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MICHAEL SCHMIDT-NEKE

Von Arnauten und Skipetaren
Albanien und die Albaner bei Karl May



I. Stellung im Gesamtwerk

Karl May hat in seinen Orienterzählungen die kleineren Völker des Osmanischen Reiches teils liebevoll, teils stiefmütterlich behandelt. Das Bild der Kurden ist insgesamt sympathisch gezeichnet, aber gerade die zahlreichen Ausnahmen machen es glaubwürdig. Ganz ähnlich ist May ja auch mit den Indianern verfahren, und es ist kein Zufall, daß Kurden und Indianer die Idealtypen des Mayschen ›Edelmenschen‹ Marah Durimeh und Winnetou stellen. Demgegenüber begegnet May den Armeniern mit pauschaler Antipathie, ja, bis ins Physische reichender Diskriminierung.(1) Diese Abneigungen gegen Armenier und bestimmte Mischlinge bauen sich nicht einmal im Spätwerk Mays völlig ab (vgl. den ›Nigger‹ und den Halbarmenier Antonius Paper in ›Winnetou IV‹).

   Die meisten der Orienterzählungen spielen im vorderasiatischen Raum und in Nordafrika. Dagegen nimmt der Balkan, genauer: nehmen die um 1880 noch zum Osmanischen Reich gehörenden Gebiete Südosteuropas, nur einen untergeordneten Platz ein. Nur die zweite Hälfte des sechsbändigen Orientzyklus, der ursprünglich als häufig unterbrochener Fortsetzungsroman im ›Deutschen Hausschatz‹ erschien, spielt in diesem Raum; der Reiseweg führt von Stambul über das heutige bulgarisch-türkische Grenzgebiet und Makedonien nach Albanien.

   Diese Monographie soll Mays Bild von Albanien und den Albanern nachzeichnen und kritisch überprüfen; dieses Bild soll in sein Weltbild eingeordnet, seinen Quellen und seiner Rezeption nachgegangen werden. Worum es hier nicht gehen soll, ist, inwieweit die Personen, Schauplätze und Aktionen Chiffren für Mays Leben sind; diese Frage hat Gerhard Linkemeyer für die Balkanbände erschöpfend behandelt.(2) ›Albanien‹ bedeutete für May und seine Zeitgenossen der albanische Siedlungsraum, nach heutigen Begriffen also neben der Republik Albanien die von Serbien kontrollierte Region Kosovo sowie Teile Westmakedoniens. Hier begegnen der Erzähler (Kara Ben Nemsi) und seine Begleiter in den Bänden ›Durch das Land der Skipetaren‹ und ›Der Schut‹ naturgemäß Albanern.

   Weniger klar als der Ort ist dabei die Zeit der Handlung, weil es im Orientzyklus fast völlig an zeitgeschichtlichen Hinweisen mangelt, die


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eine klare Datierung ermöglichen könnten. Midhat Pascha hat seinen Posten als Vali von Bagdad bereits verloren;(3) damit muß die Reise nach 1871 stattgefunden haben. Bulgarien ist noch nicht selbständig;(4) das wurde es erst 1878 infolge des Russisch-Türkischen Krieges, der im April 1877 begann. Weder dieser Krieg noch der ihm vorangehende Serbisch-Türkische Krieg (Beginn im Juli 1876) noch der ›April-Aufstand‹ der Bulgaren von 1876 finden Niederschlag im Text. Damit kann die Handlungszeit auf ca. 1872 – Anfang 1876 eingegrenzt werden.

   Mit dem Schauplatz Balkan ist das Thema aber keineswegs erschöpft, denn Albaner treten auch an einer Reihe von anderen Stellen des Mayschen îuvres auf, nämlich als osmanische Soldaten und Polizisten.

   Ein nicht zu unterschätzendes Problem stellt der Textzustand dar. Zitiert wird, wenn nicht anders angegeben, nach der historisch-kritischen Edition von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger(5) oder nach der Klein-Oktav-Ausgabe des Verlages Fehsenfeld, Freiburg 1892-1910, die den direktesten Zugriff auf Mays authentischen Kenntnisstand erlauben. Gelegentlich wird pauschal auf spätere Textveränderungen in den Ausgaben des Karl-May-Verlags (KMV) verwiesen, die nicht völlig ignoriert werden können, weil sie als konstitutive Elemente von Mays Albanienbild rezipiert wurden und werden.(6)


II. Rezeption(7)

Üblicherweise untersucht man die Rezeption von Werken erst zum Schluß einer Analyse. Ich will hier anders verfahren, um zu illustrieren, welche Ausstrahlung Mays Titel ›Durch das Land der Skipetaren‹ hatte. Schon bei der Nennung dieses Titels stößt man auf ein Paradox: Einerseits nehmen die Albaner im Gesamtwerk Mays, aber auch in den Balkanbänden nur eine marginale Stellung ein; auf der anderen Seite ist kaum ein Romantitel Mays so intensiv rezipiert worden wie ›Durch das Land der Skipetaren‹.(8) Generationen von Autoren populärer Darstellungen über Albanien haben an die Wortwahl Mays unmittelbar angeknüpft. Karl May hat die Eigenbezeichnung der Albaner keineswegs als erster in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt, aber ihre Popularisierung verdankt sie ausschließlich diesem Titel.

   Die Albaner haben im 17. Jahrhundert den Volksnamen  a r b ë r  durch  s h q i p t a r  ersetzt, was wahrscheinlich jemanden bezeichnet, ›der verständlich spricht‹. Etymologien, die das Wort mit ›shqipe‹ (›Adler‹) o. a. verbinden, gehören in die nationale Romantik und werden seit langer Zeit nicht mehr ernsthaft vertreten. Im deutschen Sprachraum wurde zunächst (bis kurz nach 1900) die aus dem Italieni-


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schen entlehnte Form ›Albanesen‹ verwendet, die dann durch ›Albanier‹ in Konkurrenz mit ›Albaner‹ abgelöst wurde, wobei sich letzteres schließlich durchsetzte.(9) Die Selbstbezeichnung ›Schkipetaren‹ hat in einem Buchtitel erstmals Xylander 1835 in einer der ersten Monographien über die albanische Sprache verwendet.(10) Der Ausdruck fand sich zunehmend in Büchern über den Balkan: Robert sprach 1844 von ›Skipetars‹; Kohl bestritt, daß es sich überhaupt um ein albanisches Wort handle; Gopcevic benutzte 1881 das Wort mit diakritischem Zeichen: ›Skipetaren‹.(11)

   Doch publikumswirksam führte May diesen Volksnamen erst 1887/88 im ›Deutschen Hausschatz‹ ein, wo unter der Überschrift ›Durch das Land der Skipetaren‹ die letzten Kapitel des 4. Bandes, der ganze 5. Band sowie der 6. Band (ohne den später nachgeschriebenen Anhang über Rihs Tod) der späteren Buchausgabe (bei Fehsenfeld 1892 erschienen) erstmals veröffentlicht wurden.(12) May ist sprachlich nicht konsequent: Neben Skipetar kommt auch das lautlich korrektere Schkipetar vor; der übliche Plural ist wie im Buchtitel Skipetaren, doch bildet er gelegentlich auch (wie Robert) den Plural Skipetars.(13) In keiner Sprache außer dem Deutschen (und dem Serbischen, wo einen pejorativen Klang hat bzw. zur künstlichen Unterscheidung der genannten Albaner im ehemaligen Jugoslawien von den ›albanci‹ in Albanien gebraucht wird) hat das Wort ›shqiptar‹, auch in der Literatur über Albanien, eine solche Verbreitung erreicht.

   Die Nachwirkung des Titels und des Volksnamens sei hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – anhand einiger markanter Beispiele verdeutlicht: Kurz nach Karl Mays Tod erschien in Berlin als 3. Band der ›Reisen und Abenteuer‹ des Dr. Franz Sättler ›Bei den Arnauten‹;(14) das Buch war Karl Mays Andenken gewidmet und mit einem Huldigungsgedicht an Sättlers großes Vorbild eingeleitet. Es liest sich wie eine einzige Collage aus zahlreichen Personen und Handlungselementen Mays, wobei er selbst als Ich-Erzähler die Rolle des omnipotenten Kara Ben Nemsi übernahm und Kämpfe gegen albanische Räuber bestritt. Die Reisefotos, die den Autor und seine Frau im albanischen Ambiente zeigen, wirken mindestens so unfreiwillig komisch wie die von Karl May im Old-Shatterhand-Habitus. Allerdings waren die Kenntnisse Sättlers, eines Orientalisten, von Land, Leuten und Sprache um ein Vielfaches besser als die Mays.

   Ein weiterer, wenn auch kritischerer Epigone Karl Mays war Wilhelm Matthiessen (auch Verfasser von ›Karl Mays wunderbare Himmelfahrt‹) mit ›Nemsi Bey – Der deutsche Waffenschmied im Skipetarenland‹ und der Fortsetzung ›Unter den Komitadschis‹.(15) Obwohl Mays Darstellungen als häufig irrig bezeichnet werden,(16) ist schon der ›nom de guerre‹ des Ich-Erzählers eine Hommage an Kara Ben Nemsi Effendi.


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   Der Ethnograph Hugo Adolf Bernatzik ist Verfasser eines der bekanntesten und auflagenstärksten Albanien-Bücher. Für spätere Auflagen änderte er den Titel von ›Europas vergessenes Land‹ in ›Albanien – Das Land der Schkipetaren‹:(17) trotz der sprachlich korrekteren Form eine Anlehnung an Karl Mays populären Titel.

   Nicht im Buchtitel, aber inhaltlich schlug sich Mays Werk an historisch bedeutender Stelle nieder: Der Sonderbeauftragte des May-Lesers Hitler für den besetzten Balkan, Hermann Neubacher, verweist in seinen Memoiren auf die durch May begründete Albanerfreundlichkeit der Deutschen allgemein und von Besatzungsoffizieren im besonderen.(18)

   Die romanhaften Kriegserinnerungen Hermann Franks über ›Bandenkämpfe in Albanien‹ sind überschrieben: ›Landser, Karst und Skipetaren‹.(19) Auch in einem regimentsgeschichtlichen Sammelband(20) erinnern sich mehrere deutsche Kriegsteilnehmer »an den Band ›Durch das Land der Skipetaren‹ von Karl May« (S. 242), an die »›Schluchten des Balkans‹« (S. 244), an das »Skipetarendorf Kruja« (S. 248).

   Jonny Behm (Pseudonym für Elisabeth Joost) ließ unter dem Motto ›Balkan, Bakschisch und Basare – Zwei Reporterinnen auf Karl Mays Spuren‹(21) in den 30er Jahren von Kotor bis Edirne reisen. 1976 erschien eine Reportagensammlung über die Stätten von Mays Büchern; Josef Nyary fuhr unter der Aufsicht staatlicher Begleiter und Bewacher ›Durch das Land der Skipetaren‹.(22)

   In der DDR stieß Karl May bis ca. 1980 auf Ablehnung.(23) Das hinderte nicht, in Veröffentlichungen über Albanien an seinen Titel anzuknüpfen. ›Das Land der Skipetaren‹ von Kurt Rückmann bezieht sich im Vorwort auf May und zitiert im ersten Kapitel ausführlich aus seinem Buch, um sich davon zu distanzieren: May habe mit seinen Abenteuergeschichten in Ermangelung besserer Literatur über Albanien bis heute »Millionen Deutsche« fehlinformiert.(24)

   Unter dem Titel ›Im Land der roten Skipetaren‹ gab Detlef Schneider, Chefredakteur des Organs der proalbanischen und gegenüber der DDR extrem ablehnenden KPD/ML, ›Roter Morgen‹, 1980 seine sehr propagandistische Sicht von Land und Leuten heraus. Im Vorwort bezieht auch er sich ausdrücklich auf die romantisch-fiktive Darstellung Mays; ihm und zahlreichen negativ gehaltenen Presseberichten über Albanien will er nun (wie Rückmann 20 Jahre zuvor) ein positives und darum realistisches Bild des Landes entgegensetzen.(25)

   Rezeptionsgeschichtlich interessant ist die Monographie des Wehrmachtsoffiziers und späteren österreichischen Botschafters in Jugoslawien und Albanien, Walther Peinsipp, über das Gewohnheitsrecht. Bereits der Titel: ›Das Volk der Schkypetaren‹ weckt erneut die bekannte Assoziation.(26) Der durch Sprachgebrauch und Wissenschaft überhaupt nicht gedeckte Versuch, den Begriff ›Schkypetaren‹ nur auf die nord-


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albanischen Stämme anzuwenden, steht einzigartig dar. Er nennt Karl Mays Buch als Motiv seines Interesses an Albanien und schreibt: »Meiner Meinung nach darf man den Einfluß von Karl May nicht unterschätzen, der die Schkypetaren zu einem populären Begriff machte – den er nicht selber erfunden haben kann –, und zwar in Europa und von da ausstrahlend vor allem in der angelsächsischen literarischen Welt.«(27) Über den Brautraub weiß er zu berichten, er sei nicht so häufig gewesen, »wie man aus der Lektüre von Karl Mays Roman annehmen könnte«.(28) Dies ist außerordentlich bezeichnend für einen Teil der May-Rezeption: Alle Klischees, die man irgendwo gelesen, gehört bzw. in Kino oder Fernsehen aufgenommen hat, werden gebündelt und auf May als vermeintliche Quelle zurückprojiziert. Denn an keiner Stelle in Mays Werk ist vom Brautraub bei den Albanern die Rede.

   Noch 1986 heißt es – ein wenig verzweifelt – im Vorwort eines von der Deutsch-Albanischen Freundschaftsgesellschaft e.V. herausgegebenen Reiseführers: »Wem fällt auch nicht zuerst Karl May ein, wenn die Rede auf die Skipetaren kommt?«(29) Und 1989 wurde ein kurzer Artikel in einem Reisebuch, der sich mit dem Albanienbild des Auslandes befaßte, betitelt: »Und immer wieder ›Durch das Land der Skipetaren‹«.(30) Ungeachtet dessen erschienen Mitte der 80er Jahre in Österreich eine ›Reportage aus dem Land der Skipetaren‹ von Paul Lendvai und eine umfangreiche illustrierte Landeskunde von Norbert Stanek unter dem Titel: ›Albanien – Land der Skipetaren‹ sowie in Deutschland ein Reisebuch von Gerhard Gürsch, dessen Titel den Kontrapunkt zwischen May und modernen Verkehrsmitteln setzt: ›Mit Bus und Bahn durchs Land der Skipetaren‹.(31)

   Auch die Kunsthistoriker kommen ohne den Topos nicht aus: Eine 1988 erstmals gezeigte Ausstellung zur albanischen Archäologie lief unter dem Titel ›Albanien – Schätze aus dem Land der Skipetaren‹,(32) und Guntram Kochs kunsthistorischer Reiseführer stellte ›Kunst und Kultur im Land der Skipetaren‹ vor.(33)

   Nicht zu zählen sind schließlich die Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, die in der Wortwahl oder explizit auf Karl Mays Reiseerzählung Bezug nehmen.(34)

   In weit stärkerem Maße als bei anderen Ländern und Völkern gilt also für einen großen Teil der (nichtwissenschaftlichen) Literatur über Albanien, daß ihre Autoren auf Karl May verweisen und den Romantitel ›Durch das Land der Skipetaren‹ mehr oder minder stark variiert aufgreifen. Sie gehen (meist mit Recht) davon aus, daß Mays Reiseerzählung das einzige einschlägige Buch ist, das die meisten Leser schon einmal in der Hand hatten. Mit ihrer Darstellung wollen sie überprüfen, inwieweit Mays Darstellung noch Gültigkeit besitzt, bzw. nachweisen, daß das moderne Albanien (meist handelt es sich um die (Sozialistische) Volksrepublik) sich seit Mays Tagen schneller und


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positiver entwickelt hat, als es zu erwarten war. Dabei werden bestimmte Klischees (Rückständigkeit, Blutrache, gentile Gesellschaft, Agrarwirtschaft, Unfähigkeit zur Staatsnation, Brautraub, Islam in Europa, Räubervolk) als negative Folie reproduziert, mit der die positiven, durch Augenschein, Gespräche, Literaturstudien u.a. gewonnenen Eindrücke (schnelle Entwicklung, soziale Modernisierung, Industrialisierung, stabiler Nationalstaat, humane Ordnung, Säkularisierung) kontrastiert werden; die Klischees erscheinen dabei als subjektiv ›falsch‹, d. h. entweder als völlig fiktiv oder als zu einer abgeschlossenen Vergangenheit gehörig, die Eindrücke als subjektiv ›richtig‹. Gerade die letzten Jahre, in denen zahlreiche Fakten über die Realitäten in Albanien offenbar wurden, haben auch manche Eindrücke vieler früherer Beobachter (einschließlich des Autors dieser Studie) als objektiv ›falsch‹ erscheinen lassen.

   Karl Mays Werke, und zwar in erster Linie ›Durch das Land der Skipetaren‹, dienen dabei bevorzugt als Quelle der Klischees. Dabei hat die Rückerinnerung an die vor langer Zeit gelesenen Reiseerzählungen ein wesentlich dichteres, detaillierteres und meist auch positiveres Albanerbild ergeben, als es aus dem Text herleitbar war. So erinnerte sich Peinsipp irrtümlich, bei May etwas über Brautraub gelesen zu haben. Anknüpfend an Gestalten wie den Miriditen, Stojko und Ranko fungiert May nicht als Schöpfer, aber als Multiplikator einer älteren, bereits als Nebenprodukt des Philhellenismus entstandenen romantischen Topik vom Lande der stolzen, kühnen und freien Männer.(35)

   Dieser intensiven Rezeption zumindest des Titels im deutschsprachigen Bereich steht auf albanischer Seite nichts gegenüber. Bisher ist keine albanische Ausgabe von May-Texten – weder der Balkan-Romane noch anderer Werke – nachweisbar, auch nicht in Jugoslawien, wo May in andere Landessprachen übersetzt wurde. Auch von einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit May im albanischen Kulturraum ist mir nichts bekannt.(36)


III. Die Albaner im Gesamtwerk

Wenden wir uns nun der Frage zu, wie denn eigentlich das Albanien- und Albaner-Bild im Detail aussieht, das Karl May in seinen Romanen zeichnet und das so intensiv rezipiert wurde. Wie bereits gesagt, sind zwei Situationen zu unterscheiden, in denen der Erzähler mit den Angehörigen dieses Volkes in Kontakt kommt, nämlich das Zusammentreffen mit Albanern, die fern ihrer Heimat als Soldaten leben, und die Reise des Helden durch albanisches Siedlungsgebiet.


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1. Arnauten im Osmanischen Reich

Die Besonderheit, daß Albaner in Mays Werken weit häufiger in Nordafrika und im Nahen Osten als auf dem Balkan anzutreffen sind, ist dem Umstand zu verdanken, daß sie in stärkerem Maße als die meisten anderen Balkanvölker im 16.-18. Jahrhundert zum Islam übergetreten sind und daher zur Rekrutierung in die Streitkräfte zur Verfügung standen, von der die christlichen raya-Völker ausgenommen waren. Zahlreiche Albaner (türk. ›arnaut‹, durch Lautverschiebung und Metathese aus griech. ›arvanites‹) wurden dabei fern ihrer Heimat eingesetzt; ganze Einheiten im Nahen Osten bestanden aus ›Arnauten‹. In Damaskus waren sie nach Mays Angaben stark vertreten und nahmen an den Kämpfen gegen die christlichen Maroniten teil;(37) sogar zur nordsudanesischen Mischbevölkerung trugen sie bei.(38) Während manche andere Autoren ›Albaner‹ und ›Arnauten‹ als Namen unterschiedlicher Völker mißverstanden haben, behandelt May beide meist als Synonyme (vgl. z.B. die Wiedergabe des deutschen Namens Martin Albani als Madi Arnaut durch Türken und Makedonier);(39) allerdings gibt es auch Abweichungen.(40)


1.1. Soldaten und Polizisten

In dem frühen Kolportageroman ›Scepter und Hammer‹ (1879/80) sind die Sicherheitstruppen des ägyptischen Vizekönigs entweder Janitscharen oder Arnauten,(41) – eine falsche Alternative, da die Albaner erhebliche Teile des Janitscharenkorps stellten.

   Eine längere, in Kairo spielende Episode des Kolportageromans ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ (1885/87) stellt die Auseinandersetzung der Helden mit arnautischen Soldaten, den Nachfolgern der Mamelucken, in Kairo dar. Der Arnaut ist nicht nur tapfer, sondern tollkühn und muthig bis zur größten Verwegenheit. Ein Menschenleben gilt ihm keinen Pfifferling; er wagt auch das seinige, ohne nur mit der Wimper zu zucken. Dabei ist er treulos, hinterlistig und von einer Rohheit, die gradezu ihres Gleichen sucht. Messer und Pistole sitzen bei ihm locker. Er sticht und schießt bei der geringsten Veranlassung, und er weiß, daß er das mit ziemlicher Sicherheit thun kann, da selbst der Richter ihn nicht gern verurtheilt, weil er befürchten muß, wenn nicht noch während der Gerichtssitzung so doch später niedergestochen zu werden. Darum ist der Arnaute gefürchtet und gemieden. Er darf ungestraft thun, was hundert Andere nicht wagen würden.(42) Diese Leute belästigen die Beduinin Hiluja, die durch das mutige Eingreifen Hilals, der sie – in self-fulfilling prophecy – als seine Braut ausgibt, gerettet wird. Nur die sichere Aussicht auf Bestrafung hält die Arnauten von einem Mord zurück. Auch Hilals Sieg im Duell wollen sie nicht anerkennen


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und verlangen von ihm, nacheinander gegen sie alle außerhalb der Stadt anzutreten; dabei aber wollen sie ihn aus dem Hinterhalt erschießen. Dennoch schwören sie voll abergläubischer Ehrfurcht auf das Grab eines Engländers, ehrlich kämpfen zu wollen. In diesem Grab ist aber nicht nur der albanische Heckenschütze, sondern auch der Engländer Lord Eaglenest verborgen; bei seinem plötzlichen Erscheinen ergreifen die Arnauten schreiend die Flucht vor dem vermeintlichen Gespenst.(43)

   In ›Durch die Wüste‹ wartet Kara Ben Nemsi auf einen Empfang beim Statthalter von Mossul. Zwei albanesische Aghas von den irregulären Truppen des Pascha(44) sollen ihn abholen, treten aber so beleidigend auf, daß er sie trotz des damit verbundenen Risikos wieder wegschickt. Die Arnauten werden als rohe und gefährliche Gewalttäter beschrieben. Halef berichtet, daß eine blinde alte Frau in Kairo von einem Arnauten auf offener Straße erschossen wurde, weil sie ihm nicht ausgewichen war. Der Pascha von Mossul benutze diese Leute dazu, die Bevölkerung auszuplündern und zu terrorisieren, um sich zu bereichern.(45)

   Die Szene mit den beiden Agas wird in ›Im Lande des Mahdi I‹ variiert: In Kairo wollen zwei arnautische Polizisten zwei Sklavenkinder abholen, die Kara Ben Nemsi ihrem Besitzer weggenommen hatte. Ihrem zunächst groben Auftreten begegnet Kara mit Drohungen und Imponiergehabe; ein Trinkgeld tut ein übriges, um die Arnauten zum Abzug zu bewegen.(46)

   Doch erhält das Bild auch einige positive Züge: Der Pascha von Mossul stellt den Reisenden einige Arnauten als Leibgarde zur Verfügung. Ihre prunkvolle Tracht hebt sie aus der Schar der regulären türkischen Soldaten heraus. Sie sind selbstbewußt und neigen nicht zur Prahlerei wie die Türken. Sie respektieren die Tapferkeit anderer und sind dankbar für erwiesene Wohltaten.(47)

   Ein arnautischer Polizist ist in ›Durchs wilde Kurdistan‹ Begleiter Sir David Lindsays, für den er auf Kosten der Reisegesellschaft des Erzählers Quartier machen will, aber gegen Halef den kürzeren zieht und von Kara Ben Nemsi mit Worten und mit Gewalt zurechtgewiesen wird.(48) Entsprechend seinem Nationalcharakter (Der Arnaute achtet das Leben eines Menschen gleich nichts. Er schießt wegen eines Schluck Wassers einen andern ruhig nieder und beugt dann dafür mit derselben Ruhe sein Haupt unter das Schwert des Henkers.(49)) versucht er, Kara Ben Nemsi zu töten, wird aber entwaffnet und davongejagt. Die Befürchtung, daß er für diese Beleidigung Rache nehmen werde, erfüllt sich prompt, aber ohne ernsthafte Folgen.(50)

   Auch in Amadijah gibt es eine arnautische Garnison, die – wie der ganze Ort – heruntergekommen ist. Am Stadteingang versuchen zerlumpte Arnauten die Reisenden aufzuhalten. In einer Kette von


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Mißwirtschaft und Korruption bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich den fehlenden Sold durch Erpressung der Bevölkerung und der Reisenden zu verschaffen. Die fieberkranken(51) Arnauten von Amadijah sind leicht zu überlisten und einzuschüchtern.(52)

   Derartige Erwähnungen von Arnauten in Garnisonen finden sich bei May häufig, z. B. im sudanesischen Faschodah, das Schauplatz der verschiedenen Sklavenjäger-Romane ist.(53) Die Arnauten sind selbst zu Hause schwer bewaffnet, treten aggressiv auf, wilde Gesellen . . . unendlich roh, die denkbar wildeste Soldateska.(54) Die Bewohner von Faschodah leben in Angst vor dieser Truppe. Ihr Einsatz bei der Steuererhebung artet regelmäßig in willkürliche Plünderung der Bevölkerung aus, die meist die Flucht ergreift.(55) Selbst der Mudir muß einen Aufruhr der Arnauten befürchten, wenn er ihren Anführer öffentlich verurteilt, weswegen er ihn heimlich totpeitschen läßt.(56)

   In der Kurzgeschichte ›Der Verfluchte‹ ist Kara Ben Nemsi Gast des Statthalters von Engyrije (Ankara), der ihn bittet, einem pensionierten Offizier eine größere Geldsumme zu überbringen. Er gibt ihm zwei baumlange und bis an die Zähne bewaffnete Arnauten(57) in Unteroffiziersrängen mit. Kara mißtraut ihnen von Anfang an: . . . der Arnaut ist ein geborner Räuber und stets, selbst wenn er bei der Fahne steht, zu Gewaltthätigkeiten geneigt. Außerdem ist gerade der nichtchristliche Arnaut der muselmännischste der Muselmänner.(58) Die beiden müssen ihrem Pascha beim Propheten schwören, treu für Kara zu sorgen. Von Anfang an demonstrieren sie ihm ihren Glaubenseifer, brüskieren ihn und verlassen ihn bereits nach der ersten Nacht. Trotz des Eides stellen sie ihm offen nach und lassen ihre räuberische Absicht klar erkennen. Sie berauben den Empfänger des Geldes, lenken erfolglos den Verdacht auf Kara und hetzen schließlich eine religiös fanatisierte Menschenmenge gegen ihn auf, die bei der Verfolgung tödlich verunglückt.

   In dem Dorf Tekirlik an der Strumnica (Südostmakedonien) spielt sich eine jener vielen burlesken Szenen ab, die ohne Bezug zur Handlung als retardierendes Moment eingestreut werden. In einem schmutzigen Han rasiert ein Barbier einem bärtigen Arnauten den Schädel. Dieser fühlt sich vernachlässigt, weil der Barbier (und Wirt) seine Aufmerksamkeit der Reisegesellschaft zuwendet, und weist ihn mit groben Worten und einem Tritt auf seine Pflicht hin. Als der Barbier den albanischen Beamten mit Schröpfköpfen und Messer zur Ader läßt und ihm durch seine Ungeschicklichkeit Schmerzen bereitet, wird er von seinem Patienten beschimpft und mißhandelt.(59)


1.2. Befehlshaber

Die Arnauten in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ werden von einem Tschausch (Feldwebel) und einem Onbaschi (Korporal) befeh-


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ligt. Der ranghöhere Tschausch ist der aktivste bei der Bedrohung Hilujas und Hilals; er fordert Hilal zum Duell um Hilujas Besitz heraus, läßt ihn aber nicht im unklaren darüber, daß seine Kameraden ihn im Falle von Hilals Sieg rächen würden. Der Messerkampf zwischen Hilal und dem Arnauten endet mit der schweren Verwundung des letzteren – eine stereotype Duellszene, bei der Wendigkeit und Übung gegen Stärke und blinde Wut siegen.

   Der Onbaschi beteiligt sich als einziger nicht an den Übergriffen; er weist seine Kameraden darauf hin, daß Hilals Ermordung vom Vizekönig mit der Hinrichtung aller Beteiligten geahndet würde; er selbst übernimmt Hilals Schutz und versichert ihm seinen Respekt. In dieser Angelegenheit habe der Tschausch keine Befehlsgewalt. Auch an dem darauffolgenden Hinterhalt nimmt er nicht teil und setzt sich für einen fairen Kampf ein.

   In Amadijah freundet sich Kara Ben Nemsi alsbald mit dem Kommandanten der Arnauten an, den er zur Befreiung eines Gefangenen einspannt. Dieser brave Arnaute(60) Selim Agha versucht, durch Prahlerei und pompösen Aufzug zu verbergen, daß er eine gescheiterte Existenz ist – eine sehr stereotype Figur bei May, die sympathische Züge mit geistiger Unbedeutendheit verbindet; zwar stellt Kara Ben Nemsi gerührt fest, daß Selim wirklich sein Freund sei, aber es reicht eben nicht zu einer wirklichen, geistigen Freundschaft: Der Held nutzt das Vertrauen Selims aus, verhilft ihm als Gegenleistung jedoch auch zu einem kleinen Vermögen, das seine elende Existenz erträglicher macht.(61) Der Schematismus verführt May zu Inkonsequenzen; Selims ärmliche Lebensumstände passen nicht zu seiner aufwendigen Tracht; er wird zunächst als riesige, martialische Gestalt(62) beschrieben, an anderer Stelle ist er kürzer als der keineswegs riesige Kara.(63)

   Während der Statthalter von Faschodah mit extremer Härte gegen die Sklavenjäger vorgeht, konspiriert Ibn Mulei (kein albanischer, sondern von der Struktur her ein arabischer, vielleicht marokkanischer Name), der Sangak (alb. ›sanxhak‹, türk. ›sancak‹, d. h. eigtl. ›Banner‹, hier in der Bedeutung ›Major‹) der Arnauten, die mit den schwarzen Fußtruppen die 1000 Mann starke Garnison bilden, mit Ibn Asl, dem Chef der Sklavenjäger. Ibn Mulei erinnert physiognomisch an einen angreifenden Stier.


1.3. Kriminelle

Bei einer Gefangennahme des Helden in der Nähe von Stambul treten Albaner in Erscheinung, jedoch nur als Statisten, vier Kerls mit ausgesprochen skipetarischen Physiognomien.(64)


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2. Albaner in Albanien

Der albanische Volkscharakter ist geographisch determiniert. Die zerklüftete, von steilen und kahlen Felswänden geprägte Landschaft prägt die in ihr lebenden Menschen: Bei diesem abwehrenden Aufbau des Hochlandes ist es sehr erklärlich, daß die Bewohner desselben den fremden Eroberern gegenüber stets mehr oder weniger ihre Unabhängigkeit bewahrten. Diese finsteren, drohenden, kalten Schluchten und Gründe sind natürlich von großem Einfluß auf den Charakter und die physische Beschaffenheit der Bevölkerung gewesen. Der Skipetar ist gegen Fremde ebenso ernst, abgeschlossen und feindselig wie sein Land. Seine sehnige, kraftvoll elastische Gestalt, sein ernstes Gesicht mit den granitnen, unerbittlichen Zügen, sein kalt blickendes und abweisend drohendes Auge stimmt ganz mit der Beschaffenheit der von ihm bewohnten Berge überein. Sein Inneres zeigt wenig helle, freundliche Punkte; es ist von tiefen Spalten und Rissen durchzogen, in deren Gründen die Wasser des Hasses, der Rache und des unversöhnlichen Zornes schäumen. Selbst untereinander sind diese Leute argwöhnisch und mißtrauisch. Die Stämme schließen sich voneinander ab, die einzelnen Familien und Personen ebenso. Doch dem Eindringling gegenüber scharen sie sich zusammen, wie ihre aneinander stehenden Felsen, welche dem Reisenden nur an seltenen Stellen einen schmalen, mühsamen Durchgang gewähren.(65)

   Über die Organisation der Albaner erfährt man, daß die türkischen Behörden im Bergland machtlos sind; hier gibt es völlig unabhängige Stämme, an deren Spitze ein Barjactar (steht), welcher mit Hilfe einiger Dschobars und Dovrans den Stamm regiert. Alle an einer Privatperson begangenen Verbrechen werden nicht von dem Staat, sondern von dem Beschädigten und dessen Familiengliedern bestraft . . .(66) Im Unterschied zu den osmanischen Behörden sei auf die Stammesführer Verlaß; sie würden von anderen geraubtes Eigentum nicht unterschlagen, sondern seinem Besitzer zurückerstatten.

   Allerdings liegt der Gedanke einer allgemeinen Justiz den Albanern fern: Der Skipetar rächt nur das, was ihm selbst und den Gliedern seiner Familie oder seines Stammes geschehen ist.(67)

   May verrät hier überraschende Detailkenntnisse. Barjactar (eigtl. ›barjaktar‹) ist die serbische Entlehnung von türk. ›bayraktar‹, das im Albanischen ›bajraktar‹ lautet (eigtl. ›Bannerträger‹, hier ›Stammesführer‹). Der Dschobar (alb. ›gjobar‹, ›gjobtar‹)(68) ist nicht mehr als der Bußgeldeintreiber des Stammes, eine respektierte, aber eher untergeordnete Funktion. Der Dovran (alb. meist ›dorëzanë‹, ›Bürge‹) ist nach dem Kanun, dem Gewohnheitsrecht der albanischen Bergstämme, der Garant und Vermittler in Zivilstreitigkeiten und Blutrachefällen. Er hat darüber hinaus im Falle von Rechtsverstößen gegenüber


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der formellen osmanischen Hoheitsmacht Sühneleistungen zu vermitteln; in dieser Funktion gehört er nicht in den Bereich des eigentlichen Kanun, sondern des Xhibal, eines Regelwerks, das staatliches osmanisches Recht mit dem Gewohnheitsrecht der Stämme kombinierte.(69)

   An der Spitze einer Verbrecherbande, die sich über den ganzen Balkan ausbreitet, steht – so wird vermutet – ein Skipetar. Er ist als Der Gelbe (arab. ›El Aßfar‹, türk. ›Sayrik‹, serb. ›Schut‹; ein albanisches Wort, z. B. ›Verdhi‹, nennt May nicht, wobei allerdings das türk. ›sarĶ‹ damals auch in Teilen Albaniens verwendet wurde)(70) bekannt; sein engerer Wirkungsbereich entspricht ziemlich genau den Grenzen Makedoniens.(71)

   Kulturelle Faktoren begünstigen das Wirken seiner Bande: »Nimm einmal die Albanesen an, die Arnauti [!], Skipetaren, Miriditen und all die Völkerschaften und einzelnen Stämme, von denen jede dieser Sippen ihre eigenen Gesetze, Gebräuche und Rechte hat. . . . Hier lebt jedes Dorf in Gegnerschaft mit dem Nachbardorf. Jeder Ort hat mit dem andern irgend einen Diebstahl, Raub oder gar eine Blutrache auszugleichen. Das ist ein ewiger Krieg . . .«(72)

   Diese Anarchie ist sogar geeignet, die ohnehin miserable türkische Rechtspflege völlig zu untergraben. Das Gesetz der Skipetaren besteht darin, daß der Schwächere dem Stärkeren zu weichen hat.(73)

   Der Reiseweg ist anhand der Landkarte(74) nicht immer leicht nachzuvollziehen; Details der Wegwahl sind nicht immer topographisch oder vom Handlungsverlauf her einsichtig. Insbesondere sind Straßenführungen und besonders Ortsnamen in etlichen Fällen nicht verifizierbar; May salviert sich durch besonders nachdrückliche Hinweise auf die Winzigkeit und Bedeutungslosigkeit dieser Pfade und Weiler.(75) Glogovik könnte das heutige sein; Pacha, wo die Verfolger des Schut mit einem furchtbar verelendeten Hirtenpaar zusammentreffen,(76) könnte allenfalls eine Fehlschreibung für Puka sein, das auf den älteren Karten mitunter als »Puha« erscheint; es liegt allerdings zu weit westlich. Die Kerubiberge(77) wären dann das bei Puka gelegene Krabi-Gebirge; sonst wäre das weiter östlich gelegene Korabi-Massiv gemeint. Ein Grund für diese Unklarheiten mag sein, daß die Kartographie über Albanien und seine Nachbargebiete im 19. Jahrhundert noch sehr zu wünschen übrigließ. Aber es entspricht auch Mays Absicht, die reale Topographie unversehens in fiktive Landschaften übergleiten zu lassen, besonders beim Höhepunkt, der Verfolgung des Schut durch eine erratische, von Schluchten durchzogene Landschaft, in der sich dann auch der Höllensturz des Bösen vollzieht.

   Die Schilderung der Dörfer und Kleinstädte sowie ihrer Bewohner fällt ausgesprochen stereotyp aus. Die Elemente der Primitivität, der Armut, des Schmutzes tauchen durchgängig auf(78) und stehen in grel-


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lem Gegensatz zu dem großspurig-autoritären Auftreten der Ortsgewaltigen, die jedoch meist schon durch das Vorweisen des Ferman, im Notfall auch mit Gewalt zur Räson gebracht werden. Was aber weitestgehend fehlt, sind folkloristische Elemente und authentisches Lokalkolorit; eine Identifizierung der Dörfer als albanisch, türkisch oder slawisch ist nicht möglich.(79)

   Einzig Skutari wird etwas detaillierter beschrieben: Skutari trägt, obgleich es am adriatischen Meer liegt, einen durchaus orientalischen Charakter. Es liegt teils in einer fruchtbaren Ebene, teils auf einer Hügelgruppe, welche diese Ebene begrenzt und auf ihrem höchsten Punkt ein verfallenes Kastell trägt. Diese Stadt besteht eigentlich aus mehreren Dörfern, welche miteinander verbunden und deren Häuser fast ausschließlich aus Holz gebaut sind.(80) Kara steigt im Gasthof des Anastasio Popanico(81) ab.

   Diese kurze Skizze beginnt mit einer Ungenauigkeit: Skutari liegt nicht am Meer, sondern an einem großen See, der den Namen der Stadt trägt. Die Reisenden müssen sich daher auch nach Antivari begeben, um per Schiff weiterzureisen. Die Zerrissenheit des Stadtbildes ist übertrieben; Reisebeschreibungen sprechen von vorgelagerten Dörfern, die sie zunächst für Teile der Stadt hielten. Einerseits ist die Flüchtigkeit der Beschreibung typisch für den etwas lustlos heruntergeschriebenen Schluß des Orientzyklus, wo nach dem Höhepunkt (Absturz des Schut und Blendung Hamd el Amasats) die Reisegesellschaft chaotisch auseinanderläuft und nur durch den skurrilen Brief Halefs noch ein Schlußpunkt gesetzt wird. Andererseits aber paßt diese Beschreibung gut zum Bild von Volk und Land. Orientalisch, verfallenes Kastell (tatsächlich handelt es sich um eine der größten Akropolenanlagen des ganzen Balkan), dörflich, Holzhäuser – diese Topik rundet das Panorama ab; Mays Skutari darf keine Stadt sein, in der kulturelle, ethnische und religiöse Einflüsse in Koexistenz und Symbiose vereinigt sind, sondern es ist ein größeres Ostromdscha.

   Der Schut trägt die Tracht der reichen mohammedanischen Skipetaren: kurze, glänzende Stiefel, schneeweiße Fustanella, rote, mit Gold verbrämte Jacke, auf deren Brustteilen silberne Patronenbehälter befestigt waren, einen blauen Gürtel, aus welchem die Griffe zweier Pistolen und eines krummgebogenen Handschars hervorsahen, und auf dem Kopf einen roten Fez mit goldener Quaste . . . Sein hageres Gesicht . . . hatte eine intensiv gelbe Farbe. . .; ein dichter, schwarzer Bart ging ihm in zwei Spitzen fast bis auf die Brust herab, und tiefschwarz war auch die Farbe seiner Augen . . .(82)

   Die Schilderung der Tracht ist trotz Übertreibungen (goldene Quaste) und des derart langen Vollbartes, der bei einem Albaner seltsam ausgesehen hätte, aber bei einem Fremden nicht unbedingt, ziemlich authentisch und läßt darauf schließen, daß May eine Vorlage hatte.


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Linkemeyer argumentiert überzeugend, daß dieser Kara II die Personifizierung der negativen, kriminellen Seite Mays ist, die von der guten, konstruktiven Seite, nämlich Kara I, vernichtet werden muß.(83) Man kann sogar weitergehen: Dieser Mann stammt direkt aus Dantes tiefster Hölle. Satan erscheint dort als Gigant mit drei Gesichtern, eines rot, eines weißgelb, eines schwarz,(84) also die drei Farben, die auch Kara Nirwans Erscheinung bestimmen, den rotgekleideten, schwarzbärtigen und gelbgesichtigen Perser aus Nirwan, was nicht so sehr ein konkreter Ort im Iran ist als vielmehr eine Anspielung auf das ›Nirwana‹, die Nichtexistenz, aus der er kommt und in die er zurückstürzt.

   Überraschend wenige Albaner treten als Individuen auf – allerdings wird die Nationalität zahlreicher Personen, wie des Spions Suef, nicht erwähnt; in einigen Fällen fällt eine entsprechende Erwähnung den Bearbeitungen zum Opfer(85) –: die beiden Aladschy, der Miridit, der Köhler Scharka Visosch, der albanische Dolmetscher Lindsays, der Stammesführer Stojko Wites. Diese wenigen Typen ermöglichen es dem Autor, das Bild der Albaner, wenn auch nur ansatzweise, zu differenzieren.

a) Auf einer tiefen moralischen Stufe stehen die beiden Brüder Sandar und Bybar, zwei Räuber, die nach ihren Pferden türk. Aladschy (›Schecken‹) genannt werden. Diesen »schlimmsten Skipetaren, die es gibt«,(86) eilt ein legendärer Ruf der Unbesiegbarkeit voraus. Sie sind groß, kräftig und gut bewaffnet, jähzornig, brutal und gewalttätig; sie neigen entgegen den religiösen Vorschriften zum Alkohol und spotten als Muslime sogar über den Islam und über den als Scherif verkleideten Kara Ben Nemsi; sie sind wenig intelligent und impulsiv, was es dem Helden möglich macht, sie zu überlisten und im Kampf zu besiegen. Einer der Brüder, die voneinander nur dadurch unterschieden sind, daß der eine das Wort führt und der andere meist schweigt, warnt den Scherif sogar vor den Skipetaren ganz allgemein (»die taugen nichts«);(87) der vermeintliche Scherif setzt noch darauf: »Der Scheïtan hat sie besessen. Ich kenne sie nicht, aber sie sollen Diebe, Räuber und Mörder sein. Die Hölle selbst ist noch viel zu gut für sie geschaffen.«(88) Skipetarenstreich wird auch an anderer Stelle als Synonym für ein heimtückisches Gewaltverbrechen gebraucht.(89)

Die weiteren Zusammentreffen mit den Aladschy variieren die Ereignisse der ersten Begegnung nur unwesentlich. Schließlich bringt Kara Ben Nemsi ihnen im Kampf derart schwere Wunden bei, daß sie ihrem Gewerbe nie mehr nachgehen können.(90)

b) Der Miridit: Der Fleischer Tschurak (ein sprachlich für mich nicht zu klärender, jedenfalls nicht albanischer Name, den May wohl wegen seines bedrohlichen, mit ›Schurke‹ assoziierenden Klanges fingiert hat) ist der Führer der Bande des Schut in dem Ort Sbiganzy (in spä


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teren Fassungen lautlich korrekt: Shiganzy). Entgegen Karas Erwartung, einen kriechenden, höflichen, von Schmeicheleien überfließenden Menschen zu sehen,(91) ist er ein imposanter, reich gekleideter, finster dreinblickender Mann, ganz der selbstbewußte Skipetar.(92) Es gelingt ihm, Kara und seine drei Begleiter in eine Falle zu locken, wird dabei aber durch eigene Unvorsichtigkeit erschossen. Damit fällt Kara Ben Nemsi unter das Gesetz der Blutrache: Tschurak ist ein Miridit; seine Familie stammt aus Oroschi.(93) Die Miriditen stehen nicht unter dem Gesetz des Padischah, sondern sind freie Arnauten, die sich »nach den alten Gesetzen Lek Dukadschinits« richten.(94) Tschuraks Bruder, der entgegen Mays Gepflogenheiten und obwohl er für die Handlung viel wichtiger ist als der Metzger, nie mit Namen genannt wird,(95) beteiligt sich denn auch prompt an einem Anschlag auf Kara, natürlich ohne Erfolg. Obwohl der Rächer sich mit den flüchtigen Verbrechern verbündet hat und sich des Spions Suef bedient, greift er den Verantwortlichen für den Tod seines Bruders offen an, wird aber natürlich besiegt und gefangen. Kara Ben Nemsi respektiert den Zwang, unter dem er durch das Gesetz der Blutrache steht, und läßt ihn frei. Dadurch erwirbt er sich die Achtung des Miriditen, der ihm seine Wurfaxt gibt zum Zeichen, daß die Blutrache ausgesetzt sei, bis die Waffe wieder zurückgegeben werde. Damit ist aber nicht völlig die Möglichkeit ausgeschlossen, daß der Miridit erneut, etwa zum Zwecke eines Raubes, angreift.(96) Dennoch steht er zu seinem Wort: Obwohl er mit den Verbrechern erneut zusammentrifft, die einen neuen Hinterhalt aushecken, erklärt er ihnen, daß er sich an keinen Feindseligkeiten mehr beteiligen werde. Allah werde es ihm nie verzeihen, wenn er demjenigen, der ihm sein Leben geschenkt habe, erneut Böses tun wolle. Er trennt sich voller Verachtung von den Verschwörern, garantiert ihnen aber, nichts gegen sie zu unternehmen.(97)

   Gerade anhand der Blutrache-Episode läßt sich zeigen, wie dürftig May über Land und Leute Albaniens informiert war: Zunächst trägt die Aufzählung der »Albanesen . . ., Arnauti [sic!], Skipetaren, Miriditen«(98) zur Verwirrung bei; die Formulierung läßt nicht klar erkennen, ob Albanesen der Überbegriff für die danach genannten Völker sein soll oder gleichrangig mit ihnen steht. Tatsächlich müssen die ersten drei synonym gebraucht werden, während die Mirditen (so die heutige Schreibweise) eine Stammesgruppe der Albaner sind.

   Zweitens ist es May entgangen, daß die Mirditen eine rein katholische Stammesgruppe sind. Verschiedene Statistiken vom Anfang des 20. Jahrhunderts weisen unter knapp 20000 Katholiken nur 10–50 Muslime aus.(99) Die beiden Mirditen sind aber unzweifelhaft als Muslime erkennbar. Wären sie Konvertiten, hätte May dies mit Sicherheit begründet oder zumindest dramaturgisch instrumentalisiert – das Motiv


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der Strafe des Apostaten kommt ja im Gesamtwerk öfter vor. Derselbe grobe Schnitzer unterläuft dem Autor sogar in bezug auf einen der ständigen Begleiter seines Ich, den Montenegriner Osko. Die Montenegriner sind ausschließlich orthodox und wurden bis 1852 von einem Fürstbischof regiert. Osko aber ist Mohammedaner,(100) ohne daß dies irgendwie motiviert würde.

   May hat nur unklare Vorstellungen vom albanischen Gewohnheitsrecht, das im sogenannten ›Kanun des Lek Dukagjini‹ festgelegt ist. Die Form Dukadschinit trägt interessanterweise die albanische Genitivendung. Auch hier hat die spätere Bearbeitung eine Fehlkorrektur (»Gesetze Skanderbegs«) vorgenommen; der albanische Nationalheld und Türkenkämpfer des 15. Jahrhunderts war dem westeuropäischen Publikum zu Mays Zeit aus zahlreichen historischen und literarischen Werken durchaus ein Begriff,(101) doch wird nur eine Regionalvariante des Gewohnheitsrecht ›Kanuni i Skënderbeut‹ (›Gewohnheitsrecht Skanderbegs‹) genannt – was May nicht gewußt haben kann.(102) Das Gewohnheitsrecht galt keineswegs nur in der Mirdita, sondern im gesamten albanischen Hochland, der Malësia.

   Drittens entsprechen weder das Vorgehen des Bluträchers noch die Konfliktlösung dem Ehrenkodex des Gewohnheitsrechts: Der Miridit beteiligt sich erst an einem heimtückischen Attentat der Verbrecher um Manach el Barscha und Barud el Amasat und greift dann Kara Ben Nemsi von vorn an, wobei er ihm den Grund der Rache ins Gesicht sagt. Im ersten Fall tut er weniger, im zweiten mehr, als der Ehrenkodex von ihm verlangt. Er darf die Blutrache nicht mit dem Angriff von Leuten vermischen, die weder seine Verwandten noch überhaupt Albaner sind und deren Motive auf einer ganz anderen Ebene liegen. Andererseits darf er aus dem Hinterhalt schießen, ohne sich selbst in Lebensgefahr zu bringen, muß sein Opfer aber vor dem Schuß durch Zuruf auf sich aufmerksam machen.(103)

   Viertens findet der angebliche Brauch, daß der Rächer seinem Feind seine eigene Waffe übergibt und damit die Blutrache bis zur Rückgabe ruhen läßt, keine Grundlage im Kanun, ja, verstößt sogar elementar gegen dessen Moral. Möglicherweise handelt es sich um ein Mißverständnis der langwierigen und komplizierten Versöhnungsrituale, bei denen allerdings der Rächer die Waffe des Mörders empfängt. Denn die Waffe ist mit der Ehre ihres Besitzers verbunden; ihr Verlust bedeutet auch einen Verlust an Ehre. Die gewaltsame Wegnahme der Waffe kann schon ein Grund für die Blutrache sein. Die freiwillige Übergabe einer Waffe wäre daher eine Selbstdemütigung, die vom Rächer unter keinen Umständen erwartet werden kann. Hingegen hätte für den ›Herrn des Blutes‹ (so der Terminus für den Bluträcher) die Möglichkeit bestanden, den Tod seines Bruders als ›unabsichtliche Tötung‹ zu qualifizieren (er saß auf einer Falltür, die Kara


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Ben Nemsi durch Schüsse von unten öffnete) und dafür einen ›Blutpreis‹ zu akzeptieren.(104)

   Fünftens ist die Wurfaxt (Czakan/Tschakan) keineswegs eine bevorzugte Waffe der Albaner (des Miriditen ebenso wie der Aladschy) gewesen. Für die Form ›çakan‹ finde ich im Albanischen überhaupt keinen Beleg; das aus dem Türkischen entlehnte ›çekan‹ bedeutet ›Hammer‹, aber niemals ›Axt‹. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden als Distanzwaffen Feuerwaffen, also Gewehr und Pistole, benutzt.

c) Der Köhler Scharka Visosch: Er markiert den menschlichen Tiefpunkt, was schon physiognomisch angelegt ist (ein rohes Bulldoggengesicht,(105) bei May ein häufiges Stigma von Gewaltverbrechern, vgl. z. B. den persischen Achmed Aga in ›Abdahn Effendi‹ oder Toby Spencer in ›Old Surehand‹). Er trägt einen jener sprechenden, in Wirklichkeit unmöglichen Namen, der dazu lautlich häßlich ist und (wie bei Tschurak) die Assoziation mit ›Schurke‹ wachruft: ist serbisch ›Kreuzotter‹.(106) Obwohl er und seine Schwester Guszka (serb. ›guska‹ ›Gans‹) und deren Mann Junak (serb. ›junak‹ ›Held‹) slawische Namen tragen, werden sie als Albaner bezeichnet.(107) Mit seiner Bande begeht er serienweise heimtückische und besonders grausame Morde, z. B. an Stojkos Sohn Ljubinko. Abgesehen davon ist er ein Heuchler, der sich als armer Mann ausgibt, obwohl er durch seine Verbrechen Schätze besitzt.

d) Der albanische Dolmetscher Lindsays: Erst in späteren KMV-Fassungen erhält er den eingeschränkt authentischen Namen Fan Hoti. Hoti ist ein nordalbanischer Stamm. Fan ist allerdings eher im Süden als Kurzname für Theofan o. ä. üblich; die gegische (nordalbanische) Form von Stefan, so die Erklärung in einer Fußnote, ist Shtjefën; der Kurzname wird im allgemeinen nicht aus der fast unvokalisierten Silbe hergeleitet. Als gegischer Kurzname für Stephan ist Tef belegt.

   Diese Nebenfigur hat in der Gesamtdramaturgie des Orientzyklus eine präzise Funktion als positives Gegenstück zu dem verbrecherischen Griechen Alexander Kolettis, der in ›Durch die Wüste‹ die Beduinenstämme gegeneinander aufhetzt und in ›Von Bagdad nach Stambul‹ mit Abrahim-Mamur vom Turm von Galata gestürzt wird. Der Dolmetscher, der mit seiner Familie in Antivari lebt, ist gegenüber seinem Arbeitgeber loyal; er gerät mit ihm in die Gefangenschaft von Mördern und Erpressern und warnt ihn entgegen deren Weisungen davor, auf ihre Forderungen einzugehen. Er übernimmt die Bewachung der eingesperrten Verbrecher.

e) Der Stammesführer Stojko Wites: In der Höhle des Köhlers finden sich Waffen, Geld und Pferde eines vom Schut gefangengehaltenen


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Stammesführers, dessen Sohn und Begleiter ermordet wurden. Auf den Geldsäcken ist sein Name in kyrillischem Alphabet aufgestickt. Wites (serb. ›vitez‹) bedeutet ›Ritter‹.(108)

Hier schlägt wieder das Mißverständnis durch, wonach das Albanische zu den slawischen Sprachen gehöre oder gar mit dem Serbischen identisch sei. Die Verwendung des kyrillischen Alphabets kann im (weitestgehend analphabetischen) Nordalbanien nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden, da die Albaner sich erst 1908 auf die lateinische Schrift einigten; allerdings verwendeten Katholiken meist das lateinische, Muslime in der Regel das osmanisch-arabische Alphabet. Die slawisch-orthodox klingenden (denn Belege sind nicht aufzutreiben) Namen in seiner Familie (Stojko, Ranko, Ljubinko) sind im nördlichen Bergland, wo fast nur Muslime und Katholiken lebten, völlig unplausibel. Echte Familiennamen gab es zu dieser Zeit kaum; auch ist das Wort ›Wites‹/›vitez‹ nicht albanisch, sondern serbisch. Sein Herkunftsort Slokuczie liegt in der Kosovoebene (die damals noch zur Türkei, also zu Albanien im obengenannten Sinne gehörte), nicht aber in der Malësia, dem nordalbanischen Bergland. Das würde bedeuten, daß das Stammessystem in diesem Gebiet schon seit Jahrhunderten durch die osmanischen Formen des Großgrundbesitzes abgelöst war, d. h. es kann dort keinen Bajraktar gegeben haben. Stojko und sein Neffe Ranko, ein impulsiver, stolzer junger Mann, das Bild eines echten Skipetaren mit dem Blick des Adlers,(109) der von seinem Onkel daran gehindert werden muß, Halef anzugreifen, weil er ihn in Ljubinkos Panzer sieht und ihn schon deswegen für den Mörder hält, schwören dem Köhler und seinen Mordgehilfen Rache, an deren Vollzug kein Zweifel gelassen wird. Stojko dankt Kara Ben Nemsi und Halef, indem er ihnen seine kostbaren Waffen schenkt. Kara ziert sich, obwohl er weiß, daß die Ablehnung eines Geschenks eine schwere Beleidigung ist, und akzeptiert erst, als Stojko mit der Zerstörung der Waffen droht.(110)


3. Sprachliches

Mays Umgang mit Balkansprachen wurde bisher von Christmann und Pinnow untersucht.(111) Wir haben gesehen, daß May nicht einen einzigen original albanischen Namen konstruiert, sondern seinen Skipetaren meist gar keine (Miridit, Dolmetscher) oder slawische bzw. pseudoslawische Namen (Stojko, Ljubinko, Ranko, Scharka) beilegt. Sandar, einer der Aladschy, trägt einen ganz annehmbaren islamisch-türkischen Namen, der auch in Albanien verbreitet ist (in der Form Sandër); mit Bybar ist nicht viel anzufangen. Der Alim erhält den Namen Marki; die slawische Form wäre Marko, die albanische Mark bzw.


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Marku (ohne und mit Artikelsuffix, in der Anrede wäre also Mark zu erwarten). Der Wirt in Rugova heißt Kolami, was mir ebenso wie Tschurak etymologisch nicht erklärbar ist. Daß ein Gasthaus in der albanischen Malësia (Bergland) den serbischen Namen Newera-Khan trägt und sein Wirt auf pseudoserbisch Dragojlo heißt, mag notfalls angehen.

   Die Frage der Orthographie von Orts- und Personennamen sowie Sprachfetzen ist demgegenüber unerheblich: May war zum einen von seinen Vorlagen abhängig, die sich nur selten an wissenschaftliche Regeln der Transkription aus der kyrillischen bzw. der osmanisch-arabischen Schrift hielten, und mußte zum anderen drucktechnischen Anforderungen (Verzicht auf diakritische Zeichen) gerecht werden. Daher werden hier Namen in der Regel so belassen, wie May sie schrieb. Er selbst scheint mit der kyrillischen Schrift keine nähere Bekanntschaft gemacht zu haben. Er behauptet, man gebrauche auch in Serbien das russische Alphabet (tatsächlich ist es eine andere Variante des kyrillischen), und findet die beiden Buchstaben St. und W. als Stickerei;(112) aber auch die kyrillische Schrift braucht zwei Buchstaben für St.

   Der arnautische Polizist, der Lindsay begleitet und ihm auf Kosten Kara Ben Nemsis Quartier machen will, wird von diesem auf arnautisch zurechtgewiesen. Er wundert sich, daß sein Gegner die Sprache von Schkiperia(113) spricht, und fragt ihn sogar, ob er ein Schkipetar (!) sei. Die bei dieser Gelegenheit ausgetauschten Sprachbrocken sind aber – abgesehen vom Landes- und Volksnamen – serbisch! Pinnow verweist mit Recht darauf, daß die Albaner sicher plurilingual waren.(114) Zum einen ist aber über die Herkunft des Polizisten nichts ausgesagt, und nur bei einem Nordalbaner könnten außer albanischen und türkischen Sprachkenntnisse auch solche in Serbisch vorausgesetzt werden. Entscheidend ist aber, daß der Wortlaut keinen Zweifel an Mays Irrtum über das Albanische läßt. Warum sollte sonst ein auf Serbisch angesprochener Albaner sein Gegenüber für einen Albaner halten, der die Sprache seines Heimatlandes spricht?

   Eines der Lieblingsstilmittel Mays, um Lokalkolorit zu vermitteln, besteht bekanntlich darin, in die Gespräche Wörter und Sätze der jeweiligen Landessprache einzustreuen. In den Balkanbänden reduziert es sich größtenteils auf das Türkische, gelegentlich auf das Serbische, das Albanern in den Mund gelegt wird; der Volks- bzw. der Landesname sind die einzigen albanischen Wörter, die in der ursprünglichen Fassung auftauchen. So grüßt Ranko die Retter seines Onkels Stojko Wites auf serbisch.(115) Gleich anschließend rufen Verbündete des Schut ihm verschlüsselte Botschaften zu, wiederum in serbischer Sprache.(116)

   In den Bamberger Ausgaben sind diese Sätze albanisiert worden:


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DeutschSerbischAlbanisch
Ich bin euer ergebener Diener (bzw. Langes Leben!)Szluga pokoran!T'u nja tjeta!
Ich bin grad 24 Jahre alt.Ima mi uprawo dwadeszet i cschetiri godije.Jam tamam njizet e katré vjet.
Es ist sehr schönes Wetter.Wrlo je lepo wreme.Moti i emiré.
Wieviel ist's an der Zeit?Koje-li je doba?Ssa oscht ßahati?
Eben jetzt hat es vier geschlagen.Bacsh je szad isbilo cschetiri.Oscht tamam katré ßahati.
Ach Gott, wehe mir!Ah sa boga, jaoj meni!Soti i jem, kuku lele!
Zurück! Sie gehen hinter uns nach Hause! (bzw. Zurück! Schnellstens nach Hause!)Natrat! Idu nami kutschi.Prmaß! Majschpejtschi te schpija!

Weder die serbischen noch die von späterer Hand eingesetzten albanischen Brocken entsprechen dem modernen Sprachstandard. Da das Albanische erst im späten 20. Jahrhundert verbindlich normiert wurde, ist es schwer zu entscheiden, was in jedem Falle falsch und was in Dialekt und Umgangssprache noch tolerabel ist. Das Albanische ist klar als Gegisch (Nordalbanisch) zu erkennen, vor allem durch die Aussprache oscht für –sht– (ist). May erleichterte sich das Sprachproblem, indem er die verschlüsselte Botschaft in Allerweltswendungen kleidete, die er jedem beliebigen Sprachführer des Serbischen entnehmen konnte.(117)

   Mays Kenntnisse des Serbischen und des Türkischen beschränkten sich auf die Konsultation von Wörterbüchern, Sprachführern und Grammatiken. Von passiver oder gar aktiver Sprachkenntnis kann keine Rede sein. Sobald er versuchte, seine Vorlagen zu variieren, zeigt sich seine Unkenntnis von Syntax, Sprachstruktur und Sprachgebrauch.(118) Für das Albanische hat er nicht einmal derartige Vorlagen verwendet,(119) obwohl sie ihm mit den deutschsprachigen Werken von Xylander und Hahn zugänglich gewesen wären.


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IV. Ergebnisse

Das Bild der Albaner setzt sich aus zwei Elementen zusammen: dem der arnautischen Soldaten in allen Provinzen des Osmanischen Reiches und dem der Albaner in ihrer Heimat. Es ist insgesamt wenig differenziert und detailliert. Mays Informationen über die Albaner sind oberflächlich, lückenhaft und von Irrtümern durchsetzt.

   Folgende Eigenschaften kennzeichnen die arnautischen Soldaten bzw. Polizisten:

PositivNegativ
körperliche Stärke
Tapferkeit
Loyalität untereinander



Gewalttätigkeit
Grausamkeit
Mißachtung der Gesetze
islamischer Fanatismus
Mißachtung religiöser Vorschriften
Bestechlichkeit
Alkoholkonsum

Einige Attribute sind nicht einheitlich:

gute Kleidung und Bewaffnung
Dankbarkeit
Loyalität gegenüber Fremden.

Die Arnauten haben maßgeblichen Anteil am Niedergang des Osmanischen Reiches, den May für ein Unglück hält: Sie terrorisieren schon von sich aus die Bevölkerung und lassen sich von korrupten Beamten zur Ausplünderung des Volkes benutzen. Sie sind menschliche Kettenhunde, die von ihren Herren gegen ihre Gegner und Untertanen gehetzt werden, die aber kaum unter Kontrolle zu halten sind. Selbst vor der Zusammenarbeit mit Verbrechern, die sie eigentlich bekämpfen sollten, schrecken sie nicht zurück.

   Mays Antiislamismus wendet sich mit großer Schärfe gegen die Albaner: Sie sind besonders fanatisch, brechen aber andererseits religiös beteuerte Treueschwüre, wenn sie sich damit einen Vorteil verschaffen können. Darüber hinaus sind sie auch noch abergläubisch und lassen sich von einem vermeintlichen Gespenst verjagen. Daß die arnautischen Soldaten Muslime sind, versteht sich von selbst, aber auch in Albanien kommen christliche Albaner überhaupt nicht vor. Diese Attacke deckt sich nicht mit den zahlreichen Beobachtungen von Ausländern, wonach gerade die Albaner religiös eher zu Toleranz bzw. Indifferenz neigten; Koexistenz, Heiraten über die Religionsgrenze hin-


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weg und Kryptochristentum (= formaler Übertritt zum Islam aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, aber Festhalten am christlichen Glauben und christlichen Praktiken) wurden vielfach als geradezu typisch albanisch angesehen.(120)

   Ihre Offiziere verkörpern die kollektiven, vorwiegend negativen Eigenschaften besonders ausgeprägt. Im günstigeren Fall verkörpert Selim Agha das Prinzip der Korrumpierbarkeit als Überlebensnotwendigkeit, im schlimmsten Extrem kollaboriert Ibn Mulei mit den Sklavenjägern gegen seinen Mudir. Der positiv gezeichnete Onbaschi ist eine Ausnahmeerscheinung, die das Verhalten seiner Landsleute und seines Vorgesetzten, des Tschausch, nur um so abstoßender erscheinen läßt.

   Arnauten kommen in Mays Werk nur als Soldaten, Unteroffiziere und Polizisten vor. Es entging ihm (oder er verzichtete bewußt darauf, es zu erwähnen), daß die Albaner auf allen Ebenen des Osmanischen Reiches präsent waren; zahlreiche Großvezire, Minister, Heerführer, Provinzgouverneure waren albanischer Herkunft.

   Diese insgesamt sehr negative Zeichnung, die von den meisten zeitgenössischen Schilderungen durchaus gedeckt wird, ist in Mays Kosmos konsequent: Zum einen gehören die Soldaten zu den Gruppen, die May überwiegend negativ beschreibt. Zum anderen sind die Arnauten kollektiv ›entwurzelt‹, weil sie die Bindung an ihre Heimat abgebrochen haben. Die Trennung von der Heimat aber ist für zahlreiche Personen im Gesamtwerk entweder die Sühne für frühere Schuld oder das Stigma des friedlosen Verbrechers; das gilt natürlich nicht für den Reisenden oder Forscher, der seinen Lebensmittelpunkt auch bei langer Abwesenheit in seiner Heimat hat: Der Ich-Erzähler hat seine Heimat in Deutschland, Winnetou bei den Mescaleros, Halef bei den Haddedihn. Konkret: Mehrere Personen, wie Klekih-petra, Old Firehand und der Pole Dozorca, haben sich durch ihre Beteiligung an der Revolution von 1848 bzw. dem polnischen Aufstand von 1846 an Mays legitimistischer Weltordnung versündigt und büßen dies durch ein Leben in der Fremde. Auf der anderen Seite haben viele Schurken den Schauplatz ihrer Verbrechen fernab von ihrer Heimat verlagert (z. B. der Schut oder Thomas Melton als tunesischer Offizier) oder verbringen ihr Leben auf einer beständigen Flucht (Landola, Florin, die Brüder Amasat).

   Dies gilt auch für Kollektive, für ganze Völker. Und hier berühren sich Mays Albaner mit anderen ›entwurzelten‹ Völkern, und das heißt in erster Linie mit den Juden. May lebte und schrieb in einem kulturellen Umfeld, in dem der Antisemitismus nicht geächtet war.(121) So sind die weitaus meisten seiner Juden Paradebeispiele für gesammelte Negativklischees und Ressentiments. Das gilt nicht nur für die Juden in den besonders drastischen Kolportageromanen (die Familien Levi


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und Horn sowie Jacob Simeon im ›Verlornen Sohn‹, Levi in ›Die Liebe des Ulanen‹, Jacub Afir in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹, das Ehepaar Abraham im ›Weg zum Glück‹, vergleichsweise harmlos die Hirschs im ›Waldröschen‹), sondern auch für die Reiseerzählungen (Vater und Tochter Silberberg in ›Satan und Ischariot‹). Positiv gezeichnete oder zumindest wohlwollend karikierte Juden (wie Baruch in ›Von Bagdad nach Stambul‹(122)) bleiben passive Randfiguren, an denen der Held seinen Drang demonstrieren kann, sich für die Schwachen gegen die Starken einzusetzen. Außerdem gilt für die Juden wie für die Albaner, daß sie nur in ihrem heimatlichen Milieu ihre positiven Anlagen entwickeln können. Darum schneiden die Armenier in Mays Hierarchie guter und schlechter Völker auch am ungünstigsten ab; ausnahmslos alle auftretenden Armenier sind ›entwurzelt‹, selbst ihre Namen sind alles andere als armenisch. Die Gegenprobe wird hier nicht gemacht; keine Erzählung Mays spielt in Armenien. Die Ausnahme von dieser Regel bilden die Deutschen: Im Ausland lebende Deutsche sind so gut wie immer positiv charakterisiert, während in den in Deutschland spielenden Romanen natürlich auf deutsche Schurken nicht völlig verzichtet werden kann.

   Mays Schurken haben nur in seltenen Fällen eine Biographie, jedenfalls keine, die ihren Weg erklärbar machen würde. Das gilt auch für Kollektive. May interessiert sich nicht für politische und wirtschaftliche Zusammenhänge und sucht nicht nach Erklärungen für die Anwesenheit albanischer Soldaten und Polizisten an der Peripherie des Osmanischen Reiches. Deren abhängige Position steht einer Differenzierung im Wege, die bei den freien Beduinen- und Kurdenstämmen möglich ist. Diese Differenzierung nimmt May hingegen bei den Albanern auf dem Balkan vor. Zwei Vertikalschnitte ziehen sich durch die albanische Gesellschaft:

   Die soziale Staffelung zieht sich von dem Bajraktar Stojko bis hinunter zu dem bis zur Geistesschwachheit verelendeten Hirtenpaar. In der moralischen Hierarchie steht ebenfalls Stojko als schuldloses Opfer an oberster Stelle; ihm folgt der treue Dolmetscher, der sich weder durch besonders schweres Leid noch durch eigene Initiativen, aber durch Treue auszeichnet. Der Miridit macht sich durch seinen Angriff auf Kara Ben Nemsi im Zusammenwirken mit den Verbrechern schuldig, jedoch ist diese Schuld durch den Zwang zur Blutrache relativiert, dem er unterliegt; außerdem belohnt er Schonung mit Dankbarkeit und bricht mit den Verbrechern. Da er einerseits sehr differenziert gezeichnet wird, andererseits anonym bleibt, wird er zum typischen Repräsentanten der Mirditen mit all ihren guten und schlechten Charakterzügen. Die Aladschy korrespondieren in ihrem Charakter und Verhalten mit den arnautischen Soldaten, z. B. mit dem Tschausch in Kairo; die Uniform des letzteren ist der einzige Unterschied. Auch sie


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sind offenbar entwurzelt und ziehen ohne Bindung an ihr Heimatdorf oder ihren Stamm durchs Land. Allerdings wird der Leser nicht zum Zeugen eines wirklich schlimmen Verbrechens, denn alle ihre Angriffe werden ja von Kara Ben Nemsi vereitelt. Der tiefste ethische Punkt wird durch den Köhler Scharka, einen Massenmörder, markiert.

   Bemerkenswert ist auch, daß der zunächst für einen Skipetaren gehaltene Schut sich als Perser (mithin wiederum ein ›Entwurzelter‹) entpuppt. Es gelingt Kara Ben Nemsi und seinen Gefährten kaum, die Loyalität der Bevölkerung von Rugova zu ihm zu brechen, obwohl Kara Nirwan schließlich selbst zugibt, der gefürchtete Bandenhäuptling zu sein. Das kann weder angesichts der Ausführungen Mays überzeugen, wonach die Xenophobie gerade als Wesenszug der Albaner erscheint, noch ist es real vorstellbar, daß in einer Gentilgesellschaft ein Ausländer eine derart zentrale Machtposition erringt. Die Albaner besetzen also nicht die höchste Führungsebene in der Verbrecherorganisation. Nun ist aber der Schut positiver gezeichnet als viele seiner Untergebenen. Schon äußerlich hebt sich seine prunkvolle Tracht von abgerissenen und zerlumpten Gestalten wie Scharka oder dem Mübarek ab. Kara deutet sogar einmal an, er wolle ihn gar nicht vernichten;(123) er bewundert seinen Mut und seine körperliche Gewandtheit bei der Verfolgung, und als die Miene des Schut Scham und Reue erkennen läßt, will Kara nicht mehr gar so schlecht von ihm denken. Doch ist die scheinbare Scham nur eine Konzentration auf den Fluchtplan.(124) Die Tatsache, daß der Schut ein Perser ist, bedeutet nicht etwa eine moralische Entlastung der Albaner, sondern viel eher einen Mangel dieses Volkes an Führungskompetenz. Das korrespondiert mit der abhängigen, untergeordneten Rolle der Arnauten im Osmanischen Reich.

   Die Nationalität Kara Nirwans ist für Mays literarische Entwicklung von Bedeutung, denn Persien gewinnt für ihn später einen zentralen Stellenwert. In den vier Bänden ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ vollzieht er den Übergang von der Reiseerzählung zum Symbolismus. In dieser Tetralogie knüpft er über die Verbindung zwischen Hassan Ardschir Mirza und Dschafar Mirza direkt an den Orientzyklus an. Die Sillan (Schatten) erscheinen zunächst als ganz prosaisch-diesseitige Schmugglerbande großen Stils und wandeln sich allmählich in eine Armee des Bösen. Der Erkennungsknopf (Koptscha) der Schut-Bande findet sich im Siegelring der Sillan wieder. Der Schut selbst ist die erzählerische Vorstufe zum Aemir-i-Sillan, Ahriman Mirza.

   Das albanische Volk als Kollektiv ist nach Mays Theorie, die er erstmals 1875/76 in den ›Geographischen Predigten‹ formuliert, wenn auch nicht selbst entwickelt hatte,(125) von der Landschaft geprägt. Eine menschenfeindliche Landschaft aber kann nichts anderes als menschenfeindliche, introvertierte und xenophobe Charaktere hervorbrin-


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gen, die höheren Autoritäten ablehnend gegenüberstehen. Die Albaner weisen folgende kollektive Eigenschaften auf:

PositivNegativ
Unabhängigkeitswille gegen Eroberer
kraftvolle Gestalt
Ernst
Zusammenhalt gegen Feinde
Verschlossenheit gegen Fremde
unerbittliche Züge
Kälte
Haß
Rache
Zorn
Mißtrauen untereinander
Isolation
Zersplitterung
Ablehnung höherer Staatsautorität
Ablehnung allgemeinen Rechts
Faustrecht

Auch hier überwiegen die negativen Elemente klar. Ein Volk mit solchen Zügen stellt für den Reisenden eine permanente Bedrohung dar und ist zugleich politisch nicht integrationsfähig. Mays Polemiken gegen das albanische Gewohnheitsrecht sind dabei zum Teil unberechtigt, zum Teil nicht einmal logisch. Er beschreibt den Kanun als bloßes Recht des Stärkeren, was eine unzulässige Verkürzung ist. Andererseits schreibt er der osmanischen Justiz völlige Ineffizienz zu, was gerade an der Peripherie durch die ›Zuchtlosigkeit‹ der Albaner noch gesteigert werde. Tatsächlich ersetzte das Gewohnheitsrecht mit all seinen Stärken (einem hohen Maß an Rechtssicherheit) und Schwächen (den mörderischen Konsequenzen der Blutrache) im Bereich der nordalbanischen Stämme das dort überhaupt nicht durchsetzbare türkische Recht.

   In ›Von Bagdad nach Stambul‹ entwickelt May ein politisches Programm, das in der Erzählung ein Fremdkörper ist. Formaler Aufhänger ist eine Frage Lord Lindsays nach Kara Ben Nemsis Haltung zur ›Orientalischen Frage‹; diese Frage wird mit dem geradezu grob abweisenden Satz, daß »sie nicht mit einem Frage-, sondern mit einem Ausrufzeichen zu markieren ist«,(126) beantwortet.

   Nicht seinem Freund, sondern dem Leser enthüllt May dann seine Ansichten über den Niedergang des Osmanischen Reiches. Er setzt es gleich mit ›dem Türken‹, also einem lebenden Organismus. Er sieht Heilungschancen für den ›kranken Mann am Bosporus‹, sofern die christlichen Nachbarn und die Großmächte nur aufhören wollten, ihn


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bei lebendigem Leibe zu zerstückeln. Das Osmanische Reich sei regenerationsfähig. Das türkische Staatsvolk könne sich auf seine alte, einfache Nomadenkultur zurückbesinnen, die erst durch byzantinische Einflüsse verdorben worden sei. Nur Deutschland als Vertreter christlicher Humanität könne uneigennützige Hilfe bringen und vielleicht sogar auf friedlichem Wege die Christianisierung der Türken erreichen.(127)

   Nur an einer anderen Stelle läßt Kara Ben Nemsi sich auf einen politischen Disput ein, nicht mit einem alten Freund, sondern mit dem Schmied Schimin, den er gerade erst befreit hat. Nun ist der Beruf des Schmieds bei May immer ein Kennzeichen des Guten (Brandauer in ›Scepter und Hammer‹, mit Einschränkungen die beiden Wolfs im ›Verlornen Sohn‹, der Schmied in ›Old Surehand II‹); im Spätwerk gewinnt das Konzept der ›Geisterschmiede‹ zentrale Bedeutung. Im Sinne der autobiographischen Spiegelung als Konstante des Gesamtwerks muß Mays Pate, der Schmiedemeister Christian Weißpflog, als Vorbild all dieser Schmiede gesehen werden, dessen Erzählungen ihn als Kind inspiriert hatten.(128) Was der Schmied sagt, hat also eine gewisse Autorität.

   Den Schmied läßt er die Parallele zwischen der militärischen Expansion der europäischen Großmächte, vor allem Preußens, und der Türkei ziehen. Daß die Türken den Balkan erobert hätten, sei kein Grund, sie jetzt daraus zu vertreiben. Die türkische Eroberung sei die Strafe Gottes für die Sünden der Byzantiner gewesen. Die Engländer und Russen plünderten ganz Asien aus. Nur die Deutschen legten es nicht auf die Zerstörung des Osmanischen Reiches an. Nicht die Türken, sondern Angehörige anderer Völker (Armenier, Juden, Griechen u. a.) seien an dem Niedergang des Reiches schuld.(129) Kara wendet lediglich ein, daß Schimin Religion und Politik nicht klar genug trenne, aber gibt ihm im Kern Recht; das Gespräch wird nicht zu Ende geführt.

   Der Zerfall der osmanischen Autorität läßt überall Mörder- und Räuberbanden entstehen, die ihre Tätigkeit politisch bemäntelten: »Man spricht nicht mehr von Räubern, sondern von Patrioten. Das Handwerk hat den politischen Turban aufgesetzt. Wer nach dem Besitz Anderer trachtet, der gibt an, sein Volk frei und unabhängig machen zu wollen.«(130) Und: Es mag wohl einige wenige geben, welche, von der Ungerechtigkeit, von dem Haß und der Verfolgung gezwungen, sich in die Berge flüchten, aber ihre Zahl ist verschwindend klein gegen die Menge derjenigen, die nur aus roher Brutalität die heiligen Bande zerreißen, welche das Gesetz, das göttliche und das menschliche, um alle gezogen hat.(131)

   Diese Verurteilung des Heiduckentums(132) gerät zur Denunzierung der Selbstbestimmungsforderungen und Befreiungsbewegungen an


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und für sich. Das gilt nicht nur für die Albaner. Auch die Verschwörer, die »dem Großherrn nicht gehorchen, sondern ein bulgarisches Reich mit einem eigenen, unabhängigen König haben« wollen,(133) kommen schlecht weg: Der Rumäne Mosklan (kein rumänischer Name) gehört zu ihnen ebenso wie zur Bande des Schut. Das ist nicht nur wenig plausibel; es ist auch ein Angriff auf das zur Abfassungszeit bereits existierende Fürstentum Bulgarien, in dem deutsche Fürsten regierten, nämlich Alexander von Battenberg (1878-86) und Ferdinand von Coburg-Gotha (1887-1918). Allerdings stand Bulgarien in seiner Gründungsphase unter starkem russischem Einfluß – trotz der deutschen Herrscher. Der von Bismarck initiierte Berliner Kongreß (1878) stutzte den neuen Staat gegenüber dem russisch-türkischen Vorfrieden von San Stefano gewaltig zurück. Mays Affront gegen Bulgarien entsprach somit genau der offiziellen deutschen Außenpolitik.

   May als »überzeugten Demokraten und Pazifisten« in Anspruch zu nehmen, der »eindeutig Stellung für die unterjochten Nationalitäten auf dem türkischen Balkan und für deren nationale Unabhängigkeit« bezogen habe, wie es der Bulgare Wesselin Radkov tut,(134) entbehrt jeder Grundlage.(135) Die Tendenz von ›Und Friede auf Erden!‹ darf nicht beliebig rückprojiziert werden; abgesehen davon ist auch das Spätwerk eben gerade keine Absage an militärische Konfliktlösungen.

   May denunziert die Nationalbewegungen der Balkanvölker als getarnte Verbrecherbanden. Er kritisiert und karikiert zwar die allenthalben anzutreffende Mißwirtschaft und Korruption; auch wenn er hier seine eigenen schlechten Erfahrungen mit Beamten und Polizisten abreagiert, beschreibt er im Einklang mit nahezu allen Beobachtern der Türkei tatsächliche Zustände. Doch ein Recht auf Widerstand räumt er allenfalls da ein, wo Völker von der physischen Vernichtung bedroht sind. Dies gilt öfters für Beduinen- und Kurdenstämme oder für die Dschesidi, nicht aber für die Balkanvölker. Die realen Mißstände führt May (ob in Deutschland oder im Osmanischen Reich) niemals auf das System, nämlich die gottgewollte Weltordnung, zurück, sondern auf die Störung des Systems durch Verbrecher, unfähige Beamte u. a. Er argumentiert immer vom Standpunkt eines antirevolutionären Legitimismus aus.

   Mit der ›Liga von Prizren‹ (1878-81) hatte auch die albanische Nationalbewegung (Rilindja, d. h. wie auch bei den Nationalbewegungen anderer Balkanvölker ›Wiedergeburt‹) politischen Charakter angenommen.(136) Dieser Zusammenschluß richtete sich zunächst gegen die auf dem Berliner Kongreß beschlossene Abtretung albanischer Gebiete an Serbien und Montenegro, ging damit also mit den Interessen der Regierung in Stambul konform. Als sich die Hohe Pforte jedoch gezwungen sah, die Berliner Beschlüsse umzusetzen, richtete sich die Liga gegen sie und etablierte eine autonome Regierung. Der albanische


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Aufstand wurde nach drei Jahren militärisch niedergeschlagen, doch kam Albanien nicht mehr zur Ruhe, bis 1912 im Verlauf des 1. Balkankriegs die Lösung von der Türkei durchgesetzt wurde. Die Bande des Schut ist eine verzerrte Spiegelung der Liga von Prizren und anderer Befreiungsbewegungen. Dabei kann man bei dieser Parallelisierung sicher nicht so weit gehen, im Schut eine konkrete historische Persönlichkeit zu identifizieren.

   Mays Position in dieser Auseinandersetzung ist eindeutig auf der Seite der Hohen Pforte und gleichzeitig Bismarcks, auf dessen Initiative und Vermittlung hin die Türkei die im Vorfrieden von San Stefano vereinbarten weit größeren Gebietsverluste vermeiden konnte. Er zieht die Parallele zwischen der nationalen deutschen Einigung von 1870/71 und dem legitimen Bestreben der Türken, das Osmanische Reich zusammenzuhalten. Sein politischer Horizont erlaubt ihm keine Unterscheidung zwischen Nationalstaat und Vielvölkerstaat. Aus dem Bekenntnis zum deutschen Nationalstaat zieht er nicht die Konsequenz, das Recht der Balkanvölker zur nationalen Unabhängigkeit anzuerkennen, sondern es zu verweigern.

   Kara Ben Nemsi tritt als abendländischer Hekim auf, der als einzelner Privatmann den ›kranken Mann am Bosporus‹ natürlich nicht heilen kann. Aber er kann hier und da wenigstens Krankheitssymptome bekämpfen. Die Verhinderung der ungerechtfertigten Vernichtung von Araber- und Kurdenstämmen, die Absetzung und Verhaftung unfähiger oder verbrecherischer Beamter, der Kampf gegen Verbrecher aller Art und eben auch die Bekämpfung von Organisationen, die den geschwächten Körper weiter destabilisieren: all das sind heilende Eingriffe. Das Osmanische Reich ist nach dem Ende der Reise wenigstens ein Stück gesünder geworden. Alles weitere ist Aufgabe der Politik, in die sich Kara nicht mischen kann und will.

   Karl M. aus Trier, der über die Albaner auch nur wenige unfreundliche Sätze zu schreiben wußte, hätte Karl M. aus Hohenstein-Ernstthal als Urquhartisten bezeichnet und ihn damit in die Tradition des Schotten David Urquhart gestellt, der sich gegen den Philhellenismus wandte und dem im Osmanischen Reich noch lebendigen ›Spirit of the East‹ (so der Titel seines 1838 erschienenen Hauptwerks) eine Neubelebung des ›kranken Mannes am Bosporus‹ zutraute.


V. Quellen

Karl May hat den Balkan nicht einmal während seiner Orientreise (1899-1900) besucht. Gegenüber dem Nahen Osten und Nordamerika sind die Europäische Türkei und Südamerika nur Nebenschauplätze des Mayschen Werks. Das bedeutet natürlich auch, daß der Autor


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sich schon aus Gründen der Arbeitsökonomie weniger intensiv mit Land, Leuten und Sprachen dieser Gebiete auseinandergesetzt hat. Daher muß er sich auch auf wenige Quellen beschränkt haben. Man kann allerdings nicht davon ausgehen, daß May lediglich eine Balkankarte auf dem Schreibtisch hatte. Obwohl »die völkerkundliche Fundierung und der zeitgeschichtlich-historische Hintergrund (. . .) nicht die von May bisher bewiesene Zuverlässigkeit«(137) erreichen, muß er mindestens kursorisch einiges an Literatur konsultiert haben. Nicht auszuschließen ist, daß er auf Reminiszenzen an länger zurückliegende Lektüre zurückgriff; das würde manchen Irrtum erklärlicher machen. Er besaß einige landeskundliche Handbücher und Reisebeschreibungen, wie Untersuchungen seiner Bibliothek gezeigt haben; nicht in allen haben sich Benutzungshinweise wie Unterstreichungen und Anmerkungen feststellen lassen.(138) Doch können Bestandsaufnahmen seiner Bibliothek nur einen Anhaltspunkt für seine Quellen liefern. Darüber hinaus hat er mit Sicherheit auch Bücher benutzt, die er sich ausgeliehen hatte oder die später aus seiner Bibliothek verschwunden sind.

   Die Spezialliteratur über Albanien war zu Mays Zeit dünn gesät, wobei er außerdem mangels tatsächlicher Sprachkenntnisse auf deutschsprachige Titel festgelegt war. Der Abdruck des Orientzyklus im ›Deutschen Hausschatz‹ begann im September 1880, die im albanisch-makedonischen Bereich spielenden Teile erschienen erst ab Oktober 1887. ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ entstand ca. zwei Jahre früher. ›Der Verfluchte‹ erschien 1892, ›Im Lande des Mahdi‹ 1895-96.(139)

   Mays völlige Ignoranz hinsichtlich der albanischen Sprache schließt die Benutzung der zwei wichtigsten albanologischen Arbeiten aus, der eingangs erwähnten Grammatik von Xylander (1835) und der 1854 in Jena erschienenen dreibändigen ›Albanesische(n) Forschungen‹ des österreichischen Konsuls Johann Georg von Hahn.(140)

   Die einzige Spezialveröffentlichung über Albanien, die May wahrscheinlich eingesehen hat, war ein denkbar unglücklicher Griff. Es dürfte sich um: Spiridion Gopcevic: Oberalbanien und seine Liga. Leipzig 1881, gehandelt haben. Gopcevic (1855-1925?) war ein Publizist montenegrinischer Herkunft, der über 45 Jahre hinweg eine imposante Zahl von Veröffentlichungen mit einer Bandbreite zwischen Dramen und astronomischen Arbeiten, Reiseführern und politischen Studien produzierte. Sein extremer Charakter trieb ihn zu großer Subjektivität nicht nur bei der Bewertung von Fakten, sondern auch bei der Manipulation derselben, je nachdem, welchen Standpunkt er in wessen Auftrag gerade einnahm.(141)

   Folgende Indizien sprechen für die Benutzung des als Quelle höchst fragwürdigen Buches(142) durch Karl May:


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1) Gopcevic verwendet das Wort Skipetaren (z. B. S. IX). Er schreibt es lautlich korrekt mit dem auf dem S- – ein typographischer Luxus, den May nicht übernehmen konnte.

2) Er nennt die Führer der albanischen Bergstämme »Barjaktars, Dovrans, Gjobars« (S. 323), verwendet also nicht nur die (in der Literatur keineswegs seltene) serbische Metathese für türk. ›bayraktar‹, das im Albanischen korrekt mit ›bajraktar‹ wiedergegeben wird, und den Terminus ›Gjobar‹ (bei May Dschobar), sondern auch das in der Literatur kaum zu findende ›Dovran‹.

3) Er spricht vom »Kanuni Lek (S. 313), was die überraschend korrekte Genitivendung bei May erklärt.

4) Gopcevic erwähnt das Hotel Papaniko in Skutari (S. 81); bei May heißt der Besitzer Anastasio Popanico. Die Abweichung könnte auf einen Flüchtigkeitsfehler Mays oder einen Druckfehler zurückgehen.

5) Die Tendenz des Buches, in dem Gopcevic seine angeblichen Versuche darstellt, selbst die Führung des albanischen Freiheitskampfes zu übernehmen, ist klar antialbanisch.

May hat sich hauptsächlich auf allgemeine geographisch-ethnographisch ausgerichtete Werke über den Balkan bzw. über die damalige Europäische Türkei gestützt. Gerade hier hatte die Verschärfung der Orientalischen Frage die Literaturlage zumindest quantitativ deutlich verbessert. Die Zuspitzung der Lage auf dem Balkan (Bosnischer Aufstand, Bulgarischer Aufstand, Serbisch-Türkischer Krieg, Russisch-Türkischer Krieg, Berliner Kongreß, Albanischer Aufstand, Vereinigung von Bulgarien und Ostrumelien, Serbisch-Bulgarischer Krieg) hatte auch eine günstige Konjunktur für Mays Balkanromane geschaffen.

   Nur an einer Stelle(143) nennt er ein derartiges Werk, ein ›Panorama der europäischen Türkei‹ von 1812, das dem Fürst-Primas des Rheinischen Bundes, dem Regensburger Erzbischof Karl, gewidmet war und dem er Angaben über Ostromdscha entnimmt. Der genaue Titel ist: ›Gemälde der Europäischen Türkei. Ein Beitrag zur Länder- und Völkerkunde.‹ Herausgegeben von Dr. Friedrich Ludwig Lindner. . . . Weimar 1813; das Werk bildet den 14. Band der ›Neueste(n) Länder- und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch‹. Weimar 1812. Kara Ben Nemsi mißtraut den (dann doch als richtig erwiesenen) Angaben des zum Zeitpunkt der Reise ca. 60 Jahre alten Werks (dort S. 471). Die Wesenszüge der Albaner als grausam und räuberisch, die Allgegenwart arnautischer Soldaten und ihre Undiszipliniertheit finden sich bei Lindner (S. 134f., 408f.).(144)

   May besaß die deutsche Erstausgabe von Cyprien Robert: Die Slawen der Türkei. Stuttgart 1844. Der falsche Titel, durch den die Alba-


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ner unter die Slawen eingereiht werden, dürfte ihn zu seinen sprachlichen Irrtümern angestiftet haben. Roberts Einschätzung, daß sie in Ägypten die Nachfolge der Mamelucken angetreten hätten (Band 2, S. 182), findet sich in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹(145) wieder. Auch die (durchaus nicht originelle) Idee, daß der Volkscharakter von der Landschaft geprägt würde, hat Robert schon vertreten (S. 146).

   Nicht in Mays Bibliothek findet sich das zweibändige Handbuch ›Die heutige Türkei‹ von Friedrich von Hellwald und L. C. Beck (Leipzig-Berlin 11878/79; 21882). Es könnte als Quelle in Frage kommen wegen der Erwähnung des Gjobar (S. 345f.) und wegen der Angaben über die Verbreitung der Arnauten (S. 352); das ist aber zu unpräzise, um eine Verwendung nachzuweisen.

   1882 erschien in Wien, Pest und Leipzig Amand von Schweiger-Lerchenfeld: Der Orient, ein im Aufbau ganz ähnliches Werk wie das von v. Hellwald und Beck. May besaß es und hat es sicher für andere Gebiete konsultiert. Die Schilderungen der Arnauten mit ihrer malerischen Tracht, ihrer Gefühllosigkeit, Mordlust und Beutegier sowie ihrer Undiszipliniertheit (S. 12f.) sowie des ganz und gar nicht urbanen Charakters von Skutari (S. 31f.) entsprechen weitgehend Mays Darstellung.(146)

   Die Schilderung der reichen mohammedanischen Skipetarentracht des Schut könnte auf den Stich in A. E. Lux: Die Balkanhalbinsel. Freiburg 1887, S. 61, zurückgehen. Der Text dieses Bandes, den May ebenfalls besaß und verwendete, ist für Albanien sehr unergiebig.

   In Mays Bibliothek befindet sich auch: Bernhard Schwarz: Montenegro. Leipzig 1883. Es ist methodisch falsch, Titel über Montenegro deswegen aus dem »Kreis der Verdächtigen« auszuschließen, weil der Reiseweg dieses Land nicht berührt.(147) Tatsächlich ist nahezu jeder ältere Titel über die Crnagora zugleich ein Buch über Albanien und die Albaner, erstens wegen der dort lebenden Albaner, zweitens, weil nahezu jede Reise durch Montenegro auch das oberalbanische Zentrum Shkodër (Skutari) berührt. Eine kursorische Lektüre des Buches von Schwarz könnte immerhin Mays klischeebehaftetes Albanerbild mitbeeinflußt haben. Mit Formulierungen wie »rohe Albanesenhorden« (S. 192), »zerlumpte Albanesengestalten« (S. 198), »wahre Galgengesichter« (S. 211), »Banditen und Wegelagerer, welche ungeniert rauben und morden« (S. 218), »Albanesen von unruhigem, heimtückischem und räuberischem Wesen« (S. 228) grenzt Schwarz dieses Volk scharf von den prachtvollen Montenegrinern ab.

   Für die arnautischen Soldaten in Amadijah, die im Gegensatz zur sonstigen Schilderung zerlumpt wirken, ist als Quelle nachweisbar: Austen Henry Layard: Ninive und seine Überreste. Leipzig 1850.(148) Die Verwendung des Brockhaus, 13. Aufl., 1882 ff., besonders der Be-


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griffe ›Albanesen‹ und ›Osmanisches Reich‹ ist bereits untersucht worden.(149)

   Es mag weitere Quellen geben, die May teils wörtlich zitiert, teils paraphrasiert hat oder deren Lektüre sein Verständnis von Türkei, Balkan und Albanien geprägt haben. Insbesondere Artikel in Zeitschriften und in der Tagespresse haben hier sicher eine erhebliche Rolle gespielt.

   Karl May hat Romane geschrieben, keine geographisch-ethnographischen Enzyklopädien. Von einem einzigen Autor, dessen Werke im weitaus größten Teil der gesamten Welt spielen, zu erwarten, daß jedes Detail mit der gleichen Sorgfalt recherchiert ist, wäre realitätsfern. Wer also meint, das Maysche îuvre unkritisch als Informationsquelle zu den Realien der jeweiligen Länder und Völker nutzen zu können, tut dies auf eigenes Risiko und kann den Autor nicht für die Folgen seiner eigenen Naivität verantwortlich machen. May hat für seine Arbeit in beschränktem Maß Literaturstudien betrieben, die von seinen Bildungsvoraussetzungen, besonders seinen geringen Fremdsprachenkenntnissen, sowie natürlich dem damaligen Forschungsstand abhängig waren. Er ist dabei unterschiedlich gründlich vorgegangen. Der Balkan und Albanien haben sein Interesse nicht dauerhaft geweckt. Daher ist seine Auseinandersetzung mit den Albanern besonders stark von Klischees bestimmt, die er übernahm und dank seiner Massenwirksamkeit verstärkt weitergab. Er selbst wäre wahrscheinlich sehr überrascht gewesen, wenn er erfahren hätte, wie eng sein Name mit dem Albaniens bis heute verbunden ist.



1 Siehe zu den vorderasiatischen Völkern: Feruzan GündoÎgar: Trivialliteratur und Orient: Karl Mays vorderasiatische Reiseromane. Frankfurt a. M.-Bern-New York 1983; speziell zu den Armeniern: Rainer Jeglin: Karl May und die Armenier. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 6/1970, S. 20ff. und 7/1971, S. 22-25.

2 Gerhard Linkemeyer: Im Schatten des Schut. Eine Betrachtung zum symbolischen Gehalt der Balkanabenteuer Karl Mays. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 14. Ubstadt 1992

3 Vgl. Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 3: Von Bagdad nach Stambul. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1988, S. 217 – sowie: Hans-Jürgen Kornrumpf: Midhat Pascha. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Hrsg. von Mathias Bernath und Felix von Schroeder. Bd. 3: L–P. München 1979, S. 192ff.

4 Vgl. Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 4: In den Schluchten des Balkan. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1988, S. 103.

5 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen (Greno-Verlag) 1987ff. bzw. Zürich (Haffmans-Verlag) 1989ff.; fortgesetzt ab Ende 1993 mit der Bibliotheksausgabe als Privatdruck im Bücherhaus Bargfeld, Im Beckfeld 48, 29351 Bargfeld/Celle

6 Mancher sachliche Bearbeitungsfehler geht schon auf Fehsenfeld zurück, andere kamen in den Ausgaben des Karl-May-Verlages hinzu. Ein Beispiel: In: Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. III: Von Badgdad nach Stambul. Freiburg 1892, S. 519,


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wird der (phonetisch völlig korrekte) Ortsname Schkodra mit der Fußnote Skutari nach türkischer Mundart erklärt, was an sich schon mißverständlich ist (welche Form soll denn nun die türkische sein?). Es ist dazu noch inkorrekt und inkonsequent, denn auf S. 478 wird die türkische Form phonetisch zutreffend mit Iskenderiëh angegeben. ›Skutari‹ ist die über das Italienische in die meisten westlichen Sprachen vermittelte Form, manchmal mit dem Zusatz ›Scutari d›Albanie‹, um es von dem anatolischen Stadtteil Stambuls (türk. ›Üsküdar‹) zu unterscheiden. In den Ausgaben des Karl-May-Verlages (Karl May's Gesammelte Werke Bd. 3: Von Bagdad nach Stambul. Bamberg. 994. Tsd., S. 454) lautet die Fußnote »Skutari, auch in türkischer Sprache. Albanisch: Schkodër. Südslawisch: Schkodra«. Tatsächlich sind ›Shkodër‹ und ›Shkodra‹ beides albanische Formen, nämlich ohne und mit Suffixartikel; die südslawische (serbische) Form ist ›Skadar‹.

7 Zu den vielfältigen Formen der Rezeption Mays siehe Rudi Schweikert: Karl Mays literarische Wirkung, in: Karl May. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. München 1987, S. 244-68 (Sonderband Text + Kritik).

8 Allenfalls ›Durchs wilde Kurdistan‹ kann damit konkurrieren. Der Titel von Band 4 der Werkausgabe ›In den Schluchten des Balkan‹ ist mindestens zweimal plagiiert worden: Georg Gellert: In den Schluchten des Balkan. Berlin o. J. (es handelt sich um einen kriegsverherrlichenden, kraß antiserbischen Jugendroman aus dem I. Weltkrieg), und in den Kriegserinnerungen einer deutschen Einheit: Siegfried Seidel: In den Schluchten des Balkans [sic!]. Buchholz/Sachsen 1921.

9 Vgl. Paul Siebertz: Albanien und die Albanesen. Wien 21910 – Karl Sokolowsky: Im Bannkreise des Balkans. Bd. 2. Berlin 1926, S. 285f., verwendet »Albanier« und »Albaner« nebeneinander.

10 J(oseph) von Xylander: Die Sprache der Albanesen oder Schkipetaren. Frankfurt a. M. 1835

11 Cyprien Robert: Die Slawen der Türkei. 2 Bde. Stuttgart 21844; J(ohann) G(eorg) Kohl: Reise nach Istrien, Dalmatien und Montenegro. Bd. 2. Dresden 21856, S. 370f. – Spiridion Gopcevic: Oberalbanien und seine Liga. Leipzig 1881

12 Vgl. Hermann Wiegmann: Werkartikel ›Der Orientzyklus‹. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 177f.

13 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 2: Durchs wilde Kurdistan. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1988, S. 123 – May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 41, 62

14 Franz Sättler: Bei den Arnauten. Berlin o. J. (ca. 1913)

15 Wilhelm Matthiessen: Nemsi Bey – Der deutsche Waffenschmied im Skipetarenland. Köln-Leipzig o. J. (ca. 1930) – Ders.: Unter den Komitadschis. Köln 1934. Nach dem II. Weltkrieg erschien eine gekürzte und von Deutschtümelei und Kriegsnostalgie gereinigte Kurzfassung: Ders: Adler der Schwarzen Berge. Stuttgart 1953 – Ders.: Karl Mays wunderbare Himmelfahrt. Leipzig 1921. Faksimile in: Karl Mays Spuren in der Literatur. Erste Sammlung. Hrsg. von Hansotto Hatzig und Rudi Schweikert. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft (S-KMG) Nr. 70/1987

16 Matthiessen: Nemsi Bey, wie Anm. 15, S. 12

17 Hugo Adolf Bernatzik: Europas vergessenes Land. Wien 1930 – Ders.: Albanien – Das Land der Schkipetaren. 3. Auflg. o. J. (ca. 1940)

18 Hermann Neubacher: Sonderauftrag Südost 1940-45. Göttingen-Berlin-Frankfurt a. M. 1956, S. 114f.

19 Hermann Frank: Landser, Karst und Skipetaren. Heidelberg 1957

20 Alois Beck u.a.: bis Stalingrad . . . (1941-1943). Ulm 1983

21 Jonny Behm: Balkan, Bakschisch und Basare – Zwei Reporterinnen auf Karl Mays Spuren. Stuttgart 1954

22 Josef Nyary: Durch das Land der Skipetaren. In: Auf den Spuren von Karl May. Hrsg. von Randolph Braumann. Düsseldorf-Wien 1976, S. 65-87

23 Vgl. Erwin Müller: Karl May in Österreich, der Schweiz und der DDR. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 12, S. 644f.

24 Kurt Rückmann: Das Land der Skipetaren. Berlin (DDR) 1960, S. 9f.


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25 Detlef Schneider: Im Land der roten Skipetaren. Dortmund 1980, S. 5ff.

26 Walther Peinsipp: Das Volk der Shkypetaren. Geschichte, Gesellschafts- und Verhaltensordnung. Wien-Köln-Graz 1985

27 Ebd., S. 292

28 Ebd., S. 211; Peinsipp assoziiert hier möglicherweise fälschlich die Senitza-Episode: Senitza wird nicht als Braut, sondern aus Rache entführt.

29 Hans Joachim Röhm/Rüdiger Pier: Albanien als Reiseland. München-Hamburg 1986, S. 7

30 Bodo Gudjons: Und immer wieder »Durch das Land der Skipetaren«. In: Albanien. Ein Reisebuch. Hrsg. von Rüdiger Pier und Dierk Stich. Hamburg 1989, S. 16-19

31 Paul Lendvai: Das einsame Albanien. Reportage aus dem Land der Skipetaren. Zürich-Osnabrück 1985 – Norbert Stanek: Albanien – Land der Skipetaren. Wels-München 1987 – Gerhard Gürsch: Mit Bus und Bahn durchs Land der Skipetaren. o. O., o. J.

32 So lautet auch der Titel des Katalogs, der 1988 in Mainz erschien.

33 Guntram Koch: Albanien – Kunst und Kultur im Land der Skipetaren. Köln 1989

34 Genannt sei noch: Christos Tsolodimos: Durchs Land der roten Skipetaren, in: GEO. 1984/Heft3, S. 140-162.

35 Das – May sicher nicht bekannte – Drama ›Skanderbeg‹ (Siegen-Wiesbaden 1844 als 21. Band der Sämmtlichen Werke) des Schiller-Epigonen Joseph Freiherr von Auffenberg bringt diese Topik auf den Punkt. Skanderbeg sagt dort (S. 218): ». . . Verwandt sind die Urstämme beider Völker / Und staunenswerth ist ihre Aehnlichkeit: / Es leben Männer auf Germania's Höhen, / An Kraft, an Ausdau›r und an ehr›nem Muthe / Den Skipetaren uns›rer Berge gleich.«

36 Inwieweit die mittlerweile fast völlig zerschlagene albanischsprachige Presse im früheren Jugoslawien Artikel feuilletonistischer Natur über May gebracht hat, kann ich nicht feststellen; es ist aber wahrscheinlich, weil die Frage des Albanerbildes im Ausland in allen Teilen des albanischen Kulturraums bevorzugt behandelt wird. In Albanien wäre May in die Schublade ›albanienfeindliche Literatur‹ gerutscht und totgeschwiegen worden.

37 Vgl. Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVI: Im Reiche des silbernen Löwen I. Freiburg 1898, S. 553.

38 Vgl. Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XVII: Im Lande des Mahdi II. Freiburg 1896, S. 5.

39 May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 275f. May verwendet häufig die Vornamen Albin und Alban: Albin Wadenbach war einer seiner falschen Namen, unter denen er straffällig wurde; Alban von Adlerhorst, Albin Richemonte und Alban de Sainte-Marie sind Zentralfiguren in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ bzw. ›Die Liebe des Ulanen‹. Albani ist nach Linkemeyer – wie Anm. 2, S. 3 – ein häufiger Name in Mays Heimat; daher sieht er in ›Albanien‹ eine Chiffre für Hohenstein-Ernstthal. Ein Friedrich Hermann Albani hatte Mays Geliebte Marie Thekla Vogel (die Martha Vogel aus ›Satan und Ischariot‹) geheiratet und ihre Tochter, möglicherweise ein Kind Mays, adoptiert (siehe: Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Berlin (DDR) 1988, S. 289ff.). Ungeachtet solcher autobiographischer Chiffrierung ist der Schauplatz von Mays Werken das ›real existierende‹ Albanien, anders als z. B. bei Max Frisch, dessen ›Andorra‹ nur den Namen des Pyrenäenstaates entliehen hat.

40 Vgl. die Ausführungen Suefs in: Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 5: Durch das Land der Skipetaren. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1988, S. 302.

41 Vgl. Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. II Bd. 1: Scepter und Hammer. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987, S. 438.

42 Karl May: Deutsche Herzen, deutsche Helden. Dresden 1885-87, S. 421; Reprint Bamberg 1976

43 Ebd., S. 423-59


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44 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 1: Durch die Wüste. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987, S. 432

45 Vgl. ebd., S. 434f.

46 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XVI: Im Lande des Mahdi I. Freiburg 1896, S. 62-70

47 Vgl. May: Durch die Wüste, wie Anm. 44, S. 458ff.

48 Vgl. May: Durchs wilde Kurdistan, wie Anm. 13, S. 122f. – In den späteren Ausgaben des Bamberger Karl-May-Verlages (KMV) ist nur noch die Rede davon, daß das Gespräch albanisch geführt wird, ohne daß Sprachproben geliefert werden.

49 Ebd., S. 123

50 Vgl. ebd., S. 110ff., 122ff., 138ff.

51 Ebd., S. 249

52 Vgl. ebd., S. 141-322.

53 Z. B. in: Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. III Bd. 3: Die Sklavenkarawane. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987, S. 113

54 May: Im Lande des Mahdi II, wie Anm. 38, S. 460

55 Vgl. ebd., S. 506.

56 Vgl. ebd., S. 438-506.

57 Karl May: Der Verfluchte. In: Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. X: Orangen und Datteln. Freiburg 1894, S. 613-65 (615)

58 Ebd., S. 618f.

59 Vgl. May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 342-45.

60 May: Durchs wilde Kurdistan, wie Anm. 13, S. 241

61 Vgl. ebd., S. 141-322.

62 Ebd., S. 143

63 Vgl. ebd., S. 306.

64 May: Von Bagdad nach Stambul, wie Anm. 3, S. 514

65 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 6: Der Schut. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1990, S. 307

66 Ebd., S. 260 – In späteren KMV-Ausgaben ist Barjactar korrekt in »Bajraktar« verbessert; statt der Fachtermini ist nur noch von »Unterführer(n)« die Rede.

67 Ebd., S. 374

68 Die Interpretation von Helmuth Christmann: Bemerkungen zu Mays Serbisch. In: M-KMG 72/1987, S. 24-28 (S. 27), es handle sich um ein verballhorntes türkisches ›çoban‹ (›Hirte‹), ist nicht haltbar.

69 Zum Gewohnheitsrecht siehe: Kanuni i Lek– Dukagjinit – The Code of Lek– Dukagjini. Hrsg. von Shtjefën Gjeçov. Übers. von Leonard Fox. New York 1989, S. 139-142, 181-184 – vgl. auch Gopcevic, wie Anm. 11, S. 285.

70 Vgl. z. B. Louis Arbanas: Deutsch-albanisches und Albanisch-deutsches Wörterbuch. Wien-Leipzig (1916), S. 22, und Norbert Boretzky: Der türkische Einfluß auf das Albanische. Bd. 2: Wörterbuch der albanischen Turzismen. Wiesbaden 1976, S. 116. – In den späteren Bearbeitungen ist das falsche sayrik durch das korrektere »ssary« ersetzt worden.

71 Vgl. May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 24. Der Zusammenhang zwischen dem Verfall staatlicher Autorität und dem Räuberunwesen wird nochmals betont in: May: Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 40, S. 134f. – Makedonien wird erst später vom geographisch-althistorischen zum allgemein verwendeten politischen Begriff; eine vom Serbischen wie vom Bulgarischen klar getrennte makedonische Sprache und eine durch das Makedonische definierte Sprachnation sind Ergebnisse des 20. Jahrhunderts. Daß sie bei May nicht erwähnt werden, kann ihm nicht ernsthaft vorgehalten werden, wie dies Katalin Kovacevic: Makedonien bei Karl May. In: Karl Mays Orientzyklus. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Karl May-Studien 1. Paderborn 1991, S. 219-36 (230), tut.

72 May: Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 40, S. 302

73 Ebd., S. 9; in späteren Bearbeitungen des KMV fehlt diese Abqualifizierung des Gewohnheitsrechts als Faustrecht.


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74 Z. B. Joseph Ritter von Scheda: General-Karte der Europäischen Türkei und des Königreiches Griechenland. (Wien) 1869. Maßstab 1:864000, oder die Balkankarte von Handtke in: Vollständiger Hand-Atlas der neueren Erdbeschreibung über alle Teile der Erde. Hrsg. von K. Sohr, bearb. von Heinrich Berghaus. Glogau-Leipzig 51860; letztere Karte hat May benutzt, siehe Ralf Schönbach: »Zu einem guten Kartenleser gehört schon Etwas . . .« – Die Quellen der Balkanromane Karl Mays. In: Sudhoff/Vollmer: Orientzyklus, wie Anm. 71, S. 202-18. – In den 30er Jahren gab der KMV in einer Reihe ›Landkarten mit Reisewegen zu Karl May's Erzählungen‹ als Nr. 2 ›Der Orient‹ heraus, wo unter Berufung auf nicht genanntes zeitgenössisches Material auch Glogovik, Kerubi und Pacha eingezeichnet sind.

75 Vgl. May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 423.

76 Vgl. ebd., S. 423.

77 Vgl. ebd., S. 433.

78 Besonders kraß bei der Schilderung eines Hirten (einer Art Kretin) und seiner Schwester in: May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 423-31 (426); in späteren KMV-Ausgaben gemildert in: »eine bemitleidenswerte Erscheinung«.

79 So auch Hermann Wiegmann: Stil und Erzähltechnik in den Orientbänden Karl Mays. In: Sudhoff/Vollmer: Orientzyklus, wie Anm. 71, S. 113-27 (S. 115) – Demgegenüber entbehrt die Behauptung von Katalin Kovacevic, man gewinne »den Eindruck, daß die Einheimischen durchwegs Albaner sind«, jeder Grundlage (Kovacevic, wie Anm. 71, S. 230).

80 May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 469f.

81 Ebd., S. 469

82 Ebd., S. 344

83 Linkemeyer, wie Anm. 2, S. 2 und passim

84 Vgl. Dante Alighieri: Divina Commedia: Inferno. Canto 34, Verse 37-44.

85 In: May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 244, werden die Bande des Köhlers Scharka Visosch und des ›Gelehrten‹ Marki (beides keine albanischen Namen) als räuberische Skipetaren bezeichnet. In späteren KMV-Ausgaben ist nur noch von »Räuber(n)« die Rede.

86 May: Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 40, S. 58

87 Ebd., S. 117

88 Ebd.

89 May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 182

90 Ebd., S. 319f.

91 May: Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 40, S. 219

92 Ebd., S. 220

93 In den KMV-Ausgaben falsch: »Orossi«

94 May: Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 40, S. 254 – KMV: »nach den Gesetzen Skanderbegs«

95 Wenig kompetente Bearbeiter späterer KMV-Ausgaben gaben ihm den türkisch-islamischen Vornamen Hajdar.

96 Vgl. May: Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 40, S. 318-36.

97 Vgl. ebd., S. 380-95.

98 Ebd., S. 302

99 Peter Bartl: Die albanischen Muslime zur Zeit der Nationalen Unabhängigkeitsbewegung (1878-1912). Wiesbaden 1968, S. 48

100 May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 189 – In späteren KMV-Ausgaben ist der Fehler bereinigt.

101 Eine sehr unvollständige, dennoch umfangreiche Bibliographie über Skanderbeg bringt: Georges Pétrovich: Scanderbeg (Georges Castriota). Essai de bibliographie raisonnée. Paris 1881. Reprint München 1967.

102 Ismet Elezi: E drejta zakonore penale e shqiptarëve (›Das Gewohnheits-Strafrecht der Albaner‹). Tirana 1983, S. 48-56

103 Eine beeindruckende Bearbeitung des Themas durch einen prominenten albanischen Autor ist: Ismail Kadare: Der zerrissene April. Salzburg-Wien 1989.

104 Kanuni, wie Anm. 69, S. 161-86


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105 May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 192

106 So richtig bei Christmann, wie Anm. 68, S. 25 – Das Wort ›sharka‹ gibt es zwar auch im Albanischen, aber weder die Bedeutung ›langer Wollmantel‹ noch ›geflecktes Schaf‹ (Fjalor i gjuhës s– sotme shqipe. Tirana 1980, S. 1819) machen als Personennamen Sinn; außerdem hat May diese Bedeutungen mit Sicherheit nicht gekannt.

107 May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 244

108 Vgl. ebd., S. 263.

109 Ebd., S. 384f.

110 Vgl. ebd., S. 386-89.

111 Christmann, wie Anm. 68 – Jürgen Pinnow: Fremdsprachliche Angaben Karl Mays aus Osteuropa, Nord-, Zentral- und Südasien. S-KMG Nr. 89/1992 und 90/1992

112 Vgl. May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 263, 304.

113 May: Durchs wilde Kurdistan, wie Anm. 13, S. 123

114 Pinnow, wie Anm. 111, S. 37

115 Vgl. May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 385.

116 Vgl. ebd., S. 394f.

117 Christmann, wie Anm. 68, verweist auf Stanoje Boschkowitsch: Theoretisch-praktisches Lehrbuch der serbischen Sprache. Pest 1864, das sich in Mays Bibliothek befindet.

118 Für das Serbische siehe Christmann, wie Anm. 68, für das Türkische summarisch Anton Haider: »Karl der Deutsche«, in: M-KMG 81/1989, S. 54.

119 So auch Pinnow, wie Anm. 111, S. 138

120 Siehe hierzu Bartl, wie Anm. 99.

121 Siehe Rainer Jeglin: Karl May und der antisemitische Zeitgeist, in: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1990, Husum 1990, S. 107-31.

122 Helmut Schmiedt: Der Jude Baruch, in: Sudhoff/Vollmer: Orientzyklus, wie Anm. 71, S. 185-94

123 Vgl. May: Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 40, S. 306f.

124 Vgl. May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 344, 365, 379.

125 Siehe besonders Karl May: Geographische Predigten. 3. Berg und Thal. In: Schacht und Hütte. 1. Jg. (1875/76) Heft 21, S. 165; Reprint Hildesheim-New York 1979. Die Idee findet sich u. a. bereits bei Cyprien Robert, wie Anm. 11.

126 May: Von Bagdad nach Stambul, wie Anm. 3, S. 385

127 Vgl. ebd., S. 385ff. – In späteren KMV-Ausgaben ist der Missionsauftrag an Deutschland getilgt worden.

128 Vgl. Hans Wollschläger: Karl May. Dresden 1990, S. 17.

129 Vgl. May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 65-68.

130 May: Der Schut, wie Anm. 65, S. 181

131 May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 397

132 Siehe hierzu Malte Ristau: Verbrecher oder Sozialbanditen? In: M-KMG 28/1976, S. 10-14.

133 May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 85

134 Wesselin Radkov: Politisches Engagement und soziale Problematik in den Balkanbänden Karl Mays. In: Sudhoff/Vollmer: Orientzyklus, wie Anm. 71, S. 237-54 (240f.)

135 Vgl. Stefan Schmatz: Karl Mays politisches Weltbild – Ein Proletarier zwischen Liberalimus und Konservativismus. S-KMG Nr. 86/1990.

136 Siehe z. B. Johannes Faensen: Die albanische Nationalbewegung. Berlin 1980.

137 Claus Roxin: Bemerkungen zu Karl Mays Orientroman. In: Sudhoff/Vollmer: Orientzyklus, wie Anm. 71, S. 83-112 (94)

138 Siehe Schönbach, wie Anm. 74.

139 Daten nach: Hainer Plaul: Illustrierte Karl-May-Bibliographie. München u.a. 1989

140 Die Untersuchung einer kleinen Landeskunde von 1881: Georg von Gyurkovics: Albanien. Schilderungen von Land und Leuten. Wien 1881, hat ergeben, daß May dieses Buch mit Sicherheit nicht benutzt hat.

141 Eine kritische Studie über ihn bietet: Michael Heim: Spiridion Gopcevic – Biographie. München 1964.


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142 Die von Schönbach, wie Anm. 74, S. 217, angeführten Aufsätze Gopcevic's im ›Globus‹, Jg. 39 (1881), sind lediglich separate Abdrucke einzelner Kapitel des Buches.

143 Vgl. May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 4, S. 368f.

144 Ein in Titel und Konzeption dem Band von Lindner ähnliches Buch: G(ottlieb). A(ugust). Wimmer: Neuestes Gemälde der europäischen Türkei und Griechenland. Wien 1833 (Bd. 29 von Schütz's Allgemeine Erdkunde), kommt als Quelle Mays nicht in Betracht.

145 May: Deutsche Herzen, deutsche Helden, wie Anm. 42, S. 421

146 So auch Erich Mörth: Karl May und Amand von Schweiger Lerchenfeld. In: Karl-May Jahrbuch 1979. Bamberg/Braunschweig, S. 64-95 (S. 64f.)

147 Schönbach, wie Anm. 74, S. 214

148 Franz Kandolf: Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards. In: Sudhoff/Vollmer: Orientzyklus, wie Anm. 71, S. 195-201 (S. 197f.)

149 Schönbach, wie Anm. 74, S. 217


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