//86//

GREGOR SEFERENS

»Immer . . ., wenn ich an den Indianer denke«
Eine Studie zur Entwicklung
des Indianerbildes bei Karl May



I.

Wohl kein anderer Autor (populärer) literarischer Werke hat das Bild, welches man sich in Deutschland vom Amerika des 19. Jahrhunderts machte, stärker geprägt als Karl May. Die ›New York Times‹ hat Mays Wirkung gar »einmal mit dem Hinweis zusammengefaßt, keine fiktionale oder real existierende Person habe Deutschlands Vorstellungen von Amerika so intensiv geprägt wie Karl Mays Indianerhäuptling Winnetou«.(1) Nicht nur hat der Maysche Abenteuerkosmos die Werke seiner zu Lebzeiten sehr erfolgreichen Kollegen, die zum Teil die Vereinigten Staaten immerhin aus eigener Anschauung kannten, fast vollkommen verdrängt, sondern er hat auch das zu seiner Zeit gängige Werturteil über einzelne Indianerstämme vollständig geändert. Wenn wir heute hochmeinend vom Stamm der Apachen reden, dessen herausragendsten Vertreter wir in Winnetou sehen, der zum Inbegriff des edlen Indianers wurde, so ist dies auf die Erzählungen Mays zurückzuführen, denn im 19. Jahrhundert galten gerade die Apachen als die blutrünstigsten und mordlustigsten Vertreter der roten Rasse überhaupt.(2)

   Mit seiner Konzeption des ›edlen Wilden‹ knüpft May an literarische Traditionen an, die bis in die Antike zurückreichen und die nach der Entdeckung Amerikas reaktiviert wurden. Bedeutsam für den exotisch-ethnographischen Abenteuerroman des 19. Jahrhunderts waren vor allem die Werke Jean-Jacques Rousseaus, unter dessen Einfluß z. B. die Erzählungen ›Atala ou les amours de deux sauvages dans le désert‹ (1801) und ›René‹ (1802) von François-René de Chateau-briand entstanden.(3)

   Die pro-indianische Einstellung, die charakteristisch für die ›klassischen‹ Texte Mays ist, gibt es seit dem 16. Jahrhundert in der Literatur. Sie ist meist Ausdruck der Kritik an den Zuständen in der Alten Welt, deren Kultur vorgeworfen wird, daß sie ihren eigenen (ethischen) Ansprüchen nicht genügt. Interesse am Schicksal der Indianer und ein Bewußtsein für die Verbrechen, die an ihnen begangen wurden und die zum Untergang der roten Rasse führen mußten, finden sich erst in James Fenimore Coopers Roman ›The Pioneers, Or The Sources Of


//87//

The Susquehanna‹ aus dem Jahr 1823. Cooper präsentiert dem Leser in diesem Roman, der historisch gesehen zwar am Ende, entstehungsgeschichtlich aber am Anfang der fünf ›Lederstrumpf‹-Romane steht, den 76jährigen Chingachcook, der, wenn auch nicht ohne Würde, als letzter seines Volkes ein recht ärmliches Dasein fristet.

   Auch Karl Mays wohl berühmteste Figur, der Apachenhäuptling Winnetou, ist, jedenfalls so wie May ihn im ersten Band seiner gleichnamigen Tetralogie entwirft, ein exemplarischer Vertreter seiner untergehenden Rasse,(4) die in einem ungleichen Kampf unterliegen muß. Der Winnetou, der uns in diesem Band begegnet, stellt einen vorläufigen Höhepunkt in der Entwicklung dieser Figur dar.(5)

   Der Häuptling der Apachen, der den Lesern erstmals in der Erzählung ›Old Firehand‹ (1875)(6) vorgestellt wurde, präsentiert sich in diesem Text jedoch nicht als der ›edle Wilde‹, als welcher er Eingang in das kollektive Bewußtsein nicht nur der deutschen Leser fand. Auch in den Erzählungen der Folgejahre entspricht der Apache durchaus noch nicht dem ›klassischen‹ Winnetou-Bild.(7)

   Parallel zur Überhöhung des Winnetou erfahren auch die Indianer als solche eine Aufwertung. 1893 war der Indianer für May ursprünglich ein stolzer, kühner, tapferer, wahrheitsliebender, aufrichtiger und seinen Freunden stets treuer Jägersmann (I 11). Zum Schurken wurde er erst durch die Weißen, die ihn aller notwendigen Lebensgrundlagen auf gewaltsame oder betrügerische Weise beraubten und ihn zur Gegenwehr nötigten (ebd.) – so Mays Erklärung für den im allgemeinen üblen Ruf, den die Ureinwohner der Vereinigten Staaten genossen.

   Da für die ersten drei Bände des ›Winnetou‹ nur der Band I – mit Ausnahme der einleitenden Bemerkungen über das Greenhorn, die May der Erzählung ›Der Scout‹ entnahm – neu geschrieben wurde, während die beiden anderen aus älteren, z. T. schon mehrfach verwendeten und bearbeiteten Texten kompiliert wurden, soll im folgenden der Frage nachgegangen werden, inwieweit dieses Erklärungsmodell bereits in den ›Winnetou II/III‹ zugrundeliegenden Texten vorlag bzw. inwieweit May die ursprünglichen Texte auf diese Interpretation hin bearbeitet hat.

   An eine ausführlichere Betrachtung der für diese Fragestellung relevanten Textstellen im Band I schließt sich die Analyse der einzelnen, in ›Winnetou II/III‹ zusammengefaßten Erzählungen in der Reihenfolge ihrer ursprünglichen Entstehung an.(8)


II. ›Winnetou I‹

Immer fällt mir, wenn ich an den Indianer denke, der Türke ein; . . . Man spricht von dem Türken kaum anders als von dem ›kranken Mann‹,


//88//

während Jeder, der die Verhältnisse kennt, den Indianer als den ›sterbenden Mann‹ bezeichnen muß. (I 9) Gleich der erste Absatz der Einleitung von ›Winnetou I‹ stimmt den elegischen Ton an, der nach Mays Vorstellungen als Grundton den ganzen Roman durchklingen soll. Die Ursachen für den Untergang der roten Rasse nennt May gleich anschließend: Zum ersten habe man den Indianern keine Zeit gelassen, sich auf die neuen soziokulturellen Gegebenheiten einzustellen. Die im Stammesverband lebenden Ureinwohner des amerikanischen Kontinents habe man dazu gezwungen, sich in kürzester Zeit vom steinzeitlichen Jäger und Sammler zum Mitglied einer profitorientierten Industriegesellschaft zu entwickeln. Eine Entwicklung, für die die europäischen Völker viele Jahrhunderte (I 10) brauchten. Zum zweiten habe man den Indianern, denen man Liebe und Frieden (ebd.) versprach, ihr Land geraubt. Immer weiter seien sie aus ihren angestammten Territorien verdrängt und so ihrer natürlichen Lebensgrundlagen beraubt worden. Durch von Weißen übertragene Infektionskrankheiten seien ganze Völker praktisch ausgerottet worden. Die Überlebenden habe man dann mit Alkohol ›versorgt‹, der dann deren physische und psychische Vernichtung fortsetzte: Wollte der Rote sein gutes Recht geltend machen, so antwortete man ihm mit Pulver und Blei, und er mußte den überlegenen Waffen der Weißen wieder weichen. Darüber erbittert, rächte er sich nun an dem einzelnen Bleichgesichte, welches ihm begegnete, und die Folgen davon waren dann stets förmliche Massacres, welche unter den Roten angerichtet wurden. Dadurch ist er, ursprünglich ein stolzer, kühner, tapferer, wahrheitsliebender, aufrichtiger und seinen Freunden stets treuer Jägersmann, ein heimlich schleichender, mißtrauischer, lügnerischer Mensch geworden, ohne daß er dafür kann, denn nicht er, sondern der Weiße ist schuld daran . . . Er, der in überstrotzender Kraft einst dem schrecklichen grauen Bären mit den Fäusten zu Leibe ging, schleicht jetzt wie ein räudiger Hund in den Winkeln umher, um sich, hungrig, einen Fetzen Fleisch zu betteln oder zu – stehlen! (I 11).(9)

   Diese Auffassung Mays findet sich nicht nur in den einleitenden Bemerkungen, die mit Der Verfasser (I 13) unterschrieben sind und so die Identität von Autor und Erzähler suggerieren, sondern auch – von verschiedenen Personen geäußert – im erzählenden Text. So entwirft der Ich-Erzähler – ein noch namenloses Greenhorn(10) –, schon ganz am Anfang des Romans ein Horrorszenarium, in dem er schildert, was geschehen würde, wenn der Stutzen des Waffenschmiedes Henry in Serie ginge: Die Ausrottung der Mustangs, der Büffel und der anderen jagdbaren Tiere, die die Nahrung der Indianer bilden, wäre die unausweichliche Folge. Das Blut von Menschen und Tieren wird in Strömen fließen, und sehr bald werden die Gegenden diesseits und jenseits der Felsenberge von jedem lebenden Wesen entvölkert sein (I 25). Dieses


//89//

Motiv der Zerstörung der Lebensgrundlagen der Indianer durch Weiße wird im Laufe der Erzählung noch häufiger aktualisiert: Sam Hawkens über die Bedeutung der Büffelherden: ». . . des Indianers Brot; die Weißen haben es ihm genommen« (I 58); Shatterhand verzichtet auf den Fang eines Mustangs (I 75f.); Rede Intschu tschunas (I 110ff. und 290ff.).

   Der Grund für diesen unstillbaren Expansionsdrang der Weißen ist ihre Habgier, ihr Streben nach Reichtum und Profit. Den anderen Mitgliedern des Vermessungstrupps, dem auch der Erzähler angehört, geht es bei ihrer Arbeit keineswegs um so ein vergleichbar hehres Ziel wie z. B. die Verbreitung der europäischen Zivilisation, das man jedoch aus heutiger Sicht eher als Kulturimperialismus bezeichnen müßte. Shatterhands Kollegen wollen nur möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen. Diese Gier nach dem ›deadly dust‹ ist es auch, die Santer dazu veranlaßt, Nscho-tschi und Intschu tschuna nachzuschleichen und die beiden umzubringen. Gabriele Wolff hat in einem Aufsatz(11) bereits darauf hingewiesen, daß May aus seiner wichtigsten Quelle für den ersten Winnetou-Band, dem Buch ›Die Indianer Nord-Amerikas‹ des amerikanischen Forschers und Malers George Catlin, nicht nur die meisten ethnographischen Detailschilderungen entnommen hat, er hat sich auch die Meinung dieses Amerikaners zu eigen gemacht, daß die Indianer – im Prinzip freundliche und aufrichtige Menschen – von den Weißen beraubt, betrogen und vernichtet werden.(12) Alle schlechten Eigenschaften haben sie, so Catlin, nur durch den Kontakt mit Weißen erworben. Auch bei Catlin findet sich als Motiv für die Eroberung und Besiedelung des »Fernen Westens«(13) die Habgier: »Aber die meisten Menschen werden ihn [den Indianer] höchstwahrscheinlich nicht so sehen, denn er ist zu weit entfernt und nur denen erreichbar, welche Golddurst und Habgier in jene fernen Regionen lockt und die durch Scham abgehalten werden, der Welt die Tugenden mitzuteilen, die sie zu Boden geworfen und mit Füßen getreten haben«.(14) Alle gängigen negativen (Vor-)Urteile beruhen, so Catlin, nur auf der Kenntnis der Indianer, »die an der Grenze leben, deren Gewohnheiten verändert, deren Stolz gebrochen, deren Land geplündert, deren Weiber und Kinder schändlich mißbraucht, deren Besitztum ihnen entrissen, deren Körper durch den übermäßigen Genuß von Branntwein entnervt worden, deren Freunde und Verwandte frühzeitig ins Grab gesunken, deren angeborener Stolz und Würde endlich den, durch die Zivilisation, ihnen eingeimpften Lastern gewichen und, im stillen durch das Gefühl der Beleidigung und des Unrechts genährt, zu grausamer Rache bereit ist«.(15)

   May benutzt diese von Catlin beschriebenen Phänomene für die Weiterführung der Abenteuerhandlung. Bei ihm sind es häufig kriminelle und moralisch verkommene Weiße, die sich aus der zivilisierten


//90//

Welt an die Grenzen zu den Indianergebieten geflüchtet haben und durch ihr verbrecherisches Treiben dort nicht nur die Vorstellung der Indianer von den Weißen prägen, sondern auch immer wieder Strafaktionen der Helden nötig machen.(16) Die ›Kollegen‹ Old Shatterhands entsprechen diesem Bild weitestgehend, und ihre Verkommenheit gipfelt in dem feigen Mordversuch Rattlers an Winnetou, dem Klekih-petra zum Opfer fällt. Anders die beiden Apachenhäuptlinge: Sie planen keine heimtückische Rache, sondern sie kündigen die – nach ihren Rechtsvorstellungen – gerechte Strafe für den Mörder Rattler und die Landräuber an. Die durch die Begegnung mit Weißen korrumpierten Indianer verkörpern in ›Winnetou I‹ die Kiowas.

   Auf eine Gruppe Kiowas, die sich auf einem Kriegszug gegen die Apachen befinden, stoßen Sam Hawkens und Old Shatterhand, als sie der Spur der beiden Apachenhäuptlinge folgen, die die Leiche des ermordeten Klekih-petra in ihr Pueblo bringen. Aus einem auktorial gehaltenen Erzählereinschub erfährt der Leser, daß die Kiowas wegen ihrer Raublust gefürchtet sind und sowohl mit den Weißen wie auch mit den Apachen in ständigem Kampf leben, weil sie weder Leben noch Eigentum achten: Sie sind mit einem Worte Räuberbanden, (I 160) worauf der Erzähler feststellt: Wodurch sie das geworden sind, das braucht man nicht zu fragen (ebd.). Die Antwort hierauf geben die folgenden Ereignisse. Weiße Pferdehändler hatten, als das Angebot der Kiowas ihre Nachfrage nicht deckte, die Indianer darauf hingewiesen, daß sie für ein Apachenpferd . . . ebensoviel Waren und Brandy geben würden wie für ein Kiowapferd (I 167). Der Erzähler kommentiert: Also richtig! Wer war schuld an dem Tode der bisher Gefallenen und an dem Blutvergießen, welches nun noch bevorstand? Weiße Pferdehändler, welche mit Brandy bezahlen wollten und die Kiowas förmlich auf den Pferderaub hingewiesen hatten! (I 167f.).(17)

   Soweit die Beispiele aus dem ersten Winnetou-Band, die deutlich machen, wie Mays Vorstellungen von den Indianern 1892, als er den Plan zu der Trilogie faßte, aussahen. Wie ist es nun darum in den beiden folgenden Bänden bestellt, die May »aus sehr ungleichwertigen älteren Geschichten zusammengeleimt«(18) hat und die auf den Leser wie »eine notdürftig in Romanform gebrachte Anthologie«(19) wirken?


III. ›Old Firehand‹/›Im fernen Westen‹

Daß der Band II innerhalb der ›Winnetou‹-Reihe in bezug auf die erzählerische Geschlossenheit den am wenigsten gelungenen Eindruck macht, mag daran liegen, daß May bei der Kompilation dieses Textes die zeitlich am weitesten auseinanderliegenden Erzählungen zu vereinigen versuchte. Während die Kapitel 1–4 auf die Erzählung ›Der


//91//

Scout‹ zurückgehen, die 1888/89 im ›Deutschen Hausschatz‹ erschienen war,(20) stammt die erste Version des Textes, der die Grundlage für die Kapitel 5 und 6 darstellt, bereits aus dem Jahre 1875/76 und war im ›Deutschen Familienblatt‹ unter dem Titel ›Old Firehand‹ veröffentlicht worden.(21) Unmittelbare Vorlage bei der Erstellung des ›Winnetou‹-Bandes war jedoch eine Bearbeitung dieser Erzählung, die May für die erste Buchpublikation eines seiner Texte anfertigte und die 1879 im Verlag von Franz Neugebauer in Stuttgart unter dem Titel ›Im fernen Westen‹ erschien.(22)

   Sowohl die Erzählung ›Old Firehand‹ als auch deren spätere Bearbeitung mit dem Titel ›Im fernen Westen‹ gelten als »eine der blutrünstigsten Geschichten Mays«(23) überhaupt. Obwohl May sich bemühte, durch Streichungen und Veränderungen den Text an den ersten ›Winnetou‹-Band anzupassen, gelang dies nur sehr unvollkommen. Auch in den Kapiteln fünf und sechs des ›Winnetou II‹ müssen noch verhältnismäßig viele Menschen Leben und Kopfhaut lassen. Winnetou, der edle Häuptling, zeigt hier noch deutlich Züge eines ›Wilden‹. So kehrt er z. B. mit einem frischen Skalp in seinem Gürtel(24) von einem Streifzug zurück. Auch Old Shatterhand weckt mitunter Zweifel an seiner übergroßen Menschenfreundlichkeit, da er mit weitaus weniger Bedenken den Gegnern das Leben nimmt, als dies in ›Winnetou I‹ der Fall war.(25)

   Auch die Urteile über das Verhalten der Indianer sind weitaus pauschaler gehalten als im ›Winnetou I‹. Besonders Old Firehand, der berühmteste unter den Indianerfeinden (II 374), fällt in dieser Hinsicht negativ auf. Er nennt eine Gruppe angreifender Indianer rote Lumpen, mit denen man gar keine Umstände machen (II 375) werde. Auf Shatterhands Einwand, auch diese seien Menschen, entgegnet Old Firehand: »Vertierte Menschen . . .«, die er, aufgrund seiner Erfahrungen, nicht schonen werde. Winnetou gibt ihm hierin recht: »Hogwh!« stimmte der sonst so milde Winnetou bei. Er mußte triftige Gründe haben, ganz gegen seine Gewohnheit heut einmal eine strengere Anschauung der meinigen vorzuziehen. (II 375f.). Der Grund für den unerbittlichen Haß der beiden auf diese Indianer liegt darin begründet, daß sie von Parranoh angeführt werden, einem Weißen, der die Frau Firehands aus Eifersucht tötete, um deren Hand einst auch Winnetou geworben hatte, der zugunsten des Freundes verzichtete.

   Es fällt auf, daß May nicht auf den Umstand hinweist, daß die Indianer auch in diesem Fall durch einen Weißen zum Verbrechen, in diesem Fall einen Eisenbahnüberfall, verführt werden. Bemerkenswerter noch ist die Tatsache, daß die oben angeführten Zitate aus einer Textpassage des ›Winnetou II‹ stammen, die weder im ›Old Firehand‹ noch in der Version ›Im fernen Westen‹ vorkommen.(26) Erst am Ende des sechsten Kapitels finden wir die in ›Winnetou I‹ vom Erzähler so betont geäußerte Ansicht wieder: Ich aber beurteilte auch diesen Fall


//92//

anders: Parranoh war ein Weißer; ich stand also vor einer abermaligen Wiederholung meiner alten Erfahrung, daß der Indianer nur durch die Bleichgesichter das geworden ist, was er heute ist (II 472). Auch diese Textstelle findet sich nicht in den beiden älteren Versionen des Textes.(27)

   Läßt sich aus diesem Befund schlußfolgern, daß May bei der Bearbeitung seines Textes für den ›Winnetou II‹ – ganz abgesehen davon, daß er, wie gewöhnlich, unter großem Zeitdruck arbeitete – so in den Sog seiner eigenen Geschichte geriet, daß er nicht nur die dem ›Winnetou‹-Konzept widersprechenden Textteile nur teilweise entfernte, sondern sogar Passagen einfügte, die seine Intention des Romans konterkarieren? Wurde die Aufmerksamkeit des Autors vielleicht erst am Ende der Vorlage wieder geweckt, als es darum ging, den Übergang zu dem neu zu schreibenden Kapitel zu verfassen, so daß in dieser Phase der Arbeit auch der Grundgedanke des Romans wieder ins Bewußtsein kam? Beantworten lassen sich diese Fragen nicht. Tatsache ist aber, daß im 1893 verfaßten siebten Kapitel des ›Winnetou II‹ die Problemfelder ›Betrug der Indianer durch Weiße‹ und ›Anstiftung der Indianer zum Verbrechen durch Weiße‹ wieder stärker in den Vordergrund rücken.


IV. ›Deadly Dust‹

1880 erschien im VI. Jahrgang der Zeitschrift ›Deutscher Hausschatz‹ die Erzählung ›Deadly Dust‹, die May 1893 – nach einigen Verhandlungen wegen der Buchrechte(28) – für die Kapitel eins bis vier von ›Winnetou III‹(29) verwandte. Insgesamt kommt dieser Textteil der von May im ersten ›Winnetou‹-Band entworfenen Konzeption erheblich näher als der im vorigen Kapitel besprochene Mittelteil von ›Winnetou II‹. Old Shatterhand ist jetzt deutlicher darum bemüht, seine Gegner zu schonen und Blutvergießen zu vermeiden.(30) Auch sein Edelmut und seine Großzügigkeit treten mehr in den Vordergrund. So verspricht er einem Gegner – gegen dessen Ehrenwort, nicht zu fliehen –, ihm die Fesseln abzunehmen und Pferd und Waffen zurückzugeben, worauf der Indianer erwidert: »Uff! Old Shatterhand hat eine starke Faust und ein großes Herz; er ist nicht wie die andern Bleichgesichter.« (III 190)

   In einer Rede des Comanchenhäuptlings To-kei-chun findet der Leser auch die ihm aus der Einleitung zum Band I bekannten Anklagen gegen die Weißen, die die Gastfreundschaft der Indianer mit Raub, Krankheiten und Tod erwidert hätten (III 209f.). Der Erzähler berichtet vorher vom Redestil der Indianer und leitet dann zu der Ansprache über: Der Häuptling begann mit der gewöhnlichen Einleitung, wenn es gilt, gegen einen Weißen zu sprechen, nämlich mit einer Anklage gegen


//93//

die ganze Rasse der Bleichgesichter (III 209). Nicht nur nutzt der Erzähler diese Gelegenheit nicht, um noch einmal auf die Richtigkeit dieser Meinung hinzuweisen, sondern er suggeriert auch, daß es sich bei diesen Vorwürfen gleichsam um einen Topos handelt, der nicht unbedingt etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben muß. Zudem verwendet Old Shatterhand die Redezeit des Häuptlings dazu, diesen zu zeichnen, um sich dann den Aberglauben der Indianer, damit sei auch die Seele des Dargestellten auf das Papier gebannt, zunutze zu machen und sie damit zu übertölpeln.(31) Gleich anschließend an diese Episode gibt der Erzähler die Comanchen mit Hilfe eines billigen Tricks noch einmal der Lächerlichkeit preis. Keine Spur also von Größe und Würde einer untergehenden Rasse.(32)

   Auch das Bild von Winnetou, wie er in diesem Textteil dargestellt wird, weist Brüche zum Entwurf des ersten Bandes auf. Der Apache präsentiert sich beispielsweise als unversöhnlicher Feind, der zudem plötzlich Schwierigkeiten mit der Sprache hat, die er zuvor fehlerfrei beherrschte: »Der Häuptling der Apachen sitzt bei den Comanchen, weil sein Bruder Frieden mit ihnen wünscht, aber er raucht nicht das Calumet aus ihren Händen. Sie mögen sprechen mit meinen weißen Freunden, aber wenn sie gesprochen haben, so dürfen sie nicht wieder begegnen Winnetou, sonst versammelt er sie zu den toten Schakalen der Wüste!« (III 229).

   Obwohl die abenteuerauslösende Konstellation ›Indianer überfallen nach Anstiftung durch Weiße einen Eisenbahnzug‹ sehr gut geeignet wäre, die These, daß an allem von Indianern begangenen Unrecht immer Weiße schuld seien, zu exemplifizieren, legt die Erzählung es eher nahe, daß es weiße und rote Schurken gibt und der Raub zu beiderseitigem Nutzen begangen wird.(33) Auch hier also machte May, der den Hausschatz-Text für den ›Winnetou III‹ kaum bearbeitete, sich nicht die Mühe, die Erzählung den eigenen Prämissen anzupassen.


V. ›Im »wilden Westen« Nordamerika's‹ / ›Ave Maria‹

Vorlage für die Kapitel fünf bis sieben des ›Winnetou III‹ war die Erzählung ›Im »wilden Westen« Nordamerika's‹, die 1883 im 9. Jahrgang der monatlich erscheinenden Zeitschrift ›Feierstunden im häuslichen Kreise‹ aus dem Kölner Heinrich Theissing Verlag veröffentlicht worden war.(34) Als May sich an die Bearbeitung dieser Erzählung für die Fehsenfeld-Reihe machte, benutzte er als Vorlage eine spätere, bearbeitete Version des Textes, die unter dem Titel ›Ave Maria‹ 1890 in der ›Fuldaer Zeitung‹ erschienen war.(35)

   Auch in diesem Teil des Textes nimmt die Abenteuerhandlung ihren Ausgang von einem Eisenbahnüberfall, den ein Trupp von 13 rail-


//94//

troublers mit Hilfe von drei Ogellallah-Indianern ausführt. Der Erzähler merkt in einem Exkurs über die Entwicklung des Eisenbahnnetzes an, daß die Indianer den Bau der Eisenbahn als einen Eingriff in ihre Rechte betrachteten und ihn auf alle Weise zu verhindern und zu erschweren suchten (III 320), weswegen die Camps der Bautrupps auch mit Befestigungsanlagen versehen sind. Fast noch gefährlicher für die Arbeiter aber sind die Weißen, die sich vor Recht und Gesetz in die Prärien geflüchtet haben und nun dort auf alle unehrlichen Weisen versuchen, zu Geld und Reichtum zu kommen (ebd.). Während also die Indianer sich nur gegen ein von ihnen als solches empfundenes Unrecht wehren, begehen die Weißen Verbrechen.

   Im Laufe der Erzählung stellt sich heraus, daß die Weißen die eigentlichen Planer dieses Überfalles sind und weitere Überfälle vorhaben. Die drei Indianer waren ihnen nur als Aufpasser mitgegeben, damit der Stamm die gleichsam als Schutzgeld verlangte Beute auch erhält (III 354f.). Daß May in bezug auf die Frage nach der ›Schuld‹ der Indianer den Text für den ›Winnetou III‹ veränderte, zeigt sich an der Stelle, wo ein Weißer Informationen über die Zahl der Gegner beim nächsten Raubzug erfragt: »Gegen hundertfünfzig,« antwortete der Genannte [Rollins] (III 361), worauf Angaben über Bewaffnung, Bebauung des Geländes und Zuständigkeitsbereich der ins Visier genommenen Kasse folgen. In der Erstfassung des Textes erteilte diese Auskünfte noch der indianische Späher.(36)

   Dennoch findet sich in den Kapiteln fünf bis sieben des ›Winnetou III‹ kein expliziter Hinweis auf den ursächlichen Zusammenhang von ›roter Untat‹ und ›weißer Anstiftung‹ dazu. Im Gegenteil: Old Shatterhand redet Winnetou ein, daß er nur deshalb so schlecht von den Weißen denke, weil er in den ›dark and bloody grounds‹ nur den Auswurf der weißen Rasse kennengelernt habe (III 377), und er versucht im folgenden, ihm das Verhalten derselben [nämlich das Verhalten der Weißen im allgemeinen] gegen die Indianer in einem freundlichen Lichte darzustellen . . . (III 379).(37) Auffälliger noch ist, daß May am Beginn des Kapitels ›Helldorf-Settlement‹ in der Romanfassung eine längere Passage streicht, die – mit Einschränkungen – das Programm von ›Winnetou I‹ vorwegnimmt.(38) Auch hier wird das gewalttätige Verhalten der Indianer durch das vorausgegangene Unrecht der Weißen erklärt und entschuldigt.(39) Die Ausführungen Mays gipfeln dann in einer, wohl dem katholischen Charakter der Zeitschrift geschuldeten, Beteuerung der Unschuld des Christentums an der Ausrottung der roten Rasse.

   Auch schon in der Erstfassung des Textes deutet sich die Hinwendung Winnetous zum Christentum in einem Gespräch mit dem Erzähler an,(40) die dann auch im Bekenntnis des Sterbenden gipfelt: »Schar-lih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe


//95//

wohl!«(41) Doch diese Entwicklung der Figur fügt sich viel eher in den Kontext der Erzählung denn in den des Romans, da in der älteren Version Winnetou zunächst als Wilder dargestellt wird, dessen Denken sich verändert. Der Roman-Winnetou bekennt sich am Ende nur zu Positionen, die er im ersten Band bereits vertreten hatte. Zudem hat May für den Roman auch die Stellen, an denen sich der Apachenhäuptling als Wilder zeigt, nicht entsprechend bearbeitet, so daß Brüche in der Darstellung der Romanfigur umso offensichtlicher werden.(42)

   In den Einschüben und Ergänzungen gegen Ende des siebten Kapitels und im sich anschließenden Schlußkapitel des dritten Bandes treten die Hinweise auf den von May intendierten Grundgedanken des Romans wieder deutlicher zutage. So äußert der Apache in einem 1893 ergänzten Dialog mit Old Shatterhand die Ansicht, daß es im (christlichen) Jenseits keinen Mord mehr geben wird an »Menschen, welche gut waren und den Weißen friedlich und vertrauend entgegenkamen, aber dafür ausgerottet wurden« (III 410). Und Old Shatterhand parallelisiert das Ende Winnetous und das der Indianer überhaupt: Grad so wird binnen kurzem seine ganze Rasse ausgelöscht sein, deren edelster Sohn er gewesen ist (III 420). Auch im letzten Kapitel wird diese Meinung wiederholt geäußert (III 432, 435). Ebenso taucht die Anklage gegen die Verbrechen der Weißen an den Indianern wieder im Text auf (III 489, 501ff.). Das Indianerbild, das der Erzähler am Ende des Bandes entwirft, hat sich auch zum positiven gewandelt. So zeigen alle Mitglieder des Kiowa-Stammes dem feindlichen Old Shatterhand gegenüber Respekt und Achtung (III 469f., 488). Der herausragende Charakter ist Pida, der Sohn Tanguas, in dem der Leser wieder dem ›edlen Wilden‹ begegnet, dessen Nobilität sogar auf seinen Vater, einen der Erzschurken aus dem ersten ›Winnetou‹-Band, abstrahlt.


VI. ›Der Scout‹

Im XV. Jahrgang der Zeitschrift ›Deutscher Hausschatz‹, der in den Jahren 1888/89 erschien, veröffentlichte May in den Heften Nr. 11–46 seine Erzählung ›Der Scout‹.(43) Claus Roxin hat die These geäußert, daß dieser Text in gewisser Weise den Wendepunkt in Mays Wild-West-Konzeption darstelle, da May nach dem Erfolg seines großen Orient-Romans, der von 1881 bis 1888 im gleichen Periodikum erschienen war, den Ehrgeiz gehabt habe, auch in den USA einen erzählerischen Neuanfang zu wagen und den Beginn seiner Freundschaft mit Winnetou zu schildern. Sein Bestreben sei dabei dahin gegangen, die Ereignisse noch realistischer zu gestalten.(44)


//96//

   Der Erzähler erscheint in der Hausschatz-Fassung des Textes folgerichtig auch als absolutes Greenhorn, das sich als Privatdetektiv verdingt und mehr aus Zufall als aufgrund eigener Leistung reüssiert.(45) Nachdem sich May, vielleicht auch weil ›Der Scout‹ sich nur sehr bedingt als Anfang des geplanten Winnetou-Romans eignete, zu einem dreibändigen Werk entschlossen hatte, mußte er bei der Kompilation des zweiten Bandes aus der Hausschatz-Erzählung sämtliche Hinweise auf die Unerfahrenheit des Erzählers tilgen.(46)

   Aufgrund der größten zeitlichen Nähe zur Buchausgabe zeigt dieser Textteil auch die meisten Gemeinsamkeiten mit Mays Vorstellungen aus dem Jahre 1893. Winnetou ist hier schon der über die Vereinigten Staaten hinaus bekannte ehrenhafteste und berühmteste Held des fernen Westens (Scout 252/II 60). Auch das Argument, daß die Ursache für indianische Untaten letztendlich immer bei den Weißen zu suchen ist, findet sich im Text. Den Franzosen ist es, im Kampf um die Herrschaft in Mexiko, angeblich gelungen, die Comanchen gegen den einheimischen Präsidenten Benito Juarez aufzuwiegeln, und sie haben ihnen gleichzeitig die Mittel an die Hand gegeben, gegen die Apachen, die mit Juarez sympathisieren, vorzugehen. Old Death meint, daß es den Comanchen gleichgültig sei, wer Mexiko regiere: »Aber, wenn die Herren Franzosen sie rufen, um sie gegen friedliche Leute loszulassen, nun, so ist es ihnen als Wilden nicht zu verdenken, wenn sie diese gute Gelegenheit, sich zu bereichern, schleunigst ergreifen. Wer die Verantwortung hat, will ich nicht untersuchen.« (Scout 453/II 168). Zwar legt die von Old Death am Ende seiner Ausführungen formulierte Bemerkung es nahe, daß die Schuld für das Verbrechen der Indianer bei den Weißen liegt, aber seine einleitenden Bemerkungen suggerieren gleichzeitig, daß den ›Wilden‹ der Trieb zur – gewaltsamen – Bereicherung nicht abgeht. Hemmungsloses Streben nach Reichtum aber ist ein Wesenszug, der bei May meist die weißen Bösewichte charakterisiert. Das Motiv der Anklage gegen die Weißen klingt auch in der Rede Winnetous an, der sie beschuldigt, durch ihren Expansionsdrang den Indianern den Lebensraum zu rauben.(47) Daß die Europäer durch ihr verbrecherisches Verhalten die im Prinzip friedlichen Indianer erst zu den ›blutrünstigen Wilden‹ machten, erwähnt Winnetou nicht direkt.(48)

   Die Figur des Winnetou zeigt in diesen Kapiteln noch ›wilde‹ Züge. So berichtet der Erzähler, daß er im Kampf der Apachen gegen die Comanchen den Knall von Winnetous Silberbüchse, welche er von seinem Vater geerbt hatte (II 270), besonders häufig hörte. Dies ist um so auffälliger, da May diese Stelle 1893 erst ergänzte, weil im ursprünglichen Text hier ein Kampf zwischen dem Erzähler und Winnetou geschildert wurde, der für den Roman gestrichen werden mußte (Scout 600, 602, 614f.). Erhalten blieb eine Passage, in der Winnetou den


//97//

Comanchen-Anführer Weißer Biber und einen Unterhäuptling kaltblütig erschießt und durch diese Aktion gleichzeitig vom eigentlichen Angriff, der einige Opfer unter den Comanchen fordert, ablenkt (Scout 618f./II 274f.). Zwar mutmaßt Old Death, daß die Comanchen Glück haben, daß Winnetou ihr Gegner ist, denn »er ist der einzige Häuptling der Apachen, welcher sich vielleicht zur Milde . . . ent-schließen könnte« (II 288), doch muß er später vom Apachenhäuptling erfahren, daß der Tod der Feinde bereits beschlossen ist (II 290). Als Old Death später nachfragt, ob »Winnetou wirklich das Blut so vieler Menschen vergießen« (II 300) wolle, antwortet dieser, daß er den Tod für eine gerechte Strafe für die Verbrechen der Comanchen halte. Dann aber bittet Winnetou den Scout (»Dennoch will ich ihm gestehen, daß mein Herz nicht nach Blut trachtet. Meine Seele ist milder, als meine Worte es waren.« (II 302)), mit den Comanchen zu verhandeln. Nachdem der Westmann mit seinem Vermittlungsversuch gescheitert ist, bemüht auch Winnetou sich noch um eine friedliche Lösung, denn »der Rücken wird ihm kalt, wenn er daran denkt, daß er das Zeichen der Vernichtung geben soll.« (II 305). Erst als auch dies nicht fruchtet, gibt er seinen Kriegern das Signal, das tödliche Feuer auf die vierhundert eingeschlossenen Comanchen zu eröffnen (II 306).(49)


VII. Fazit

Die Untersuchung der Frage, wie es um die Stringenz der Mayschen Argumentation in bezug auf die Frage, warum die im Prinzip edlen und aufrichtigen Indianer zu Schurken wurden, bestellt ist, hat den alten Befund, daß die einzelnen Teile der Winnetou-Trilogie von sehr unterschiedlicher Qualität sind und dem Gesamtwerk einen recht uneinheitlichen Charakter verleihen, bestätigt. Zwar findet sich die Konstellation, daß Indianer von Weißen dazu verführt werden, Unrecht zu tun, wiederholt im Text, doch May unterläuft seine eigene Argumentation dadurch, daß er die Indianer als an dem Verbrechen gleichermaßen beteiligte Partei schildert. Positiver erzählerischer Effekt dieser Vorgehensweise ist, daß May nur vordergründig in ›Rotweißmalerei‹ – hier die verführten Roten, dort die verbrecherischen Bleichgesichter – verfällt. Der Text insgesamt bietet ein komplexeres Bild, so daß die Handlung nicht zwangsläufig nur auf die Entlarvung und Bestrafung der ursächlich schuldigen Weißen hinauslaufen muß.

   Zeigen läßt sich anhand der Analyse des Winnetou-Romans die Entwicklung des Indianerbildes bei May in der Zeit von 1875 bis 1893. Standen zu Anfang des hier berücksichtigten Zeitraums die möglichst grellen Abenteuerelemente noch sehr im Vordergrund des erzählerischen Interesses, so war May spätestens ab 1879, dem Jahr, in dem


//98//

›Deadly Dust‹ veröffentlicht wurde, verstärkt am Realitätsgehalt seiner Texte gelegen, der in den ethnographischen Detailschilderungen deutlich wird.(50)

   Diese Kenntnisse über die Lebenswirklichkeit der Indianer entnimmt May unter anderem dem Werk George Catlins, wie sich aus der Ähnlichkeit der Porträt-Episoden in ›Deadly Dust‹ und den Schilderungen des amerikanischen Forschers schließen läßt.(51) Die grundsätzlich positive Einstellung Catlins gegenüber den Indianern findet zunächst nicht das Interesse des deutschen Erzählers, aber es tauchen in den Texten zunehmend Anzeichen dafür auf, daß May sich den Positionen Catlins annähert. Besonders deutlich werden diese Tendenzen in den Erzählungen ›Im »wilden Westen« Nordamerika's‹ und ›Ein Oelbrand‹ aus dem Jahr 1883, aber die indianerfreundlichen Äußerungen des Autors sind wohl eher dem – katholischen bzw. populärwissenschaftlichen – Charakter der jeweiligen Zeitschrift geschuldet und werden nicht zum schriftstellerischen Programm. Selbst im ›Scout‹, der zum Zeitpunkt der Entstehung des Winnetou-Romans jüngsten Erzählung, ist May noch nicht soweit, den Indianern allgemein Größe und Würde zuzubilligen.(52) Man kann also annehmen, daß May bei der Konzeption der Buchausgabe seiner Winnetou-Geschichten, beunruhigt durch ein allgemeines Unbehagen an den Texten, sich, zwecks Inspiration für einen geeigneten Anfang seiner Erzählung, noch einmal mit seinen Quellen beschäftigte und dann erst auf die ethisch-moralischen Beweggründe Catlins und die Möglichkeit ihrer schriftstellerischen Ausgestaltung aufmerksam wurde und seinen Winnetou als gleichsam exemplarischen Vertreter der roten Rasse entdeckte.

   Die Arbeit am ›Winnetou‹ leitete somit eine Schaffensperiode bei May ein, die endlich in der Krise des Jahres 1895, die in die Zeit zwischen die Entstehung von ›Old Surehand I‹ und ›Old Surehand III‹ fällt, gipfelte und die die Wende zum Alterswerk markiert.(53)

   Der ›Winnetou‹ ist demnach nicht nur das populärste Werk des sächsischen Abenteuerschriftstellers, sondern es steht auch an einem entscheidenden Punkt in dessen îuvre, da dieser Roman die Irritationen Mays über sein früheres Werk sichtbar macht und so den Wendepunkt zum sich langsam und mit vielen Rückschlägen entwickelnden Spätwerk darstellt.


//99//

1 Helmut Schmiedt: Die beiden Amerika im populären Roman: Karl May. In: Nord und Süd in Amerika. Gegensätze – Gemeinsamkeiten – Europäischer Hintergrund. Hrsg. von Wolfgang Reinhard/Peter Waldmann. Freiburg 1992 (Reihe Historiae, Bd. 1), S. 1155; der erwähnte Artikel erschien unter dem Titel ›Oh No! Noble Apache Bites The German Dust‹ in der ›New York Times‹ vom 6.9.1990 und stammt von S. Kinzer.

2 Einen Niederschlag dieser Auffassung finden wir z. B. noch heute in der französischen Sprache, wo ›apache‹ die Bedeutung »Malfaiteur, voyou de grande ville prêt à tous les mauvais coups« (Le Petit Robert. Paris 1986) hat.

3 Interessant ist, daß May den von Rousseau in seinem Werk ›Discours sur l›origine et les fondements de l›inégalité parmi les hommes‹ (1754) in die Diskussion gebrachten Gedanken, daß eine Rückkehr zum guten Urzustand der Gesellschaft durch Rückbesinnung auf die Natur (›retour à la nature‹) aufgenommen und dahingehend abgewandelt hat, daß die Menschheit durch eine – quasi dialektische – Synthese aus Indianertum und Deutschtum auf eine höhere moralische Stufe gelangen kann. Claus Roxin hat darauf hingewiesen, daß man im Falle Winnetous nicht von einem ›edlen Wilden‹ im klassischen Sinne reden könne, da er bereits über Bildung und Kultur verfügt. Vgl. Claus Roxin: »Winnetou« im Widerstreit von Ideologie und Ideologiekritik. In: Karl Mays ›Winnetou‹. Hrsg. von Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer. Frankfurt a. M. 1989, S. 296f. Dies gilt auch schon für Intschu tschuna (ebd., S. 289).

4 Er [Winnetou], der beste, treueste und opferwilligste aller meiner Freunde, war ein echter Typus der Rasse, welcher er entstammte, und ganz so, wie sie untergeht, ist auch er untergegangen, ausgelöscht aus dem Leben durch die mörderische Kugel eines Feindes. . . . Ihm will ich hier das wohlverdiente Denkmal setzen, und wenn der Leser . . . dann ein gerechtes Urteil fällt über das Volk, dessen treues Einzelbild der Häuptling war, so bin ich reich belohnt. (Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 12: Winnetou I. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1989, S. 12f. – im Text künftig: I mit nachgestellter Seitenangabe). Bis mindestens im 25. Tsd. der Fehsenfeld-Ausgabe stand: . . . mörderische Kugel eines Weißen . . ., was den Fakten im 3. Romanband nicht entsprach. Vgl. hierzu auch die Briefe Mays an Fehsenfeld vom 10. 10. 1892: Dann bildet das Ganze ein . . . hochspannendes Lebensbild des »berühmtesten Indianers« und zugleich eine Tragödie des Untergangs seiner Nation . . . und vom 16. 10. 1892: Es müßte ein ethnographisch-novellistisches Meisterstück werden, . . . eine große, verkannte, hingemordete, untergehende Nation als Einzelperson Winnetou geschildert. Es würde ein Denkmal der rothen Rasse sein . . . (Abdruck in: Nachwort (zu ›Winnetou der Rote Gentleman I‹). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben Bd. VII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, unpag.)

5 Seine endgültige (posthume) Erhöhung erfährt der Apachenhäuptling in ›Winnetou IV‹ (Karl May: Winnetou, Bd. IV. In: Augsburger Postzeitung, Beilage Lueginsland Nr. 88 (1909) – Nr. 36 (1910), Augsburg; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1984.

6 Karl May: Aus der Mappe eines Vielgereisten. Nr. 2. Old Firehand. In: Deutsches Familienblatt. 1. Jg. (1875/76); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1975

7 Zur Entwicklung der Winnetou-Figur vgl. Großes Karl-May-Figurenlexikon. Hrsg. von Bernhard Kosciuszko. Paderborn 1991, S. 727-49 – Franz Kandolf: Der werdende Winnetou. In: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 3, S. 179-95 – Horst Wolf Müller: Winnetou. Vom Skalpjäger zum roten Heiland. In: Ebd., S. 196-213 – Peter Uwe Hohendahl: Von der Rothaut zum Edelmenschen. Karl Mays Amerikaromane. In: Ebd., S. 214-38.

8 Daß ich bei meiner Untersuchung mich auf die historisch-kritische Ausgabe, deren Textgrundlage für den Winnetou-Roman die Ausgabe letzter Hand (›Karl May's Illustrierte Reiseerzählungen‹, Freiburg 1907-12) ist, und nicht auf die Erstausgaben der Fehsenfeld-Reihe stütze, ist unproblematisch, da May die Bände nur geringfügig überarbeitete. Vgl. hierzu Jürgen Wehnert in: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 140.

9 Helmut Schmiedt hat nun noch darauf hingewiesen, daß May jedoch in seiner Vor-


//100//

stellung von den Indianern zwischen den im Norden und den im Süden des Kontinents lebenden unterscheidet. Schmiedt nennt als Beispiel eine Episode aus ›Das Vermächtnis des Inka‹ (Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. III Bd. 5: Das Vermächtnis des Inka. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1990, S. 198-202), wo unter anderem zu lesen ist: »In Beziehung auf sie [die Indianer im Norden] magst du recht haben, denn es ist wirklich schade um die tapfern, kühnen Männer . . . Aber unsre südlichen Indianer besitzen diese Tugenden nicht; sie sind feig, mutlos und niederträchtig. Sie brechen aus ihren Wäldern hervor, um nächtlicherweise zu stehlen und die Schläfer zu ermorden. Finden sie aber Gegenwehr, oder werden sie gar selbst angegriffen, so rennen sie davon wie geprügelte Hunde. Leute, welche mit vergifteten Pfeilen schießen, kann man weder achten noch bemitleiden« (ebd., S. 198). Vgl. hierzu Schmiedt: Die beiden Amerika, wie Anm. 1, S. 1164f. Interessant in unserem Zusammenhang ist, daß der Inka-Band, der mit einiger Wahrscheinlichkeit in der Zeit zwischen Oktober 1890 und erster März-Hälfte 1891 (May: Inka, editorischer Bericht, S. 557) entstand, also nur eineinhalb Jahre bevor May den Plan zu einem dreibändigen Winnetou-Roman faßte.

10 Der Erzähler bleibt ohne Namen bis zu dem Zeitpunkt, wo er Rattler mit einem Schlage niederstreckt und daraufhin seinen Kriegsnamen ›Old Shatterhand‹ erhält (May: Winnetou I, wie Anm. 4, S. 50f.). Spätestens jetzt ist er als (mindestens) vollwertiges Mitglied in die Gemeinschaft der Westmänner eingeführt, was durch den neuen Namen signalisiert wird. Namensgebungen, wie in der christlichen Taufe, oder Namensänderungen sind in vielen Kulturen Bestandteil von Initiationsriten und markieren häufig den Zeitpunkt der endgültigen Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen. Es ist also nur konsequent, wenn der Erzähler im weiteren Verlauf der Geschichte seinem Lehrer Sam Hawkens immer überlegen ist.

11 Vgl. Gabriele Wolff: George Catlin: Die Indianer Nord-Amerikas. Das Material zum Traum. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1985. Husum 1985, S. 348-63 (354f.).

12 So auch Hohendahl, wie Anm. 7, S. 223 und Anm. 19

13 George Catlin: Die Indianer Nordamerikas. Nach der engl. Ausgabe deutsch herausgegeben von Dr. Heinrich Berghaus. Brüssel–Leipzig 1848. – Neudruck nach der 2. Auflg. 1851. o. J. o. O. (Borowsky, S. 7)

14 Ebd., S. 13. Vgl. auch Balduin Möllhausen: Wanderungen durch die Prärien und Wüsten des westlichen Nordamerika vom Mississippi nach den Küsten der Südsee im Gefolge der von der Regierung der Vereinigten Staaten unter Lieutenant Whipple ausgesandten Expedition. (Nachwort von Siegfried Augustin). München o. J., S. 14. Der Autor sinniert hier über die wahren Gedanken eines scheinbar in Naturbetrachtung versunkenen jungen Mannes während einer Fahrt auf einem Dampfschiff. Er merkt an, daß die herrliche Landschaft diesen wohl nicht berührt, sondern er nur darüber spekuliert, wie die sich ihm bietenden natürlichen Reichtümer zu Geld gemacht werden könnten: »Dieser junge Mann repräsentiert die ganze (. . .) amerikanische Jugend, die überall Wege finden will, mit möglichst wenig Zeitaufwand möglichst große Reichtümer zu erlangen« (S. 14). Vergleichbare Aussagen, die zum amerikakritischen Programm gemacht werden, finden sich auch in Ferdinand Kürnbergers Roman ›Der Amerika-Müde‹ (1855). Skepsis gegenüber dem zunehmenden Tempo von Transport, Produktion und im gesellschaftlichen Leben und dem wachsenden Streben nach Reichtum sind seit Beginn des 19. Jahrhunderts Topoi der Kritik an der Industrialisierung und Technisierung der Welt. Vgl. hierzu etwa Goethes Brief an Zelter vom 6. Juni (?) 1825: »Reichthum und Schnelligkeit ist was die Welt bewundert und wornach jeder strebt; Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle möglichen Facilitäten der Communication sind es worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten, zu überbilden und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren.« (Johann Wolfgang von Goethe: Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Weimar 1887-1919, Abt. IV, Bd. 39, S. 216).

15 Catlin, wie Anm. 13, S. 11f. - Als er auf einer seiner Reisen einmal unvermittelt von einem Sioux beschossen wird, entschuldigt Catlin dies mit der Erklärung: »(. . .) die Weißen, welche seit mehreren Jahren den Branntwein unter ihnen eingeführt haben, machen sie betrunken und betrügen sie dann. Im trunkenen Zustande, wie in dem er-


//101//

wähnten Falle, suchen sie dann oft sich für die ihnen zugefügten Beleidigungen zu rächen« (ebd., S. 328); Catlin bezeichnet wiederholt die Grenze zwischen Rot und Weiß als Treffpunkt der verkommenen Individuen beider Rassen (vgl. ebd., S. 52 und 114).

16 Vgl. hierzu auch S. 94 und Anm. 37 dieser Arbeit. Auch dies ist ein typisches Beispiel für den Umgang Mays mit wissenschaftlichen Quellen. May benutzte häufiger Informationen aus Fachbüchern, um diese direkt in Aktion umzusetzen oder, wie hier, Aktion zu motivieren. Vgl. hierzu Helmut Schmiedt: Karl May. Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers. Frankfurt a. M. 31992, S. 61ff.

17 Dem steht gegenüber, daß Sam Hawkens, vom Erzähler unkommentiert, die Kiowas mehrfach als »Spitzbuben, die nur vom Raube leben« (May: Winnetou I, wie Anm. 4, S. 182) und »als räuberische Schufte« bezeichnet, die »die Schuld tragen an allem, was jetzt geschieht, weil sie die Pferde der Apachen stehlen wollten« (ebd., S. 243). Auch der Erzähler nennt seinen Zweikampfgegner einen »roten Spitzbuben und Mörder« (ebd.). Tangua, der Kiowahäuptling, wird gar als so abgrundtief schlecht geschildert, daß für ihn keinerlei mildernde Umstände in Betracht kommen.

18 Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 78

19 Helmut Schmiedt: Werkartikel ›Winnetou I-III‹. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 8, S. 213

20 Karl May: Der Scout. In: Deutscher Hausschatz. XV. Jg. (1888/89); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg-Regensburg 1977 (künftig: Scout)

21 May: Old Firehand, wie Anm. 6

22 Karl May: Im fernen Westen. Stuttgart 1879; Reprint Bamberg 1975 – zur Textgeschichte und den Bearbeitungen siehe das Nachwort von Karl Guntermann zum Reprint Hamburg 1974, unpag.

23 Schmiedt: Winnetou I-III, wie Anm. 19, S. 210

24 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 13: Winnetou II. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1991, S. 448 (im Text künftig: II mit nachgestellter Seitenangabe). Der Erzähler kommentiert dies mit: Er hatte also einen der Indianer in aller Stille ›ausgelöscht‹ . . . (ebd.), was sich als nicht besonders kluge Tat herausstellt, da so die Anwesenheit Old Shatterhands und seiner Freunde verraten werden könnte und diese zur Aufgabe ihres Verstecks zwingt.

25 So z. B. ebd., S. 421f. oder S. 465, wo er einen Indianer mit dem Messer tötet, indem er ihm es dann mit solchem Drucke durch die Kehle (zog), daß der Schrei, welchen er auszustoßen im Begriffe gestanden hatte, als ein pfeifendes Gurgeln sich durch die Schnittwunde drängte . . .

26 Vgl. May: Old Firehand, wie Anm. 6, S. 155 – Ders.: Im fernen Westen, wie Anm. 22, S. 46.

27 Vgl. May: Old Firehand, wie Anm. 6, S. 272 – Ders.: Im fernen Westen, wie Anm. 22, S. 170.

28 Karl May: Deadly Dust. In: Deutscher Hausschatz. VI. Jg. (1879/80); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg-Regensburg 1977 – bereits 1885 hatte May die Rechte für eine Buchausgabe dieses Textes an den Verleger Bernhard Wehberg in Osnabrück verkauft, der aber erst, als die Fehsenfeld-Bände erfolgreich waren, davon Gebrauch machen wollte. Da May seinerseits den Text für den ›Winnetou‹ brauchte, tauschte er ihn gegen die Rechte für den Sammelband ›Die Rose von Kaïrwan‹ ein, der dann 1894 erschien; vgl. Claus Roxin: Einleitung. In: Karl May: Der Scout/Deady Dust. Deutscher Hausschatz. VI./XV. Jg. (1879/80 und 1888/89); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg-Regensburg 1977, S. 3.

29 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. IV Bd. 14: Winnetou III. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1991 (im Text künftig: III mit nachgestellter Seitenangabe)

30 Vgl. etwa ebd., S. 162, 186f., 189, 194, 198, 234. Der Erzähler ist sogar so konsequent, daß er es auch ablehnt, Pferde zu töten (S. 131).

31 Ebd., S. 210f. Vermutlich wurde diese Episode durch den Bericht Catlins von den Reaktionen der Indianer auf seine Porträt-Zeichnungen (Catlin, wie Anm. 13) inspiriert.


//102//

32 Vgl. Hohendahl, wie Anm. 7, S. 217.

33 Vgl. May: Winnetou III, wie Anm. 29, S. 42-45.

34 Karl May: Im »wilden Westen« Nordamerika's. In: Feierstunden im häuslichen Kreise. 9. Jg. (1883); Reprint in: Karl May: Winnetou's Tod. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1976 – zur Publikationsgeschichte des Textes siehe das Vorwort von Roland Schmid – zu Mays Verhältnis zum Verlag von Heinrich Theissing siehe Andreas Graf: ›k.‹: Karl May, die katholische Publizistik und der Kölner Verlag von Heinrich Theissing. In: Geschichte in Köln, Nr. 32, Dezember 1992, S. 105-32 (zu der vorliegenden Erzählung siehe besonders S. 120ff. und 128-32).

35 Karl May: »Ave Maria«. In: Fuldaer Zeitung. 17. Jg. (1890)

36 May: Im wilden Westen, wie Anm. 34, S. 132

37 Vgl. ebd., S. 169. May verwendet auch hier die Erklärung Catlins für das negative Indianer-Bild vieler Weißer – vgl. Catlin, wie Anm. 13, S. 11f.

38 May: Winnetou III, wie Anm. 29, S. 353 – Ders.: Im wilden Westen, wie Anm. 34, S. 101f.

39 Vgl. Graf, wie Anm. 34, S. 129 – vgl. auch: Karl May: Ein Oelbrand. In: Das Neue Universum. 4. Bd. (1882/83), S. 3; Reprint wie Anm. 34, aus dem gleichen Jahr wie ›Im »Wilden Westen« Nordamerika's‹, wo der Erzähler ähnlich zugunsten der Indianer argumentiert.

40 May: Im wilden Westen, wie Anm. 34, S. 167ff. – Ders.: Winnetou III, wie Anm. 29, S. 375-80

41 May: Im wilden Westen, wie Anm. 34, S. 237 – Ders.: Winnetou III, wie Anm. 29, S. 419

42 Winnetou bezeichnet z. B. seine roten Brüder, die Ogellallahs, als Kröten (May: Winnetou III, wie Anm. 29, S. 347); er berichtet, daß er von einem Häuptling der Dakota beleidigt wurde, wofür er ihn tötete und skalpierte. Anschließend raubte er aus dem Dorf des Besiegten noch Trophäen (ebd., S. 350).

43 May: Scout, wie Anm. 20

44 Vgl Roxin: Einleitung, wie Anm. 28, S. 2.

45 Vgl. May: Scout, wie Anm. 20, S. 170. Als der Erzähler träumt, er werde mit einem Revolver bedroht und erschossen, und er dabei im Schlaf eine Lampe vom Nachttisch schlägt, kommentiert er dies z. B. mit den Worten: Das kommt davon, wenn man einen Spitzbuben fangen will und kein Geschick dazu hat! (ebd., S. 202).

46 Eine vollständige Dokumentation der Textvarianten bietet: Anton Haider: Der Scout auf dem Weg zu Winnetou. Ergebnisse einer Vergleichslesung. o. O. und o. J (vor 1972 in kaum 100 fotokopierten Exemplaren für KMG-Mitglieder erschienen) – siehe auch: Ders.: Vom ›Deutschen Hausschatz‹ zur Buchausgabe. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft Nr. 50/1984, S. 42-63.

47 Vgl. May: Scout, wie Anm. 20, S. 666 – Ders.: Winnetou II, wie Anm. 24, S. 300ff.; Winnetou zeigt sich in dieser Rede als bibelfest; er zitiert u.a. Hes 2,10; Mt 10,14; Ps 26,6. Der in der Erstfassung sich anschließende Hinweis des Erzählers, Winnetou habe ihm später gestanden, er habe ihn »über das richtige Verhältniß zwischen Weißen und Rothen« (ebd.) aufklären wollen, entfällt in der Buchausgabe.

48 Er spricht davon, daß ein Indianer, der sein Eigentum verteidigt – Winnetou nennt Gegenwehr Pflicht –, Mörder genannt und entsprechend verfolgt wird (May: Scout, wie Anm. 20, S. 666) – Ders.: Winnetou II, wie Anm. 24, S. 301.

49 Auffällig an dieser Passage ist, daß der Autor May die gegnerischen Indianer als so uneinsichtig zeichnet, daß deren Vernichtung für den Sieg der Helden unvermeidlich ist. In den nach 1893 verfaßten Reiseerzählungen kommen derartige Massaker an den Gegnern nicht mehr vor. Die Feinde erweisen sich in ähnlich ausweglosen Situationen immer als einsichtig und ergeben sich der Gnade der Helden. Ums Leben kommen nur noch die verstockten Oberschurken; meist weil sie nicht auf die Milde der Sieger vertrauen und sie sich der Gerechtigkeit durch Flucht entziehen wollen.

50 Eine gewisse Authentizität des Erzählten versucht May durch vereinzelten Gebrauch von englischen Vokabeln und die gelegentliche Erwähnung von indianischen Sitten und Gebräuchen auch schon in der Erzählung ›Old Firehand‹ zu erzeugen. So wird zum Beispiel berichtet, daß Old Firehand Winnetou kennenlernte, als dieser


//103//

sich am Oberlauf des Mississippi den Ton für sein Calumet holen wollte (May: Old Firehand, wie Anm. 6, S. 223 – Ders.: Winnetou II, wie Anm. 24, S. 431). Doch derartige Reminiszenzen bleiben, wenn sie, wie z. B. die Erwähnung der indianischen Gewohnheit, den getöteten Gegner zu skalpieren, nicht ohnehin zu den Topoi der Indianerliteratur gehören, an der Oberfläche des Textes. Ethnographische Details, und dieser Befund gilt auch für die entsprechenden Kapitel von ›Winnetou II‹, werden nur genannt, nicht aber in beschreibenden Text oder Handlung umgesetzt. Dies ist in ›Deadly Dust‹ anders: May läßt seine Protagonisten gemäß der Beschreibung von Catlin die Friedenspfeife rauchen (May: Deadly Dust, wie Anm. 28, S. 536 – Ders.: Winnetou III, wie Anm. 29, S. 145; Deadly Dust, S. 605, Winnetou III, S. 214; vgl. Catlin, wie Anm. 13, S. 148, 165, 196); Catlins Schilderung der Aufgaben der Indianerinnen, ihrer sozialen Rolle, die Beschreibung der Konstruktion der Zelte (ebd., S. 40ff., 76f. bzw. S. 25 und 106-12f.) sowie sein Bericht über die Reaktionen der Indianer auf seine Porträtzeichnungen (ebd., S. 97-102) prägen die Erlebnisse von Mays Erzähler im Comanchen-Lager (Deadly Dust, S. 587-607, Winnetou III, S. 198-224). Selbst die Erwähnung Catlins, daß die Indianer vor der Jagd die Spitzen ihrer Lanzen polieren (Catlin, S. 31, 118), benutzt May dazu, daß die Helden durch ein Aufblinken dieser Waffen im Sonnenlicht gewarnt werden (Deadly Dust, S. 534f., Winnetou III, S. 138f.).

51 Vgl. S. 93 und Anm. 31 – Catlin, wie Anm. 13, S. 190 und 193f. und Catlin, 368-72, wo der Forscher wiederholt den Glauben der Indianer an etwelche magische Kräfte der Porträt-Zeichnungen schildert.

52 Nach dem Tod des selbstgefälligen und hinterlistigen Häuptlings Weißer Biber (May: Winnetou II, wie Anm. 24, S. 274) folgt diesem ein mindestens ebenso arroganter Krieger nach (ebd. S. 277ff.). Auch hier also noch keine Spur von der allgemeinen Hebung der Indianer, wie sie sich z. B. im Schlußkapitel des ›Winnetou III‹ zeigt.

53 Vgl. Claus Roxin: Werkartikel ›Old Surehand‹. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 8, S. 246f.


Inhaltsverzeichnis


Alle Jahrbücher


Titelseite

Impressum Datenschutz