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HELMUT LIEBLANG

»Der Inhaber dieses Buiruldu ...«
Alfred Edmund Brehms Orient
in Karl Mays Frühwerk

»Das Studium gewisser
Folianten ist oft mit
Unbequemlichkeiten
verbunden ...«
(1)

»Am 18. März erhielt ich einen Brief vom Dr. R e i t z aus Alexandrien nebst dem seit Langem ersehnten F i r m a h n der egyptischen Regierung. Er war in türkischer Sprache auf dickes pergamentartiges Papier geschrieben und auf den Namen des Baron M ü l l e r ausgestellt. Ueber der Schrift war das große Siegel des Vizekönigs nach türkischer Manier mit arabischer Schreibschwärze vorgedruckt. Die mir vom österreichischen Generalkonsulate mitgetheilte deutsche Uebersetzung lautete, wie folgt:

(L. S.)

Der Inhaber dieses Buiruldu ist ein Edelmann von Würtemberg, Herr Müller, der mit seinen sechs Begleitern jetzt nach dem Belled Sudahn zu reisen beabsichtigt.

   Ueberall, wo er hin- und zurückgeht, soll Niemand ihm ein Hinderniß in den Weg legen. Und wenn er auf dem weißen Flusse reiset, so soll er unbehindert sein. Alles, was er zum Transport brauchen wird, als Barken, Lastthiere, soll man ihm gegen Entgelt verabfolgen. Wenn er die Grenzen (meines Reichs) passiren will, so muß man es ihm gestatten.

   Da dieser Reisende wissenschaftliche Zwecke verfolgt, so darf er an den Mauthlinien durch Untersuchung seiner Effekten nicht belästigt werden.

   Solches hat der österreichische Generalkonsul vorgestellt.

   Dem genannten Reisenden mit seinen Gefährten sei es darum erlaubt, auf seiner Reise überall hin- und zurückzugehen. Ueberall soll man ihn schützen u n d i h m E h r e w i d e r f a h r e n l a s s e n und – wie hier geschrieben – Niemand soll ihm ein Hinderniß auf seiner Reise in den Weg legen.

   Zu diesem Ende ist ihm dieser unser Buiruldu eingehändigt worden, damit Alle, die ihn sehen, genau nach seinem Inhalte handeln.

   Im Jahre 1265 den 13. Rabi-ahchir (am 6. März 1849).

Mit diesem Buiruldu oder Firmahn in der Hand konnten wir den türkischen Behörden gegenüber mit einer gewissen Würde und mit weit größerer Energie als früher auftreten. Der türkische Soldat, Aali, welcher von uns aus Berber mitgenommen und willkürlich zum A r h a


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erhoben worden war, hatte ihn von nun an bei unserer Ankunft in einem Orte dem Befehlshaber zu präsentiren; er wurde mit sauberer und anständiger Kleidung ausgestattet, erhielt ein Paar mit Silber beschlagene Pistolen und vermehrte durch sein oft wirklich unverschämtes Auftreten unser Ansehen bei seinen Landsleuten. Es imponirte den Türken, wenn ich, statt selbst zu erscheinen, vornehm nur meinen Khawahs in den Diwahn schickte, um von ihm meine Angelegenheiten besorgen zu lassen. Aali-Arha war ganz zu diesem Geschäfte geeignet und ein treuer, ehrlicher, mir von ganzer Seele ergebener Diener.«(2)

   Siebenundzwanzig Jahre später, 1876, läßt ein anderer Herr in der Erzählung ›Leïlet‹(3) den türkischen Behörden seinen ›Buiruldu‹ durch seinen Diener Omar-Arha präsentieren und kann auf diese Weise sich und seinen Diener aus einer mißlichen Lage befreien:

Jetzt erhob ich mich.

   »Laß die Diener Deiner hohen Gerechtigkeit noch ein Wenig verziehen, o Bimbaschi, und wirf den Blick Deines erleuchteten Auges auf diese Schrift!«

   Ich winkte Omar und ließ durch ihn den Fermahn überreichen.

   »Was soll's mit diesem Schreiben?«

   »Ich fordere, daß Du die ersten Worte desselben laut vorliesest oder durch Deinen Sahbeth-Effendi vorlesen lässest!«

   Er gab das Pergamentpapier seinem Secretair, und dieser las:

   »Der Inhaber dieses Buiruldu ist der Kapitän-Effendi N. N. aus N., der auf Befehl seines Königs in Egypten, Nubien und Habesch reist –«

   »Halt, jetzt weißt Du, wer ich bin, und nun befiehl Deinem Diener, die letzten Zeilen zu lesen!«

   Es geschah.

   »Es ist ihm alle Ehre zu erweisen; man soll ihm Schutz und Hülfe geben und seine Wünsche so erfüllen, daß er bei seiner Rückkehr uns nur Gutes von unserem Lande erzählen kann!« (Leïlet 42)

Der Ich-Erzähler, der hier seinen ›Buiruldu‹ aus den Effekten des späteren ›Tiervaters‹ Brehm hervorzieht, ist ein noch namenloser Held, ›Nomen Nominandum‹. Später wird er sich einen Namen machen und als Kara Ben Nemsi(4) den Orient bereisen, in steter Begleitung eines treuen, ehrlichen, ihm von ganzer Seele ergebenen Dieners. Diese in Mays Werk einzigartige Protagonisten-Kombination von Herr und Diener (mehr als Freund denn als Diener(5)) hat ihren Ursprung in den Reiseskizzen Brehms.

   Schon früher ist auf Brehm als Quelle Karl Mays hingewiesen worden.(6) Zuletzt beschäftigte sich Wolfgang Hammer mit den Quellen zu Mays erster Orient-Erzählung ›Leïlet‹, wobei er auch insbesondere die Beziehung May-Brehm ansprach.(7) Diese Arbeit bedarf jedoch weiterer Erörterung und Ergänzung, weil einige Fragen offen blieben und dank der besonderen Vorgehensweise des Autors nicht geklärt wurden. So sei an dieser Stelle die Frage erlaubt, ob es bei einer Quellenstudie, wie


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Hammer sie vorlegt, denn nicht unabdingbar sei, sich auch mit der ›wirklichen‹ Quelle auseinanderzusetzen, und nicht, wie im betreffenden Fall, einen bearbeiteten und gekürzten Nachdruck zur Grundlage der Untersuchung zu machen. Wir haben ja unsere Erfahrungen mit ›bearbeiteten und von allen Weitschweifigkeiten befreiten‹ Werken. Würde diese Vorgehensweise nicht auch bedeuten, daß auch die ›grünen Bände‹ des Karl-May-Verlages bei einer Quellenuntersuchung ausreichen würden? Es kann doch nicht genügen, gekürzte Neudrucke zur Hand zu nehmen auf der Suche nach Motiven, die sich natürlich in der einen oder anderen Form überall in der zeitgenössischen Literatur – seien es Reisebeschreibungen oder Werke belletristischer Art – mühelos finden lassen. Bearbeitete Neuausgaben, wie z. B. die der ›Edition Erdmann‹, die Hammer seinem Aufsatz zugrunde legt, um die Abhängigkeit Mays von Brehm darzulegen, können nur eine erste Annäherung an das Objekt bedeuten, erste Hinweise geben, inwieweit May das Werk eines anderen für seine Zwecke benutzt hat. Der zweite und entscheidende Schritt muß dann der sein, sich das entsprechende Original vor Augen zu führen, um Karl May und auch seiner Quelle gerecht werden zu können. Im Falle von Brehms ›Reiseskizzen‹ stellt das eigentlich kein Problem dar – der Leihverkehr der deutschen Bibliotheken ist durchaus in der Lage, das Buch zu besorgen. Das alles ist nicht geschehen, und deshalb sind eine Reihe interessanter und wichtiger Aspekte und Details unbeachtet geblieben. Darum soll hier noch einmal auf die Bedeutung Brehms für Karl Mays Orient eingegangen werden.

   Darüber hinaus muß grundsätzlich festgestellt werden: Ob May Motive anderer Autoren übernommen und für sich fruchtbar gemacht hat, bleibt solange Spekulation – und die muß als solche auch kenntlich gemacht werden –, solange keine wörtliche oder paraphrasierende Übernahme von Textstellen gesichert ist. Um die Möglichkeit einer Motivübernahme zur Wahrscheinlichkeit oder – mehr noch – zur Sicherheit werden zu lassen, braucht es etwas mehr als eine vordergründige Ähnlichkeit oder Gleichheit von Motiven, deren Anzahl ohnehin in dem Genre, in dem May schreibt, relativ begrenzt ist. Das von Hammer bemühte ›Bruder-Motiv‹ beispielsweise ist ein gängiger Topos des Sturm und Drang und findet sich nicht nur in einer entlegenen Erzählung Schillers. Und überhaupt findet sich ohnehin alles und noch viel mehr in der Bibel ...

   Doch zurück zu Brehm: Um es vorweg zu sagen, ohne Brehms ›Reiseskizzen‹ hätte Mays Einstieg in den Orient als einem der wichtigsten Handlungsräume(8) seiner Reiseerzählungen mit ziemlicher Sicherheit völlig anders ausgesehen: und nicht nur der Einstieg, sondern auch die sich daraus ergebenden späteren Exotica seiner orientalischen Abenteuer. Neben fremdsprachlichen Ausdrücken(9) sind es vor allem Standardrequisiten wie z. B. die Jagd auf den Herdenwürger, der in der Wü-


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ste unvermeidliche el Büdj, der mächtige Bartgeier, die Bastonnade und schließlich die Person des Ich-Erzählers selbst, die May mit Merkmalen seines Gewährsmannes Brehm ausstattet, der wohl – zumindest was seine ›Reiseskizzen‹ betrifft – in mancher Hinsicht dem Wunsch-Ich Karl Mays entsprach. Charakteristische Züge Brehms führen schließlich zu Kara Ben Nemsi, Mays Über-Ich, einem Rollen-Konglomerat aus Merkmalen realer Personen, die May seiner jeweiligen Vorlage entnahm (z. B. der ›Löwentöter‹ aus Gérard,(10) der ›Fährtenleser‹ aus d'Escayrac(11)), seinem geträumten Ich (der Erfolgreiche, der Unbesiegbare, der Polyglotte, der Abenteurer, der Globetrotter, der Lehrer und Missionar usw.(12)) und seiner selbst (deutscher Bücherschreiber und sächsischer Poet, auch Hochstapler und Aufschneider). Ein halbfiktionaler Charakter, eine Kunstfigur, die sozusagen mit einem Bein auf der Erde steht, das andere aber hoch in die Lüfte schwingt, um den Pegasus zu besteigen: Kara Ben Nemsi resp. Old Shatterhand und weitere Alter egos als Ergebnis einer Interaktion zwischen in verschiedenen Quellen Vorgefundenem und eigenem Erleben des Autors, ein Zusammenbringen von Äußerem (von anderen) und Innerem (von sich selbst) in fernen geographischen Räumen und exotischen Fernträumen.


1. Bei Djebeli und Mokka – ein Herr und sein Diener

Es war um die Zeit, in welcher die egyptische Sonne ihre Strahlen mit der gesteigertsten Gluth auf die lechzende Erde sendet und Jeder, den nicht die Noth hinaus unter den freien Himmel treibt, sich unter den Schutz seines Daches zurückzieht und nach der möglichsten Ruhe und Kühlung strebt. Auch ich lag auf dem weichen Divan meiner gemietheten Wohnung, schlürfte würzigen Mokka und schwelgte in dem Dufte des köstlichen Djebeli, welcher meiner Pfeife entströmte. Die starken, fast fensterlosen Mauern boten dem Sonnenbrande einigen Einhalt, und die aufgestellten porösen Gefäße, durch deren Wände das Nilwasser verdunstete, machten die Atmosphäre so erträglich, daß ich von der gewöhnlichen Abspannung des Menschen während der Mittagszeit wenig oder gar nichts bemerkte. (Leïlet 7)

So taucht schon am Anfang seiner ersten Orient-Erzählung hinter dem Ich-Erzähler das Ich des Schriftstellers May selbst auf, der sich zurückzieht ins Dunkel hinter die starken, fast fensterlosen Mauern, die Außenwelt ausschließt und von der gewöhnlichen Abspannung des Menschen ... wenig oder gar nichts bemerkt, sich eine erträgliche Atmosphäre schafft, um zu schreiben: Es ist bekannt, daß May hauptsächlich nachts arbeitete und während des Schreibens Mengen von Kaffee und Zigarren konsumierte. Andererseits weisen die fast fensterlosen Mauern natürlich auch auf Mays Haftzeit zurück, die den ›Traum des Gefangenen‹ beherbergen, der sich auf den Kontinent Fernweh träumt; wobei die porösen, also durchlässigen Gefäße eine ganz eigen-


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artige Metapher für den Freiflug der Phantasie, für das Durchbrechen dieser Mauern darstellen. Wir haben es hier also mit einer Spiegelung von Mays eigener Realität zu tun, die er mit Hilfe Brehms in orientalischen Farben abbildet, ein Szenarium, das immer wieder in Mays Orienterzählungen erwähnt und beschrieben wird:

(...) die Diener bringen für jeden Gast eine mit dem köstlichen Djebeli**) [**Die beste Sorte des syrischen Tabaks, welche von dem Dorfe D j e b e l i ihren Namen führt.] gestopfte Pfeife und ziehen sich noch einmal auf kurze Zeit zurück, um den Kaffe zu besorgen. Im Diwahn beginnt die Unterhaltung von Neuem (...) (Brehm I, 342)

   Duftiger D j e b e l i und köstlicher M o c h a versetzten uns bald vollends in die köstlichste Laune der Welt. (Brehm I, 369)

   Der Kaffe kommt aus Abyssinien und steht bezüglich seiner Güte dem ächten M o c h a (oft ›M o k k a‹ geschrieben) nicht oder nur wenig nach. (Brehm I, 200)

   Im Anfange des November saßen wir im Diwahn S a u e r's zusammen und schlürften den Rauch des köstlichen Krautes D j e b e l i. (Brehm III, 318)

An dieser Stelle sei vermerkt, daß die orientalische Zeremonie des Mokka-Trinkens und Tabak-Rauchens auch von anderen zeitgenössischen Schriftstellern beschrieben wird. So widmet Helmuth von Moltke Tschibuk und Nargileh einen ganzen Abschnitt in seinem Buch über die Türkei und stellt abschließend fest: »Ein solcher Nargileh, ein schattiger Baum, eine plätschernde Fontaine und eine Tasse Kaffee sind Alles, was der Türke bedarf, um sich 10 bis 12 Stunden des Tages köstlich zu unterhalten.«(13) Heinrich von Maltzan schreibt von seiner Tunisreise: »Erst mußte er auf einem improvisirten Divan mit untergeschlagenen Beinen mit aller Würde und Gemächlichkeit Platz genommen, erst ein Täßchen Mokka geschlürft und einige Züge Dschebeli-Tabaks geraucht und die Dampfwolken in harmonischen Spiralen zur Zeltesdecke hinauf geblasen haben. Dann erst gestattete sein Decorum ein Eingehen auf meine von stürmischer Neugierde eingegebenen Fragen (...)«.(14) Bei ungenauer Kenntnis der ›Reiseskizzen‹ Brehms könnte man dies schlicht für Quellen Karl Mays halten.

   In dieser kleinen Szene zeigt sich schon ein Prinzip Mayschen Schaffens: das Arrangieren realer Exotica zum Schauplatz des ›Ich‹, das Herbei-Schaffen von aus der Realität anderer stammenden Bausteinen zur Umgestaltung und Verkleidung des mundus(15) Saxonicus. May selbst schreibt dazu: Ich hatte meine Sujets aus meinem eigenen Leben, aus dem Leben meiner Umgebung, meiner Heimat zu nehmen und konnte darum stets der Wahrheit gemäß behaupten, daß Alles, was ich erzähle, Selbsterlebtes und Miterlebtes sei. Aber ich mußte diese Sujets hinaus in ferne Länder und zu fernen Völkern versetzen, um ihnen diejenige Wirkung zu verleihen, die sie in der heimatlichen Kleidung nicht besitzen.(16)

   Neben den Reflexionen des gespiegelten ›Ich‹ finden sich bei Brehm


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auch Fragmente des geträumten ›Ich‹, die der Erzähler übernimmt und mit denen er später auch die Figur des Kara Ben Nemsi/Old Shatterhand ausstattet.


1.1 Anrede des Helden

May

»... Ein Sihdi (Herr), vor dem sich der Fellah fürchtet und der Türke zittert ...« (Leïlet 7)

»Und ist es wirklich war, Sihdi* [*Herr.], daß du ein Giaur bleiben willst ...«(17)

Brehm

**) Ja radjel, ›o Mann‹, ist die gewöhnliche Anrede an niedere Leute, die man nicht mit Namen kennt. Zu Vornehmeren sagt man: ›Ja sihdi‹, ›mein Herr‹. (II, 220)

»Gott erhalte Deine Rede, Sihdi,« ertönte die Antwort; »aber ich muß Deinen Effendi, den großen Arzt aus Frankhistan sehen ...« (Leïlet 7) C h a l i h l war mein arabischer Name und bedeutet wörtlich ›Gottesfreund‹. Später, als ich etwas schreiben und lesen konnte, setzte man E f f e n d i dazu, denn unter Effendi versteht man einen gebildeten Mann. Dieser wurde ich aber erst dadurch, daß ich arabisch gebildet wurde. (II, 220)
»Effendi, Effendina, ich beschwöre Dich ...« (Leïlet 72)

»Ich kenne sie [die Schrift, i. e. Firmahn], Effendina!« antwortete er mit einer dreimaligen und so tiefen Verneigung, als stehe er vor seiner Unüberwindlichkeit, dem Großherrn selbst. (Leïlet 27)

(...) ehrt den Gouverneur der Provinz und nennt ihn nie anders als ›E f f e n d i n a‹ - unsere Herrlichkeit (...) (I, 302)
»Was? Den Effendi el kebihr, den großen Herrn und Meister willst Du stören ...« (Leïlet 7) (...) Ansehen des Siegels ›E f f e n d i  k e b i h r‹ oder des Vizekönigs auf meinem Firmahn (...) (III, 285)

Interessant ist, daß sich die Anrede des Ich-Erzählers vom einfachen ›Herr‹ bis zum ›Effendi el kebihr‹, dem Vizekönig, steigert. Betont wird diese Tatsache noch durch die Formulierung als stehe er vor ... dem Großherrn selbst. Er ist auf Befehl seines Königs (Leïlet 42) auf Reisen. Der Ich-Erzähler als Stellvertreter seiner Majestät des Autoren-Ichs? Eine Vorstellung, die recht gut zu Karl May passen würde. Der Ich-Erzähler hat (noch) keinen Namen, sondern nur einen Titel: der Kapitän-Effendi N. N. aus N. (ebd.). Womöglich eine volksetymologisch von May aus Hauffs Kapudan-Bassa gebildete Form, obwohl dieser bei ihm der Antagonist ist. Das dem Mayleser geläufige Sihdi bleibt in ›Leïlet‹ noch dem Diener des Protagonisten vorbehalten, entsprechend Brehms Darstellung: »Der ärmste  S a k h a  (Wasserträger) wird von


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dem Andern mit ›Ja sihdi,‹ mein Herr, angeredet (...)« (Brehm II, 47). Erst in den folgenden Erzählungen wird diese Anrede auf den Ich-Erzähler angewendet, wobei wohl Brehms zweite Aussage zugrunde liegt: »Zu Vornehmeren sagt man: ›Ja sihdi‹, ›mein Herr‹.« (Brehm II, 220)


1.2 Reisemotive

»... aber Alles, was er besaß, seine Habe, seine kostbaren Sammlungen, mußte er verloren geben ...« (Leïlet 72)

»Der Hauptzweck meiner Wanderungen waren natürlich die Studien.«(18)

(...) beschloß ich, einen großen Theil meiner Sammlungen durch die nubische Wüste nach  K o r o s k o  zu schicken. (Brehm III, 285)

Die Motive des reisenden Ichs entsprechen hier noch deutlich denen der bekannten wirklichen Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts wie z. B. Heinrich Barth, Gerhard Rohlfs, Gustav Nachtigal und eben auch Alfred Brehm und kommen dem Traum des Autors von sich selbst wohl recht nahe. Konterkariert wird dieser Typ in späteren Erzählungen durch Figuren wie den Vogelkundler Dr. Ignatius Pfotenhauer in ›Die Sklavenkarawane‹ und den Paläontologen Dr. Morgenstern in ›Das Vermächtnis des Inka‹.

1.3 Qualitäten und Verhaltensweisen des ›Ich‹:

May

... in der Hand aber die unvermeidliche Nilpeitsche, das beste Mittel, sich unter der dortigen Bevölkerung Achtung und Berücksichtigung zu verschaffen. (Leïlet 8; May hat hier ein ›Heldenattribut‹ auf den Diener übertragen, denn die Beschreibung bezieht sich auf Omar-Arha.)

»So wisse: Wenn ich mit Dir zufrieden bin, wird meine Gnade über Euch leuchten; thut Ihr aber gegen meinen Willen, so werden Eure Füße den Zorn der Peitsche fühlen.«

Ich kannte diese Leute und wußte mit ihnen umzugehen. (Leïlet 39)

»Was soll ich, Sihdi?« fragte er freundlich, wie ein Hund, welcher weiß, daß er

Brehm

Gegen die oft die Grenzen himmlischer Geduld - und diese besaß ich nie - übersteigenden Anmaßungen der Erwachsenen halfen mir gemeiniglich einige Hiebe mit dem unübertrefflichen Dolmetscher meiner Entrüstung, der aus der Haut des Hippopotamus geschnittenen Peitsche, kurzweg ›Nilpeitsche‹ genannt. (I, 70f.)


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gerufen wird, um Prügel zu bekommen, und dabei doch mit dem Schwanze wedelt.

»Die Kurbatsch solltest du bekommen, die Nilhautpeitsche! Weißt du, warum?«(19)

Ungefähr vier deutsche Meilen von Bara übersteigt die Straße einen niederen Bergrücken, den  D j e b e l  e l  K u r b a t s c h, zu Deutsch ›Berg der Reitpeitsche‹ (...) (I, 299)
Old Shatterhand hielt ihn trotzdem mit der Linken fest, entriß ihm mit einem schnellen Griffe seiner rechten Hand das Messer und wiederholte: »Du bleibst! ... Ein Versuch zur Flucht bringt dir eine Kugel in den Kopf!«(20) Ich verbiete den Matrosen bei Todesstrafe, das Schiff zu verlassen, und schwöre ihnen zu, dem Ersten, der sich entfernen würde, eine Kugel durch den Kopf zu jagen, was ich, wie sie wohl wissen, gewiß auch thun werde. (III, 306)
Er hatte mich als einen Europäer erkannt. Der Morgenländer hält jeden Franken, der ein Gewehr trägt, für einen ausgezeichneten Schützen und hat Respect vor ihm, denn er weiß, daß der Franke den Muth besitzt, jedem wilden Thiere ganz allein entgegen zu treten.(21) Abends wurde noch ein Fackelzug angeordnet, bei dem ich mich durch einige Schüsse sehr in Gunst setzte. »Sieh, Herr, die herrliche Fanthasïe, schieße nur noch einmal!«, bat das Volk. Ich willfahrtete dem Begehr und erntete allgemeine Zufriedenheit. (II, 225)


2. Mays Tierleben

Ganz folgerichtig bedient sich May aus dem Fundus von ›Tiervater‹ Brehm. Tiere bzw. Tiernamen, die in Mays frühen Orienterzählungen und teils auch später vorkommen, dienen bis auf wenige Ausnahmen nur als Staffage und finden lediglich in stereotypen Wendungen Erwähnung. Der Würgfalke hat seinen einmaligen Auftritt in ›Leïlet‹, wobei May ihn ein wenig aus der Art schlagen läßt und ihn mit dem Fischadler kreuzt: ... als ich mit meinem Rohre jetzt einen ziemlich entfernten Würgfalken, welcher fischend über das Wasser zog, herunterholte ... (Leïlet 40). Brehms Beschreibung weicht davon ab:

Kaiseradler und Schreiadler, Wanderfalken, Würg- und andere südländische Edelfalken suchen sich selbstverständlich dergleichen beutereiche Orte auf und fangen sich mit leichter Mühe ihre tägliche Nahrung (...) Unbeweglich sitzt der Seeadler (Haliaëtos albicilla) hier und da am Strande; Groß und Klein scheut die Nähe des gefürchteten Räubers, ganz im Gegensatze zu dem starkklauigen Fischadler (Pandion haliaëtos), welcher oft mitten unter den Enten sitzt. Diese kennen ihn als bloßen Fischjäger und lassen ihn, ohne Furcht zu zeigen, fußhoch über sich hinwegstreichen. Sie wissen recht wohl, daß sie ihre furchtbarsten Feinde nur in den Edelfalken haben. (Brehm II, 200)

Man darf annehmen, daß May den Würgfalken einmal wegen seines abenteuerlichen Namens gewählt hat und zum andern wohl wegen des namentlichen Anklanges an den Hedjahn-Bei, den ›Karawanenwür-


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ger‹; denn als der Ich-Erzähler den Würgfalken herunterholt, wird er gerade von Abrahim-Arha bei der Flucht mit Leïlet auf dem Nil verfolgt. Man könnte die Stelle als eine vorausweisende Metapher für die ›Erlegung‹ des ehemaligen ›Karawanenwürgers‹ deuten.

   Wohl ihres poetischen Klanges wegen steigt in der ›Gum‹ kurz eine andere Vogelart auf – ... einige durch die dünne Luft schießende Schwalben, welche der poetische Araber ›Thiuhr el Djinne, Vögel des Paradieses‹ nennt, bestätigten uns das Nahen der abendlichen Ruhezeit.(22) –, um dann in ›Sokna‹ wieder abzustürzen: ... ich fiel nur langsam in einen unruhigen Schlummer, welcher mir ... die Geisterburg mit el Büdj, dem gewaltigen Bartgeier und den todt aus der Luft herabstürzenden Thiuhr el Djinne in wirrem Durcheinander vorführte.(23) Die betreffende Stelle liest sich bei Brehm so: »Jedes Dorf beherbergt Schaaren der überall, nur in Italien nicht geschonten S c h w a l b e n, jener von guten Menschen immer gern gesehenen Vögel, welche die Araber ›Thiuhr el djinne‹ (Vögel des Paradieses) nennen, weil sie neben dem flammenden Schwerte des Cherub vorbeihuschten, um dem aus dem Eden verstoßenen Menschen zu folgen.« (Brehm II, 198)

   Der schon zitierte Bartgeier hingegen schwebt auch noch in Mays späteren Orienterzählungen durch die Lüfte: »El Büdsch ist der arabische Name für den großen Bartgeier,« erklärte Steinbach. »Ein Geier hier mitten in der Wüste. Da muß es irgend ein Aas geben.«(24) Ihm kommt eine besondere Bedeutung zu, auch wenn er fast immer in gleichen Wendungen (el Büdj, der gewaltige Bartgeier / der große Bartgeier) beschrieben wird. So bemerkt Hans Wollschläger zu Mays später Reiseerzählung ›Am Jenseits‹: »Die Erinnerung, Grundcharakter aller noch so diffusen Schwebungen der Unter-Handlung, dringt auch an die Oberflächen vor: das Werk selbst, das lange entwickelte, sieht auf seine Anfänge zurück (...) auch da el Büdsch als Signal des Umschlags in Drama.«(25) Der Bartgeier markiert den Wendepunkt zur Verfolgung, die vorher ›ziellos‹ reitenden Abenteurer erblicken den Wegweiser zum Ziel der Erzählung – der Bestrafung der Mörder, und die entspricht meist dem Schicksal ihrer Opfer, dem Tod. Und so erweist sich der ›Vogel des Todes‹, der über dem Opfer schwebt, gleichsam als Menetekel für den Täter. Der Kreis schließt sich. Glücklicherweise vermerkt Brehm als eine der wenigen Ausnahmen bei den Vögeln hierzu eine arabische Bezeichnung:

Im Osten Egyptens, wo sich die Kalkberge des Nilthales allmählig in die Sandsteingebirge und Granitmassen der Küsten des rothen Meeres verlieren und letztere, der alpinen Gebirgswelt angehörend, sich bis zu 5800 pariser Fuß über den Meeresspiegel erheben, da kreist hoch in den Lüften der gewaltige südliche Bartgeier (Gypaëtos meridionalis) – von den Beduinen Arabiens nach seinem Geschrei ›el Büdj‹ genannt (...) (Brehm I, 118f.)


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May verwendet die Schreibweise Brehms bis zum 1. Band der Gesammelten Reiseromane, ›Durch Wüste und Harem‹, danach ändert er die Schreibweise in el Büdsch, womöglich einer anderen Information folgend oder aber einer Erinnerungstäuschung wegen. Daß er zusätzlich zu den ›Reiseskizzen‹ Brehms eine weitere Vorlage benutzt hat, zeigt eine Stelle in ›Am Jenseits‹: »... Da, schau empor, Sihdi! Siehst du die beiden Nusura**)?« [**Plural von Nisr = Geier.] ... – »... Uebrigens hast du dich in diesen Vögeln geirrt; es sind keine Nusura. Unter Nisr versteht man den weißköpfigen Geier; aber der mit seinem Weibchen da über uns schwebt, ist ein Bartgeier, el Büdsch genannt. Man sieht ihn häufiger in Aegypten und den Moghrebländern; hier aber ist er sehr selten ...«.(26)

   Unter anderen Vierfüßlern sind auch die Transporteure des Abenteuers, die unvermeidlichen Kamele, aus dem Tiergarten Brehms hervorgegangen: el Djemmel erscheint erstmals in ›Leïlet‹, interessanterweise in seiner menschlichen Abart: »Warum stehst Du da, Djemmel, Kameel, und wunderst Dich? ...« (Leïlet 27). Im übrigen eine Erfindung Mays, denn für einen Araber ist ›Kamel‹ kein Schimpfwort. In den folgenden Erzählungen tritt allerdings auch die tierische Variante auf, ebenso wie der ›Chef der Kamele‹, der Karawanenführer, der den Fremdling durch die Wüste geleitet:

May

Der alte Schech el Djemali, wie der Aelteste der Kameeltreiber genannt wird ...(27)

Ich ritt an der Spitze der Karawane neben dem Schech el Djemahli (Djemmel = Kameel), welcher mir von den Gefahren der Wüstenreise erzählte, weil er mich, allerdings mit einigem Rechte, für einen Rhassihm, für einen Neuling hielt.(28)

»Du bist rhaschihm, fremd unter den Kindern der Wüste?«(29)

Brehm

Am frühen Morgen des 29. Dezember erschien der ›Schech el Djemahli‹, d. h. der Aelteste, Befehlende unter den Kameltreibern (...) (Brehm I, 91)

»(...) oaa el djemmel (...)*) [* Zu Deutsch: (...) sieh Dich vor, ein Kameel (...)] (Brehm I, 29; vgl. auch III, 290)

Die Ankunft eines Dampfschiffes ist für sie ein Ereignis, denn der Fremde und in ihren Augen Unwissende (Rhaschihm) ist ihnen auf den ersten Blick bekannt. (Brehm II, 140; vgl. auch II, 254)

Eine von May als besonders wertvoll eingestufte Kamelrasse wird von ihm immer wieder genannt - das Bischarinhedjihn:

May

»So sieh dieses Thier hier an! Es ist ein Hedjihn, ein Bischarinhedjihn, wie es in der ganzen Sahel kein zweites gibt ...«(30)

Brehm

Das Kamel hat ebensowohl seine Raçen, als das Pferd; ein von den Bischahrihn (einem Nomadenstamme


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»Ein Bischarin – ein Bischarinhedjihn? Der Araber verkauft kein solches Thier! ...«(31)

   Die Lastkameele kamen nur sehr langsam vorwärts; das ermüdete mich mehr als der schnelle Ritt auf einem schlanken Reitthiere, welches, wenn es zu der vorzüglichen Rasse der Bischarihnhedjihn gehört, zehn bis zwanzig deutsche Meilen ohne Unterbrechung im Trab zurücklegt.(32)

Ich erkannte auf den ersten Blick, daß es nicht gewöhnliche Lastkameele seien, die man für vierhundert Piaster das Stück bekommt, sondern ohne Ausnahme Reitkameele, echte Hedjihn, deren jedes man mit mehreren Tausend Piastern bezahlt. Vielleicht waren es gar Bischarinhedjihn, diese edelste Rasse der Kameele ...(33)

des Belled-Tahka im Sudan) gezüchtetes edles Reitkamel, ›Hedjihn‹, unterscheidet sich von dem egyptischen Lastkamele wie ein arabisches Roß von einem Karrengaule. Der Bischahrihnhedjihn ist das vollendetste Kamel, welches ich kenne; er ist fähig, in einem Trabe fünf, ohne Beschwerde zehn, mit Aufopferung seiner Kräfte aber sogar zwanzig deutsche Meilen innerhalb vierundzwanzig Stunden zurückzulegen, wird deshalb nur als Reitkamel benutzt und von frühester Jugend an zum Trabgehen gewöhnt. Sein Trab fördert so schnell, daß ein gutes Pferd Mühe hat, mit ihm (im Trabe) fortzukommen; dabei ermüdet er den Reiter wenig. (Brehm I, 93f.)

Ein gewöhnliches Kamel wird mit zwei- bis vierhundert, ein guter zugerittener Hedjihn von den Bischahri-Arabern mit acht- bis zwölfhundert Piastern bezahlt. (Brehm I, 202; vgl. auch I, 97)

Anzumerken bleibt, daß May das Maskulinum bei Brehm, ›der‹ Hedjihn, sicherlich in Analogie zum Neutrum des deutschen Kamels abändert. Die variierende Schreibweise mit und ohne Dehnungs-h - Bischarin / Bischarihn - kommt auch bei Brehm vor: »‹Die Instruktionen (...) lauten dahin, daß sich die Theilnehmer der Expedition über Sues zu Meere nach Sauakim begeben, dort bei den Bischari-Arabern, welche die besten Kamele der Erde erzielen, sich mit den nöthigen Reit- und Lastkamelen versehen (...)‹« (Brehm II, 235). Die einmalige Schreibung Bischarihahedjihn(34) darf man getrost auf ein Versehen des Setzers zurückführen.

   Auch Ausrüstungsteile des Kamels und seinen Reiter selbst bezieht May von Brehm, wobei der Reiter zum Oberst befördert wird und dann seine Laufbahn als Räuberhauptmann fortsetzt:

May

Kein Zeichen war zurück geblieben, auch nicht das geringste, keine Kameelhalfter, kein Zeltpflock, keine Schleife und kein Band von einer Rauïe (Lastgestell) oder einem alten Serdj (Sattel)(35)

Brehm

Zum Beladen der Lastkamele dient die ›Rauïe‹, ein höchst einfaches, geplostertes Holzgestell (...) Während die Rauïe der Lastkamele nur durch den Druck und das Gleichgewicht der


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»Hedjahn-Bei, der Mörder der Karawanen!« rief ich so laut, daß es weit über das Wasser schallte ... »Hedjahn Bei, der dann vom Vicekönig begnadigt wurde, um seine früheren Spießgesellen an den Strick zu liefern?« (Leïlet 24)

Es war ein gräßlicher Gedanke, denn man wußte, daß der Hedjahn-Bei keinen Menschen leben ließ und nannte ihn darum nicht anders, als den ›Karavanenwürger‹.(36)

beiden Frachtstücke in ihrer Lage auf dem Rückenhöcker des Thieres erhalten wird, wird der ›Serdj‹ oder Reitsattel durch drei feste und breite Gurte (...) auf den Hedjihn geschnallt (...) Am vorderen und hinteren Ende des Serdj erheben sich zwei Knöpfe um mehrere Zolle. Sie dienen zum Aufhängen der dem ›Hedjahn‹, – dem Reiter eines Hedjihn – nöthigen Geräthschaften (...) (Brehm I, 97ff.)

Zur Zeit unseres Hierseins herrschte hier [in Dongola] Muhsa-Beï**) (...) [** Ursprünglich ›Beïk‹; von Anderen ›Bei‹ oder ›Beg‹ geschrieben, so viel als Oberst.] (Brehm I, 87)

Weitere Vierbeiner, die jedoch nur kurze Gastauftritte in Mays Orient haben, sind schließlich el Timsach, das Krokodil(37): »In der Nähe eines langen Felsblockes, der auf einem anderen nur in der Mitte aufliegt und von den Arabern ›el Timsach‹ (das Krokodil) genannt wird, kochen wir uns starken Kaffe (...)« (Brehm III, 39); el Rhassahl, die Gazelle,(38) sowie - immer paarweise auftretend - el Tabäa, die Hyäne, und el Thibb, der Schakal:(39) »Die Fauna der eigentlichen Wüste ist sehr arm an Arten, vorzüglich an Säugethieren. Die Gazelle, ›el Rhassahl‹ (Antilope dorcas), die arabische Antilope, ›el Aeriell‹ (Antilope arabica), ein mittelgroßer, röthlich isabellfarbener Luchs, ›Khutt el atmuhr‹ (Felis caracal?), der Schakal, ›el Thihb‹ (Canis aureus), die Hyäne, ›el Tabaae‹ (Hyaena striata) sind fast die einzigen Säugethiere, welche die Ebene bewohnen.« (Brehm I, 116f.) Die leicht abweichende Schreibweise von Thibb(40) und Tabäa (Brehm III, 114: Tabaä) mögen das Ergebnis von Mays oft flüchtiger und hastiger Arbeitsweise sein.    May verwendet ›Schakal‹ und ›Hyäne‹ häufiger als Schimpfwort denn als Gattungsbezeichnung, was uns über das am meisten gebrauchte Schmähwort el Kelb, der Hund, schließlich zu einem der hervorragendsten Vertreter der Mayschen Fauna, dem Löwen, führen wird:


May

»Höre, Ben Kelb, Du Hundesohn! ...«(41)

»Kelb, Hund, stirb!«(42)

Der Löwe war mitten im Sprunge gestürzt, wälzte sich zuckend noch einige

Brehm

Die Araber und noch mehr die Türken haben Schimpfwörter, die so anstandverletzend und grauenvoll sind, daß man sie unmöglich übersetzen kann. Vorzüglich verstehen es die Weiber, sie in einer ununterbrochenen Reihen-


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Male hin und her und hatte dann verendet.

»Hamdulillah, Allah akbar, Preis sei Gott, der Herr ist groß!« erscholl es aus allen Kehlen. »Hasa nessieb, das hat Gott geschickt, der kelb, der Hund, der Sohn von einem Hunde, der Enkel von einem Hundesohne ist todt ...«(43)


»... Sie schliefen, als wir kamen, und sind nun zu den Hunden, ihren Vätern, versammelt.«(44)


»... du Hund von einem Ungläubigen ...«(45))


»Hund, Hundsgroßvater und Urhundsenkel!«(46)

folge herauszustoßen. Dabei ist beachtenswerth, daß das nachfolgende Schimpfwort das vorangegangene steigert. Ich will hier die Steigerung des sehr gebräuchlichen Schimpfwortes ›Kelb‹, Hund, anführen: »Du Hund, du Sohn des Hundes, dessen Ahnen Hunde waren und dessen Urahnen von Hunden gezeugt wurden, eine Hündin hat dich groß gesäugt, deren ganzes Geschlecht von Hunden abstammt, deine Kinder werden Hunde sein und Hunde bleiben.« Diese furchtbare Schimpfweise kommt daher, daß der Egypter Schimpfnamen, welche nur seiner Person gelten, wenig beachtet, insofern sie nämlich nicht auf Religion Bezug haben, wie z. B.: »Du Hund, du Ketzer, du Ungläubiger, du Feueranbeter,« aber jede Schmähung seiner Eltern und Ahnen mit großer Erbitterung aufnimmt, weil er sie sehr tief empfindet. Die Schimpfwörter sind dem Fellah so geläufig geworden, daß er sie auch zur Unzeit und oft auf höchst komische Weise anwendet. Ich habe oft einen Vater im Zorne zu seinem Sohne: »Ja Kelb, ja ibn el Kelb« (du Hund, du Hundesohn) oder »Allah jenarhlak abuhk!« (Gott möge deinen Vater verdammen!) sagen hören. (Brehm II, 47)

In obigem Zitat haben wir bereits gesehen, daß May die Angaben Brehms über Schimpfnamen mit dem Löwen verknüpft und daraus eine häufig wiederkehrende Szene gestaltet, die zum Standardrepertoire der Orienterzählungen gehört. Erste Anregungen für das abenteuerliche Motiv der Löwenjagd fand May bei Brehm, die er später mit Jagdbeschreibungen Gérards vermischt und weiter ausbaut:(47)

May

»Kennst Du Assad, den Aufruhrerregenden?« Ich nickte und blickte ihn erwartungsvoll an. »Kennst Du Assad-Bei, den Heerdenwürger?« ...

Brehm

Unter den Katzen stelle ich, wie billig, den edlen Löwen oben an. Die in unserem Gebiete [gemeint ist hier der Sudan; H. L.] vorkommende Art ist wahrscheinlich der Leo senegalensis der Autoren, welcher, obgleich er


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Der leise Flüsterton war mir nicht unbegreiflich. Der Araber hat einen außerordentlichen Respekt vor dem Löwen ... Er fürchtet die Stärke und Zähigkeit des Königs der Thiere und läßt sich lange Zeit von ihm berauben, ehe er sich zu einem Angriffe entschließt, der bei der gebräuchlichen Weise der Araber meistens mehrere Menschenleben kostet.(48)


Die reiche, dunkle Mähne hing ihm wirr um Kopf und Vorderleib; den stark bequasteten Schwanz zog er lang gestreckt hinter sich her ... Ich hatte viel von dem Fürsten der Thiere gehört und noch mehr von ihm gelesen, gesehen aber hatte ich nur einige Exemplare in Menagerien und zoologischen Gärten. Sie alle hielten keinen Vergleich aus mit diesem prächtigen, machtvollen Sihdi-el-salssali ... diese Pranken, denen man es ansah, daß ein einziger Schlag von ihnen genügend sei, ein Rind niederzustrecken ... Und jetzt hob er den Kopf und ließ jene furchtbaren Töne erschallen, derentwegen ihn der Sohn der Wüste den ›Herrn des [Erdbebens]‹ nennt ...

   Es war mir wirklich, als zittere der Boden unter mir bei dem leise beginnenden, dann zu unbeschreiblicher Stärke anwachsenden und sich endlich in einem grimmigen Rollen verlierenden Gebrüll, welches der Araber so treffend mit dem Worte ›Rad‹, Donner, bezeichnet.(49)

eine ungeheure Größe erreicht, doch niemals eine schwarze, sondern immer nur eine dunkelbrandgelbe Mähne erhält. Südlich vom vierzehnten Grade ist der Löwe überall anzutreffen und stets ein Gegenstand der größten Furcht für die Eingebornen. Er wird so stark, daß er ein Kamel mit einem Schlage seiner gewaltigen Pranken tödten kann; ein Rind schleppt er mit Leichtigkeit im Rachen fort. Ein recht starker, vollkommen ausgewachsener, männlicher Löwe kann die Größe, wenn auch nicht ganz die Höhe eines Ochsen erreichen. Von den vielen arabischen Namen, welche der Löwe führt, hört man im Sudahn am Oeftersten Sabaä*) [* Bedeutet: Der Würger der Heerden.] und Essed**) [** Oder ›Assad‹: Der Aufruhr Erregende.], scherzhafter Weise wird er wohl auch Abu-Fathme, Vater der Fathme, genannt. Den Sudanesen fehlt zur Bekämpfung dieses ihnen weit überlegenen Thieres die nothwendigste Waffe, das Feuergewehr; jedoch wollte es mir scheinen, als ob sie vor übergroßer Furcht gar nicht daran dächten, ihn ernstlich zu bekriegen. (Brehm III, 114f.)(50)

sihdi = Herr (Brehm I, 29; II, 47, 220 u. ö.)

›Berg des Erdbebens‹ (Djebel el Salßali) (Brehm I, 60)

Man könnte das Gebrüll des Löwen einen Ausdruck seiner Kraft nennen; es ist einzig in seiner Art und wird von keiner Stimme eines anderen lebenden Wesens übertroffen. Die Araber haben ein sehr bezeichnendes Wort dafür: ›raad‹, donnern. (Brehm III, 249)


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Außer einer arabischen Bezeichnung für den Löwen, die May von Brehm übernimmt, konstruiert er sich eine eigene, indem er zwei Ausdrücke, die unabhängig voneinander vorkommen, miteinander kombiniert: ›sihdi‹ bzw. ›abu‹(51) und ›salßali‹ – voilà, ein linguistischer Trick, dessen May sich häufig bedient, um seiner Schöpfung Leben einzuhauchen.(52)

   Eine weitere Benennung Mays für den Löwen, Areth, der Donnerstimmige,(53) und Emir-el-Areth, den ›Herrn des Löwen‹,(54) für ›Gérard, den Löwentödter‹ hat zwar dieselbe Wortwurzel wie ›rad‹, verweist aber auf eine andere sprachliche oder kulturgeographische Quelle, ebenso wie das oft erwähnte ›Herr mit dem dicken Kopfe‹.

   In ›Unter Würgern‹ geht der Einfluß Brehms merklich zurück, weil May zwischenzeitlich die zweite große Quelle für seine Wüstendramen(55) erschlossen und seinen orientalischen Horizont erweitert hat. Aber er erweist – ob gewollt oder nicht – dem Tierforscher Brehm, der ihm den ersten tieferen Einblick in die Welt des Orients ermöglicht hat, in ›Unter Würgern‹ mit einem Augenzwinkern seine Referenz. Der Ich-Erzähler, der sich schon einen Namen gemacht hat – im Wilden Westen nennt man ihn Old Shatterhand –, reist nicht nur im Orient umher, um Abenteuer zu erleben und sie glücklich zu bestehen. Sondern er betätigt sich dort auch als Jäger und Sammler: Ein wunderlicher Anblick bot sich mir dar. Bei den abgeladenen Effecten saß nämlich, mir den Rücken zukehrend, der lange Kubaschi von Ferkah en Nurab und hielt – – mein Spiritusfäßchen an den Mund. Ich führte das sorgfältig in Bastmatten gehüllte Fäßchen bei mir, um in der conservirenden Flüssigkeit allerlei für meine Sammlungen bestimmtes Gethier aufzubewahren. Es befanden sich in demselben außer den mannigfaltigsten Insecten und Würmern allerlei Amphibien, Vipern, Scorpione, Steppenmolche, Birketkröten, und jetzt saß Hassan, der wahre Moslem, da an der Erde und schlürfte die Sauce, in welcher diese Kreaturen schwammen, mit einem Behagen, als sei er über den Nektar des Olymps gerathen.(56) Wenn man den großmäuligen Hassan als Spiegelbild seines Autors interpretiert: welch eine ironische Selbstbetrachtung und phantastische Metapher für den bildungs- und wissenshungrigen frühen May, der begierig in sich hineinschlürft, was sich finden läßt, und davon ganz trunken wird.(57)


3. Reprise: ›Leïlet‹ usw.

Wie bereits erwähnt findet sich der Hauptteil des Brehmschen Materials – orientalische Kulissen, Motive, arabische Ausdrücke und Redewendungen – in ›Leïlet‹.(58) Wolfgang Hammer hat mehrfach auf die vielfältigen Brehmschen Bezüge Mays hingewiesen,(59) wohl in Ermanglung des Original-Textes manchmal etwas zu pauschal, was dahingestellt


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bleibe, – aber auch unzutreffend und unkorrekt, was darzustellen bliebe.

   »So kann es vorkommen, daß May, der vielleicht einmal einer anderen Quelle folgt, sich als der besser Orientierte zeigt: Brehm hat z. B. Leila = die Nacht, während May bekanntlich Leilet schreibt. Wieso? Seltsamerweise endet dies Wort tatsächlich mit einem -h, das aber in diesem besonderen Falle zwei Pünktchen erhält und T gesprochen wird.«(60) Interessanterweise hat Brehm aber ›Leïlet‹ an einer einzigen Stelle seiner ›Reiseskizzen‹, und zwar schreibt er bezüglich der Nilschwelle, aus einem anderen Reisebericht zitierend: »Die Anschwellung des Nil wurde lange für mysteriös gehalten, und noch vor wenigen Jahren erzählte ein Reisebeschreiber, daß die egyptischen Astronomen ›den Zeitpunkt, wann der Nil zu steigen anfange, fast bis zur Minute auszurechnen wüßten.‹ Es sei der 17. Juni. Die Araber gäben diesem Tage, oder vielmehr dieser Nacht, den Namen: ›Leïlet el nukhtha,‹ die Nacht des Tropfens.« (Brehm II, 24)

   May hat diese Stelle mit Sicherheit gelesen und notiert, verwendet er doch ebenfalls das Wort ›nukhtha‹ als eines der wenigen vorher noch nicht benutzten Vokabeln von Brehm in seiner vierten Orienterzählung ›Unter Würgern‹ in der Szene, als Hassan sich über das Spiritusfäßchen hermacht. Ein Buchstabe bleibt allerdings dabei auf der Strecke: »... Als die Menschen einst traurig waren, ließ die Vorsehung eine Nuktha, einen Tropfen der Erheiterung, zur Erde fallen ...«(61) Im folgenden verbindet May dann das Wort mit dem aus d'Escayrac(62) entlehnten ›Zat‹ (= Vorsehung) zu einem neuen Kompositum: »Ich trinke keinen Wein und keinen Spiritus; ich habe die Nuktha-el-Zat genossen.«(63)

   Wie das Beispiel des Wortes ›Leïlet‹ zeigt, muß May einen Sinn und eine Affinität zum entlegenen fremdsprachlichen Wort gehabt haben, vielleicht wegen des für ihn attraktiveren Klanges, vielleicht um seine Quelle zu verschleiern, vielleicht aber auch aus ganz anderen Gründen. Warum er aus dem Ausdruck ›Leïlet el nukhtha‹ den Namen herauslöst und sich nicht für die übliche Transkription der weiblichen Namensform ›Leila‹ entscheidet, die das End-t (im Arabischen ein h mit zwei Punkten) als Indikator des Femininums nicht hat, weil es nicht gesprochen wird, und welche Art von ›Tropfen‹ May denn möglicherweise wohl vielleicht mit ›Nukhtha/Nuktha‹ assoziiert – dieses Phänomen wollen wir dem detektivischen Spürsinn von Mays Astrologen und Chiromantikern überlassen. Jedenfalls zeigt er sich nicht, wie Hammer schreibt, als der besser Orientierte, sondern – wie so oft – als (fremd-) sprachlicher Trickster.

   Ebendieselbe beschriebene Verfahrensweise findet sich mehrmals in ›Leïlet‹: Wie schon oben gezeigt, nimmt May ›Assad‹ anstelle von ›Essed‹ für den Löwen aus einer Anmerkung Brehms.(64) Die von May in seinem Werk häufig gebrauchte Bezeichnung für die ägyptische Haupt-


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stadt Kairo, Kahira, stammt gleichfalls aus Brehm, und sie kommt gleich wie ›Leïlet‹ nur an einer einzigen Stelle vor, die Brehm aus dem Werk ›Ein Kleinstädter in Aegypten‹(65) zitiert: »›Kahira wirkt durch seine Umgebungen wie durch seine Bauart, durch Natur und Kunst zugleich, durch sein Klima, seine Luft, seine gefällige natürliche Lebensart, seine tausendfältige Scenerie, endlich durch seine Erinnerungen aus allen Zeiten von der Sündfluth bis zum laufenden Jahre; durch den Magnetismus, welcher von all den Wunderstätten, von den Pyramiden, von Heliopolis, den Kalifengräbern, der Zitadelle, von der Wüste, dem Nil und den köstlichen, immer grünenden Gärten auf Seele und Geist ausströmt, einen unaussprechlichen Reiz.‹« (Brehm II, 121)(66)

   Dieses Zitat leitet Brehms Kapitel über Kairo ein, dessen Anfangsteil als Vorlage für Mays Hymne an die Hauptstadt Ägyptens diente und ihre Fortsetzung in der hymnischen Einleitung der Erzählung ›Unter Würgern‹ findet. Dieses Stück ist einer näheren Betrachtung wert, zumal Hammer Mays Originalvorlage nicht kennt und deshalb davon ausgeht, daß May die Begrüßung Kairos aus einem anderen Teil Brehms zusammengestellt hat und sich nur hat anregen lassen, schreibt er doch: »Sie hat ihr Gegenstück bei Brehm, verzichtet aber auf dessen Schilderung des Weintrinkens der Matrosen, ›ihres Propheten Lehre vergessend‹.«(67) Ein Satz, der nichts über die Arbeitsweise Mays aussagt, dafür aber um so mehr über diejenige Hammers. Die von ihm aus dem bearbeiteten Nachdruck zitierte Stelle findet sich im Original am Ende des ersten Teils der Reiseskizzen: »Die Gläser klangen, wir tranken den edlen Burgunder, den Munnié uns geschenkt, die Matrosen schwelgten, ihres Propheten Lehre vergessend, in französischem Rothwein.« (Brehm I, 368) Der nun folgende Teil des ersten Bandes, in dem Brehm seinen Aufenthalt im Nildelta beschreibt und nahezu der gesamte zweite Band, der auch das betreffende Kapitel über Kairo beinhaltet, aus dem May zitiert, sind dem Bearbeiter des Nachdrucks zum Opfer gefallen – immerhin fast 300 Seiten des Originals, was etwa einem Drittel des Gesamtwerkes entspricht. So kann es nicht verwundern, wenn Hammer May auf etwas verzichten läßt, worauf er gar nicht verzichten muß, da er eine ganz andere Stelle benutzt hat. Hammers Schlußfolgerung daraus erscheint dann auch in einem entsprechenden Licht: »Es verdient Beachtung, daß May – und nicht nur hier! – die einschlägigen Schilderungen zeitgenössischer Reisender in islamischen Ländern gern entschärft hat (...)«(68) Wenden wir uns nun den beiden Textpassagen zu.

May

Sei mir gegrüßt, Kahira, du herrliche, wüstenbegrenzte, gärtenumlegene, palmenumstandene Königin Egyptens! Sei mir gegrüßt mit deinem milden Him-

Brehm

Sei mir gegrüßt, mein Kairo! Ich grüße dich nochmals aus fernen kalten Landen her. Möge mein Gruß zu dir gelangen, möge er erwarmen unter deinem


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mel, deinen schlanken Minarets, deinen kühlen Straßen, deinen rauschenden Platanen und früchtereichen Sykamoren, deinen balsamduftenden Orangenhainen und dattelschweren Palmen! Ich grüße euch, ihr sarazenischen Häuser, ich grüße dich, o blumenreiche Esbekïe, ich grüße euch, ihr himmelstrebenden Pyramiden und dich, du Stadt der Todten in der Wüste, dich, o Mokkhadam, mit deinen Bergen, dich, o Bulakh, mit deinem barkenreichen Hafen, und dich, o Fostat, mit deiner herrlichen Insel – ja, ich grüße dich, o Kahira, dich und all' dein Volk! El salahm aaleïkum, mit euch sei das Heil! (Leïlet 55) milden Himmel! Ich grüße dich, du herrliche, palmenumstandene, wüstenbegrenzte, gärtenumlegene Stadt! Ich grüße deine Moscheen mit ihren schlanken Minarets; ich grüße deine Zitadelle mit ihren geschützstarrenden Batterien; ich grüße deine krummen, heimlichen, kühlen und engen Straßen; ich grüße deine sarazenischen Häuser, deine blumenduftigen Esbekïe, deine Alleen rauschender Platanen, fruchtbehangenen Sykamoren, deine versteckten, üppig grünen Gärten mit ihren balsamduftenden Orangenhainen, ihren duftspendenden Blumen, ihren dattelbeschwerten Palmen, ihren rieselnden Wassergräben; ich grüße deine altehrwürdigen Pyramiden, deine Wüsten mit ihrer Stadt der Todten; ich grüße die Gebirge, an denen du dich hingelagert hast; ich grüße deine Vorstädte, dein Bulakh mit seinem barkenvollen Hafen, dein Fostat mit seiner lieblichen Insel und seinem schiffbewegten Nile; ich grüße jeden deiner Plätze, dich und dein Volk!

El salahm aaleïkum! Mit Euch sei das Heil!

(Brehm I, 121)

Der Textvergleich zeigt klar die Abhängigkeit Mays von Brehm, macht aber zugleich deutlich, daß May den Brehmschen Textabschnitt nicht einfach nur übernommen hat, sondern daß er ihn umgestaltet, ihn verdichtet hat. Die Metamorphose seiner Vorlage erweist May als das, was er wirklich ist, ein Dichter, und nicht wie Brehm ein wirklich Reisender, denn beide betrachten Kairo ja aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Während Brehm seiner Sehnsucht aus der Rückschau, der geschauten Realität eines konkreten topographischen Raumes in Afrika Ausdruck gibt, gestaltet May seine Sehnsucht aus der Poesie, der geträumten Realität eines mythischen Ortes auf dem ›Kontinent Fernweh‹, dem Wohnort seiner Seele. Beide Perspektiven manifestieren sich schon in einem Wort, nämlich der Anrede der Stadt: dem geläufigen ›Kairo‹ steht das exotische ›Kahira‹ gegenüber. Hammer bemerkt richtig: »Die Stadt als Ort der Lösung könnte insofern den Gebirgshöhen in späteren Werken entsprechen, als beide auf ihre Art eine Abbildung des himmlischen Zions der Apokalypse sind.«(69) Deshalb streicht May natürlich die auf den ersten Gruß folgenden Sätze Brehms:


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»Ich grüße dich nochmals aus fernen kalten Landen her. Möge mein Gruß zu dir gelangen, möge er erwarmen«. Mays Umgestaltung hat einen klaren Rhythmus, während Brehms Text stellenweise holprig klingt: »ich grüße die Gebirge, an denen du dich hingelagert hast; ich grüße deine Vorstädte«. Mays Text wirkt flüssiger und melodischer, weil er auf den Relativsatz verzichtet, ihn durch das klangvollere ›Mokkhadam‹ ersetzt – dich, o Mokkhadam, mit deinen Bergen – und die unpoetischen ›Vorstädte‹ fortläßt, genauso wie »deine Zitadelle mit ihren geschützstarrenden Batterien«. Beachtlich ist ferner, daß May anders als Brehm Wiederholungen vermeidet: »deine versteckten, üppig grünen Gärten« werden ja schon eingangs attributiv genannt – gärtenumlegene Stadt. Der musikalische Aspekt von Mays Poesie kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß wie in einem Rondo der Anfang – Sei mir gegrüßt, Kahira – am Ende wieder aufgenommen wird – ja, ich grüße dich, o Kahira.

   Der darauf folgende Abschnitt in ›Leïlet‹, der von der hymnischen Begrüßung Kairos wieder zur Erzählung zurückführt, ist eine Paraphrase aus verschiedenen Textteilen Brehms:

May

Lange Monate war ich ein Wanderer in der Wüste gewesen und kehrte nun zurück zur unvergleichlichsten der Städte, wo ich wieder den Spuren europäischen Lebens begegnen, den Bruder finden und die Grüße der fernen Heimath empfangen sollte. Wer Kairo kennt, der wundert sich nicht über die Begeisterung, mit welcher ich die Stadt der fünfhundert Moscheen begrüßte, als unsere Dahabïe in Alt-Kairo anlegte. (Leïlet 55)

Brehm

Und wieder berauschte mich das Wogen und Leben der unvergleichlichen Stadt (...) Wie nahe war ich der Heimath! In anderthalb Monaten erhielt ich Antworten auf Briefe, die ich den Lieben geschrieben. Wie freundlich kamen mir ehrliche, biedere Landsleute entgegen! Ich versöhnte mich durch sie wieder mit dem Europäer, wieder mit dem Christen. (Brehm III, 316)

   Kairo (...) zählt über vierhundert Moscheen (...) (Brehm II, 122)

   Beide sind die Hafenplätze der Stadt, Bulakh für die nach Unteregypten, Altkairo für die nach Oberegypten gehenden Schiffe. (Brehm II, 155)

Eine Reihe weiterer orientalischer Kulissen, die May in ›Leïlet‹, Brehm folgend, aufbaut, verdienten eine kommentierte Gegenüberstellung, sie muß hier aber aus Platzgründen unterbleiben.(70)

   In den folgenden Orienterzählungen greift May zwar auch noch auf Brehm zurück, verzichtet aber zusehends auf dessen Material, indem er sich neue Quellen erschließt. In ›Unter Würgern‹ verwendet May lediglich noch drei vorher nicht benutzte Vokabeln Brehms.(71) Hier kommt schließlich seine neue große Orientquelle zum Tragen, das Buch des Grafen d'Escayrac de Lauture.


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4. Zum Schluß: Ohmar-Arha Ben Afradin

Auf ein Kuriosum sei abschließend noch hingewiesen. Man könnte annehmen, May habe den Autor Alfred Brehm selbst in seiner Erzählung versteckt. Der vollständige Name des Dieners des Ich-Erzählers in ›Leïlet‹ lautet Ohmar-Arha Ben Afradin (Leïlet 7). Der zweite Bestandteil des Namens, Afradin, klingt wie eine Verballhornung des deutschen Vornamens Alfred. Brehm selbst schreibt über seinen arabischen Namen:

C h a l i h l war mein arabischer Name und bedeutet wörtlich ›Gottesfreund‹. Später, als ich etwas schreiben und lesen konnte, setzte man E f f e n d i dazu, denn unter Effendi versteht man einen gebildeten Mann. Dieser wurde ich aber erst dadurch, daß ich arabisch gebildet wurde. Der Grund, daß ich einen arabischen Namen annahm und beibehielt, ist eine wirklich spaßhafte Anekdote. Ich nannte den Arabern meinen Namen ›B r e h m‹. »Brehm, Brehm – di eh di – di muhsch issm – was ist das? das ist ja gar kein Name, Du heißt wahrscheinlich I-bre-hm, – Ibrahim.« Wenn ich auch den Erzvater Abraham hoch genug stelle, lag mir doch gerade nicht Viel daran, seinen Namen zu führen, zumal da er hier auf Unkosten des meinen entstanden war. Ich nannte meinen Vornamen ›A l f r e d‹. Obgleich nun im Arabischen der Name E l – F e r i h d (der Einzige) genau mit denselben Buchstaben geschrieben wird, wie Alfred, war er doch nur dem gebildeten Theil des Volks aus der Schriftsprache bekannt. Die Uebrigen verstümmelten Alfred in A a f r i h d, was entweder ›d e n G o t t s e i b e i u n s‹, ein Gespenst oder einen verschmitzten, listigen Menschen bedeutet. Ich hob nun hervor, daß ich A l – und nicht A f r i h t oder A f r e h d heiße. »Was? Nun gar e l f – a f r i h t? (tausend Teufel), das ist ein schlechter Name, mein Herr.« Nun sagte ich, daß ich Chalihl hieße. »Ja, so mußt Du sagen, Herr, das ist ein wirklich guter Name.« (Brehm II, 220)

Eine hübsche Vorstellung, wenn man bedenkt, daß Brehm Karl May wahrhaftig zu Diensten war, so wie Omar-Arha dem Ich-Erzähler. Nicht umsonst schreibt Peter Rosegger an seinen Freund Robert Hamerling: »Vor kurzem erhielt ich von einem Herrn Karl May, Redakteur in Dresden, eine Erzählung: ›Die Rose von Kahira, ein Abenteuer aus Egypten‹ (...) Seiner ganzen Schreibweise nach halte ich ihn für einen vielerfahrenen Mann, der lange Zeit im Orient gelebt haben muß (...)«.(72) Ein Lob, das nicht nur Mays Korrespondenten Brehm würdigt, sondern auch die fantastische Imaginationsgabe Mays.


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A n h a n g I: Gegenüberstellung größerer Textteile

1. In einem arabischen Haus

›Leïlet‹

Die starken, fast fensterlosen Mauern boten dem Sonnenbrande einigen Einhalt, und die aufgestellten porösen Gefäße, durch deren Wände das Nilwasser verdunstete, machten die Atmosphäre so erträglich ... (7) ... und gab an dem dort befindlichen Thore ein Zeichen, auf welches uns bald geöffnet wurde.

   ... Architektonische Schönheiten durfte ich von einem orientalischen Privatgebäude nicht erwarten ...

   Durch einen dunkeln, niedrigen Thorgang führte uns der voranschreitende Bote in einen kleinen Hof ...

   In diesen Hof herab gingen mehrere hölzerne Gitterwerke, hinter denen jedenfalls die zum Aufenthalte dienenden Räume lagen ... und folgte dem Wegweiser in den Divan des Hausherrn.

   Es war ein geräumiges, halbdunkles und hohes Zimmer, durch dessen vergitterte Fensteröffnungen ein wohlthuendes Licht fiel. In Folge der aufgeklebten Tapeten, Arabesken und Ornamente hatte es einen wohnlichen Anstrich erhalten, und die in einer Nische stehenden Wasserkühlgefäße erzeugten eine recht angenehme Temperatur. Ein Geländer trennte den Raum in zwei Hälften, deren vordere für die Dienerschaft, die hintere aber für den Herrn und die ihn besuchenden Gäste bestimmt war. Den erhöhten Hintergrund zierte ein breiter Divan, welcher von einer Ecke bis in die andere reichte und auf welchem Abrahim-Arha, ›der Besitzer von vielen Beuteln‹, mit untergeschlagenen Beinen saß. Er erhob sich bei meinem Eintreten, blieb aber der Sitte gemäß vor seinem Sitze stehen.

Brehm

Seit undenklichen Zeiten versteht man in Egypten Thonkrüge zu fertigen, welche durch ihre sehr feinen Poren immer eine geringe Menge der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit durchschwitzen lassen. (I, 49)

Von Außen verspricht ein alt sarazenisches Haus nicht Viel. Es steht in einer dunklen, krummen und engen Straße der Stadt (...) Von dieser Straße aus treten wir durch die stets verschlossene, uns erst auf unser Anklopfen sich öffnende Thüre in das Innere des Hauses (...) Ein Bedienter empfängt uns in der Hausflur und führt uns, ohne nach unserem Begehr zu fragen, in den Diwahn des Hausherrn. Dieser befindet sich, wenn das Haus einen großen lichthellen Hofraum hat, zu ebener Erde, im entgegengesetzten Falle aber ein Stockwerk erhöht. Ohne angemeldet zu werden, treten wir ein.

   Wir befinden uns in einem geräumigen, halbdunkeln, hohen Zimmer. Durch die vergitterten Fenster fällt ein gebrochenes, für Egypten höchst angenehmes Licht herein (...) Die Wände schmücken Arabesken und andere entweder in die Gypsbekleidung eingegrabene oder aus erhöhtem Gyps geformte Ornamente; in der Nähe eines Fensters oder eines Zugloches bemerken wir eine Nische (...) Dort stehen die reinlich gehaltenen Wasserkühlgefäße (...) trennt auch noch ein Geländer die erhöhte Seite von der tieferen. Das ist der Warteabschnitt für die Bedienung; hier steht dieselbe mit über die Brust gekreuzten Armen ruhig da, um die Gäste und den Wirth zu beobachten (...) Den erhöhten Theil bedecken Strohmatten und persische


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Da ich nicht die gewöhnliche Fußbekleidung trug, so konnte ich mich ihrer auch nicht entledigen, sondern schritt unbekümmert um meine Lederstiefel über die kostbaren Teppiche und ließ mich an seiner Seite nieder. Die Diener brachten den unvermeidlichen Kaffee und die noch nothwendigeren Pfeifen, und nun konnte das Weitere folgen.

   Mein erster Blick war natürlich nach seiner Pfeife gewesen; denn jeder Kenner des Orientes weiß, daß man an derselben sehr deutlich die Verhältnisse ihres Besitzers zu erkennen vermag. Das lange, wohlriechende und mit starkvergoldetem Silberdraht umsponnene Rohr hatte gewiß seine tausend Piaster gekostet. Theurer aber noch war das Bernsteinmundstück, welches aus zwei Theilen bestand, zwischen denen ein mit Edelstein besetzter Ring hervorschimmerte. Der Mann schien wirklich ›viele Beutel‹ zu besitzen, nur war dies kein Grund, mich befangen zu machen, da mancher Inhaber einer Pfeife im Werthe von zehntausend Piaster seinen Reichthum doch nur den geknechteten Unterthanen entwendet oder geraubt hat. (9)

Teppiche. An der der Thür gegenüberstehenden Wand läuft ein breites Sopha, der Diwahn, von einer Ecke des Zimmers zur anderen (...) Auf diesem Polster sitzt der Hausherr mit seinen Gästen. Er erhebt sich bei unserem Eintreten und bleibt vor dem Diwahn stehen. Wir ziehen unsere Schuhe aus und betreten in den bloßen Strümpfen den Teppich vor dem Diwahn (...) Nachdem wir uns gesetzt haben, begrüßen wir zuerst den Hausherrn (...) Die Diener sind nach unserem Eintritte verschwunden, um Kaffe und Pfeifen zu besorgen. (II, 68ff.)

   Ein unentbehrlicher Begleiter des Türken ist bekanntlich der Tschibuhk, die lange Pfeife des Orients. Auf ihre geschmackvolle und reiche Ausstattung verwendet man große Summen. Das lange Rohr wird mit Seide und feinem silbernen, stark vergoldetem Drahte künstlich übersponnen und nur ein Drittheil des Holzes unbekleidet gelassen. Ein solches Rohr kostet mit dem entweder aus gediegenem Silber oder gar aus Gold bestehendem Beschläge von 250 bis 1.000 Piaster (...) Allein es ist nicht das Rohr, welches den Tschibuhk theuer macht, sondern das Mundstück, denn dieses besteht aus kostbaren Bernsteinstücken (...) die Pascha's und der Vizekönig besitzen Pfeifenspitzen, für welche 10.000 Piaster bezahlt wurden. Gewöhnlich besteht das Mundstück aus zwei Stücken (...) Zwischen beiden Bernsteinstücken hat man gewöhnlich Goldringe eingeschoben, die Vornehme und Reiche mit ächten Diamanten besetzen lassen. Ein solcher Ring verschönert das Mundstück ungemein (...) Im Orient gibt die Pfeife, welche Jemand führt, gleichsam einen Begriff seines Wohlstandes. (II, 64f.)

... und war nur von dem Wunsche hergeführt worden, einmal das Innere eines Harems zu sehen. Es war hier ganz Wohl nur wenigen Europäern ist es gelungen, in das Innere des unverletzlichen Harehm einzudringen. Daß die


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dieselbe Einrichtung getroffen, wie im Zimmer des Hausherrn: das Geländer, der Divan, die Nische mit den Kühlge – doch halt, halt, was ist das?

   Auch hier, grad' so wie dort, befindet sich grad' über diesen Gefäßen ein Zuchloch in der Mauer, damit die Abkühlung des Wassers rasch vor sich gehe und auch den Nebengelassen mit zu Gute komme ... (11)

Ausstattung ganz dieselbe, wie im Diwahn, oder etwas reicher ist, kann Jeder, der ein leerstehendes arabisches Haus besucht, beurtheilen. (II, 74)

(...) in der Nähe eines Fensters oder eines Zugloches bemerken wir eine Nische (...) Dort stehen die reinlich gehaltenen Wasserkühlgefäße (...) (II, 69)


2. Nilschiffe

›Leïlet‹

Unser Boot legte in der Nähe einer Dahabïe, einer Nilbarke an ...

   ... mein alter Freund Hassan, der Abu el Reïsahn, der Vater der Schiffsführer ... (24)

Der Morgenwind lag voll in den großen dreieckigen Segeln ...

   ... ein Sandal, eine jener langgebauten und starkbemannten Barken mit großen Segeln, welche fast mit einem Dampfer um die Wette gehen ...

   Ich stand neben dem Mustahmel, dem Steuermann, auf dem Dache der Kajüte ...

   ... waren die großen lateinischen Segel voll und deutlich hervorgetreten ... Es war derselbe Schnellsegler ...

Ich sprang vom Dache herab und trat an den Bug des Schiffes, wo sich stets der Sitz des Reïs befindet, welcher das Fahrwasser zu prüfen und dem Mustahmel seine Befehle darnach zu ertheilen hat. (39) ... wurde noch eine Trikehta, ein kleineres Segel, beigesetzt ... (40) ... nahm auf einem der Sennesblätterpackete Platz, welche, da der Raum die ganze Ladung nicht gefaßt hatte, auf die Planken des Verdeckes befestigt worden waren. (41f.)

Brehm

Der Baron hatte (...) eine der Segelbarken des Nil zur Reise nach Kairo gemiethtet (...) Dahabïe*) [* Zu deutsch ›die Goldene‹, Name dieser Barken.] (I, 21)

(...) des siebenzigjährigen Bellahl, des ›Abu el Reïsihn‹, des Vaters der Schiffsführer (...) (I, 357)

Die Masten sind verhältnismäßig kurz, haben aber ungemein lange Raaen, an denen dreieckige (sogenannte lateinische) Segel befestigt sind (...) Gewöhnlich hat die Dahabïe zwei große und ein kleines Segel (Trikehta genannt) (...) Kleine, sehr lange, stark bemannte Barken mit großen Segeln und einer kleinen Kajüte heißen Sandal; sie sind Schnellsegler. (I, 49)

(...) jagte die Barke mit der Schnelligkeit eines Dampfbootes den Strom hinan. (I, 47)

Am Bug des Schiffes ist der Sitz des das Fahrwasser prüfenden Reïs, auf dem Dach der Kajüte steht der durch den Reïs befehligte ›Mustahmel‹ oder Steuermann, zwischen Vorder- und Mittelmast sitzen die der Segel wartenden Matrosen. (I, 48)

In Abke lagen mehr als funfzig jener kleinen Barken, welche man zur Fahrt in den Katarakten benutzt und löschten ihre von Dongola el Urdi hierher gebrachte, fast nur aus Sennesblättern bestehende Ladung. Die Schiffchen sind aus einzelnen, verhältnismäßig


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kleinen Planken ohne Rippen zusammengenagelt, haben (...) keine Kajüten, sondern nur einen höchst unbequemen Schiffsraum, welcher selten mehr als vierzig arabische Centner an Ladung aufnimmt. (I, 74)


3. Die Fahrt über den Nilkatarakt

›Leïlet‹

Da ertönte die Stimme des Reïs über das Deck:

   »Blickt auf, Ihr Männer, der Schellahl, der Katarakt kommt! Tretet zusammen und betet die Fathcha!«

   Die Leute folgten der Weisung und beteten im Chore die erste Sure des Korans:

   »Behüte uns, o Herr, vor dem von Dir gesteinigten Teufel!«

   »Im Namen des Allbarmherzigen!« intonirte der Reïs, und die Andern fielen ein:

   »Lob und Preis dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrscht am Tage des Gerichtes. Dir wollen wir dienen, zu Dir wollen wir flehen, auf daß Du uns führest den rechten Weg, den Weg Derer, die Deiner Gnade sich freuen, und nicht den Weg Derer, über welche Du zürnst, und nicht den Weg der Irrenden. Amen!«

   Die Worte und Werke der Religion sind dem Muhamedaner keine Formeln, sondern sie sind ihm tief empfundene Wahrheit. Die kurzen Worte ergriffen auch mich mächtig. Nicht Furcht vor der Gefahr war es, was sich meiner bemächtigte, sondern Ehrfurcht vor der im tiefen Herzen eingewurzelten Religiösität dieser halbwilden Menschen, welche Nichts thun und beginnen, ohne sich Dessen zu erinnern, der in dem Schwachen mächtig ist.

   »Wohlan, Ihr jungen Männer, Ihr muthigen Helden, geht an Eure Plätze,« gebot nun der Führer, »denn der Strom hat uns jetzt ergriffen!«

   Das Commando eines Nilschiffes

Brehm

(...) Bellahl, unser aller Reïs (...) (I, 353)

   »Männer und Söhne Nubiens, betet die Fathcha«, befahl Bellahl. Und der Chor der Versammelten sprach mit lauter Stimme die Worte der ›das Buch‹ (den Khorahn) ›eröffnenden‹ Sure.

   »Behüte uns, o Herr, vor dem von Dir gesteinigten Teufel!«

   »Im Namen des Allbarmherzigen!«

   »Lob und Preis dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichts. Dir wollen wir dienen, zu Dir wollen wir flehen, auf daß Du uns führest den rechten Weg, den Weg Derer, die Deiner Gnade sich freuen, und nicht den Weg Derer, über welche Du zürnest, und nicht den Weg der Irrenden! Amen!« (...)

   Die Worte und Werke der Religion sind den Mahammedanern keine Formeln, sie sind ihnen tief gefühlte Wahrheit (...) Auch uns hatte das Gebet der Andersgläubigen tief ergriffen. Nicht Furcht vor der Gefahr bemächtigte sich unserer, wohl aber Ehrfurcht vor der Religiosität eines noch halb wilden Volkes, welches nie die Handhabe eines Werkzeuges ergreift, nie ein Werk beginnt, ohne dabei auszurufen: »Im Namen des Allbarmherzigen!« so wie es ihm sein Prophet vor Jahrhunderten geboten. (I, 354)

   »An die Ruder, ihr Helden*)! [* Ein sehr beliebter arabischer, jungen Männern schmeichelhafter Ausdruck.] (...)« (I, 357)


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läuft nicht so ruhig ab, wie die Führung eines Fahrzeuges auf abendländischem Gewässer. Das heiße Blut des Südens rollt durch die Adern und treibt den Menschen von dem Extrem der ausschweifendsten Hoffnung herab auf dasjenige der tiefsten Verzweiflung. Alles schreit, ruft, brüllt, heult, betet oder flucht im Augenblicke der Gefahr, um im nächsten Momente noch lauter zu jubeln, zu singen und zu jauchzen. Dabei arbeitet ein Jeder mit Anspannung aller Kräfte, und der Schiffsführer springt von Einem zum Andern, um Jeden anzufeuern, tadelt die Säumigen in Ausdrücken, wie sie nur ein Araber sich auszudenken vermag, und belohnt die Andern mit den süßesten und zärtlichsten Namen, unter denen das Wort ›Held‹ sich am meisten wiederholt.

   Wir hatten uns schon heut Morgen auf das Passiren der Schnelle vorbereitet und Reservemannschaft eingenommen. Jedes Ruder war doppelt besetzt, und am Steuer standen drei Barkenführer, welche jeden Fußbreit des Stromes hier kannten.

   Mit furchtbarer Gewalt rauschten die Wogen jetzt über die kaum vom Wasser bedeckten Felsenblöcke; die Wellen stürzten schäumend über das Deck und der Donner des Kataraktes übertäubte jedes Kommandowort. Das Schiff stöhnte und krachte in allen Fugen; die Ruder versagten ihren Dienst, und, dem Steuer vollständig ungehorsam, tobte die Dahabïe durch den kochenden Gischt.

   Da treten die schwarzen, glänzenden Felsen vor uns eng zusammen und lassen nur noch ein Thor offen, welches kaum die Breite unseres Schiffes hat. Die Wogen werden durch dasselbe förmlich hindurchgepreßt und stürzen sich in einem dicken mächtigen Strahle nach unten in ein Becken, welches übersäet ist von haarscharfen und nadelspitzen Steinblöcken. Mit sausender Hast schießen wir dem Thore zu. Die Ruder

Am 5. October. Mit Sonnenuntergang wurde es lebendig auf dem Deck des Schiffleins. Ernste, des Stromes kundige Reïsihn, muntere, gliederkräftige Matrosen erschienen und boten uns ihre Hülfe an. Unser Schiffsführer wählte die besten und stärksten. Zuletzt kam auf Verlangen auch Bellahl, unser aller Reïs, um den jungen Männern mit Rath zur Seite zu stehen. Alle Ruder hatten mehr als doppelte Mannschaft, am Steuer standen drei Barkenführer. (I, 353f.)

   Mit furchtbarer Gewalt flutheten die Wogen über die kaum vom Wasser bedeckten Felsenblöcke hinweg, in allen Fugen stöhnte und krachte das Schiffchen, kein Ruder that seinen Dienst; dem Steuer ungehorsam tobte die Barke durch den kochenden Gischt. Wir wurden von den über Bord stürzenden Wellen gebadet und fürchteten, das Schiff jeden Augenblick scheitern zu sehen. Das Ohr war betäubt von dem Donnern des Katarakts, kein Commandoruf durchtönte das Chaos der Töne. Die mehr und mehr zusammentretenden Felsen schienen jeden Ausweg verschließen zu wollen; ängstlich blickte das Auge nach einer Oeffnung zwischen den hohen, schwarzen, glänzenden Syenitmassen.

   Durch ein enges Felsenthor wälzen sich ungeheure Wogen. Wir treiben mit einer gewissen Beklemmung darauf zu. Urplötzlich stürzen Alle zu Boden, das Schiff ist mit einem entsetzlichen Stoße auf die Felsen gefahren. Aber nur ein leichter Leck ist die Folge dieses allen Muth lähmenden Ereignisses. Auch sind überall Felsen in der Nähe, auf welche man sich wohl zur Noth retten kann. Warum also fürchten?

   Ruhiger und gefaßter machen wir uns auf die Durchfahrt jenes Thores, in das wir in der nächsten Sekunde eintreten müssen, bereit. Wir stehen wenigstens zwölf Fuß über dem Niveau


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werden eingezogen. Jetzt sind wir in dem furchtbaren Loche, dessen Wände uns zu beiden Seiten so nahe sind, daß wir sie mit den Händen erreichen können. Als wolle es uns hinaustreiben in die Luft, so schleudert uns die rasende Gewalt der Strömung über die sprühenden Kämme des Falles hinaus; wir stürzen hinab in den Schlund des Kessels; es brodelt, spritzt, rauscht, tobt, donnert und brüllt um uns her, als wären die Geister von tausend Höllen losgelassen – da packt es uns wieder mit unwiderstehlicher Macht und reißt uns eine schiefabfallende Ebene hinab, deren Wasserfläche glatt und freundlich vor uns liegt, aber gerade unter dieser Glätte die gefährlichste Tücke birgt, denn wir schwimmen nicht, nein, wir fallen, wir stürzen mit rapider Vehemenz die abschüssige Bahn hinab, und –

   »Allah kerihm, Gott ist gnädig!« tönt jetzt die schrille Stimme Hassans. »An die Ruder, an die Ruder Ihr Männer, Ihr Helden! Seht Ihr den Tod denn nicht vor Euch? Amahl, amahl, ja Allah amahl, macht, macht, bei Gott, macht, Ihr Hunde, Ihr Feiglinge, Ihr Söhne, arbeitet, arbeitet, Ihr Männer, Ihr Tapfern, Ihr Helden!«

   Wir schießen einer Scheere zu, welche sich gerade vor uns öffnet und uns im nächsten Augenblicke vernichten muß. Die Felsen sind so scharf und der Fall des Stromes so reißend, daß von dem Schiffe kein handgroß Holzes beisammen bleiben kann.

   »Allah ja sahtir, o Du Bewahrer, hilf! Links, links, Ihr Hunde, Ihr Söhne von Hunden, Ihr Enkel von Hundesöhnen, links, links mit dem Steuer, Ihr Braven, Ihr Herrlichen, Ihr Unvergleichlichen! Allah, Allah! Maschallah, Gott sei Dank!«

   Das Schiff hat den fast übermenschlichen Anstrengungen gehorcht und ist vorübergeflogen. Auf einige Augenblicke befinden wir uns im ruhigen Fahrwasser und Alles stürzt auf die

des anderen Endes dieses Wassersturzes, aber nur einen Augenblick, denn schon erfaßt uns die Gewalt des Stromes. Uns zu beiden Seiten steigen schroffe Felsen fast senkrecht in die Höhe, sie sind von uns kaum acht Fuß entfernt, alle Ruder müssen eingezogen werden. Wie, wenn der Strom unser Schiff an diesen Steinmassen zerschellte, wer vermöchte an ihnen emporzuklimmen? Niemand! Wir wären rettungslos verloren. Aber nur Muth! Die verderblich scheinenden Wogen selbst erretten uns. Sie umfassen, umklammern das Schiff und fort mit sich nehmen sie es in rasender Eile. Wie ein Pfeil vom Bogen jagt es zwischen den Felsmauern hindurch. Da, Allah! gerade vor uns am Ende des Falles erhebt ein mächtiger Felsblock sein trotziges Haupt über die ihn mit machtloser Wuth umtobende Fluth, welche, statt ihn zu zertrümmern, nur dazu beiträgt, ihn furchtbarer zu machen. Hoch auf an ihm spritzt der Gischt, ohnmächtig rieseln die Fluthen zurück, sie sind die Silberlocken dieses Riesenhauptes - und darauf zu stürzt unser Schiff! »Im Namen Gottes, rudert, rudert, ihr Männer, ihr tapferen, ihr gewaltigen, ihr kühnen Männer, rudert, rudert!« stöhnt der Reïs. Vor uns her schwebt, schwankt, taumelt unsere zweite Barke, sie biegt links ab - ein Jubelruf ihrer Matrosen - sie ist in Sicherheit! »Ihr nach, euren Brüdern nach, ihr Männer, ihr tüchtigen Männer!« bittet, schmeichelt, befiehlt der Reïs. Es ist unmöglich. Wir fallen, zwar ohne aufzustoßen, ab, aber auf die andere Seite (...)

   Die Barke jagt noch immer zwischen den Felsen hindurch, aber nach allen Seiten strömt Wasser ab, unser Fahrwasser muß seichter werden. In dieser allgemeinen Noth übertönt die Stimme des siebenzigjährigen Bellahl, des ›Abu el Reïsihn‹, des Vaters der Schiffsführer, das Stimmengewirr des


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Kniee, um dem Allmächtigen zu danken.

   »Eschhetu inu la il laha il Allah!« tönt es jubelnd über das Deck. »Bezeuget, daß es nur einen Gott giebt! Sellem aaleïna be baraktak, begnadige uns mit Deinem Segen!« (40f.)

jammernden Schiffsvolkes, das Brausen des Katarakts: »An die Ruder, ihr Helden*)! [* Ein sehr beliebter arabischer, jungen Männern schmeichelhafter Ausdruck.] Seid ihr denn toll, ihr Kinder der Helden? Arbeitet, arbeitet, ihr Hunde, ihr Knaben, ihr Männer, ihr Tapferen, ihr Braven! Maschallah! Allah kerihm! ja Allah amahl«**)! [** Bei ähnlichen Gelegenheiten folgen Schimpf und Schmeicheleien rasch auf einander. Die letzten arabischen Worte bedeuten: ›Gott ist gnädig‹ und ›Bei Gott, macht!‹] Er selbst handhabt das Steuer. Da fließt nach links ein starker Arm ab, in ihn lenkt Bellahl die Barke, verfolgt den Lauf des Stromzweiges mit sicherer Hand und erreicht freies Fahrwasser. Die Gefahr ist überstanden, unsere Gewehrsalven begrüßen das am Horizonte auftauchende Palmendorf Wadi-Halfa. Die Araber fallen auf ihr Angesicht und beten wie vor der Abfahrt die Fathcha: »Lob und Preis Dir dem Weltenherrn!« (I, 355ff.)

»Ja sahtïr!« - Du Bewahrer, Behüter, Beschützer (hilf)! (II, 109)

   »Eschhetu inu la il laha il Allah!« (...)*) [* Zu deutsch: ›Bezeuget, daß es nur einen Gott giebt!‹] (I, 354)

   »Hauen aaleïna ja rabb, sellem aaleïna be baraktak!« (Hilf uns, o Herr, begnadige uns mit Deinem Segen!) so ruft der gläubige Mahammedaner im brünstigen Gebet. (I, 105)


4. Eine Gerichtsverhandlung

›Leïlet‹

Da die Gerechtigkeit in jenen Ländern von der wichtigen Institution der Actenstöße noch keine Ahnung hat und deshalb sehr schnell und summarisch verfährt, so wurden wir sammt und sonders in Beschlag genommen ...

   Der Sahbeth-Bei oder Polizeidirektor saß mit seinem Sekretair schon unserer Ankunft gewärtig ...

Brehm

In großen Städten sind Justiz und Polizei getrennt, in kleineren vereinigt. Das Verfahren ist überall summarisch. (II, 112)

Wir gingen zum Sahbeth-Beï (Polizeidirektor). Er empfing uns sehr freundlich, ließ Kaffe und Pfeifen präsentiren und behandelte seinen Freund Reitz


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   Nachdem er diesem [Abrahim-Arha] eine Pfeife angeboten ... begann die Verhandlung mit dem Berichte, welchen Abrahim über das Geschehene machte ...

   Sich zu Omar wendend, fuhr er in seinem zornigsten Tone fort:

   »Weißt Du, was Dich erwartet, Hund von einem Sclaven? ... Khawassihn, bringt die Peitsche!«

   Die verhängnißvolle Kette mit den Lederriemen zur Bastonade wurde herbeigeholt, und die Diener der Gerechtigkeit näherten sich meinem braven Haushofmeister, um die stets gern gesehene Execution an ihm zu vollziehen. Mit angstvollen und hülfesuchenden Blicken flehte er zu mir herüber.

   »Besch juhs, gebt ihm fünf Hundert!« lautete der Befehl.

   Jetzt erhob ich mich.

   »Laß die Diener Deiner hohen Gerechtigkeit noch ein Wenig verziehen, o Bimbaschi, und wirf den Blick Deines erleuchteten Auges auf diese Schrift!«

   Ich winkte Omar und ließ durch ihn den Fermahn überreichen ...

   Er gab das Pergamentpapier seinem Secretair, und dieser las:

   »Der Inhaber dieses Buiruldu ist der Kapitän-Effendi N. N. aus N., der auf Befehl seines Königs in Egypten, Nubien und Habesch reist –« (42)

und mich mit der größten Artigkeit. Dr. Reitz trug die Anklage gegen den Effendi vor (...)

   Jetzt wurde der Beï vollends in Wuth versetzt. »(...) Wer bist Du denn vor mir? Ein Hund, dessen Vater, dessen Ahnen Hunde waren, der von einer Hündin geboren wurde! (...)« (II, 244)

»(...) Khawassihn, bringt die Peitsche!«

   Die verhängnisvolle Kette mit den fatalen Lederriemen zur Bastonade erschien, der Reïs wurde gewaltsam niedergeworfen, die Kette um seine Waden gelegt und mit dem Befehle des Bimbaschi: »Besch juhs!« (Fünfhundert!) begannen die Lederstreifen die Füße des Opfers zu bearbeiten. (II, 238)

   Er [der Firmahn] war in türkischer Sprache auf dickes pergamentartiges Papier geschrieben (...)

   Mit diesem Buiruldu oder Firmahn in der Hand konnten wir den türkischen Behörden gegenüber mit einer gewissen Würde und mit weit größerer Energie als früher auftreten. Der türkische Soldat, Aali, welcher von uns aus Berber mitgenommen und willkürlich zum Arha erhoben worden war, hatte ihn von nun an bei unserer Ankunft in einem Orte dem Befehlshaber zu präsentiren (...) (II, 218f.)

   Der Inhaber dieses Buiruldu ist ein Edelmann von Würtemberg, Herr Müller, der mit seinen sechs Begleitern jetzt nach dem Belled Sudahn zu reisen beabsichtigt. (II, 218)


5. Levantiner und Levantinerinnen

›Leïlet‹

»Das Nachbarhaus bewohnte einer jener Levantiner, welche meist als arme Schlucker nach Egypten kommen und durch ehrlose Kunstgriffe und elende Schurkereien nach und nach ein Vermögen zusammenscharren, nach wel-

Brehm

Nur über die Levantiner oder arabischen und zwar meist lateinischen Christen sollte ich wohl noch einiges sagen, aber ich habe, nachdem ich das Wesen und Treiben dieser heuchlerischen Schufte kennen gelernt hatte,


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chem sie blos streben, um es zu besitzen, da bei den Verhältnissen dieses Landes die Klugheit ihnen verbietet, ihre Wohlhabenheit bemerken zu lassen. Der Mann war mit einem Weibe und deren Schwester aus Syrien herübergekommen und, wie ich bald erfuhr, für Geld zu Allem bereit, was Gewinn zu bringen verspricht.

   So wenig Sympathie man für den männlichen Theil der levantinischen Christen hegt, so berühmt sind die Frauen der Levante wegen ihrer oft geradezu sinnberückenden Schönheit und ihrer Herzenseigenschaften, durch welche sie in den vortheilhaftesten Gegensatz gestellt werden zu ihren moralisch verderbten Angehörigen, und ich glaubte fest, unter den Frauen all' der hier vertretenen Racen und Völkerschaften des Orientes sind sie die einzigen, denen sich ein Lebensglück anvertrauen läßt.« (57)

allen Muth und alle Lust verloren, mich mit ihnen mehr als nöthig vertraut zu machen. Ich habe die Männer als tückische und gleißnerische Schurken und unliebenswürdige Gesellschafter kennen und verachten gelernt, und wären nicht ihre Frauen ganz das Gegentheil von ihnen, ich würde nie ein levantisches Haus betreten haben.

   (...) Die Levantinerinnen überraschen durch ihre vollendete Schönheit.

   Und dabei ist ihre Herzensgüte, zumal im Vergleich zu der Schlechtigkeit ihrer Männer, bewunderungswürdig. Von diesen nie nach ihrem Werthe geachtet, oft sogar mißhandelt, bewahren sie noch aus dem Paradiese her die schönste Tugend des Weibes: aufopfernde Treue für den Gegenstand ihrer Liebe (...)

   Die Levantiner, meist aus Syrien stammend, sind jetzt in Egypten Kaufleute (...) Ein rechtlicher Levantiner ist eine überaus große Seltenheit. (II, 85f.; vgl. II, 177)


6. Omar-Arha

›Leïlet‹

Da erhob sich draußen die scheltende Stimme Omar-Arha's, meines Dieners, der zugleich die Stelle eines Ministers aller inneren und äußeren Angelegenheiten bei mir vertrat, und mit einer Liebe und Ergebenheit an mir hing, die von einem Araber einem Christen gegenüber fast beispiellos genannt werden konnte. Er war früher Soldat seiner viceköniglichen Majestät gewesen und nach langjähriger Dienstzeit in Folge seiner Invalidität ohne Weiteres fortgejagt und fast dem Hungertode in die Arme getrieben worden; damals nahm ich ihn zu mir, heilte ihn von seinen Gebrechen und fand mich in der Folge reichlich dafür belohnt. Er bekam gute Kleidung und trug ausgezeichnete Waffen,

Brehm

Unsere Reisegesellschaft vermehrte sich hier in Berber um eine Person. Ein gedienter türkischer, aus Eudin bei Smyrna gebürtiger Soldat, Aali, bat uns flehentlich, ihn mit nach Egypten zu nehmen. Der alte Krieger war bei einem der letzten Kämpfe mit den Abyssiniern durch das Ellenbogengelenk des rechten Armes geschossen und zum ferneren Dienst untüchtig geworden. Er hatte an seiner Wunde wegen Mangel an ärztlicher Hülfe unsäglich gelitten, war, noch krank, des Dienstes entlassen und von dem nichtswürdigen Obersten, Mahammed-Arha-Wannli, ohne seinen rückständigen Sold in die Welt hinausgestoßen worden. Krank war er im Su-


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zwei Dinge, welche ihn mit unendlichem Stolze erfüllten, und als ich ihm später noch die Vollmacht gab, mit dem königlichen Firman (Reisepaß, Empfehlung) in der Hand mich in den meisten geschäftlichen Angelegenheiten zu vertreten, da fühlte er die ganze Größe seiner Würde und wiederholte mir fast täglich die Betheurung:

   »Was war ich, o Herr, als Du mich fandest und Dich mein erbarmtest? Eine todte Ratte, ein Hund, den man von sich stößt! Und was bin ich bei Dir geworden? Ein Sihdi (Herr), vor dem sich der Fellah fürchtet und der Türke zittert. El hamdi lillahi, Gott sei Dank!«

   Außer seiner Treue und Zuverlässigkeit besaß er noch eine ganz besonders schätzenswerthe Eigenschaft in einem Humore, der nie zu versiechen schien, bei jeder Gelegenheit hervorsprudelte und selbst der ernstesten und schlimmsten Lage noch eine heitere Seite abzugewinnen wußte. ›Mukle‹, Spaßvogel, wurde er deshalb von allen Denjenigen genannt, denen er eine solche Vertraulichkeit gestattete; und da er, wie die meisten Araber, bei jedem Selbstgespräche sich eine Person vorstellte, mit welcher er sprach, so hielt er oft unter seinen eigenen zwei Augen die köstlichsten Reden, über welche das Zwerchfell eines etwaigen Zuhörers in die größte Gefahr gerathen wäre. (7)

   ... Omar ernst und stolz, wie ein Pascha von drei Roßschweifen, im Gürtel die silberbeschlagenen Pistolen und den scharfen, glänzenden Dolch, in der Hand aber die unvermeidliche Nilpeitsche, das beste Mittel, sich unter der dortigen Bevölkerung Achtung und Berücksichtigung zu verschaffen. (8)

dahn herumgeirrt, mehr und mehr war er heruntergekommen, jetzt befand er sich im tiefsten Elende. Demüthig bat er um ein Plätzchen auf dem Schiffe, welches er durch treue Dienste reichlich zu bezahlen versprach. Wir erbarmten uns des Armen, nahmen ihn auf und fanden bald, daß Aali ein sehr brauchbarer Diener und eine treue Seele sei. Er hat sich mir dann späterhin immer nützlich, zuletzt sogar unentbehrlich zu machen gewußt. (I, 348)

   Der türkische Soldat, Aali, welcher von uns aus Berber mitgenommen und willkürlich zum Arha erhoben worden war, hatte [den Firmahn] von nun an bei unserer Ankunft in einem Orte dem Befehlshaber zu präsentiren; er wurde mit sauberer und anständiger Kleidung ausgestattet, erhielt ein Paar mit Silber beschlagene Pistolen und vermehrte durch sein oft wirklich unverschämtes Auftreten unser Ansehen bei seinen Landsleuten. Es imponirte den Türken, wenn ich, statt selbst zu erscheinen, vornehm nur meinen Khawahs in den Diwahn schickte, um von ihm meine Angelegenheiten besorgen zu lassen. Aali-Arha war ganz zu diesem Geschäfte geeignet und ein treuer, ehrlicher, mir von ganzer Seele ergebener Diener. (II, 219; vgl. III, 260)

   »(...) Hätte ich Euch nicht gefunden, ich [Aali-Arha] wäre elendiglich verhungert und Mahammed-Arha (so hieß der Chef) hätte es geschehen lassen (...)« (III, 72)

   Wir hüteten uns wohl, ihn [Aali-Arha] durch hier nicht angewandte menschenfreundliche Gegenvorstellungen in seinen harten Maßregeln zu stören, sondern ließen ihn ganz ruhig seine Peitsche anwenden und sicherten uns bei diesen Menschen ein weit größeres Ansehen dadurch, daß wir nach türkischer Manier lieber unsern Khawassen beauftragten, die gegebenen Befehle auszuführen, als wenn wir selbst des-


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sen Handleistungen übernommen hätten. (III, 11; vgl. III, 28)

(...) einer meiner Diener Aali, mit dem Spitznamen Mukle*) [* Mukle soll in der Berbersprache einen närrischen Kauz oder spaßhaften Kerl bedeuten, und das war Mukle allerdings.] (III, 29; vgl. III, 29-32; II, 256)


A n h a n g II: Wörterverzeichnis

Wörter, die bei beiden Autoren starke Unterschiede in der Schreibweise haben, wie z. B. Yatagan,(73) Jatagahn (Brehm I, 192), wurden nicht aufgenommen; verzichtet wurde ebenfalls auf gängige Begriffe wie Divan, Harem, Koran, Mokka, Pascha etc. Ein Ausdruck wird so zitiert, wie er bei May vorkommt, bei Brehm nur dann, wenn die Schreibung und/oder Bedeutung abweicht. Gewöhnlich ist nur eine Belegstelle angegeben. Der arabische Artikel ›el‹ wurde bei der alphabetischen Reihenfolge berücksichtigt. Ein höchstwahrscheinlich von May selbst aus vorgefundenen Bestandteilen geschaffenes arabisches Sprachbild ist durch * markiert. (Sigel: L = Leïlet; G = Die Gum; S = Die Rose von Sokna; W = Unter Würgern)


MayBrehm
Aaïb aaleihu - Schande über ihn (L 58; G 191); Aaïb aaleïhu (W 646)(II, 176)
Abu el Reïsahn - Vater der Schiffsführer (L 24) Abu el Reïsihn (I, 357)
*Abu el Salßali - Vater des Erdbebens, Löwe (S 14) Abu - Vater (I, 323); Djebel el Salßali - Berg des Erdbebens (I, 60)
Ain el schemms - Sonnenquelle, östliches Thor (von Murzuk) (S 14) Aïn el Schemms - Sonnenquelle (Süßwasserquelle bei Heliopolis) (II, 159)
Allah hu akbar - Gott ist noch größer (S 30)(I, 104)
Allah ja sahtir - o Du Bewahrer (L 41)(I, 29)
Allah kerihm - Gott ist gnädig (L 23; S 15; W 634); Allah kerim - Gott ist gnädig (L 73; G 206)(I, 357)


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May Brehm
Ama die bacht – welch ein Glück (G 205); Ama di Bacht – das ist ein Glück (S 29); Ama di bacht – welch ein Glück (W 648)(III, 72)
Amahl, amahl, ja Allah amahl – macht, macht, bei Gott, macht (L 41); Amahl – herbei (S 62)(I, 357)
Arha (L 42)(I, 192, 249)
Assad, der Aufruhrerregende (Löwe) (G 191; S 14; W 646); Assad Bei, der Heerdenwürger (G 190; W 646)(III, 115)
Assr (Zeit des Karawanenaufbruchs) – Reiseaufbruch für alle ächten Araber (S 29); zwei Stunden vor dem Abend (G 191; W 619) Aassr - Zeit der Abreise aller Araber oder zwei Stunden vor Sonnenniedergang (I, 46)
*Bab-el-Hadjar – Thor der Steine (W 653, 667) Bahb el Nassr - Siegesthor (II, 158); Battn el Hadjar - Bauch der Steine, d. i. Steinthal (I, 75)
Bakschihsch – Geschenk (L 8) Bakhschiesch - Trinkgeld (II, 118)
Battn el Hadjar – Bauch der Steine (G 205; W 647)(I, 75)
Be issm lillahi – in Gottes Namen (S 31; W 647)(I, 47)
*Be issm lillahi radjal – um Gottes willen, auf, Ihr Männer (G 208); Be issm billahi radjal (W 636) Be issm lillahi (I, 47); Ja radjel - o Mann (II, 220)
Bei – der Oberste (G 206) [sonst meist bei Namen](I, 87)
*Bei el Urdi – Herr des Lagers (G 206); Bei-el-Urdi – Vorsteher des Lagers (W 648) Bei (I, 87); el Urdi - das Lager (I, 87)
Besch juhs – gebt ihm fünf Hundert (L 42)(II, 238)
Bimbaschi – Major (L 42)(I, 138; 194)


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May Brehm
Birket – kleiner See (S 46; W 644)(I, 277)
Birket el fehlate – toter See (G 191; W 666); Birket el fehlatn (W 644)(III, 248)
Bischahrihnhedjihn, (S 29); Bischarihahedjihn (S 31); Bischarinhedjihn (G 206; W 644); Bischarin (W 651); Bischahrihnhedjihn, Bischahri (I, 93ff.); Bischari-Araber (II, 235), Bischahrihn (I, 93)
Buiruldu – Ausweispapier (L 42)(II, 218)
Dahabïe – Nilbarke (L 24)(I, 21)
Djebeli – Tabak (L 7)(I, 342)
Djemmel – Kamel (L 27; G 206; S 29; W 619)(I, 29)
Effendi (L 23; S 14)(II, 220)
Effendi el kebihr – der große Herr (L 7) Effendi kebihr - Vizekönig (III, 285)
Effendina (L 27)(I, 302)
El Büdj – Bartgeier (G 205; S 30; W 648)(I, 118f.)
El hamdi lillahi – Gott sei Dank (L 7)(I, 342)
El Kasr – Bergfestung (S 29); Kasr oder Ksur – Schloß (W 667) el Khassr - das Schloß (I, 71; vgl. III, 300)
El Kebihr (Effendi el k.: L 7; Mahmud el k.: G 191; Hassan el K.: W 619) Effendi kebihr - Vizekönig (III, 285)
El Rhassahl – Gazelle (G 205; W 648)(I, 116)
El salahm aaleïkum – mit euch sei das Heil (L 55); El salem aleïkum (L 24); Salehm aleïkum (L 8); Salem aleïkum (L 8f., 26f., 73); Salem aaleïkum (S 14f., 62)(II, 90)
El Tabäa – Hyäne (G 205; S 63; W 648)el Tabaae (I, 117); el Tabaä (III, 29)


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May Brehm
El Thibb – Schakal (G 205; S 63; W 648); Wüstenwolf (W 686) el Thihb (I, 116)
El Timsach – Krokodil (S 15)(III, 39)
Esbekïe (L 55)(I, 367)
Eschhetu inu la il laha il Allah – Bezeuget, daß es nur einen Gott giebt (L 41)(I, 354)
Fakhir (L 8) Fakhïe - Geistlicher (I, 154)
Fathcha – erste Sure des Korans (L 40; S 31)(I, 346, 354)
Firmahn (L 27); Firman – Reisepaß, Empfehlung (L 7); Fehrmahn – Ausweispapier (L 42)(II; 218)
Fellah (L 7)(I, 41)
Hai aal el sallah – Ja, rüste Dich zum Gebete (S 30; G 191); Haï al el salah – auf, zum Gebete (L 24)(I, 32; II, 88f.)
Hasa nessieb – das hat Gott geschickt; das ist Gottes Schickung (G 205, 222; W 648)(III, 72)
Hauehn aaleihu ia Allah – hilf ihnen, o Gott! (G 206); Hauehn aaleïhu ia Allah (W 685) Hauen aaleïhu ja rabbi - Hilf ihm, o Herr (II, 77)
*Hedjahn-Bei – der Mörder der Karawanen (L 24); der Karawanenwürger (G 207; W 620) Hedjahn - Reiter eines Hedjihn (I, 99); Bei - Oberst (I, 87)
Hedjihn (das) – Reitkamel (G 206; S 29; W 644)(der) Hedjihn (I, 93)
Ja radjal – Mann (S 46) Ja radjel - o Mann (II, 220)
Kahschef – Bezirksvorsteher (S 14)(I, 89)
Kef – Mittagsruhe (L 7)Keïf - Siesta (I, 165f.)


//266//

May Brehm
Kelb – Hund (G 205; S 62; W 620)(II, 47)
Khawassihn, Khawassen – Polizisten (L 42)(II, 113, 238); Khawassen
Leïlet – Nacht (L 8, 11) (Sallam leïlet – Die Nacht sei Dir glücklich: W 687) Leïlet el nukhtha - die Nacht des Tropfens (II, 24)
Leïlkum saaïde – glückliche Nacht (L 24); gute Nacht (L 56); Leïkum saaïde – die segensreiche Nacht (S 31)(I, 90); Leïlkum saide (I, 353)
Mahlesch – das ist Nichts (G 191)(I, 77)
Marhaba – Du sollst willkommen sein (L 27; G 191; W 618)(II, 85)
Maschallah (L 11; W 621)(I, 337)
Mueddihn (G 191); Mueddin (S 30; W 607)(I, 32)
Mukle – Spaßvogel (L 7)(III, 29)
Mustahmel – Steuermann (L 39)(I, 48)
Narghileh – Wasserpfeife (S 62)(III, 317)
Nuktha – Tropfen der Erheiterung (W 663f.) Leïlet el Nukhtha - Nacht des Tropfens (II, 24)
Rabbena chaliek – der Herr erhalte dich (L 10); Rabbena chalïek (L 40); Gott erhalte Dich (G 223); Rabbena chaliëk (W 618); Rabbena chaliük – Gott erhalte Dich (W 664)(I, 71)
Rad – Donner (W 648) raad - donnern (III, 249)
Rauïe – Lastgestell (S 31)(I, 97)
Reïs – Kapitän (L 24)(I, 22f.)
Rhaschihm – fremd (G 205); Rhassihm – Neuling (S 29)(II, 140; II, 254)


//267//

May Brehm
Sahbeth-Bei – Polizeidirektor (Sahbeth-Effendi) (L 42)(II, 244)
Sallah el nebbi – Preist den Propheten (L 55)(II, 133)
Sandal – Schnellsegler (L 39)(I, 49)
Schech el Djemahli – der Älteste (Oberste) der Kameltreiber (S 15); Schech el Djemali (G 206; W 664)(I, 91)
Schellahl – Stromschnelle, Katarakt (L 40)(I, 77)
Sellem aaleïna be baraktak – Begnadige uns mit Deinem Segen (L 41)(I, 105)
Serdj – Sattel (G 191; S 31; W 634)(I, 98)
Sihdi – Herr (L 7; G 191; S 14; W 618)(I, 29; II, 47, 220)
*Sihdi el salssali – Herr des Erdbebens, Löwe (G 204); Sihdi-el-salssali (W 647); Abu el Salßali – Vater des Erdbebens (S 63) Sihdi (I, 29; II 47, 220); Djebel el Salßali - Berg des Erdbebens (I, 60)
Tachterwan – Frauenkorb, Kamelsänfte (S 63) Tachterwahn (I, 100)
Tarbusch (Kopfbedeckung) (L 7, 40) Tarbuhsch (I, 197; II, 53)
Tefattelan – wenn Dir's gefällig ist (S 63)(I, 340)
Thiuhr el Djinne – Vögel des Paradieses, Schwalben (S 30; G 191)(II, 198)
Trikehta – kleineres Segel (L 40)(I, 49)
Wadi (G 204; S 46; W 634)(I, 71)
Warde – Rose (L 58)(II, 227)


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1 Karl May: Der verlorne Sohn oder Der Fürst des Elends. Dresden 1884-86, S. 202; Reprint Hildesheim-New York 1970ff.

2 Alfred Edmund Brehm: Reiseskizzen aus Nord-Ost-Afrika. Zweiter Theil. Jena 1855, S. 218f.; der vollständige Titel lautet: Reiseskizzen aus Nord-Ost-Afrika oder den unter egyptischer Herrschaft stehenden Ländern Egypten, Nubien, Sennahr, Rosseeres und Kordofahn gesammelt auf seinen in den Jahren 1847 bis 1852 unternommenen Reisen. Das Werk erschien 1855 komplett in 3 Teilen im Verlag von Friedrich Mauke in Jena: Erster Theil: Reise von Egypten nach Kordofahn und zurück. Zweiter Theil: Aufenthalt und Reisen in Egypten. Dritter Theil: Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr.

Brehms Reiseskizzen werden im folgenden unter dem Sigel Brehm zitiert, wobei die beigefügten römischen Zahlen den betreffenden Teil der ›Reiseskizzen‹, die arabischen Ziffern die Seiten bezeichnen.

3 Karl May: Leïlet. In: Feierstunden am häuslichen Heerde. 1. Jg. (1876/77); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1994 (künftig Leïlet)

4 Als namhafte Figur erscheint der Ich-Erzähler als Kara Ben Nemsi erstmals 1881 in ›Giölgeda Padis'hanün. Reise-Erinnerungen aus dem Türkenreiche‹. In: Deutscher Hausschatz. VII. Jg. (1880/81).

5 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. I: Durch Wüste und Harem. Freiburg 1892, S. 2

6 Auf Alfred Edmund Brehm als eine Quelle Karl Mays hat zuerst Fritz Maschke: Karl May und Alfred Brehm. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 7/1971, hingewiesen, besonders auf die ›Fahrt über den Nilkatarakt‹ in ›Leïlet‹ resp. ›Durch Wüste und Harem‹, Kap. 4.

Alfred Schneider: Nochmals – Karl May und Alfred Brehm. In: M-KMG 8/1971, der sich auf einen Hinweis von Manfred Hecker bezieht, wonach May für die Beschreibung der Krokodilhöhlen von Monfalut Brehms ›Reiseskizzen aus Nord-Ost-Afrika‹ (Jena 1853) benutzt habe, kann seit Bernhard Kosciuszko: »In meiner Heimat gibt es Bücher.« Die Quellen der Sudanromane Karl Mays. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1981. Hamburg 1981, S. 64-87, als widerlegt gelten. Bernhard Kosciuszko: ›Leïlet‹ – ›Eine Rose des Morgenlandes‹. In: M-KMG 63/1985, S. 26, wies auch auf Brehms Erzählung ›Eine Rose des Morgenlandes‹ als Vorlage für Mays ›Leïlet‹ hin. Wolfgang Hammer: Alfred Brehm als Quelle für Mays Arabisch. In: M-KMG 101/1994, S. 17ff., machte auf Brehm als sprachliche Quelle aufmerksam, vgl. hierzu Helmut Lieblang: »Sieh diese Darb, Sihdi ...« Karl May auf den Spuren des Grafen d'Escayrac de Lauture. In: Jb-KMG 1996. Husum 1996, S. 132-204.

7 Wolfgang Hammer: Karl Mays Novelle ›Leilet‹ als Beispiel für seine Quellenverwendung. In: Jb-KMG 1996. Husum 1996, S. 205-30

8 »Karl May hat seine Helden auf viele Schauplätze geführt. Aber drei Handlungsräume hatten es ihm besonders angetan: das heimatliche Deutschland, der Orient und der Wilde Westen Nordamerikas. Legt man die einzelnen Titel seines erzählerischen Werkes zugrunde, so spielen etwa 29,3 Prozent seiner Geschichten ganz oder teilweise in der engeren und weiteren Heimat, ungefähr 25,5 Prozent im Orient und rund 24,2 Prozent in Nordamerika und Mexiko. Die restlichen 21 Prozent verteilen sich auf zahlreiche andere Schauplätze (...) Berücksichtigt man jedoch auch die literarische Form der Geschichten und damit ihren Umfang, dann dürfte der Orient den Spitzenplatz belegen.« (Hainer Plaul: Eine Einführung [in Karl May's Orient]. In: Karl-May-Haus-Information 7. Hohenstein-Ernstthal (1994), S. 1)

9 Etwa 80 % der fremdsprachlichen Ausdrücke in ›Leïlet‹ stammen aus Brehm; in Karl May: Die Gum. In: Frohe Stunden. 2. Jg. (1878); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1971, sind es 60 %; in Karl May: Die Rose von Sokna. In: Deutsche Gewerbeschau. 1. Jg. (1878/79); Reprint in: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1985, sind es 40 %; vgl. dazu Hammer: Mays Arabisch, wie Anm. 6.

10 Vgl. Herbert Meier: Karl May und Jules Gérard, die ›Löwentöter‹. In: Jb-KMG 1993. Husum 1993, S. 191-228.

11 Vgl. Lieblang, wie Anm. 6.


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12 Vgl. hierzu Heinz Stolte: Mein Name sei Wadenbach. Zum Identitätsproblem bei Karl May. In: Jb-KMG 1978. Hamburg 1978, S. 37-59.

13 Helmuth von Moltke: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin, Posen und Bromberg 1841, S. 149f.

14 Heinrich von Maltzan: Reise in den Regentschaften Tunis und Tripolis. Bd. 1. Leipzig 1870, S. 59

15 Von den Römern auch im euphemistischen Sinn für Unterwelt gebraucht

16 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 139; Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul

17 May: Durch Wüste und Harem, wie Anm. 5, S. 1

18 Karl May: Das Waldröschen oder: Die Verfolgung rund um die Erde. Dresden 1882-84, S. 720; Reprint (einer späteren Auflage) Hildesheim-New York 1969ff.

19 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IV: In den Schluchten des Balkan. Freiburg 1892, S. 483

20 Karl May: Der schwarze Mustang. Stuttgart 1899, S. 48

21 May: Gum, wie Anm. 9 , S. 204

22 Ebd., S. 191

23 May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 30

24 Karl May: Deutsche Herzen, deutsche Helden. Dresden 1885-87, S. 766f.; Reprint Bamberg 1976

25 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«. Lese-Notizen zu Karl Mays ›Am Jenseits‹ (Materialien zu einer Charakteranalyse II). In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973, S. 155

26 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXV: Am Jenseits. Freiburg 1899, S. 36f.

27 May: Gum, wie Anm. 9, S. 206

28 May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 29

29 May: Gum, wie Anm. 9, S. 205

30 Ebd., S. 206

31 Ebd., S. 222

32 May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 29

33 Karl May: Unter Würgern. In: Deutscher Hausschatz. V. Jg. (1878/79), S. 644; Reprint in: Karl May: Kleinere Hausschatz-Erzählungen. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Regensburg 1982; die Erzählung erschien in der Buchausgabe unter dem Titel ›Die Gum‹ (Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. X: Orangen und Datteln. Freiburg 1894, S. 1-154), sie ist nicht identisch mit der in Anm. 9 angeführten ›Gum‹ aus dem Jahre 1878.

34 May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 31

35 Ebd.

36 May: Gum, wie Anm. 9, S. 208; vgl. auch May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 628.

37 May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 15

38 May: Gum, wie Anm. 9, S. 205

39 Ebd.; vgl. May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 63; May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 648.

40 Verwiesen sei hier auf eine Stelle in Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VI: Der Schut. Freiburg 1892, S. 95, wo Karl May Hyäne und Schakal wiederum erwähnt, in allerdings seltsamer sprachlicher Paarung: »... Die Sprache des Propheten hat zwar ein Wort für Bär, nämlich ›Dibb‹, aber mit diesem Wort wird zuweilen auch die Hyäne bezeichnet ...« ›Dibb‹ ist natürlich der ›Thibb‹ der frühen Orienterzählungen, wo er aber den Schakal und nicht die Hyäne bezeichnet. Erinnerungstäuschung oder weitere Vorlage?

41 May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 666

42 May: Gum, wie Anm. 9, S. 207; vgl. May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 62.

43 May: Gum, wie Anm. 9, S. 205; vgl. May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 648.

44 May: Durch Wüste und Harem, wie Anm. 5, S. 285

45 Ebd., S. 62

46 May: Am Jenseits, wie Anm. 26, S. 65


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47 Vgl. dazu Meier, wie Anm. 10; Lieblang, wie Anm. 6.

48 May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 646; vgl. May: Gum, wie Anm. 9, S. 191, May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 14, May: Durch Wüste und Harem, wie Anm. 5, S. 387f.

49 May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 647f.; zur Klammer: im ›Hausschatz‹ steht Erdbodens, es handelt sich hierbei jedoch eindeutig um einen Setzerfeher, da in der linken Spalte der S. 647 steht: »... Klauen des Thieres, welches der Herr des Erdbebens ist ...«, und in der Buchausgabe der Fehler berichtigt wurde, vgl. May: Die Gum (1894), wie Anm. 33, S. 61.

50 Der gleiche Ausdruck für den Löwen findet sich auch bei Wilhelm Junker: Im Sudan. Reisen 1875-1878. Leipzig o. J. (1890), S. 491: »El Asad, der Aufruhr Erregende«.

51 May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 14

52 Vgl. dazu weiter oben und Lieblang, wie Anm. 6.

53 May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 648

54 Ebd., S. 635 und S. 638

55 Graf d'Escayrac de Lauture: Die Afrikanische Wüste und das Land der Schwarzen am obern Nil. Leipzig 1855. Vgl. dazu Lieblang, wie Anm. 6.

56 May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 663

57 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß Heinrich August May, Karls Vater, dem Jungen alles nur Greifbare an Wissen vehement aufnötigte: »(...) ganze Kompanien von alten Gebetbüchern, Rechenfibeln, antiquierten Naturgeschichten muß der Junge wahllos abschreiben. Die Reaktion mag schon damals unter der Schwelle sich eingestellt haben: durchsichtiger zumindest wird, warum sein Umgang mit dem Wissen (zu schweigen von ›den Wissenschaften‹) zeitlebens dilettantisch blieb und nie die Heftigkeit des Kennverlangens erreichte, die den eigentlichen Autodidakten bezeichnet.« (Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 22)

58 Der Einfachheit halber seien nur diejenigen fremdsprachlichen Ausdrücke und Namen genannt, die gar nicht oder in abweichender Schreibung bei Brehm vorkommen: Abrahim (Brehm: Abraham, Ibrahim); Bakschihsch (Brehm: Bakhschiesch); (Wüste von) Dakel (Brehm: Wadi-el Dachele); Divan (Brehm: Diwahn); Fakhir (Brehm: Fakhïe); Fez; Giaur; Hafihs-Pascha, der Diamantenspendende; Harem (Brehm: Harehm); Isa Ben Marryam; Muhamed/Muhamedaner (Brehm: Mahammed/Mahammedaner); Padischa; Pascha von drei Roßschweifen; Tarbusch (Brehm: Tarbuhsch); Uëlad Sliman; Zuleika; Kef (Brehm: Keïf).

59 Vgl. die in Anm. 6 und 7 genannten Arbeiten Hammers.

60 Hammer: Mays Arabisch, wie Anm. 6, S. 18

61 May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 663

62 Vgl. dazu Lieblang, wie Anm. 6.

63 May: Unter Würgern, wie Anm. 33, S. 664

64 Fälschlicherweise bemerkt Hammer: Mays Arabisch, wie Anm. 6, S. 19: »Z. B. ersetzt er Brehms (...) ›Essed‹ = Löwe durch Assad (...)«.

65 Bogumil Goltz: Ein Kleinstädter in Aegypten. Berlin 1853. Goltz (*20. 3. 1801 Warschau, † 12. 11. 1870 Thorn) war seinerzeit als Schriftsteller in Deutschland sehr bekannt durch seine humorvollen, bisweilen zynischen Werke über Volks- und Völkerleben: Deutsche Entartung in der lichtfreundlichen und modernen Lebensart. Frankfurt 1844; Die Deutschen. Berlin 1860; Die Bildung und die Gebildeten. Berlin 1864, u. a.

66 Wie gesagt, verwendet Brehm selbst den Namen ›Kahira‹ in seinen ›Reiseskizzen‹ nur als Zitat. Aber in seinem in der ›Gartenlaube‹ (Jg. 1860) erschienen Artikel ›Bilder vom Nil. I. Ein Blick in und auf Kairo‹ benutzt auch er häufiger die arabische Bezeichnung, wenn auch in leicht anderer Schreibweise: »Khahira, die Siegende«; »Massr el khahira«.

67 Hammer: ›Leïlet‹, wie Anm. 6, S. 266

68 Ebd.

69 Ebd.

70 Siehe dazu Anhang I: Gegenüberstellung.


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71 Nämlich: nuktha (Brehm II, 24), rad (Brehm III, 249) und aaleïk (Brehm III, 276); siehe dazu auch Anhang II: Wörterverzeichnis.

72 Brief Peter Roseggers an Robert Hamerling vom 12. 7. 1877; zitiert nach Alfred Schneider: »... unsere Seelen haben viel Gemeinsames!« Zum Verhältnis Peter Rosegger – Karl May. In: Jb-KMG 1975. Hamburg 1974, S. 228; unter dem Titel ›Die Rose von Kahira‹ erschien Mays Erzählung ›Leïlet‹ im 2. Jg. (1878) der von Rosegger herausgegebenen Monatsschrift ›Heimgarten‹.

73 May: Rose von Sokna, wie Anm. 9, S. 62


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