinnvolle Notwendigkeit zu deuten und dadurch den Leser oder Zuschauer mit dem bösen Ausgang der Handlung zu >versöhnen<. Solcher Versöhnung dient im Falle Klekih-petra noch ein zweites Erzählmoment. Klekih-petras Sterben ist nicht nur ein Sühnetod für begangene Schuld, es ist auch ein Opfertod, durch den der Tod eines anderen geliebten Menschen verhindert wird. Der mörderische Schuß hat ja Winnetou gegolten, mit dem der betrunkene Rattler in Streit geraten war. Und so heißt es im Text:

Ich machte noch einen Versuch der Vermittelung, doch vergeblich; die drei gingen zu ihren Pferden. Da erscholl vom Wagen her Rattlers Stimme: »Immer fort mit euch, ihr roten Hunde! Aber den Hieb ins Gesicht soll mir der Junge sofort bezahlen!« Zehnmal schneller, als man es ihm bei seinem Zustande zutrauen konnte, hatte er ein Gewehr aus dem Wagen genommen und schlug es auf Winnetou an. Dieser stand in diesem Augenblicke frei und ohne Deckung; die Kugel mußte ihn treffen, denn es geschah alles so schnell, daß ihn keine Bewegung retten konnte. Da schrie Klekih-petra voller Angst auf: »Weg, Winnetou, schnell weg!« Zu gleicher Zeit sprang er hin, um sich schützend vor den jungen Apachen zu stellen. Der Schuß krachte; Klekih-petra fuhr sich, von der Gewalt des Kugelaufschlages halb umgedreht, mit der Hand nach der Brust, taumelte einige Augenblicke hin und her und fiel dann auf die Erde nieder...(13)

Man wird gut tun, diesen Text sehr aufmerksam auf seinen ihm innewohnenden geistigen Gehalt abzuhorchen:

In diesem Augenblicke stürzte aber auch Rattler, von meiner Faust getroffen, zu Boden. Ich war, um den Schuß zu verhüten, rasch zu ihm hingesprungen, aber doch zu spät gekommen. Ein allgemeiner Schrei des Entsetzens war erschollen; nur die beiden Apachen hatten keinen Laut von sich gegeben. Sie knieten bei ihrem Freunde, der sich für seinen


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Liebling aufgeopfert hatte, und untersuchten stumm seine Wunde. Er war ganz nahe am Herzen in die Brust getroffen; das Blut schoß mit Gewalt hervor. Ich eilte auch hinzu. Klekih-petra hielt die Augen geschlossen; sein Gesicht wurde ... bleich und hohl. »Nimm seinen Kopf in deinen Schoß«, bat ich Winnetou. »Wenn er das Auge öffnet und dich erblickt, wird sein Tod ein froher sein.«(14)

Man liest es, dieses: der sich für seinen Liebling aufgeopfert hatte. Und hier wird man spüren, daß beides, was dem Sterben Klekih-petras einen höheren Sinn gibt, Sühne für begangene Schuld und freiwilliges Opfer des Lebens für ein anderes, geliebtes Leben, mit einem Male dem ganzen Geschehen eine Art höherer Weihe verleiht, die religiöse Motive anklingen läßt. Mitten im Getümmel des Wilden Westens, durch alles bloß Aventiurenhafte hindurchscheinend, ein Stück imitatio Christi! Und für den, der dafür Augen hat, es zu sehen, wird dieser Bezug aufs Numinose, auf Legendarisches noch verdeutlicht dadurch, daß der Erzähler ausdrücklich Winnetou veranlaßt, den Sterbenden auf seinen Schoß zu betten; wodurch die aus mittelalterlichen Traditionen bekannte Figurenkombination der sogenannten Pietà nachgebildet wird.

Daß übrigens (im epischen Motivreim hierzu) im dritten Band bei Winnetous Tod die gleiche Figur erscheint, sei hier nur kurz vorweggenommen. Auf letzteres haben neuerdings schon Ingmar Winter und Martin Lowsky hingewiesen.(15)

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An dieser Stelle tritt, was die Sinngebung des Sterbens betrifft, ein drittes Moment hinzu, das wiederum in seiner Art fast sakrale Bedeutung gewinnt. Wie nach biblischer Überlieferung die Passionsgeschichte eine Berufung der Jünger enthält, so stirbt auch Klekih-petra, in seiner imitatio des Passionsmusters, nicht ohne Beauftragung des Ich-Erzählers mit einem gleichsam geheiligten Vermächtnis: ... er sah Winnetou über sich gebeugt; ein seliges Lächeln glitt über seine so schnell eingefallenen Züge, und er flüsterte: »Winnetou, schi ya Winnetou - Winnetou, o mein Sohn Winnetou!« Dann schien es, als ob sein brechendes Auge noch jemanden suche. Es traf mich, und in deutscher Sprache bat er mich: »Bleiben Sie bei ihm ­ ihm treu ­ - ­ mein Werk fortführen, - -  -!« Er hob bittend die Hand; ich nahm sie in die meinige und antwortete: »Ich thue es; ja, sicher, ich werde es thun!« Da nahm sein Gesicht einen fast überirdischen Ausdruck an ...(16)


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So ist nun also die Bindung an Winnetou und der Auftrag, Klekih-petras Werk weiterzuführen und zu vollenden, eine durch den Tod geheiligte Pflicht für Old Shatterhand; aber sehr schlecht steht es mit den Aussichten in dieser Beziehung für die Zukunft. Die Freundschaft mit Winnetou ist nicht leicht zu gewinnen, denn beim krassesten Gegenteil fängt es damit an. »Ich will euer Freund, euer Bruder sein; ich gehe mit euch!« so drängte es sich mir über die Lippen. Da spuckte er mir in das Gesicht und sagte: »Räudiger Hund! Länderdieb für Geld! Stinkender Coyote! Wage es, uns zu folgen, so zermalme ich dich!«(17)

Man bemerkt, an dieser Stelle hat der Erzähler in seiner Geschichte wieder einmal neu ­ wenn ich so sagen darf - >die Spannung eingeschaltet<, die alles Weitere und auch die Neugier des Lesers auf das, was da kommen wird, erzeugt. Wie und warum er in eine solche zwingende Schicksalsfügung geraten mußte, darüber grübelt auch Old Shatterhand noch im nächsten Kapitel, wo es heißt:

Wenn mich etwas über den blutigen Vorgang beruhigen konnte, so war es der Umstand, daß Klekih-petra am Herzen Winnetous gestorben war, daß sein Herz die für Winnetou bestimmte Kugel aufgefangen hatte; dies war ja sein letzter Wunsch gewesen. Aber die Bitte an mich, zu Winnetou zu halten und das begonnene Werk zu vollenden? Warum hatte er sie an mich gerichtet? Noch vor wenigen Minuten hatte er gemeint, daß wir uns wohl nicht wiedersehen würden ... und nun erteilte er mir plötzlich eine Aufgabe, deren Lösung mich mit diesem Stamme in innige Beziehung bringen mußte. War dieser Wunsch ein zufälliges, leeres, weggeworfenes Wort? Oder ist es dem Sterbenden vergönnt, wenn er von seinen Lieben scheidet, im letzten Augenblicke, wenn die eine Schwinge seiner Seele bereits im Jenseits schlägt, einen Blick in ihre Zukunft zu werfen? Fast scheint es so, denn es wurde mir später möglich, seine Bitte zu erfüllen, obgleich es jetzt den Anschein hatte, als ob eine Begegnung mit Winnetou mir nur Verderben bringen könne. Warum hatte ich dem Sterbenden überhaupt mein Versprechen so schnell gegeben? Aus Mitleid ? Ja, wahrscheinlich. Aber es war wohl noch ein anderer Grund vorhanden, wenn ich mir seiner auch nicht bewußt gewesen war: Winnetou hatte einen tiefen Eindruck auf mich gemacht, einen Eindruck, wie ich ihn noch bei keinem andern Menschen empfunden hatte. Er war grad so jung wie ich, und doch wie mir so überlegen! Das hatte ich gleich beim ersten Blicke herausgefühlt. Die ernste, stolze Klarheit seines sammetweichen Auges, die ruhige Sicherheit seiner Haltung und jeder seiner Bewegungen und der wehmütige Hauch eines tiefen und verschwiegenen Grames, den ich auf seinem jugendlichen, schönen Gesichte zu entdecken glaubte, hatten mir es sofort angethan.(18)


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Ich möchte festhalten, was hier gesagt ist. Da ist erstens die schöne Metapher von der Seele, deren eine Schwinge bereits im Jenseits schlägt. Hier wird veranschaulicht, was in meiner Themenstellung dieses Vortrages »existentielle Grenzsituation« heißt. Es soll hiermit also der übernommene Auftrag, die Schicksalsbindung an Winnetou, als ein Metaphysikum verstanden werden, dem der Mensch nicht ausweichen darf und kann: »Gotteswille«, wie es an anderer Stelle auch heißt.

Doch zugleich versäumt der Erzähler nicht, uns zu versichern, es sei dabei doch eben auch rein Menschliches im Spiele: der tiefe Eindruck, den Winnetou auf Old Shatterhand gemacht hat. Und was die stolze Klarheit seines sammetweichen Auges, die Sicherheit seiner Haltung sowie der wehmütige Hauch eines tiefen und verschwiegenen Grames bewirken, ist die Faszination, die der Erzähler selber sich nicht scheut immer wieder mit dem Wort >Liebe< zu bezeichnen.

Wie aber diese beiden, das Bleichgesicht und der Indianer, über alle Verfinsterungen und kimmerischen Abenteuer hinweg zusammenfinden, das ist der Inhalt der - auch für Karl May ­ ungemein eindrucksvollen Fabulierkunst der nun folgenden Episoden. Ich gehe nicht weiter im einzelnen darauf ein, habe aber schon angedeutet, daß die ihn in Todesgefahr bringende Verletzung, die Winnetou Old Shatterhand zugefügt hat, die Wende bringt mit jener Erzählung von Sterben und Auferstehen, die ich eingangs zitiert habe.

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Hier geht es mir nun auch darum, zu zeigen, wie die Struktur des Legendarischen, der Heiligengeschichte, im weiteren Verlauf der Erzählung fortentwickelt wird. Der tote Klekih-petra wird bei Winnetous Stamm zur Kultfigur, sein Leichnam zur Reliquie. Das ist breit ausgesponnen mit ritueller Symbolik, in der das Credo von Sterben und Werden nun auch vom Häuptling Intschu tschuna feierlich beschworen wird:

»Die Sonne geht des Morgens im Osten auf und sinkt des Abends im Westen nieder, und das Jahr erwacht zur Frühlingszeit und geht im Winter wieder schlafen. So ist es auch mit dem Menschen. Ist es so?« »Howgh!« erschallte es dumpf rund umher. »Der Mensch geht auf wie die Sonne und sinkt wieder nieder in das Grab. Er kommt wie ein Frühling auf die Erde und legt sich wie der Winter zur Ruhe. Aber wenn die Sonne untergegangen ist, so erscheint sie am nächsten Morgen wieder, und wenn der Winter verstreicht, so ist der Frühling wieder da. Ist es so?«


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»Howgh!« »So hat uns Klekih-petra gelehrt. Der Mensch wird in das Grab gelegt, aber jenseits des Todes steht er auf wie ein neuer Tag und wie ein neuer Frühling, um im Lande des großen, guten Geistes weiter zu leben. Das hat uns Klekih-petra gesagt, und jetzt weiß er, ob er die Wahrheit gesprochen hat, denn er ist verschwunden wie der Tag und das Jahr, und seine Seele ging ein zur Wohnung der Verstorbenen, nach der er sich immer sehnte ... «(19)

Die Rede des Häuptlings ist lang, sie gipfelt geradezu in einer Art vergleichender Religionskunde. Vom Christentum des Klekih-petra distanziert er sich, verehrt jedoch die heilsame Wirkung, die von Klekih-petras Wirken stets ausging, und kommt zu dem Schluß: »Wir sagen, unsere Seelen gehen nach den ewigen Jagdgründen, und er behauptete, die seinige gehe ein zur ewigen Seligkeit. Oft denke ich, unsere Jagdgründe seien diese ewige Seligkeit. «(20)

Hier haben wir es: ein Stück Lessingscher Denkart nämlich; und man soll den Bericht von den religiösen Bestattungsriten und Mays Erläuterung dazu als ein schönes Beispiel von Toleranz erkennen; das dabei auch nicht ohne didaktische Tendenz ist. Und hierzu fällt mir des Matthias Claudius Mahnung in seinem Brief an seinen Sohn Johannes ein: »Verachte keine Religion, denn sie ist dem Geist gemeint, und du weißt nicht, was unter unansehnlichen Bildern verborgen sein könne.«(21) Interessanterweise ist es dieses Mal nicht Old Shatterhand, der anderen solche Toleranz erläutert, sondern (seltenes Exempel!) es ist Sam Hawkens, der ihn wie folgt belehrt, als der sich prüde empört über indianische Gebräuche beim Begräbnis eines Christen und über solchen - wie er meint ­ Mummenschanz:

»Unsinn! Diese braven, guten Leute glauben an einen großen Geist, zu dem der verstorbene Freund und Lehrer gegangen ist. Sie begehen die Abschieds-, die Todesfeier in ihrer Weise, und alles, was der Medizinmann dabei thut ..., ist von symbolischer Bedeutung.«(22)

Von symbolischer Bedeutung! Man vernimmt es und mag an dieser Formulierung erkennen, daß Symbolik von Geschehnissen dem Autor May sehr wohl schon in diesem 1893 erschienenen Werk, und nicht erst seit seiner spektakulären Wendung zum Symbolismus nach 1900, nahegelegen hat. Auch erkennen wir überall sonst in den von mir hier herangezogenen Motivkomplexen die mitschwingende Symbolik; wohingegen im Alterswerk die poetische Symbolik in Allegorie umschlägt.


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Symbolisch sind auch die Handlungen, die den Begräbnisriten integriert sind und die, indem sie das Verhältnis von Winnetou und Old Shatterhand besiegeln, den eigentlichen Kern des Buches bilden. Und hierbei ist zu beachten, welcher besonderen Art die Symbolik zeremonieller Reden und Handlungen ist, daß es sich nämlich, mit einer Formel gesagt, um nichts weniger handelt als um die Auflösung der Tragik in Mystik. Dieses zeigt sich in zweierlei Varianten, wenn man den Text daraufhin abhorcht. Hier zunächst Intschu tschunas feierliche Rede:

»Es ist Klekih-petras letztes Wort und letzter Wille gewesen, daß Old Shatterhand sein Nachfolger bei den Kriegern der Apachen sein möge, und Old Shatterhand hat ihm versprochen, diesen Wunsch zu erfüllen. Darum soll er in den Stamm der Apachen aufgenommen werden und als Häuptling gelten. Es soll so sein, als ob er rote Farbe hätte und bei uns geboren wäre. Damit dies bekräftigt werde, müßte er mit jedem erwachsenen Krieger der Apachen das Calumet rauchen; aber dies ist nicht nötig, denn er wird das Blut Winnetous trinken, und dieser wird das seinige genießen; dann ist er Blut von unserm Blute und Fleisch von unserm Fleische. Sind die Krieger der Apachen damit einverstanden? ... So mögen Old Shatterhand und Winnetou herbei zum Sarge treten und ihr Blut in das Wasser der Brüderschaft tropfen lassen!«(23)

So geschieht es.

Winnetou bekam die Schale mit meinem Blute und ich die mit dem seinigen in die Hand; dann sagte Intschu tschuna: »Die Seele lebt im Blute. Die Seelen dieser beiden jungen Krieger mögen ineinander übergehen, daß sie eine einzige Seele bilden ... «

Was, so ist man hier genötigt zu fragen, was ist dies anderes als ein ins Exotische verfremdetes Sakrament? Assoziationen an das Abendmahl melden sich: >Siehe, das ist mein Blut!< Und ebenso ans Ehesakrament mit diesem >Blut von unserem Blute und Fleisch von unserem Fleische<. Und weiter: Zwei Menschen, die von nun an eine einzige Seele haben: »Was Old Shatterhand dann denkt, das sei auch Winnetous Gedanke, und was Winnetou will, das sei auch der Wille Old Shatterhands.« Eine Art unio mystica also ereignet sich. Und eben das ist die letzte Konsequenz aus jenem imperativischen »Stirb und werde!«, um das es sich handelt. Insofern wird die Tragik des Sterbens, des Opfers im Falle Klekih-petras gewissermaßen aufgehoben in Mystik, als in der Vereinigung, der Einswerdung des Indianers mit dem Weißen die geistige Vorstellungswelt und humane Lebensauffassung des Geopferten auf einer höheren Stufe aufersteht und aufs neue wirken wird.


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Interessant ist, auf welche Weise Karl May seinen Old Shatterhand das Ereignis selber kommentieren läßt. Er wünscht eine etwaige mißverständliche Deutung als Magie und Zauber zurückzuweisen: Es wurde dabei dem Genusse des Blutes weder von mir, noch von den Apachen irgendwelche Wirkung zugeschrieben, sondern er hatte nur eine rein symbolische, also bildliche Bedeutung! Wieder also der Hinweis auf das Symbolische! Aber sogleich fährt Old Shatterhand fort: Und doch, höchst sonderbar, trafen später stets die Worte Intschu tschunas zu, daß wir eine Seele mit zwei Körpern sein würden.(24)

Kein Zauber also, aber höchst sonderbar!

Das Mysterium setzt sich noch fort; und auch hierbei stellen sich im Leser unwillkürlich Assoziationen religiöser Art ein, wenn es bei der Grablegung Klekih-petras heißt: »Jetzt ist der neue, der lebende Klekih-petra bei uns aufgenommen, und wir können den toten seinem Grabe übergeben.«(25)

Das Mysterium eines >Stellvertreters<, ja mehr, die Wiedergeburt eines Verstorbenen in einem neuen Dalai Lama wird hier geradezu imitiert. Höher konnte der Erzähler nicht greifen. Die mythenbildende, an der Bibel geschulte und von religiösen Vorstellungen durchtränkte Phantasie dieses Erzählers hat ein Grundmuster epischer Strukturen erzeugt, das ich hier nur am Beispiel Klekih-petras genauer analysiert habe, das aber durch das ganze Œ Œuvre hin in dieser oder jener Abwandlung erkannt werden kann. Sinngebung des Todes ist bei Karl May ein Metaphysikum, worin Sterben in ein Werden umschlägt, sei es in diesem oder in jenem Leben oder in beiden: »de morte transire ad vitam« (Requiem).

Ohne Zweifel ist eben diese Eigenart, diese hier aufgezeigte >Lesart< oder >Leseebene< das Originale, das die Abenteuerbücher Karl Mays von nahezu allen anderen Produktionen dieser Gattung unterscheidet. Frömmigkeit ist keineswegs, wie man gelegentlich kritisiert hat, seinen Geschichten nur lose aufgeklebt -, sie ist vielmehr das zuunterst liegende Fundament, über dem sich die weitbögigen literarischen Schöpfungen erst aufbauen. Die Verhaftung im Religiösen, die das Resultat seines inneren Werdeganges ist (von Großmutter, Pastor, Seminar bis zu Kochta), zeigt sich aber zugleich überall von einer kräftigen Einwirkung aufklärerischer Philosophie - von Lessing und Herder her - kontrapunktiert: in der Ablehnung jeglichen Fanatismus und in der ständigen Betonung der Toleranz. So kommt es sogleich nach der Blutsverbrüderung zwischen Old Shatterhand und Winnetou zur Sprache:

»Ob ich ein guter Christ bin, das weiß ich nicht, das weiß nur Gott; aber ich möchte es gern sein.« »So hältst du uns für Heiden?« »Nein. Ihr


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glaubt an den großen, guten Geist und betet keine Götzen an.« »So erfülle mir eine Bitte!« »Gern! Welche?« »Sprich nicht vom Glauben zu mir! Trachte nicht danach, mich zu bekehren! Ich habe dich sehr, sehr lieb und möchte nicht, daß unser Bund zerrissen werde. ... Dein Glaube mag der richtige sein ... Wenn uns die Christen nicht verdrängten und ausrotteten, so würden wir sie für gute Menschen halten ... Ich bemühe mich, ein guter Mensch zu sein, und bin da vielleicht ein Christ, ein besserer Christ als diejenigen, die sich zwar so nennen, aber keine Liebe besitzen und nur nach ihrem Vorteile trachten.«(26)

Ich kann diese Textstelle gar nicht zitieren, ohne dabei zugleich Mays geistigen Ziehvater Lessing im Geiste mit zu hören, der in >Nathan der Weise< den Klosterbruder über den Juden so emphatisch ausrufen läßt:

Nathan! Nathan!
Ihr seid ein Christ!­
    Bei Gott, Ihr seid ein Christ!
Ein beßrer Christ war nie!

Winnetous Wort vom besseren Christen ist ein verkapptes Zitat!(27)

10

Dieses sei nur nebenbei bemerkt. Hier kam es mir darauf an, die legendarische, hagiographische Struktur aufzudecken, die der bunten Abenteuerlichkeit der Erzählung als Kern innewohnt. Und was sich im ersten Bande der Winnetou-Tetralogie als eine in sich geschlossene Struktur darstellt, eben das Hagiographische um die Figur des Klekih-petra, und hier gewissermaßen >en miniature<, das wird nun im Großen und monumental um die Figur Winnetous ausgespannt. In seinem Tode im dritten Bande wird Klekih-petras Tod motivisch wiederholt, und diesmal mit allen nur irgend möglichen funebren Riten wie dem feierlichen Ave Maria ausgestaltet, auch, wie schon angedeutet, die quasi kultische Figur der Pietà wiederholt:

»Mein Freund lege mich in seinen Schoß ... « Er hatte die Augen geschlossen und antwortete nicht; ich aber hielt seinen Kopf in meinen Armen und wagte nicht die geringste Bewegung.(28)

Gewiß, die Figur Winnetou ist keine Darstellung nach der Natur und historischen Realität, er ist die Kopfgeburt der mythomanischen Phantasie seines Schöpfers, ist eine »Ikone«, wie Manfred Durzak gesagt hat.(29) Der legendarische Glanz um diese Figur paßte aber nun am Ende


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des dritten Bandes kaum noch zu dem so tragisch gestimmten Vorwort und dem diesem korrespondierenden Schluß, wo es doch heißt: So verschwand das Testament des Apachen grad so, wie sein Verfasser schwand und die ganze rote Rasse verschwinden wird, reich angelegt, doch ohne den großen Zweck zu erreichen, die ihm gestellte hohe Aufgabe erfüllen zu dürfen. Wie die Fetzen des Testamentes in die Luft gestreut, so halt- und ruhelos und fetzenhaft irrt und schwebt der rote Mann über die weiten Flächen, die einst ihm gehörten. ... Und wenn einst der letzte dieser Fetzen zwischen Busch und Wasser vermodert ist, dann wird eine rechtlich denkende und fühlende Generation vor den Savannen und Bergen des Westens stehen und sagen: »Hier ruht die rote Rasse; sie wurde nicht groß, weil sie nicht groß werden durfte!«(30)

Aber das konnte nun unmöglich das abschließende Ergebnis bleiben, das mußte der Autor gefühlt haben, sobald er auf diese Weise abgeschlossen hatte. Das hagiographische Schema verlangte nach dem die Tragik überwindenden Schluß, das Sterben nach einem Werden; denn, wie Karl May es an anderer Stelle formuliert hatte: Ein tragisch Ende kann es nirgends geben.(31) Und so m u ß t e denn dem dritten Bande des >Winnetou< ein vierter noch folgen, um die Legende zu ihrem Abschluß zu bringen.(32)

Und er brachte nicht nur die Legende Winnetou, er brachte auch die lange Reihe der 33bändigen Gesamtausgabe der Werke Karl Mays zum Abschluß. Das war in den Jahren 1909 bis 1910, daß der längst in die Symbolwelt seines Alterswerks eingegangene Autor daran arbeitete. Wir erwähnen das hier vor Ort, das heißt in Augsburg, besonders deshalb, weil in einer Zeit, da der greise Dichter Opfer einer kritischen Pressekampagne war, die sich täglich mehr in geifernd böser Hetze überschlug (gegen den Zuchthäusler, Jugendverderber und Lügenbold May), dieser der tödlichen Verzweiflung anheimzufallen drohte, hätte nicht eben zu Augsburg zur rechten Schicksalsminute für ihn eine ihm in Verehrung geneigte Gemeinde bereitgestanden, die in der Vorweihnachtszeit 1909 seinem Vortrag >Sitara, das Land der Menschheitsseele< lauschte und ihm die >Augsburger Postzeitung< zum Vorabdruck des >Winnetou IV< öffnete.

Damit schloß er nun die Hagiographie Winnetous ab; das war, was aller Struktur des Legendarischen nach dazugehörte, war die strahlende Apotheose Winnetous (wie Sascha Schneider sie gemalt hat); war das wunderwirkende Nachleben Winnetous als Idol und Stifter eines neuen Bundes; war die imitatio dieser Kultfigur durch eine große und stets wachsende Gemeinschaft von Gläubigen im Clan Winnetou. Da kommt es nun zur Auffindung von Winnetous Testament, gleichsam


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der kanonischen Schriften dieser Quasi-Religion. Einen Mount Winnetou gibt es auch, wie es ja Olympos, Sinai und Golgatha gibt, den heiligen Berg also als Zentrum und Ziel der Verehrung. Sogar eine Art Bilderstreit wie nach Jahwes Gebot >Du sollst dir kein Bildnis machen< führt Shatterhand a. D. Karl May herauf, indem er gegen die Errichtung einer Monumentalfigur Winnetous zu kämpfen hat, weil Winnetou nicht als tote Statue, sondern lebendig in den Seelen der Menschen erstehen und sie zu neuen Menschen verwandeln soll. Und schließlich, gegen alle historische Wirklichkeit des dazumal real existierenden Amerika die euphorisch beschworene Utopie einer dennoch bevorstehenden herrlichen Zukunft der Indianer durch eben diesen in ihnen wirkenden Geist des großen Winnetou: »Meine Brüder mögen sehen, daß der Tag im Erscheinen ist, der junge Tag, den die Sprache der Menschen den Morgen nennt. Zur selben Zeit ist in mir, und, wenn Manitou es will, in ihnen auch ein Tag erschienen, ein neuer, junger, schöner Tag, schöner als alle die Tage, die vergangen sind. Ich meine den neuen, großen, herrlichen Tag der roten Nation. Er wurde in diesen unserm Winnetou geweihten Stunden in euch geboren. Fühlt ihr ihn? Und fühlt ihr tief in euch die Seele dessen, um dessen Testament wir uns versammelten, zu erfüllen, was er uns in ihm erläutert und verheißen hat? Fühlt ihr sein Bild, welches in euch wachsen will?« >>Es ist da!« antwortete Athabaska. »Ja, es ist da!« rief Aschta, die Begeisterte. »Es ist da; es ist da!« stimmten auch die anderen bei.(33)

Man bemerkt, wie das Wort Testament, das noch im dritten Bande nichts anderes als eine Rechtsbestimmung des Verstorbenen an seine Erben gewesen, jetzt eine Bedeutung bekommen hat, wie in der Bibel vom Alten und Neuen Testament die Rede ist. Winnetous Testament ist die kanonische Glaubensschrift, ist Evangelium geworden. Nur freilich, für diesmal wird uns der Text nicht verraten: Den Inhalt dessen, was ich vorlas, wird man kennen lernen, wenn das Testament im Druck erscheint.(34) Und wie man weiß, wollte Karl May nicht weniger als fünf Bände damit füllen.

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So also ist aus Winnetous Sterben ein neues Werden, eine Auferstehung geworden. Ich behaupte aber, und andere Interpreten sind auch im übrigen Werke Karl Mays auf Belege gestoßen, die meine Behauptung stützen: daß nämlich dasjenige, was wir existentielle Grenzsituation genannt haben, dieses Strukturmodell von »Stirb und Werde« dem


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Schaffen unseres Autors überhaupt als entscheidendes Movens innewohnt. Ich kann hier nur noch abschließend auf einige herausragende Beispiele hinweisen. Da haben wir das beliebte, fast unzählige Male variierte Motiv von der Todesverfallenheit in unterirdischen Verliesen, die Todesurteile gegen den Helden, und alsdann Erlösung, Befreiung, Wiederaufstieg zu Licht und Leben. Da gibt es, schon im Titel das Thema der existentiellen Grenzsituation formulierend, den Band 25 >Am Jenseits<. Im dritten Bande des >Silberlöwen< finden wir das Kapitel >Am Tode<, das wohl alle ähnlichen an autobiographischer Bedeutsamkeit überragt und in engster Verbindung steht zu jener sogenannten Studie >Frau Pollmer<, die wiederum nichts anderes ist als ein Bericht von tödlicher Gefährdung und als Wunder erfahrener Rettung in eine neue Geborgenheit, in eine höhere Form der Existenz. Und weiter gehört hierzu die so eindrucksvoll kafkaeske Episode von der Totenstadt in >Ardistan und Dschinnistan<. Ja, genau genommen wäre zu sagen, daß überhaupt alle Abenteuergeschichten Karl Mays auf jener schmalen Schiene über dem Abgrund von Todesverfallenheit laufen, die wir philosophisch als existentielle Grenzsituation bezeichnen. Und überall die charakteristische Verquickung von Religion und Kolportage, von aventiure und unio mystica, das Doppelspiel von Sterben und Werden, so mannigfach variiert als Schuld und Sühne, Kerker und Befreiung, Leid und Erlösung: die Suche nach dem Ort, wo die Tore des Paradieses noch geöffnet sind.

Man fragt bei solchem Befund zwangsläufig nach der Befindlichkeit des Autors. Es kann nicht anders sein, als daß er selbst sein Leben lang vom Gefühl existentieller Bedrohtheit umgetrieben war, und daß die ihn am Ende verzehrende skriptomanische Energie, die er an sein literarisches Riesenœuvre verströmte, nötig war, um ihn schreibend-schaffend seiner Existenz zu versichern: Ich s c h r e i b e, also b i n ich!

Daß aber das Thema vom Sterben und Werden als ein Kernmotiv seines Schreibens überhaupt zu werten ist, daß es nicht erst gegen Ende, sondern schon am allerersten Einsetzen seines literarischen Bemühens klar hervorgetreten ist, dafür zeugt das früheste seiner Manuskripte, noch aus der Gefängniszeit, das seltsame Schriftwerk >Ange et Diable<, dessen deutschsprachiger Teil so beginnt: Es geht ein großer Gedanke durch die ganze Schöpfung, die ganze Welt, die ganze Menschheit: der Gedanke der Entwickelung. Das Leben ist eine fortgesetzte Synthese, bestehend aus Untergang und Auferstehung, aus Sterben und Geboren werden.(35)


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1 Von mir zitiert in der Einleitung zu Heinz Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May Bamberg ²1979, S. XII.

2 Heinz Stolte: Der Fiedler auf dem Dach. Gehalt und Gestalt des Romans >»Weihnacht!«<. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1986. Husum 1986, S. 31

3 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VII: Winnetou der Rote Gentleman I. Freiburg 1893, S. 299-302

4 Ebd., S. 1/4f.

5 Ebd., S. 5

6 Ebd., S. 6

7 Ebd., S. 129f.

8 Claus Roxin: »Winnetou« im Widerstreit von Ideologie und Ideologiekritik. In: Karl Mays >Winnetou<. Studien zu einem Mythos. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Frankfurt a.M. 1989, S. 288 (suhrkamp taschenbuch materialien 2102)

(9) May: Winnetou I, wie Anm. 3, S. 130

10 Ebd., S. 131

11 Karl May: Himmelsgedanken. Freiburg 1901, S. 117

12 May: Winnetou I, wie Anm. 3, S. 135

13 Ebd., S. 133f.

14 Ebd., S. 134

15 Ingmar Winter: »Er lag in meinem Schoße«. Gedanken zu Sterbeszenen im Winnetou-Roman. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 67/1986, S. 38 - 40 - ferner: Martin Lowsky: Roß und Reiter nennen. Karl Mays >conte philosophique< von Winnetous Tod. In: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 8, S. 314 - Lowsky weist auch darauf hin, daß das Pieta-Motiv bei Winnetous Tod schon ein Jahrzehnt früher (als bei Klekih-petras Sterben) verwendet wurde, nämlich bereits 1883 in >Im »wilden Westen« Nordamerikas< (Reprint in: Karl May: Winnetou's Tod. Hrsg. und erläutert von Roland Schmid. Bamberg 1976, S. 99 - Neudruck: Karl May: Im wilden Westen. Husum. Hamburger Lesehefte. Heft 169, S. 85) - Zur Deutung des Pieta-Motivs vgl. auch: Wolfram Ellwanger/Bernhard Kosciuszko: Winnetou ­ Eine Mutterimago. In: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 8, S. 366ff.

16 May: Winnetou I, wie Anm. 3, S. 134f.

17 Ebd., S. 136

18 Ebd., S. 139f.

19 Ebd., S. 413

20 Ebd., S. 414

21 Vgl. hierzu Heinz Stolte: Matthias Claudius. Husum 1988, S. 89ff.

22 May: Winnetou I, wie Anm. 3, S. 412

23 Ebd., S. 416 - die folgenden Zitate S. 417

24 Ebd., S. 418

25 Ebd., S. 418f.

26 Ebd., S. 424f.

27 Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise. IV, 7

28 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IX: Winnetou der Rote Gentleman III. Freiburg 1893, S. 472

29 Manfred Durzak: Winnetou und Tecumseh. Literarische Ikone und historisches Bild. In: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 8, S. 148ff.

30 May: Winnetou III, wie Anm. 28, S. 627

31 Karl May: Babel und Bibel. Freiburg 1906, Motto

32 Hierzu und zu >Winnetou IV< überhaupt vgl. die Einleitung von Dieter Sudhoff in: Karl May: Winnetou, Band IV. In: Augsburger Postzeitung, Beilage Lueginsland Nr. 88 (1909) ­ Nr. 36 (1910), Augsburg; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1984, S. 3 - 9, sowie die dort von Roland Schmid beigegebenen und erläuterten >Notizen<. - Über Mays Korrespondenz mit Dr. Hans Rost von der Redaktion der >Augsburger Postzeitung< sowie den erwähnten Vortrag Mays vgl. man die vorzügliche Dokumentation, die der Karl May-Verlag termingerecht zur Augsburger Tagung der Karl-May Gesellschaft vorgelegt hat: Karl Mays Augsburger Vortrag - 8. De-


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zember 1909 -. Eine Dokumentation für die Karl-May-Forschung. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1989.

33 May: Winnetou, Band IV, wie Anm. 32, S. 218 - Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXIII: Winnetou IV. Freiburg 1910, S. 523f.

34 May: Winnetou, Band IV, wie Anm. 32, S. 218 ­ May: Winnetou IV, wie Anm. 33,

35 Als Faksimile (Sonderdruck) veröffentlicht vom Karl-May-Verlag, Bamberg 1972­ umschriftlich, doch nicht durchgehend zeichengetreu, in: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 128-132 (129)


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