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HARTMUT KÜHNE

Musik in Karl Mays Leben und Werk*



»Ich stelle die Musik hoch über die Dichtkunst ... Letztere zwingt meine Gedanken in eine bestimmte Richtung, während die Erstere die Freiheit meiner Gefühle weniger beschränkt.«(1)

   Als der eben zwanzigjährige Karl May diese Worte schrieb – in der Erzählung ›Wanda‹ erstmals 1875 veröffentlicht, aber nach Mays eigener Aussage aus dem Anfang der sechziger Jahre stammend(2) – hatte der Autor womöglich mehr musikalische Werke zu Papier gebracht als literarische. Es fand sich in seinem Nachlaß ein Konvolut von Notenblättern, bestehend aus Sing-Partituren und Einzelstimmen, die größtenteils dem praktischen Gebrauch gedient hatten. Wir wissen heute, daß die Gleise in seiner Lebensbahn anders verliefen, so daß Karl May nicht als Musiker, sondern als Literat erfolgreich wurde. Der verdienstvolle Aufsatz ›Karl May und die Musik‹ von Max Finke unterrichtete schon 1925 den interessierten Kreis der Leser Karl Mays über dessen musikalische Neigungen.(3) Aber die Zeit der Medien stand noch im Anfang. Erst durch eine kleine Single-Schallplatte mit dem Titel ›Ernste Klänge‹, die 1972 zum 60. Todestag des Dichters erschien, besungen von einem unbekannten Hamburger Kirchenchor unter der Leitung eines unbekannten Kantors, war die Verbreitung über den Rundfunk möglich.(4) Es folgten nach Jahren weitere Aufnahmen mit namhaften Chordirigenten in größeren Auflagen, so daß heute jedermann wissen müßte: Karl May hat auch komponiert. Und so wurden nach Bekanntwerden zweier Chorlieder alsbald Interpretationen und Kommentare zu seiner Musik vorgelegt von Felsinger, Canisius, Dobrovolskis und schließlich als Exkurs eine Abhandlung über die Rolle der Orgel bei Karl May von Reinhard Jaehn.(5) All diese Gedanken zu bündeln, zu erkennen, welche Rolle die Musik in Karl Mays Leben gespielt hat und wie sich das im Werk niedergeschlagen hat, das soll uns im folgenden beschäftigen.


I.

Max Finke bezeichnete Karl May als Ohrenmenschen, leitete das aus der Bauform seines Schädels ab, die für Musiker oft kennzeichnend sei.(6)

* Festvortrag, gehalten am 14. 10. 1995 auf der 13. Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Bad Segeberg. Der Vortrag wurde von Musikdarbietungen begleitet, siehe unten S.431f.


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Uns interessiert dabei vor allen Dingen, was da über Mays Schreibweise gesagt wird. Heißt es doch in seiner Autobiographie: Ich schreibe nieder, was mir aus der Seele kommt, und ich schreibe es so nieder, wie ich es in mir klingen höre.(7) Endlos ist die Zahl der Beispiele für das,  w a s  May beim Schreiben in sich klingen hörte: sei es die Fistelstimme der Tante Droll, sei es die Stimme der Muhrenleni, die wie ›Vox humana‹ klingt (das ist der Name eines Orgelregisters), sei es der Posaunen- und Tubaton, der den Wüstensturm begleitet, sei es der kanonenschußähnliche Knall, wenn die brennenden Ölfässer zerspringen.

   Karl May war bis zum 5. Lebensjahr blind und damit in der vielleicht wichtigsten prägenden Phase seiner Kindheit nur auf das Gehör angewiesen. Daß also das Gehörorgan bei ihm mehr als bei jedem normalen Menschen ausgebildet wurde und daß dieser Umstand in seiner Schreibweise wieder zutage tritt, das – so würde Karl May gesagt haben – ›versteht sich ganz von selbst‹. Doch bedarf es zu musikalischer Ausbildung einer besonderen Begabung, die man bei Kindern schon in frühem Alter feststellen kann. Diese Begabung zeigt sich in den elementaren Erscheinungsformen: im Rhythmischen und im musikalischen Gehör. Das wird auch bei dem kleinen Karl nicht anders gewesen sein; jedenfalls erzählen die frühesten Berichte (wir werden darauf eingehen) von einer Trommel, die ihm der Vater mit Hilfe des Klempnermeisters baute, und von seiner volltönenden Sopranstimme.

   Sein eigentlicher Förderer war der Kantor Samuel Friedrich Strauch, über den Karl May sich liebevoll äußert:

Ich aber stand bei meinem ganz besonderen Liebling, dem Herrn Kantor Strauch, der unser Nachbar war, an seiner Haustür ... Meine Stimme entwickelte sich zu einem guten, volltönenden, umfangreichen Sopran. Infolge dessen nahm der Herr Kantor mich in die Kurrende auf. Ich wurde schnell treffsicher und der Oeffentlichkeit gegenüber mutig. So kam es, daß mir schon nach kurzer Zeit die Kirchensoli übertragen wurden. Die Gemeinde ... hatte für teure Kirchenstücke keine Mittel übrig. Der Herr Kantor mußte sie abschreiben, und ich schrieb mit. Wo das nicht angängig war, da komponierte er selbst. Und er war Komponist! Und zwar was für einer! ... Ein ganz vorzüglicher Orgel-, Klavier- und Violinspieler, konnte er auch die komponistische Behandlung jedes andern Musikinstrumentes ... Jedermann wußte: Wo in Sachsen und den angrenzenden Gegenden eine neue Orgel eingeweiht wurde, da erschien ganz sicher der Kantor Strauch aus Ernsttal, um sie kennen zu lernen und einmal spielen zu können. ... (die) sehr gestrenge Frau Friederike ... (hatte für) den unendlich hohen Wert ihres Mannes, sowohl als Mensch wie auch als Künstler, ... nicht das geringste Verständnis. ... Sie öffnete keines seiner Bücher, und seine vielen Kompositionen verschwanden, sobald sie vollendet waren, tief in den staubigen Kisten, die unter dem Dache standen. Als er gestorben war, hat sie das alles als Makulatur an die Papiermühle verkauft ...(8)

Daß Strauch nicht irgendein Provinzmusiker war, sondern ein Orgelkenner und reisender Orgelfreund moderner Art, der sogar in Leipzig Theologie studiert hatte, ist in der zeitgenössischen sächsischen Musik-


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geschichte festgeschrieben.(9) Hainer Plaul vermutet in seinem Kommentar zu Strauch und Gattin Friederike, daß Mays Beschwerde über deren Verständnislosigkeit eigentlich eine Klage gegen seine erste Frau Emma Pollmer und ihr mangelhaftes Interesse an den Werken Karl Mays gewesen sei. Doch zitiert Plaul auch aus dem erwähnten Werk zur zeitgenössischen Musikgeschichte, worin elf Jahre vor Erscheinen von ›Mein Leben und Streben‹ bestätigt wird: »Strauch (...) war fleissiger Komponist, seine Kompositionen sind nach seinem Tod als Maculatur verkauft worden.«(10) Noch früher aber hat Karl May diesen Vorgang in der Romanepisode ›In der Heimath‹ gespiegelt, wo er die Vernichtung wertvoller Manuskripte seines ehemaligen Lehrers auf den Professor, einen gewaltigen Philologen überschreibt. Diese Spiegelung ist auch in die Kandolfsche Bearbeitung (›Wenn sich zwei Herzen scheiden‹) eingegangen.(11)

   Karl May fährt in seiner Selbstbiographie fort:

Später gab er mir Orgel-, Klavier- und Violinunterricht. Ich habe bereits gesagt, daß Vater den Bogen zur Violine selbst fertigte. Dieser Unterricht war ganz selbstverständlich gratis, denn die Eltern waren zu arm, ihn zu bezahlen. Damit war die gestrenge Frau Friederike gar nicht einverstanden. Der Orgelunterricht wurde in der Kirche und der Violinunterricht in der Schulstube gegeben; da konnte die Frau Kantorin keine Handhabe finden. Aber das Klavier stand in der Wohnstube, und wenn ich da klopfte, um anzufragen, so kam der Herr Kantor unter zehnmal neunmal mit dem Bescheid heraus: »Es gibt heut keinen Unterricht, lieber Karl. Meine Frau Friederike hält es nicht aus; sie hat Migräne« ... daß sich das immer nur dann einstellte, wenn ich klavierspielen kam, das wollte mir nicht gefallen. Der gute Herr Kantor glich das dadurch aus, daß er mich nach und nach, grad wie die Gelegenheit es brachte, auch in der Harmonielehre unterwies ...(12)

Reinhard Jaehn nimmt an, daß der Orgelunterricht nicht in St. Trinitatis in Ernstthal stattfand (wo Strauch amtierte), sondern in St. Christophori in Hohenstein, wo eine wesentlich größere Orgel mit 28 klingenden Stimmen stand.(13) Für diese Annahme spricht die Tatsache, daß von den 28 Registernamen ein Viertel bei den häufigen Orgelerwähnungen im Gesamtwerk immer wieder zitiert wird. Register wie: Vox humana, Cornett, Posaunenbaß, Gambe, Achtfüßiger Prinzipal, Gedackt, Flöte d›Amur sind Orgelstimmen, die es dem Ohrenmenschen May ganz offenbar besonders angetan hatten.

   Wir wollen nicht vergessen zu erwähnen, daß der Knabe Karl auf der vom Klempnermeister gebauten Solotrommel in einer Theateraufführung von »Preziosa« seinen ersten Bühnenauftritt erlebte, der mit 5 Neugroschen honoriert wurde. Demnach hat May sein erstes Honorar nicht für Literatur, sondern für diesen musikalischen Auftritt bekommen.(14)

Ein anderer dieser Gebräuche war der, daß am ersten Weihnachtsfeiertage jedes Jahres während des Hauptgottesdienstes der erste Knabe der Kurrende die Kanzel


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zu besteigen hatte, um die Weissagung des Jesaias Kap. 9 Vers 2 bis mit Vers 7 zu singen. Er tat dies ganz allein, mit milder, leiser Orgelbegleitung. Es gehörte Mut dazu, und es kam nicht selten vor, daß der Organist dem kleinen Sänger zu Hilfe zu kommen hatte, um ihn vor dem Steckenbleiben zu bewahren. Auch ich habe diese Weissagung gesungen, und genau so, wie die Gemeinde sie von mir hörte, so wirkt sie noch heute in mir fort und klingt von mir hinaus bis in die fernsten Kreise meiner Leser, wenn auch in andern Worten, zwischen den Zeilen meiner Bücher. Wer als kleiner Schulknabe auf der Kanzel gestanden und mit fröhlich erhobener Stimme vor der lauschenden Gemeinde gesungen hat, daß ein helles Licht erscheine und von nun an des Friedens kein Ende sein werde, den begleitet, wenn er sich nicht absolut dagegen sträubt, jener Stern von Bethlehem durch das Leben, der selbst dann noch weiterleuchtet, wenn alle andern Sterne verlöschen.(15)

In Mays Lebenslauf folgt nun die Seminarzeit in Waldenburg und Plauen, die Ausbildung zum Schulamtskandidaten. Es ist nicht bekannt, wie weit hier Karl May sich einer musikalischen Betätigung hingeben konnte. Zur Lehrerausbildung gehörte aber unbedingt eine musikalische, denn mit dem Lehramt war in der Regel auch das Amt des Kantors verbunden. Die Abschlußzeugnisse vom 13. September 1861 des Studienganges sind erhalten. Als Hauptergebnis der Prüfung wurde die Zensur ›gut‹ erteilt. Das Zeugnis über eine besondere musikalische Prüfung (die am 9. und 10. September stattfand) bringt ebenfalls das Hauptergebnis ›gut‹, wobei sich die Ergebnisse spezifizieren in Theorie (Generalbaß): ›gut mit Auszeichnung‹, im Praktischen: Singen ›gut‹, Orgelspiel: ›gut‹, Klavierspiel: ›gut‹, Violinspiel: ›gut mit Auszeichnung‹. Der Seminarlehrer Fritz Prüfer hat 1925 diese Zensuren erstmals veröffentlicht und kommentiert. Sein abschließendes Urteil lautet: »Werfen wir einen Blick auf die Gesamtzensuren, so gewinnen wir den Eindruck, daß Mays Lehrer auf dem Seminar in ihm eine Begabung erkannten, die das Mittelmaß übersteigt. Sie trat ihnen in Erscheinung auf den Gebieten der Religion, der deutschen Sprache, der Geschichte und der Musik. Und das trifft ja auch im großen und ganzen die Hauptbegabungen Karl Mays, wie sie uns in seinen Werken entgegentreten.«(16)

   Die musikalische Begabung und Ausbildung gerät für May 1861 zum Nachteil und zum Vorteil. Im Oktober wird May Hilfslehrer in Glauchau. Er erteilt der gleichaltrigen Gattin seines Zimmerwirtes, Henriette Meinhold, Klavierunterricht. Wegen einer persönlichen Annäherung zwischen ihm und der Schülerin muß er Glauchau verlassen und gelangt als Fabrikschullehrer nach Altchemnitz – und hier kommt es zum ernsten Zwischenfall: Die schon oft erwähnte Uhrengeschichte wirft ihn aus der Bahn. Er erlebt seine erste sechswöchige Haft, wird aus der Kandidatenliste gestrichen und ist nunmehr arbeitslos.(17) In den Jahren 1863 und 1864 tritt er wiederholt als Rezitator in sogenannten ›musikalisch-deklamatorischen Abendunterhaltungen‹ auf. Karl May erinnert sich: Ich gab Unterricht in Musik und fremden Sprachen. Ich dichtete; ich


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komponierte. Ich bildete mir eine kleine Instrumentalkapelle, um das, was ich komponierte, einzuüben und auszuführen. Es leben noch heut [im Jahre 1910; H. K.] Mitglieder dieser Kapelle. Ich wurde Direktor eines Gesangvereins, mit dem ich öffentliche Konzerte gab, trotz meiner Jugend.(18) Recherchen haben diese Aussagen bestätigt. Hans Zesewitz entdeckte als erster im ›Wochenblatt für Hohenstein, Ernstthal und Umgegend‹ mehrere Vorankündigungen »musikalisch-declamatorische(r) Abendunterhaltungen«. Danach fanden statt am 25. 1. 1863 in der Schießhaus-Restauration zu Ernstthal als sechste Darbietung ein »Terzett von Mai« (sic!), am 8. 3. 1863 im Rathaus zu Hohenstein unter der Nummer 4 eine Piece aus »Pretiosa« (sic), vorgetragen »v. May«,(19) und am 25. März 1863 an dritter Stelle »Das eigne Herz v. May. Dekl(amation)«.(20) Und am 24. 4. 1864 wird in der Schießhaus-Restauration als erste Darbietung eine Deklamation von Uhlands ›Des Sängers Fluch‹ ohne Namensnennung angekündigt. Man sieht einen Zusammenhang mit Karl Mays Parodie des Titels ›Des Schneiders Fluch‹, von der er in der Selbstbiographie berichtet.(21)

   So wie diese Zeitungsnotizen das öffentliche Auftreten Karl Mays in den Jahren 1863 und 1864 belegen, gibt es auch Zeugnisse für seine Kompositionen, und zwar von seiner eigenen Hand. Mindestens zehn Kompositionen aus dieser Zeit sind erhalten. Manche tragen die Jahreszahl oder einen Stempelaufdruck ›Gesangverein Lyra zu Ernstthal‹. Die meisten lagern im Archiv des Karl-May-Verlages zu Bamberg. Im einzelnen handelt es sich um folgende Titel:

1. ›An die Sterne‹. Für Männerchor 4stimmig mit dem Text ›Süße kleine Sternenaugen‹
2. ›Ave Maria der Gondolieri am Traghetto della Salute‹. Für zwei Männerchöre mit dem Text ›Wir bringen dir Kerzen‹
3. ›Weihnachtskantate‹ für zwei 4stimmige Männerchöre: ›Siehe ich verkündige euch große Freude‹
4. ›Notturne‹ [sic]. Soloquartett für vier Männerstimmen ›Ich will dich auf den Händen tragen‹
5. ›Wanderlied‹ für 4stimmigen Männerchor: ›Ei wie geht so flink der Knabe‹
6. ›Serenade‹ für 4stimmigen Männerchor: ›Zieht im Herbst die Lerche fort‹
7. ›Warnung‹ für 4stimmigen Männerchor: ›O gräme nie ein Menschenherz‹
8. ›Ständchen‹ für 4stimmigen Männerchor und Streichquartett: ›Deine hellen klaren Augen‹
9. ›Oster-Cantate‹ für zwei 4stimmige Männerchöre: ›Auf Golgatha ans Kreuz geschlagen‹
10. ›Vaterunser‹ für drei Chöre: ›Herr, deinem Thron nahn anbetend wir‹
11. ›Die Pantoffelmühle. Originalposse.‹ Fragment. Eingangschor – Einlage: ›Hast du gesehn auf grüner Au‹ – Ständchen (untextiert)

Die nächste Station in Mays musikalischer Laufbahn ist die Strafanstalt Schloß Osterstein in Zwickau. Karl May berichtet darüber:


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Der Aufseher dieses Saales ... hieß Göhler. ... Er hatte, wie wohl alle diese Aufseher, früher beim Militär gestanden, und zwar bei der Kapelle, als erster Pistonbläser. Darum war ihm das Musik- und Bläserkorps der Gefangenen anvertraut. Er gab des Sonntags in den Visitationen [den Arbeitssälen; H. K.] und Gefängnishöfen Konzerte, die er sehr gut dirigierte. Auch hatte er bei Kirchenmusik die Sänger mit seiner Instrumentalmusik zu begleiten. Leider aber besaß weder er, noch der Katechet, dem das Kirchenkorps unterstand, die nötigen theoretischen Kenntnisse, die Stücke, welche gegeben werden sollten, für die vorhandenen Kräfte umzuarbeiten oder, wie der fachmännische Ausdruck heißt, zu arrangieren. Darum hatten beide Herren schon längst nach einem Gefangenen gesucht, der diese Lücke auszufüllen vermochte; es war aber keiner vorhanden gewesen.

   Jetzt nun kam Aufseher Göhler infolge seiner Beobachtung meines seelischen Zustandes auf die Idee, mich in sein Bläserkorps aufzunehmen, um zu sehen, ob das vielleicht von guter Wirkung auf mich sei. Er fragte bei der Direktion an und bekam die Erlaubnis. Dann fragte er mich, und ich sagte ganz selbstverständlich auch nicht nein. Ich trat in die Kapelle ein. Es war gerade nur das Althorn frei. Ich hatte noch nie ein Althorn in den Händen gehabt, blies aber schon bald ganz wacker mit. Der Aufseher ... freute sich noch mehr, als er erfuhr, daß ich Kompositionslehre getrieben habe und Musikstücke arrangieren könne. Er meldete das sofort dem Katecheten, und dieser nahm mich unter die Kirchensänger auf. Nun war ich also Mitglied sowohl des Bläser- als auch des Kirchenkorps und beschäftigte mich damit, die vorhandenen Musikstücke durchzusehen und neue zu arrangieren. Die Konzerte und Kirchenaufführungen bekamen von jetzt an ein ganz anderes Gepräge.(22)

Und wir müssen lebhaft bedauern, daß diese Musikalien aus Schloß Osterstein wohl nicht mehr vorhanden sind: vielleicht wären wir auf weitere Kompositionen oder wenigstens Arrangements aus Mays Feder gestoßen. – Ein zweites Mal, und jetzt in der Waldheimer Haft von 1870–74, wird Mays musikalische Vergangenheit und Vorbildung erkannt. Hören wir ihn selbst:

Die Anstaltskirche in Waldheim hatte eine protestantische und eine katholische Gemeinde. Der katholische Katechet (Anstaltslehrer) fungierte während des katholischen Gottesdienstes als Organist. Nun war er aber im Laufe der Zeit so mit neuen Pflichten und vieler Arbeit überbürdet worden, daß er für das Orgelspiel einen Stellvertreter suchen mußte ... Der Katechet kam in meine Zelle, unterhielt sich eine Weile mit mir und ging dann fort, ohne mir etwas zu sagen. Einige Tage später kam auch der katholische Geistliche. ... am nächsten Tage wurde ich in die Kirche geführt, an die Orgel gesetzt, bekam Noten vorgelegt und mußte spielen. Die Herren Beamten saßen unten im Schiff der Kirche so, daß ich sie nicht sah. Bei mir war nur der Katechet, der mir die Aufgaben vorlegte. Ich bestand die Prüfung und mußte vor dem Direktor erscheinen, der mir eröffnete, daß ich zum Organisten bestellt sei ... Bald stellte sich zu meiner freudigen Ueberraschung heraus, daß mein Aufseher der Dirigent des Bläserkorps war. Ich erzählte ihm von meiner musikalischen Beschäftigung in Zwickau. Da brachte er mir schleunigst Noten, um mir eine Probeaufgabe zu erteilen. Ich bestand auch diese Prüfung ... Der katholische Katechet hieß Kochta. ... Er tat seinen Kirchendienst, ich meinen Orgeldienst, aber im Uebrigen blieb die Religion zwischen uns vollständig unberührt ... Ich hatte nie


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katholische Kirchenlieder gespielt; jetzt lernte ich sie kennen. Was für Orgel- und sonstige Musikstücke bekam ich in die Hand! Ich hatte geglaubt, Musikverständnis zu besitzen. Ich Tor! Dieser einfache Katechet gab mir Nüsse zu knacken, die mir sehr zu schaffen machten. Was Musik eigentlich ist, das begann ich erst jetzt zu ahnen, und die Musik ist nicht etwa das allergeringste Mittel, durch welches die Kirche wirkt. ... Ich habe der katholischen Kirche für die hochsinnige Gastfreundlichkeit, die sie mir, dem Protestanten, vier Jahre lang erwies, durch ein einziges Ave Maria gedankt, welches ich für meinen Winnetou dichtete.(23)

Der Eutiner Oberarzt und Organologe Reinhard Jaehn hat sich ausführlich mit der Rolle der Orgel in Mays Leben beschäftigt. In seiner Abhandlung ›Therapie und ferne Erfüllung. Karl May und die Orgel‹ lesen wir: »May gegen Ende seines Lebens (und mit ihm der Analytiker von heute) sah in diesem Orgelspiel ein Therapeutikum, offenbar das einzige der Haftjahre. Bei den Klängen der Orgel fand ich mich wieder zu mir zurück. ... Als ich entlassen wurde, war ich geheilt, vollständig geheilt! Nur durch den Orgelklang ...«(24)

   Nach Mays Entlassung aus Waldheim im Mai 1874 wurde er zunehmend als Schriftsteller erfolgreich. Er wurde 1875 Redakteur bei dem Kolportageverlag Heinrich G. Münchmeyer in Dresden, wo er sich das Vertrauen des Chefs erwarb, so daß er ab August bei Münchmeyers auch sein Logis bezog.(25) In der Selbstbiographie beschreibt er diese Zeit, und zwar vor allem ausführlich das mehr oder weniger unanständige Milieu im Verlag. Er spart dabei etwas aus, was er nur im Fragment ›Ein Schundverlag‹ schildert: daß er nämlich von Frau Pauline Münchmeyer ein Klavier geschenkt bekam.(26) Karl May trennte sich dann von Münchmeyer, weil er die Schwester der Pauline, Minna Ey, heiraten sollte.

   Die musikalische Biographie kann erst Jahre später wieder verfolgt werden, als Karl May abermals für Münchmeyer tätig wird. Er hat inzwischen seine Braut Emma Pollmer geheiratet und mit ihr in Hohenstein gewohnt. Bei einem Dresden-Besuch kommt es zu einem Wiedersehen mit Münchmeyer und damit zum Beginn der Kolportage-Schreiberei. 1883 zieht das Ehepaar May nach Blasewitz, und hier entsteht freundschaftlicher Kontakt mit Münchmeyers. Heinrich kreuzt bei seinem anonymen Star-Autor als Hausfreund auf; der frühere Tanzmusiker auf dem Dorf bringt seine Geige mit und läßt sich von May auf dem Piano begleiten.(27) Bekanntlich kommt es während der Arbeit an dem Roman ›Der Weg zum Glück‹ zum Ende der Beziehung, da May bessere Verleger findet. Doch die Musik läßt ihn keineswegs los.

   Klara May berichtete in einem Text von 1919, der im ersten Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft veröffentlicht wurde: »Hoch schätzte Karl May Lessing, ganz besonders ›Minna von Barnhelm‹, ihr nachstrebend wollte er seine ›Pantoffelmühle‹ als Volksstück schaffen, aber mit Gesang. Die Pläne dazu hatte er entworfen, mir auch Phantasien daraus


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auf dem Klavier vorgetragen, lustige und ernste Szenen. Fertig wurde er damit nie.«(28) Max Finke hat das Fragment, das heute noch unter den Musikalien im Archiv des Karl-May-Verlages vorhanden ist, näher beschrieben.(29) Es trägt den Titel ›Die Pantoffelmühle. Original-Posse mit Gesang und Tanz in acht Bildern von Karl May. Musik von demselben‹. Mitgeteilt wird das Personal (der Alte Dessauer, von dem noch zu sprechen ist, ist nicht darunter), Charakteristik und Entwurf, die Übersicht der Instrumente, deren partiturmäßige Anordnung mehr einem Flohmarkt mit seltenen und veralteten Instrumenten gleicht denn einer sachgerecht angelegten Partitur. Und erhalten sind aus dem opus summum der Eingangschor und die Texte diverser Einlagen wie: ›Schnitterlied‹, ›Müllerlied‹, ›Duett‹. Nach Mitteilung von Klara May soll May oft aus seiner Posse einen Walzer am Klavier gespielt und sein Besuch dazu getanzt haben. Sein Text war noch lange bekannt. Sehr lustig wurde dazu mit den Pantoffeln geklappt. Wenn Klara das selbst miterlebt hat, dann kann es frühestens ab 1890 gewesen sein, als das Ehepaar May in Kötzschenbroda in der Villa Idylle wohnte und die Freundschaft zwischen den Ehepaaren May und Plöhn begann.(30) Eine Spiegelung solcher Szenen, die sich auch früher abgespielt haben können und die Klara dann nur vom Hörensagen kannte, ist in den Roman ›Von Bagdad nach Stambul‹ eingegangen: Nach einem kurzen Präludieren ließ ich meinen »feschesten« Walzer los. Mein Publikum saß zunächst ganz starr; bald aber begann der Rhythmus seine unwiderstehliche Wirkung zu äußern. Es kam Bewegung in die steifen Gestalten: die Hände zuckten, die Beine empörten sich gegen ihre orientalisch eingebogene Lage, und die Körper begannen, sich nach dem Takte hin und her zu wiegen.(31)

   Allerdings stammt dieser Text spätestens aus dem Jahr 1882, als das Ehepaar May noch in Hohenstein wohnte und es noch nicht die Freundschaft mit Plöhns und noch nicht den musikalischen Hausfreund Münchmeyer in Blasewitz gab. Aber vielleicht gab es die ›Pantoffelmühle‹ schon. Denn das ›Schleiferlied‹ daraus hatte Karl May in seiner Dessauer-Humoreske ›Der Scheerenschleifer‹ aus dem Jahr 1880 verwendet.(32) – Hans Wollschlägers Kommentar zur Pantoffelmühle lautet »Die Handschrift stammt aus früher Zeit, möglicherweise schrieb May den Entwurf bereits 1864, als er für den Ernstthaler Gesangverein ›Lyra‹ tätig war.«(33) Das war aber die Zeit, von der es in der Selbstbiographie heißt: ... der tiefe Sturz ... kam ... in Leipzig, wohin mich eine Theaterangelegenheit führte.(34) Klaus Hoffmann knüpft daran eine beachtenswerte Theorie, die man nicht übergehen kann. »So gibt es Anhaltspunkte zu der Frage, welche Theaterangelegenheit Karl May nach Leipzig geführt haben könnte. (...) Wir wissen, daß Karl May 1863 als Deklamator und Solist in Hohenstein [und Ernstthal; H. K.] auftrat. Bei dieser Gelegenheit machte er wahrscheinlich die Bekanntschaft der Theater- und Ballett-Gruppe H. Jerwitz aus Leipzig, die am 7. und 15. Februar in Ho-


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henstein gastierte (...).«(35) Liegt es da nicht nahe, die Pantoffelmühle als einziges Bühnenfragment mit dieser Theater- und Ballettgruppe, mit eben jener mysteriösen Theaterangelegenheit in Leipzig in Verbindung zu bringen?

   Es existiert ein Brief vom 16. 10. 1892 an seinen Verleger Fehsenfeld, in dem May vor allem über das Buchprojekt ›Winnetou‹ schreibt. Doch dann fährt er fort:

Den Operntext wollen Sie verlegen? Well, M. Fehsenfeld, with all my heart! Sie werden sich da wundern, was für ein Dichter Ihr Kara Ben Nemsi ist. Denn das Libretto ist natürlich auch von mir. Ich verfolge mit dieser Oper einen großen Zweck und hoffe, daß es mir gelingen wird:  d e u t s c h e , d e u t s c h e  und abermals  d e u t s c h e  Musik. Vorher aber wird eine dreiaktige Posse fertig, deren Hauptheld der alte Dessauer ist. Dieses echt deutsche, zwerchfellerschütternde Stück will ich dem französischen Schund entgegensetzen, der mit seinen Ehebruchsünden und Unwahrscheinlichkeiten alle unsere Bühnen moralisch versumpft. Wir brauchen  d e u t s c h e  Zugstücke und haben keine; ich weiß genau, daß diese meine Posse rasch über alle Bretter gehen wird. Es wird in diesem Stück geweint und gelacht, meist aber gelacht. Denken Sie sich, der Alte Dessauer, der kein Gehör hatte und nur die eine Melodie »So leben wir u. s. w.« singen konnte, kommt, um ein adliges Altfräuleinstift zu inspizieren; da treten die sechs ältesten Demoiselles mit Ziehharmonika, Brummeisen, Cello und Guitarre zu ihm herein, um ihm zu zeigen was sie in musikalischer Beziehung leisten, und singen ihm vor, was die eine von ihnen selbst gedichtet hat. (nach der Melodie: ›Ännchen von Tharau ist's, die mir gefällt ...‹)

Sitz ich im trauernden Mondenschein
mit meiner trauernden Trauer allein
   lächeln so traurig die Sterne mir zu
   traurige Jungfrau wie traurig bist du!
Traurige Lieder im traurigen Sinn
sink ich in traurige Traurigkeit hin.

Gäb mir ein Trauter vertrauend sein Herz
ach ich vertraute ihm all meinen Schmerz.
   Traulich vertrauend in traulicher Lust
   sänk ich an seine vertrauliche Brust.
Traulich vertrauend im trauten Vertraun
Ließen vertrauend wir traulich uns traun.

Womit ich unter traulichen Grüßen an Ihre traute Frau Gemahlin und vertrauliche Kinderchen verbleibe Ihr May.(36)

Brief und Gedicht lassen vermuten, daß May nicht einen Moment an das Verfassen einer Oper gedacht hat; das hat er sowieso lieber dem zur gleichen Zeit erfundenen Kantor emeritus überlassen, von dem nicht nur Klara May sagen konnte: »fertig wurde er damit nie«. Die ›Pantoffelmühle‹ in acht Bildern und die dreiaktige Posse mit dem Alten Dessauer scheinen eher zweierlei zu sein. Die Verbindungen sind nur das Wort Posse und das ›Schleiferlied‹, das sowohl in der ›Pantoffelmühle‹


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als auch in der Dessauer-Humoreske ›Der Scheerenschleifer‹ vorkommt. Und Oper? Deutsche Musik? Wer weiß, was im vorangegangenen Brief oder freundschaftlichen Gespräch über Kulturpolitik zwischen Fehsenfeld und May geplaudert worden ist und worauf May mit seiner viermaligen Erwähnung und Unterstreichung des Wortes deutsch Bezug nimmt. Vielleicht hatte er ja einmal in Richard Wagners ›Gesammelte Schriften und Dichtungen‹ geschaut, die, wie wir wissen,(37) in seiner Bibliothek vorhanden waren.

   Es folgt die Zeit seiner größten Popularität, in der er sich öffentlich seiner Reisen, seiner Erlebnisse und seiner Sprachkenntnisse rühmt.(38) In dieser Zeit erinnert Karl May sich wieder seiner musikalischen Begabung: Es folgen erneut einige weitere Kompositionen:

12a. ›Ave Maria‹ für Männerchor in Es-Dur: ›Es will das Licht des Tages scheiden‹. Erstdruck im ›Deutschen Hausschatz‹ 1897(39)
12b. ›Ave Maria‹ für gemischten Chor in B-Dur: gleicher Text. Erstdruck in ›Ernste Klänge‹,(40) dort zusammen mit 12a
13. ›Vergiß mich nicht‹ für gemischten Chor. Druck ebenfalls in ›Ernste Klänge‹ 1898
14. ›Nun gehst du hin in Frieden‹ für gemischten Chor. Ungedruckt in begonnener Mappe ›Ernste Klänge II‹, vermutlich 1898
15. ›Ich fragte zu den Sternen‹. Ungedrucktes Fragment in ›Ernste Klänge II‹.

Der Musikwissenschaftler Claus Canisius ist Autor eines Funk-Essays, gesendet 1972 im Süddeutschen Rundfunk, II. Programm, über Karl Mays Musik, worin er sich besonders verständnisvoll zur Entstehung der ›Ernsten Klänge‹ äußert. Ich zitiere daraus:

Der Militärkapellmeister Carl Ball bekam 1909 ein Exemplar des Ave Maria-Satzes mit einer kurzen Widmung dediziert. May soll dazu bemerkt haben: »Wenn ich in Winnetou geschrieben habe, diese Komposition stamme von einem mir befreundeten Musikdirektor (...), so hatte das seinen guten Grund. Die Leute sollten nicht sagen, der May wolle aber auch alles können: schriftstellern, dichten und komponieren.« Die hier zum Ausdruck kommende Scheu, seine musikalischen Fähigkeiten zu offenbaren, steht interessanterweise stark im Widerspruch zu jenem übersteigerten Selbstbewußtsein, das der Reiseerzähler May zur Schau getragen hatte, als er 1897 und 1898 seine beiden schlichten und innigen Chorsätze schrieb. Es scheint, als ob er angesichts des Rausches, den der Erfolg und die lang ersehnte Anerkennung mit sich brachte, einen Bereich der inneren Ruhe suchte. Und was lag näher, als zur Musik zurückzukommen, mit der er sich bereits in vergangenen schwierigen Lebensabschnitten glücklich beschäftigt hatte.(41)

Max Finke berichtet, Karl May habe »später noch als gefeierter Schriftsteller das Bedürfnis gehabt, fast täglich Klavier zu spielen. Er spielte meist Getragenes und bevorzugte die Molltonart. Wenn er die Komposition eines anderen spielte, so geschah es meist, daß er nach den ersten Takten der Erfindungsgabe gestattete, eigene Wege zu gehen«.(42) In


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Jerusalem soll Karl May auch Orgel gespielt haben. Das kann nur vom 7. bis 13. Mai 1900 gewesen sein.(43) Klara May schildert die Wirkung der Musik auf ihren Gatten so:

Wie mächtig die Musik auf Karl May wirkte, habe ich oft beobachtet. Bei erhabnem Orgelspiel versank er in sich und vergaß seine Umgebung. In Jerusalem spielte er in der deutschen Kirche die Orgel und sprach erst noch über das Instrument mit uns allen, dann spielte er den Satz einer Bachschen Fuge. Wir setzten uns, des Stehens müde. Er verließ die vorgeschriebne Linie, irrte ab und verfiel ins musikalische Träumen. Eine Störung trat ein, er brach jäh ab, und wir sahen in ein geistesabwesendes, von Tränen benetztes Antlitz. Schwankend, wie ein Trunkner, erhob er sich, und es dauerte Sekunden, bevor er wieder in unsrer Alltagswelt landete.(44)

Dazu die Deutung von Reinhard Jaehn: »Was jetzt harmlos-touristisch begann, sollte dem 58jährigen zur Schnittstelle seines Lebens werden (...) Das war das Aus für die längst albern gewordene Rollenspielerei als ›Reiseschriftsteller‹. Und es war mehr als midlife crisis, was dann die Wendung zum sublimen, hochliterarischen Alterswerk brachte. (...) ein merkwürdiger Brennpunkt der Biographie – und wieder hat May an dieser Stelle die Orgel gespielt.« Ferner: »Finkes oberflächlicher Kommentar (›In Jerusalem zeigte er im Gottesdienst, daß er auch Orgel spielen konnte.‹) ist mit dem Wortlaut des Zitats nicht vereinbar.«(45)

   Dieses Erlebnis aber ist gespiegelt im Altersroman ›Ardistan und Dschinnistan‹ von 1909. Aus dem renommierenden Shatterhand Ben Nemsi, der aber auch alles können wollte – reiten, schießen, mit dem Messer kämpfen, schwimmen, dichten, komponieren, Orgel spielen –, aus dem Karl May vor der Jahrhundertwende, ist der Karl May der Altersweisheit geworden. Und so lautet seine dortige Darstellung: Ich bin kein berufsmäßiger Orgelspieler – und: Wir hatten uns aber auch tüchtig eingeübt ... Das war besonders von meiner Seite aus sehr notwendig gewesen, weil ich kaum so spielen konnte, wie in Deutschland jeder gute Dorfkantor oder Dorfschulmeister spielt. Die frühere Fertigkeit war dahin; die Uebung fehlte; die Finger wollten nicht mehr mit.(46)

   Da sagt er es selbst, was Klara May so mystisch verbrämt angedeutet hat. »An diesem Punkt«, so Jaehn, »wird das Jerusalemer Angsterlebnis des abgebrochenen Privatkonzertes aufgearbeitet.«(47) Das war wohl das letzte Zeugnis aus Mays Biographie als Musiker im aktiven Vollzug. Das letzte Lebensjahrzehnt ist ausgefüllt von rezeptivem Musikgenuß, mit Hören von Oper und Konzert, bezeugt durch das Tagebuch Klara Mays.

   Zusammenfassend ist festzustellen: Die praktische Musiziertätigkeit war bis zur Waldheimer Haft relativ umfangreich. Als Kind war er Kurrendaner und Kirchensolist, in Ernstthal als ausgebildeter Lehrer war er Chordirigent und Komponist mit Soloauftritten, er war Bläser, Organist und Arrangeur in Osterstein und Waldheim. Danach wurde das


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Musizieren merklich weniger. Er musiziert feierabends mit Münchmeyer in Blasewitz, er komponiert die ›Ernsten Klänge‹ und spielt ein letztes Mal Orgel in Jerusalem. Im letzten Lebensjahrzehnt beschränkt er sich aufs Musik  h ö r e n.


II.

Max Finke erwähnt in Mays Reiseerzählungen und der Selbstbiographie Stellen, aus denen sich des Autors besondere Neigung zur Musik erkennen läßt. Nicht berücksichtigt hat Finke bei seiner Abhandlung im Jahre 1925 die Kolportageromane und kleinere Erzählungen. Auch unsere Darstellung kann keine Vollständigkeit bringen. Denn es gibt unglaublich zahlreiche musikbezogene Stellen im Gesamtwerk. Daher scheint es mir unmöglich, sie alle in einer einzigen Darstellung auch nur zu nennen, geschweige denn zu kommentieren. Statt dessen soll eine typologische Ordnung einige Stichproben bringen.

   Beginnen wir mit den Kurzerwähnungen musikalischer Begriffe, die ganz nebenbei in die Erzählung einfließen und von denen sich der Autor eine bestimmte Wirkung verspricht, wenn er nicht sogar unterbewußt eine eigene Stellungnahme verrät.

   1. Als Kara Ben Nemsi im Taubenschlag zu Melnik seine Feinde belauschen will, äußert er in bezug auf die schlechte Luft: Ich merkte, daß kein Mensch hier zwei Minuten bleiben könne, ohne eine ganze Sebastian Bachsche Fuge herunter zu niesen.(48)

   2. Als der Neger Bob auf dem Rancho des Don Fernando in Kalifornien etwas zu viel gegessen und getrunken hat, da lag (er) mit seinem Bauche auf der Erde ... und stieß dabei so fabelhafte Töne aus, daß es mir schien, als studiere er auf einem japanesischen Anklony die Richard Wagnersche Zukunftsmusik.(49)

   3. Zu Beginn des Kolportageromans ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ kommt eine kleine, allerliebste Dampfyacht geschossen, leicht und graziös zur Seite biegend, wie eine Tänzerin, welche sich am Arme ihres Tänzers, das schöne Köpfchen hingebend neigend, den berauschenden Tönen eines Strauß'schen Walzers hingiebt.(50)

   4. Oftmals wird das Heulen des Sturmes verglichen mit dem Ton ... einer überblasenden Baßposaune(51), einem Tubaton(52) oder einer Orgel.(53)

   5. Hobble-Frank spricht vom Freischütz von Frau Maria Leineweber – gemeint ist Carl Maria von Weber.(54)

   6. Im ›Ulanen‹-Roman gibt es die erste Auseinandersetzung zwischen den beiden Hauptpersonen: Als der Capitän den Dr. Müller zur Rede stellt ob seines unbotmäßigen Auftretens, antwortet dieser: »Da liegt die Schuld jedenfalls an meiner musikalischen Begabung. ... ich habe mich früher sehr mit Harmonielehre und Generalbaßstudien be-


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schäftigt, und seit jener Zeit bin ich immer ein Freund des Harmonischen geblieben. Ich antworte in Dur, wenn man mich in Dur fragt, und rede in Moll, wenn man in Moll zu mir spricht. Der Herr Capitän beliebte, in der Ruine eine Redeweise anzuwenden, welche sehr strignendo [sic] klang; mein musikalisches Rechtsgefühl erlaubte mir nur, strignendo [sic] zu antworten.«(55) (Richtig muß es heißen: stringendo.)

   7. Im ›Friede‹-Roman beschreibt May die wunderschöne Lage des East and Oriental Hotel von Penang wie folgt: Gleich hinter diesen (Bäumen) rauscht Tag und Nacht die See am Strand empor, und es ist so wunderbar, so wenige Schritte von ihr im Wachen und im Traume unausgesetzt das mächtige Recitativ »Ihn preisen alle Meere« aus dem von Gottesengeln komponierten Oratorium »Das Halleluja der Schöpfung« erklingen zu hören.(56)

   8. Um die Abendstimmung in der Wildnis zu Beginn der Erzählung ›Ein Oelbrand‹ zu beschreiben, benutzt Karl May das folgende Bild: Die schwermütigen Stimmen (des Urwaldes) ... sind von dem großen Meister der Schöpfung alle in Moll gesetzt ...(57)

   Es gibt handlungsfördernde Musikszenen, zum Beispiel in ›Wanda‹, wo Emil Winter der frühen Mädchenbekanntschaft seiner Jünglingszeit sich zu erkennen gibt. Er singt ihr mit eigener Klavierbegleitung das Lied von der ›wilden Rose‹ vor, das er vor Jahren für sie gedichtet hat. Zudem wird am Schluß der Erzählung vom Männerchor ein Ständchen gesungen, dessen Text sich auch unter den Mayschen Kompositionen befindet. Es heißt: ›Ich will dich auf den Händen tragen ...‹.(58)

   Im ›blau-roten Methusalem‹ wird die Erkennungsszene zwischen Richard und Onkel Daniel herbeigeführt durch den Gesang des Liedes ›Was ist des Deutschen Vaterland?‹ von Ernst Moritz Arndt.(59) Eine ähnliche Situation bringt ›Das Vermächtnis des Inka‹. Hier wird sogar der Komponist Heinrich Marschner genannt. Und beide Male bekennen die Protagonisten sich als Mitglieder eines Gesangvereins ›Lyra‹.(60) Das ist auch der Name des Gesangvereins zu Ernstthal, für den Karl May seine Männerchorlieder komponiert hat. ›Der Giftheiner‹ nun ist eine Erzählung, in der biographische Details sich häufen. Sowohl die Motette ›O gräme nie ein Menschenherz‹ als auch eine ›Weihnachtskantate‹ und das bei May in vielen anderen Werken zitierte Gedicht ›Ich verkünde große Freude‹ (bekannt aus ›Weihnacht‹, ›Waldröschen‹ und ›Der verlorne Sohn‹) spielen hier in der Entwicklung der Handlung eine bedeutende Rolle.(61)

   Häufig sind auch die komischen Musikszenen. Bei der Lektüre von Harold C. Schonbergs Buch ›Die großen Dirigenten‹ stieß ich auf den folgenden Text über Adolphe Adam (1803-1856), der als Komponist der Oper ›Si j’étais roi‹ (›Wenn ich König wär‹) bekannt ist:


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Adolphe Adam besuchte 1833 eine Vorstellung in Covent Garden. Das Orchester war am Samstagabend ganz besonders schlecht, berichtet er, weil die Mitglieder samstags ihre Gage erhielten und sich umgehend betranken. Er beschreibt den unglaublichen Lärm zu Beginn der Ouverture. Die Oboe machte ein undefinierbares Geräusch, dem ein noch schauderhafteres der Klarinette folgte. Das Fagott produzierte eine Reihe gräßlicher Schnarchtöne, die Flöte blies ununterbrochen ein immer stärker werdendes ›türlütütü‹. Der Trompeter steckte den Trichter seines Instrumentes in die Tasche seines Nachbarn und blies durch die Kleider. Die große Pauke machte einen schrecklichen Radau. Inzwischen musizierten Dirigent und Sänger weiter, als ob nichts Besonderes passiert wäre.(62)

Dieser Text könnte fast von Karl May stammen. Aber er ist neun Jahre vor dessen Geburt aufgeschrieben worden. Hier zum Vergleich eine Passage von May:

... jeder hatte irgend ein zur Katzenmusik geeignetes Instrument in der Hand. Als alle in Reih und Glied standen, gab der Sheriff das Zeichen; der Zug setzte sich in Bewegung, und die voranschreitenden Virtuosen begannen das Yankee-doodle zu maltraitieren. Am Schlusse desselben fiel die Katzenmusik ein. Was alles dazu gepfiffen, gebrüllt, gesungen wurde, das ist nicht zu sagen. Es war, als ob ich mich unter lauter Verrückten befände. ... Als sich das Schiff in Bewegung setzte, bliesen die Musikanten ihren schönsten Tusch, und die Katzenmusik begann von neuem.(63)

Diese Szene aus dem 2. Band ›Winnetou‹ hat noch eine Parallele in ›Durch das Land der Skipetaren‹, an der Stelle, wo die Kämpfe um die Schluchthütte bei Sbiganzy siegreich bestanden sind und eine Militärkapelle die Verbrecher ergreifen und bestrafen soll.(64)

   Doch diese Beschreibungen haben ihren doppelten Boden. Sollte Karl May das Zitat von Adolphe Adam gekannt haben? Wenn Karl May am Ende seines Lebens behauptet, daß er deutsche Verhältnisse (vielleicht darf man erweitern: europäische) ins Exotische übertragen habe,(65) so gilt das wohl auch für die unzulängliche Musikaufführung in Covent Garden anno 1833, die Karl May dann eben in der Exotik ablaufen läßt, in La Grange in Texas oder in Sbiganzy im Land der Skipetaren.

   Eine weitere, ausführlich geschilderte Musikszene wollen wir uns nicht entgehen lassen. Es ist die Beschreibung einer Orchesterprobe, als beim Fürsten Leopold zu Anhalt-Dessau ein neuer Militär-Kapellmeister eingestellt werden soll. Diese Episode findet der Leser zu Beginn der Erzählung ›Der Amsenhändler‹.(66) Über einen längeren Zeitraum beschreibt der Autor, wie der Fürst sich während der Probe aufführt, wie er dazwischenredet und wissen läßt, wieviel oder wie wenig er von Musik versteht. Karl May aber verrät, wieviel oder wie wenig ihm an historischer Detailtreue liegt. Der Kapellmeister will nämlich vom Orchester ein ›Lied ohne Worte‹ und ein ›Nocturne‹ vortragen lassen. Der Fürst donnert den Kapellmeister an, daß es ein ›Lied ohne


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Worte‹ gar nicht gebe. Damit hat er ausnahmsweise recht, denn der Terminus ›Lied ohne Worte‹ wird erst hundert Jahre später von Felix Mendelssohn Bartholdy in die Musik eingeführt werden. Ähnlich verhält es sich mit dem ›Nocturne‹, das erst in der empfindsamen Klaviermusik der Romantik bei Chopin ein fester Begriff ist, aber unter dem Namen ›Notturno‹ schon bei den Wiener Klassikern nachgewiesen ist. Doch werden weder der Alte Dessauer noch Karl May dergleichen Feinheiten gewußt haben. Wichtig für die Deutung dieser Stelle ist das Verhalten des Fürsten. Das Besserwisserische und Rechthaberische der Obrigkeit wird besonders deutlich an dem Intermezzo mit zwei Hornisten, die gerade nicht blasen, weil sie in ihren Noten sechs Takte Pause haben. Doch der Fürst verlangt, daß sie gefälligst ihre Pausen nachzublasen haben, weil sie ja auch volle Löhnung haben wollen. Mit solchem Unsinn bringt Karl May wohl Sextaner zum Lachen. Aber man sollte dabei nicht vergessen, daß derartige Szenen – Übergriffe einer absolutistischen Macht, wie der Autor sie uns vor allem am Beispiel türkischer Polizisten ausmalt – immer auch darstellen, worunter Karl May in seiner Jugend und Jünglingszeit viel zu leiden hatte: im Lehrerseminar, unter seinen Dienstherren, in Gerichtsverhandlungen, und vielleicht auch in der Haft. An anderer Stelle schreibt Karl May wörtlich: Nach vollendeten Studien hatte ich mich mit einem wahren Feuereifer meinem Berufe, für welchen ich begeistert war, gewidmet; aber bereits nach kurzer Zeit war er mir verleidet worden. Hohle Köpfe, deren einziges Verdienst in irgend einer alten einflußreichen Tante bestand, gewandte Heuchler, denen ihr Amt nichts als die schnell auszunutzende Milchkuh war, und die sich daher vor dem Spiegel ihre servilen Bücklinge einübten, waren mir vorgezogen worden.(67) Diesen Text, mit dem im ›Deutschen Hausschatz‹ die Erzählung ›Der Scout‹ eingeleitet wird, modifiziert er wenige Jahre später im 1. Band ›Winnetou‹ ganz zahm in: Unerquickliche Verhältnisse in der Heimat und ein, ich möchte sagen, angeborener Thatendrang hatten mich über den Ocean ... getrieben ...(68)

   Aber auch ernste Szenen sollen erwähnt werden. Bedeutsam und jedem May-Leser bekannt ist die Schilderung von Winnetous Tod, die aus verhältnismäßig früher Zeit stammt, nämlich von 1883 oder wahrscheinlich noch früher, und etwa zu derselben Zeit geschrieben wurde wie ›Waldröschen‹ und ›Die Todeskaravane‹. Ich gestehe, daß die Erzählung mit dem nichtssagenden Titel ›Im »wilden Westen« Nordamerika's‹ für mich zu den besten Maytexten gehört. Die später oft so selbstgefällige Old-Shatterhand-Darstellung tritt zurück vor der Ernsthaftigkeit, mit der die seelische Entwicklung des wilden Indianers geschildert wird. Und diese wird gefördert durch das Hör-Erlebnis der Vesperglocke und des Ave-Maria-Gesanges.


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Als der letzte Schlag des Glöckleins verklungen war, ertönte plötzlich ein vierstimmiger Gesang vom Berge herab. Ich horchte empor, erstaunt ob des Gesanges an und für sich, noch erstaunter aber über die Worte dieses Gesanges ... Was war denn das? Das war ja mein eigenes Gedicht, mein Ave Maria! Wie kam dies hierher in die Wildnisse des Felsengebirges? Ich war zunächst ganz perplex; dann aber, als die einfachen, ergreifenden Harmonieen wie ein unsichtbarer Himmelsstrom vom Berge herab über das Thal hinströmten, da überlief es mich mit unwiderstehlicher Gewalt; das Herz schien sich mir ins Unendliche ausdehnen zu wollen, und es flossen mir die Thränen in großen Tropfen von den Wangen herab.(69)

Die Westmänner gelangen in eine Niederlassung deutscher Auswanderer, wo sie gastlich aufgenommen werden. Am Abend sitzen alle Dorfbewohner im Blockhaus beisammen, und der Erzähler schildert einen Abend, wie er ihn im Westen noch nie erlebt hatte: mit Liedern und echtem deutschen Volksliedergesang. Und dann erbittet sich Winnetou eine Wiederholung des Ave-Maria-Gesanges. Der Componist hatte keine nach Effect haschenden Modulationen, keine kunstreichen Wiederholungen und Umkehrungen, keine anspruchsvolle Verarbeitung des Motivs angewendet. Die Composition erbaute sich nur aus den naheliegenden, leitereigenen Accorden, und die Melodie war einfach wie diejenige eines Kirchenliedes.(70) Bekanntlich folgt darauf die Bekehrungsgeschichte Winnetous, die ich persönlich als wohltuend schlicht und nichtsdestoweniger im Wortlaut des Dialogs als virtuos empfinde. Sie kulminiert in den Abschiedsworten des Indianers, als er sagt: »Winnetou wird die Töne seiner weißen Freunde nie vergessen. Er hat geschworen, von jetzt an nie mehr den Scalp eines Weißen zu nehmen, denn die Weißen sind die Söhne des guten Manitou, der auch die rothen Männer liebt.« Wenig später fährt die Erzählung fort: Winnetou war während des ganzen Tage noch einsilbiger als gewöhnlich, und manchmal, wenn er eine Strecke vor uns ritt und uns also außer Hörweite wähnte, war es mir, als höre ich ihn mit leisem Summen die Melodie des Ave Maria wiederholen, eine Bemerkung, welche mich um so mehr frappiren mußte, als die Indianer fast durchgängig ohne musikalisches Gehör sind.(71) Mag der gebildete kritische Leser auch Zweifel äußern über die spontane Wirkung der Musik, die eine Lebensänderung veranlaßt, eine Wirkung, die in Wahrheit einen viel größeren Zeitraum beanspruchen würde: in jedem Bühnenwerk mit seinem komprimierten Zeitablauf von wenigen Viertelstunden wäre solche Sinnesänderung glaubwürdig. Und was in der Erzählung dann folgt, die Peripetie, nämlich die Zerstörung von Helldorf Settlement, die Verfolgung der räuberischen Ogellalah, dann das retardierende Moment mit Winnetous Todesahnung – das alles erreicht eine Stimmung, wie man sie ähnlich in Schillers Meisterdramen erleben kann. Und schließlich: die Schlußszene mit Winnetous Tod unter dem abschließenden Gesang des Sterbeliedes ›Es will das Licht des Lebens scheiden ...‹ gleicht dem wirkungsvollen Schluß eines Musikdramas. Ei-


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ne solche Sicht der Dinge dürfte geeignet sein, die Beurteilung dieser Szene durch Walther Killy in seiner Sammlung von deutschem Kitsch zu relativieren.(72) Der Zeitgeschmack seit 1962 hat sich gewandelt; seit einer Zeit, als man noch von hübschen, aber ernsten Buchhändlerinnen spöttisch belächelt wurde, wenn man nach Karl May fragte, seit einer Zeit, als Mendelssohn-Bartholdy und Gustav Mahler und – Karl May noch nicht wiederentdeckt waren.

   Von der spontanen Wirkung der Musik auf das Gemüt eines Menschen ist es nur ein kleiner Schritt zur Krankenheilung. Ein solches Beispiel liefert uns die Szene aus dem dritten Band des ›Silbernen Löwen‹, wo der todkranke Effendi ins Tal der Dschamikun gelangt. Wie lange er in Bewußtlosigkeit lag, weiß er nicht. Doch wie er zu sich kommt, scheint er Harfenklänge zu hören.

Hätte wohl ein europäischer Arzt erlaubt, in der Nähe so schwerkranker Personen Musik zu machen? Wahrscheinlich nicht! Es kommt ja wohl auch auf die Art des Instrumentes an. Der Harfenton ist der am wenigsten künstliche. Er bietet Klänge der Natur, wohllautend für das Menschenohr gestimmt. Dieser Wohllaut ist auch für kranke Nerven angenehm. Man darf einer Kurdin nicht zumuten, Künstlerin zu sein. Schakara griff nur die vorgestimmten Akkorde; sie wußte nichts von einer chromatischen Veränderung der Töne; aber grad durch diese diatonische Einfachheit war jede Mitthätigkeit des Ohres ausgeschlossen; es empfing die Töne ebenso leicht und selbstverständlich, wie die Brust die Luftwellen, von denen sie herbeigetragen wurden, atmete. Daher kam es, daß diese Klänge die Seele unmittelbar berührten; sie schienen zur Atmosphäre dieses Hauses zu gehören und einen die Lebenskräfte hebenden, wohlthuenden Einfluß auszuüben. Ich fühlte diesen Einfluß. Es war, als ob es in mir Etwas gebe, was den Harfentönen verwandt sei, was lange, lange geschwiegen habe und nun endlich, endlich einmal mit erklingen dürfe. Darum berührte es mich fast wie eine Entsagung, wie ein Verlust, als Schakara aufhörte und die Harfe auf die Seite lehnte.(73)

Es scheint, als habe Karl May etwas gewußt von Musiktherapie, von jenem psychotherapeutischen Hilfsmittel, mit dem die seelisch-körperliche Gesamtverfassung des Menschen günstig beeinflußt wird.

   Rund 300 Seiten weiter im dritten Band des ›Silberlöwen‹ kommt dann die Stelle, wo Ghulam el Multasim, der Bluträcher, in das Tal der Dschamikun einbricht und die Versammlung der Ältesten stört. Als der Erzähler diese Situation reflektiert, gebraucht er auch wieder ein Beispiel aus der Musik:

Eine musikalische Familie. Der Vater spielt die erste Violine, der Onkel das Cello, der eine Sohn die zweite Violine und der andere die Viola. Für heut sind alle Freunde eingeladen. Es soll ein Quartett gegeben werden. Kammermusik. Ob von Mozart, Haydn oder einem anderen, das weiß man nicht. Aber daß man nur Schönes, Gutes, von den vier Künstlern Durchdachtes und Verstandenes hören werde, davon ist man überzeugt. Man freut sich also auf den Genuß ... Dann tiefe Stille. Jetzt! Die Bogen berühren die Saiten. Die ersten Takte erklingen. Die Erwartung hat sich in offenruhende Empfänglichkeit verwandelt. Man lauscht.


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   Da wird die Thür aufgerissen. Ein Feind der Familie kommt lärmend herein, rücksichtslos störend, ungeladen.(74)

Hier gibt es bei der Musikerwähnung nichts an sachlicher Information für den Leser. Die Szene dient zur Staffage; sie vermittelt Stimmung. Dennoch beobachtet der Autor sehr genau die Haltung eines Konzertbesuchers vor und nach dem Beginn der Darbietung. Und wir wissen aus Klara Mays Tagebuch, daß Karl May nach der Jahrhundertwende ein begeisterter und fleißiger Konzert- und Theaterbesucher war. Ein anderes Beispiel aus der Musik ist das Klavierstimmergleichnis in ›Und Friede auf Erden‹, worin angesprochen wird, wie ein Mensch am gleichen Tage jedesmal anders gestimmt sei, wenn er verschiedene Eindrücke empfängt. »Mein Freund«, sagt Tsi, der chinesische Arzt, »welches Klavier würde es wohl aushalten, täglich zehn- bis zwanzigmal umgestimmt zu werden?«(75) Der Sinn der Gleichnisse ist beide Male der gleiche: den Wechsel von einer Stimmung in eine andere zu erläutern. Und das geschieht mit Beispielen aus dem musikalischen Bereich.

   Doch wir wollen noch einige Beispiele aufzeigen, wo die Musik als integriertes Handlungselement die allergrößte Rolle spielt. Es sind der eigentliche ›Musikroman‹ ›Der Weg zum Glück‹, das Romankapitel ›In der Heimath‹ und die den Kantor emeritus betreffenden Passagen aus der Jugendschrift ›Der Oelprinz‹.

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Der ›Weg zum Glück‹ ist im wesentlichen die Doppelbiographie zweier Sänger-Karrieren: die der Magdalena Berghuber und die des Anton Warschauer, welche beide am Anfang des Romans als einfältige Naturkinder im bayerisch-tirolerischen Grenzgebiet unter den Namen Muhrenleni und Krikelanton bekannt sind, wo sie zahme Kühe hüten und wilde Gemsen schießen – und die, wie man so sagt, einander gut sind. Beide besitzen außergewöhnliche Naturstimmen, die entdeckt und gefördert werden. Leni wird protegiert vom guten König Ludwig und Anton von einem Wiener Musikprofessor Weinhold. Zum Lebensweg der beiden Sänger gesellt sich noch der des Wasserfex. Der ist ebenfalls ein Naturbursche, ohne Eltern, welcher vom Talmüller wie ein Sklave gehalten wird und der dennoch heimlich an verstecktem Ort sich autodidaktisch das Geigenspiel beibringt. Es kommt später noch der Lehrer Max Walther dazu, der sich ins Dorf hat versetzen lassen (die Lehrerstelle dort gilt als Strafstelle). Er kann Orgel spielen und hat in Regensburg einen Gesangverein dirigiert. Vor allem aber kann er aus dem Stegreif dichten. Es wirken ferner mit ein Architekt und ein Maler. Und alle vereinigen sich am Schluß des Romans zu einem Musik-Festival moderner Art, lange bevor man an Salzburg, Grenoble, Edinburgh oder Schleswig-Holstein dachte. Das alles geschieht natür-


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lich im eigenen Festspielhaus (Bayreuth läßt grüßen!). Dort wird eine Oper auf einen Text nach der germanischen Mythologie gegeben, komponiert und dirigiert vom Wasserfex, gedichtet vom Lehrer Walther, und es wirken mit als Hauptdarsteller die Muhrenleni und der Krikelanton. In diesem Roman treten sogar Richard Wagner und Franz Liszt auf neben König Ludwig II. von Bayern. Der Text wurde nämlich ab 1886 geschrieben, unmittelbar nach dem Tod des Märchenkönigs und Franz Liszts.

   Erster musikalischer Höhepunkt ist das Vorsingen vor dem König nach halbjährigem Gesangunterricht.

Wagner ... bat mit einer stummen Verbeugung den König um die Erlaubniß [zur Klavierbegleitung], und als dieser still lächelnd nickte, öffnete er das Pianino, setzte sich vor dasselbe und schlug einige leise Accorde an. »Meine Herren, Signora Mureni [d. i. die Muhrenleni] wird die ›Marterblume‹ von Heinrich Heine singen, wenn Sie es gütigst gestatten.« »Componirt von – – –?« fragte der König. »Von einem unbekannten Compernisten, wie der Wurzelsepp sagen würde.« Diese Antwort genügte. Der König wußte nun, daß es eine jener Augenblickscompositionen Wagners sei, auf welche dieser keinen Werth zu legen pflegte, da er sie nur für gewisse Personen und Stimmen zu schreiben pflegte.(76)

Da wird also ein Lied gesungen, das nie existiert hat, zumindest nicht als eines von Richard Wagner. Aber Heinrich Heine als Texter Richard Wagners anzugeben ist nicht schlecht ausgedacht; von Heine stammt immerhin die Vorlage zu Wagners ›Fliegendem Holländer‹. Und ein weiteres Gedicht von Heine hatte Wagner tatsächlich schon 1840 – gleichzeitig mit Robert Schumann übrigens, aber in französischer Übersetzung – ebenfalls vertont: ›Die beiden Grenadiere‹. Doch diese Lieder scheint Karl May nicht gekannt zu haben, denn die beste Gelegenheit einer Erwähnung in der ›Liebe des Ulanen‹, im Gespräch zwischen Hugo von Königsau und Kunz von Goldberg über Napoleon und Heines Gedicht, bleibt ungenutzt.(77)

   Der ›Weg zum Glück‹ hätte unter günstigeren Voraussetzungen ein Entwicklungsroman mit allerdings mehreren Helden werden können, deren Bildungsgang hier unter einem Sammeltitel – eben: ›Der Weg zum Glück‹ – aufgezeigt wird. Denn daß Karl May mit dem Titel speziell eine erfolgreiche Künstlerlaufbahn meinte, das entschlüpft ihm unversehens bei der Neufassung des Stoffes im Kapitel ›In der Heimath‹ aus dem Roman ›Krüger Bei‹;(78) wir gehen darauf noch ein.

   Diese Helden sind allesamt Künstler, drei davon insbesondere Musiker, nämlich die Sänger Leni und Anton und der Geigenvirtuos und Komponist Fex. Es wäre sicherlich reizvoll zu erforschen, inwieweit im Roman die mitgeteilten Lebenssituationen der Handlungsträger realistisch und ihre Entwicklung psychologisch stimmig ist.

   Da wird zum Beispiel ein Konzert geschildert, in dem die inzwischen im Schnellverfahren ausgebildete dramatische Sopranistin mit dem


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Künstlernamen Signora Mureni ihr Debüt gibt. In diesem Konzert musiziert nicht nur ›Altmeister Franz Liszt‹ auf eigens mitgebrachtem Flügel, sondern es tritt ein fiktiver Geigenvirtuose namens Rialti auf, der »Variation(en) über ein Thema von Spohr«(79) spielt. Die Beschreibung des Spielers bei der Arbeit verrät den Autor May durchaus als Könner des Geigenspiels. Anderes, nämlich wie der Wasserfex so gänzlich als Autodidakt, nur mit einem Lehrbuch und ohne das Korrektiv des Lehrers das Violinspiel und die Kompositionslehre erlernt haben will, ist unrealistisch und nur mit Old Shatterhands Reit-, Schieß- und Fremdsprachkünsten zu vergleichen. Dennoch: wenn man die nachfolgende Entdeckung des Wasserfex als Musiktalent auf Karl Mays eigene Lebenssituation überträgt, so könnte man aus dem Roman leicht die Entdeckung eines Schriftstellertalentes durch den kenntnisreichen Kolporteur Münchmeyer herauslesen.

   Mit einiger Phantasie läßt sich noch mehr – wahrscheinlich unbewußt – Verschlüsseltes entdecken. Nicht erst seit dem Mittelalter sind die keltischen und irischen Barden als singende Dichter bekannt. Schon die Ilias beginnt mit den Worten »Singe, o Göttin«, wenn Homer das  E r z ä h l e n  meint. Und Wagners Siegfried bietet dem Jagdgenossen Gunther kurz vor seiner Ermordung an »So sing ich dir Mären aus meinen jungen Tagen«. Auch er meint natürlich  E r z ä h l e n .

   Die Biographie des Sängers kann man demnach als den Entwicklungsroman eines  E r z ä h l e r s  lesen. Wobei – es wurde schon gesagt – der Held, den es zu entwickeln gilt, sich in mehrere Personen aufspaltet: in den Krikelanton, der die negativen Eigenschaften verkörpert; in den Lehrer Walther (dessen verdächtiger Vorname Max, statt May, aufhorchen läßt), der auf eine Strafstelle sich hat versetzen lassen, der die Orgel spielt und dirigiert und der sogar aus dem Stegreif improvisierend dichtet (man kann sicher sein, daß May das auch konnte); und schließlich in den Wasserfex, der geigt und komponiert und eine Traumkarriere erlebt. Die Fähigkeit des Schreibens auf verschiedenen Lese-Ebenen, die Hans Wollschläger am Beispiel des ›Silbernen Löwen‹ überzeugend demonstriert hat,(80) ist schon in Mays letztem Kolportageroman(81) vorbereitet.

   Für die Karriere des Gesangsolisten dagegen kann die Wahrscheinlichkeit wenigstens für die damalige Zeit bejaht werden. Mitten im ›Silberlöwen‹-Roman nämlich lesen wir plötzlich, nachdem der kranke Effendi die wunderschöne Tenorstimme des Tifl gehört hat: Allwissender Pollini! Von unserm Tifl aber hast du nichts gewußt, sonst wärest du schon längst hier bei den Dschamikun gewesen, um wo möglich den Besitzer dieser gradezu phänomenalen Stimme hier auf- und daheim am Alsterbassin wieder abzuladen!(82)

   Bernhard Pollini (eigentlich Baruch Pohl) lebte von 1838 (anderen Quellen zufolge 1836) bis 1897. Er war ursprünglich Bassist, dann Im-


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presario, reiste mit einer eigenen ›Operngesellschaft Pollini‹ durch Europa; übernahm ab 1874 die Direktion des Hamburger Stadttheaters (des Vorgängerinstituts der Hamburger Staatsoper, zwei Minuten Fußweg vom Alsterbassin entfernt) und hatte zeitweise zugleich mehrere Theater, nicht nur in Hamburg, zu leiten. Er war also ein Generalintendant par excellence, was ihm den volkstümlichen Namen ›Mono-Pollini‹ eintrug. Übrigens ist das Wortspiel ›Pollini‹ statt ›Pohl‹ wiederzufinden in den von May erdachten Künstlernamen ›Mureni‹ statt ›Muhrenleni‹ und ›Criquolini‹ statt ›Krikelanton‹. Pollini hatte ein Gespür für Talente. Nicht nur holte er 1887 Hans von Bülow und 1891 Gustav Mahler als Kapellmeister nach Hamburg. Im Zillertal entdeckte er den Sänger Georg Maikl (1872-1951), der 1899-1904 in Mannheim und anschließend an der Wiener Hofoper wirkte. Georg Maikl sang dann, lange nach Pollinis Tod, in den Salzburger Festspielen, damals Außenstelle der Wiener Staatsoper, von 1922 bis 1938 große Tenorpartien, u. a. den Don Ottavio, den Belmonte, den Tanzmeister, den Vogelsang; und zwar unter den bedeutendsten Dirigenten der Zeit: Richard Strauss, Franz Schalk, Clemens Krauß, Felix Weingartner, Arturo Toscanini und Wilhelm Furtwängler, was eigentlich für seinen Rang spricht ...(83) Von diesem Maikl könnte Karl May im Jahr 1902, als er am ›Silberlöwen‹ schrieb, schon gewußt haben. Da war er freilich über den Kolportageroman ›Der Weg zum Glück‹ schon hinausgewachsen. Aber die Tatsache einer Tiroler Traumkarriere bleibt bestehen. Wie sagt doch Karl May in seinem zweiten großen ›Musikromantext‹ ›In der Heimath‹? Ja, das Leben ist der phantasiereichste Romanschriftsteller, und er schreibt nicht nur in Amerika, Asien und Afrika ..., sondern auch in Europa, in Deutschland, in Bayern, Sachsen ...(84)

   Von Hans Wollschläger stammt eine – flüchtig in kleinem Kreis mitgeteilte – Beobachtung: daß bei May oft ein Themenstoff zweimal abgehandelt ist. So kennen wir zwei Südamerika-Romane (›Das Vermächtnis des Inka‹ und ›El Sendador‹), so kennen wir zwei Romane, die sich mit Sklavenhandel befassen (›Die Sklavenkarawane‹ und ›Der Mahdi‹), zwei Romane beschäftigen sich mit dem Llano (›Der Geist des Llano estacado‹ und ›Old Surehand‹, 1. Band). Und zu dieser doppelten Themen-Durchführung gehören auch ›Der Weg zum Glück‹ und ›In der Heimath‹.

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Der ›Heimath‹-Text gehört eigentlich zu dem Roman ›Krüger-Bei‹ (der später ein Teil von ›Satan und Ischariot‹ wurde), war aber schon im ›Hausschatz‹-Vorabdruck vom Redakteur Heinrich Keiter herausgestrichen worden.(85) Karl May hat sich darüber geärgert, dann aber später in der Buchausgabe des Verlages Fehsenfeld (›Satan und Ischariot‹, 2. Band) den Romanteil nicht mit aufgenommen, sondern nur eine er-


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klärende Zusammenfassung geschrieben, die den Kontext mit dem weiteren Romanverlauf herstellt.

   Wie der ›Weg zum Glück‹ handelt der ›Heimath‹-Text von der Ausbildung einer Sängerin und eines Geigers. Karl May, der hier unter eigenem Namen auftritt und Doctor genannt wird,(86) besucht kurz vor Weihnachten seinen ›einstigen Lehrer‹, den Linguisten und Professor.(87) (Der Name Vitzliputzli kommt nur in der erwähnten Bearbeitung vor; es ist der verballhornte Name einer aztekischen Gottheit, bekannt aus Heinrich Heines Sammlung ›Romanzero‹ als Titel eines Gedichtes.)

   Bei dem Professor hört der Erzähler durch das geöffnete Fenster die Klänge eines Gesangvereins in der Probe, und er erkennt zu seiner größten Überraschung  e i g e n e  Kompositionen, von denen er die Partituren dem Professor leihweise überlassen hatte. Dieser gab sie an den Gesangverein weiter in der irrigen Annahme, es seien Kompositionen von Mozart. Der Erzähler stellt das richtig, indem er sich im Gesangverein als der wirkliche Komponist zu erkennen gibt und dieses beweist, indem er die schwierigen Passagen der Motette – wo der Gesangverein in der Probe stets ›umgeworfen‹ hat – auswendig und natürlich fehlerfrei zu singen vermag.

   Der Erzähler und Komponist macht allerdings seine Urheberrechte aufs energischste geltend. Doch dann spendiert er zwei Terrinen Grogk(88) (sic). Die Musikanten, allesamt arme Erzgebirgler, sind den Alkoholgenuß nicht gewohnt. Unter seinem beschwingenden Einfluß benutzen sie auf dem Heimweg, der bergab ins Dorf führt, ihre Musikinstrumente als Schlitten durch den Schnee. Dabei geht das Violoncello des Strumpfwirkers Vogel entzwei. Der Erzähler nimmt sich des Instrumentes an, und so macht er die Bekanntschaft der Familie Vogel. Da ist die hübsche 17jährige Tochter Martha, da ist ihr jüngerer Bruder Franz, der ein talentierter Geigenspieler sein soll. Der Erzähler macht die Probe aufs Exempel, findet den Knaben tatsächlich hochbegabt, bringt später einen befreundeten Kapellmeister mit, der die Prüfung wiederholt, und man ist sich einig, daß der Junge unbedingt gefördert werden muß. Er soll allerdings zur Ausbildung von den Eltern weg in die Stadt nach Dresden umsiedeln. Die Schwester Martha muß nun den minderjährigen Bruder nach Dresden begleiten und dort als Aufsichtsperson wohnen. Sie verdingt sich als Hilfsarbeiterin in der Verlagsdruckerei, wo sie ständig mit dem Erzähler, dem Doctor, zu tun hat. Es bleibt nicht aus, daß sie sich in ihn verliebt. Nebenbei erfährt der Erzähler, daß sie vom Kapellmeister zur Sängerin ausgebildet wird, weil sie stimmlich ebenso begabt ist wie ihr Bruder Franz im Spiel auf der Violine. Nach einer längeren Abwesenheit kehrt der Erzähler nach Dresden zurück und erlebt just das erste Auftreten der Sängerin Martha Vogel. Er bringt als Begleitung einen reichen Bekannten mit, welcher sich im Konzert auf der


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Stelle in Martha verliebt und sie zu heiraten begehrt. Weil nun Martha spürt, daß sie vom Erzähler keine Gegenliebe empfängt, gibt sie aus Trotz und Verzweiflung dem Werben des Fremden nach, obwohl sie doch eigentlich nur für den ›Doctor‹ singen wollte.

   So weit der ›Heimath‹-Text. Es gibt ganz wesentliche Parallelen zum ›Weg zum Glück‹. Die Einwilligung zum Musikstudium geben die Eltern dem Knaben Franz nicht so leicht und alsbald, wie es nach unserer Inhaltsangabe erscheint. Und so schreibt Karl May: Ich ging während meines Aufenthaltes im Dorfe noch einige Male zum Strumpfwirker Vogel und gab mir alle Mühe, diesen Leuten beizubringen, daß es die größte Versündigung an ihrem Kinde sei, diesem den  W e g  z u m  G l ü c k  zu verschließen. Der Weg zum Glück, das ist hier: ein berühmter Geiger zu werden.(89) Später, da Martha ihr erstes Lied gesungen hat – Mays Lieblingslied ›Wenn sich zwei Herzen scheiden‹ (wobei leider der Komponist nicht genannt wird) –, wählt sie noch ein zweites Lied mit dem Titel ›Sternenhell‹ und ›Weltennacht‹.(90) Der Name des Komponisten ist im Romantext ungenannt, ebenso wie der Komponist der ›Marterblume‹ im ›Weg zum Glück‹, wo die Muhrenleni mit Richard Wagner musiziert. Der anonyme Komponist ist nämlich hier auch der Capellmeister selber.

   Aus dem ›Weg zum Glück‹ ist dem Leser ferner bekannt, daß der Krikelanton, der Geliebte der Leni, durchaus nicht möchte, daß sie eine Sängerin wird, was dann schließlich auch zum Bruch der Beziehung führt. Und ganz genauso empfindet der Erzähler in der ›Heimath‹. Also Martha wollte, oder vielmehr sie sollte eine Sängerin werden! Dieser Gedanke war mir widerwärtig! Das Äußere hatte sie dazu, vielleicht auch die Stimme, denn ihre ganze Familie war musikalisch veranlagt. Aber ihr Herz, ihr Gemüth, ihre Einfachheit, Bescheidenheit, ihre trotz der Jugend so ausgesprochene Solidität! All diese Eigenschaften, die ebenso viele Vorzüge waren, kamen dadurch in Gefahr, verloren zu gehen!(91)

   Wenn wir bisher unterstellten, daß in der Figur des Krikelanton ein Stück Mayscher Selbstdarstellung steckt, dann finden wir hier im ›Heimath‹-Text ein Indiz dafür: Der Krikelanton von 1886 empfindet und handelt genau so wie der ›Doctor K. M.‹ – wie Karl May. Verborgene Selbstbiographie? Vielleicht stehen der Forschung noch Überraschungen bevor, besonders in dem bereits erörterten Zusammenhang: als Karl May wegen einer Theaterangelegenheit nach Leipzig fuhr ...

   Abgesehen von diesen grundsätzlichen Überlegungen ist der ›Heimath‹-Text in musikalischer Hinsicht sehr ergiebig. Als der ›Doctor‹ den Probenraum des Gesangvereins betritt, erinnert er sich an Schillers Jamben ›An die Künstler‹: »Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben; / Bewahret Sie! / Sie sinkt mit Euch, / Mit Euch wird sie sich he-


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ben.« Er hat recht. Man stelle den ersten besten Nachtwächter an ein Notenpult und gebe ihm eine Stimme in die Hand, so wird man sehen, wie der Ausdruck seines Gesichtes sich verändert. Er ist jetzt nicht Nachtwächter, sondern Sänger. Und Sänger sind Helden! Dieser Ausdruck wohlbewußter künstlerischer Würde lag auch auf den Gesichtern dieser Leute ..., verwandelte sich aber sofort in einen ganz andern, als sie uns erblickten. Ihr Zimmer war jetzt ein Heiligtum, welches nur Mitglieder betreten durften.(92)

   Über den Dirigentenkollegen des Gesangvereins sagt May folgendes: »Der Herr Director ist ein ausgezeichneter Dirigent; aber er kann unmöglich wissen, wie der Componist verschiedene Stellen gemeint hat und vorgetragen wissen will. Darum wünsche ich, das Stück [d. h. Mays eigene Komposition] jetzt selbst einmal vornehmen und mit Ihnen einüben zu dürfen.«(93) Diese Bemerkung diskreditiert von vorneherein jeden Dirigenten, der ein nicht von ihm selber komponiertes Stück aufführen will. Was soll er denn machen, wenn der Komponist nicht mehr lebt und also nicht mehr sagen kann, wie er verschiedene Stellen gemeint habe. Diesen Satz hätte der Autor als Dichterkomponist besser unterlassen, so sehr ein jeder Dirigent auch das Korrektiv des Komponisten schätzen sollte. Doch die Chorsänger ordnen sich dem Gastdirigenten willig unter: »Du, Nachbar, komm rasch her und schau mal zu! Der verstehts aber, der Lingenist. Was der mit dem Fidelbogen für Vissematenten macht! An dem zappelt Alles!« Mit dieser Anerkennung meines Dirigententalentes konnte ich zufrieden sein ... Endlich waren wir fertig. Die Cantate ging wie am Fädchen ... Das ist die Kunst des Dirigierens. Der Dirigent muß den Sänger am Blicke festhaben wie ein Kutscher das Pferd am Zügel.(94) – Na also, dem kann selbst ein Fachmann nichts mehr hinzufügen.

   Sehr interessante Bemerkungen liest man zur Instrumentation: Ganz besonders interessierte mich die Kapelle. Diese Leute spielten nach ihrem Wissen und Können wirklich ausgezeichnet. Besonders hatte der Celloer sein Instrument gut in der Gewalt; er begleitete nicht, sondern er spielte die Melodie mit(95) – ebenso wie in der Blaskapelle das Tenorhorn oder gar das Euphoneum die Melodie in der Tenorlage nach unten verdoppelt. Und erst unter dem Einfluß des Grogk spielen die Musiker gleichsam polytonal, aber von der Instrumentation her richtig: Der Violinist die Melodie, die Gitarren den Nachschlag, und der Bassist markiert den Takt mit dem Grundton.(96)

   Karl May nennt im Text die Namen von seinerzeit berühmten Geigern: Er spricht von Ole Bull (1810-1882), einem norwegischen Violin-Virtuosen und Schüler Spohrs; er nennt August Wilhelmi (1845-1908), den Vorgeiger des Bayreuther Nibelungen-Orchesters, der 1886-1894 in Dresden-Blasewitz lebte.(97) Aber er erwähnt auch eine nicht etwa leichte Etude von Czerny oder Clementi.(98) Diese Herren waren aber kei-


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ne Geiger, sondern Pianisten, die sicher keine Violinetuden geschrieben haben. Czerny war Schüler Beethovens und später der Lehrer von Franz Liszt. Eigenartig berührt den Leser die Beschreibung des zeitgenössischen Tongemälde(s) von einem ›unbekannten Componisten‹ – gemeint ist der Kapellmeister-Freund, der das May-Gedicht ›Wenn um die Berge von Befour‹ vertont hat. Es war eine ganz eigen-, eine ganz fremdartige Musik ... Die Harmonien verbanden sich zu grotesk erhabenen Tonfiguren. Sterne funkelten darüber; es klang wie heidnisch-frommes Urwaldsrauschen ...(99) Man muß angesichts dieser interessanten Beschreibung bedauern, daß die biographischen Quellen nichts darüber aussagen, welche zeitgenössische Musik Karl May wohl um 1891 – das ist die Entstehungszeit von ›Satan und Ischariot‹ – gehört haben mag. In diese Zeit fällt zugleich der Beginn der Freundschaft mit dem Ehepaar Plöhn. Klara Plöhn war bekanntlich eine leidenschaftliche Wagnerianerin. Da wäre es denkbar, daß May bei einem gemeinsamen Konzertbesuch zum ersten Mal Musik von Richard Wagner hörte, die ihn bei seiner konservativen Musikliebe befremdet hat; ›fremdartige Musik‹, ›grotesk-erhabene Tonfiguren‹ – so kann man sich wohl ausdrücken, wenn man etwas beschreiben soll, was einem nicht gefällt, und wenn man einem dritten nicht wehtun will. Doch das ist eine reine Hypothese.

   Als biographische Erinnerung registrieren wir den Namen des Gesangvereins ›Lyra‹ zu Ernstthal, der auch im ›Vermächtnis des Inka‹ und im ›Blau-roten Methusalem‹ genannt wird,(100) ebenso wie das Doppelquartett,(101) das uns auch beim Vortrag des ›Ave Maria‹ in ›Winnetou III‹ begegnet ist.

   Biographisch hochrelevant ist nun gar die Passage, wo May seine Urheberrechte an den vermeintlichen Mozartstücken geltend macht. Der Erzähler sagt zum Professor: »Ich muß ins Wirthshaus, um den Leuten anzudeuten, daß sie die beiden Stücke nicht aufführen dürfen. ... Ich habe das Recht dazu. Sie kennen doch das Gesetz!« ... »Man darf nicht singen, wenn der Componist nicht will. ... Aber wenn sie dennoch singen?« »So zeige ich sie an und lasse sie wegen unbefugter Wiedergabe meiner Composition bestrafen.«(102) Später sagt der Erzähler zu den Sangesbrüdern: »Sie sollen die beiden Lieder behalten, aber ich stelle ... Bedingungen, welche Sie streng einhalten müssen!« »Welche?« fragte der Bäcker. »Ich als Vorstand unseres Vereines ›Lyra‹ erkläre hiermit, daß wir die Bedingungen halt›n werden, wenn sie eenmal von uns eingegangen word›n sind. Mein Ehrenwort darauf! Oder woll›n Sie's lieber schwarz off weiß haben?« »Nein; ich glaube Ihnen!« »So lass›n Sie mal hören!« »Erstens geben Sie weder Partitur noch Stimmen jemals aus der Hand. Höre ich, daß ein anderer Verein eins der beiden Stücke gesungen hat, so verklage ich Sie auf Strafe und Schadenersatz!«(103) Die Abmachungen mit dem Vorstand des Gesangvereins entsprechen ganz den Abmachungen Mays mit dem Verleger Münchmeyer über seine Kolportageromane.


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Wenn die Entstehungszeit des ›Heimath‹-Textes mit dem Jahr 1891 übereinstimmt, dann spiegelt diese Sequenz exakt den Wahrheitsgehalt von Mays Aussagen in ›Mein Leben und Streben‹ von 1910 wider.(104)

   Es ließe sich noch vieles sagen, doch will ich mich beschränken auf eine letzte Beobachtung. May nennt den Strumpfwirker Vogel abwechselnd ›Cellisten‹, ›Celloisten‹ und auch ›Celloer‹. Einmal nennt er ihn sogar Wolf statt ›Vogel‹ und zwar bei der unglücklichen Schlittenpartie.(105) Diese Episode wirkt im Zusammenhang des Ganzen etwas überflüssig, gehört mehr zum Stoffkreis der Humoresken. Es läßt sich daher denken, daß May hier einen früheren Text eingearbeitet hat, wo der Protagonist nicht ›Vogel‹, sondern ›Wolf‹ heißt. Lupus in fabula ist denn auch ein Zitat, das bei May öfters vorkommt.(106) Für diese Annahme spricht mindestens der Titel Ein Celloer aus dem ›Repertorium C. May‹.(107)

*

Der dritte Roman, in dem Musik eine größere Rolle spielt, ist ›Der Oelprinz‹. Die Handlung ist im wesentlichen die abenteuerliche Reise deutscher Auswanderer, die im westlichen Amerika eine neue Heimat suchen. Ihnen hat sich der Dorfkantor Matthäus Aurelius Hampel aus Klotzsche bei Dresden angeschlossen. Dieser Mensch entpuppt sich mit seinen ersten Sätzen als ein spleeniger Künstler, der seinen Kirchendienst aufgegeben hat – freiwillig oder unfreiwillig, das sei dahingestellt –, um nur noch der Kunst zu leben. Deshalb legt er auf den Zusatz  e m e r i t u s  zum Titel ›Kantor‹ stets und immer wieder größten Wert. Er will eine Heldenoper von zwölf Akten komponieren, eine Trilogie, auf drei Abende verteilt, deren Text er selber zu schreiben gedenkt.(108) Er ist 35 Jahre alt, hat eine Fistelstimme, trägt seltsame Kleidung und imitiert Tag und Nacht fortgesetzt alle möglichen Musikinstrumente; dabei glaubt er fest daran, unter dem Schutz der Musen zu stehen.(109) Doch damit bringt er seine Reisegefährten oft in größte Schwierigkeiten. Geradezu gemeingefährlich wird er, wenn er eine Indianerschlacht herbeiführen will, weil er ein Sujet für sein Bühnenwerk braucht.

   So abwegig, wie seine Persönlichkeit geschildert ist, sind auch seine Aussagen zur Musik. Bei der Ouvertüre will er, wenn das Cello im Orchester fehlt, dessen Stimme der dritten Trompete übergeben.(110) Das ist Unsinn. Es hat noch nie ein Orchester ohne Cello gegeben (in Wagners Nibelungen-Orchester sind deren sogar zwölf vorgeschrieben); wohl aber gab es Orchester ohne Trompeten. Von Haydns 104 Symphonien sind etwa dreiviertel nur von Oboen und Hörnern, dazu aber mit chorischem Streichorchester besetzt. Seine Oper will er nicht mit Verstand komponieren, sondern mit Generalbaß und Kontrapunkt. Er wünscht Hexameter und nicht Jamben; dazu braucht er einen kräftigen, einen gi-


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gantischen, einen cyklopischen Text.(111) Er plant einen Chor der Mörder für doppeltes Sextett, eine Gnadenarie und einen Sieges- und Einzugsmarsch.(112) Des Kantors Gegenstück ist der halbgebildete ›Forschtgehilfe‹ Hobble-Frank aus Moritzburg, der früher im Gesangverein gesungen hat. Der improvisiert ein Auftrittslied des Winnetou:

»Ich bin der große Winnetou,
in Amerika geboren,
Habe Oogen, aber nu!
Rechts und links zwee scharfe Ohren«
(113)

– was dem Kantor aber nicht gefällt. Offenbar hat er es mehr mit der großen zeitgenössischen Musik. Darauf deutet nicht nur die Trilogie, die auf drei Abende verteilte Zwölfaktigkeit, sondern auch sein Plan, selbst den Text zu schreiben. Er will einen Petroleumsee auf die Bühne bringen, anstatt ganz schlicht auf dem Grund des Mississippi spielen zu lassen. Kurzum: er fühlt sich als Zukunftskomponist. Und was das ist, wissen wir seit dem 3. Band ›Winnetou‹, wo der Neger Bob die Zukunftsmusik auf japanischen Instrumenten studiert.(114)

   Die Anspielungen auf Richard Wagner und dessen Tetralogie sind deutlich, doch kann man nicht empfinden, daß der Autor May sich als subtiler Kenner oder gar Freund der Wagnermusik erweist, was ja schon am ungenauen Zitieren »Ring  d e r  Nibelungen«(115) deutlich wird. So würde kein Wagnerianer sprechen. Zur Deutung des Kantor emeritus hat sich Heinz Stolte zweimal ausführlich geäußert; in seinem Essay über die Affäre Stollberg kommt er zu dem Schluß, daß »Herr Hampel ein anderer, verfremdeter Karl May ist (...), zugleich ein Trauma seines Autors«.(116) Und wiewohl Karl May selber oft zu Späßen aufgelegt war, wenn es ihm gut ging, verriet doch das Plädoyer seines Pflichtverteidigers Haase im Mittweidaer Prozeß, daß May auch in Zeiten seines Infernos ein Spaßmacher war, der in der Hauptverhandlung »den Eindruck eines komischen Menschen (machte), der gewissermaßen aus Übermuth auf der Anklagebank zu sitzen schien«.(117) Wie sagte Hobble-Frank, allerdings in anderem Zusammenhang? »Wo du nich bist, Herr Organist, da schweigen alle Flöten«, – ein Satz, den er ganz offenbar im ›Büchmann‹ gefunden hat.(118)


E x k u r s : Karl Mays Verhältnis zu Operntexten

Ich möchte mit einem verräterischen Zitat beginnen:

Die Maschine des Dampfers hatte gestoppt, und der Capitain war von der Commandobrücke gestiegen. Da öffnete sich die Cajütenthür und heraus trat ... (eine) Gestalt ... . Sehr lang und hager, war sie in grau und schwarz carrirten Stoff gekleidet. Der übermäßig hohe Cylinderhut, der riesige Regenschirm, den er in der Hand


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hatte, auch diese Beiden waren carrirt. An einem über die Achsel gehenden Riemen hing ein unendlich langes Fernrohr, welches bereits vor der Sündfluth existirt zu haben schien, und aus der linken, äußeren Brusttasche ragten zwei Gegenstände hervor, über welche man sich schier zu verwundern hatte, nämlich – – ein gewaltiger Streichriemen und ein Rasirmesseretui. In der Rechten hielt dieser höchst ungewöhnliche Mann ein Buch, auf dessen Umschlag in deutscher Sprache der Titel zu lesen war: »Textbuch. Die Entführung aus dem Serail. Große Oper von Wolfgang Amadeus Mozart.«(119)

Dieser graukarierte Lord Eagle-Nest aus dem Kolportageroman ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ kannte offenbar nicht das chronologisch-thematische Köchelverzeichnis der Werke Mozarts, wo unter der Nr. 384 der Untertitel zur ›Entführung‹ korrekt lautet: ›Komisches Singspiel in 3 Akten‹. Was der Lord mit dem Operntextbuch vorhat, erfährt der Leser auf der nächsten Seite. Der Lord wird gefragt: »Haben Eure lordschaftliche Herrlichkeit bereits eine türkische Frau oder ein türkisches Mädchen gesehen?« »Ja, natürlich! Zwar nicht hier, aber in Berlin. Famose Oper, die Entführung aus dem Serail von Mozart. Ich gehe nicht eher fort, als bis ich mir so Eine aus dem Harem geholt habe. Hier, da, sehen Sie, Capitain, da ist das Textbuch dazu! Es fehlen nur noch Frau und Harem. Aber Beide sind sehr leicht zu finden, denn Weiber und Harems giebt es hier in Masse.«(120) Heinz Stolte hat in den genannten Essays die komischen Gestalten bei Karl May als Ich-Derivate erkannt. Was also hat die komische Gestalt des Eagle-Nest mit Mozarts Operntext vor? Er will ein  e i g e n e s  Erlebnis gestalten.

   Obwohl sich in Mays Bibliotheksverzeichnis kein Textbuch zur ›Entführung‹ befindet, werden wir auf diesem Wege fündig. Vorweg sei festgehalten, daß der Name der lyrischen Tenorpartie – Belmonte – schon im Roman ›Die Liebe des Ulanen‹ auftaucht, als Deckname für den preußischen Offizier Arthur von Hohenthal, der unter der Maske eines Weinreisenden die feindlichen Strategien in Frankreich ausspioniert.

   In Mays Notennachlaß befindet sich ein Klavierauszug von Mozarts ›Zauberflöte‹.(121) Leider aus dem Verlag Litolff – wie ich durch Autopsie festgestellt habe – und nicht von C. F. Peters, Leipzig. Dem alten Peters-Klavierauszug geht nämlich ein Vorwort von Emil Vogel voraus, worin mitgeteilt wird, daß dem ›Zauberflöten‹-Libretto das »Märchen ›Lulu oder Die Zauberflöte‹ aus Wielands ›Dschinnistan‹ zugrunde liegt«.(122) Lassen wir vorerst die Reizworte Wieland und Dschinnistan beiseite und betrachten wir den Anfang der ›Zauberflöte‹.

   Da kommt aus fernem Land der Prinz Tamino auf die Bühne und wird verfolgt von einer Schlange. Drei Damen retten ihn, indem sie die Schlange töten. Es eilt herbei der Naturmensch Papageno, der sich im weiteren Verlauf der Handlung als Taminos Begleiter, als sein komisches Gegenstück, erweist, der gern aufschneidet und folgerichtig alsbald behauptet, e r  habe die Schlange erlegt.(123)


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   Am Anfang von Mays ›Dschinnistan‹-Roman kommen aus fernem Land der Ich-Erzähler Kara Ben Nemsi und sein langjähriger Begleiter (der sich manches Mal als komisches, aufschneiderisches Gegenstück erwies) in das Land Ardistan. Als erstes Lebewesen begegnet ihnen eine Riesenschlange. Halef erschrickt, und als der Sihdi sie erlegt hat, da nimmt Halef den Ruhm für sich in Anspruch: »Das Ungetüm ... ging dahin, sobald wir kamen! ... Wenn ich ... komme, preisen mich alle Völker, und mein Lob erschallt über alle Länder der Erde.«(124) Wenn sich auch nicht nachweisen läßt, daß May das Vorwort aus dem Peters-Klavierauszug gekannt hat, so wissen wir doch aus den Bibliotheksverzeichnissen, daß Karl May Wielands Werke in sechs Bänden besaß.(125) Auf Mays Kenntnis der ›Zauberflöte‹ verweist außerdem die stereotype Redewendung des Jim Snuffle aus dem Anfang des ›Silbernen Löwen‹: »... das wäre doch das höchste der Gefühle«(126) – was sich im ›Finale II‹ der Zauberflöte aus Papagenos Mund fast wortgleich anhört: »Es ist das höchste der Gefühle.«(127) Im gleichen ›Finale II‹ lautet der Gesang der drei Knaben »Bald prangt den Morgen zu verkünden«.

Horst Felsinger weist auf die Ähnlichkeit mit Mays ›Ave Maria‹ hin:

Sogar die Tonart Es-Dur ist die gleiche.(128)

   Im Roman ›Die Liebe des Ulanen‹ sagt Nanon in bezug auf Richard von Königsau: »Ich möchte diesen ... mit dem Recken Hüon in Wielands Oberon vergleichen.«(129) Wir wissen heute: Karl Mays Bibliothek enthielt außer Wielands ›Oberon‹ auch noch das Textbuch zu Webers ›Oberon‹ mit einem Kommentar zur Werkgeschichte.(130)

   Auch Beethovens ›Fidelio‹ ist Karl May nicht unbekannt gewesen. In seinem Musikalien-Nachlaß, den mir seinerzeit Roland Schmid bei meinem ersten Besuch in Bamberg vorlegte, sah ich eine Abschrift des berühmten Gefangenenchores aus dem ersten Finale der Oper, ohne Text zwar und ohne Quellenangabe, so daß ein oberflächlicher Betrachter hier die Skizze zu einer noch unbekannten May-Komposition vermuten könnte. Heute denke ich, Karl May hat die Noten vielleicht kopiert, um zu studieren, wie Beethoven einen vierstimmigen Satz für Männerchor zu schreiben pflegt. Aber auch der  I n h a l t  von Beethovens Oper ist in Mays Werk eingeflossen. Und so finden wir den we-


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sentlichen Handlungsgehalt als Handlungsfaden im ›Ulanen‹-Roman wieder: Wie die Hauptperson sich in fremder Verkleidung beim Todfeind verdingt, um nach dem geliebten Angehörigen zu forschen und ihn schließlich aus unterirdischem Verlies errettet. Über Wiedererkennungsszenen gibt es einen Funk-Essay von Ernst Bloch,(131) der außer der Anagnorisis in ›Fidelio‹ auch Wagners ›Walküre‹ und ›Elektra‹ von Strauß/Hofmannsthal heranzieht. Derartige Szenen sind auch für Mays Werke konstitutiv (ich erwähne nur den Schluß des ›Waldröschen‹ und die Rückkehr Gustav Brandts im ›Verlorenen Sohn‹). Angesichts einer Fülle solcher Szenen bei May können wir nur lebhaft bedauern, daß Ernst Bloch bei seiner durch Carl Zuckmayer bezeugten Detailkenntnis(132) leider keine Anagnorisis-Abhandlung über Karl May hinterlassen hat.

   May hat auch Mozarts ›Don Giovanni‹ gekannt – im 19. Jahrhundert nannte man die deutsche Fassung noch ›Don Juan‹, wie durch Mörikes Novelle ›Mozart auf der Reise nach Prag‹ literarisch bezeugt ist. In Mays Musikalien befanden sich nämlich 1968 zwei Stimmblätter ohne Klavier- oder Orchesterbegleitung, die man früher wahrscheinlich für Kompositionen von Karl May gehalten hat. Ich verweise hier auf die Gegensatz-Symmetrie zu jener Szene im ›Heimath‹-Text, wo man Mays Kompositionen für Mozartsche hielt. Erst Hans Wollschläger schrieb in einer ungedruckten Bibliographie dazu: »wahrscheinlich nicht von May«. Die Handschriften sind Kopien der Singstimmen vom Duett Nr. 5 zwischen Zerline und Masetto: ›Liebe Schwestern zur Liebe geboren‹ und ›Liebe Brüder mit Leichtsinn im Herzen‹, das die bekannte Bauernhochzeit in ›Don Giovanni‹ einleitet. Es ist das gleiche Duett, das bei Mörike in der erwähnten Novelle eine Rolle spielt.(133) Zwei weitere Hinweise auf Mays ›Don Juan‹-Kenntnis liefern der Hobble-Frank im ›Schwarzen Mustang‹ mit dem Zitat ›Reich mir die Hand, mein Leben‹ (aus der gleichen Bauernhochzeits-Szene stammend) und das ›Buch der Liebe‹.(134) Wahrscheinlich fand die Verwechslung May oder Mozart schon einmal zwischen 1891 und 1896 statt, als Karl May sich nach längerer Pause erneut mit seinen Musikalien befaßte (und der Brief an Fehsenfeld von 1892 läßt möglicherweise genauere Eingrenzung zu). Die Verwechslung fand dann Niederschlag in den Erwähnungen beim Romankapitel ›In der Heimath‹. Der Verwechslungsvorgang selbst ist gespiegelt in der Szene, wo der Professor die Mayschen Kompositionen an den Gesangverein weitergibt, und zwar als Kompositionen von Mozart.(135)

   Mays Kenntnis von Pius Alexander Wolffs Schauspiel ›Preziosa‹ – wahrscheinlich mit der Musik von Carl Maria von Weber – ist durch die Schilderung in der Selbstbiographie hinreichend bezeugt.(136) In ›Preziosa‹ wird ein Grafenkind von Zigeunern geraubt. Dieses Kolportagemotiv ist ein tragender Pfeiler des Romans ›Scepter und Hammer‹. Es


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lenkt zugleich die Aufmerksamkeit auf Verdis ›Troubadour‹. Verdis Name fehlt allerdings bei einer Troubadour-Erwähnung in ›Der Sohn des Bärenjägers‹ ebenso wie beim Triumphmarsch im ›Oelprinz‹,(137) den der Kantor emeritus komponieren will, dessen eigentliche Herkunft aber – wie jeder weiß – Verdis ›Aida‹ ist.

   Schließlich brachte die Frage Hedwig Paulers nach der Gnadenarie aus Robert und Bertram mich auf eine heiße Spur.(138) In der Opernliteratur gibt es Gefangenenchöre, Pilgerchöre, Registerarien, Rosenarien, ›Nähmaschinenarien‹ (›O säume länger nicht‹), Wahnsinnsarien, Bildnisarien, Spiegelarien; aber eine Gnadenarie für Bariton gibt es nur im Kopf des Kantor emeritus.(139) Der Name einer fiktiven Oper ›Robert und Bertram‹ lenkt den May-Kenner zwar automatisch auf den ›Verlorenen Sohn‹ Robert von Helfenstein, der unter dem falschen Namen Robert Bertram in der sogenannten Residenzstadt lebt und dichtet. Doch fiel mir bei der Kombination und dem Sprachrhythmus ›Robert und Bertram‹ sogleich der Titel ›Robert der Teufel‹ ein, eine heute vergessene Oper von Giacomo Meyerbeer aus dem Jahr 1831. Und zum großen Erstaunen stellt sich bei Nachprüfung heraus, daß in dieser Oper zwei Hauptpersonen mit den Namen Robert und Bertram agieren, die sich zueinander in einem ähnlichen Abhängigkeitsverhältnis befinden wie Faust und Mephistopheles. Von dem Robert im Operntext wird gesagt, daß sein Gesicht ähnlich sei dem des Teufels auf einem Altarbild. Nun kann sich ein Christ auf einem Altarbild schwerlich die Abbildung des Teufels vorstellen; es sei denn, es handelt sich um die Darstellung der Versuchungsgeschichte aus Matthäus 4. Aber das Motiv: die Ähnlichkeit eines Gesichtes mit dem Antlitz des Teufels ist uns aus ›Satan und Ischariot‹ bekannt. Ich zitiere: Aber was für ein Gesicht war das! Sobald ich es erblickte, fielen mir jene eigenartigen Züge ein, welche der geniale Stift Gustave Dorés dem Teufel verliehen hat.(140) Karl May schildert dieses Gesicht auf anderthalb Seiten bis in Einzelheiten. An anderer Stelle beschreibt er Abrahim-Mamur, den Entführer der Senitza, ähnlich und genauer: Es war ein eigentümliches, ein furchtbares Gesicht; es glich ganz jenen Abbildungen des Teufels, wie sie der geniale Stift Doré's zu zeichnen versteht, nicht mit Schweif, Pferdefuß und Hörnern, sondern mit höchster Harmonie des Gliederbaues, jeder einzelne Zug des Gesichts eine Schönheit, und doch in der Gesamtwirkung dieser Züge so abstoßend, so häßlich, so – diabolisch.(141) Der wiederholte Hinweis auf Doré veranlaßte auch hier eine Nachprüfung. Doch in Dorés berühmter Bilderbibel gibt es nur ein einziges Teufelsbild, eben jenes mit der Versuchungsgeschichte. Und dieses zeigt den Teufel als gefallenen Engel, mit Flügeln und Hörnern. Von Einzelheiten des Gesichtes ist nichts zu erkennen, da das Halbprofil im Schatten liegt. Dieses Bild kann Karl May also nicht gemeint haben. Aber auch die Teufelsdarstellung zum 34. Gesang des Abschnittes ›Die Hölle‹ in Dantes ›Divina


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Commedia‹ scheint Karl May nicht im Sinn gehabt zu haben. Mitten im Kreis der Verräter sieht man Luzifer, den gefallenen Engel, als Höllenfürst, aber mit Flügeln und Hörnern, bärtig und mit stechendem Auge.(142) Doch jeder Kenner weiß, welchen Stellenwert Dante für Karl May hatte. Im Noten-Nachlaß der Villa Shatterhand befindet sich ein Titel: ›Meyerbeer: Divertissement Robert der Teufel.‹(143) Divertissement ist ein veralteter Ausdruck für Potpourri, Melodienzusammenstellung. Der Zusammenhang zwischen Meyerbeers Oper, Hobble-Franks Auslassungen und einem Gesicht, das einer Teufelsdarstellung gleicht, scheint demnach nicht zufällig zu sein.

   Richard Wagner, der selbst im ›Weg zum Glück‹ als persona dramatis auftritt, um Klavier zu spielen, Menschen zu retten, aus Rührung über den schönen Gesang der Muhrenleni zu weinen, der mit seinem ›Ring des Nibelungen‹ in Mays Werken zweimal Pate gestanden hat zu Opernkompositionen von May-Figuren: nämlich zu der Oper ›Götterliebe‹ des Wasserfex und zu einer zwölfaktigen Wildwest-Helden-Oper – Richard Wagner hat in seinen ›Meistersingern‹ eine sehr schöne Demonstration gegeben, wie der Schaffensprozeß des Dichters verläuft. Und er läßt einen der Altmeister singend erklären, wie eine sogenannte Bar-Form aufgebaut ist. Fritz Kothner liest im ersten Akt, in der Sing-Schul’ der ›Meistersinger‹, aus den legibus tabulaturae vor:

Eines jeden Meistergesanges Bar
stell ordentlich ein Gemäße dar
aus unterschiedlichen Gesetzen,
die keiner soll verletzen.

Ein Gesetz besteht aus zween Stollen,
die gleiche Melodei haben sollen;
der Stoll aus etlicher Vers Gebänd,
der Vers hat seinen Reim am End.

Darauf so folgt der Abgesang,
der sei auch etlich Verse lang
und hab sein besondere Melodei,
als nicht im Stollen zu finden sei.

Das heißt in Prosa übersetzt: Die Bar-Form ist eine dreiteilige Form, deren einzelne Teile heißen: Erster Stollen, zweiter Stollen (deren beider Melodie identisch ist) und Abgesang. Oder – wie es der Musiktheoretiker sagt – eine AAB-Form. Es gibt auch andere Formschemata, zum Beispiel symmetrische Formen. Eine solche ist die Bogenform. wo die Wiederholung nicht nach dem ersten Stollen eintritt, sondern nach dem kontrastierenden Teil B, also eine ABA-Form, die man auch dreiteilige Liedform nennt. Wenn solche Bogenform gar aus fünf oder sieben Teilen besteht, dann nennt der Wagner-Forscher Alfred Lorenz sie eine vollkommene Bogenform: also A B C D C B A.(144) Wie Lorenz in einem


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mehrbändigen Analyse-Werk nachweist, lassen die primär musikalischen Formbildungen sich bei Wagners Bühnenwerken auch im textlich-inhaltlichen Handlungsaufbau erkennen, wobei die Buchstaben jetzt für charakteristische Handlungsszenen und parallele Entsprechungen stehen. Ich will damit nicht sagen, daß Lorenz Einfluß auf Karl May gehabt habe (Lorenz hat in der Zeit von 1900 bis 1907 in Städten Thüringens zahlreiche öffentliche Vorträge über formale Schönheiten in der Architektonik der Wagner-Opern gehalten, seine Bücher sind erst nach Mays Tod erschienen). Nein, die Praxis solcher formalen Anlagen ist viel älter, sie läßt sich zum Beispiel in Bachs Oratorien und Motetten ablesen.

   Wenigstens e i n Beispiel solcher Formgestaltung soll bei May im Aufbau des Romans ›Der Oelprinz‹ nachgewiesen werden:

A: Beginn mit dem Auftritt der Auswanderer und der Finder-Bande
 B: Der Ölprinz und sein Geschäftspartner werden eingeführt
 C: Weiterreise der Auswanderer und Zusammenführung mit dem Ölprinzen
  D: Konflikt feindlicher Indianerstämme
   E: Betrug am Petroleumsee
  D’: Lösung des Indianerkonfliktes
 C’: Weiterreise und Konflikte mit Ölprinz und Bruder
 B’: Bestrafung des Ölprinzen und seines Bruders
A’: Die Auswanderer am Ziel(145)

Fassen wir hier zusammen, so ist festzustellen: auch fremde Opernbücher erweisen sich als ergiebige Quelle für Mays Phantasie und Gestaltung.


III.

Wir wollen zum Schluß kommen. Die heute vorgetragenen Untersuchungen sollen nicht erörtern, ob Karl May ein verhinderter Musiker war, wie unser Eingangszitat oder der Schlußsatz aus Finkes Abhandlung von 1925 vielleicht erwarten ließ. Mays musikalische Fähigkeiten befanden sich auf der Höhe eines Lehrerorganisten mit der sogenannten C-Prüfung. Seine Kompositionen verraten allesamt die Herkunft vom volksliedhaften Satz eines Friedrich Silcher (1789-1860), der das volkstümliche Singen im Sinne Pestalozzis förderte. So gesehen war Karl May in diesem Bereich der Musik unbedingt auf der Höhe seiner Zeit, so daß der Freiburger Kirchenmusikdirektor Kunibertas Dobrovolskis schreiben konnte: »Es gibt viele katholische Kirchenchöre, deren Repertoire an Marien- und Grabgesängen das Qualitätsniveau der (...) Chorlieder [nämlich Mays ›Vergiß mich nicht‹ und ›Ave Maria‹; H. K.] nicht erreicht.«(146) Wichtig scheint mir jedoch die Erkenntnis, welchen Stellenwert die Musik für Karl May hatte.


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   Karl May hat die Abspaltung seines Ichs, sein Alter ego, in seinen Figuren – oft in komischen – personifiziert: in Halef Omar, dessen Namen Walther Ilmer über das Wortspiel Halef = Kalif = Stellvertreter entschlüsselt hat,(147) in Clowns und Harlekinen, wie wir es von Heinz Stolte hörten, und eben auch in Musikern: im Kantor emeritus, im Krikelanton, im Wasserfex, im Lehrerorganisten Walther.

   Karl May benutzt die Musik in seinen Werken zur Selbstreflexion.

   Karl May beschreibt oft groteske Musikszenen. Indem wir die Schilderung Adolphe Adams von einer europäischen, aber unzulänglichen Musikdarbietung dagegenhielten, erwies sich einmal mehr, daß Karl May europäische Zustände in exotischem Gewand beschrieb.

   Karl May gewinnt mit Hilfe von Opernbüchern Sujets für seine eigenen Werke; und er baut die Architektur seiner Werke nach Prinzipien, die auch die architektonische Grundlage großer Musikwerke bilden.

   Für Karl May schließlich war die Musik in schwierigen Lebensabschnitten eine Brücke, die ihm über Abgründe hinweghalf: Musik war für ihn Therapie.

*

Die oft bissig schillernde Zeitschrift ›Der Spiegel‹ hat Karl May einst als einen »Säkularmenschen« apostrophiert.(148) Wiewohl dies natürlich ironisch gemeint war, so war Karl May doch – wie wir aus dem ersten Straftaten-Vortrag von Claus Roxin in Kassel 1971 wissen – ein »Beispiel für vieles«.(149) Und so wundern uns nicht die vielfältigen Fäden, die ihn in seinem Leben auch mit der Musik verbinden.

   Quod erat demonstrandum.

*



Für Informationen, Hilfestellungen und Anregungen danke ich Frau Hedwig Pauler und den Herren Wolfgang Hallmann, Heinz W. Hass, Ralf Harder, Hansotto Hatzig, Walther Ilmer, Dr. Harald Jenner, Dr. Christoph F. Lorenz, Lothar Schmid, Roland Schmid † und Dr. Hans Wollschläger.


1 Karl May: Wanda. In: Der Beobachter an der Elbe. 2. Jg. (1875), S. 544; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1974

2 Karl May: Ein Schundverlag. Ein Schundverlag und seine Helfershelfer. Prozeß-Schriften Bd. 2. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 279

3 Vgl. Max Finke: Karl May und die Musik. In: Karl-May-Jahrbuch (KMJB) 1925. Radebeul 1924, S. 39-63.

4 Ernste Klänge. Zwei Chorlieder von Karl May (›Vergiß mich nicht‹ und ›Ave Maria‹). Thomas-Kantorei Hellbrook und Kirchenchor Lohbrügge. Leitung Hartmut Kühne. Privatpressung bei Teldec. Nr. TST 77383. Hamburg 1972

5 Horst Felsinger: Karl Mays Kompositionen. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 12/1972, S. 14-17 – Claus Canisius: Karl Mays Ernste Klänge. In: M-KMG 18/1973, S. 30f. – Kunibertas Dobrovolskis: Karl May, etwas für Kirchenmusiker. In: Kirchenmusikalische Mitteilungen für die Erzdiözese Freiburg 8/1980, S. 7-13


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– Reinhard Jaehn: Therapie und ferne Erfüllung: Karl May und die Orgel. In: Ars Organi. Zeitschrift für das Orgelwesen. 38. Jg. (1990), Heft 1, S. 19-28

6 Finke, wie Anm. 3, S. 39f.

7 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 228; Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul

8 Ebd., S. 45, 48f.

9 Vgl. das von Jaehn, wie Anm. 5, S. 19, genannte Werk: Reinhard Vollhardt: Geschichte der Cantoren und Organisten von den Städten im Königreich Sachsen. Berlin 1899; Reprint Leipzig 1978.

10 Siehe Hainer Plauls Kommentar in May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 351f.* (Anm. 60); vgl. Finke, wie Anm. 3, S. 53.

11 Karl May's Gesammelte Werke Bd. 47: Professor Vitzliputzli. Radebeul 1927 (1. bis 15. Tsd.), S. 53 (Genaueres zu dieser Stelle aus ›In der Heimath‹ siehe unten bei Anm. 78.)

12 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 50

13 Jaehn, wie Anm. 5, S. 20

14 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 59-63

15 Ebd., S. 65f.

16 Fritz Prüfer: Die Zensuren des Schulamtskandidaten Karl May. In: KMJB 1925. Radebeul 1924, S. 26-38 (S. 38); Standort der Akten nachgewiesen in Plauls Kommentar in: May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 369* (Anm. 103)

17 Ausführliches und Quellennachweise bei Hermann Wohlgschaft: Große Karl-May-Biographie. Paderborn 1994, S. 73-81

18 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 113

19 Hainer Plaul: Auf fremden Pfaden? Eine erste Dokumentation über Mays Aufenthalt zwischen Ende 1862 und Ende 1864. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1971. Hamburg 1971, S. 144-64 (151)

20 Klaus Hoffmann: Zeitgenössisches über ein »unwürdiges Glied des Lehrerstandes«. Pressestimmen aus dem Königreich Sachsen 1864-1870. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 110-21 (110f.)

21 Plaul, wie Anm. 19, S. 157 – Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 115.

22 Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 127f.

23 Ebd., S. 170-175

24 Jaehn, wie Anm. 5, S. 22; May-Zitat aus: Karl May: Meine Beichte (2. Fassung 1908). Faksimile in: Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34: »Ich«. Bamberg 381992, S. 24

25 Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 185* und Kommentar, S. 39, (Anm. 169).

26 May: Ein Schundverlag, wie Anm. 2, S. 302f.

27 Ebd., S. 341 – Vgl. Karl May: Frau Pollmer – eine psychologische Studie. Prozeß-Schriften Bd. 1. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 14 (S. 837 des Manuskripts).

28 Klara May: Die Lieblingsschriftsteller Karl Mays. Mit Anmerkungen von Hans Wollschläger. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 149-55 (149)

29 Finke, wie Anm. 3, S. 58f.

30 Christian Heermann: Karl May, der Alte Dessauer und eine »alte Dessauerin«. Dessau 1990, S. 87

31 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. III: Von Bagdad nach Stambul. Freiburg 1892, S. 372

32 Karl May: Der Scheerenschleifer. In: Für alle Welt. 5. Jg. (1881), S. 74; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1977

33 Klara May/Wollschläger, wie Anm. 28, S. 154

34 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 119

35 Klaus Hoffmann: Karl May als »Räuberhauptmann« oder Die Verfolgung rund um die sächsische Erde. Karl Mays Straftaten und sein Aufenthalt 1868 bis 1870, 2. Teil. In: Jb-KMG 1975. Hamburg 1974, S. 243-75 (260f.)

36 Euchar Albrecht Schmid: Karl May und der »alte Dessauer«. In: KMJB 1918. Breslau 1918, S. 259f.


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37 Franz Kandolf/Adalbert Stütz/Max Baumann: Karl Mays Bücherei. In: KMJB 1931. Radebeul 1931, S. 212-91 (274)

38 Siehe Claus Roxin: »Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand«. Zum Bild Karl Mays in der Epoche seiner späten Reiseerzählungen. In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973. S. 15-73.

39 Reprint in: Christus oder Muhammed. Marienkalender-Geschichten von Karl May. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg 1979, S. 261

40 Karl May: Ernste Klänge. Heft I. Freiburg 1898; Reprint in: May: Christus oder Muhammed, wie Anm. 39, S. 262-68

41 Zit. nach Canisius, wie Anm. 5, S. 30

42 Finke, wie Anm. 3, S. 60

43 Vgl. Hans Wollschläger/Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 165-215 (193f.)

44 Finke, wie Anm. 3, S. 61

45 Jaehn, wie Anm. 5, S. 24

46 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXII: Ardistan und Dschinnistan II. Freiburg 1909, S. 183, 206

47 Jaehn, wie Anm. 5, S. 24

48 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IV: In den Schluchten des Balkan. Freiburg 1892, S. 373

49 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IX: Winnetou der Rote Gentleman III. Freiburg 1893, S. 281

50 Karl May: Deutsche Herzen, deutsche Helden. Dresden 1885-87, S. 4; Reprint Bamberg 1976

51 Karl May: Der Kiang-lu. In: Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XI: Am Stillen Ocean. Freiburg 1894, S. 82

52 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXII: Satan und Ischariot III. Freiburg 1897, S. 79

53 Karl May: Der Sohn des Bärenjägers. Stuttgart 1890, S. 415; Reprint Bamberg 1995

54 Ebd., S. 28

55 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. II Bd. 9: Die Liebe des Ulanen. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Bargfeld 1994, S. 227

56 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXX: Und Friede auf Erden! Freiburg 1904, S. 190

57 Karl May: Ein Oelbrand. In: Das Neue Universum. 4. Bd. (1882/83), S. 2; Reprint in: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 222

58 May: Wanda, wie Anm. 1, S. 700

59 Karl May: Der blau-rote Methusalem. Stuttgart 1892, S. 526; Reprint Bamberg-Braunschweig 1975

60 Karl May: Das Vermächtnis des Inka. Stuttgart 1895, S. 64; Reprint Bamberg-Braunschweig 1974

61 Siehe Herbert Meier: Vorwort. In: Karl May: Der Waldkönig. Erzählungen aus den Jahren 1879 und 1880. Hrsg. von Herbert Meier. Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1980, S. 11.

62 Vgl. Harold C. Schonberg: Die großen Dirigenten. München 1973, S. 62 (List-Taschenbuch).

63 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VIII: Winnetou der Rote Gentleman II. Freiburg 1893, S. 173

64 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. V: Durch das Land der Skipetaren. Freiburg 1892, S. 302ff., 340

65 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 209

66 Karl May: Der Amsenhändler. In: Münchmeyer's illustrirter Haus- und Familien-Kalender. 3. Jg. (1884), S. 5-11; Reprint in: Unter den Werbern. Seltene Originaltexte Bd. 2. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg 1986

67 Karl May: Der Scout. In: Deutscher Hausschatz. XV. Jg. (1888/89), S. 170; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg/Regensburg 1977

68 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VII: Winnetou der Rote Gentleman I. Freiburg 1893, S. 9


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69 Karl May: Im »wilden Westen« Nordamerika's. In: Feierstunden im häuslichem Kreise. 9. Jg. (1883), S. 135; Reprint in: Karl May: Winnetou's Tod. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1976; mit einigen Änderungen als Kap. 5-7 in: May: Winnetou III, wie Anm. 49

70 May: Im »wilden Westen«, wie Anm. 69, S. 167

71 Ebd., S. 169f.

72 Walther Killy: Deutscher Kitsch. Göttingen 1962, S. 98 – Zu dieser Erzählung von Winnetous Tod siehe auch: Martin Lowsky: Roß und Reiter nennen. Karl Mays ›conte philosophique‹ von Winnetous Tod. In: Karl Mays ›Winnetou‹. Studien zu einem Mythos. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Frankfurt a. M. 1989, S. 306-25; Heinz Stolte: »Stirb und werde!« Existentielle Grenzsituation als episches Motiv bei May. In: Jb-KMG 1990. Husum 1990, S. 51-70 (59); Andreas Graf: Der Verlag von Heinrich Theissing. Karl May und die katholische Publizistik. In: Jb-KMG 1995. Husum 1995, S. 93-118 (110-13).

73 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVIII: Im Reiche des silbernen Löwen III. Freiburg 1902, S. 268

74 Ebd., S. 534f.

75 Karl May: Und Friede auf Erden!, wie Anm. 56, S. 426

76 Karl May: Der Weg zum Glück. Dresden 1886-88, S. 336; Reprint Hildesheim-New York 1971

77 Vgl. Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. II Bd. 13: Die Liebe des Ulanen. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Bargfeld 1994, S. 2450ff.

78 Vgl. Karl May: In der Heimath, entstanden um 1891. Dieses Kapitel wurde für den Deutschen Hausschatz als Teil der Erzählung ›Krüger-Bei‹ (Karl May: Krüger-Bei. In: Deutscher Hausschatz. XXI. Jg. (1895)) – spätere Buchfassung: Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXI: Satan und Ischariot II. Freiburg 1897 – geschrieben. Der Originaltext ›In der Heimath‹ ist unveröffentlicht; die Handschrift, beginnend mit Seite 1679, befindet sich im Karl-May-Verlag, Bamberg. Sie wurde von Franz Kandolf umgearbeitet zu den beiden Erzählungen ›Professor Vitzliputzli‹ und ›Wenn sich zwei Herzen scheiden‹, enthalten in May: Professor Vitzliputzli, wie Anm. 11. Wir zitieren aus ›In der Heimath‹ nach einer in Sammlerkreisen kursierenden Abschrift.

79 May: Der Weg zum Glück, wie Anm. 76, S. 445

80 Hans Wollschläger: Karl May in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1965, S. 93-96; Neufassung: Karl May: Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976 u. ö., S. 116-18

81 Der »keineswegs aber der ›hinterletzte‹ der Trivialromane« ist, wie ich einmal erläutert habe – Hartmut Kühne: Karl May auf dem Weg zum Glück. In: M-KMG 14/1972, S. 4-8, und 15/1972 S. 11-13 (insbes. 13).

82 May: Im Reiche des silbernen Löwen III, wie Anm. 73, S. 566f.

83 Quellen zu Pollini: Hans-Günther Freitag: Von Mönckeberg bis Hagenbeck. Ein Wegweiser zu denkwürdigen Grabstätten auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Hamburg 21973, S. 188 (Hansa Verlag); J. E. Wenzel: Geschichte der Hamburger Oper 1678-1978. Hamburg 1978, S. 69ff. – zu Maikl: Ernst Leopold Stahl: Das Mannheimer Nationaltheater. Ein Jahrhundert deutscher Theaterkultur im Reich. Mannheim-Berlin-Leipzig 1929, S. 197; K. J. Kutsch/Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Bern/Stuttgart o. J.; Josef Kaut: Festspiele in Salzburg. München 1970 (dtv)

84 May: In der Heimath, wie Anm. 78, S. 1681

85 Euchar Albrecht Schmid: Die verfälschte Handschrift. In: KMJB 1926. Radebeul 1926, S. 245-56

86 May: In der Heimath, wie Anm. 78, S. 1689, 1842, 1777, 2110; vgl. May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 78, S. 235 (Dres›ner Doktor).

87 May: In der Heimath, wie Anm. 78, S. 1682

88 Ebd., S. 1882

89 Ebd., S. 1955 (Hervorhebung H. K.)

90 Ebd., S. 2116-36

91 Ebd., S. 2040


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92 Ebd., S. 1865

93 Ebd., S. 1877f.

94 Ebd., S. 1881f.

95 Ebd., S. 1890

96 Ebd., S. 1904

97 Ebd., S. 1959

98 Ebd., S. 1979

99 Ebd., S. 2127, 2130

100 Ebd., S. 1876

101 Ebd., S. 2036

102 Ebd., S. 1859

103 Ebd., S. 1876

104 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 200ff.

105 May: In der Heimath, wie Anm. 78, S. 1914

106 Etwa: May: Wanda, wie Anm. 1, S. 654

107 Karl May: Hinter den Mauern und andere Fragmente aus der Haftzeit. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 122-43 (135)

108 Karl May: Der Oelprinz. Stuttgart 1897, S. 133, 376; vgl. S. 42f.; Reprint Bamberg-Braunschweig 1974

109 Ebd., S. 40f. – Vgl. S. 225, ferner: Artikel ›Hampel, Matthäus Aurelius‹ in: Großes Karl May Figurenlexikon. Hrsg. von Bernhard Kosciuszko. Paderborn 1991, S. 216f.

110 May: Der Oelprinz, wie Anm. 108, S. 48

111 Ebd., S. 42f.

112 Ebd., S. 133, 517, 139

113 Ebd., S. 377

114 Ebd., S. 534 (vgl. oben Anm. 49)

115 Ebd., S. 42 (Hervorhebung H. K.)

116 Heinz Stolte: Die Affäre Stollberg. Ein denkwürdiges Ereignis im Leben Karl Mays. In: Jb-KMG 1976. Hamburg 1976, S. 171-90 (174); auch in: Heinz Stolte: Der schwierige Karl May. Husum 1989, S. 54-74 (57)

117 Zit. nach: Heinz Stolte: Narren, Clowns und Harlekine. Komik und Humor bei Karl May. In: Jb-KMG 1982. Husum 1982, S. 45; auch in: Stolte: Der schwierige Karl May, wie Anm. 116, S. 231-51 (237) – Vgl. Stoltes anschließende Überlegungen zur Figur Hampel.

118 May: Der Oelprinz, wie Anm. 108, S. 227 – Vgl. Georg Büchmann: Geflügelte Worte und Zitatenschatz. Hrsg. von Paul Dorpert. Zürich o. J., S. 64

119 May: Deutsche Herzen, deutsche Helden, wie Anm. 50, S. 5

120 Ebd., S. 6

121 Mitteilung von Lothar Schmid

122 Emil Vogel: Vorwort: In: Die Zauberflöte. Oper in zwei Akten von W. A. Mozart. Klavierauszug von Gustav F. Kogel. Leipzig o. J. (ca. 1916; C. F. Peters Ed. Nr. 7794) – Dr. Emil Vogel (1859–1908), Musikhistoriker, Bibliothekar der Musikbibliothek Peters in Leipzig

123 Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte (Oper). Introduktion bis Arie Nr. 3

124 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909, S. 56ff.

125 Kandolf/Stütz/Baumann, wie Anm. 37, S. 274 – Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Supplemente Bd. 2: Katalog der Bibliothek. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Bargfeld 1995, S. 76

126 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVI: Im Reiche des silbernen Löwen I. Freiburg 1898, S. 41

127 Hinweis von Dr. Harald Jenner

128 Felsinger, wie Anm. 5, S. 16

129 May: Die Liebe des Ulanen, wie Anm. 55, S. 16

130 Kandolf/Stütz/Baumann, wie Anm. 37, S. 274, 267 – Katalog der Bibliothek, wie Anm. 125, S. 77


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131 Ernst Bloch: Musik als utopischer Augenblick. Funk-Essay für die Sendereihe ›Meine Schallplatte‹ des Norddeutschen Rundfunks. Erstsendung am 11. 11. 1974

132 Carl Zuckmayer: Werkausgabe in zehn Bänden. Frankfurt a. M. 1976, Bd. I: Als wär's ein Stück von mir, S. 302f. – Vgl. Gert Ueding: Bloch liest Karl May. In: Jb-KMG 1991. Husum 1991, S. 124-47.

133 Hartmut Kühne: Mozart – Mörike – May. In: M-KMG 71/1987, S. 46

134 Karl May: Der schwarze Mustang. Stuttgart 1899, S. 231; Karl May: Das Buch der Liebe. (1. Abt.). Dresden o. J. (1876), S. 44; In: Karl May: Das Buch der Liebe. Bd. 1. Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Regensburg 1988 (»Gieb mir die Hand, mein Leben ...«) – Siehe dazu: Hedwig Pauler: Deutscher Herzen Liederkranz. Teil II. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft (S-KMG) Nr. 60/1985, S. 75; Teil III. S-KMG Nr. 99/1993, S. 16.

135 May: In der Heimath, wie Anm. 78, S. 1876ff. – Durch eine Äußerung Dr. Christoph F. Lorenz’ hellhörig gemacht, daß das Anfangsmotiv des Ständchens ›Deine hellen klaren Augen‹, das er während des Segeberger Musikvortrages kennenlernte, möglicherweise auch bei Mozart vorkomme, fiel mir die Cavatine der Gräfin ein, die den zweiten Akt von Mozarts ›Figaros Hochzeit‹ eröffnet. Die Ähnlichkeit ist auffallend. Womöglich hatte also ein Kenner nach Einsicht in die May-Partitur geäußert: ›Das ist ja vom Mozart‹ und damit ein Handlungsmotiv für ›In der Heimath‹ geliefert.

136 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 59 (Vgl. Plauls Kommentar S. 354f.*)

137 May: Der Sohn des Bärenjägers, wie Anm. 53, S. 340; May: Der Oelprinz, wie Anm. 108, S. 139

138 May: Der schwarze Mustang, wie Anm. 134, S. 231 – Vgl. Pauler: Liederkranz III, wie Anm. 134, S. 50.

139 May: Der Oelprinz, wie Anm. 108, S. 517

140 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XX: Satan und Ischariot I. Freiburg 1897, S. 24

141 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. I: Durch Wüste und Harem. Freiburg 1892, S. 100

142 Doré-Bibel. Auszüge aus dem Alten und Neuen Testament mit 230 Illustrationen von Gustave Doré. München 1995; Dante: Die Göttliche Kommödie. Mit 136 Illustrationen von Gustave Doré. München 1995

143 Mitteilung von Lothar Schmid

144 Alfred Lorenz: Das Geheimnis der Form bei Richard Wagner. 1. Band. Der Ring des Nibelungen. Berlin 1924, S. 86, 91, 103

145 Vgl. Hartmut Kühne: Werkartikel ›Der Oelprinz‹. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 355-60 (358).

146 Dobrovolskis, wie Anm. 5, S. 13

147 Walther Ilmer: Karl May. Mensch und Schriftsteller – Tragik und Triumph. Husum 1992, S. 84f.

148 Der Spiegel. 16. Jg. (1962), Nr. 37, S. 65 – Siehe dazu: Anonym (Karl May): »Karl May als Erzieher« und »Die Wahrheit über Karl May« oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser. Freiburg 1902, S. 73; Reprint Ubstadt 1974 (Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 1)

149 Claus Roxin: Vorläufige Bemerkungen über die Straftaten Karl Mays. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 74-109 (102)


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