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HERMANN WOHLGSCHAFT


»Sie küßte ihn
mit der Gluth eines treulosen Weibes«
Liebesgeschichten in Mays Kolportageromanen


»Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich (...)«
A. de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz



1


Sie war wirklich schön ... Der Fürst wurde natürlich sofort vorgelassen. Sie empfing ihn mit einem freudigen Lächeln, welches ihm sagte, daß er hier Erfüllung jedes seiner Wünsche finden werde ... Er nahm ungenirt neben ihr auf dem Divan Platz.

  »Wie steht es mit dem Befinden, lieber Fürst?«

  »Mille grace! Sie machen mich auf den Fehler aufmerksam, Sie nicht nach dem Ihrigen gefragt zu haben. Ich that es nicht, weil ich Sie so reizend vor mir sehe! Ihr Befinden kann kein schlimmes sein?«

  »O wehe!« sagte sie seufzend.

  »Also doch ein Leiden?«

  »Vielleicht!«

  »Wäre ich ein Arzt!«

  »Giebt es nicht Leiden, welche auch von Laien geheilt werden können?« fragte sie kokett.

  »Glücklicher Weise, ja!«

  »Welche wären das?«

  »Hm! Zahnweh!«

  »Pfui! Womit?«

  »Mit einem Kusse!«

  »Das scheint mir Sympathie.«

  »Allerdings. Ich bin nämlich so glücklich, zu jenen Laien zu gehören, denen bereits gar manche Kur gelungen ist.« ...

  »Ich curire nämlich weder ollo- [!] noch homöo-, noch hydropathisch. Ich mache es wie Christus, der Heiland. Ich lege die Hand auf und sage einige Worte.«

  »Ah!« lachte sie. »Wollen Sie mit Hilfe dieser Wunder eine neue Secte gründen?«

  »O nein ... Es genügt mir vollständig, wenn es mir gelingt, eine Einzige zu meinem Glauben zu bekehren.«

  »Darf man fragen, wer diese Eine ist?«


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  »Nur Sie können es sein, meine Theure!«

  Sie versetzte ihm einen liebkosenden Schlag auf die Wange und fragte weiter:

  »Und welches ist der Glaube, zu dem ich bekehrt werden soll?«

  »Der Glaube, daß ich im Stande bin, das Leiden zu heilen, über welches Sie vorhin einen so interessanten Seufzer ausstießen.« (Verl. Sohn 255f.)1


Es folgt ein ›Doktorspiel‹: Der ›Arzt‹ befühlt den Puls der ›Patientin‹, ihr Handgelenk, dann den Fuß und schließlich den ›Mittelpunkt‹, das ›Herz‹. Sie läßt es geschehen und fragt nach der Art ihres Leidens:


»... Also zunächst: Der Name der Krankheit, lieber Doctor?«

   »Sehnsucht.«

   »Hm! Der Sitz derselben?«

   »Im Herzen.«

   »Die Ursachen?«

  »Ihrer sind zwei, nämlich zwei ganz entgegengesetzte« ... »Siedendes Temperament und eingefrorenes Eheglück.«

  Sie erröthete doch. Er hatte sie durchschaut. Aber daraus machte sie sich nichts. Sie fragte weiter:

   »Und das Medicament?« ...

  Er deutete mit dem Finger auf sich und sagte:

  »Hier sitzt es.«

  »Sie? Ah! Arzt und Medicin zugleich?«

  »Freilich!«

  »Aber in welchen Dosen könnte man Sie genießen?«

  »Das werde ich verschreiben, und Sie haben zu gehorchen! Zunächst werde ich mich Ihnen als Doppelkataplasma verordnen.«

  Sie stieß ein heiteres Lachen aus.

  »Das heißt als Doppelpflaster? Wie wollen wir das arrangiren?«

  »Eins auf das Herz und eins auf den Mund. So!«

  Er legte ihr die rechte Hand wieder auf das Herz, dessen Schlag er bei der Fülle ihrer Büste kaum zu fühlen vermochte, schlang den linken Arm um sie, so daß er sie an sich zu ziehen vermochte, und drückte dann seinen Mund auf ihre Lippen, welche sie ihm fest und ohne Widerstreben hinreichte ...

  »... Ich bringe Ihnen eine hochlodernde Gluth, eine schrankenlose Hingebung und eine unverbrüchliche Treue entgegen. Was bieten Sie mir dafür?«

  »Nichts!«

  Sie fuhr zurück und erbleichte. Das hatte sie nicht erwartet.

  »Nichts?« fragte sie beinahe tonlos.

  »Ja, gar nichts!«

  »Mein Gott, ist es denn möglich, daß ich Sie recht verstehe?«

  Er las eine förmliche Herzens- oder Seelenangst aus dem schwimmenden Blicke, den sie auf ihn gerichtet hielt. Er hatte seine Absicht erreicht. Er las auf dem Grunde ihrer Seele, daß sie seit heute, seit gestern nicht mehr so war, wie sie früher gewesen war. Sie liebte ihn wirklich; sie liebte ihn so, wie sie wohl


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noch nie geliebt hatte; sie konnte ohne seiner Gegenliebe sich wohl nie, nie wieder glücklich fühlen ... (Verl. Sohn 257ff.)


Die ›Patientin‹ geht nun aufs Ganze. Mit allen Mitteln versucht sie, den ›Arzt‹ zu gewinnen. Sie verspricht, ihren Ehemann zu verlassen und allein den Fürsten zu lieben.


Sie zitterte am ganzen Körper vor seelischer Aufregung; ihr Busen wogte auf und nieder, und ihr Athem strömte hörbar zwischen ihren Lippen hervor. Er erkannte, daß er es wirklich in der Hand habe, sie zu seiner Dienerin, seiner Sclavin zu machen. Es wallte in ihm auf wie eine tiefe, gewaltige Genugthuung. Er hätte laut aufjubeln mögen ...

  Da bog er sich zu der Knieenden nieder, schlang die Arme um sie und zog sie zu sich empor, so daß sie Brust an Brust und Lippe an Lippe lagen. Sie fühlte sich fast wahnsinnig vor Glück; sie küßte, küßte und küßte ihn wieder und immer wieder; sie liebkoste ihn; sie streichelte ihm die Wangen, als ob sie ein heißgeliebtes Kind vor sich habe, dem sie ihre ganze Seele hingeben müsse. Dabei flüsterte und fragte sie immer und immer wieder:

  »Lieben Sie mich? Lieben Sie mich? Ist es wahr, daß Sie mich lieben können?«

  »Ja,« antwortete er, sie an sich pressend. »Ich liebe Sie! ...« (Verl. Sohn 261f.)


Falls mich meine Leseerinnerungen nicht trügen, ist diese Partie aus dem ›Verlornen Sohn‹ die einzige zweifelsfrei ›unsittliche‹ Liebesszene in Mays Kolportagewerk. Gewiß, diese Seiten enthalten besonders viel Komik - so daß man sich schon wieder fragen muß, ob man sie überhaupt ernst nehmen, d. h. sie mit den Maßstäben der Ethik vernünftigerweise untersuchen und kritisieren kann. Aber es bleibt, trotz aller Komik und Ironie in den Untertönen, doch zu bedenken: Der ansonsten immer nur positiv gezeichnete Held Gustav Brandt alias Fürst von Befour läßt sich in schnöder Weise ein auf die Verführungskünste Ella von Helfensteins, der Gattin seines Todfeindes, des Barons Franz von Helfenstein.

  Sein Motiv: Er will die charakterschwache Ella in schlauer Berechnung dem - von ihr ja ohnehin nicht geliebten - Ehemann so sehr entfremden, daß sie als willfähriges Instrument seiner privatdetektivischen Strategie gegen Helfenstein benützt werden kann.2 Pornographisch gerät unsere Szene zwar noch lange nicht. Aber unmoralisch ist diese Geschichte, weil der Fürst seine ›Liebe‹ natürlich nur vortäuscht, weil er die Frau für seine Zwecke gebraucht und weil - im Gegensatz zu anderen Verführungsszenen in Mays Kolportage - keinerlei Distanz des Autors, keine Spur von Mißbilligung solchen Verhaltens, erkennbar wird.

  Daß die Baronin den Fürsten provoziert, daß sie ein laszives Frauenzimmer ist und die Verbrechen ihres Mannes gedeckt hat, ändert nichts


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an diesem Befund. Was der Fürst sich hier leistet, bleibt - zumal er seine Ziele sehr leicht auch auf andere, moralisch unbedenkliche Art erreichen könnte - ein Skandal, unbeschadet des heimlichen Augenzwinkerns in der Erzählweise des Autors. May hätte, streng ethisch und pädagogisch gesehen (als Erzieher seiner Leser hat er sich ja stets, auch in der Kolportagezeit, verstanden), diesen Passus so nicht schreiben dürfen.



2


Hat er ihn so geschrieben? Oder handelt es sich, ganz oder teilweise, um eine der von May in den Jahren ab 1901 immer wieder behaupteten Interpolationen seines Kolportageverlegers H. G. Münchmeyer bzw. eines Verlags-Redakteurs? Bei der Erstlektüre neigte ich zu dieser Auffassung. Denn die Ella-Befour-Szene ist ihrem moralischen Gehalt nach völlig untypisch für May; und im weiteren Handlungsverlauf benimmt sich der Fürst gegenüber Ella ja gänzlich anders, nämlich kühl und zurückweisend.

  Ralf Harder nun aber liefert aufgrund von materialreichen Textvergleichen, eingehenden Sprachanalysen und m. E. plausiblen autobiographischen Hinweisen gewichtige Argumente für die Authentizität der ›Liebesszene‹ Ella-Befour.3 Auch alle sonstigen ›erotischen Stellen‹ der Kolportageromane sind nach Harder originale May-Texte. Harders Beweisführung erscheint mir recht schlüssig. So tendiere ich heute sehr zu der Meinung: Abgesehen von zahlreichen Schlampereien des Setzers stehen die Dresdener Erstdrucke der Münchmeyerromane den bekanntlich verschwundenen May-Manuskripten so nahe, daß sie praktisch vollständig als von May verfaßt gelten müssen.

  Dann aber stellt sich natürlich die Frage: Hat May also schlichtweg gelogen, wenn er die Echtheit der Lieferungsromane bestritt? Mit Harder und Seybold4 denke ich: nein. Denn Mays diesbezügliche Äußerungen sind zu einem guten Teil mehrdeutig. Sie könnten die tatsächlich bearbeitete Fischer-Ausgabe meinen. Und dort, wo er doch wohl eindeutig die Dresdener Erstdrucke moniert, wird es sich - anfänglich - viel eher um normale Gedächtnistäuschungen handeln als um bewußte Falschaussagen. In ästhetischer Hinsicht hatte May um 1900 die Schreibweise der Kolportage weit hinter sich; er schrieb nun ganz anders. Er wird sich, subjektiv überzeugt und psychologisch durchaus verständlich, gedacht haben: Solche Sätze kann ich doch nicht so verfaßt haben.

  Später, als May »den wahren Sachverhalt erkannte, geriet er in eine Notlage (...) Jegliche Art Zugeständnisse hätten seine Gegner dankbar aufgegriffen und rigoros gegen ihn ausgeschlachtet«.5


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Im übrigen steht es längst fest: Der sittlichen Empörung über den Wortlaut seiner Kolportagewerke hätte May sich nicht anschließen müssen. Denn mit Ausnahme höchstens der eingangs zitierten Partie sind diese Romane - wie Euchar Albrecht Schmid schon bemerkte6 - überhaupt nicht ›unsittlich‹ und erst recht natürlich nicht von »abgründlicher Unsittlichkeit«.7 Manche Partien stehen ethisch auf niedrigerem Niveau als die Mayschen Reiseerzählungen; auch gibt es einzelne Formulierungen und ganze Romanpassagen, die man als geschmacklos bezeichnen könnte. Aber einen ernsthaften Grund zur Entrüstung sehe ich nicht.

  Cardauns jedoch wütete: »Ein bevorzugtes Thema bilden tiefe und tiefste Negligées, durchsichtige Kleider, Nuditäten, üppige Formen, lüsterne Bilder aller Art, furchtbare Rohheiten, Verführung, Sittlichkeitsverbrechen, Ehebruch, gemeine Wüstlings- und Dirnen-Erlebnisse, eine unendliche Bordellgeschichte - oft bis zur Unerträglichkeit ausgemalt, und unzählige Male derart bei den Haaren herbeigezogen, daß man den Zweck, Befriedigung der niedrigsten Instinkte, mit Händen greifen kann.«8

  Daß diese Schelte maßlos übertreibt und hinter den Angriffen Cardauns' und seiner Mitstreiter im Kampf gegen May eine spießige, philisterhafte Gesinnung steckt, wurde schon oft konstatiert. Verständlich aber sind diese Attacken insofern, als katholische Rezensenten der Mayschen Reiseerzählungen nicht zuletzt die ›sittliche Reinheit‹ dieser Romane herausgestellt hatten9 und später (ab 1901), beim Bekanntwerden der Münchmeyerwerke unter Mays richtigem Namen, ›ihren‹ Autor nicht wiedererkannten. Jenseits aller tieferschürfenden literarästhetischen Kritik,10 die Mays Kolportage ja fraglos verdient, hatten seine zeitgenössischen Gegner fast nur die »abgründliche Unsittlichkeit« der Romane im Blick, die sie - aufgrund eines veräußerlichten Begriffes von ›Sittlichkeit‹ - festzustellen vermeinten.

  Sie ... küßte ihn mit der Gluth eines ... treulosen Weibes (Ulan 105)11 ist der vorliegende Aufsatz betitelt. Ich hätte, auf eine reißerische Überschrift erpicht, auch wählen können: Ah, das war die Braut ... Emma hatte sich entkleidet (Waldröschen 423)12 oder Nun befühlte der Herrscher die Arme und Schenkel, die Schultern und den Busen (ebd. 1323) oder »Lege Deine Hand auf meinen Busen« (ebd. 1450) oder »Ich lasse alle Kleider fallen und studire meine Formen« (ebd.).

  Ähnliche Stellen finden sich in jedem der fünf Kolportageromane. Nur - sie verteilen sich auf 12 500 Seiten. Auf weiten, hunderte von Seiten umfassenden Strecken wird überhaupt nichts dergleichen geboten. Und selbst dann, wenn man sämtliche ›erotische‹ Partien zusammenstellen und in einem Zuge lesen würde, könnte man sie, wenn man nicht ganz und gar prüde ist, nie und nimmer als ›unzüchtig‹ oder ›lüstern‹ be-


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zeichnen. Gelegentlich sind sie wohl dubios, in den meisten Fällen aber absolut harmlos, oft sogar liebenswürdig und manchmal geradezu schön.

  Die bei May immer sehr dezente Beschreibung weiblicher Reize ist selbstverständlich nicht zu beanstanden. Und Zärtlichkeit, als erotische Zuwendung, ist gewiß nicht verwerflich, wenn sie sozial verträglich und der Ausdruck echter Gefühle ist - was für Mays Liebespaare zweifellos zutrifft. Darüber hinaus kann der Künstler und Dichter, wie Albino Luciani, der spätere Papst Johannes Paul I., in einem fiktiven Brief an Goethe schrieb, auch das Fragwürdige, Ungehörige, Schlechte darstellen, freilich »so, daß man das Schlechte als etwas erkennt, was man vermeiden soll«.13 Gerade dieses Kriterium der ›Sittlichkeit‹ eines Textes aber ist in Mays Schilderungen von Ehebruch, Vergewaltigung, liebloser Sinnlichkeit oder leichtsinniger Koketterie durchweg und eindeutig gegeben - wie gesagt mit Ausnahme der Ella-Befour-Episode im ›Verlornen Sohn‹ (und vielleicht einiger zweifelhafter Szenen wie dem Belmonte-Rendezvouz mit der Hofdame der Kaiserin Eugenie im ›Ulan‹14).



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Mays Kolportagewerke sind keine Liebesromane im engeren Sinne. In genrebedingter Überzeichnung, in bunter, nicht selten bizarrer Verschränkung wird, dem theatrum mundi gemäß,15 ziemlich alles beschrieben, was vorkommt im Leben, was es gibt in der Welt: edle Gesinnung und dunkle Verbrechen, Haß und Vergebung, Schuld und Sühne, Angst und Befreiung, Krankheit und Heilung, Sterben und Tod, Glaube und Aberglaube, echte Frömmigkeit und pseudoreligiöses Getue, tiefer Ernst und schelmisches Spiel, natürlich - weil es wesentlich, als Grunderfahrung, zum Leben gehört - auch blinde Verliebtheit und wirkliche Liebe.

  Liebesgeschichten sind nun das Thema, im folgenden freilich nicht eingeengt auf die Frage der ›Sittlichkeit‹. Vielmehr soll möglichst umfassend untersucht werden, welche besonderen Merkmale für Mays Liebesgeschichten charakteristisch sind. Zunächst: Welche Arten von Liebesgeschichten enthalten Mays Kolportageromane? Welche Grundsituationen, welche Beziehungs-Konstellationen zwischen Mann und Frau werden in diesen Geschichten thematisiert? Alle, die man sich denken kann: Da gibt es innigst verliebte junge Leute, die in unbedingter Treue, in flammender Sehnsucht zueinander gehören; auch einseitige Gefühle werden beschrieben, nicht erwiderte Liebe, zurückgewiesene Leidenschaft; auch wechselseitige, ihrem Wesen, ihrer Intensität nach aber verschiedenartige Empfindungen; beschrieben werden jün-


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gere und ältere, mehr oder weniger glücklich verheiratete Paare; das Gelingen oder das Scheitern in Ehe und Freundschaft; Trennungsprozesse aufgrund von gegenseitigem Überdruß oder der Abwendung eines Partners; wechselvolle Beziehungen, die sich im Laufe der Zeit erheblich verändern; außereheliche ›Verhältnisse‹, oft in Drei- oder Mehrecksbeziehungen; wilde Begehrlichkeit; bloße Anmache; von einer Seite oder von beiden ›Partnern‹ von vorneherein nicht ernstgemeinte Amouren; und schließlich: vom schmunzelnden Autor auf reine Komik hin angelegte ›Liebesaffären‹.16

  Wie geht May literarisch mit alledem um? Welches Menschen- und speziell welches Frauenbild offenbart sich in seinen Texten? Welche Problemsicht, welche ›Ideologie‹, welche Ethik, welche pädagogische Zielsetzung liegt ihnen zugrunde? Diese Fragen sind im folgenden, gegliedert nach den verschiedenen Beziehungs-Kategorien, zu besprechen.

  Um die hundertundfünfzig ›Liebesbeziehungen‹ werden mehr oder weniger breit in den fünf Kolportageromanen dargestellt. Bei dieser Fülle des Materials ist es innerhalb des vorgegebenen Rahmens selbstverständlich nicht möglich, alle diese Beziehungen zu erörtern und sämtliche einschlägige Texte zu analysieren. Sinnvoll und möglich aber ist die Kommentierung wichtiger Handlungsmotive, Figuren-Charaktere und Beziehungs-Konstellationen anhand von ausgewählten Beispielen.

  Natürlich wäre es reizvoll, Vergleiche mit Liebesgeschichten in anderen Werksgruppen des Mayschen Œuvres sowie mit Liebesgeschichten anderer Autoren der ›Trivial‹- und der ›Hoch‹-Literatur in die Besprechung der Kolportagegeschichten mit einzubeziehen. Aber solche Vergleiche müßten - ebenso wie die Frage nach zeitgeschichtlichen, soziokulturellen Hintergründen - die Thematik von Spezialuntersuchungen sein. Im vorliegenden Aufsatz können nur spärliche, äußerst vage Hinweise dieser Art gebracht werden.

  Auch auf autobiographische Spiegelungen, die es zweifellos gibt, die sicherlich interessant und bedenkenswert sind, gehe ich hier nicht (oder nur ganz am Rande) ein - weil dieser Gesichtspunkt zu uferlosen Vermutungen führen könnte, den Rahmen meiner Fragestellung allzu sehr sprengen würde und in der Sekundärliteratur ja schon ausführlich, wenn auch gewiß nicht erschöpfend, behandelt wurde.17



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Liebes-Geschichten: die durchgängige, den Gesamttext des Romans strukturierende Beschreibung von Zweierbeziehungen - vom ersten Kennenlernen bis zum Verlust des Partners durch Tod oder anderweiti-


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ge Trennung - finden wir in Mays Kolportage strenggenommen nicht (oder nur einmal, in ›Der Weg zum Glück‹). In der Geschichte von Margot und Hugo von Königsau z. B. werden zwar, über die ersten Begegnungen hinaus, die spätere Eheschließung, verschiedene Knotenpunkte im Verlauf dieser Ehe sowie der Tod Margots im hohen Alter geschildert. Aber die innere Entwicklung einer Liebesbeziehung mit all ihren Höhen und Tiefen - bis zum endgültigen Gelingen oder auch Scheitern - zeigen die Handlungsketten der ›Liebe des Ulanen‹ ebensowenig wie die Love-Stories in ›Waldröschen‹, ›Der verlorne Sohn‹ oder ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹.

  Daß diese Werke im Blick auf Liebesgeschichten uninteressant und belanglos wären, ist damit allerdings nicht gesagt. Sie sind keine Ehe- (und Ehebruchs-)Geschichten wie Stifters ›Brigitta‹, Fontanes ›Effi Briest‹ oder Tolstois ›Anna Karénina‹. Aber wichtige Aussagen über die Beziehung von Mann und Frau enthalten sie allemal.

  Beginnen wir mit den echten, von May auf wahre Liebe hin angelegten Partnerbeziehungen in statu nascendi. Insgesamt an die sechzig Paare dieser Kategorie werden uns vorgestellt. Häufig jedoch beschränken sich diese Schilderungen, so hat es über lange Strecken - in ›Waldröschen‹ z. B.18 - den Anschein, auf die ›Ouvertüre‹. Was dann folgt, sind keine durchkomponierten, keine vollständigen Liebes-›Sinfonien‹, sondern - zum Teil jedenfalls - eher flüchtige Wiederbegegnungen mit Amy Lindsay / Mariano, Emma Arbellez / Anton Helmers, Karja / Bärenherz usw. Denn neue Ouvertüren und neue Liebespaare binden das Interesse des Autors.

  Die Liebes-Ouvertüren gipfeln fast jedesmal in langatmigen, ihrem Gehalt nach sehr innigen Liebes-Erklärungen. In immer neuen Variationen spielt May es durch: wie zwei Menschenkinder, der edle Held und das wunderschöne Mädchen, sich - oft schüchtern und zaghaft, in mehreren Anläufen - gestehen und endlich auch zeigen, daß sie sich mögen. Ist das entscheidende Wort einmal ausgesprochen, beginnt - nach schier endlosem Herzen und Küssen - das neue Leben: in bedingungsloser Liebe und, von Ausnahmen abgesehen, unverbrüchlicher Treue. Manchmal, wie bei Ellen Starton / Max Holm in ›Der verlorne Sohn‹, steht das Liebesbekenntnis am Ende eines langen Prozesses, meist aber am Anfang des Weges, der - nach Überwindung äußerer Widerstände und, wie im Märchen,19 durch schwerste Prüfungen hindurch - zur offiziellen Verlobung oder zur Hochzeit führt.

  In nahezu fünfzig Fällen, in Mays Kolportage also fast immer, verlieben sich die künftigen Partner im selben Moment - zumeist ›auf den ersten Blick‹: Sie sind ›verzaubert‹20 und sehen sich, zuinnerst berührt, mit den ›Augen des Himmels‹.21 Wie kommt diese Liebe zustande, wodurch wird sie initiiert?

  Bei Eduard Hauser, dem Weberssohn, beherrscht die ›platonische‹,


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rein seelische Zuneigung die ersten Gefühle. In der Folge dann freilich werden ihm die Augen geöffnet für noch ganz andere Eindrücke: die erotische Ausstrahlung, die mächtige, sinnenbetörende Schönheit Angelica Hofmanns (die sich vor ihm, zu seinem Erschrecken, beinahe entkleidet, d. h. den oberen Rock entfernt und den Anzug wechselt (Verl. Sohn 526)). Eduard hatte, gewissermaßen, zuerst das innere Wesen der Freundin und dann ihre äußere Wirkung erkannt.

  In der Regel aber gilt: Am Anfang war die Sinnlichkeit! Die jungen Frauen entzücken ihre Geliebten zunächst durch ihre - von May sehr plastisch beschriebenen - körperlichen Vorzüge: das magische Fluidum (Waldröschen 762) der gesamten Erscheinung, den besonderen Teint, das bezaubernde Lächeln, die großen herrlichen Augen, die dunklen Wimpern, das lange prächtige Haar, die von der schmucken, reizvollen Art der Bekleidung hervorgehobene schlanke und doch so üppig volle Gestalt, die feine Taille, die voll gerundeten Hüften (Deutsche Herzen 1589)22 usf.

  Nur selten vergißt Karl May in solchen Roman-Passagen die ›Fülle des wohlgeformten, des wogenden und schwellenden Busens‹, der ›das Mieder zu sprengen droht‹. May war also kein Manichäer. Er freute sich über die Schöpfung, über die Fülle des Lebens. Insbesondere war er bewegt von der Schönheit des weiblichen Körpers; auch hatte er vielleicht eine Art ›Busentick‹. Doch der sexuelle Bereich (im engeren Sinne) wird in Mays Liebes-Ouvertüren stets tabuisiert oder höchstens nur angedeutet und dann sofort wieder zugedeckt: »Sie sind ein Bild reiner, keuscher Jungfräulichkeit und vermögen dennoch Gedanken zu erwecken, welche ganz gegentheilig sind. Sie hatten zunächst nur dieses eine Interesse erregt. Dann sah ich ... Ihre Aufopferung für die Ihrigen, und je mehr und je länger ich beobachtete, desto tiefer stieg mir das Interesse in das Herz hinab ...« (Geheimpolizist Adolf zu Emilie Werner, seiner künftigen Verlobten (Verl. Sohn 2115f.))

  Was die künftigen Paare dann wirklich zu binden vermag, sind nicht, jedenfalls nicht primär, ihre leiblichen Vorzüge, sondern die inneren, seelisch-geistigen Werte, ihre Verläßlichkeit, ihre Charakterstärke, nicht zuletzt auch ihr Gottvertrauen. Mays Liebespaare besitzen diese Eigenschaften in hoher und höchster Potenz. Gewiß, auch in Mays Kolportage hat fast jede Romanfigur und bestimmt jede Partnerbeziehung ihre besondere, nicht zu verwechselnde Eigenart.23 Aber Grundmuster, von May bevorzugte Motive gibt es natürlich. Bei exklusiven, zur Ehe führenden Zweierbeziehungen, denen die eindeutige Sympathie des Autors gilt, ist die weitgehende Idealisierung der Paare das typische Merkmal.

  Charakteristisch für die männliche Seite ist die mehr oder weniger ausgeprägte Überzeichnung ins Heldische, Grandiose, manchmal fast Omnipotente (eine Tendenz, die May im Spätwerk zwar wesentlich mil-


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dert, aber auch dort nicht völlig zurücknimmt). Und die Frauen? Was haben sie, außer den schönen Augen und dem üppigen Busen, zu bieten? Sie faszinieren durch ihre Anmut, ihren Charme, ihre herzliche Wärme, ihre vornehme Schlichtheit, ihre stolze Zurückhaltung. Sie begeistern, zum richtigen Zeitpunkt, durch schmiegsame Zärtlichkeit und überschwengliche Hingabe.24 Sie imponieren durch ihr tiefes, ja engelhaftes Gemüt, ihr Einfühlungsvermögen, ihren Sinn für Humor, ihre künstlerische Begabung, aber auch ihre Klugheit, ihren Verstand, ihr Selbstbewußtsein, ihre kraftvolle Standfestigkeit, ihre Tapferkeit in schwieriger Lage - um nur die wichtigsten Vorzüge zu nennen.

  Könnte ein Mann diesen Frauen - Rosa de Rodriganda, Margot Richemonte, Marion de Sainte-Marie, Alma von Helfenstein, Valeska Petermann, Mila Dobronitsch, Leni Berghuber (Muhrenleni) u. v. a. - in der Realität begegnen und müßte sich für eine von ihnen entscheiden, nicht auszudenken, welche Qual! Doch eine von ihnen verdient wohl den Hauptpreis: Magdalena Berghuber (von ihr wird noch öfter die Rede sein), da sie, wie in diesem Ausmaß wohl keine andere, sämtliche Vorzüge in sich vereint, die eine Frau überhaupt nur aufweisen kann.

  Bekanntlich war Karl May der Auffassung, der Mann solle die göttliche Allmacht, die Frau aber die göttliche Liebe verkörpern.25 Daß May dies im exklusiven Sinne gemeint hat, ist allerdings auszuschließen. Seine Erzähltexte zeigen ja deutlich: Auch Frauen können, ohne ihr Frausein zu verlieren, sehr mächtig sein; die Augen Karparlas, des ›Engels der Verbannten‹, z. B. können so zornig und gewaltig aufleuchten ..., daß selbst die personificirte Kühnheit von ihrem Blitze vernichtet werden muß (Deutsche Herzen 1590). Und umgekehrt können Männer, ohne ihre Männlichkeit zu verraten, sehr ›weich‹ und behutsam, sehr zärtlich und liebevoll sein: Karl Sternau z. B., Saadi Ben Hassan, Eduard Hauser, die Brüder von Adlerhorst, Curty von Gulijan u. v. a.

  Auch sonst sind Mays Romanfiguren, trotz ihrer ausgeprägten Männlichkeit oder Weiblichkeit, nicht immer festzulegen aufs ›typisch männliche‹ oder ›typisch weibliche‹ Rollen-Klischee des 18. und 19. Jahrhunderts.26 Miß Starton z. B., die sonst so kühle Ballett-Tänzerin, die mächtige Leute zurückweist und ihre Anbeter abblitzen läßt, eine Frau von Esprit, die weiß, was sie will, trifft selbst ihre Wahl und ergreift Max Holm gegenüber die Initiative bei der Liebeserklärung.27

  Es stimmt zwar: »Karl May ist ein Kind seiner Zeit«28 und tradiert in den Kolportageromanen - wie Schiller im ›Lied von der Glocke‹29 - so manche überkommene Anschauungen, auch bezüglich des ›Wesens‹ von Mann und Frau im Blick auf die Partnerbeziehung. Andererseits sollte es doch zu denken geben, daß May solche Vorurteile schon in der Kolportagezeit (erst recht natürlich im Spätwerk) immer wieder durchbricht und besonders die Muhrenleni, aber auch andere Frauen, Rosita


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Sternau z. B., »vielfach außerhalb der sonst geltenden Normen handeln läßt und dies gutheißt.»30

  Daß etwa nur Männer Geist und Intelligenz, Tatkraft und Durchsetzungsvermögen besitzen, Frauen hingegen nur Herz und Gefühl, Sanftmut und Seele, Anpassungsfähigkeit und häusliche Tugend, ist Mays Romanen - entgegen einer Spezialuntersuchung ›Zur Darstellung der Frau und der Beziehung der Geschlechter in Karl Mays ›Waldröschen‹‹31 - so ohne weiteres nicht zu entnehmen. Die ›weiblichen Anteile‹ in der Psyche des Mannes und die ›männlichen Anteile‹ in der Psyche der Frau32 lassen seine Werke durchaus erkennen. Denn seine charakterlich ausgereiften Protagonisten sind ›integrierte‹ Persönlichkeiten, als Männer und Frauen »profiliert unterschieden und doch voller selbstüberschreitendem Einfühlungsvermögen in das Anderssein des anderen«.33 ›Ganze‹ Menschen sind sie, die Gefühl und Verstand miteinander versöhnen, auf eigenen Füßen stehen, selbständig zu handeln vermögen und - wie die Muhrenleni oder der Wurzelsepp vor allem - auch ohne Partner oder getrennt von diesem sehr wohl zu leben verstehen.

  »Paradoxerweise ist die Fähigkeit, allein sein zu können, eine Bedingung für die Fähigkeit zu lieben.«34 Mann und Frau sind nicht abhängig voneinander und dennoch, ihrem Wesen nach, aufeinander verwiesen.35 Beides, die sehnsüchtige Zuneigung der Geschlechter und ihre prinzipielle Selbständigkeit, illustriert May gerade in den Kolportageromanen sehr eindrucksvoll. Das Motiv des durch äußere Umstände oder innere Blockaden36 bewirkten Getrenntseins der Paare und, damit verbunden, des Durchhaltens in extremen Situationen der scheinbaren Aussichtslosigkeit - bis zur Befreiung, zur Wiedervereinigung - finden wir in Mays Kolportage ja ständig, in galaktischer Häufung, in unerschöpflichen Variationen.

  Die von May - in ›Ein wohlgemeintes Wort‹ (1883) - so drastisch attackierte Schablone ... »Sie sahen sich, sie liebten sich und sollten sich nicht bekommen; Sie liebten sich, sie sahen sich und haben sich endlich genommen«37 hat er selbst immer wieder benützt. Freilich - seine werdenden Paare suchen und finden sich in echter, zu Verzicht und Entsagung bereiter Liebe. Aus dieser Liebe schöpfen sie ihre Treue und ihre ›Trotzkraft‹ angesichts der Erfahrung von Leid und Entbehrung. Daß der geneigte Leser solche Liebe als gut und erstrebenswert empfinde, dies vor allem ist die ›Moral‹, das pädagogische Lehrziel dieser - nun doch über die Ouvertüre hinausgehenden - Partnergeschichten.



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Fast sämtliche Liebespaare erfreuen, oft freilich erst im Finale, durch Verlobung und Heirat. Gustav Brandt und Alma von Helfenstein z. B.


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werden in der Schlußszene des ›Verlornen Sohnes‹ ein glückliches Ehepaar - nachdem Alma, viele Jahre zuvor, an der Unschuld des nur halbherzig Geliebten gezweifelt und vor Gericht ihn belastet hat:38 so daß Gustav verurteilt wurde, nach seiner Flucht aber, in der Ferne, zu unermeßlichem Reichtum gelangte. Zwanzig Jahre später kehrt er inkognito als Fürst von Befour bzw. Fürst des Elends zurück und gibt sich Alma - die ihre Verfehlung aufs tiefste bereut, die grausam gelitten und Gustav niemals vergessen hat - zu erkennen. Da beide sich mehr denn je lieben, steht ihrer Vermählung nichts mehr im Wege.

  Inmitten des Romangeschehens aber finden aufgrund der widrigen Umstände nur die wenigsten Liebespaare zum Eheschluß. Doch schwere Schicksalsschläge stehen auch diesen Paaren bevor. Rosa und Karl Sternau z. B. - die »... Gottes Liebe und Güte für einander bestimmt und prädestinirt hatte« (Waldröschen 2599) - trennt, kurz nach der Hochzeit, die sechzehnjährige Gefangenschaft des Gemahls auf einer fernen Insel (wo Sternau, der strahlende Held, das Vertrauen in Gottes Führung nie verliert). Eigentlich müßte Rosa - wie Mercedes in Dumas' ›Der Graf von Monte Cristo‹ - den Verschollenen für tot, für unwiederbringlich verloren halten. Doch sie ›weiß‹ es in ihrem Herzen: der Gatte kommt wieder. Sie bindet sich nicht (wie Mercedes es tut) an einen anderen Mann, sondern wartet - wie die Königin Penelope in Homers ›Odyssee‹ - auf die Heimkehr des Geliebten: in unversehrter Treue, in bleibender Anmut,39 in ungebrochener Lebenskraft. Die Liebesbeziehung verändert sich, dem Wechsel der Zeiten zum Trotz, überhaupt nicht oder wird, wie der Leser wohl annehmen darf, durch den Schmerz noch vertieft. Um so größer, um so vollkommener dann das Glück der Wiedervereinigung! Wie eigens für Sternau steht es geschrieben: »Freu dich der Gattin deiner Jugendtage, der lieblichen Hinde, der schönen Gazelle!« (Spr 5, 18)

  Doch nicht nur solche Taminos und Paminas, nicht nur ›abgehobene‹, der Erde schon beinahe entrückte, dem Alltag mit seinen Abnützungserscheinungen praktisch nicht ausgesetzte40 Edelmenschen schildert uns May. Insgesamt über fünfzig Ehepaare, die vielen ›Nachzügler‹ in den Finalszenen nicht mitgerechnet, treten in den Kolportageromanen auf: z. T. einfach biedere - oder auch weniger rechtschaffene - Leute, über deren Partnerbeziehung wir freilich nichts Näheres erfahren.

  Von ca. fünfundzwanzig Paaren allerdings wissen wir immerhin: Mann und Frau sind in Liebe, in wohlwollender Zuneigung miteinander verbunden. Elvira und Juan Alimpo z. B., die unzertrennlichen, rührend-komischen Diener der Rodrigandas, harmonieren - ganz ohne Überschwang (dafür sind sie zu hausbacken und zu lange verheiratet) - so perfekt und so einfältig, daß sie stets einer Meinung sind und ihre Reden sehr oft mit der Bestätigung schließen: »Mein Juan sagt das auch« bzw. »Meine Elvira sagt es auch« (z. B. Waldröschen 134).


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  Nicht ganz so naiv und nicht so skurril, aber ebenso liebenswürdig wie die Alimpos wirken - um ein weiteres Beispiel für glückliche Ehen zu bringen - Kalyna und Bula in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹: Der Tungusenfürst Bula, ein einfacher, bodenständiger, freundlicher Mensch (der Verbannten zur Flucht aus Sibirien verhilft), lebt froh und zufrieden mit seiner Kalyna, einer mütterlichen, drallen, herzlichen Frau, deren Gesicht womöglich noch gutmüthiger als dasjenige ihres Mannes (Deutsche Herzen 1589) ist.

  Was nun versteht Karl May unter Partnerliebe? Sicherlich mehr als nur tiefes Gefühl und erotische Sehnsucht; natürlich auch mehr als nur ständige Harmonie, die es in der Realität so nicht gibt. Eheliche Liebe bewährt sich - wie jeder weiß und wie es auch Dichter, Matthias Claudius und Adalbert Stifter z. B., bezeugen41 - in der Normalität des alltäglichen Lebens,42 in ›kleinen Dingen‹, im Teilen von Freude und Leid, im Zusammenhalten auch in schwierigen Zeiten. May illustriert dies, beiläufig und ohne große Worte, in ›Der verlorne Sohn‹. Wir begegnen dort einer Reihe von meist älteren Eheleuten (den Hausers, Hendschels, Herolds, Schulzes, Werners, Wilhelmis u. a.), die - auch wenn sie keine Musterpaare wie die Sternaus sind - in größter Bedrängnis, in bitterer Not, in schwerer Krankheit des Partners - zwar nicht heroisch, aber dennoch treu - zueinander stehen und sich »achten und ehren, solange sie leben«.43

  Die höchste Form der Partnerliebe, wie der Liebe auch sonst, ist für May - deutlichst im Spätwerk, grundsätzlich auch in den Kolportageromanen - die Agape im paulinischen Sinn: »Die Liebe (...) sucht nicht ihren Vorteil, (...) trägt das Böse nicht nach, (...) erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.« (1 Kor 13, 7) Dostojewski hat solche Liebe - die nicht blind, sondern sehend macht: weil sie das innerste Wesen, die verborgensten Möglichkeiten des andern erkennt und hervorlockt44 - in ›Schuld und Sühne‹ am Beispiel Sonjas demonstriert: der jungen Frau, die den Mörder Raskolnikoff durch ihre bedingungslose Liebe zum Geständnis, zur freiwilligen Sühne und zuletzt, im sibirischen Straflager, zur inneren Wandlung befähigt. Vergleichbares (nicht der literarischen Form, aber dem Inhalt, der ›Botschaft‹ nach) erzählt May in einer Episode des ›Verlornen Sohnes‹: Auguste Bormann, eine hübsche Frau, verspricht ihrem Gatten - dem Verbrecher Wilhelm Bormann, einem rohen Burschen, der nur eine ›Schwäche‹ hat: die Liebe zu seiner Gustel und seinem drolligen Söhnchen -, ihn auch künftig zu lieben, auf ihn zu warten, bis er aus dem Zuchthaus entlassen wird. Die ›Kunst des Liebens‹ ist ihr nicht fremd: Ihren Wilhelm nimmt sie so, wie er ist. Sie versucht nicht, ihn ›umzuerziehen‹. Aber sie traut es ihm zu, daß er wachsen, sich in seiner eigenen Art entfalten kann.45 So erreicht sie, daß Wilhelm zu seiner Schuld sich bekennt, seine Taten bereut und zur Läuterung fähig wird.46


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  Beim kirchlichen Vermählungsspruch geloben sich Mann und Frau, einander zu lieben »in guten wie in bösen Tagen«.47 Was das heißen kann, führt May, drastisch und grell, am Exempel des Ehepaars Beyer vor Augen. Unmittelbar vor dem eigenen Tod betrauert der Mann seine verstorbene Frau: Die Leiche lag auf einer Bank, zugedeckt mit einem Leinentuche. Beyer trat hinzu ... und nahm das Tuch hinweg. Er fürchtete sich nicht vor dem hageren, ausgemergelten, eiskalten und steifen Körper, auch nicht vor den starren Zügen, welche ihm im Mondscheine scharf entgegentraten. Er nahm die Todte in seine Arme, preßte sie an sich und weinte leise, als ob er sie erwecken könne. Martha, die tote Frau, spricht der Ehemann jetzt an. Die ganze Vergangenheit, die Geschichte einer Liebe wird, versammelt in wenigen Augenblicken, präsent: »Weißt Du, wie ich Dich zum ersten Male in den Armen hielt?« Beyer erinnert sich an alles, was war: die glücklichen Tage, die selige Zeit; und dann das Elend, der Hunger, die Krankheit, die Sorge um die Kinder. Die Frau, mit der er gelebt hat, den Leib, der ihm wichtig war, hält er »zum letzten, zum allerletzten Male in den Armen ... Du bist mein Weib, mein treues, gutes Weib, und wir verlassen uns nicht, weder im Leben noch im Tode!« Er küßt sie auf den bleichen, starren Mund, als ob sie noch am Leben sei. Er zieht sie, immer wieder, an sich und er segnet sie: »Der Herr ... erhebe sein Angesicht über Dir und gebe Dir Frieden! Amen!« (Verl. Sohn 611)48

  Das ist nicht mehr Verliebtheit und nicht mehr Erotik. Das ist durchgehaltene Treue: ›bis daß der Tod euch scheidet‹ - und doch, nun anders und endgültig, vereint.49

  Das ethische Fundament dieser Liebesgeschichten ist offenkundig. Mays Ideal ist die Ehe, verstanden als - auf wechselseitige Ergänzung und Hingabe, Solidarität und Zuneigung gegründete - Bindung auf Lebenszeit. Das pädagogische Ziel ist ebenso klar. Das Ideal der wirklichen Liebe, die nie aufhört (1 Kor 13, 8), soll der Leser emotional bejahen. Mays Menschen- und speziell sein Frauenbild entspricht auch hier dem schon oben Gesagten. Gott ist die Liebe (Verl. Sohn 1936 u. ö.), und der Mensch als ›Ebenbild Gottes‹ (Gen 1, 27) soll diese Liebe auf Erden repräsentieren.50 Das Beispiel Auguste und Wilhelm Bormann spricht wohl für sich: Gewiß nicht ausschließlich, aber doch in bevorzugter Weise ist der Frau es gegeben, den Mann zu retten und seine Wunden zu heilen.51 Grundsätzlich aber gibt es auch in Mays Kolportage keinen Rangunterschied zwischen Mann und Frau. Denn beiden ist es aufgegeben, zu lieben und dadurch gewissermaßen Leuchtzeichen zu sein für die Zuwendung Gottes in dieser oft dunkel erscheinenden Welt - insgesamt eine Perspektive, die im ›Buch der Liebe‹ schon in grundlegender Form erscheint52 und in Mays Spätwerk dann umgesetzt wird in die große Vision.

  Natürlich kann man fragen, wie realistisch das alles ist: Wenn Partner keine Engel, sondern Menschen sind? Wenn Mann und Frau nicht so


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rund zusammenpassen wie Juan und Elvira, wie Bula und Kalyna? Wenn Männer nicht so (glaubens-)stark wie Sternau sind? Oder nicht so handsam, durch weibliche Hände so lenkbar wie Bormann? Oder nicht so geduldig, so fromm und leidensfähig wie Beyer? Oder nicht so großmütig wie der Fürst von Befour, der Almas Vergangenheit, ihre Mitschuld an seiner Verurteilung, ja niemals als Waffe gegen sie einsetzen wird? Oder - wenn Frauen nicht so lieben wie Auguste? Oder wenn sie »zu sehr lieben«?53 Vielleicht in ständiger Aufopferung sich selbst verlieren und wirklicher Partnerschaft den Boden entziehen?

  Fehlt May nur simpel das Problembewußtsein? Wir werden auf diese Frage zurückkommen. Zunächst aber mag die Binsenweisheit genügen: Ideale sind nötig. Ohne das Idealbild der Ehe z. B., ohne Leitbilder von Liebe und Treue müßte die Gesellschaft zugrunde gehen; und menschliches Zusammenleben, als Partnerbeziehung, hätte von vorneherein keine Chance des Gelingens.



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Mays vorbildliche Liebesleute sind füreinander, so scheint es, von Ewigkeit her bestimmt. Aber nicht jede Ehe wird ›im Himmel geschlossen‹. Und selbst wenn dies so wäre - gelebt wird die Ehe auf Erden. Auch in Liebe und Partnerschaft besteht also die Möglichkeit des Mißlingens.54 Zudem gibt es ›Ehen‹, die von Anfang an diese Bezeichnung gar nicht verdienen: weil der Partner nicht geliebt, sondern benützt wird.55 May zeigt dies an relativ wenigen, z. T. jedoch eingehend - und überspitzt - geschilderten Beispielen.

  Die in ›Die Liebe des Ulanen‹ beschriebene Verbindung zwischen Adeline Verdy und dem falschen Baron Arthur de Sainte-Marie etwa muß, schon von der Ausgangsposition her, fast zwangsläufig scheitern. Die Schäferstochter Adeline läßt sich von ›Arthur‹ umwerben: weil sie als künftige Baronin über den bisherigen Liebhaber - einen Bürgermeisterssohn, der sie schmählich verlassen hat - triumphieren will. Den ›Baron‹ - in Wahrheit: Henry Richemonte, den Mörder des echten Barons - kann sie gut leiden; aber Tieferes empfindet sie nicht für ihn.56 Aus diesem Grunde allein müßte die Ehe freilich nicht in die Brüche gehen. Eine tragfähige, lebbare Partnerbeziehung könnte sich ja entwickeln. Dafür nun aber fehlt hier jede Voraussetzung. Denn Adeline, die den ›Baron‹ aus Gefallsucht und nicht um seiner selbst willen geheiratet hat, geht es auch weiterhin nur ums Prestige, um Protzerei und um Sex-Appeal. In einer Badeszene führt es May vor: Adeline stieg aus der stärkenden Fluth ... Dabei betrachtete sie die Wandgemälde und verglich die Schönheiten der badenden Frauen mit den Reizen, welche sie selbst besaß ... »Wahrhaftig, ... Ich kenne keine Zweite, welche so wie ich


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geeignet wäre, auch den weitgehendsten Ansprüchen zu genügen.« (Ulan 55)

  Sie bewundert, übers gesunde Maß weit hinaus, den eigenen Körper; und sie pflegt mit der Gluth eines leidenschaftlichen, treulosen Weibes (ebd. 105) ihr Verhältnis mit einem Fabrikdirektor. Henry, ein labiler Typ, ein Schwächling in jeder Beziehung, ist eben kein Mann, der eine Frau wie Adeline - oder sonst eine Frau - befriedigen könnte. Zwar scheint er in sie verliebt zu sein; doch seine ›Liebe‹ erschöpft sich in vergeblichem Schmachten, in trauriger Abhängigkeit. Er will gehätschelt werden und er bettelt um Zuwendung.57 Gelegentlich kann Adeline ihn aufpäppeln; sie kann ihn ›beruhigen‹: wenn der ›Irrsinn‹, das schlechte Gewissen, ihn quält. Doch heilen kann sie ihn nicht. In letzter Bedrängnis will Henry nichts wissen von ihr.58 Er wünscht sie fort und sehnt sich - infantil, ohne Chance - zurück nach Liama, die er aus dem Orient entführt, zur ›Ehe‹ gezwungen und dann, als Adeline kam, für ›tot‹ erklärt hatte.

  Henry wird verhaftet; ebenso Adeline, die Mitwisserin seiner Untaten. Ein noch schlimmeres Ende aber nimmt es, in ›Der verlorne Sohn‹, mit Franz und Ella von Helfenstein.

  Gegen die Zusage, ihn nicht zu verraten (zwei Morde hat er begangen), wird Ella Werthmann, eine Bauerntochter, die Gattin des Barons. Die Erpresserin wußte, daß sie schön war; ... und sie wollte emporsteigen (Verl. Sohn 17). Franz sah sie, und es riß ihn zu ihr hin (ebd., 60). Er liebt sie nicht, er will sie nicht heiraten; aber sie fasziniert ihn. Halb gezwungen und halb ihren verführerischen Liebkosungen folgend (ebd.), schlittert er in die Ehe hinein. Doch die Baronin verliert im Laufe der Zeit ihre erotische Macht über ihn. Anders als der von außen gesteuerte Henry Richemonte dominiert Franz von Helfenstein, dessen kriminelle Energie die gesamte Handlung bestimmt, auch über die Frau/en. Er braucht sie nicht, er hält sie in Schach und löst sich mit eiskaltem Zynismus von ihrem Bann.

  Von welcher Art diese ›Liebesgeschichte‹ ist, enthüllt wohl am deutlichsten die folgende Szene: Ella saß in einer Badewanne ... Und trotz dieses mehr als verführerischen Anblickes stand der Baron kalt und unbewegt vor ihr ... Sie haben sich »gegenseitig die Erlaubniß gegeben ..., ungestört lieben und genießen zu können, wen sie wollen ...« »Ich sage Dir: Wäre ich jetzt hier eingetreten und hätte irgend einen Anbeter neben Dir im Bade gefunden, so würde ich ganz höflich um Entschuldigung gebeten haben ... Ich hätte mich ruhig in das Casino begeben, um eine Parthie Billard oder Tarock zu spielen.«... »Ich darf also wirklich machen, was ich will?« »Gewiß! Ganz dasselbe fordere ich aber auch für mich.« (Ebd., 108ff.)

  Ironisch und kalt verhält sich auch Ella. Wirklich geliebt hatten sich die beiden ja nie, ihr Beziehungsmuster war von Rivalität und Vergel-


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tung bestimmt. Wie Zeus und Hera, das olympische Götterpaar, kämpften sie um die Macht.59 Jetzt aber, nach zwanzig Ehekriegsjahren, sind sie einander gleichgültig und überdrüssig geworden. Jeder geht seine eigenen Wege. Dennoch ist Ella wütend auf Franz: Er beachtet sie nicht, er schaut sie nicht an - nicht einmal lüstern, geschweige denn liebevoll! Seine sarkastische Art verletzt sie nun doch. Ihn zu reizen, ihn eifersüchtig zu machen, hätte ihr gutgetan. Sie ärgert sich über die eigene Ohnmacht. Und dem Vorsatz, sich zu rächen an ihrem Gatten, bleibt sie nun treu. Für Franzens Gegenspieler, den Geheimpolizisten Brandt, in den sie früher verliebt war, wird sie zum brauchbaren Werkzeug: Ella tritt als Hauptzeugin auf gegen Franz und bringt ihn durch ihre Aussage an den Galgen. Sie selbst könnte ihres Geständnisses wegen begnadigt werden. Doch ihre Kraft ist gebrochen, und sie nimmt sich das Leben.

  Voraussehbar ist auch das Scheitern der Ehe des Kronenbauern mit Kathrin in ›Der Weg zum Glück‹. Der Bauer Julius »war ein braver Mann, aberst er wollt gern eine schöne Frauen haben.« (Weg zum Glück 1900f.)60 Zunächst bleibt dieses Glück ihm versagt. Denn seine erste Gemahlin ist eine häßliche, zänkische, überdrehte Schlampampe (ebd., 1781). Doch noch zu Lebzeiten dieser »Sibylle und Xantippe, die ... sich keine Mühe gab, ihrem Manne zu Gefallen zu sein« (ebd., 1901), wird die erst fünfzehnjährige Kathrin, die es auf einen reichen Gatten abgesehen hat, die Geliebte des Bauern; und später dann, nach dem Tod der Xantippe, deren Nachfolgerin.

  Vielleicht war sie eine der schönsten Frauen Bayerns, und das will was sagen, wie Jedermann weiß. (Ebd., 1770) Wie einer ihrer zahllosen ›Geliebten‹ meint, ist sie »schön wie eine griechische Göttin, besonders wenn sie sich entkleidet hat« (ebd., 1895); ihr frommes Gesicht aber ist zum Vorbilde eines Madonnengemäldes (ebd., 1771) geeignet, und ihre Stimme klingt zärtlich und sanft. Trotzdem wird der Bauer nicht selig mit ihr. Das wahre Zuckerlecken (ebd., 1783) dauert nicht lange. Zum Turteln, zum Schnurren und Kosen hat die Ehefrau immer weniger Lust; und schließlich »war das Kätherl kalt wie Eis. Sie hat sagt, das müßt mal aufhören«; denn »bei dera Zärtlichkeiten geht die Schönheit verloren«. (Ebd.)

  Julius darf die Bäuerin nicht mehr berühren. Er ist Wittwer, obwohl - und weil - seine Frau so prächtig und jung ist (um die zwanzig Jahre jünger als er). Sie schläft »ganz allein«, und auch tagsüber darf der Ehemann ihre Stube nicht betreten. Warum? Weil sie für Julius nur Ekel und Ueberdruß empfindet (ebd., 1783f.); weil sie ihre ›Liebsten‹ empfängt und vor allem, weil sie noch in andrer Hinsicht ein Doppelleben führt: Sie verkleidet sich als Mann, als Samiel, der ganze Dörfer das Fürchten lehrt und die gesamte Gegend terrorisiert.

  Dieses Weib ist ein Vulkan, auf dessen Gelände Trauben reifen, Orangen glänzen und Rosen duften, in dessen Innern aber eruptive Gewalten


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ihr unheimliches, beängstigendes Wesen treiben. Wehe dann, wenn der Krater seine verheerende Lava speit. Dann ist es aus mit Blüthe, Duft und Blumenpracht. (Ebd., 1771) Richtig - nicht nur die Kälte, auch die Lava, den glühenden Haß seiner Gattin bekommt der Bauer zu spüren. Als er sie in flagranti einmal erwischt und im Affekt verprügelt, da bricht sie aus und spuckt Feuer: Hinter der Maske des Samiel schießt sie ihm Pulver ins Gesicht. Fortan ist Julius blind, geblendet von der eigenen Frau. Doch ›blind‹ war er ja schon zuvor: betört, verblendet durch die wahrhaft männermordende Schönheit des Kätherl.

  Julius' Beziehung zu seiner Bäuerin bleibt, zunächst wenigstens, ambivalent. Er hängt an ihr, er will sie in die Arme nehmen und nicht wieder loslassen. Andrerseits quält ihn - wie vermutlich May im Blick auf die Ehefrau Emma61 - zornige Eifersucht. Im Kontrast freilich zu Henry Richemonte oder gar Franz von Helfenstein ist der Bauer ein herzensguter Mensch, der seine Frau, wenn auch ›blind‹, im Grunde doch liebt, sie zumindest nicht bloßstellen oder ›abschieben‹ will. Zwar ist er - wie vielleicht Karl May62 - »ein Waschlappen gewest, ohne allen Willen und Festigkeit« (ebd. 1784); aber er wird es noch lernen, der Realität sich zu stellen. Zuletzt, da alles sich klärt, Julius von der Blindheit geheilt und Kathrin, ohne Reue zu zeigen,63 entlarvt wird, überwindet der Bauer seine Abhängigkeit und damit auch seine Haßgefühle: »O mein Herr und mein Gott, sei gnädig und barmherzig mit ihr, so wie ich ihr auch vergeb!« (Ebd., 2099)

  Mehrere, ihrer Struktur nach verschiedenartige Beziehungs-Tragödien habe ich darzustellen versucht: Im Ehe-Kriminalfall de Sainte-Marie ist die erste Frau (Liama) das unschuldige Opfer, die zweite Frau (Adeline) die skrupellose Mit-Täterin, der Mann aber Täter (an Liama vor allem) und Opfer (Adelines und der eigenen Schwäche) in einem. Auch in der ›Liebes‹-Beziehung der Helfensteins sind beide, Ella und Franz, die Täter; die Frau jedoch wird zugleich auch das Opfer des Mannes. In der Ehe des Kronenbauern nun freilich erscheint die Frau nur als Täterin und der Mann nur als - in seiner Verblendung allerdings mitschuldiges - Opfer. Diesen Ehegeschichten gemeinsam aber ist der überdeutliche moralische Imperativ: So nicht! Keineswegs die »niedrigsten Instinkte«64 werden hier angesprochen, sondern - im Gegenteil - an die bessere Einsicht des Lesers wird appelliert: Auf solchen ›Partner‹-Beziehungen kann der göttliche Segen nicht ruhen.

  Das Frauenbild Karl Mays (bzw. seiner Romanfigur, des Königs Ludwig II.) - »Ein Weib ist« seiner Berufung nach »das Herrlichste, das Reinste, das Erhabenste, ... was es geben kann« (Weg zum Glück 2037) - bestätigen auf der Kehrseite auch die ›Femmes fatales‹: Ein »gesunkenes Weib« ist »häßlicher und abscheulicher als ein gesunkener Mann. Ein Mann kann in den tiefsten Schlamm der Sünde ... sinken, er kann sich ebenso gut wieder erheben. Ein Weib aber, welches einmal gesunken ist,


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erhebt sich niemals wieder.« (Ebd.)65 Doch solche, natürlich unhaltbaren, Sprüche darf man nicht auf die Goldwaage legen; sie sind wohl eher das Produkt einer wechselhaften, situationsbedingten Gemütslage des Autors. Daß auch ›gesunkene‹ Frauen sich wieder ›erheben‹ können, hat May selbst ja sehr nahegelegt, im Falle Mirandas zum Beispiel.66 Anthropologisch und theologisch richtig ist jedenfalls: Frauen wie Männer können ihre Bestimmung, ›integrierte‹, liebesfähige Persönlichkeiten zu werden, grundsätzlich erreichen oder verfehlen.

  Zur Integration, zur seelischen Ganzheit des Menschen gehören, »wie die Hälften einer Kugel«,67 die Selbstfindung und die Bereitschaft zur Hingabe. ›Emanzipiert‹, unabhängig von Partnern, sind Frauen wie Kathrin oder Männer wie Helfenstein zwar nur allzusehr. Was ihnen fehlt, was sie ganz und gar schuldig bleiben, ist aber die Liebe. Umgekehrt: Menschen wie der Kronenbauer besitzen zwar Gefühl und Gemüt; sie können in diesem Sinne wohl ›lieben‹. Was ihnen zur Ganzheit aber noch fehlt, ist die innere Freiheit, die Selbständigkeit, die seelische Kraft, die zur echten, partnerschaftlichen Liebe befähigt und, wenn es um der Selbstachtung willen denn sein muß, sich vom Liebesobjekt auch zu lösen vermag. Psychologisch reflektiert werden solche Zusammenhänge in Mays Kolportageromanen, die ja keine Lehrbücher, keine theoretischen Abhandlungen sein wollen, zwar kaum. Aber erzählerisch dargestellt werden sie um so eindrucksvoller.



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»Liebe setzt ein Ich voraus, das einen festen Halt in sich selber hat und gleichzeitig für die Hingabe an ein Du offen ist (...) Das Nein der Abgrenzung muß mit dem Ja der Liebe verbunden werden.«68 ›Liebes‹-Beziehungen wie die von Julius/Kathrin müssen also scheitern, weil die Beteiligten überhaupt (noch) nicht partnerfähig sind. Die Katastrophe ist vorprogrammiert. Denn zur Lebensgemeinschaft fehlt Kathrin der Wille, und zur Trennung fehlt dem Bauern die Kraft: In symbiotischer Abhängigkeit, in fast schon krankhafter ›Liebe‹ klammert er sich an Kathrin fest.

  Auch die Bäuerin Bertha, die bedauernswerte Frau des tyrannischen, der Spielsucht verfallenen Georg Kery, denkt nicht an Widerstand und schon gar nicht an Trennung. Gisela, die Tochter, belehrt ihre Mutter, »wie sie gegen das herrische Wesen ihres Mannes hätte vorgehen sollen«:69 »Du hättest ihm zeigen müssen, daß Dir das zuwider ist, und liebte er Dich wirklich, so hätte er sich geändert. Und selbst wenn es zu bösen Scenen dabei gekommen wäre, Du hättest sie nicht scheuen sollen. So aber hast Du stets nachgegeben, selbst wenn Du im größten Rechte warst,


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und das ist ein Fehler gewesen, unter dem wir Alle nun zu leiden haben.« (Weg zum Glück 1361).

  Zum offenen ›Nein in der Liebe‹,70 das die Selbstverwirklichung ebenso wie die Bejahung des Partners ermöglichen könnte, ist Bertha Kery nicht fähig. Die so hübsche wie brave Bertha Marmont (in ›Die Liebe des Ulanen‹) indes zieht Konsequenzen. Sie verläßt den Baron Alban de Sainte-Marie, einen jungen, nicht bösen, aber leichtsinnigen Menschen, der zuerst mit ihr nur gespielt hat, dann aber, nachdem er von Margot Richemonte zurückgewiesen wurde, sich mit Bertha getröstet und sie schließlich in wirklicher Zuneigung geheiratet hat. Doch bald hört er auf, sie zu lieben. Bertha erkennt dies und verschwindet mit Arthur, dem Söhnchen. Sie löst sich vom Gatten, »um nicht länger mit ihm unglücklich zu sein« (Ulan 875). Dieser aber läßt weder Bertha noch sich selbst die nötige Zeit des Alleinseins, die ein erneutes und vertieftes Ja zur Partnerbindung u. U. ermöglichen würde.71 Er verfolgt seine Frau - und tötet sie im Zorn: da sie sich weigert, zu ihm zurückzukehren, und weil sie Arthur behalten will.

  Auch Amély de Bas-Montagne sieht ihre Ehe mit Gaston als nicht mehr lebbar an, da es dem bösartigen Schwiegervater gelingt, einen Keil zwischen die jungen Leute zu treiben. Amély beobachtet den Gatten und spürt, daß seine Liebe erkaltet.72 Für eine gemeinsame Zukunft mit Gaston sieht sie keine Möglichkeit. So stimmt sie mit gebrochenem Herzen der vom Schwiegervater geforderten Scheidung zu, taucht mit den beiden Töchterchen unter und stirbt dann vor Kummer. Gaston aber glaubt aufgrund der väterlichen Intrigen, Amély sei ihm untreu geworden. Er sucht vergeblich nach seiner Frau - um sich zu rächen an ihr und ihrem vermeintlichen Liebhaber.73 Spät erst kommt die Wahrheit ans Licht: Amély hat sich nach schwerem Ringen von Gaston zwar getrennt, ihn aber weiterhin geliebt und sich keinem anderen Manne zugewandt.

  In Bertha und Amély also zeichnet May das Bild von liebenden Frauen, die den Partner, wenn die Situation insgesamt unerträglich wird, loslassen: unter Tränen oder gar, wie bei Amély, in tödlichem Schmerz. Alban und Gaston aber sind - zur entsprechenden Handlungszeit, in der Rückblende74 - noch unreife Männer, die die Frau als ihren Besitz betrachten, dessen Verlust sie zur Raserei treibt.

  Eine Scheidungsgeschichte ganz anderer Art erzählt May in ›Der Weg zum Glück‹. Auch hier trennt sich eine Ehefrau, Anna Weise, vom Partner: dem Heinrich. Aber diesmal ist der Scheidungsgrund tatsächlich die Verführung der Frau durch einen ›Geliebten‹. Mit Conrad Claus, der schon früher Heiners Rivale war, diesem aber zu weichen hatte, verläßt Anna den schwerkranken Mann, die Kinder und ihre Heimat. Zudem entzieht sie Heiner die materielle Lebensgrundlage, so daß der Ärmste im Elend versinkt. Das von Anna aus der Ferne erwirkte


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Gerichtsurteil: Scheidung »wegen böswilliger Verlassung« (Weg zum Glück 1085) des Mannes durch die Ehefrau.

  Nicht aus reiner Liebe hatte sie den Heiner geheiratet, sondern auch - oder primär - aus Opposition gegen den Vater, der sie ohne ihre Zustimmung Claus versprochen und eben dadurch ihren Widerstand provoziert hat.75 Nach ihrer dem Vater abgetrotzten Eheschließung mit Heinrich jedoch hat Conrad bessere Chancen bei Anna. Dann freilich wendet sich die Geschichte erneut. Conrad erweist sich als Schuft, der Anna betrügt und im Stich läßt. In einem langwierigen Prozeß der Reue und des Leidens wird Anna von Grund auf geläutert.76 Als über vierzigjährige Frau kehrt sie in die Heimat zurück. Dort begegnet sie Heinrich, dessen Liebe zu ihr die Jahre überdauert hat. Heiner verzeiht und erkennt auch den eigenen Anteil an Schuld.77 Die beiden werden, endgültig versöhnt, ein liebendes Paar - fast wie, in Stifters Novelle, Brigitta und Stefan, die nach fünfzehnjähriger Trennung und wechselseitigem Bekenntnis von Schuld die Wiedergeburt ihrer Ehe erleben.78

  Andere Geschichten von Ehescheidung bzw. Wiederverheiratung finden wir in Mays Kolportageromanen nicht. Was die Moralvorstellung betrifft, ist der Befund ja wohl eindeutig: Karl May - der in der Selbstbiographie erklärte: Aufrichtig gestanden, neige ich sehr zu der katholischen Betrachtung der Ehe, daß diese ein Sakrament sei79 - lehnt eine Zweitehe oder ein sonstiges Zusammenleben mit einem anderen Partner, noch zu Lebzeiten des ersten, auch im Kolportagewerk prinzipiell ab.

  Nicht zu bestreiten: Viele Ehen sind keine Musterehen und dennoch, mehr oder weniger gut, zu leben. In manchen Situationen aber ist die Trennung wohl unvermeidbar. May illustriert dies, beiläufig und ohne nähere Erörterung, an Nebenfiguren wie Bertha Marmont oder Amély de Bas-Montagne. Wenn solche Frauen nach der Trennung vom Partner aber doch wieder glücklich würden: in der Begegnung mit einem anderen, liebesfähigen Mann? Und wenn Heiner vor Annas Rückkehr eine andere Frau gefunden hätte? Wäre eine Zweitehe in solchen Fällen moralisch zu verwerfen? Müßte sie in jedem Falle dem christlichen Eheverständnis widersprechen?80 In der Realität, spätestens ab 1902, wurden diese Fragen für May zum besonderen Problem, zur existentiellen Herausforderung. Im Kolportagewerk freilich werden sie überhaupt nicht gestellt und also auch nicht beantwortet.



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Das Thema ›Scheidung und Wiederverheiratung‹ dürfte May aber doch, gerade auch in der Kolportagezeit, beschäftigt haben. Jedenfalls erzählt er, relativ breit und emotional bewegt, weitere ›Scheidungs‹-


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Geschichten - allerdings nur im Blick auf noch unverheiratete Paare. Schwankende, in ihren Gefühlen noch unsichere ›Partner‹ werden uns vorgestellt: Frauen und Männer, die ihr Glück nach herber Enttäuschung im ursprünglichen Liebesobjekt - oder auch in einem anderen Du - später erst finden können.

  Angelica Hofmann und Eduard Hauser kennen sich von Kindheit an. Der arme Weberssohn war ihr Helfer zu aller Zeit (Verl. Sohn 524). Die schöne und leicht beeinflußbare81 Weberstochter liebte ihn, aber sie war sich dessen noch nicht bewußt geworden (ebd., 525). Sie war nicht schlecht; sie war auch nicht leichtsinnig; sie war nur jung und unerfahren. (Ebd., 523) Und die von ihrem Vater geförderte Aussicht, eines reichen Mannes Frau zu werden, schmeichelt ihrem Stolz, ihrer Hoffärtigkeit (ebd., 672). So läßt sie sich blenden von Flitter und Tand. Selbst den Bruch in der Freundschaft mit Eduard nimmt sie in Kauf, mit hartem Gesicht, mit verletzenden Worten.

  Erst jetzt, da sie sich abwendet von ihm, erkennt Eduard, daß er sie liebe, ... und daß er sie verloren habe, noch ehe er sich dieser Liebe bewußt geworden sei (ebd., 524). Diese Grenzerfahrung - der Verlust und die Erkenntnis seiner Ohnmacht - wirft ihn zurück auf sich selbst und fast hinab in den ›Abgrund‹: Er meint, daß er todt sei, todt, gestorben an einem plötzlichen, fürchterlichen Schlage ... (Ebd.)

  Seine Angst, seine Seelenpein spiegeln die, bei May auch an anderen Stellen zitierten, Liedverse Emanuel Geibels:82 »Wenn sich zwei Herzen scheiden, die sich dereinst geliebt, das ist ein großes Leiden, wie's größer keines giebt!« (Ebd.) Er ist entsetzt über Angelicas Trotz: ihre Absicht, der Einladung eines reichen Verführers zum Maskenfeste zu folgen. Und ihre ›Schamlosigkeit‹, ihr ›unzüchtiges‹ Kostüm empören ihn vollends. Enttäuscht ist aber auch sie: wegen seines übertriebenen ›Ernstes‹, seiner maßlosen Strenge, die sie abstoßen und die Widerspenstigkeit des Evakindes (ebd., 527) in ihr noch verstärken. Die beiden sind nach längerem Streit »geschiedene Leute für immerdar!« (Ebd., 643)

  Nach wenigen Tagen schon sieht die Welt freilich anders aus. Maskiert besucht Eduard den Fastnachtsball und rettet das ›Engelchen‹ vor der Zudringlichkeit des Versuchers, der in der Tat ein gewissenloser Mensch ist. Angelica schämt sich vor sich selbst (ebd., 663), bekennt ihre Verfehlung: »Du hattest Recht, wie immer ...« (ebd., 671) - und weiß nun, daß sie zu Eduard »gehöre wie ... die Erde zur Sonne« (ebd., 667).

  Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren: Hier schildert May die ›Szenen einer Ehe‹ - seiner Ehe mit Emma - und zugleich die Konfliktlösung, wie er sie gerne erzielt hätte. Von unbedingter Bedeutung indessen ist die Liebeserklärung des Webers an die künftige Ehefrau: »Erst kommt der liebe Gott, und dann ... kommst Du« (ebd., 672). Dieser Standpunkt ist wichtig. Denn ›Liebe braucht Transzendenz‹:83 einen unendlichen Horizont, der irdische Bindungen übersteigt. Auch psy-


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chologisch ist dieser Gedanke wohl zwingend: Wenn das menschliche Du verabsolutiert und ›vergöttert‹ würde, dann müßten der Tod oder das Versagen des Partners jeglichen Lebenssinn auf der anderen Seite zerstören. Der Partner würde total überlastet mit Erwartungen, die nicht zu erfüllen sind. Seine Grenzen könnten ihm nicht mehr verziehen werden, und die Liebe stürbe den Tod der heillosen Überforderung.84

  Eduard und Angelica finden sich, nach kurzer Trennung und gründlicher Auseinandersetzung, sehr rasch. Max Walther und Martha Claus, in ›Der Weg zum Glück‹, brauchen länger. Sie entzweien sich beinahe »für immer« (Weg zum Glück 637), weil die ›Silbermartha‹ - deren ganze Erscheinung ... gebieterisch, in die Augen fallend, herausfordernd (ebd., 598) ist - einen berühmten Dichter und nicht einen Schulmeister will.

  Ihre Gefühle für Max sind doppelgesichtig. Haben will sie ihn schon; aber sein Ansehen, sein Status in der Gesellschaft ist ihr zu niedrig. Max, der ihr charakterlich und geistig überlegen ist, war verliebt in sie. Jetzt aber zieht er sich zurück und kanzelt sie ab: als »gefühlloses, rohes, raffinirtes, eingebildetes, stolzes und - liebeslüsternes Frauenzimmer« (ebd., 606). Auch die Feuerbalzerin, eine arme einfache Frau, redet ihr ins Gewissen: »... den Hochmuth mußt lassen, und fluchen und wettern darfst nicht, sondern recht fein sanft mußt sein und gut. Das kommt Dich jetzund schlimm an, und Du wirst denken, daßt das gar nimmer fertig bringst. Aberst wannst nur einmal Dich überwunden hast und einem einzigen Menschenkind eine rechte Lieb erwiesen, so wirst gleich empfinden, wie glücklich das im Herzen macht«. (Ebd., 612)

  Max und Martha sind nun getrennt. Sie liebt ihn zwar, und auch er liebt sie weiterhin. Doch seinen Groll kann er trotz ihres Bemühens nicht überwinden. Martha aber verzichtet - auch dies wohl ein Wunschbild des Ehemannes Karl May85 - auf ihre Ansprüche, geht durch die Schule des Lebens und wandelt sich radikal.86 Nach langer Zeit trifft Max sie wieder: Sie war schöner, viel schöner noch als früher. Aber ihre Schönheit war eine mehr geistige geworden. Das Leid hatte ihren üppigen Formen einen Adel aufgedrückt, der ihnen vorher gefehlt hatte ... Und erst jetzt kam ihm die Erkenntniß, ... daß er hart, gefühllos, grausam mit ihr gewesen sei ... Da nun kam abermals ein zorniger Grimm über ihn, aber jetzt nicht über sie, sondern über sich selbst ... Er hatte sie nicht verstanden und ihr im Gegentheile so unendlich wehe gethan! Er hätte sich selbst beohrfeigen mögen! (Ebd., 2421f.)

  Obwohl ihr von Max keine Hoffnung gemacht wurde, hat Martha sich aufbewahrt für den einzig Geliebten. Die Beziehungskrise, das vorläufige Scheitern hat sie genutzt als Entwicklungschance.87 Zu guter Letzt werden die beiden ein Ehepaar. Einen anderen ›Weg zum Glück‹ aber gehen die Muhrenleni und der Krikelanton - neben dem Wurzelsepp die wichtigsten Protagonisten im letzten Kolportageroman Karl Mays.


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  Die Sennerin Magdalena Berghuber und der Wilderer Anton Warschauer sind ineinander verliebt. Leni, die beste Jodlerin der ganzen Gebirgsgegend, ist eine vollendete Schönheit, und ihr Gesicht wird von einem weichen Ton überhaucht, der den Ausdruck innerer Selbstständigkeit bedeutend milderte (Weg zum Glück 2). König Ludwig II. entdeckt ihre Stimme und will sie ausbilden lassen zur Opern- und Konzertsängerin. Aus dummer, starrsinniger Eifersucht lehnt Anton diesen Plan ab. Denn auf der Bühne wäre Lenis herrlicher Busen den Blicken des Publikums ausgesetzt. Während Anton von Leni Gehorsam verlangt (ebd., 133), besteht sie auf ihrem Entschluß, dem Willen des Königs und zugleich dem eigenen Willen zu folgen. Anton ist außer sich und verläßt sie im Streit, mit schroffen Ausfälligkeiten.

  Leni, die den Herrgott über Alles liebt (ebd., 38) und den Sinn ihres Lebens nicht allein von Anton her definiert, sucht ihren eigenen Weg. Daß Frauen ihr Glück nur darinnen finden, daß sie sich ducken, sich immer nur aufopfern und den Männern sich fügen, ist ihrer Meinung nach falsch (ebd., 351). Im Vertrauen auf Gott und die Gottesmutter88 nimmt sie ihr Leben selbst in die Hand und wird, als ›Mureni‹ oder ›Lena Ubertinka‹, eine gottbegnadete (ebd., 18) Sängerin, die in Mailand, Venedig, Rom und Neapel die größten Berühmtheiten noch weit übertrifft.

  Auch Anton wird, nach Beendigung seiner Wildererlaufbahn und einem Intermezzo als Tabulettkramer, ein gefeierter Sänger, der später auf Tournee durch Amerika das große Geld verdient. Sein Gesang jedoch ist ohne wahre Empfindung - weil er mit der Freundin seine Seele ... von sich gestoßen (hatte); Leni's Lieder wirkten ja gerade deshalb, weil sie eine unglückliche Liebe im Herzen trug, so ... hinreißend. Anton mußte, um auf die Höhe seines Berufes zu gelangen, innerlich von Neuem geboren werden (ebd., 804).

  Bis dahin freilich ist der Weg noch weit. Im Gegensatz zu Leni, die sich den Armen zuwendet und trotz ihrer Karriere fromm ... und voller Demuth (ebd., 339) bleibt, strebt Anton rücksichtslos nach Glanz, Ruhm und Ehre (ebd., 2113). Moralisch sinkt er, wie der ›verlorene Sohn‹ im biblischen Gleichnis (Lk 15, 11ff.), immer tiefer. Er verpraßt seine Einkünfte und hat kein Herz für die Armen. Mit diversen Frauen beginnt er in wilder Leidenschaft ein Verhältnis und führt überhaupt, als Trinker und Wüstling, ein liederliches Leben. Die Leni hätte aus ihm einen braven Mann machen können, und sie war auf dem besten Wege dazu gewesen, als er sich gewaltsam wieder von ihr losgerissen hatte. Das Glück war ihm freundlich entgegengetreten und hatte ihm äußerliche Erfolge gebracht, innerlich aber hatte er Schaden genommen. Sein Herz hatte sich verhärtet und sein Gefühl für das Bessere sich abgestumpft. (Ebd., 2115)

  Jedes Versöhnungsangebot von seiten der Leni weist er zurück. Dennoch bleibt die Künstlerin - in schmerzvoller Entsagung, keineswegs


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aber in dumpfer Verzweiflung - ihm treu: bis sie die Charakterlosigkeit, ja Gemeinheit des ›Guiseppe Criquolini‹ (Krikelanton) in ihrem vollen Ausmaße erkennen muß. Sie liebt ihn, aber nicht ›zu sehr‹,89 nicht um jeden Preis, nicht bis zur Aufgabe ihrer selbst. So läßt sie ihn ziehen und erwidert die Liebe des Grafen von Senftenberg, den sie später auch heiratet.

  Als sich Anton gegen Ende des Romans ein zweites Mal in Leni verliebt, sagt sie nein, bleibt aber, da sich beide miteinander ›vertraut gemacht‹ haben, für Anton gewissermaßen ›verantwortlich‹.90 In einem, »fast möchte man sagen: seelsorgerlichen«,91 Gespräch92 weist sie ihn so wirksam zurecht, daß er sich, klarer noch als zuvor,93 in seiner ganzen Erbärmlichkeit durchschauen und nun endgültig entpuppen kann als ordentlicher Mensch. Innerlich verwandelt, gewinnt er die Liebe von Marga Siebers, mit der ihn Leni, nach schonungslosem Verhör und strenger Prüfung seiner neuen Gesinnung, zusammenbringt. Anton und die einstige Geliebte aber werden immerhin noch zu guten Freunden.

  Was May mit diesen Liebesgeschichten vermitteln will, ist vor allem wohl dies: Wer sich selbst besiegt und für andre sich einsetzt, wird ein glücklicher Mensch und auch fähig zur Partnerbeziehung. Angelica, Martha und Anton müssen sich, um persönlich zu reifen, erheblich verändern. Ihre Selbstsucht, die der Öffnung zum Du kraß entgegensteht, müssen sie überwinden. Einen Lernprozeß hat auch Max zu durchlaufen. Denn seine Neigung zur Rechthaberei, sein präzeptorales Verhalten, seine in der Sache verständliche, im Ton aber lieblose Härte lassen die Versöhnung nicht zu; Max und Martha müssen, je für sich, ihr besseres Ich erst noch finden, bevor sie ein Paar werden können.94 Und entwickeln muß sich auch Eduard: Seine religiöse Grundeinstellung - »Erst kommt der liebe Gott ...« - bedarf, um tragfähig zu werden, der Stabilisierung.

  In Leni freilich entwirft Karl May das Ideal einer wahrhaft starken, geradezu vollkommen ›integrierten‹ Persönlichkeit, die gesunde Selbstliebe mit echter Hingabe aufs glücklichste vereint. Angelica und Martha passen sich den im Kern berechtigten Wünschen des Partners an; Leni aber hat das nicht nötig. Sie ist schon zu Handlungsbeginn eine überlegene, in sich gefestigte, ›maßgebliche‹ Frau, die anderen Halt gibt und Leuten wie Anton - grundsympathisch, ohne zu verletzen, ohne jede Überheblichkeit - die Leviten liest.

  Magdalena Berghuber ist m. E. die bedeutendste Frauengestalt in Mays Kolportagewerk. Merkwürdig klingt allerdings ihre Beteuerung, daß sie nach der Heirat Senftenbergs Eigenthum sei, dem Theater entsagen wolle und »nur noch in der Kirche und im Concerte« (Weg zum Glück 2528) zu singen gedenke. Gewiß - nicht weil der ›Eheherr‹ es verlangt, sondern weil  s i e  es so will, gibt Leni dieses Versprechen. Aber ein Unbehagen bleibt doch: Soll die Sängerin nun wirklich das ›Eigentum‹ des


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von May eher blaß gezeichneten Grafen sein? Soll der häusliche Herd die Bühne ersetzen? Passen diese - sicher, dem Sprachspiel der Liebe entstammenden95 - Unterwerfungsgesten zu einer so selbstbewußten, klugen, verständigen Frau? Verbirgt sich dahinter nicht doch ein patriarchalisches Eheverständnis des Autors?96 Ein Besitzdenken, wie es z. B. auch hinter Eduards Philosophem, daß die Schönheiten ... eines Weibes nur für den Ehemann vorhanden seien (Verl. Sohn 527), hervorlugt?



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Ist die Ehe eine Art Käfig? Inwiefern und bis zu welchem Grad werden die Freiheit, die Autonomie,97 die Begegnungsmöglichkeiten einer Frau / eines Mannes durch die Partnerbeziehung begrenzt? Kann eheliche Treue als Entscheidung für das eine besondere Du vereinbar sein mit der freundschaftlichen, liebevollen Nähe zu anderen Männern bzw. Frauen? Müssen Verwicklungen des menschlichen Herzens, muß eine Liebesbeziehung neben der Ehe immer und in jedem Fall als ›Untreue‹, als ›Ehebruch‹ erklärt werden?98 Gibt es, wenn ein ›Dreieck‹ nun einmal besteht, einen gangbaren Weg, eine verantwortbare Lösung, die allen einigermaßen gerecht wird und keine ›Leichen‹ hinterläßt?99

  Auf derartige Fragen läßt May sich in seinen Romanen praktisch nicht ein, jedenfalls nicht in differenzierender Weise. Sexuelle Mehrecksbeziehungen werden grundsätzlich abgelehnt und fast immer kriminalisiert, auch wenn die Betroffenen nicht verheiratet sind (wie z. B. ›Criquolini‹, die Tänzerin Valeska und der Verbrecher Salek in ›Der Weg zum Glück‹). Von Mehrecksbeziehungen anderer - nicht-sexueller - Art ist gelegentlich zwar die Rede. Reflektiert, hinterfragt, psychologisch ausgeleuchtet werden solche Beziehungen aber nicht.

  Wenn May von ›Verhältnissen‹ berichtet, von außerehelichen Intimbeziehungen, wird nahezu ausnahmslos von vorneherein klar, daß es den Beteiligten oder einem der Beteiligten ausschließlich um die eigene Lust, um die bloße Benützung des ›Partners‹ für die eigenen Ambitionen geht. Einer der Hauptschufte in ›Waldröschen‹, Gasparino Cortejo, der mit der frivolen Nonne Clarissa im Konkubinat lebt, verführt z. B. die attraktive Zigeunerin Zarba, verspricht ihr die Ehe, zeugt mit ihr einen Sohn und läßt sie dann sitzen.100 In ›Der verlorne Sohn‹ treibt es die Balletteuse Editha von Wartensleben gleichzeitig mit mehreren, z. T. verheirateten Männern, erwürgt ohne Skrupel ihr neugeborenes Kind, läßt Unschuldige im Zuchthause büßen und führt auch in reiferen Jahren, als Leda, die von ihrer grenzenlosen Freizügigkeit betörten Männer gleich serienweise an der Nase herum. Auch Miranda, die später nach ihrer Bekehrung101 freilich verwandelte Femme fatale in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹, verbindet sexuelle Zügellosigkeit -


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»Meiner Ansicht nach ist jedes Weib für jeden Mann und jeder Mann für jedes Weib da. Das liegt ja im richtigen Wesen der Liebe, welche keine Schranken kennt ...« (Deutsche Herzen 1207) - mit kriminellen Aktionen: In diabolischer Grausamkeit kann sie sich »an der Qual und an dem Unglücke eines Andern förmlich weiden« (ebd.).

  Hier wie in ähnlichen Fällen weiß der Leser sofort, was er denken soll. Alles ist klar, und die Täter/innen sind in ihrer »abgründlichen« Verworfenheit eindeutig gezeichnet. So gut wie nie werden Drei- oder Mehrecksgeschichten erzählt, die sexueller Natur sind und dennoch im Blick auf alle Beteiligten von normalen Menschen handeln, die nicht a priori als absolut böse verteufelt oder zumindest als charakterlich schwach gebrandmarkt werden.

  Dies gilt, mit leichter Einschränkung vielleicht, auch für das Saragossa-Kapitel in ›Waldröschen‹.102 »... An Deinen Busen sank ich, / Vor Glück bald bleich, bald roth; / Von Deinen Lippen trank ich / Das Leben und - - - den Tod!« (Waldröschen 552) Mit diesen Versen leitet May die Tragödie ein: Hanetta Valdez, die Primaballerina von geradezu unbeschreiblicher Schönheit, über deren Gesicht zuweilen der Athemzug eines unbekannten Dämons (ebd., 563) zuckt, liebt den Gutsverwalter Henrico Cortejo. Zugleich läßt sie sich vom Herzog von Olsunna den Hof machen. Auch gibt sie, ohne ihn wirklich zu lieben, dem Grafen Manfredo de Rodriganda das Ja-Wort. Und außerdem gewährt sie inkognito dem Sohn des Grafen - Ferdinando, dessen Gefühle wie die seines Vaters zweifellos echt sind - eine bezaubernde Liebesnacht. Die Geschichte nimmt, wie zu erwarten, kein gutes Ende. Manfredo schießt aus Eifersucht Henrico nieder; beim Versuch, auch Hanetta zu töten, wird er von der Tänzerin in verzweifelter Notwehr erschossen. Die Ballerina aber verschwindet, und Ferdinando geht, vom Verlust der Geliebten getroffen, nach Mexiko.

  Hanetta ist, wie ihre Gesichtszüge in besonderen Momenten verraten, wohl im Stande, ... Alles niederzutreten und zu vernichten, ... was sich der Befriedigung ihrer ... Begierden in den Weg stelle (ebd., 565). Denn tausend Teufel hat sie im Leibe (ebd., 574)! Als Verbrecherin, als Teufelin - wie Leda oder Miranda - tritt sie aber nicht auf. Ferdinando gegenüber wirkt sie wohl zwielichtig, aber doch eher wie eine Frau, die zu echter Liebe bereit und auch fähig wäre. Mit Kommentaren hält sich der Autor in den Schlußszenen zurück. Verurteilt, mit Steinen beworfen wird Hanetta zuletzt also nicht.

  Nur beiläufig erwähnt, ohne Zweifel mißbilligt, aber nicht überzeichnet ins Dämonische wird - in ›Der Weg zum Glück‹ - der Ehebruch der Zigeunerin Mylla mit Barko, dem Bruder ihres Mannes Jeschko. Dieser hat die beiden ertappt, so »daß sie sich vor Schreck nicht zu rühren vermochten« (Weg zum Glück 1500). Der Ehemann sagt kein einziges Wort, dreht sich um und verläßt die traurige Stätte.


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  Mylla flieht, gemeinsam mit Barko. Über ihr Leben mit Jeschko und die Hintergründe ihrer Neigung zu Barko aber erfahren wir nichts. Jeschko hat, als er Mylla mit Barko wie Mann und Frau sah, geweint (ebd.). Welche Vorgeschichte, welche Träume und Verstrickungen aber zu Myllas ›Untreue‹ führten, wie es den ›Liebesleuten‹ vor und nach der Entdeckung durch Jeschko miteinander ergeht und welche Entwicklungschancen, welche positiven Lösungsmöglichkeiten hier denkbar wären, dies alles bleibt im Dunkel. Das äußere Geschehen - die Zigeunerin wird vom Thalmüller erwürgt, Barko wird später zum Verbrecher, und Jeschko verliebt sich unglücklich in Anna Weise - läßt keine Rückschlüsse zu auf die innere Konstellation, die eigentliche Problematik in der Beziehung Myllas zu Jeschko und Barko. Eine subtile, psychologisch vertiefte, in der Bewertung ausgewogene Darstellung solcher Beziehungskonflikte wird vom Autor der Kolportageromane eben nicht intendiert. Wer so etwas sucht, muß zu anderer Literatur greifen.

  Zwischen zwei bzw. vier Männern steht in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ auch Zykyma, die rassige Sklavin Ibrahim Paschas, dessen Liebeswerben sie dank eines vergifteten Dolches, aber auch mit Hilfe Saïds, ihres Vertrauten, erfolgreich widersteht. Zykyma erwidert die Liebe Hermann von Adlerhorsts, der sie aus der Gewalt des Paschas befreien will. Ihre Liebe muß zunächst aber ohne Erfüllung bleiben, weil sie sich einem anderen, in der Ferne lebenden Mann schon versprochen hat. Eine, wenn auch platonische, Mehrecksbeziehung also: insofern kein Skandal, sondern - wie die reale Vielfalt der Beziehungsformen auch sonst - »die natürlichste Sache der Welt.«103 Der ›psychodramatischen‹ Aufarbeitung verworrener Gefühle entzieht sich May nun aber dadurch, daß er den braven Saïd verabschiedet,104 Ibrahim Pascha als abgefeimten Schurken von vorneherein ins Abseits stellt, Zykymas entfernten Geliebten als Georg von Adlerhorst - Hermanns Bruder - identifiziert, ihn in Sibirien mit der wunderschönen Karparla zusammenbringt und so, ziemlich reibungslos, fast ohne innere Komplikationen, den Weg frei macht für die Verbindung Zykymas mit Hermann.

  Eine noch einfachere ›Lösung‹ findet May für Magda von Adlerhorst. Sie und Rittmeister Günther von Langendorff lieben sich. Aber auch Karl (von) Zimmermann, Günthers Freund, interessiert sich in hoffnungsloser Sehnsucht für Magda. Seine Liebe kann sie um Günthers willen nicht erwidern. Karls traurig entsagender Bitte, sie wie ein Bruder lieben zu dürfen, kommt sie freilich entgegen.105 Am Ende aber ist Karl plötzlich, ohne jeglichen Hinweis des Autors auf einen Entwicklungsprozeß, ihr innigst Geliebter.106 Günther kommt überhaupt nicht mehr vor, es gibt ihn nicht mehr. Es hat ihn, den Schlußtexten nach, überhaupt nie gegeben.

  Was ist passiert? Karl May verrät es uns nicht. Hat er Langendorff


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wirklich ›vergessen‹ oder ist ein Textverlust aufgrund einer, ja nicht gänzlich undenkbaren, Kürzung durch den Münchmeyer-Verlag zu beklagen?107



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In Mays Liebesgeschichten ist oder wird es immer ganz eindeutig, wer zu wem nun wirklich gehört. Daß eine Frau / ein Mann zwischen zwei oder mehreren Konkurrenten zu wählen hat, kommt wohl vor. Meist aber ist von Anfang an klar, wer der richtige Partner und wer der abzulehnende Nebenbuhler ist. Ein echter Entscheidungskonflikt entsteht also kaum.

  Das Motiv der nicht erwiderten Liebe - oder Leidenschaft - wiederholt sich in allen möglichen Variationen sehr häufig: über sechzigmal. Doch die Zurückgewiesenen erscheinen in der Regel als böse, als triebhafte, gewalttätige oder hinterlistige Menschen (so z. B.: Verdoja in ›Waldröschen‹, die Seiltänzerin in ›Die Liebe des Ulanen‹, Theodolinde von Tannenstein in ›Der verlorne Sohn‹, Roulin in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹, der Fingerlfranz in ›Der Weg zum Glück‹). Nur in relativ wenigen, interessanten Ausnahmefällen begegnen die einseitig Verliebten als ernsthafte Bewerber/innen, die sich nicht von vorneherein aufgrund ihres üblen Verhaltens disqualifizieren.

  Emilia z. B., die ehemalige Grisette in Paris und spätere Geheimagentin des Präsidentschafts-Kandidaten Juarez in Mexiko, eine charakterlich zunächst etwas undurchsichtige, aufreizend erotische, aber auch mit Geistesgaben sehr reich ausgestattete Frau, begehrt mit der Verzweiflung einer tiefen und doch verschmähten Liebe (Waldröschen 1462) den Schwarzen Gérard:108 »Wer will mir widerstehen? Kein Anderer als nur Du! ... Meine Schönheit war zu schwach, Dich zu besiegen«. (Waldröschen 1450) Gérard, der sie seit langer Zeit kennt und mit ihr befreundet ist, weist sie ab, weil er die keusche, unberührte Resedilla liebt und Emilia ihrer Vergangenheit wegen als moralisch ›verloren‹ betrachtet: »Ein Mädchen ... welches einmal die Freuden der Liebe gekostet hat, wird nie ein treues Weib ... der Geist ist willig, aber das Fleisch bleibt schwach«. (ebd., 1461)

  Sehr leicht fällt Gérard die Entscheidung allerdings nicht. Denn eine, wenn auch schwächere, gefühlsmäßige Zuneigung verbindet ihn nach wie vor mit Emilia. Ihre Worte berauschen, und ihre Küsse sind heiß. Ihr Busen verlockt, und ihren Umarmungen kann sich Gérard nur mühsam entziehen. Zuletzt freilich muß die (aufrichtig!) Liebende resignieren. Sie ist traurig, gekränkt in ihrem weiblichen Stolz, getroffen in der Mitte des Herzens, und eine Fluth von Thränen (ebd., 1462) benetzt ihr Gesicht. Zum Verzicht aber scheint sie durchaus bereit: »Das Wunder-


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barste ist, daß ich Dich fort liebe, daß keine Spur von Haß, kein einziger Gedanke an Rache in meinem Herzen Platz nimmt«. (ebd., 1451)

  Ihrem Freund Gérard zürnt sie nicht. Aber an anderen Männern will sich Emilia, wie sie halb im Scherz, halb im Ernst bemerkt, um so grausamer rächen: »Ich locke sie an und werfe sie dann von mir. Das soll meine Rache an den Männern sein, weil der Einzige, dem ich ausschließlich gehören möchte, meine Liebe von sich stößt«. (ebd., 1454) So schlimm freilich wird es nicht kommen. Im Gegenteil, eine »grundlegende Wandlung Emilias in Charakter und Ansprüchen«109 setzt May - in der Handlung des Romans ziemlich »sprunghaft«110 - am Ende voraus: Gezähmt und gebändigt vom Schicksal, findet die Sennorita ein ruhiges, bescheidenes Eheglück an der Seite des Kleinen André, eines wackeren Mannes, der Emilia liebt und, wir wollen es hoffen, sie nicht enttäuschen wird. Wie immer man ihren Schritt - Rückzug ins Private, ins bürgerliche Leben; Verzicht auf Luxus und Karriere; Abschied von der Politik zugunsten des Hausmutter-Daseins (Waldröschen 2584) - bewerten mag,111 Emilia hat es gelernt, das Unerreichbare (Gérard) loszulassen, sich zufriedenzugeben mit dem, was das Leben gewährt.

  Weniger flexibel verhält sich Judith Levi in ›Der verlorne Sohn‹. Sie kämpft, wie ihr biblisches Vorbild, sehr mutig. Aber eine gute Verliererin ist sie nicht. Robert Bertram, in den sie vernarrt ist, liebt Fanny von Hellenbach. Die temperamentvolle Jüdin läßt sich das nicht gefallen. Sie verfolgt ihre Rivalin mit glühender Eifersucht und schreckt auch vor dem Einsatz von Schwefelsäure nicht zurück: Fannys »Schönheit soll vernichtet werden ... Ich werfe ihr das Fläschchen in's Gesicht ... Und dann wird er kommen zu mir, weil ich bin schöner als sie, tausendmal schöner! Und ich werde ihn empfangen mit der Zärtlichkeit einer Braut ...« (Verl. Sohn 2169f.).

  Ihre Rechnung geht freilich nicht auf. Der Anschlag mißlingt, und Judith verfehlt ihr Ziel. Doch die Strafe für ihre versuchte Untat ist mild: ein Jahr Gefängnis. Denn Judiths Charakter ist, wie der Autor durchblicken läßt, im Grunde nicht schlecht. Die Liebe wird sie vielleicht noch lernen; zu allem Guten, Schönen und Erhabenen wird sie dann wohl zu bringen (ebd., 1648) sein?

  Über Judiths Zukunft, ihren moralischen Aufstieg, teilt May uns nichts mit. Eine andere Frau, deren Liebe ebenfalls keine Erwiderung findet, aber wird sich aus dem ›Abgrund‹ erheben: die Dirne Sally in der Kneipe des Vater Main in ›Die Liebe des Ulanen‹.

  Das Freudenmädchen, das vielleicht ohne eigenes Verschulden durch die Verhältnisse von Stufe zu Stufe in die Tiefe getrieben worden war (Ulan 1190), bindet eine wahrhaft rührende Zuneigung an Arthur von Hohenthal, dessen Herz aber schon vergeben ist an Ella de Latreau. Was Arthur für Sally empfindet, ist nur Mitleid, nur innige Theilnahme


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(ebd., 1192). Er gesteht dies auch ein und bekennt sich Sally gegenüber zu Ella.

  Das arme Mädchen findet sich mit den Tatsachen ab - unter Tränen, doch ohne große Szene und ohne Selbstbemitleidung. »Eine Andere würde sich kränken und ärgern und vielleicht Schlimmes planen ...« (ebd., 1274), Sally jedoch ist eine tapfere Frau. Sie entsagt ihrer Sehnsucht und hilft, ihr Leben riskierend, bei der Befreiung Ellas aus den Händen einer Verbrecherbande. Unterstützt durch Arthur, der ihr die nötigen Mittel verschafft, kann sie im Hause de Latreau ein anderes, besseres Leben (ebd., 1272) beginnen, um auch ohne Arthurs Gegenliebe eine glückliche und geachtete Frau zu werden (ebd., 1193).

  Tief unter Sally steht, rein menschlich gesehen, Napoleon Bonaparte. Der Kaiser ist, in der Fiktion des Romans ›Die Liebe des Ulanen‹, glücklos verliebt in Margot Richemonte.112 Da er, außer zu siegen, nichts gelernt hat, kann er die Niederlage - Margot lehnt es ab, ihre Verlobung mit Hugo von Königsau zu lösen, um Napoleons Mätresse zu werden - nicht akzeptieren. Er intrigiert gegen Hugo, den preußischen Leutnant, und verliert schließlich alles: den Krieg, den Kampf gegen Hugo und den Respekt der Margot von Königsau.

  Hieronymus Schneffke hingegen, der spaßige Kunstmaler, verkraftet sein Pech in der Liebe mit Bravour und stoischer Würde. Emma König (von Königsau), die blonde Schönheit, hat es ihm angetan. Doch leider stürzt er, mißlicher Umstände wegen, bei jeder Begegnung mit ihr zu Boden, so daß die vermeintliche Gouvernante ihn stets nur mit spöttischem Lächeln und niemals mit Zärtlichkeiten belohnt. Aber Schneffke, den Dicken, ficht das nicht an. Er nimmt sein ›Unglück‹, wie das Leben auch sonst, von der leichteren Seite und findet in Marie Melac, die so rund und gemütvoll ist wie er selbst, die richtige Frau.

  Auf andere Weise läßt May in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ den listenreichen Sam Barth glücklich werden. Seine Jugendliebe Auguste hatte ihm, dem Handwerksgesellen, in der deutschen Heimat einen Schulamtskandidaten vorgezogen. Samuel bleibt allein, geht nach Amerika und stellt seinen Mann als berühmter Präriejäger und Oberst der US-Miliz. Nach langer Zeit trifft er die inzwischen verwitwete Auguste in Amerika wieder; nicht ganz vierzig Jahre ist sie nun alt, doch ihre runden, vollen Formen ließen sie jünger erscheinen ... Sie hatte sich gegen früher fast gar nicht verändert (Deutsche Herzen 981). Die tote Liebe wird wieder lebendig und feiert fröhliche Urständ: Sie hatte ihm so viel abzubitten und er ihr so viel zu vergeben. Und die Vergebung wurde so oft wiederholt und allemal wieder mit einem Kusse besiegelt. (Ebd., 996)

  Auguste, die Herzallerliebste (ebd., 2455), wird Samuels Braut. Ohne Braut aber findet, weit überzeugender noch als Sam Barth, ein seltsamer Mann, der pfiffige Wurzelsepp, seinen besonderen ›Weg zum


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Glück‹. Auch er wurde verlassen von seiner Geliebten, der Mutter Lenis. An anderer Stelle bin ich darauf schon eingegangen.113 Hier nur dies: Der Wurzelsepp versteht es, sein zunächst so tragisches Schicksal zu steuern, auf Gott zu vertrauen, für Schwächere zu leben und gerade so, in der ›Selbstlosigkeit‹, ein glücklicher Mensch zu werden.

  Die Quintessenz dieser Geschichten: Zurückgewiesene Liebe - sei es von Anfang an, so daß eine wechselseitige Beziehung überhaupt nicht zustandekommt, oder sei es durch die nachträgliche Abwendung eines Partners, so daß die Beziehung immer mehr ausgedünnt und schließlich gekappt wird - gehört bei sensibleren Leuten zu jenen Grenzerfahrungen, jenen existentiellen Herausforderungen, die menschliches Dasein von Grund auf erschüttern und der Sinnfrage nicht mehr ausweichen lassen. Mays Kolportage übersieht oder verharmlost in ihren besten Partien solche Widerfahrnisse keineswegs. Der Autor benennt sie und weist zugleich einen Weg, der im Vertrauen auf die Güte des Seins, in der tapferen Annahme des Unabwendbaren aus der Krise herausführt.

  Theodor Fontane wird die Aussage zugeschrieben: »Vielleicht kann man glücklich sein, wenn man es sein will. Und ich habe einmal gelesen, man könne das Glück auch lernen. Das hat mir gefallen.«114 Auch mir gefällt diese These. Und ich denke, in Mays Romanen werden entsprechende Perspektiven gezeigt.

  Was der Verfasser, dessen Identifikationsfiguren der theistischen Weltdeutung, dem gläubigen Daseinsverständnis, dem religiösen Sprachspiel verpflichtet sind, in seinen ›unglücklich‹ endenden oder traurig beginnenden ›Love-Stories‹ sagen will, ist m. E. in erster Linie dies: Gott hat tausend Möglichkeiten, einen Menschen aus dem ›Abgrund‹ herauszuholen, ihn ›durch die Wüste‹ hindurchzuführen und glücklich zu machen - wenn er nicht neurotisch verstört ist, wenn er nicht sich selbst im Weg steht und in verstockter Verzweiflung sich selbst eine Falle baut, wenn er offen bleibt für das Gute und Schöne, das menschliches Leben trotz schmerzlicher Verweigerungen, trotz scheinbarer Ausweglosigkeiten in dunklen Stunden und Zeiten der äußersten Not noch immer bereithält.

  Was Entscheidungskonflikte und mehr noch, was die Hintergründe, die tieferen Ursachen und damit die mögliche Therapie von Beziehungsproblemen betrifft, werden so manche Fragen allerdings nicht zureichend beantwortet oder gar nicht berührt. Solche Grenzen, solche Defizite der Mayschen Romane sind natürlich nicht zu bestreiten. Aber partnerpsychologische Fachliteratur kann durch Kolportage ja nicht ersetzt werden. Mays Verdienst liegt auf einer anderen - erzählerischen, ›heilspädagogischen‹, ›pastoralpsychologischen‹ - Ebene.


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Auch und gerade in seinen Liebesgeschichten will der Autor bekräftigen: Menschliches Leben gründet in Gott, der »die Liebe ist« (1 Joh 4, 16) und »Alles noch herrlich hinausführen wird« (Waldröschen 1336).115 In der christlichen, von erosfeindlichen Einflüssen stark geprägten Tradition wurde, dem Kern der biblischen Botschaft, dem Schöpfungs- und Erlösungsgedanken zuwider, die erotische Liebe weithin verdächtigt und entwertet:116 unter Berufung z. B. auf Jesu oft mißverstandenes Wort, daß im Himmel »nicht mehr geheiratet wird« (Mt 22, 30). Bei May jedoch werden ›Eros und Agape‹, Geschlechter-Liebe und selbstlose Hingabe wohl unterschieden, aber niemals getrennt und schon gar nicht gegeneinander ausgespielt.

  Insofern erweist sich schon der Verfasser der Kolportageromane und nicht erst der Autor des Spätwerks als, wenn ich so sagen darf, ›progressiver Theologe‹ und zugleich als Bewahrer einer urreligiösen und genuin christlichen Idee. Denn Gott versteht er, mit Dietrich Bonhoeffer gesprochen, als »mitten in unserem Leben jenseitig«,117 als transzendent gegenwärtig: nicht zuletzt auch im Eros, der weltlichen Liebe von Mann und Frau. So wirkt es m. E. stimmig und konsequent, wenn in den Finalszenen der Kolportageromane zum einen die Nähe Gottes beschworen wird und zum andern die Paare nach langer Trennung endgültig zusammenfinden.

  Die wahrhaft Liebenden ›brauchen‹ einander: nicht in dem Sinne, daß sie ohne den anderen nicht leben könnten, wohl aber in dem Sinne, daß die Gemeinsamkeit ihr Leben erfüllt und die anhaltende Trennung zum besonderen Schmerz, zur schweren und schwersten Leiderfahrung gerät. Gewiß, »Trennungszeiten sind für das Zusammenleben nicht verloren und unfruchtbar, sie brauchen es jedenfalls nicht zu sein, sondern es kann sich in ihnen - allen Problemen zum Trotz - eine ganz merkwürdig starke Gemeinschaft bilden«.118 Aber wirklich trösten kann, wie die Realität es bezeugt und die Poesie jeglicher Art es besingt, immer nur die Aussicht auf neue Vereinigung: Die Sehnsucht drängt die Liebenden zueinander »und gliedert die Zeit in den Zyklus eines Festes mit Phasen der Vorbereitung (...) und Phasen der Erfüllung, in denen das Warten sich belohnt«.119

  Andrerseits gibt es auch in wirklicher Hingabe die Erfahrung der Vergeblichkeit, des partiellen Mißlingens, der Schuld oder schlichtweg des Alltags, der die Liebe bedroht und herausfordert. Das ›Prinzip Hoffnung‹, das Vertrauen in die unendliche Liebe Gottes aber kann diesen Gegen-Erfahrungen standhalten. Zumal der Glaube ja ohnehin weiß: Die letzte, die bleibende Erfüllung - wie die vollständige Heilung auch des menschlichen Scheiterns, die Verwandlung auch der nicht oder nur halb geglückten Liebesbeziehungen - gewährt nur der ›Himmel‹,120


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die Auferstehung ins göttliche Leben hinein, wo »nicht mehr geheiratet wird«, d. h. das exklusive Beziehungssystem der Ehe sich auflöst zugunsten der anderen, größeren Liebe, die der unendlichen Weite des Göttlichen entspricht.

  Auf Erden gilt das Gesetz der Aus-wahl, die Notwendigkeit der Ent-scheidung. Wir können, gerade auch in der Liebe, nicht alles zugleich haben. Bestimmte Menschen müssen wir anderen, an sich nicht weniger liebenswerten Personen ›vorziehen‹. Allein schon aus diesem Grunde können wir manche ›Liebesbeziehungen‹ von vorneherein nicht zulassen oder müssen sie reduzieren oder in besonderen Situationen vielleicht beenden. In der Auferstehung, der Teilhabe an Gottes Ewigkeit, freilich wird »offenbar, wie Vorzugsliebe und allgemeine Liebe zusammengehören. Das heißt, wie ich mit all den Menschen eine neue Gemeinschaft bilde, die ich in dieser Welt nicht miteinander zugleich lieben kann (...) In der Auferstehung ist also auch mein Scheitern und alles Gute, was ich dennoch erfahren habe in der Beziehung, die zu Ende ging, so geborgen, daß alles Gute wieder aufersteht: für mich, für die beteiligten andern, für alle.«121

  Kommt diese Hoffnung, diese größte aller Hoffnungen, auch in Mays Kolportage zur Geltung? ›Waldröschen‹ schließt mit dem großen Maskenfest in Rheinswalden; ›Der verlorne Sohn‹ mit dem vielfachen Hochzeitsfest auf Schloß Brandtenstein; ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ mit dem großherzoglichen Festmahl zu Bad Wiesenstein; ›Der Weg zum Glück‹ mit dem Tod - dem Heimgang, dem Auferstehungsfest - des Wurzelsepp. Und jedesmal gibt die Anwesenheit des Königs bzw. des Landesfürsten dem weltlichen Geschehen, der Entmachtung des Bösen und der Vermählung der Paare, die höhere Weihe.122 Im Finale des ›Weg zum Glück‹ zwar ist Ludwig II. soeben verstorben; in Scheibenbad, bei der Premiere der ›Götterliebe‹, der ursprünglichen Schlußpartie des Romans,123 aber ist er zugegen.

  Mays späterer Erklärung zufolge ist der ›König‹, der ›Schah‹, eine Chiffre für Gott.124 Ob May schon in der Kolportagezeit bewußt in dieser Weise ›symbolisch‹ geschrieben hat, ist eine andere Frage. Aber irgendwie - gebrochen, mehr oder weniger defizitär - verweisen die im Szenario so märchenhaften und teilweise kitschigen Happy-Ends der Kolportageromane doch schon auf ›Dschinnistan‹, aufs letzte und größte aller Feste, wie es der Seher auf Patmos im Finale des Neuen Testaments geschaut hat: »Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, das Zelt Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein (...) Er wird alle Tränen abwischen von ihren Augen. Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, kein Leid. Denn was früher war, ist vergangen.« (Offb 21, 2-4)


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  Der Botschaft Jesu nach sollte »ein Stück dieses Himmels, in dem Vorzugsliebe und Offenheit zueinander gehören, (...) jetzt schon da sein können.«125 Besonders in den Schlußpartien der Mayschen Kolportage wird diese Präsenz der ›Gottesherrschaft‹ mitten in einer Welt der Gewalt und der Tränen auf - wohl allzu - irdische Weise antizipiert und gefeiert.126 Doch immerhin: Nicht nur die exklusiv Liebenden werden vereint, auch die zahlreichen Paare finden unter dem Schutz des Allmächtigen, des gütigen Landesvaters, zusammen - in einer Art ›communio sanctorum‹.

  Und die ›gebrochenen‹, die endgültig gescheiterten Liebesbeziehungen? Könnten sie doch noch geheilt und verwandelt werden? Schon jetzt auf der Erde? In exemplarischer Weise läßt May, wie oben schon angedeutet, Anton und Leni als ›Paar‹ gewissermaßen ›auferstehen‹. Ihre Beziehung wird, vorläufig, neu definiert als lebendige Freundschaft. Das heißt: Für die Nähe, die zwischen ihnen in der Hoch-Zeit ihrer Begegnungen entstanden ist, suchen die beiden - mit dem Theologen und Psychotherapeuten Hans Jellouschek gesprochen - »eine neue, schöpferische Form, in der auch das Alte, für das sie weiterhin verantwortlich sind, einen neuen Platz findet.«127

  So wie es früher war, kann es zwischen Anton und Leni nicht mehr werden. Denn beide sind durch neue Erfahrungen verändert und beide sind eine neue Beziehung mit einem anderen Partner eingegangen. Doch wirklich ›tot‹ ist ihre Liebe, wie der entscheidende Dialog128 für mein Empfinden deutlich belegt, keineswegs. Das vertrauliche ›Du‹ haben sie sich aufs neue geschenkt. Und irgendwann, spätestens in der Ewigkeit Gottes, werden auch Leni und Anton - auf einer anderen Ebene - einander wieder sagen können: »Ich liebe dich«.



1 Karl May: Der verlorne Sohn. Dresden 1884-86; Reprint Hildesheim-New York 1970ff.; die Belegstellen werden den Zitaten in Klammern mit der Sigle ›Verl. Sohn‹ und der Seitenangabe nachgestellt.

2 Auch die Polizisten Anton und Adolf greifen zu solchen Mitteln: Im Auftrag des Fürsten von Befour schmeicheln sie sich bei Milda Neumann bzw. Jette Horn ein, um die kriminellen Aktionen des Barons von Helfenstein aufzudecken.

3 Ralf Harder: Karl May und seine Münchmeyer-Romane. Eine Analyse zu Autorschaft und Datierung. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 19. Ubstadt 1996, S. 84ff.

4 Ebd., S. 219; Ernst Seybold: 95 zu 5 Prozent - Die Verfasserschaftsfrage bei Mays Kolportageromanen (ungedr. Typoskript)

5 Harder, wie Anm. 3, S. 219

6 Euchar Albrecht Schmid: Karl Mays Münchmeyer-Romane. In: Karl May: Deutsche Herzen, deutsche Helden. Dresden 1885-87; Reprint Bamberg 1976, S. V-VIII (VII); die Belegstellen werden den Zitaten in Klammern mit der Sigle ›Deutsche Herzen‹ und der Seitenangabe nachgestellt.

7 Hermann Cardauns: Leo Taxil, Robert Graßmann und - Karl May. In: Tremonia (Dortmund). 8. 11. 1901; wiedergegeben in: Bernhard Kosciuszko: Im Zentrum der May-Hetze - Die Kölnische Volkszeitung. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 10. Ubstadt 1985, S. 80ff. (82)


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8 Hermann Cardauns: Herr Karl May von der anderen Seite. In: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland 129. München 1902, S. 517-40; wiedergegeben in: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1987. Husum 1987, S. 206-24 (216f.); hier mit Bezug auf ›Waldröschen‹ (Karl May: Das Waldröschen oder die Rächerjagd rund um die Erde. Dresden 1882-84; Reprint Leipzig 1989)

9 Vgl. Klaus Hoffmann: »Wir empfehlen die Lectüre dieser in der deutschen Literatur einzig dastehenden Reisebeschreibungen wiederholt auf's Beste«. Karl Mays Beziehungen zur zeitgenössischen katholischen Presse Sachsens II. Eine Dokumentation. In: Jb-KMG 1995. Husum 1995, S. 119-40 (129).

10 Vgl. Hermann Wiedenroth / Hans Wollschläger: Editorischer Bericht. In: Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. II Bd. 19: Der verlorne Sohn VI. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Bargfeld 1996, S. 3203-24 (3216).

11 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. II Bd. 9-13 (hier Bd. 9): Die Liebe des Ulanen. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Bargfeld 1994; die Belegstellen werden den Zitaten in Klammern mit der Sigle ›Ulan‹ und der Seitenangabe nachgestellt.

12 May: Waldröschen, wie Anm. 8; die Belegstellen werden den Zitaten in Klammern mit der Sigle ›Waldröschen‹ und der Seitenangabe nachgestellt.

13 Johannes Paul I.: Ihr ergebener Albino Luciani. Briefe an Persönlichkeiten. Deutsch von Wolfgang Bader und Hans Heilkenbrinker. München 41985, S. 48f.

14 Vgl. May: Die Liebe des Ulanen, wie Anm. 11, S. 1306ff. und 1357ff.; obwohl Belmonte (Arthur von Hohenthal) zu den Identifikationsfiguren des Autors zählt und obwohl er Ella de Latreau liebt, läßt er sich bereitwillig und genüßlich von der Hofdame küssen. - Vgl. dazu Harder, wie Anm. 3, S. 89ff.

15 Vgl. Heinz Stolte: ›Waldröschen‹ als Weltbild. Zur Ästhetik der Kolportage. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 17-38 (20 und 27).

16 Ein Beispiel: Lord Eagle-nests Abenteuer mit Lea, Rahel und deren Schwester in Tunis (May: Deutsche Herzen, deutsche Helden, wie Anm. 6, S. 277ff.); vgl. dazu Harder, wie Anm. 3, S. 126ff.

17 Neuerdings bei Klaus Ludwig: Biographisches in Karl Mays ›Die Liebe des Ulanen‹. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft (S-KMG) Nr. 105/1995, S. 20-25; vgl. Harder, wie Anm. 3.

18 Zu den Liebesbeziehungen von Mann und Frau in ›Waldröschen‹ vgl. Friedhelm Munzel: Karl Mays Frühwerk ›Das Waldröschen‹. Eine didaktische Untersuchung als Beitrag zur Trivialliteratur der Wilhelminischen Zeit. Dortmund 1977, S. 298-310.

19 Vgl. Stolte, wie Anm. 15, S. 27.

20 Vgl. Mircea Eliade: Liebe auf den ersten Blick. In: Liebeserklärungen. Hrsg. von Annegret und Georg Langenhorst. Freiburg-Basel-Wien 1996, S. 145-53 (153). - Zur Problematik solcher Verliebtheit vgl. z. B. Rüdiger Rogoll: Nimm mich, wie ich bin. Lieben und Lassen in der Partnerschaft. Freiburg-Basel-Wien 1988, S. 30ff. und 58ff. - Zur tieferen Wahrheit solcher Verliebtheit als Vorgeschmack, als intuitiver Vorwegnahme künftiger Vollendung vgl. hingegen Hans Jellouschek: Die Froschprinzessin. Wie ein Mann zur Liebe findet. In: Ders.: Im Irrgarten der Liebe. Dreiecksbeziehungen und andere Paarkonflikte. Zürich 1991, S. 113-239 (130ff.).

21 Dazu z. B. Eugen Drewermann: Namen der Liebe. In: Liebeserklärungen, wie Anm. 20, S. 130ff. (132).

22 May: Deutsche Herzen, deutsche Helden, wie Anm. 6.

23 Vgl. Bettina Müller: Zur Darstellung der Frau und der Beziehung der Geschlechter in Karl Mays ›Waldröschen‹. S-KMG Nr. 65/1986, S. 13 (oben).

24 Die sexuelle Hingabe freilich bleibt der Ehe vorbehalten! - Vgl. ebd., S. 29.

25 Karl May: Das Buch der Liebe. Dresden 1875/76. Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Bd. I (Textband). Hrsg. von Gernot Kunze. Regensburg 1988, S. 30ff.

26 Müller, wie Anm. 23, S. 19ff., räumt dies, im Blick auf Rosita Sternau vor allem, zwar ein, behauptet dann aber doch, daß die »Rollen von Mann und Frau« in ›Waldröschen‹ »klar verteilt« seien (S. 16), »das bürgerliche Rollenverständnis von Mann und Frau auf breiter Ebene« festgeschrieben werde und »damit die Herrschaftsstrukturen in der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts« stabilisiert würden (S. 43).


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27 May: Der verlorne Sohn, wie Anm. 1, S. 1821ff. - Auch Rosita Sternau (May: Waldröschen, wie Anm. 8, S. 2098f.) macht Kurt Helmers »entgegen den üblichen Sitten und Gebräuchen einen Heiratsantrag« (Müller, wie Anm. 23, S. 21).

28 Martin Lowsky: Die Rolle der Frau in Karl Mays Werk. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 17/1973, S. 4-9 (6)

29 »Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben / muß wirken und streben, / und pflanzen und schaffen, / erlisten, erraffen, / muß wetten und wagen, / das Glück zu erjagen. / Und drinnen waltet / die züchtige Hausfrau, / die Mutter der Kinder, / und herrschet weise / im häuslichen Kreise« usf.

30 Lowsky, wie Anm. 28

31 Müller, wie Anm. 23, S. 40, sieht eine - von Karin Hausen übernommene - Zuordnung bestimmter Eigenschaften und Verhaltensweisen zum ›Wesen‹ des Mannes bzw. der Frau als in Mays ›Waldröschen‹ weitgehend gegeben an; m. E. wird diese Zuordnung in ›Waldröschen‹ (und den anderen Romanen) aber so oft durchbrochen, daß Müllers These doch wieder fragwürdig erscheint.

32 Vgl. Erich Fromm: Die Kunst des Liebens. Frankfurt a. M.-Berlin-Wien 1975, S. 54 - Rogoll, wie Anm. 20, S. 53.

33 Dietmar Mieth: Sex-Haben und Sex-Sein. In: Liebeserklärungen, wie Anm. 20, S. 176ff. (178, natürlich ohne Bezug auf May)

34 Fromm, wie Anm. 32, S. 146

35 Vgl. Gen 1, 27 und 2, 22ff. - Jellouschek: Froschprinzessin, wie Anm. 20, S. 235f.

36 Dies z. B. im Falle Resedilla Pirnero / Gérard Mason; dazu Müller, wie Anm. 23, S. 23 - Vgl. auch Wolfgang Hammer: Bekehrung bei Karl May. S-KMG Nr. 92/1992, S. 43ff.

37 Karl May: Ein wohlgemeintes Wort. In: Neuer deutscher Reichsbote. Deutscher Haus- und Geschichts-Kalender 1883. Stolpen 1883, S. 36-40; Reprint in: Karl May: Ein wohlgemeintes Wort. Frühe Texte aus dem ›Neuen deutschen Reichsboten‹ 1872-1886. Mit einer Einleitung von Peter Richter und Jürgen Wehnert. Lütjenburg 1994, S. 129-33 (133)

38 Zur autobiographischen Relevanz vgl. Monika Evers: Karl Mays Kolportageroman ›Der verlorene Sohn‹. Tagtraum und Versuch der literarischen Bewältigung persönlicher Existenzprobleme des Autors. In: Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 88-135 (120f.), sowie: Hammer, wie Anm. 36, S. 33f.

39 Daß Frauen mit gutem Charakter praktisch nicht altern, sondern unverändert schön bleiben, ist in Mays Kolportage auch sonst ein beliebtes Motiv. - Vgl. Müller, wie Anm. 23, S. 16.

40 Zu Recht bemerkt Müller, ebd., S. 22 (mit Bezug auf Amy Lindsay und Mariano): »Die Liebe bewährt sich im Durchhaltevermögen beider Partner in Zeiten der Trennung, nicht im gemeinsamen Leben des Paares im Alltag.«

41 Vgl. Matthias Claudius: An Frau Rebecca. In: Nur die Liebe. Texte aus zwei Jahrtausenden. Ausgewählt von Horst Mönnich. München 1982, S. 328f., und Adalbert Stifter: An Amalia Stifter. In: Ebd., S. 63f.

42 Vgl. z. B. Dietmar Mieth: Das gläserne Glück der Liebe. Freiburg-Basel-Wien 1992, S. 47-51.

43 Aus dem Vermählungsspruch der kirchlichen (katholischen und, sinngemäß, auch evangelischen) Trauungsliturgie; vgl. Herrad Schenk: Freie Liebe - wilde Ehe. Über die allmähliche Auflösung der Ehe durch die Liebe. München 1987; dazu kritisch: Hans Jellouschek: Die Kunst als Paar zu leben. Zürich 1992, S. 19f.

44 Vgl. dazu Jürgen Moltmann: Mensch. Stuttgart 1971, S. 169; Josef Pieper: Über die Liebe. München 1972, S. 61; Hans Jellouschek: Der Froschkönig. Ich liebe dich, weil ich dich brauche. In: Ders.: Irrgarten, wie Anm. 20, S. 9-111 (45).

45 Vgl. Fromm, wie Anm. 32, S. 48 - Rogoll, wie Anm. 20, passim.

46 Vgl. May: Der verlorne Sohn, wie Anm. 1, S. 420-31.

47 Wie Anm. 43

48 Vgl. Hermann Wohlgschaft: »Ich möchte heim ...«. Sterbeszenen in Mays Kolportageromanen. In: Jb-KMG 1997. Husum 1997, S. 176-210 (187).

49 Vgl. dazu Eugen Drewermann: Die Liebe ist durch den Tod nicht zu entmutigen. In: Liebeserklärungen, wie Anm. 20, S. 274ff.


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50 Vgl. z. B. May: Waldröschen, wie Anm. 8, S. 2607, wo von der göttlichen Liebe die Rede ist, welche sich in der menschlichen offenbart.

51 Vgl. zum Frauenbild in Mays Frühwerk: Hermann Wohlgschaft: Große Karl-May-Biographie. Leben und Werk. Paderborn 1994, S. 156f.

52 Vgl. May: Buch der Liebe, wie Anm. 25, S. 30ff.

53 Vgl. Robin Norwood: Wenn Frauen zu sehr lieben. Die heimliche Sucht gebraucht zu werden. Reinbek 1990.

54 Siehe dazu, sehr hilfreich und weiterführend, Mieth: Das gläserne Glück, wie Anm. 42, S. 132-43.

55 Vgl. dazu Mieth: Sex-Haben, wie Anm. 33.

56 Vgl. May: Die Liebe des Ulanen, wie Anm. 11, S. 1152.

57 Vgl. Peter Schellenbaum: Das Nein in der Liebe. Abgrenzung und Hingabe in der erotischen Beziehung. München 71990, S. 113.

58 Vgl. May: Die Liebe des Ulanen, wie Anm. 11, S. 2200ff.

59 Vgl. Verena Kast: Paare, Beziehungsphantasien oder Wie Götter sich in Menschen spiegeln. Stuttgart 1984, S. 85-102; Hans Jellouschek: Semele, Zeus und Hera. Die Rolle der Geliebten in der Dreiecksbeziehung. In: Ders.: Irrgarten, wie Anm. 20, S. 241-361 (276f.).

60 Karl May: Der Weg zum Glück. Dresden 1886-88; Reprint Hildesheim-New York 1971; die Belegstellen werden den Zitaten in Klammern mit der Sigle ›Weg zum Glück‹ und der Seitenangabe nachgestellt.

61 Vgl. Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 51, S. 159.

62 Vgl. Karl May: Frau Pollmer - eine psychologische Studie. Prozeßschriften Bd. 1. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 843. - Wohl zu Recht bezeichnet Harder, wie Anm. 3, S. 124, manche Partien in Mays Kolportageromanen als »frühe Pollmer-Studien«.

63 Vgl. Werner Tippel / Hartmut Wörner: Frauen in Karl Mays Werk. S-KMG Nr. 29/1981, S. 37ff. (39).

64 Cardauns: Herr Karl May, wie Anm. 8, S. 217

65 Der Leibarzt des Königs mit Bezug auf die Kronenbäuerin. - Zur Deutung dieser Stelle vgl. Hammer, wie Anm. 36, S. 24.

66 May: Deutsche Herzen, deutsche Helden, wie Anm. 6, S. 1409

67 Schellenbaum, wie Anm. 57, S. 12

68 Ebd., S. 75 - Ähnlich Fromm, wie Anm. 32, S. 39f.

69 Lowsky, wie Anm. 28, S. 5

70 Vgl. Schellenbaum, wie Anm. 57 - Hans Jellouschek: Vom Fischer und seiner Frau. Wie man besser mit den Wünschen seiner Frau umgeht. Zürich 1996, S. 103 u. passim.

71 Vgl. Schellenbaum, wie Anm. 57, S. 81ff.

72 Vgl. May: Die Liebe des Ulanen, wie Anm. 11, S. 2514.

73 Vgl. ebd., S. 2515.

74 Aus Alban wird später ein frommer Marabut, der seine Vergangenheit aufs tiefste bereut; Gaston verlobt sich, reifer geworden, mit Emma von Königsau (Amély ist zur Haupthandlungszeit längst verstorben).

75 Vgl. May: Der Weg zum Glück, wie Anm. 60, S. 659.

76 Vgl. dazu Hammer, wie Anm. 36, S. 29f.

77 Vgl. May: Der Weg zum Glück, wie Anm. 60, S. 760.

78 Vgl. dazu Mieth: Das gläserne Glück, wie Anm. 42, S. 146.

79 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910) S. 252; Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul

80 Vgl. dazu Mieth: Das gläserne Glück, wie Anm. 42, S. 151 - Eugen Drewermann: Treue und Scheitern. In: Liebeserklärungen, wie Anm. 20, S. 253-57.

81 Vgl. Tippel / Wörner, wie Anm. 63, S. 33ff.

82 Nach Hedwig Pauler: Deutscher Herzen Liederkranz. Teil I. Lieder und Gedichte in Karl Mays Kolportageromanen. S-KMG Nr. 41/1983, S. 55

83 Vgl. Urs Baumann: Liebe braucht Transzendenz. In: Liebeserklärungen, wie Anm. 20, S. 209-13.

84 Vgl. dazu Fromm, wie Anm. 32, S. 130f. - Jellouschek: Die Kunst als Paar zu leben, wie


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Anm. 43, S. 131-47 (›Gott nicht, Priester nicht, Kirche nicht - dann wenigstens Du! Liebe als Religion‹).

85 Vgl. Harder, wie Anm. 3, S. 103ff.

86 Vgl. dazu Hammer, wie Anm. 36, S. 28.

87 Vgl. Jellouschek: Froschprinzessin, wie Anm. 20, S. 173ff.

88 Vgl. May: Der Weg zum Glück, wie Anm. 60, S. 12 u. ö.

89 Wie Anm. 53

90 Vgl. Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz. Deutsch von Grete und Josef Leitgeb. Düsseldorf 1973, S. 53. - Zur Verantwortung in solchen Fällen vgl. z. B. Jellouschek: Semele, wie Anm. 59, S. 359ff.

91 Hammer, wie Anm. 36, S. 46

92 Vgl. May: Der Weg zum Glück, wie Anm. 60, S. 2604ff.

93 Vgl. ebd., S. 2571.

94 Zu diesem Gesichtspunkt erhellend: Jellouschek: Froschprinzessin, wie Anm. 20, S. 128-34.

95 Vgl. dazu Rogoll, wie Anm. 20, S. 17.

96 Vgl. Müller, wie Anm. 23, S. 29, 33 u. 42.

97 Vgl. z. B. Arno Gruen: Der Verrat am Selbst. Die Angst vor Autonomie bei Mann und Frau. München 1986.

98 Vgl. dazu Drewermann: Treue und Scheitern, wie Anm. 80 (mit Verweis auch auf Beispiele wie Jason und Medea, Theseus und Ariadne, Aeneas und Dido).

99 Dazu Jellouschek: Semele, wie Anm. 59, S. 316-26 und 351-61; eine glatte, in jedem Fall gültige Lösung kann natürlich auch hier - trotz des m. E. richtigen und weiterführenden Ansatzes - nicht geboten werden. - Zur Problematik von Dreiecksbeziehungen vgl. auch Goethes Drama ›Stella‹: Unentschieden steht Fernando zwischen seiner Frau Cezilie und der Baronesse Stella. In der Erstfassung des Dramas (Uraufführung 1776) löst Cezilie den Knoten, indem sie ein harmonisches Zusammenleben der drei Beteiligten vorschlägt: »seelig Eine Wohnung, Ein Bett, und Ein Grab.« Diese Lösung aber fand - zu Recht - keine Gnade im Urteil der Zeitgenossen. So entschloß sich Goethe zu einer tragisch endenden Zweitfassung (Uraufführung 1805): Fernando und Stella begehen Selbstmord. Doch auch mit dieser ›Lösung‹ konnte niemand zufrieden sein. - Vgl. Michael Schmidt: Stella. In: Kindlers Literatur Lexikon. Bd. 21. München 1974 (dtv), S. 8991ff.

100 Vgl. May: Waldröschen, wie Anm. 8, S. 363ff.

101 Vgl. dazu Hammer, wie Anm. 36, S. 34ff.

102 May: Waldröschen, wie Anm. 8, S. 552-602

103 Jellouschek: Semele, wie Anm. 59, S. 316

104 Vgl. May: Deutsche Herzen, wie Anm. 6, S. 612f.

105 Vgl. ebd., S. 1306ff.

106 Vgl. ebd., S. 2604.

107 Vgl. Wiedenroth / Wollschläger, wie Anm. 10, S. 3217 (mit Bezug auf ›Der verlorne Sohn‹ allerdings). - Harder, wie Anm. 3, S. 145, hält Kürzungen durch die Münchmeyer-Redaktion freilich für sehr unwahrscheinlich.

108 Vgl. Hammer, wie Anm. 36, S. 41-45; zur autobiographischen Relevanz vgl. Harder, wie Anm. 3, S. 82f.

109 Müller, wie Anm. 23, S. 33

110 Ebd., S. 32

111 Müller, ebd., S. 32f., bewertet Emilias Wandlung insofern negativ, als diese hochbegabte Frau auf berufliche Tätigkeit - und damit die ›Emanzipierung‹ - verzichtet.

112 Die Margot/Napoleon-Episode beginnt in May: Die Liebe des Ulanen, wie Anm. 11, S. 551f. - Zu Margot vgl. Tippel / Wörner, wie Anm. 63, S. 30f.

113 Wohlgschaft: Ich möchte heim, wie Anm. 48, S. 199

114 Aus einem Abreißkalender, ohne Angabe des Fundorts

115 Vgl. Wohlgschaft: Ich möchte heim, wie Anm. 48, S. 202.

116 Vgl. dazu Pieper, wie Anm. 44, S. 92-105 - Franz-Josef Nocke: Liebe, Tod und Auferstehung. Über die Mitte des Glaubens. München 1978, S. 37-40; Mieth: Das gläserne Glück, wie Anm. 42, S. 32ff.


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117 Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Hrsg. von Eberhard Bethge. München 131966, S. 182

118 Ebd., S. 131

119 Eugen Drewermann: Im magischen Ring der Liebe. In: Liebeserklärungen, wie Anm. 20, S. 204f. (204)

120 Vgl. z. B. Nocke, wie Anm. 116, S. 142-57 (mit vielen Hinweisen auf mythische, belletristische, philosophische, religionspsychologische und theologische Texte).

121 Mieth: Das gläserne Glück, wie Anm. 42, S. 152

122 Lediglich in ›Die Liebe des Ulanen‹ gibt es dazu keine Entsprechung; aber auch in diesem Roman werden glückliche Ehen geschlossen.

123 Vgl. Hammer, wie Anm. 36, S. 45f. - Harder, wie Anm. 3, S. 185ff.

124 Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 79, S. 210.

125 Mieth: Das gläserne Glück, wie Anm. 42, S. 152

126 Vgl. Gert Uedings auf Transzendentes weisende Deutung der höfischen Szenen: In ihnen werde auf märchenhafte Weise »vom wahren Wesen, das hinter der ärmlichen äußeren Fassade verborgen ist«, erzählt (Gert Ueding: Glanzvolles Elend. Versuch über Kitsch und Kolportage. Frankfurt a. M. 1973, S. 111).

127 Jellouschek: Semele, wie Anm. 59, S. 359

128 Vgl. May: Der Weg zum Glück, wie Anm. 60, S. 2604ff.





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