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Karl Mays chinesische Vokabelliste – ein Kommentar

Von Walter Schinzel-Lang



Als kleine Sensation empfanden es der leider viel zu früh verstorbene Karl-May-Verleger Roland Schmid und der Verfasser dieser Zeilen schon, als bei der Suche nach von Karl May möglicherweise verwendeten chinakundlichen Quellen in den Beständen seiner Handbibliothek diese mehrere Seiten umfassende, zweifellos von May selbst niedergeschriebene Wörterliste auftauchte. Ein Karl-May-Autograph, das bis dato nicht bekannt war! Woher kamen diese Wörter, wofür wurden sie verwendet? Neben derartigen Fragen entstand auch die Hoffnung auf Antworten, über die bislang an anderer Stelle nur spekuliert werden konnte.

   Leider hatte sich eine eingehende Beschäftigung mit diesem Manuskript bisher nicht ergeben. Hier soll nunmehr Karl Mays chinesische Vokabelliste der Öffentlichkeit vorgestellt werden, die chinesischen Wörter, insbesondere was ihre weitere Verwendung betrifft, können nur ausgewählt diskutiert werden. (1) Der Karl-May-Stiftung, Radebeul, ist an dieser Stelle dafür zu danken, daß sie das Autograph der Liste zum Abdruck im vorliegenden Jahrbuch zur Verfügung stellte.

   Karl Mays eigenhändig geschriebene Liste chinesischer Vokabeln ist für die Erforschung der Umstände, unter denen er die chinesische Sprache verwendete, außerordentlich interessant. Denn hier sind nicht nur zahlreiche Wörter und Ausdrücke verzeichnet, die sich dann in seinem Werk wiederfinden, sondern es lassen sich damit auch einige Quellen ermitteln, aus denen Karl May einen guten Teil seiner chinesischen Sprachzitate geschöpft hat und die damit aber auch zeigen, daß er durch seine gelegentlich oberflächliche und kursorische Zitierweise für eine ganze Reihe von Unkorrektheiten bei seinen chinesischen Sprachzitaten durchaus selbst verantwortlich ist. Auf der anderen Seite belegt aber die Vokabelliste deutlich, daß Karl May eigentlich versuchte, sich das für seine Arbeit benötigte Chinesisch ganz systematisch zu erschließen und sich mit der Anlage einer eigenen Vokabelliste ernsthaft bemühte, verläßliches – und zumindest für ihn selbst nachvollziehbares – Material für die von ihm gewünschten Sprachzitate zu erhalten.


Fundort

Die unter der Nr. 618 in Karl Mays Bibliothek aufgeführte Schrift(2) von

J. Heinrigs: Ueber die Schrift der Chinesen, nebst Uebersetzung und Erläuterung ihrer Schlüssel, welche auf den hierzu gehörigen Tafeln figürlich dargestellt sind. Köln 1848,


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ist mit einer Anzahl leerer Seiten zu einem Buch zusammengebunden. Karl Mays eigenhändig geschriebene chinesische Vokabelliste erscheint an dessen Ende auf insgesamt zwölf Seiten, allerdings folgen diese beschriebenen Seiten nicht durchgängig aufeinander. Nach seiner Manuskriptseite 4 ist eine Leerseite, nach der Manuskriptseite 6 zwei, nach der Seite 9 wiederum eine, und zwischen den Seiten 11 und 12 befinden sich 31 leere Seiten; lediglich auf der direkt nach der Manuskriptseite 11 folgenden, ansonsten leeren Seite findet sich oben links der handschriftliche Eintrag tsche = Derjenige welcher; der wer. Es scheint so, daß Karl May seine Vokabelliste in den bereits zusammengebundenen Band eingetragen hat. Nun verdient Heinrigs' Werkchen ›Ueber die Schrift der Chinesen‹ nicht nur deshalb, weil sich Karl Mays Vokabelliste in einer Zusammenbindung damit befindet, unser Interesse, sondern vor allem, weil es erkennbar selbst als Quellenmaterial für die Vokabelliste gedient hat. Karl May dürfte diese Schrift, die lediglich aus vier Seiten Text und einer doppelseitigen Tafel besteht, noch in den 70er Jahren erworben haben. Darauf läßt der aufgedruckte ovale Stempel ›Carl May / Redacteur‹ schließen. (3) Der Autor dieser Tafel und der Erläuterungen war offensichtlich weniger ein Fachmann für Chinesisch, sondern eher für Kalligraphie, wie eine Anzeige auf der vierten Textseite nahelegt. Wie er selbst angibt, stützt er sich bei seiner Darstellung bewußt nicht auf Sinologen, »da die neueren Arbeiten eines R e m u s a t, K l a p r o t h und sonstiger Engländer und Franzosen seit dem Jesuiten K i r c h e r nur für den Gelehrten von Werth sind«, (4) sondern auf ein französisches Kunstlexikon. Es geht ihm um die Darstellung der graphischen Besonderheiten der chinesischen Schrift und nicht um eine Einführung in die chinesische Sprache. Schon insofern eignet sich die Schrift nicht zur Verwendung als Wörterbuch. Dargestellt werden die 214 Schriftzeichen, die als Ordnungselemente für die chinesische Lexik verwendet werden. Heinrigs erläutert selbst: »Die Schriftzeichen zerfallen also in zwei Arten: 1) in die zusammengesetzten, die aus den einfachen sich erklären, gleichsam als aus den Wurzelzeichen; und 2) in die einfachen. Letztere heißen darum S c h l ü s s e l, und sie sind es, die ich auf beiliegender Tafel biete.« (5) Auch aus diesem Grunde eignet sich die vorliegende Liste Heinrigs' kaum dafür, einen chinesischen Grundwortschatz zusammenzustellen.

   Da die Mehrzahl der chinesischen Schriftzeichen zweiteilig, ideographisch-phonetisch zusammengesetzt sind – wobei beide Bestandteile oftmals wieder aus mehreren graphischen Elementen bestehen können – und es deutlich mehr lautangebende graphische Einheiten, Phonetika, als begriffsbezeichnende, Significa, gibt, lag es nahe, letztere als Ordnungselemente zu verwenden. Allerdings mußten dann alle chinesischen Schriftzeichen, also auch diejenigen, die nicht ideographisch-


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phonetisch aufgebaut sind, irgendwie den durch bestimmte Significa definierten Zeichengruppen untergeordnet werden. Diese Gruppen von Schriftzeichen heißen chinesisch einfach ›Abteilungen‹ ‹bu› und die sie bestimmenden Zeichen ›Abteilungs-Haupt‹, ‹bu-shou›. (6) In der deutschsprachigen Chinawissensschaft wurden diese Schriftzeichen zunächst ›Classenhaupt‹, ›Klassenzeichen‹ oder ›Schlüssel‹ genannt, später hat sich auch hier, wie generell in der abendländischen sinologischen Terminologie, der Begriff ›Radikal‹ eingebürgert. Zahl und Anordnung dieser Radikale änderten sich vielfach. Die in Heinrigs' Tabelle vorliegende Anordnung der 214 Radikale wurde erstmals in dem mingzeitlichen, 1615 von Mei Ying-zuo erstellten Wörterbuch ›Zi-Hui‹ angewendet und mit dem berühmten, vom chinesischen Kaiser Kang-Xi (reg. 1662-1722) in Auftrag gegebenen Wörterbuch ›Kang-Xi Zi-Dian‹ von 1716 bis in die jüngste Zeit allgemein verbindlich. Die 214 Radikale sind einfach nach der Zahl ihrer Einzelstriche angeordnet, von Radikalen, die nur aus einem Strich bestehen, bis zum Radikal/Zeichen Nummer 214, das aus 17 Einzelstrichen besteht. Nun sind eine ganze Anzahl dieser 214 Radikale nicht als selbständige Schriftzeichen in Gebrauch und tragen als Merkhilfe eher eine historische oder gar fiktive Bedeutung. Im Prinzip dienen die Radikale nur als graphische Bestandteile von Schriftzeichen, und ihr semantischer Wert liegt allenfalls in der Angabe eines vagen Bedeutungsspektrums. Wie aus der doppelseitigen Tabelle ›Schlüssel der chinesischen Schrift‹ hervorgeht, hat J. Heinrigs die dort dargestellten Schriftzeichen selbst entworfen: »J. Heinrigs scripsit.« Entsprechend wenig befriedigen Heinrigs' ›Schlüssel‹ die ästhetischen und formalen Ansprüche ›echter‹ chinesischer Schriftzeichen. Außerdem lassen sich mit den 214 ›Schlüsseln‹ selbst ja eigentlich keine Wörter bilden, sondern nur Schriftzeichen, und wenn man dem kritischen Resümee des großen chinesischen Schriftstellers der Moderne, Lu Xun (1881-1936), folgt, wonach sich die chinesischen Schriftzeichen in Bilderzeichen ohne Bilder und in gleichlautende Zeichen ohne gleiche Laute verwandelt haben, ist nicht einmal dies ohne weiteres möglich. Karl May hat aber diese Liste, die ihm wohl als eine der ersten Quellen für seine China-Materialsammlung zur Verfügung stand, intensiv durchstudiert – das belegen seine handschriftlichen Anmerkungen und Hervorhebungen, die er mit Kreuzchen, Ausrufezeichen und Unterstreichungen angebracht hat. Auffällige Verwendung gefunden haben die beiden Schriftzeichen für den Titel des ›Kong-Kheou‹, die Karl May sowohl in ihrer graphischen Gestaltung als auch mit ihrer bei Heinrigs angegebenen Aussprachebezeichnung aus der vorliegenden Liste entnommen hat, wie dies an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde. (7) Karl May hat Heinrigs' Schrift aber auch Sachinformationen entnommen:


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»Buchstaben hat der Chinese nicht, sondern Zeichen. Das erste Zeichen ist der fünfundachtzigste Schlüssel der chinesischen Schrift, besteht aus einer senkrechten Linie, zwei krummen, divergierenden Halbdiagonalen und zwei Quasten an denselben; es ist das Zeichen für Wasser. Das zweite Zeichen besteht aus –« »Um Himmels willen, halten Sie ein!« rief Turnerstick, sich mit den Händen nach den Ohren langend. »Mir brummt der Kopf schon von diesem einen Zeichen. Wie viele solcher Zeichen hat denn eigentlich die chinesische Schrift?« »Wohl achtzigtausend.« »Alle guten Geister – –! Da lobe ich mir unsre Schrift mit den wenigen Buchstaben!« »Aber Sie, der Sie so ausgezeichnet chinesisch sprechen, sollten wenigstens die zweihundertvierzehn Schlüssel dieser Sprache kennen lernen!« (M 91f.) (8)

Bei Heinrigs heißt es: »Die Schrift der Chinesen ist keine eigentliche Buchstabenschrift, wie bei den übrigen europäischen Völkern, sondern sie ist, wie bei den alten Aegyptern und Mexikanern eine Zeichen- und Bilderschrift« (9) und: »Nach diesen 214 Schlüsseln sind die chinesischen Wörterbücher geordnet, die ungefähr 80.000 Charakteren haben.« (10) May kolportiert unbesehen auch letztere Angabe, die einer sachlichen Grundlage entbehrt. Das oben genannte, historische ›Kang-xi‹-Wörterbuch, umfaßt 47021 Zeichen, das enzyklopädische Wörterbuch von Morohashi, das als das umfangreichste überhaupt gilt, nicht mehr als 48902 Schriftzeichen. (11) Auch die Bezeichnungen Quast und krumme Linien entstammen Heinrigs' Schrift.


Hauptquelle

Karl May dürfte nach Durcharbeitung von Heinrigs' ›Schrift der Chinesen‹ sehr bald erkannt haben, daß er für die Zusammenstellung eines einigermaßen verläßlichen chinesischen Wortschatzes, aus dem er seine Sprachzitate würde schöpfen können, eine umfangreichere und wohl auch aktuellere Quelle benötigte. Dazu bot sich der deutsche Chinesisch-Experte jener Epoche an, Georg von der Gabelentz. (12) Dessen Hauptwerk ›Chinesische Grammatik mit Ausschluß des niederen Stils und der heutigen Umgangssprache‹ (Leipzig 1881) genügte als erstes deutschsprachiges Werk den Ansprüchen einer wissenschaftlich zu nennenden Grammatik, und der Autor war damit als ›Gewährsmann‹ für Chinesisch über allen Zweifel erhaben. Da aber zum einen die Umgangssprache darin keine besondere Berücksichtigung fand und zum anderen für den Chinesisch-Anfänger »dieser Weg jedenfalls nicht der kürzeste« war, wie Georg von der Gabelentz selbst befand, veröffentlichte er zwei Jahre später zur Erleichterung und Ergänzung des Studiums ein kleineres Werk: Anfangsgründe der Chinesischen Grammatik mit Übungsstücken‹ (Leipzig 1883). Dieses Buch nun hatte sich Karl May erworben, und zwar, wie der auf der Titelseite befindliche runde Stempel ›Dresden / Karl May / Dr. phil. / Schnorrstraße 31‹ verrät, zwi-


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[Chinesische Schriftzeichen]


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schen Frühjahr 1887 und Herbst 1888. (13) Dieser Zeitraum deckt sich eindeutig mit der Entstehungszeit des ›Blau-roten Methusalem‹, von Herbst 1887 bis Anfang 1889. Karl May hat seine chinesische Vokabelliste dann auch größtenteils aus v. d. Gabelentz' ›Anfangsgründen‹ entnommen, und, wie unten zu zeigen sein wird, wohl auch für die Abfassung des Methusalem als Materialsammlung angelegt. Dafür spricht eine weitere eigenhändige Notiz Karl Mays. Zentriert in die Mitte der Rückseite von Heinrigs' ›Schlüssel‹-Tabelle sind drei chinesische Vokabeln mit ihren deutschen Entsprechungen notiert:

hungRoth
tsiviolett
tsingblau

Diese Wörter sind unschwer als Wortsammlung für den chinesischen Namen des ›Blau-roten Methusalem‹ zu erkennen: »Mich,« sagte der Student, »können sie verschieden nennen. Ich heiße Degenfeld, zuweilen auch Methusalem. Wollen Sie sich aber lieber des Chinesischen bedienen, so rufen Sie mich ›Tsing=hung‹.« »Tsing=hung?« fragte der Chinese erstaunt. »Das heißt ja der Blaurote!« »Allerdings.« (M 165)

   Allerdings, dies ist vollkommen richtig, ›tsing‹ ‹qing› hat die Bedeutung ›(natur)blau, azur, grün‹ und ›hung‹ ‹hong› ›rot‹. Quelle für die angeführte Notiz Karl Mays und für dieses Sprachzitat ist der Beispielsatz »hung tsi put ì-wêi siet. Roth (und) violett nicht macht-er-zur Alltagskleidung« in v. d. Gabelentz, S. 50, und die Vokabel ›ts'ing blau‹, findet sich dort, S. 132. Bei näherer Betrachtung seiner Anmerkungen auf der ersten Seite von Heinrigs' Schrift ergibt sich auch, daß May dessen Liste der ›Schlüssel‹ durch die ›Tafel der Classenhäupter‹ verifiziert hat, die in v. d. Gabelentz' ›Anfangsgründen‹, Seite 11 bis 17, enthalten ist. So geben Karl Mays Anmerkungen zu den ›Schlüsseln‹, Nummer 1, 2, 3, 8, 11, 13 und 14 genau die v. d. Gabelentzschen Bedeutungen wieder, dazu – im Falle von Nr. 1 und 11 – auch dessen Aussprachebezeichnung, allerdings in Mays ›eigener‹ Umschrift. Karl May verzichtet auch auf die Berücksichtigung der von v. d. Gabelentz gemachten Bemerkung zu sei-


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ner ›Tafel der Classenhäupter‹, S. 11: »manche Classenhäupter sind als selbständige Schriftzeichen nicht gebräuchlich«, die v. d. Gabelentz folglich mit einem Sternchen bezeichnet und deren deutsche Bedeutung dazu in runde Klammern setzt. Vielmehr übernimmt er die Schriftzeichen ohne weitere Einschränkung als Vokabeln:

bei ›Schlüssel‹ 	 1: Yit = eins

 "     " 	 2: Wiederholungszeichen

 "     "	 3: Komma

 "     "	 7: 2 [vor der Ordnungszahl]

 "     "	 8: bedecken

 "    "		11: Schip eintreten [in die nächste Zeile geschrieben, aber durch eine Umrandung als zu 11. gehörig gekennzeichnet]

 "     "	12: 8 [vor der Ordnungszahl]

 "     "	13: Wüste

 "     "	14: ›Mie‹ [verbessert zu] Mic - bedecken

 "     "	15: Soldat

Karl Mays Anmerkung zu Schlüssel Nr. 15, Soldat, entstammt hingegen offensichtlich einer anderen chinakundlichen Quelle, und es dürfte seiner eigenen Beschäftigung mit dem Chinesischen zu verdanken sein, daß er es hierzu notiert hat. Seine sachliche Darstellung ist an sich völlig korrekt: Unten stand ein Peloton Soldaten, mit Luntenflinten bewaffnet und auf der Brust und dem Rücken je einen schildförmigen Einsatz, auf welchem das Wort ›Ping‹, d. i. ›Soldat‹, zu lesen war. (M 276) Das Wort ›Soldat‹ hat mit ping ‹bing› auch absolut dieselbe Sprachtonsilbe wie das Radikal Nr. 15 ping ‹bing›, aber, das hätte auch einem Chinesisch-Laien einleuchten müssen, es ist inhaltlich in keinerlei Verbindung mit dessen Bedeutungsspektrum ›Eis‹ zu bringen. Genauso wie die zu Schlüssel Nr. 44 auf der folgenden Seite von Karl May gemachte Anmerkung Stein, inhaltlich mit ›der die erste Stelle hatte, als man ihm noch opferte, daher ein Leichnam, träger Mensch, der sich nicht gerne von der Stelle bewegt‹ nichts zu tun hat und auf dem Irrtum beruht, daß ›Chi‹ mit ‹shi› für ›Stein‹ identisch sei. ›Stein‹ ist übrigens selbst ein Radikal, Nr. 112, und erscheint bei Heinrigs als ›Che, Steine‹. Karl May hat nur noch bei einem weiteren ›Schlüssel‹ eine Anmerkung gemacht, indem er vor die Nummer 53 ›Yen, Laden, Magazin, Kornspeicher, Gemächer‹ Oel notiert. Offensichtlich hat er das bei v. d. Gabelentz, S. 9, gefundene ›Yeu Oel‹ hiermit in Verbindung gebracht, indem er -u und -n verwechselte, was aber, dies sei hier zur seiner ›Ehrenrettung‹ angemerkt, bei der seinerzeit verwendeten Frakturschrift leicht möglich war. Beide Wörter finden jedenfalls im ›Methusalem‹ Verwendung, ›Stein‹ und ›Öl‹ sogar kombiniert zum korrekten Begriff für ›Erdöl‹:


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»Er nennt sich hierzulande kurzweg Schi 1), hat aber in seiner Heimat Sei=tei=nei geheißen.« »Ah! Er ist Besitzer eines Ho=tsing 2)?« O, mehrerer Ho=tsing. Es gehört ihm eine Gegend, in welcher eine Flüssigkeit aus der Erde dringt, welche Schi-yeu genannt wird und in Lampen gebrannt werden kann.« [Anmerkungen May: 1) Stein – 2) Feuerbrunnen – 3) Wörtlich ›Steinöl‹.] (M 453). ›Stein‹ findet sich in seiner Vokabelliste entsprechend der Schreibweise v. d. Gabelentz' als schik, ›Öl‹ wie oben zitiert. Ho=tsing Feuerbrunnen ist nicht auf Mays Liste eingetragen, aber aus korrekten Bestandteilen richtig kombiniert. ›Ho‹ ‹huo› ›Feuer‹ ist das Radikal Nr. 86 und könnte aus Heinrigs' Liste stammen, wofür die Umschrift spricht; es wird bei v. d. Gabelentz nämlich als ›huò‹ transkribiert. Karl May hat aber Heinrigs' Erläuterungen offensichtlich auch mit einem weiteren Quellentext zur chinesischen Sprache, nämlich Wilhelm Schotts ›Chinesische Sprachlehre‹ verglichen. (14) ›Tsing‹ ‹jing› ›Brunnen‹ könnte aus Schott stammen, S. 38, ›cing (Brunnen)‹, wie auch ›Feuer‹, bei Schott, S. 43, ebenfalls als ›ho‹ verzeichnet. Karl May hat ansonsten in Heinrigs' Erläuterungen noch einige Hervorhebungen mit Kreuzchen, Ausrufezeichen und gelegentlich Unterstreichungen vorgenommen und das Radikal Nr. 141 ›Hou, Tiger‹ dick angestrichen und mit einem Fragezeichen versehen. Bei Schotts ›Verzeichnis der sogenannten classenhäupter‹, S. 40-48, hat Karl May in seinem eigenen Exemplar die Radikale ›9. sin. mensch.‹, ›39, cè. sohn.‹ und ›88. fú. vater.‹ angestrichen, von denen er die beiden letzteren auch in Heinrigs' Liste angekreuzt hat. Das Wort für ›Vater‹ dient dem Methusalem als Beispiel für eine seiner ›Sprachlehrstunden‹: »Fu heißt Vater, hat aber noch mehrere andre Bedeutungen. Soll es nun als Vater gebraucht werden, so fügt man das Wort Tschin, Verwandtschaft, hinzu; dann heißt es Fu=tschin, Fu, der Verwandte, der Vater.« (M 300). Dieses Beispiel könnte ebenfalls aus Schott, S. 12f., stammen: »Die zusammensetzungen zweiter classe geben dem grundworte das einen begriff rein ausdrückt, noch eines bei, das ihn verdeutlicht ohne sein synonym zu sein. Diese verdeutlichenden zusätze sind von sehr verschiedner art: in fú-cin vater, mù-cin mutter z. b. ist den grundwörtern fú und mù ein anderes beigegeben, das in dieser verbindung blutsverwandt überhaupt bedeutet, also auf die categorie hinweist und zu jenen in apposition steht.«


›Der Nahme des Kaisers von China‹ (14a)

Der Bindung aus Heinrigs' ›Schrift der Chinesen‹ und Karl Mays Vokabelliste war auch ein Sonderdruck ›Der Nahme des Kaisers von China.‹, mit dem Untertitel ›aus der Wiener Zeitung vom 1. Januar 1843‹ eines nur mit ›E.‹ gezeichneten, ansonsten anonymen Autors, lose beigefügt.


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   Auch für die darin enthaltenen Informationen hat sich Karl May offenbar stark interessiert: Er hat die Angaben über die verschiedenen Namensgebungen im traditionellen China durch Kreuzchen sowie Unterstreichungen hervorgehoben, durch eine eigene Numerierung (von 1 bis 6) strukturiert und die Erklärung über die Verwendung des ›Milchnamens‹ besonders angestrichen und mit drei Fragezeichen versehen. Die Information, »Es wird als ein grober Verstoß gegen die gemeinste Höflichkeit angesehen, (...) wenn man eine erwachsene Person mit ihrem Milchnahmen anredet«, ist wohl auch direkt in den ›Methusalem‹ eingeflossen: »Werden Sie mir erlauben, Sie nach Ihrem Milchnamen zu fragen, obgleich das eigentlich eine Unhöflichkeit ist?« (M 183).

   Die auf Seite 2 gemachte Aussage, »Tchoung bedeutet unter dreyen den zweyten« hat Karl May auch in seine Vokabelliste aufgenommen: Tschung unter Dreien der Zweite (Manuskriptseite 10, Spalte 1, 15. Eintrag). Dabei paßt Karl May die in der Vorlage inkonsequente Umschrift – einmal ›Tschoung‹, dann wieder ›Tchoung‹ – der von ihm gewünschten Leserlichkeit an, eventuell auch im Vergleich mit v. d. Gabelentz, S. 37, ›cung, Mitte, Inneres; innen; mittler, halber‹. Unter Umständen könnte er die Schrift ›Der Nahme des Kaisers von China‹ bereits bei der Abfassung des ›Kiang-lu‹ verwendet zu haben. Darauf deutet zumindest die Wahl des Namens für einen der chinesischen Protagonisten dieser Erzählung zumindest hin. »Wie heißest Du?« »Kong-ni.«(15) Der Abschnitt ›Ehrennahme‹, von Karl May mit 6.+ abgesetzt und unterstrichen, enthält den Passus: »So wurde der ursprüngliche Ehrennahme des Confucius ›Ni fou‹ (...) ›Vater Ni‹ in ›Ni koung‹ (...) erweitert.« Letzteres umgestellt und ein wenig ›angepaßt‹ könnte sehr gut den Namen Kong-ni ergeben haben. Der Begriff ›Titelnahmen‹, ebenfalls auf Seite 2 erwähnt, von Karl May unterstrichen und mit +5. hervorgehoben, könnte ebenfalls in den Methusalem eingeflossen sein.: »Sonderbar! Ist das Ihr Titelname?« »Nein, sondern mein Scheng ming.« »Ihr Studentenname? Was haben Sie studiert?« (M 166) Der Begriff Sheng ming ist offensichtlich eine Konstruktion Karl Mays, dessen Bestandteile sich auch in seiner Wörterliste finden (Manuskriptseite 3, Spalte 2, Eintrag 8: Scheng Student, und Manuskriptseite 2, Spalte 3, Eintrag 1: Ming Rufname) und die aus v. d. Gabelentz stammen, S. 128 bzw. S. 30. Dort findet sich der Eintrag ›su – seng, Student‹, wobei die deutsche Worterklärung neben dem zweiten Wortbestandteil des in senkrechten Zeilen abgedruckten chinesischen Textes steht. Obwohl durch den Bindestrich als Teil des Wortes ›Student‹ ‹shu-sheng› (›Buch / der sich damit beschäftigt‹) ausgewiesen, hat Karl May den spezifischen Teil bei seiner Wörterliste und der darauf basierenden Verwendung im ›Methusalem‹ einfach weggelassen und so trotz richtiger Zuordnung dort einen fehlerhaften Ausdruck gebildet. Derartiges ist Karl May bei der Verwendung der Textbeispiele v. d. Gabelentz' mehrfach unterlaufen. Die be-


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reits an anderer Stelle(16) diskutierte Regierungsdevise ›Tao-kouang (Glanz der Vernunft)‹ ist auf Seite 4 dieser Schrift zu finden. »... Mein Name wird also genügen, so daß ich diejenigen meiner andern Begleiter nicht zu nennen brauche. Jeder von ihnen ist ein Tao=kuang 2) in unserm Vaterlande, und wenn wir mit euch fahren, werdet ihr alle ihre zehntausend Vortrefflichkeiten kennen lernen ...« [Anm. May: 2) Glanz der Vernunft.] (M 102) Die in dieser Schrift unmittelbar davor zitierte Regierungsdevise ›Anfangende Vortrefflichkeit‹ sowie die auf S. 2 erwähnte Anredeform für den Kaiser ›zehntausend Jahre‹ könnten Karl Mays Formulierung hier zugrunde liegen.


Karl Mays chinesische Vokabelliste

Die Vokabeln sind, meist in drei Spalten auf jeder Seite, mit feiner Feder geschrieben, größtenteils in einem recht flüssigen Duktus, das heißt, wohl in jeweils längeren Passagen von einer Vorlage ›abgeschrieben‹. Einige der Wörter sind dann noch unterstrichen – mit ein bis drei Strichen – oder angekreuzt. Letzteres war eine für Karl May typische Methode der Hervorhebung, man findet sie auch in den von ihm benutzten Quellenwerken. Allerdings sind die Unterstreichungen unterschiedlich: einmal sind sie mit dünner Feder vorgenommen, also wohl gleichzeitig mit der Niederschrift, und zum anderen, in wenigen Fällen, deutlich erkennbar mit dickem Bleistift. Karl May hat sich wohl seine Liste, die er sich für die Abfassung des ›Kong Kheou, das Ehrenwort‹ zusammengestellt hatte, Jahre später noch einmal vorgenommen, um daraus Material für ›Und Friede auf Erden‹ zu verwenden.

   Bei der Konkordanz mit v. d. Gabelentz, Schott und anderen Quellen stieß Karl May dann jedenfalls auch auf die Problematik der unterschiedlichen Umschriftsysteme des Chinesischen. Heinrigs stellte für sich ja fest, »daß ich die französische Rechtschreibung beibehalten habe«, (17) eine Bemerkung, die Karl May so wichtig erschien, daß er sie in seinem Exemplar dick unterstrichen hat, wohingegen Georg von der Gabelentz eine im Lautbestand zwar etwas historisierende, aber eigentlich wissenschaftlich zu nennende Buchstaben-Umschrift des Chinesischen mit allerlei diakritischen Zeichen entworfen und verwendet hat. Wie vorhin gezeigt, hat Karl May eine Reihe von ›Schlüssel‹-Zeichen auf Heinrigs' Liste mit den Angaben v. d. Gabelentz' verifiziert und diese auch auf seiner Vokabelliste eingetragen. Dabei hat er die französischen Orthographieregeln gehorchende Transkription Heinrigs' der deutschen Phonetik angepaßt, die Buchstaben im Umschriftsystem Gabelentz' ihrer diakritischen Zeichen entledigt und in bestimmten Fällen zu im Deutschen ohne weiteres leserlichen Buchstabengruppen umgewandelt, gewissermaßen ›eingedeutscht‹. Dies glaubte er wohl sich und vor allem seinen Lesern schuldig zu sein. Ob er damit auch die Spuren


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zu seinen Quellen gewissermaßen ›verwischen‹ wollte, sei hier dahingestellt. Jedenfalls muß er dazu die Erläuterungen v. d. Gabelentz': ›Laute und Betonungen‹, S. 5, gelesen und berücksichtigt haben. Für die von ihm gewünschte ›Leserlichkeit‹ nahm Karl May jedoch auch Vereinfachungen vor. So verzichtete er auf die von v. d. Gabelentz gemachte Unterscheidung der Laute ›s = sch, z = französisch j‹ und gibt beide chinesischen Anlaute in seiner Vokabelliste mit ›sch‹ wieder. Mit dem Ergebnis, daß dort dann schit Sonne und Schan Berg mit demselben Anlaut erscheinen, obwohl sie von v. d. Gabelentz deutlich als ›zit‹ ‹ri› und ›san‹ ‹shan› voneinander unterschieden werden. Dies ist um so bemerkenswerter, als Karl May das v. d. Gabelentzsche ›c‹ entsprechend dessen Erläuterungen richtig als ›tsch‹ wiedergibt: ›cung Mitte‹ (S. 8), bei Karl May Tschung Mitte. Karl May hatte sich dabei vielleicht ein wenig der Meinung Heinrigs' angeschlossen, der noch meinte, daß »es überhaupt höchst schwierig, oft unmöglich ist, morgenländische Laute mit unsern Buchstaben genau wieder zu geben.« (18)

   Für die Betrachtung der chinesischen Sprachzitate Karl Mays bedeutet dies allerdings, daß man von der von ihm verwendeten Transkription nicht ohne weiteres direkt auf eine von ihm verwendete Quelle schließen kann. Karl May war offensichtlich sehr wohl in der Lage, die in seinen Quellentexten vorgefundene Transkriptionen chinesischer Wörter und Ausdrücke für die von ihm gewünschte Lesbarkeit oder vielleicht besser Authentizität umzuschreiben. Er praktizierte dies auch mit einiger Konsequenz, hat dabei allerdings auch einige Ungenauigkeiten, ja Fehler eingeführt.

   Die Herkunft der Wörter und Begriffe in Karl Mays chinesischer Vokabelliste erschließt sich nunmehr folgendermaßen:

MS-Seite 1: Alle Einträge, mit Ausnahme der ersten sieben, aus v. d. Gabelentz
MS-Seite 2: Alle aus v. d. Gabelentz
MS-Seite 3: Fast alle aus v. d .Gabelentz, fünf Einträge aus ›Der Nahme‹, sechs aus einer anderen Quelle
MS-Seite 4: Zum Teil aus einer anderen Quelle, zum Teil aus Harnisch(19)
MS-Seite 5: Alle aus v. d. Gabelentz
MS-Seite 6: Wohl alle aus v. d. Gabelentz
MS-Seite 7: Aus v. d. Gabelentz; wenige Einträge eventuell auch aus Schott
MS-Seite 8 und
MS-Seite 9: Alle aus v. d. Gabelentz; zwei deutsche Bedeutungen wohl aus Schott
MS-Seite 10: Größtenteils aus v. d. Gabelentz; ein Eintrag aus ›Der Nahme‹, einige Einträge unklarer Herkunft


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MS-Seite 11: Größtenteils aus v. d. Gabelentz; einige Einträge unklarer Herkunft
MS-Seite 12: Sämtlich aus v. d. Gabelentz

Karl May hat bei der Erstellung seiner Vokabelliste, das heißt bei der Übernahme von Vokabeln aus v. d. Gabelentz' ›Anfangsgründen‹, auch eine Strukturierung vorgenommen: Die Manuskriptseiten 1 bis 4 enthalten Substantive, die Seiten 5 und 6 Adjektive, die Seiten 7 bis 9 bis auf einen späteren Zusatz durchweg Verben, Seite 10 enthält Zahlen und Adverbien, Seite 11 ebenfalls Adverbien und die Seite 12 verzeichnet idiomatische Wendungen, Sätze und Satzteile. Auf der Suche nach Wörtern der verschiedenen Kategorien muß Karl May die Gabelentzschen ›Anfangsgründe‹ mindestens viermal durchgegangen sein.

   Karl May beginnt seine Vokabelliste mit neun Zeilen, die noch nicht der in der Folge geübten Anordnung in drei Spalten unterworfen sind und die auch nicht aus v. d. Gabelentz stammen. Verschiedene chinakundliche Werke oder Artikel aus Nachschlagewerken boten hierfür wohl die Quellen. Die beiden ersten Begriffe in Karl Mays Vokabelliste überhaupt haben mit dem chinesischen Alltagsleben zu tun und wurden wohl später von ihm dick unterstrichen:

   Sam tschu = Reisbranntwein: Der Begriff könnte von Harnisch, S. 86, stammen, der dieselbe deutsche Bedeutung gibt, ›Sam-schu (Reißbranntwein)‹, doch ohne den Verschlußlaut am Wortanfang. Karl May verwendet den Begriff in einer von der hier vorliegenden Form abweichenden Schreibweise: Dieser Wein war kein Traubenwein, sondern gegorener Reis, Sam=chu genannt. (M 114) Dagegen zeigte sich bei den Chinesen sehr bald die Wirkung des Sam=chu. Der Sohn des Reiches der Mitte besitzt überhaupt nicht die Eigenschaft, starke geistige Getränke vertragen zu können, und so bemerkte der Ho-tschang, daß der starke Reisbranntwein eine nicht wünschenswerte Wirkung auf ihn äußere. (M 136) Hier also auch die bei Harnisch und in Karl Mays Wörterliste vorliegende deutsche Bedeutung. Der Begriff erschließt sich als durch westliche Zungen korrumpierte Bezeichnung für Spirituosen aus ‹san shao› ›drei(mal) gebrannt‹. Allerdings ist damit nicht ›Reisbranntwein‹ gemeint, sondern ein meist aus Hirse gebrannter Schnaps, wie er im nördlichen China bis heute beliebt ist. (20) Die häufig gemachte falsche Zuordnung ›Reisbranntwein‹, die Karl May ohne eigenes Verschulden von seinem Quellentext übernommen hat, rührt wohl aus einer Verwechslung der geläufigeren Bezeichnung für ‹san shao›, nämlich ‹shao jiu› ›Branntwein‹, mit ‹shao xing jiu› her, einem berühmten ›Reiswein‹, der nach seinem Herkunftsort Shaoxing in der Provinz Zhejiang benannt ist. ›Reiswein‹ ist allerdings auch keine hochprozentige Spirituose, sondern ein nach seinem Herstellungsprozeß eher ›Reisbier‹ zu nennendes alkoholisches Getränk mit etwa 15 Prozent Alkoholgehalt. (21)


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   Kwei=tze = Eßstäbchen: Das chinesische Eßbesteck ‹kuai zi› ist bis heute Gegenstand des Amusements für westliche Ausländer geblieben und verdient natürlich auch von Karl May Erwähnung: Die Gedecks bestanden für jeden Gast aus einem Teller, einer kleinen Tasse, welche als Trinkglas zu dienen hatte, einer Art von dickem Porzellanlöffel, welcher aber so unförmlich war, daß er kaum in den Mund gebracht werden konnte, und den elfenbeinernen Eßstäbchen, von den Engländern Chopsticks genannt, während sie bei den Chinesen Kwei=tze heißen. (M 128)

   Die Quelle für die nächsten Einträge scheint ein Artikel über die chinesischen Aufstandsbewegungen Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen zu sein, da die Begriffe diesem Themenkreis zuzuordnen sind.

   Pa=lian=kao weiße Wasserrose: Die Gesellschaft des ›Weißen Lotus‹ ‹Bai lian hui›, im Westen gelegentlich auch ›Weiße Seerose‹ genannt, war eine der ältesten chinesischen Geheimgesellschaften. Sie war schon im 12. Jahrhundert an Aufständen beteiligt und gab im 19. Jahrhundert dem Nördlichen System der Geheimgesellschaften in China ihren Namen. Für ›kao‹, zu dem sich in diesem Sinnzusammenhang keine befriedigende Erklärung finden läßt, liegt eventuell ein Abschreibfehler von Karl May oder bereits ein Fehler in seinem Quellentext zugrunde; denkbar wäre hier ›kiao‹ ‹jiao› im Sinne von ›Lehre, Sekte‹.

   Tai=ping allgemeine Gleichheit: ‹tai ping› ›Große Gleichheit; Große Ruhe; Friede‹ – Der Aufstand der Taiping-Rebellen 1850-64 gegen die reaktionäre Feudalordnung und die Fremdherrschaft der Mandschu-Kaiser war wohl die größte Aufstandsbewegung der chinesischen Geschichte. Sie wurde von kaiserlichen Truppen mit Hilfe eines englischen Interventionskorps, ›The Ever Victorious Army‹, niedergeschlagen. (22)

   King = Residenz: Der Begriff ‹jing› ist bei v. d. Gabelentz, S. 31, als ›king, Hauptstadt‹ aufgeführt und Bestandteil bekannter Städtenamen, wie Peking ‹Bei-jing› ›Nördliche Hauptstadt‹ und Nanking ‹Nan-jing› ›Südliche Hauptstadt‹. Letztere spielte als zeitweiliges Zentrum der Taiping-Rebellion auch im vorliegenden Kontext eine Rolle.

   Nien=fei nördl. Rebellen: ‹nian-fei› ›Nian-Banditen‹ – Diese bäuerliche Rebellenorganisation gelangte in der Region zwischen Gelbem Fluß, Kaiserkanal und Huai-Fluß in den Jahren 1850-68 zu großem Einfluß. Dieses Gebiet liegt nicht im eigentlichen Nordchina, der Ausdruck ›Nördliche Rebellen‹ läßt sich aber vielleicht als Abgrenzung zu den weiter südlich operierenden Taiping-Rebellen verstehen. (23)

   Kuei=tse Teufelssöhne=Muhammedaner: Der Ausdruck ‹gui zi› ›Geister; Teufel‹ war im Sinne von ›Fremde Teufel‹ als Schimpfwort gegenüber Nicht-Chinesen seit langem gebräuchlich. (24) Er wurde nicht nur gegen Muslime in China – die ethnisch allerdings oftmals Chinesen waren –, sondern vor allem auch gegen Europäer und westliche Ausländer verwendet, dann oft mit dem Zusatz ‹bai› ›weiß‹. Die Übersetzung ›Teufelssöhne‹ läßt sich zwar durch die Grundbedeutung von ‹zi› ›Kind;


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Sohn‹ rechtfertigen, trifft aber eigentlich nicht zu: ‹zi› findet gemeinhin lediglich als Wortsuffix, ohne eigenständigen semantischen Wert, Verwendung. Es ist übrigens dasselbe wie oben bei den Kwei=tze ‹kuai zi›, auch wenn es Karl May – und andere vor und nach ihm – verschieden schreiben. Karl May setzt den Ausdruck an mehreren Stellen im ›Methusalem‹ ein: »Aber ich habe gestern die Meldung erhalten, daß von Kwéi=tschou die Kuei=tse 2) nach Hu=nan gekommen sind.« [Anmerkung May: 2) ›Teufelssöhne‹, aufrührerische Mohammedaner.] (M 407) Um diese Scene zu begreifen, muß man wissen, daß die Mohammedaner der Provinz Yun=nan gelegentlich des Aufstandes der Thai=ping den Versuch gemacht hatten, sich das Recht der freien Religionsübung zu erwerben. Sie ... werden ... von den Gegnern Kuei=tse, Teufelssöhne, genannt. (M 442) An dieser Stelle wird auch der oben genannte Begriff ›Tai-ping‹ verwendet, wenn auch in abgewandelter Form.

   Hi=thu=tschang – Gefäß der wohlriechenden Kräuter. Stinktopf: Der blau-rote Methusalem selbst beschreibt seinen Reisegefährten diese ›typische‹ Waffe der chinesischen Seeräuber: »Das ist auf jeden Fall ein Hi=thu=tschang, wie diese Kerls die Steintöpfe nennen, ein ›Gefäß der wohlriechenden Kräuter‹. Wehe dem, in dessen Nähe so ein Topf zerplatzt! Die chinesischen Seeräuber werfen solche Töpfe auf das Deck derjenigen Schiffe, welche sie kapern wollen. Der entsetzliche Gestank, den dieselben entwickeln, betäubt die ganze Bemannung des Fahrzeugs.« (M 147) Die Beschreibung und Wirkungsweise dieser Waffe wird Karl May wohl einer seiner chinakundlichen Quellen entnommen haben. So schreibt Heinrich Schliemann: »Die Dschunken sind ausreichend bemannt, und die Besatzung ist jederzeit bereit, Raubzüge zu unternehmen, sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet. Sie sind im allgemeinen mit einer furchtbaren Waffe, die man ›Stinkpot‹ nennt, ausgerüstet. Sie ist aus gebranntem Ton, hat die Form eines Kruges und ist mit Brandraketen und Material gefüllt, die derart stinken, daß bei einer Explosion alle, die sich gerade in der Nähe aufhalten, ersticken. Die Piraten versuchen daher immer, ehe sie ein Schiff angreifen, einen dieser Stinktöpfe durch ein Fenster in die Kajüte zu werfen, um sich auf einen Schlag alle vom Hals zu halten, die sich auf dem Schiff befinden könnten.« (25) Und im ›Pierer‹ heißt es: »Stinktopf (Stinkpott), irdener Topf mit Brandzeug und Schwefel, Pulver, Pech, Talg u. dgl. gefüllt, in Pech getaucht u. mit einem Zünder versehen, wird beim Entern angezündet u. auf das Verdeck geworfen, um den Feind zu vertreiben.« (26) Karl May beschreibt den ›Stinktopf‹ auch bereits im ›Kiang-lu‹ (K 171, 172). Den wunderschönen chinesischen Namen dafür aber hat Karl May zweifellos selbst, und zwar für den ›Methusalem‹ ›entwickelt‹. Der achte Eintrag auf seiner chinesischen Vokabelliste gibt Hinweise zur Vorgehensweise: Die unter den drei chinesischen Wörtern notierten Zahlen 23 . 32. 192 geben einfach die Nummer des Radikals, des ›Schlüssels‹ an, wie sie in Heinrigs'


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Liste aufgeführt sind. Offensichtlich hatte Karl May sich hier wiederum direkt Heinrigs' Angaben zunutze gemacht und daraus ein seinen Vorstellungen entsprechendes ›neues‹ Wort geschaffen. So lautet Heinrigs' Beschreibung der entsprechenden ›Schlüssel‹: »23. H i, jeder Verschluß mit einem Deckel, der sich aufheben läßt, Schoppen, Wasserleitung. (...) 32. T h o u, die Erde und ihre Eigenschaften und was man daraus macht, wie Töpferarbeit. (...) 192. T c h a n g, Bogenbehälter, Opferwein, wohlriechende Kräuter.« (27) Aus diesen Begriffen hat Karl May dann eine Wortfolge konstruiert, etwa ›Gefäß aus Ton für wohlriechende Kräuter‹ und ihr die chinesischen Begiffe zugeordnet. Für die von ihm dazu benötigte Bedeutung ›Gefäß‹ lassen sich nur Heinrigs' Angaben verwenden, v. d. Gabelentz gibt in seiner ›Tafel der Classenhäupter‹ bei Nummer 23 ›hì (verbergen)‹, Schott gibt ›verhüllen (veraltet)‹. Die Nummern 32 und 192 erscheinen hingegen bei allen drei Quellen als ›Erde‹ und ›wohlriechende Kräuter‹. Letzteres hat Karl May wohl nicht aus Ermangelung eines Wortes für ›Gestank‹, sondern ganz bewußt ausgewählt, um einen der vermeintlichen chinesischen Vorliebe für eine ›blumige‹, verklausulierte Ausdrucksweise entsprechenden Begriff zu erhalten, der dadurch um so ›authentischer‹ klingen sollte. Er hat bei seiner Wort-Bastelei allerdings zwei Umstände nicht berücksichtigt: Vor allem die oben erwähnte, von v. d. Gabelentz gemachte Einschränkung, daß nämlich einige der ›Classenhäupter‹ gar nicht als selbständige Schriftzeichen gebräuchlich seien – es sind hier die Nummern 23 und 192 –, und zum andern, daß die chinesische Wortbildung strengeren Regeln folgt als die deutsche. Im Chinesischen steht das Bestimmende vor dem Bestimmten, die Kombination hätte also – bei überhaupt möglichen Einzelkomponenten – lauten müssen: ›Kräuter-Ton-Gefäß‹. So aber haben wir mit dem ›Stinktopf‹ Hi=thu=tschang ein schönes Beispiel ›May-Chinesisch‹.

   Alle anderen Wörter auf der ersten Seite seiner Vokabelliste, nunmehr fein säuberlich in drei Spalten nebeneinander notiert, hat Karl May von v. d. Gabelentz übernommen, einiges davon auch im ›Methusalem‹ verwendet. Yuet Mond und Pit Pinsel, v. d. Gabelentz, S. 7, könnten im Methusalem als Quelle gedient haben: »Ich bin ein Yuet=tse 1) und wünsche, ungestört nachdenken zu können.« [Anmerkung May: 1) Dichter, wörtlich ›Sohn des Mondes‹.] (M 258) Das Wort tse für ›Sohn‹ fand sich ja schon bei dem erwähnten ›Teufelssöhne‹. Das chinesische Wort für ›Pinsel‹ könnte beim ›Kong-pit‹, dem im Methusalem ja ein ganzes Kapitel gewidmet ist, Pate gestanden haben: »Kong-pit heißt wörtlich: ›das Herabsteigen zum Pinsel‹. Es ist das Geisterschreiben bei den Chinesen, ähnlich wie bei uns der Unsinn des Tischrückens oder des Spiritismus.« (M 104) Für das in diesem Sinnzusammenhang unverständliche ›Kong‹ gibt Karl Mays Wörterliste zwar keinen Hinweis, vielleicht kann dies aber die beim bereits von ihm verwendeten Radikal Nr.


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55 in Heinrigs' Liste gegebene deutsche Wortbedeutung ›von oben herab einziehen‹. Die Einträge kung Arbeiter Ungeduld und ko Frucht, Wasser enthüllen eine merkwürdige Ungenauigkeit Karl Mays. Sieht es auf seiner Liste so aus, als handele es sich jeweils um ein Wort, so sind es doch tatsächlich völlig verschiedene Schriftzeichen, die v. d. Gabelentz, S. 9, in einer Tabelle als Beispiele für Phonoideogramme, als Zeichen nämlich »aus zwei vereinigten Theilen, deren einer die Begriffskategorie, deren anderer mehr oder minder genau die Aussprache andeutet«, aufführt. Wieso Karl May die Wortbedeutungen ›Arbeiter‹ und ›Ungeduld‹, sowie ›Frucht‹ und ›Wasser‹, die bei v. d. Gabelentz räumlich und durch die beigefügten Schriftzeichen deutlich unterschieden sind, zusammengeschrieben hat, bleibt unerfindlich, zumal er andere Beispiele von dieser Stelle richtig übernommen hat und später auf seiner Vokabelliste, bei der Auflistung von Adjektiven und Verben, diese Tabelle v. d. Gabelentz' ebenfalls richtig genutzt hat.

   Die nächsten drei Wörter entstammen v. d. Gabelentz, S. 10. Sim Herz findet sich, wie weiter unten ausgeführt, zusammen mit anderen Wörtern der Liste als Bestandteil chinesischer Namen wieder. Tsi=wéi = Wörterbuch findet sich bei v. d. Gabelentz, Seite 11: »Die Zahl der einem jeden Classenhaupte in einem Wörterbuche (dem Tsi-wéi) zugeordneten Schriftzeichen ist rechts beigefügt.« ›Tsi-wei‹ bedeutet also nicht generell ›Wörterbuch‹, sondern ist der Titel des oben erwähnten Lexikons ‹Zi-hui›, von dem v. d. Gabelentz seine Angaben übernimmt. Kiung Wüste bis Fang Korb Kasten sind die Radikale 13, 15 bis 22 mit den deutschen Bedeutungen laut v. d. Gabelentz' Liste. Tsieu Herbst findet sich auf der Seite 21, ebenso wie Min Volk bis Niü tsi Mädchen; Fu Vater bis Niü-tschin Weibmensch Frauenzimmer auf der folgenden Seite bei v. d. Gabelentz. Hier fällt auf, daß Karl May entgegen der v. d. Gabelentzschen Anweisung, »z = französisch j«, die er ansonsten konsequent so interpretiert, daß er der den Anlaut mit ›sch‹ ›eindeutscht‹, an dieser Stelle zweimal ›tsch‹ setzt. Allein auf dieser Manuskriptseite gibt er mehrere Beispiele für dieses ›sch‹: Schin Mensch, Schin=schin Jedermann, Schin Humanität, Schin Pflichttreue – übrigens dasselbe Schriftzeichen/Wort, das von v. d. Gabelentz an zwei verschiedenen Stellen als Beispiel gebracht wird (S. 27, S. 28). Auch in Schotts ›Chinesischer Sprachlehre‹, S. 40, wird die Umschrift schin nahegelegt: ›sin. mensch.‹ In seinem eigenen Exemplar hat Karl May diesen Eintrag, wie oben erwähnt, sogar unterstrichen. Er greift diesen Begriff ‹ren› später mit beiden Bedeutungen, aber mit verbesserter Umschrift wieder auf: Es gilt, zu den Namen zu bemerken, daß Tai Schin so viel wie ›Große Pflichttreue‹ oder ›Große Humanität‹ heißt. Vom Kaiser selbst gegeben, war das gewiß ein vielsagender Ehrenname. Und: »Ich erhielt, auch vom Kaiser, den Namen Ki Ti Weng« ... Und Ti Weng heißt ›Jüngerer Greis‹.(28)

   Beide Begriffe finden sich ebenfalls in Karl Mays Vokabelliste (Sei-


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te 1, Spalte 2, Eintrag 25): Ti jüngerer Bruder aus v. d. Gabelentz, S. 22, und (Seite 3, Spalte 2, Eintrag 5) Weng Greis, aus v. d. Gabelentz, S. 128. Den ›Ehrennamen‹ ›Ta Shen‹ gab es natürlich ebensowenig wie den angeblichen Titel ›Jüngerer Greis‹, der ja schon von daher unmöglich ist, daß ›ti‹ ‹di› ›jüngerer Bruder‹ bedeutet und nicht einfach ›jünger‹. Beides sind also Produkte der Mayschen Wörterbastelstube, die zeigen, daß deren Erfinder allen Anfechtungen zum Trotz die Methode, seine Romane um selbstkonstruierte, angeblich landessprachliche Einsprengsel zu bereichern und sich so als Fremdsprachenexperten darzustellen, auch bei der Abfassung von ›Und Friede auf Erden‹ nicht aufgegeben hat.

   Pi Nase ist ein Radikal, Nr. 209, und könnte der ›Classenhäupter‹-Liste v. d. Gabelentz', S. 17, oder auch Heinrigs' Liste entnommen sein. Wen Literatur Prophet bis Yük schin Juwelier stammen aus v. d. Gabelentz, S. 27. Wieso Karl May hier Prophet notiert, bleibt unerfindlich; weder geht es aus v. d. Gabelentz hervor, noch gibt es einen Sinn- oder Sachzusammenhang. Aus den von v. d. Gabelentz gebotenen Erklärungen seiner Kombinationen ›men-zin, (Thürmensch=) Schüler‹ und ›yük-zin, Edelsteinmensch = Juwelier‹ hat May eigene Einträge Yük Edelstein und Men = Thür gemacht. Ta=fu großer Mann bis Scheng-schit Geburtstag sind aus v. d. Gabelentz, S. 28. Den hier notierten Begriff shi tsi dienender Knabe Knecht verwendet Karl May wörtlich im ›Methusalem‹: Der Wirt kam aus der Thür und hieß die Gäste unter fortgesetzten tiefen Verbeugungen willkommen. Er rief einige Schi=tse 1) herbei, welche die Pferde versorgen sollten, und führte dann die Ankömmlinge in ein Gemach, welches augenscheinlich nur für bessere Gäste bestimmt war. [Anmerkung May: 1) Dienende Knaben = Knechte.] (M 462)

   Die acht folgenden Einträge finden sich bei v. d. Gabelentz, S. 29 und S. 30. Den dort entnommenen Begriff Sang Maulbeerbaum verwendet Karl May zwar im ›Methusalem‹ (M 445), den bei v. d. Gabelentz unmittelbar darüber gegebenen Terminus ›Fut Buddha‹ und analog ›Fut-cè Buddhisten‹ verschmäht er jedoch merkwürdigerweise und bildet sich lieber einen eigenen in ›May-Chinesisch‹: »Die Buddha=min 2) sind alberne Menschen, welche unsre Gebräuche und heiligen Orte nicht achten.« [Anmerkung May: 2) Buddhisten.] (M 450)

   Auf seiner Vokabelliste hat Karl May mit tsi = Herr 30 31 pag. selbst die Seitenzahlen in seinem Quellentext angegeben. Über diese beiden Seiten erstreckt sich nämlich ein Abschnitt v. d. Gabelentz', worin chinesische Anredeformen behandelt werden: »44. Das Adelsprädicat tsi, Herr (sonst: Sohn, Kind) oder das Wort sí, Familie, wird oft in ehrendem Sinne hinter den Familiennamen (seltener hinter diesen und den Rufnamen) gesetzt. Tsi gebührt nur Männern, sí, namentlich in neuerer Zeit, auch Frauen; z.B.: K'ùng-tsi, Herr Khung = Confucius.« Aufgrund


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dieser Angaben könnte Karl May in ›Und Friede auf Erden‹ dem chinesischen Arzt und führenden Mitglied der ›Shen‹ seinen Namen Tsi gegeben haben. Die letzten Wörter auf Karl Mays erster Manuskriptseite sind die chinesischen Bezeichnungen der vier Himmelsrichtungen; diese hat er – wohl später – dick mit Bleistift angestrichen.

   Die ersten Einträge auf Karl Mays zweiter Manuskriptseite konnten allesamt bei v. d. Gabelentz gefunden werden, allerdings sind gerade die ersteren nicht einfach Wörterlisten abgeschrieben, sondern Satzbeispielen aus verschiedenen Seiten entnommen, Sing stern bei v. d. Gabelentz, S. 39, Fuk Glück, S. 83, und Jok Musik, S. 49, dort aber ›Yok‹ geschrieben. Ngu Rabe ebda., S. 52. Der zweite Eintrag, Seng Gold, findet sich bei v. d. Gabelentz, S. 44, und stellt einen schon sehr eigenartigen Flüchtigkeitsfehler Karl Mays dar. Im Text heißt es: »Zuweilen seng, leben erzeugen, in der Bedeutung: es entsteht: z. B.: Lí sùi ci cung seng kim. (In) des Li-Gewässers Mitte (= im L.) entsteht Gold.« Obwohl das Wort ›seng‹ ‹sheng› deutlich erklärt ist und v. d. Gabelentz' deutsche Übersetzung Wort für Wort vorgeht, hat Karl May bei der Übernahme des Begriffs eine Umstellung vorgenommen und statt richtig ›kim‹ ‹jin› das Wort ›seng‹ für ›Gold‹ gehalten und entsprechend wiedergegeben. Er hat hier überdies nicht erkannt, daß das v. d. Gabelentzsche ›s-‹ als ›sch-‹ transkribiert werden müßte, obwohl er es selbst an anderer Stelle korrekt übertragen hat, so auf seiner Manuskriptseite 1, Spalte 2, Eintrag 10: Schu Buch, bei v. d. Gabelentz, S. 20, ›sin su, neues Buch, neue Bücher‹. Später, auf der Seite 4 seiner Vokabelliste, hat Karl May andererseits das aus einer anderen Quelle entnommene kin Gold eingetragen, das er dann auch so verwendet hat: »Hören Sie mal, alter Methusalem, Sie machen ein Jesicht wie ein mexikanischer Joldsucher. Schon jestern hatten Sie die Augen überall am Wege. Wat wollen Sie denn eijentlich entdecken?« »Etwas sehr Wichtiges.« »Und wat ist dat? Doch nicht schon Kue jang, die nächste Stadt, oder jar King, wohin wir wollen?« »Nein. Und doch hättest du zweimal recht gehabt, wenn du nämlich Kin anstatt King gesagt hättest.« »Wieso? Kin bedeutet ja Jold.« »Allerdings. Ich suche Gold.« (M 435) Hier könnte auch das auf der ersten Manuskriptseite notierte King = Residenz zu Ehren gekommen sein. Karl May entnimmt seine Vokabeln oftmals auch komplexeren Beispielsätzen v. d. Gabelentz'. So stammt der fünfte Eintrag, Sching Heiliger, aus v. d. Gabelentz, S. 50, ›tek wêi síng zîn. (An) Tugend war (er ein) heiliger Mensch.‹ Wie das durchgestrichene große M zeigt, hatte sich Karl May offensichtlich während des Abschreibens entschieden, ›heiliger‹ zu substantivieren und das Bezugsnomen ›Mensch‹ wegzulassen.

   Piao=fung Wirbelwind. stammt aus v. d. Gabelentz, S. 61, ›p'iao-fung put cung-cao; tsieú-iü put cung-zit. Wirbelwind hat (= dauert) nicht den ganzen Morgen, heftiger Regen nicht einen ganzen Tag‹; T'ün Spanferkel findet sich ebda., S. 6: ›kuei K'ùng-tsi t'ün. (Er) schenkte dem Con-


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fucius ein Spanferkel.‹ Tsui Schnabel hat v. d. Gabelentz, S. 69: ›tuk-su zîn kiàng lì, tsó kung zîn kiàng tsùi. Bücher lesende Menschen reden-von Vernunft, Arbeit thuende Menschen reden-vom Schnabel (=über das Essen)‹.

   Kian=li Raubgewinn Unterschleife: vgl. v. d. Gabelentz, S. 72, ›tá wêi kian-lí. Sehr machte-er Raub-gewinn = er verübte grosse Unterschleife.‹ Kao kieu = Lammpelz.: v. d. Gabelentz, S. 74, ›kao-k'ieu hiuên kuán put ì tiaó. Lammpelz, blaue Mütze nicht damit condolierte er = im Lammpelz u.s.w. machte er keine Beileidsbesuche.‹ Tsung=miao Ahnentempel: v. d. Gabelentz, S. 81, ›tsung-miaó ci lì, sò-ì ssí ssí hû k'î sien yè. Die Riten des Ahnentempels, womit sie ihren Vorfahren dienten und opferten.‹

   Tan Korb ssi Speise Ngu Krug Tsiang Getränke.: v. d. Gabelentz, S. 75, ›tan ssí ngû tsiang ì yîng wâng ssi. Mit Körben voll Speisen und Krügen voll Getränken kamen sie entgegen des Königs Heere. (tan ssí, Korb Speise, ngû tsiang, Krug Getränke, Maassangaben)‹. Juet Monat ist das Radikal Nr. 74 und stammt aus v. d. Gabelentz' ›Classenhäupter‹-Liste, S. 13, ›Yuet, Mond, Monat‹. Sonderbar, daß May hier das gegebene ›yuet‹ mit Juet umschreibt, obwohl er gleich zwei Vokabeln weiter das gegebene Anlaut-Ypsilon beibehält. Schit-teu Sonne Yuet-liang Mond Schit-yuet Sonne + Mond stehen bei v. d. Gabelentz, S. 87, ›zit-t'eû, Sonne; yuet-liáng, Mond; aber zit yuet, Sonne und Mond.‹

   Die nächsten Einträge sind von Karl May dann aus einer Aufreihung bei v. d. Gabelentz übernommen worden, Ko-ko älterer Bruder bis scheu Hand aus S. 88, hier übrigens scheu konsequent richtig aus ›seu‹ transkribiert; Tsiang schin Handwerker bis Sien scheng-men, die früher Geborenen. Sie, meine Herren, pag. 89., wie von Karl May selbst angegeben, v. d. Gabelentz, S. 89. Das ebd., eine Seite zuvor, aufgeführte ›fâm fu suk tsì, gemeines Gesindel‹ übernimmt er ebenfalls und läßt es einen der vom Methusalem befreiten Mandarine sprechen: »Mok put, ni=men put kian – nicht wahr, ihr seid keine Piraten?« fragte der Methusalem in mitleidigem Tone. »Yu, yu – nein, nein!« antworteten sie sofort im Tone des Abscheues und der eine fügte hinzu: »Tsa=men put tsche fam=su=suk=tsi – wir gehören nicht zu diesem Gesindel!« (M 207) Hier war sich Karl May seiner Chinesisch-Kenntnisse wohl schon sicher und hat ›Bausteine‹ aus verschiedenen Stellen zu eigenen Sätzen zusammengefügt. Mok put wird von v. d. Gabelentz, S. 103, als ein Fragewort angeführt: »mok-put und mok-fei greifen der Antwort vor: nicht wahr?« und ist auch in einem Beispielsatz enthalten, den Karl May auf der letzten Seite einer Vokabelliste eingetragen hat: Mok-put tschik-liao ngo put-tsching? Wird er mich etwa auffressen? Das Wort kian für ›Piraten‹ hat er dem Gabelentzschen ›Raubgewinn‹ entnommen, wie er ihn auf Manuskriptseite 2 oben eingetragen hat. Für ›Pirat‹ wäre ›Räuber‹ ja gar nicht so abwegig, nur deckt ›kian‹ ‹jian› ein etwas anderes Bedeutungssprektrum ab, nämlich ›Betrug, Verrat‹. Das Hilfszeitwort ›sein‹ ‹shi› hat er im ersten Satz


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allerdings ganz vergessen, im zweiten dann mit tsche falsch transkribiert. Die Wortstellung ist in beiden Sätzen aber richtig.

   Es stammen aus v. d. Gabelentz weiterhin: Wei=iü Fische (S. 92), Yang Schaf (S. 20), Ngo Gans (S. 93), Kiuèn Hund (S. 94). Der Eintrag Ti Heimath stellt eine Verkürzung Karl Mays dar, die einem Beispiel v. d. Gabelentz' für Höflichkeitsfloskeln, S. 99, entstammt: ›kuéi-tí, Ihre Heimath.‹ Das Wort ›ti‹ ‹di›, das eigentlich ›Erde‹ bedeutet, kann aber nur in dieser idiomatischen Wendung ›wertvolle Erde‹ als ›Heimath‹ verstanden werden.

   Die beiden nächsten Einträge Teng Lampe und Yen Auge sind wiederum Beispielen v. d. Gabelentz' entnommen, S. 99: ›t'iém cok teng, bei brennender Lampe‹, und ›pek cok yèn, mit weissen (=zornigen) Augen.‹ Das von Karl May durch Unterstreichung und Kreuzchen hervorgehobene Kuéi Gespenst, das ja nichts anderes ist als das oben erwähnte Wort ›Teufel‹ im Ausdruck ›Teufelssöhne‹, könnte aus der bei v. d. Gabelentz, S. 66, dargestellten Wendung ›hiaó iü kuèi-sîn, pietätsvoll gegen Dämonen und Geister‹ abgeleitet sein. Es findet sich aber auch in Heinrigs' ›Schlüssel‹-Liste, in der Karl May die entsprechende Nr. »194. K o u e i , die Seelen der Verstorbenen, Leiche.« mit drei Ausrufezeichen und einem großen Kreuzchen hervorgehoben hat. Ku = Kaufmann bis Schi Zeit sind auf den Seiten 112 bis 117 bei v. d. Gabelentz aufgeführt. Ab hier bis fast zum Ende seiner Manuskriptseite hat Karl May Wörter und Ausdrücke aus den interlinearen Worterklärungen aus dem Kapitel ›IV Übungsstücke‹ von v. d. Gabelentz entnommen. Bei seiner Übertragung hat er auch gelegentlich Veränderungen vorgenommen; so bildet er Tsang Vorrathshaus, wo bei v. d. Gabelentz ›ts'ang verbergen‹ angegeben ist. Dabei ist auch, dreifach unterstrichen, der im ›Methusalem‹ so wichtige ›Paß‹, der bei Gabelentz ausdrücklich als ›Grenzpass‹ gegeben wird, aber von Karl May, wie an anderer Stelle ausgeführt, etwas anders verwendet wird. (29) Ebenfalls unterstrichen ist Lung Drache, von Karl May an verschiedenen Stellen eingebracht, so etwa in Verbindung mit dem oben eingetragenen Yen Auge als angebliche Bezeichung für chinesische Schiffe: Das Vorderteil ist meist rot bemalt. Rechts und links vom Steven erblickt man je ein Auge, oft vier bis fünf Fuß im Durchmesser haltend und in möglichst grellen Farben gemalt. Von diesen beiden Augen, welche einen eigenartig glotzenden Ausdruck zeigen, haben die Dschunken den allgemein gebräuchlichen Namen ›Lung=yen‹ d. i. Drachenaugen erhalten. (M 85) Wörtlich fast identisch findet sich diese Erklärung allerdings bereits im ›Kiang-lu‹ (S. 148) und dürfte daher auf einer anderen Quelle beruhen.

   Die Vokabeln auf Karl Mays Manuskriptseite 3 stammen wiederum bis auf die letzten elf Einträge aus v. d. Gabelentz' Chinesischer Grammatik. Tschün Frühling bis Tsi Phraseologie stammen von S. 118, Sin Treue bis kik Höchstes von der dort folgenden Seite, die nächsten beiden


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Einträge von S. 120, die folgenden drei von S. 121. Dabei ist Yin Güte dick mit Bleistift unterstrichen, wohl wiederum ein Hinweis darauf, daß Karl May sich seiner Vokabelliste später noch einmal, bei der Abfassung des ›Und Friede auf Erden‹ bedient hat. Dieses Wort fand sicherlich bereits im ›Methusalem‹ Verwendung, als May den Familienmitgliedern des Teehändlers Ye-kin-li ihre Namen gab: »Mein Milchname ist ›Fuk=ku‹, was ›Ursache des Glückes‹ bedeutet ...« »Welch ein Zusammentreffen! Nicht wahr, ihre Mutter hieß Hao=keu, lieblicher Mund?« »Ja. Woher wissen Sie das?« »Sie hatten noch einen Bruder und zwei Schwestern. Der erstere hieß Yin-Tsian, Güte des Himmels, und die beiden letzteren Méi=pao, schöne Gestalt und Sim=ming, Herzenslicht?« (M 183). Alle diese Namensbestandteile sind auf Karl Mays Autograph zu finden. Tsian ist hier ganz sicherlich ein Setzfehler aus ›Thian‹; pao wurde von ihm richtig als Piao Äußeres in seine Wörterliste, ebenfalls Manuskriptseite 3, übernommen und wurde wohl ebenfalls erst beim Druck ›verunstaltet‹. Vor allem aber kennen wir Yin Güte aus dem ›Friede‹-Roman als Frau John Raffleys und Namenspatronin für dessen Yacht. Der von Karl May zu mehr als einem Eigennamen, fast zu einem philosophischen Terminus hochstilisierte Begriff »Es ist Yin, die Güte!« (F 171) verdankt seine Entstehung wieder einmal seiner (gewollten?) Ungenauigkeit – genau wie Teu Bettlerkönig, vierzehn Einträge weiter auf derselben Manuskriptseite. (30) Obwohl v. d. Gabelentz einen fertigen Terminus geliefert hatte, S. 29, ›sén-cè, die Güte, das Gute, der Gute‹, den Karl May auch gesehen haben muß, da er die unmittelbar davor und danach stehenden Begriffe, Wang vergehen und Hiok studiren, in seine Vokabelliste, S. 7, übernimmt, verzichtet er darauf und konstruiert lieber einen ›eigenen‹ Begriff; Quellentext ist wiederum ein ›Übungsstück‹ v. d. Gabelentz', S. 121, aus dem Karl May Yin Güte und Tek Tugend säuberlich in seine Vokabelliste überträgt. Was er dabei wegläßt – oder übersieht –, ist der Bindestrich bei v. d. Gabelentz, ›yin-‹, der damit andeutet, daß die im senkrecht gesetzten Text untereinandergestellten Schriftzeichen zwar eine jeweils eigenständige semantische Bedeutung tragen, ›Güte‹ und ›Tugend‹ aber zusammen ein Wort ergeben, nämlich ›yin-tek‹, für das im Fließtext der Übersetzung unten auf derselben Seite die Bedeutung ›Wohlwollen‹ erscheint. ›Wohlwollen‹, ›Gnade‹ ist auch das Bedeutungsspektrum dieses Begriffs ‹en-de›, dem man durch Mays Notiz und die bei v. d. Gabelentz dargestellten Schriftzeichen vollends auf die Spur kommt und damit weitere Spekulationen beenden kann: (31) Mit ›Yin‹ ist also ‹En› ›Gnade‹ gemeint, das von v. d. Gabelentz merkwürdigerweise nur in einem historischen Lautstand wiedergegeben wird, wie er zwar noch im Kang-Xi-Lexikon angegeben ist, in den Wörterbüchern des 19. Jahrhunderts aber in der Regel nicht mehr.

   Die Einträge vom dreimal unterstrichenen Pao Schatz bis kung Arbeit stammen weiter aus den ›Übungsstücken‹, S. 126: »Ich dachte, ihr


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wolltet nach einem Pao=ngan 1) suchen, welcher bei einem armen Ma=la=bu unmöglich vorhanden sein kann.« [Anmerkung May: 1) Verborgener Schatz.] (M 450) Auch die folgenden Einträge von Tscheng Guitarre bis Wu Geschäfte entstammen den für Karl Mays Zwecke sehr ergiebigen ›Übungsstücken‹ (S. 117 bis 134). Den Lin Nachbar hat Karl May nicht nur durch Ankreuzen hervorgehoben, sondern auch im ›Methusalem‹ verwendet: »Ich werde es so schön machen, daß alle Schuld auf den Lin 1) fallen muß. Aber wann bekomme ich das Geld?« [Anmerkung May: 1) Nachbar.] (M 227) Bei der Übertragung in seine Vokabelliste hat Karl May mehrfach zweigliedrige Begriffe nicht als solche aufgefaßt, sondern jeweils nur einen Teil davon als Vokabeln in seine Liste aufgenommen. So lautet sein Eintrag Hia im Herzen im Original ›sim-hia‹ ‹xin-xia›, ›Herz/unter‹. Wieso hat er dies hier nicht erkannt, obwohl er weiter vorne richtig Sim Herz notiert hat? Auch bei Tsiè Fräulein hat er wohl einfach übersehen, daß das Wort eigentlich ›siào-tsiè‹ heißt. Ebenso bei Ssi ein Weilchen, im Original ›p'ien-si‹, wo Karl May überdies falsch transkribiert, oder bei Mi Pachtzins, das von v. d. Gabelentz sogar in Klammern gesetzt wurde, um anzudeuten, daß das Wort ›tsu-mi‹ heißt. Ping Frieden hat Karl May offensichtlich sehr verwundert, er setzt zwei Fragezeichen hinzu und vermerkt zwei Seitenzahlen seines Quellenwerkes; die Seitenzahl 129 hat er sich übrigens auch auf sein Gabelentz-Exemplar selbst notiert. Wieder einmal hat er den ersten Teil des Wortes außer acht gelassen, sonst wäre er bei ›T'ái-p'îng k'iao‹, im Fließtext ›Friedensbrücke‹, vielleicht auf die Ähnlichkeit mit seinem vierten Eintrag auf der ersten Manuskriptseite gekommen. So taucht aber erneut ein ›ping‹ auf, wie schon in Heinrigs' Liste, ›Ping, frierendes Wasser, Eis, Winter‹, sowie ›Soldat‹, und weiter unten mit Ping Brautgeschenk und Ping Eis. Die Verwirrung wird zudem noch größer, wenn man, wie Karl May es regelmäßig tut, den unterscheidenden Apostroph wegläßt und sämtliche ‹bing› und ‹ping› dann gleichwertig erscheinen. 17 Wörter ‹bing› und 15 Wörter ‹ping› zählt alleine das nur rund achttausend Zeichen enthaltende Xinhua Zidian auf. (32)

   Damit unterbricht Karl May zunächst seine Ausbeute der ›Chinesischen Grammatik‹ v. d. Gabelentz'. Er kehrt noch einmal zum Artikel ›Der Nahme des Kaisers von China‹ zurück und entnimmt daraus als Bestandteile des Namens von Konfuzius Kieu Hügel und Kung Fürst sowie drei weitere Begriffe, die eigentlich Dynastietitel darstellen: »Der ursprüngliche Familiennahme des Geschlechtes, welches durch ›himmlischen Befehl‹ (thian ming) unserem ›Dei gratia‹ entsprechend, zur Herrschaft berufen wird, bleibt zwar auch in der Folge für alle Mitglieder desselben gemeinsam, wird aber gewöhnlich bald von einer metaphorischen, meist pomphaften Benennung (Hia, der Glanz, Ming, das Licht, Thsing, die Reinheit) verdrängt, welche, so lange die Dynastie


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beym Reiche bleibt, auch zur officiellen Bezeichnung desselben dient.« (S. 2): Ming Befehl Licht, Tsing Reinheit, hia Glanz.

   Die Herkunft der letzten Einträge auf Karl Mays Manuskriptseite 3 und der nur wenigen Einträge auf Seite 4 konnte bislang nur zu einem Teil ermittelt werden. Es könnte sich um dieselben Quellen wie bei den ersten Einträgen auf seiner Vokabelliste handeln. Immerhin beweist hier Karl Mays Sing=pu Kriminalgebäude, daß er den in M 312 als sing-gu falsch abgedruckten Begriff richtig kannte – wenngleich auch die angegebene deutsche Bedeutung nicht stimmt, was aber wohl in der Verantwortung von Mays Quellentext lag, denn ‹Xing-bu› war das (Straf-) Justizministerium, eines der sechs traditionellen Ministerien in der kaiserlich-chinesischen Zentralregierung. (33) Die schon mehrfach erwähnten Kuei Teufel kommen hier nochmals vor und sind stark hervorgehoben.

   Mit Tschuan=pai Schiffspaß lag Karl May ein Terminus ‹pai› vor, der als chinesischer Ausdruck für die verschiedenen und so wichtigen Pässe im ›Methusalem‹ eher zu verwenden gewesen wäre als das von ihm benutzte kuan; der letzte Begriff ist übrigens im korrekten Eintrag Hai=kuan=pu, Obereinnehmer d. ausländischen Zölle enthalten.

   Aufschlußreich sind drei Einträge auf der nur mit einer halben Spalte beschriebenen vierten Manuskriptseite von Karl Mays chinesischer Vokabelliste. Gong Becken und Bonze Priester. Sein Quellentext scheint nahegelegt zu haben, daß ›Gong‹ und ›Bonze‹ chinesische Wörter seien. Er selbst hat diese Einschätzung insoweit übernommen, als er beide in seine Vokabelliste aufgenommen hat, die ja sonst nur chinesische Wörter beinhaltet. Der mittlerweile im Deutschen heimische ›Gong‹, von Karl May doppelt unterstrichen und angekreuzt, stammt dem Worte nach aber aus dem Malaischen. Natürlich werden metallische Schlaginstrumente auch in China gespielt, gerade bei der Musik der ›Peking-Oper‹; die chinesische Bezeichnung dafür ist aber ‹luo› für die größeren, freihängenden Exemplare, oder ‹bo› für die kleineren Instrumente.(34) Das Wort ›Bonze‹ ist mit der Bedeutung ›Priester‹ ebenfalls eigentlich nicht chinesisch. Es basiert auf dem japanischen Wort ›Bôzu‹, das einen Allgemeinbegriff für buddhistische Geistlichkeit darstellt. Es ist seinerseits in sinojapanischer Lesung letztlich zwar dem Chinesischen entlehnt, wo es aber als ‹fang zhu› ursprünglich ›Inhaber eines Ladens, einer Werkstatt‹ bedeutet. Über portugiesisch ›Bonzo‹ und französisch ›Bonze‹ ist der Begriff in den deutschen Wortschatz gekommen und hier mittlerweile ja auch heimisch geworden. Karl May verwendet den Begriff unter anderem im ›Methusalem‹: Ein wohlgenährter Bonze 1) trat ihnen entgegen, um sie mit einem freundlichen Tsching tsching zu begrüßen, welches ihm in herablassender Weise zurückgegeben wurde. [Anmerkung May: 1) Priester, Mönch.] (M 309). Hingegen weist Karl May selbst an früherer Stelle auf den ›nichtchine-


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sischen‹ Charakter des Wortes hin: »Wer ist das?« fragte der Kapitän. »Der Ho=schang,« antwortete ich. »Ho=schang! Was ist das?« »Der Priester und Wärter dieser Pagode. Die Ausländer nennen sie Bonzen, der Chinese aber kennt dieses Wort gar nicht, sondern sagt Ho=shang oder Sing.« (K 152)

   Der von Karl May besonders hervorgehobene Eintrag Ko=tu feierl. Niederwerfen vor dem Kaiser ist abweichend von der üblichen Umschreibung ›Ko-tau‹ dargestellt und damit nicht korrekt wiedergegeben, da der Begriff ‹kou tou› lautet, ›mit dem Kopf (auf den Boden) klopfen‹. Dasselbe gilt für das ebenfalls von ihm hervorgehobene Pai=lu Triumphbogen, eigentlich ‹pai lou>. Tscha=kho Kanal entstammt aufgrund der spezifischen Transkription wohl aus Harnisch, S. 86, der damit »den berühmten chinesischen Schiffsgraben (Tscha-kho) (...), durch den Süd- und Nordchina mit einander verbunden sind«, bezeichnet, also das bei uns als ›Kaiserkanal‹ bekannte Wasserbauwerk. Das hier zugrunde liegende chinesische Wort ist ‹zha-he›, ›Schleusen-Fluß‹, die gängige Bezeichnung wäre eigentlich ‹Da Yun-he› ›Großer Transport-Fluß‹. Auch der Tschu=tsche=Wasserrabe zum Fischfangen könnte Harnisch, S. 92, entnommen sein: »Den 9ten Oct. hatten wir Gelegenheit, die Fischerfögel (Yu-ye, Pelecanus chinensis) oder Wasserraben zu sehen. Man setzt deren mehrere in einem Boote auf Stangen, und läßt sie dann in das Wasser fallen; der Vogel taucht sogleich unter, ergreift einen Fisch und bringt ihn, dazu abgerichtet, in das Boot herauf. Wir sahen einige mit einem steifen Kragen um den Hals, der ihnen umgelegt war, um das Herunterschlucken des Fisches zu verhindern.« Die Beschreibung dieser Fischerei mit Kormoranen gibt Karl May im ›Methusalem‹ wieder und korrigiert dabei auch gleich seinen Quellentext: Das Wort Rabe ist eigentlich ein falscher Ausdruck für diese zum Fischen ... abgerichteten Tschu-tsches. Der richtige Name ist Cormoran oder Scharbe (Phalacrocorax sinensis). (M 486) Wenn Karl May selbst die ›Eindeutschung‹ des ohnehin schon enstellten Begriffes – Kormoran heißt chinesisch umgangssprachlich ‹yu-ying›, eigentlich aber ‹lu-ci› – vorgenommen haben sollte, so ist sie ihm hier aber deutlich mißglückt. Eine weitere fehlerhafte Transkription dürfte bei Tschu=tschi Scepter vorliegen, das in der zeitgenössischen Umschrift des Quellentextes etwa als ›Ju-yi‹ dargestellt sein mochte; die Bedeutung wäre korrekt. Von Harnisch, S. 95, stammen sicher Tsche=fan Morgenreis und Tsau=fan Abendreis: »Kein Volk der Erde ist abhängiger vom Reißbau als die Chinesen. Sie benennen auch die Mahlzeiten durch Reißessen (Tsche-fan), das Frühstück durch Morgenreiß (Tsau-fan), das Abendessen durch Abendreiß (Quan-fan).« Die von Karl May noch richtige Übertragung von der Vorlage in seine Vokabelliste hat er dann bei der Verwendung umgestellt und dadurch verfälscht: »Bevor wir uns zum Tsau=fan 1) begeben,« sagte er, »muß ich Ihnen eine Mittei-


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lung machen.« [Anmerkung May: 1) Abendessen, wörtlich: Abendreis. Tsche=fan Morgenreis, Frühstück.] (M 293)

   Und schließlich ist Sing-song Theater das typische Produkt jener sprachlichen ›Chinoiserie‹, die im 19. Jahrhundert auch bei eigentlich ernstzunehmenden Autoren gar nicht so selten anzutreffen war. Es ist Karl May nicht zu verübeln, wenn er auf solche Phantasieprodukte hereinfällt und künstliche, onomatopoetische Wörter wie diese dann auch noch, im Verein mit echten chinesischen Sprachzitaten, zu neuen, eigenen Sätzen zusammenbaut: Er musterte sie mit frech neugierigen Blicken, rümpfte, wohl über ihre ungewöhnlichen Erscheinungen, die breite Stumpfnase und trat dann zu Turnerstick, um ihn zu fragen: »Tsche=sié sing=song=tschin – diese Leute sind wohl Schauspieler?« ›Sing=song‹ heißt nämlich Theater, Schauspiel. (M 275) Tsche-sié ‹zhe xie› ›diese‹ (Plural) stammen aus v. d. Gabelentz, S. 95, ›cé sie‹ und tschin ‹ren› ›Mensch‹ ebenfalls daraus, S. 22, in der oben erwähnten falschen Transkription Karl Mays. Der Satz ist im übrigen ›fast‹ richtig: Es fehlt das Nomen, auf das sich ›diese‹ bezieht und das man im Chinesischen genauso braucht wie im Deutschen, also etwa ›Leute‹, und es fehlt die Kopula ›sind‹. Die zweifelnde Vermutung wohl sollte und kann natürlich auch im Chinesischen ausgedrückt werden.

   Alle Einträge auf der Manuskriptseite 5 stammen wieder aus v. d. Gabelentz. Karl May hat sich hier ausnahmlos Adjektive notiert und ist dazu die ›Anfangsgründe‹ nochmals von vorne bis hinten durchgegangen. Die Einträge stammen von den Seiten 7 bis 133; Kiao normal ist aber von seiner Vorlage, S. 7, falsch abgeschrieben ›k'iài-su, Normalschrift‹. Mit niü beisammen hat sich Karl May einen außergewöhnlichen Flüchtigkeitsfehler geleistet. Bei v. d. Gabelentz, S. 8, heißt es als Beispiel für den Schriftzeichentyp ›symbolische Zusammensetzung‹: ›Zwei Weiber, [Schriftzeichen ›Frau‹ einfach] niü, beisammen [Schriftzeichen ›Frau‹ doppelt] wan, Zank.‹ Klar ist eigentlich, daß ›beisammen‹ keine Wortbedeutung ist, sondern, wie der Sprachwissenschaftler darstellen wollte, der Hinweis, zweimal das Schriftzeichen ›Frau‹ zusammen geschrieben ergebe das Schriftzeichen ›Zank‹.

   Karl May hat ansonsten einzelne Wörter sinnvoll aus Beispielsätzen entnommen, gelegentlich ein Wort aus seiner Vorlage ausgelassen oder auch eine Bedeutung abgeändert oder hinzugefügt: Für yin geheim heimlich verborgen gibt v. d. Gabelentz, S. 114, ›yìn geheim, verbergen‹. Den Ausdruck Miao-ya Wunderbar vortrefflich, v. d. Gabelentz, S. 106, hat Karl May anschaulich im ›Methusalem‹ eingesetzt: Der Oberpriester bekam zuerst die Sprache wieder; er schrie: »T'ien=ti=jin – o Himmel, Erde und Menschen. Miao=ya, miao=ya – Wunder über Wunder! Er kann seine Augen herausnehmen!« »Miao=ya mu, miao=ya mu – wunderbare Augen, wunderbare Augen!« fielen die Erschrockenen ringsum ein. (M 350)


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   Auf seiner Vokabelliste weiter unten weist May mit seinem Eintrag tschik gerade 128 selbst auf seinen Quellentext, v. d. Gabelentz, S. 128, hin.

   Auch die wenigen Einträge auf Manuskriptseite 6 entstammen sämtlich v. d. Gabelentz; allerdings hat Karl May mit U schwarz die dort, S. 57, gegebene Transkription ›ngu‹ geändert.

   Auf den Manuskriptseiten 7 bis 9 seiner Vokabelliste hat Karl May fast durchweg Verben notiert, deren Quelle eigentlich zur Gänze wieder v. d. Gabelentz' ›Anfangsgründe‹ sind, und dieses Werk dazu erneut von Anfang bis Ende durchgesehen. Aus den dortigen Beispielen, S. 25, ›niü put yuk, Weib nicht wollen‹ und ›put kàm, nicht wagen‹ hat Karl May, auf seiner Liste, S. 7, die Vokabeln yuk wollen und kam wagen gemacht, die im ›Methusalem‹ eingesetzt werden: Da drängte der Bedrohte sich in die fernste Ecke hinter die Götterbilder und schrie: »Vu, vu! Ngo put yuk ngo; put kam; ngo kiao – nein, nein! Ich will das nicht; ich mag das nicht; ich schrei'!« (M 351) Wobei der Unterschied zwischen ›mögen‹ und ›wagen‹ nicht so genau genommen wurde. Bemerkenswert ist auch der Einsatz des auf der siebten Seite seiner Vokabelliste eigens hervorgehobenen tsün bestehen im ›Methusalem‹: »Tsa=men ko tsän – wir werden die Prüfung bestehen.« (M 207) Bei v. d. Gabelentz, S. 29, ist als Beispiel ›entgegengesetzter Eigenschaftswörter‹ gegeben: ›ts'ün-wang, bestehen-vergehen = die Existenz(-frage).‹ Dieses im Druck des ›Methusalem‹ auch noch entstellte ›tsün‹ ‹cun› bedeutet also ›existieren‹ und hat mit ›eine Prüfung bestehen‹ nichts zu tun. Während die anderen Vokabeln in diesem Satz richtig sind, ko prüfen, v. d. Gabelentz, S. 9, und ebenfalls Vokabelliste, S. 7, ist die im Chinesischen bestehende Stellungsregel ›Verb-Objekt‹ nicht eingehalten. Vielleicht hat Karl May bei der Abfassung seines ›Methusalem‹ dann nur noch seine chinesische Vokabelliste zu Hilfe genommen, so daß der ursprüngliche Sinnzusammenhang der Einträge dann nicht mehr gegeben war. Auch die an anderer Stelle(35) diskutierten Ausdrücke, aus v. d. Gabelentz, S. 97, huok=tschú fangen und pang-tschok festbinden finden sich hier.

   Das Wortpaar lai kommen und kiü gehen hat Karl May vielleicht mit den Angaben bei Schotts ›Chinesischer Grammatik‹ verglichen, die dort auf Seite 140 zu finden sind? Darauf läßt die auf dem hinteren Vorsatzblatt seines Exemplars notierte Ziffer 140 schließen. Dies könnte auch für die außerhalb der üblichen Spalten in die rechte obere Ecke der Manuskriptseite 7 geschriebenen Personalpronomina gelten. Für den Eintrag kia sein, ihr findet sich aber nur bei v. d. Gabelentz, S. 38, mit ›kiuet für den Genitiv: sein, ihr‹ eine mögliche Quelle.

   Beim Vergleich von Mays Manuskriptseite 8 mit den v. d. Gabelentzschen ›Anfangsgründen‹ fällt auf, daß May einmal einfach die Wortkategorie wechselt – aus ›yeu vermodert‹, v. d. Gabelentz, S. 112, macht er yeu vermodern – und daß er ein andermal bei seiner Übernahme ein


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Wort einfach ausläßt, was besonders bei ›kuan Grenzpass‹ und ›kuan-ling Passaufseher‹, S. 114, von Bedeutung ist, da Karl May von dort seinen ›kuan‹, ›Paß‹ in der Bedeutung von ›Passeport‹ für den ›Methusalem‹ entnommen hat, obwohl er die eigentliche Bedeutung von ›kuan‹ hätte klar erkennen müssen. Andererseits hat er die hier enthaltene Vokabel ling befehlen übernommen und eingesetzt: »Mein Dienstname ist Ling 1)« [Anmerkung May: 1) Der Befehlende.] (M 339)

   Karl May störte sich dann wieder nicht daran, daß v. d. Gabelentz mit ›hí (sich freuen)‹ andeuten wollte, daß ›hí‹ kein Wort, sondern Teil des Namens ›Yin-hi‹ sein sollte. Auf der nicht voll beschriebenen Manuskriptseite 9 unten hat Karl May zu Hing gehen, aus v. d. Gabelentz, S. 15, die beiden Bedeutungen wandeln handeln wohl aus Schott, S. 45, entnommen. Die Vokabel hatte er schon einmal, auf seiner Manuskriptseite 8, als hing üben walten, aus v. d. Gabelentz, S. 119, eingetragen. Der letzte Eintrag auf dieser Seite spricht wiederum dafür, daß sich Karl May seiner Vokabelliste später noch einmal, bei der Abfassung des ›Friede‹-Romans bedient hat, denn ki (hoffen) tsching) vollenden scheint erst später notiert worden sein, worauf auch die von Karl May verwendete kräftigere Tinte und ein anderer Duktus schließen läßt. Es handelt sich dabei um den Namen jener (fiktiven) Hauptstadt der ›Shen‹: »Ki-tsching liegt nämlich nur noch diese Nacht und einige Stunden von uns entfernt, und – – –« »Ki-tsching?« unterbrach ich ihn. »Wie Sie diese Worte betonen, heißen sie ›hoffen‹ und ›vollenden‹. Der Name dieser Ihrer Besitzung bedeutet also ein Land, in welchem die Hoffnung begonnen hat, was die Zukunft vollenden soll?« (F 476) Für v. d. Gabelentz als Quelle spricht dessen Angabe, S. 50, ›c'ing = vollenden‹ für ‹cheng› mit der eigentümlichen Vokalbezeichnung ›-i-‹, die May hier übernimmt.

   Die Zahlen auf Manuskriptseite 10 sind v. d. Gabelentz, S. 33, entnommen, dafür spricht die Art der Umschrift. Die Quelle für die Vokabelreihe am rechten Rand ist nicht eindeutig, nicht alle Vokabeln finden sich bei v. d. Gabelentz.

   Die wenigen Einträge auf Manuskriptseite 11 stammen, wie tung wie 126 angibt, aus v. d. Gabelentz, dort auch von anderen Fundstellen, wie S. 87 und S. 98. Bei seinem Eintrag tsching gerade (zur Zeit, als 14) hat Karl May nicht, wie sonst gelegentlich, die Seitenzahl bei v. d. Gabelentz notiert, sondern wohl die Nummer des entsprechenden Paragraphen. Unter ›.14. cíng-tsí, correcte [Schriftzeichen]‹ wird das Wort dort zum ersten Mal aufgeführt, dann aber auch auf S. 45 ›cíng, gerade: cíng-yên, richtig‹.

   Die zwischen der elften und der letzten beschriebenen Seite leer gelassenen Seiten hatte Karl May eventuell für spätere Einträge vorgesehen. Seine chinesische Vokabelliste endet mit der zwölften Manuskriptseite. Er hat dort Satzbeispiele und idiomatische Wendungen notiert,


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die er sämtlich aus v. d. Gabelentz, nämlich den Seiten 21, 87, 93, 94, 102, 104, 106 und 107, entnommen hat. Das dort, S. 87, angegebene Put yen put iü kein Wort reden hat – mit Setzfehlern – sogar Eingang in Karl Mays Wilden Westen gefunden: Der Chinese ging gedankenlos in die Falle, denn er antwortete ohne Überlegung: »Er nannte sich den ›schwarzen Mustang‹, den Häuptling der Komantschen.« »Put yen put jii, put yen put jii!« schrie der erste Chinese vom Schanktische her. Dieser ängstliche Zuruf heißt so viel wie: »Kein Wort reden, kein Wort reden!«(36)

   Einige Höflichkeitsformen hat May hier zusammen mit den bei v. d. Gabelentz, S. 93 und S. 94, gegebenen deutschen Erläuterungen übernommen: Anstatt ich: Siao-ti d. kleinere Bruder – Tsui-schin der Sünder – Statt Du, Sie, und diese im ›Methusalem‹ verwendet: Degenfeld ergriff erst ihren seidenen Aermel und mit demselben ihre Hand, damit dieselbe nicht direkt von der seinigen berührt werde, zog dann das mit der Seide bedeckte Händchen an seine Lippen und antwortete: »Tsui-schin put tui!« Diese vier Silben schließen alles ein, wodurch ein Chinese seine Demut auszudrücken vermag. Wörtlich lauten sie: »Ich Sünder darf nicht antworten.« (M 269) Wenn auch das chinesische Wort für ›dürfen‹ fehlt, so sind Wortwahl und -stellung korrekt; put nicht stammt aus v. d. Gabelentz, S. 48, in Karl Mays Vokabelliste, S. 11; Tui beantworten, aus seiner Liste, S. 7 (v. d. Gabelentz, S. 22).

   Dieses Beispiel zeigt erneut, daß Karl May aus dem vorgefundenen Material relativ korrekte Sätze bilden konnte. Vielleicht war es der Zeitdruck beim Schreiben, der dann doch auch zu auffälligeren Fehlern führte. Seine selbst angefertigte chinesische Vokabelliste war zur vertrauenswürdigen Ausgestaltung seiner chinesischen Handlungsschauplätze ganz sicherlich ein gutes und wichtiges Hilfsmittel. Sich als Hauptquelle dazu die ›Anfangsgründe der Chinesischen Grammatik‹ von Georg v. d. Gabelentz, eines Autors, der, auch nach heutigen Maßstäben gemessen, als ausgesprochene Koryphäe auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Erforschung der chinesischen Sprache gelten kann, auszusuchen, war wohl ein Zeichen von Qualitätsbewußtsein. Dieses Werk war eben gerade als anerkannte ›Elementarlehre für den Anfänger‹ konzipiert und enthält viele umgangssprachliche Ausdrücke, die Karl May für seine Chinesisch-Sprecher benötigte. Die umfassenden Bemühungen um authentische Formulierungen, die seine – trotz einiger Mißverständnisse und wohl auch gewollter Umdeutungen – intensiven Vorarbeiten auszeichnen, dienten zu mehr als nur zur Darstellung von Lokalkolorit. Sie entsprachen auch Karl Mays Wunsch nach Bildung der Leserschaft, und vor allem warben sie um Interesse für fremde Welten und Kulturen.

   Kok scheng tik hoa hoei schuet Aller Provinzen Mundarten kann er reden – ja, sich in allen Sprachen der Welt verständigen zu können, dies war eine Idealvorstellung Karl Mays und diesen Eindruck wollte er


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als Autor beziehungsweise als Ich-Erzähler erwecken. Diesem Ideal näherzukommen diente wohl auch die ›Fleißarbeit‹ seiner chinesischen Vokabelliste.



1 Zum Thema siehe auch: Walter Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse oder phantasievolle Ahnungslosigkeit? – Die Verwendung der chinesischen Sprache durch Karl May. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1991. Husum 1991, S. 287-323.

2 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Supplemente Bd. 2: Katalog der Bibliothek. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Bargfeld 1995, S. 43

3 Zeitraum des Erwerbs durch Karl May laut persönlicher Mitteilung von Roland Schmid, Karl-May-Verlag Bamberg, an den Verfasser

4 J. Heinrigs: Ueber die Schrift der Chinesen, nebst Uebersetzung und Erläuterung ihrer Schlüssel, welche auf den hierzu gehörigen Tafeln figürlich dargestellt sind‹. Köln 1848, unpag. (S. 1)

Zu Abel Remusat siehe Rudi Schweikert: Der Ich-Erzähler als Bücherprotz. Karl Mays Motiv der Berufung auf gelehrte Bücher. Mit Hilfe des ›Buches der Bücher‹, dem Lexikon. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 107/1996, S. 42f.

Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) begleitete 1804 die russische China-Gesandtschaft unter Graf Golovkin, arbeitete dann in St. Petersburg, Berlin und Paris als Professor für asiatische Sprachen und Kultur.

Der deutsche Jesuitenpater Athanasius Kircher (1602-1680) ist durch sein 1667 veröffentlichtes Werk ›China (...) Illustrata‹ bekannt geworden, in dem er, obwohl er selbst nicht in China gewesen war, den Kenntnisstand seiner Zeit erfaßt und einer breiteren Öffentlichkeit dargeboten hat.

5 Heinrigs, wie Anm. 4, (S. 1)

6 Hier wie im folgenden Text werden chinesische Wörter, die in der offiziellen Pinyin-Transkription dargestellt sind, in spitze Klammern gesetzt, z.B. ‹bu›.

7 Schinzel-Lang, wie Anm. 1, S. 307f.

8 Karl May: Der blau-rote Methusalem. Stuttgart o. J. (1892); künftig im Text zitiert mit der Sigle M

9 Heinrigs, wie Anm. 4, (S. 1)

10 Ebd., (S. 4)

11 Kangxi-Zidian [›Kangxi-Schriftzeichenlexikon‹]. Peking 1716. Reprint Hong Kong 1977

Morohashi Tetsuji: Dai Kan-Wa Jiten [›Großes Chinesisch-Japanisches Wörterbuch‹]. 13 Bde. Tokyo 1955-60

12 Georg von der Gabelentz (1840-1893) befaßte sich unter dem Einfluß seines Vaters Hans Conon von der Gabelentz, der selbst Autor einer bedeutenden Grammatik des Mandschurischen (1830) war, bereits früh mit sprachvergleichenden Studien und den Sprachen des fernen Ostens. 1878 wurde er auf den neugegründeten Lehrstuhl für ostasiatische Sprachen in Leipzig, übrigens dem ersten in Deutschland, berufen. Die ›Chinesische Grammatik‹, sein erstes Hauptwerk, war insofern bahnbrechend, als sie sich an den Eigenheiten des Chinesischen orientierte und nicht, wie bis dahin üblich, am Muster des Lateinischen. Sie wurde von der deutschsprachigen Sinologie für so wichtig erachtet, daß sie über 70 Jahre nach ihrem ersten Erscheinen unverändert nachgedruckt wurde (Halle 1953). Der Herausgeber dieses Nachdrucks, Eduard Erkes, verfaßte dazu einen Nachtrag unter dem Titel ›Chinesische Grammatik‹ (Berlin 1956). Georg von der Gabelentz veröffentlichte nach dem Wechsel an die Universität Berlin sein zweites Lebenswerk ›Die Sprachwissenschaft‹ (1891).

13 Vgl. May: Katalog der Bibliothek, wie Anm. 2, Nr. 899; Zeitraum des Erwerbs laut persönlicher Mitteilung von Roland Schmid, Karl-May-Verlag Bamberg, an den Verfasser.


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14 Wilhelm Schott: Chinesische Sprachlehre. Zum Gebrauche bei Vorlesungen und zur Selbstunterweisung. Berlin 1827; vgl. May: Katalog der Bibliothek, wie Anm. 2, Nr. 620.

14a Ein Faksimile dieses Artikels wird in den Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 114/1997 erscheinen.

15 Karl May: Der Kiang-lu. In: Karl May. Gesammelte Reiseromane Bd. XI: Am Stillen Ocean. Freiburg 1894, S. 108; künftig im Text zitiert mit der Sigle K

16 Schinzel-Lang, wie Anm. 1, S. 314f.

17 Heinrigs, wie Anm. 4, (S. 1)

18 Ebd.

19 Amherst's Gesandtschaftsreise nach und durch China, Macartney's Reise von Peking nach der Tartarei, die Reisen eines Kaufmannes durch Hainan und Südchina, und Hall's Reise nach Korea und den Lutschu=Inseln. Hrsg. und bearbeitet von Dr. Wilhelm Harnisch: Leipzig 1824; vgl. May: Katalog der Bibliothek, wie Anm. 2, Nr. 443.

20 Herbert A. Giles: A Chinese-English Dictionary. Shanghai und London 21912, S. 286: »‹shao jiu› distilled spirit, – the ardent spirit of millet as commonly drunk in northern China. It is sometimes called ‹san shao› thrice fired, a name which has been corrupted by Europeans into samshoo.«

21 Die in Pierers Konversations-Lexikon. Berlin und Stuttgart 71889ff., unter dem Stichwort ›Reis‹ (Band 10, Spalten 1208f.) gebotene Erklärung spricht für diese Annahme: »Die ausgedehnteste Verwendung findet R[eis] als Nahrungsmittel (...); ferner dient er zur Darstellung (...) des R-branntweins (ind. Cange, chin. Dschu, japan. Samsu od. Sakhi, Saké).«

22 Vgl. dazu: Bernhard Kosciuszko: Illusion oder Information? China im Werk Karl Mays. In: Jb-KMG 1988. Husum 1988, S. 328f.

23 Pierer, wie Anm. 21, Band 9, Spalte 1206: »Nien-fei (›nördliche Rebellen‹), Name der Insurrection in der chines. Prov. Schang-tung 1866; wurde nach Besitznahme der Stadt Ning-pô 1868 wiederholt geschlagen u. 1870 v. den kaiserl. Truppen völlig niedergeworfen.«

24 Morohashi Tetsuji, wie Anm. 11, Nr. 45758.75

25 Heinrich Schliemann: Reise durch China und Japan im Jahre 1865. Konstanz 1984, S. 52

26 Pierer's Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Altenburg 41857ff., Band 16, S. 839

27 Heinrigs, wie Anm. 4, (S. 2)

28 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXX: Und Friede auf Erden! Freiburg 1904, S. 456; künftig im Text zitiert mit der Sigle F

29 Schinzel-Lang, wie Anm. 1, S. 306f.

30 Ebd., S. 305f.

31 Ebd., S. 318

32 Xinhua Zidian [Neuchinesisches Wörterbuch]. Peking 1971

33 Schinzel-Lang, wie Anm. 1, S. 314

34 Pierer's Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Altenburg 21841. Band 7, S. 466: »Gong (Gongong), Instrument der Indier von Glockenmetall und beckenähnlicher Form; wird mit einem hölzernen Klöppel zum Gesang, auch zum Rudern geschlagen, um den Rhythmus fühlbarer zu machen.«

35 Schinzel-Lang, wie Anm. 1, S. 311ff.

36 Karl May: Der schwarze Mustang. Stuttgart 1899, S. 90


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