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MARTIN LOWSKY


Angst vor der »scharfen Nachtluft«?
Modernes Erzählen in Karl Mays Roman ›Im Reiche des silbernen Löwen‹*





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Im Kapitel ›In Basra‹ von Karl Mays Roman ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ brechen die beiden Hauptfiguren Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar endgültig nach Persien auf, dem schon lange anvisierten Reiseziel, und eine Zeitlang besteht der Plan, die Reise per Schiff zu unternehmen. Doch die Schiffahrt wird abgeblasen, denn auf dem Schiff ist wohl Platz für Diplomaten, nicht aber für Abenteurer, und so bewältigen Kara Ben Nemsi und Halef, wie es sich für die Helden einer Abenteuererzählung gehört, die Reise zu Pferde. Eine der letzten Passagen dieses Kapitels lautet: Wir ritten so lange, als es hell blieb, über die jenseitige Ebene. Als es dunkelte, machten wir bei einem wilden Dattelgestrüpp Halt, um da zu übernachten, weil es reichlich und gutes Gras für die Pferde gab. (III, 66)1

   In der Persien-Handlung des ›Silberlöwen‹-Werkes spielen in der Tat Pferde eine große Rolle. Diese Persien-Handlung stellt einen in sich geschlossenen Roman dar, den, so meine ich, wichtigsten Text der Mayschen Altersperiode; dieser 1200-Seiten-Roman also, entstanden 1902/03, beginnt nach dem ›Basra‹-Kapitel auf S. 67 des 3. Bandes und umfaßt auch den 4. (und letzten) ›Silberlöwen‹-Band. Die bedeutendste Episode um ein Pferd ist die, in der Kara Ben Nemsi mit seinem edlen Rappen Syrr für das große Wettrennen üben muß, jene im Tal der Dschamikun geplante Großveranstaltung, bei der die Gegner der Dschamikun »das Vollblut von ganz Persien ... zusammentreiben« können und als die Hauptsache gilt: »Der Besiegte geht sofort in den Besitz des Siegers über!« (III, 578) Die Übungsstunden von Kara Ben Nemsi und Syrr stehen unter einem anderen Stern: Ich hatte mir für heut eine große Fläche, einen weiten Spielraum zum Reiten gewünscht ... Der Rappe sollte zunächst ganz seinen eigenen, freien Willen haben. Er sollte gleich am ersten Tage herausfühlen, daß ich nicht so dumm sei, seine Natur, seine Gaben, seine Vorzüge zu knechten und zu knebeln. (IV, 470f.) Und so wird der Übungsritt fast wie der Flug eines Adlers, dessen Schwingen




* Vortrag, gehalten am 23. 9. 1999 auf der 15. Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Hohenstein-Ernstthal.


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man sich nicht bewegen sieht - bis es schließlich über den Rappen heißt: er flog nicht mehr! Nein! Sondern wir standen still. Aber die Ebene, die ganze Erde um uns war in rasender Bewegung. (IV, 471f.) Die üblichen Weg-Zeit-Abhängigkeiten sind also aufgehoben, und diese Auflösung des Alltäglichen - nicht des Realen! - bekommt noch eine emotionale Färbung, wenn der Held zu beobachten meint: Die Sterne leuchteten, und der Mond lächelte freundlich zu dem guten Verhältnisse zwischen Mensch und Tier. (IV, 472)

   In phantasiefreudiger Weise bezieht also der Held die sichtbare Außenwelt ein, um sein inneres Wohlsein zu verstärken, ein Vorgehen, das ein Gegenstück nach dem Ende des Rittes findet, als es über den Rappen heißt: Da rieb er seinen schönen, feinen Kopf an meiner Schulter ... Dann stieg ich wieder auf, um ihn nicht der scharfen Nachtluft ohne Bewegung auszusetzen. (IV, 473)

   Physiologie und Emotionalität, sowohl des Reiters als auch des Tieres, greifen ineinander, und so bildet Mays Ritt in der scharfen Nachtluft den Gegensatz zu dem organisierten, funktionalisierten und von Kampfregeln bestimmten Wettritt. Fünf Seiten Raum erlaubt sich May, um dieses Üben mit Syrr zu beschreiben, während er später beim Wettritt für Syrrs Auftreten nur eine Seite braucht (IV, 597f.).

   Beachten wir all dies, so können wir hier eine Ganzheitlichkeit erkennen, ein Bekenntnis zur Vielfalt alles Irdischen, genauer: zu der Vorstellung, daß alles Irdische dem Schriftsteller als Material dienen kann. Dieser Gedanke ›Alles in unserem Dasein ist literaturwürdig‹ ist wohl die Grundidee des Realismus,2 und in diesem Sinne wandelt sich Karl May zum realistischen Erzähler. Das wäre nun noch nichts Modernes, und wenn wir ausführlich den ›Realisten‹ May, seine Nähe zur literarischen Epoche des Realismus, beobachten wollten, müßten wir uns vor allem den Romanen ›Und Friede auf Erden!‹ und ›Winnetou IV‹ zuwenden mit ihren Konversationsszenen, ihren Episoden in Hotels und Schiffskajüten, all ihrem Zivilisationsambiente. Nein, die Realistik des ›Silbernen Löwen‹ hat ihren eigenen Reiz, und damit meine ich nicht den Sachverhalt, daß sich hier Allegorien à la Pegasus verbergen, zum Beispiel die Pferde Bücher bedeuten und mit dem Reiten schriftstellerische Erfolge gemeint sind. Vielmehr wollen wir uns bei der Form, bei der Erzählhaltung aufhalten. Sie ist erstaunlich genug.

   Suchen wir also nach dem erzählerischen Procedere, mit dem May zu seinem Realismus gelangt. Wir stellen zunächst fest: May kommt von der Abenteuerschriftstellerei her, und im Detail ist der Abenteuer-Gestus hier weiterhin vorhanden. (Zum Glück, möchte ich sagen!) Doch sehen wir genauer hin. Etwa schreibt May: Der Galopp ging ins Rennen über (IV, 472), doch wohlgemerkt handelt es sich nur um einen Übungsritt; von der Gefahr der scharfen Nachtluft ist die Rede, doch überraschenderweise droht die Gefahr allein dem Tier; der einstmals souveräne Reiter ist jetzt, wie May sagt, der Abgeschwächte, der Rekonvaleszente, für den der Ritt eine Therapie ist (Ich war ... ganz plötzlich gesund; IV, 472), und dieser Reiter und Er-



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zähler geht schließlich, dank des Pferdes, in einem neuen Koordinatensystem auf, indem May schreibt: ... die ganze Erde um uns war in rasender Bewegung (IV, 472). Wenn in Abenteuergeschichten Herzen schlagen, dann üblicherweise die der Hauptpersonen, doch hier rückt das Tier an deren Stelle, denn beim Streicheln des Pferdes wird mitgeteilt: das Herz schien in etwas schnellerer Bewegung zu sein als wie gewöhnlich (IV, 473). Ferner bezieht sich, so erfolgreich der Ritt auch war, das letzte Wort des Helden nicht auf diesen Erfolg, sondern darauf, daß er das Füttern der Tiere vergessen hat: »Aber meine armen, armen Pferde! Zweimal nicht gefüttert. Alles verschlafen!« (IV, 475) Und wir erfahren, daß diesbezüglich sein Freund, der Ustad, die Pferde »zufriedengestellt« hat (ebd.). Also Begriffe wie ›Galopp‹, ›Rennen‹, ›weiter Spielraum zum Reiten‹, ›scharfe Nachtluft‹, ›zufriedengestellt‹, ›Herz‹, allesamt typisch für das Abenteuererzählen, werden in ungewohnte Verbindungen gebracht: beim Galopp rast schließlich die Erde, der weite Spielraum nutzt einem Rekonvaleszenten, zufriedengestellt werden am Ende die Tiere, und die ›scharfe Nachtluft‹ bedrängt ausgerechnet den Rappen. May nimmt seine Lieblingsbegriffe aus ihren konventionellen Kontexten, zerschlägt also das Ensemble der üblichen Abenteuer-Termini, und baut sie alle neu zusammen. Aus alten Fragmenten werden in einem experimentellen Impetus neue Ganzheiten geschaffen. Die Realistik der Welt des ›Silbernen Löwen‹ erscheint vor dem Leser als der künstlerische Wille des Erzählers.

   Hierzu noch eine Einzelheit. Nach dem anstrengenden Ritt schläft der Held sechzehn Stunden durch und macht dann sein Perplexsein mit diesen Worten deutlich: ... ich sah die Sonne nicht ... Da stand ich schnell und ahnungsvoll auf. ... Da, wo sie stand, pflegte sie ungefähr um 4 Uhr Nachmittags zu stehen! (IV, 475) Das alte Motiv, in der Wildnis die Stunde an den Gestirnen ablesen zu können, dieses rigorose Sinnbild für die Herrschaft des Abenteurers, wiederholt May jetzt, um Verschlafensein und Desorientiertheit zu illustrieren. Eine subtile Verfremdung!

   Jedem Leser Mays kann dieses kontrastreiche Spiel auffallen, besonders natürlich dem, der das alte Motiv der Gestirne und Uhrzeiten und überhaupt Mays übriges Werk kennt. Prinzipiell setzt May einen mayerfahrenen Leser voraus, denn immer wieder in seinen Texten, auch im ›Silbernen Löwen‹, gibt er Querverweise auf sein übriges Schaffen, spricht von »meinen Büchern« (IV, 67).

   Im Endeffekt entfaltet sich der ›Silberne Löwe‹ zu einer farbigen Erzählung, die schon durch das Mitteilen von Gefühlsregungen, von persönlichen Impressionen und durch ihr Verständnis für Tiere wirklichkeitsnäher ist als das gewöhnliche Abenteuerfabulieren. Diesen Weg hin in die Realistik macht May besonders in der Gestalt der Schakara, der jungen Frau, deutlich, die oftmals für das Füttern sorgt, also sich um das wichtigste Leibesbedürfnis überhaupt kümmert. Schakara ist es auch, die schon frühzeitig den genesenden Helden an die Pferde erinnert: sie hängt Assils Zaum- und Sat-


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telzeug in die Nähe des Krankenlagers und führt sogar Assil auf die Veranda, wo der Held liegt (III, 279). Hier erfährt der Leser auch, daß sie die Lieblingsspeise dieses Tieres entdeckt hat (III, 280), und damit eröffnet sie die Serie der Szenen, in der Pferde gefüttert werden. Das sind durchaus feierliche Momente: einmal beschreibt der Held die Fütterung von Syrr mit dem Satz: ich ... holte ein Gericht Aepfel für ihn. (IV, 603) Doch das ist schon gegen Ende des Romans.

   Auch bei diesem Motiv sehen wir, wie May seine Realistik aus einem virtuosen Umbau und Verschiebungsprozeß seiner alten Abenteuerthemen entwickelt. Lesen wir doch an einer Stelle, wie das Pferd an dem dargereichten Futter mit Bedacht schnuppert (IV, 409). Es geht also um den Geruchssinn. Bedenkt man, daß der Geruchssinn in Mays Abenteuererzählen eine große Rolle spielt, nur eben in konventionellen Zusammenhängen - etwa wenn die Pferde Gefahren wittern und sie dem Helden durch ihr Schnauben melden oder wenn der Held durch die Körperausdünstung eines heranschleichenden Löwen in Erregung versetzt wird (Andreas Graf hat einmal in erhellender Weise die Präsenz der fünf Sinne in Mays Phantasiewelt erörtert3) -, so ist das jetzt genießerisch schnuppernde Pferd ein erzählerischer Umsturz. Die Physiologie des Pferdes rückt vor die des Menschen.

   Schakara prägt sich dem Leser zunächst dadurch ein, daß sie in mythischer Weise den Rappen Syrr beschreibt. Sie sagt:


»Das war das Roß der Himmelsphantasie, der treue Rappe mit der Funkenmähne, der keinen andern Menschen trug als seinen Herrn, den nach der fernen Heimat suchenden. ... Die Hufe warfen Zeit und Raum zurück. ... Der Reiter hüllte leicht sich in den Silbermantel, den ihm der Mond um Brust und Schultern warf, und seiner Locken Reichtum wallte ihm vom Haupte. Des Rosses düstre Mähne aber wehte, im Winde flatternd wie zerfetzte Strophen, schwarz auf des Mantels dämmerlichten Grund. ...« (IV, 208f.)


Auch mit diesen Sätzen, so legendenartig sie in ihrer gebundenen Sprache klingen und so klar sich hier die Pegasus-Allegorik ankündigt, bereitet sich der irdische Übungsritt vor. So ist das Wort von den Hufen, die Zeit und Raum zurück(warfen), ein Vorgriff auf den späteren scheinbaren Stillstand des Rosses in der rasenden Ebene, und die zerfetzte(n) Strophen (›zerfetzt‹!) deuten das poetische Hantieren mit den Abenteuerfragmenten an. Bedeutsam ist hier das Wort vom Silbermantel. Dieser Silbermantel oder auch, um Joseph von Eichendorff zu zitieren, der das Motiv mehrfach verwendet hat, »Sternenmantel« und »Poetenmantel« (der letzte Ausdruck fällt in ›Aus dem Leben eines Taugenichts‹4) - dieser Mantel also oder vielmehr das Einwickeln in ihn bedeutet, daß der Mensch die Sternenwelt und das Universum zu sich heranziehen kann, daß »das Fernste und Nächste gleich nahe ist«.5 Wenn Schakara auf dem Hinter-Grund eben des Mantels die Pferdemähne wehen läßt, so zwingt sie die Weite der Welt mit den


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Attributen des Pferdes zusammen und kündigt so das Ganzheitliche und die Realistik der späteren Pferdeszene an.

   Noch eine Bemerkung zu Schakara. Die realistische Weltbetrachtung Schakaras, ihr Sinn für die elementaren Bedürfnisse, zeigt sich schließlich in jener bedeutenden Szene, in der sie das Wettrennen seines Charakters als Gewinnspiel entkleidet. Sie fordert nämlich, Ahriman Mirza solle seinen Dolch, seinen Chandschar (IV, 594), zum Wettobjekt machen und damit sein politisches Wirken zur Disposition stellen. Als Ahriman Mirza dann im Rennen verliert, bei dem ihm sein Pferd am Kopf einen schweren Biß zufügt, und er sich unterwirft, heißt es: Schakara's Augen aber strahlten in glänzender Freude. (IV, 601) Auch hier haben wir typische Abenteuererzählungsmotive wieder in unerwarteten Verbindungen: Ein Tier verletzt einen Menschen, doch es ist nicht ein Raubtier, sondern das eigene Reittier, eine der Figuren lehnt das Mitleid ab, doch es ist eine positiv gezeichnete Frauengestalt,6 und ein politischer Führer verliert seine Herrschaft, doch es ist überraschenderweise wieder die Frau, die dies bewerkstelligt. In ihrem Realitätssinn ist ihr die Vernichtung des Angreifers wichtiger als Mitleid.



2


Mit den Hinweisen auf Schakaras Wirken im Roman sind wir dem roten Faden des Ganzen auf der Spur, und um ihn zu entdecken, wenden wir uns jetzt mehr den Menschen in diesem Werk zu. Gehen wir an die äußerlichen Extremstellen dieses Werkes! Der Persien-Teil des ›Silbernen Löwen‹ ist auch ein Roman der großen Gespräche, und mit einer wörtlichen Rede beginnt er und endet er. So der Beginn:


»Sihdi, wie denkst du über das Sterben?«

   Wir waren stundenlang schweigsam nebeneinander her geritten, und nun erklang diese Frage so plötzlich, so unerwartet, so unmotiviert, daß ich den Sprecher erstaunt ansah und keine Antwort gab. Das arabische Wort Sihdi bedeutet »Herr«. So pflegte mich Halef noch immer zu nennen, obgleich wir schon längst nicht mehr Herr und Diener, sondern Freunde waren.

   »Sihdi, wie denkst du über das Sterben?« wiederholte er seine Frage, als ob er annehme, daß ich ihn nicht verstanden habe. (III, 67)


Nun der Romanschluß, die letzten Zeilen des 4. Bandes:


»Effendi, kennst du die Sage von Chodeh, dem eingemauerten?«

   Schon wollte ich antworten: »Du hast sie mir ja selbst erzählt!« Aber ihr Gesicht stand im alabasternen Schimmer des Gebetes [d. h. der weißen Statue], und da sah ich, daß sie schalkhaft lächelte. Darum blieb ich still. Nach Kurzem fragte sie [d. i. Schakara] abermals:

   »Effendi, kennst du die Sage von dem verzauberten Gebete?«


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Natürlich antwortete ich auch dieses Mal nicht. Da fuhr sie fort:

   »Bevor du kamst, stand ich hier und dachte darüber nach, ob diese beiden Sagen wohl ganz dasselbe meinen. Ich glaube, ja. Und wenn das richtig ist, so habe ich den Berg gefunden, den ich suchte.« - - - (IV, 644)


Beide Male erleben wir den Ansatz eines Dialoges, wobei hier wie dort der Wortwechsel nicht in Fahrt kommt und statt dessen der Held als Erzähler eingreift und uns Lesern den Sachverhalt kommentiert: Der Held Kara Ben Nemsi selbst antwortet nicht auf das, was er hört. Doch während im ersten Fall der Schreck den Helden am Antworten hindert, ist es im zweiten Fall der Anblick der Gesprächspartnerin Schakara. Im ersten Fall also ist es gegenseitige Verständnislosigkeit, die den Dialog aufhält, im zweiten Fall ist es umfassende Harmonie - eine Frau, die schalkhaft lächelt: welch impressionistische Stilisierung! -, die den Dialog überflüssig macht. Auch die äußeren Bedingungen sind gänzlich unterschiedlich. Die beiden Partner des Beginns befinden sich auf einem schon viele Tage dauernden Ritt in die Berge; sie sind, wie May sagt, in einem wasserarmen Gebiete ... Die Höhen ragten schroff und steil empor. Ihre Hänge waren kahl. (III, 69) Am Ende dagegen befindet man sich in einem blühenden Tal, erwartet einen festliche(n) Schmaus (IV, 643) - den natürlich, wer sonst!, Schakara vorbereitet - und betrachtet die weiße Statue, die unter dem Riesenbau, der eingestürzt ist, freigeworden ist. Und nicht zu vergessen: Hier am Ende ist es eine lächelnde junge Frau, die Kara Ben Nemsi anspricht, am Anfang ist es der alternde Scheik Hadschi Halef Omar.

   Bedenken wir schließlich, daß es am Anfang um die nervlich anstrengende Frage nach dem Sterben geht - die in einer aufreizenden Verbohrtheit wörtlich wiederholt wird -, am Ende aber um den zwanglosen Rückblick auf vorher erzählte Geschichten, so läßt sich die unterschiedliche Atmosphäre von Romanbeginn und Romanende in einer Reihe von Gegensatzpaaren fassen: Dem Räsonieren des Anfangs steht das frohe Plaudern des Endes gegenüber, dem Abhängigkeitsgefühl die Autonomie, der Disziplin das erotische Flair, den Lebensängsten der Diesseitsjubel.

   Wir haben damit, in diesen beiden äußerlichen Extrempunkten des Romans, auch Extreme in atmosphärischer Hinsicht, und da hier wie dort der Held und Ich-Erzähler Kara Ben Nemsi erscheint, birgt das Werk die Züge eines Entwicklungsromans. Denken wir hierzu wiederum an Eichendorffs Werk ›Aus dem Leben eines Taugenichts‹, wo am Anfang der Held vom Vater gesagt bekommt: »Du (...) läßt mich alle Arbeit allein tun«, während es am Ende heißt: Die schöne Aurelie »lächelte still und sah mich recht vergnügt und freundlich an, und von fern schallte immerfort die Musik herüber, und Leuchtkugeln flogen vom Schloß durch die stille Nacht über die Gärten (...).«7 May arbeitet in seiner Antithetik von Anfangs- und End-Atmosphäre sehr ähnlich, nur daß er, anders als Eichendorff in seinem romantischen, sozusagen naiv erzählenden Vorgehen, ein reflek-


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tierendes Vorgehen wählt. May läßt nämlich, wie schon bemerkt, vom Erzähler begründen und kommentieren, wieso der Dialog stocken muß. Mit diesem Ausbruch in das Kommentieren, den Mays Erzähler unternimmt, entfernt sich Mays ›Silberner Löwe‹ von Eichendorff zur Moderne hin - was freilich, achtzig Jahre nach Eichendorffs Roman, nicht überrascht.

   Die Bezeichnung ›Entwicklungsroman‹ für Karl Mays ›Silbernen Löwen‹ ist schon dadurch berechtigt, daß hier, im Gegensatz zu den übrigen Altersromanen, Mays Ich-Held in seiner Persönlichkeit am Ende ganz anders dasteht als am Anfang, vor seinem Krankenlager bei den Dschamikun, in den persischen Bergen. Der ›Silberne Löwe‹ ist daher mit dem 1. Band ›Winnetou‹ zu vergleichen, dem Hauptwerk von Mays ›klassischer Phase‹. Dieser ist schon einmal als Bildungsroman bezeichnet worden.8 Überhaupt sollten wir bei all unseren literarhistorischen Überlegungen nicht den Blick auf Mays Gesamtwerk verlieren, also uns die Frage stellen: Welche der klassischen Reiseerzählungen Mays steht dem ›Silbernen Löwen‹ am nächsten? Gelegentlich wurde da einmal ›Durchs wilde Kurdistan‹ angeführt,9 aber ich würde eben ›Winnetou Band I‹ nennen.

   Hierzu einige Gedanken! Ich meine sogar, daß eine genaue Lektüre von ›Winnetou I‹ ein Königsweg für das Hineinfinden in die Spannungsfelder des ›Silbernen Löwen‹ ist. Auch in ›Winnetou‹ gelangt der Held als Kranker zu einem fremden Stamm, wo er wieder genest - zu den Apatschen ins Tal des Rio Pecos -, doch gibt es einige Motive, die uns unbefriedigt lassen: Warum muß Nscho-tschi, diese liebenswürdige und kluge Frau, sterben, warum muß schon der Lehrer Klekih-petra ermordet werden, und warum - ein gar nicht nebensächliches Motiv - wird der kranke Held gerade im obersten Stock des Pueblos untergebracht (welch ein Umstand für die Pflegerin!)? Man mag das alles zu den Kunststückchen der Abenteuerliteratur zählen, wobei etwa der hohe Platz im Pueblo auf den Triumph des Helden vorausdeutet. Doch nachträglich hat May diese Motive offenbar bewußt durchdacht, so daß er im ›Silbernen Löwen‹ ihre Ausgangslagen wiederholt: auch hier ist es eine Frau, die den Kranken pflegt, doch ohne daß sie ermordet wird - Schakara -, auch hier ist in einer Gemeinschaft ein Lehrer und ›Meister‹ tätig, der ebenfalls am Leben bleibt - der Ustad -, und auch hier steht eine Art Pueblo - der cyklopische Bau mit den nach oben schmäler werdenden Stockwerken (III, 503) -, wobei nun allerdings der Held sich durch alle Höhen und Tiefen dieses Etagenbaues hindurchbewegen und hindurchträumen darf und der Umgang mit diesem Gebäude bis hin zu dem Erlebnis seines Einsturzes ein allegorienreiches Geschehen darstellt, das über das schlichte ›Oben und Unten‹ weit hinausweist. Wer sich einmal die offenen Probleme des Rio-Pecos-Tales klarmacht, dieses Ortes der Einschließung und des Aufbruchs, und sich vor Augen hält, wie ›trivial‹ May da noch gearbeitet hat, wird sich mit Vergnügen in den ›Silbernen Löwen‹ und seine Symbole einlesen. Soviel zu ›Winnetou I‹!


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   Apropos Symbole! Auch das Verhalten des Helden zu seinem Rappen fügt sich in den Gedanken der ›Entwicklung‹. Kommen wir dazu auf die Berührung mit der scharfen Nachtluft zurück. Die Bedenken des Helden vor dieser scharfen Nachtluft sind ein Aspekt der Freiheit, die er seinem Pferd gewährt; der Wunderritt ist auch ein Ritt an der Grenze des körperlich Aushaltbaren, ein Auskosten der Extreme. Eine beachtenswerte Parallelstelle findet sich einige Jahre früher bei Theodor Fontane. Effi Briest, die auf den letzten Seiten von Fontanes Roman sich von »Nachtluft« und »Nebel« eine letale Erkältung geholt hat,10 setzt sich vor ihrem Tode »an das offene Fenster, um noch einmal die kühle Nachtluft einzusaugen. (...) Ein Gefühl der Befreiung überkam sie.«11 Kühle und Reinheit der Natur aufsuchen zu können ist ein Stück Freiheit, auch wenn fatale Folgen zu erwarten sind. Einige Jahre nach May wird Thomas Mann, im ›Schnee‹-Kapitel seines ›Zauberberges‹, seinem Helden Hans Castorp die »begeisternde Berührung mit der tödlichen Natur«12 verschaffen. Übrigens wird der Arzt, der Hans diesen Weg in Kälte und Freiheit verbieten will, einmal als »Schattenfürst« tituliert, und die hohen Schneewände am Wegrand werden »alabasterne« Flächen genannt13 - Vokabeln, die schon in Mays ›Silbernem Löwen‹ bedeutungsschwer auftreten und offenbar damals zum Bildungsgut gehörten.14 Bei May haben diese Ausdrücke freilich noch nicht den genialen ironischen Unterton eines Thomas Mann. Syrrs Berührung mit der scharfen Nachtluft macht uns auch klar, daß die gegensätzlichen Stimmungen am Anfang und am Ende des Romans sich spurenhaft im Verlauf der Handlung wiederfinden. Bleibt doch das Thema Sterben fast bis zum Ende gegenwärtig, denn weder der Held noch sein Hadschi Halef erleben eine völlige Gesundung, und zugleich ist die am Leben orientierte Schakara eine der ersten Personen, die der Held im Tal kennenlernt.

   Achten wir nun auf den Helden und seine Entwicklung. Diese geschieht vor allem durch die Mitteilungen und die Anregungen, die er von außen erhält. Er ist lange ans Krankenlager gefesselt, kann auch danach nur in die Nähe und nur für kurze Zeit reiten, und so bekommt er immer wieder von anderen gesagt, wie die Welt eigentlich aussieht. Dieses Eingeschränktsein des Helden im ›Silbernen Löwen‹ - der Held des ›Winnetou‹-Romans ist da, bei allem Kranksein, ganz anders - hängt natürlich damit zusammen, daß May im ›Silbernen Löwen‹ auch seine aktuelle Lebensphase abbildet, sein Tasten als Mensch und Schriftsteller in den Jahren nach seiner Orientreise; Hans Wollschläger und Ulrich Schmid haben dies im Detail gezeigt.15 Schon vorher hatte Arno Schmidt in seinem berühmten Essay ›Abu Kital‹ den Roman »eine Auto- und Psychobiographie einziger Art« genannt.16 Die Krankheit des Helden bedeutet auch die Schaffenskrise Karl Mays, und wenn wir dies ganz ernst nehmen, ist der ›Silberne Löwe‹ sogar der Roman einer Romanentstehung.17 Einmal schreibt sogar May seinem Verleger Fehsenfeld (18. 7. 1903), der lange auf einen Manuskriptteil warten mußte: Er konnte nicht eher kommen, weil sein Inhalt mit den Ereignissen läuft.18 So


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fehlt von vornherein in diesem Roman nicht nur der gesunde Held, sondern auch der allwissende Erzähler. Mays Hauptperson ist unvollkommen.

   Dabei greift May zu einem besonderen poetischen Verfahren. Die Unvollkommenheit von Held und Erzähler macht May dadurch sichtbar, daß er das eigentliche Geschehen mit einer Vielzahl von virtuellen Welten und anderen Gedankenkomplexen durchbricht. Solche Virtualitäten sind die Traum-Episoden, etwa wenn Halef seinen ›Maden-Traum‹ erzählt (III, 486-91) oder der Held seinen ›Großen Traum‹19 (IV, 314-52) durchlebt; sie entstehen auch, wenn der Held sich seine Palästina-Reise ins Gedächtnis zurückruft (... war es mir, als ob ich im Gelobten Lande sei ...; III, 274) oder plötzlich eine Episode über einen Tierquäler in der Heimat berichtet (Er hatte von Nachmittag bis Mitternacht in der Kneipe beim Kartenspiele gesessen ... Draußen aber stand sein Pferd angebunden, nicht zugedeckt ...; IV, 470). An anderer Stelle, nach einem aggressiven Dialog mit dem persischen ›Henker‹, läßt sich May ein bürgerliches Tableau einfallen (Eine musikalische Familie ... Es soll ein Quartett gegeben werden. ... Da sind die Vier. Sie nehmen Platz. Sie greifen nach den Instrumenten. Durch den Raum geht das Geräusch leise gerückter Stühle ...; III, 534); danach erklärt May, worauf er mit diesem Bild abzielt. Die schlimme Begegnung, die Kara Ben Halef und Tifl mit den Steuereintreibern erleben und bei deren Schilderung der Ich-Erzähler über 50 Seiten hinweg wie aus Übermut vorübergehend den allwissenden Er-Erzähler erprobt (III, 361-411), gehört hierher; ebenso sind die zahlreichen Sagen zu nennen, die von verschiedenen Personen vorgetragen werden.20 Achten wir auf die zitierten Kurzsätze der ›musikalischen Familie‹; ihnen stehen stilistisch die eingeschalteten Gedichtstrophen kontrastiv gegenüber. Man kann, eingedenk all dieser Einlagen, die oft in einer scharfen Schnitt-Technik präsentiert werden, von einem modernen Collageverfahren sprechen, von einem revueartigen Zusammenspiel unterschiedlicher Impressionen, Assoziationen und Stilelemente. Spontan wird bald das ganz Nahe, bald das Ferne oder Abgelegene in den Blick genommen.

   Wenn man Mays Collageverfahren im Kleinen erleben will, lese man etwa die genannte Tierquäler-Passage. Es handelt sich um einen Absatz von 43 Zeilen; nacheinander spricht May darin von dem Studium der Pferde (ein feierliches Wort!), knüpft daran die Einsicht, daß das Pferd auch einmal Etwas selbstwollen dürfen muß (welch anschaulich-heitere Formulierung!), erwähnt sodann seinen Freund Winnetou und beschreibt danach den Tierquäler. Diesen läßt er auch selbst reden, und zwar über die angebliche Seelenlosigkeit der Pferde, die ihn sein Pfarrer gelehrt habe, der es aus der Bibel wisse. Die letzte Person, die auftritt, ist der Abdecker oder Schinder, der das in der Nachtluft erkrankte Pferd liquidiert. (IV, 469f.) All dies in einem einzigen Absatz, der eingeschoben ist in dem Moment, als der Held still im Sattel das Wiehern des Rappen erwartet! ›Zu einem Roman gehören alle seine Seitensprünge‹, hat 20 Jahre später Paul Valéry gesagt.21


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Wenn übrigens in unserem Absatz May das elende Urteil des Pfarrers unwidersprochen im Raum stehen läßt, so zeigt sich hier wieder die Schnitt-Technik, und zwar in einer gewagten, rabiaten Form. Doch unbefriedigt als Leser brauchen wir nicht zu sein. Wir haben nur an den Anfang des Werkes zurückzublättern, wo Halef sagt, was hier fehlt. Er ruft nämlich aus, das dritte göttliche Gebot sei, »die Tiere und überhaupt alle Geschöpfe zu lieben, welche uns dienen sollen, weil Allah sie uns anvertraut hat« (III, 86).

   Mays Zusammensetzen von heterogenem Textmaterial wirkt, dicht aus der Nähe gesehen, oft kunstlos, ja planlos und kindlich, ist aber, im Ganzen betrachtet, große Dichtung. Ein Kritiker von Mays ›Silbernem Löwen‹, Wolfram Ellwanger, hat getadelt: »Karl May intellektualisiert, banalisiert, psychologisiert, und das Symbol mißrät.«22 Das ist die halbe Wahrheit. Sagen wir lieber: May montiert Gedanken und Visionen, er läßt sich absichtsvoll auf Brüchigkeiten ein, er verändert laufend die ästhetische Distanz. Schon 1909 hat Adolf Droop beiläufig von den »Natur- und Kunstformen« im ›Silbernen Löwen‹ gesprochen,23 und unlängst hat Jürgen Hahn festgestellt, dieser Roman unternehme »die Suche nach (...) der Wahrhaftigkeit des ›Wortes‹«.24 Vergleichbar ist die Collagetechnik des ›Silbernen Löwen‹ mit einem viel schlichteren Verfahren, das May in seinen Reiseerzählungen schon immer geübt hat, nämlich in das Erzählen fremde Sprachbrocken hineinzubringen und so durch eine Vielzahl von sprachlichen Brüchen und Schnitten bildlich die Exotik hervorzuzaubern.25

   Wie sehr diese Collagetechnik mit der Nicht-Allwissenheit des Erzählers korrespondiert, zeigt sich in der seltsam zögerlichen Dreischrittigkeit, mit der das ›Hohe Haus‹ definiert wird. (Am Rande: Der Hang zu definieren ist eine gelegentliche Tendenz in der Literatur der damaligen Jahrhundertwende.26) Denn mit folgenden Worten beschreibt der Erzähler bei einem Rundgang seinen Blick nach oben, wo sich das ›Alabasterzelt‹ erhebt:


Nun aber sah ich noch etwas bisher für mich vollständig Unbekanntes. Nämlich das eigentliche »hohe Haus«. Ich hatte bei dieser Bezeichnung stets nur an die Wohnung des Ustad gedacht. Jetzt glaubte ich, den vorhin beschriebenen Etagenbau so nennen zu müssen. Ich fragte Tifl, und er sagte mir, daß das wirkliche »hohe Haus« dort auf der höchsten Höhe stehe, daß man aber nebenbei diese Bezeichnung auch den beiden anderen Bauwerken gebe ... (III, 510)


›Ich hatte gedacht‹, ›jetzt glaubte ich‹, ›ich fragte‹: durch den Kopf des Helden gehen Bilder, Gedanken und erfragte Informationen, die erst nachträglich geordnet werden. Dabei zeigt sich erneut, daß, wie vorhin bemerkt, Mays Erzähler weniger ›erzählt‹ in einem naiven Sinne als vielmehr kommentiert und reflektiert und dabei letztlich experimentiert. Auf sehr moderne Weise durchbricht Mays Erzähler den gewöhnlichen Erzählfortgang.

   May, den wir für diese Gewagtheiten loben, hat freilich diese Einfügungen von virtuellen Welten als Hilfskonstruktionen angesehen. Nur als vorläufig sah er sein ›Experimentieren‹ an. Dieses Wort, das wir mehrmals benutzt


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haben, steht schon bei May, im Brief an Babette Kopp vom 11. März 1905: ... alle diese meine Erzählungen (sind) nichts weiter ... als nur Experimente, Proben und Versuche, das Richtige zu treffen.27 Wie provisorisch May sein Experimentieren sieht, zeigt sich im Schluß des Romans, denn dieser Schluß - zu einer Zeit, da das Ziel der Entwicklung erreicht ist - räumt die virtuellen Welten beiseite; sagt doch da Schakara, sie habe »den Berg gefunden, den (sie) suchte«, nämlich ›in der Wirklichkeit gefunden‹. Der Berg ist der Ort der Einmauerung und der dann erfolgten Befreiung, von dem man bisher nur durch Sagen wußte. Wir werden den Schluß noch besprechen.

   Zu dieser Entwicklung des Helden gehört auch sein Aufdistanzgehen zu Pekala, der redseligen Frau aus der Küche. Hierzu einige Bemerkungen. Die Forscher sind sich bisher einig gewesen, als das reale Vorbild für diese Figur Mays erste Ehefrau Emma zu sehen,28 was per Analogieschluß naheliegt, da May in seiner Autobiographie für Schakara das Vorbild Klara, seine zweite Ehefrau, genannt hat.29 Doch Pekala, die dicke Köchin (IV, 228), wie May sagt, mit der fette(n) Stimme (III, 347) ähnelt schon äußerlich eher Marie Hannes, dem jungen Mädchen aus Wernigerode, jener May-Verehrerin, über die wir seit kurzem sehr gut informiert sind.30 Marie hatte ein dickliches Gesicht - man sehe sich das Frontispiz in der Hannes-Monographie von Steinmetz/Sudhoff an! Gerade während May am ›Silbernen Löwen‹ schreibt, exakt Anfang 1903, vollzieht May den Bruch mit Marie. Er beanstandet an ihr, der Möchtegern-Dichterin, eine Geschmacklosigkeit, nämlich daß sie über eine Kur- und Leidensanstalt, das Gögginger Sanatorium für Körperbehinderte, »lustige Gedichte« geschrieben habe,31 und genauso wird Pekala im Buch vorgeworfen, sie liebe es, voller Rührung vom Sterben und vom Grabe und vom Unfall ihres hinkenden Kameraden zu erzählen. Ein Zuhörer darf Pekalas Schwafeln so kommentieren: »Es kommen so schöne Stellen vor, auch Gedichte.« (IV, 227) Ferner wirft May Marie vor, sie wolle mit »Onkel Karl« dicke thun,32 das heißt durch eine Publikation über ihre Begegnungen mit May sich selbst ›lobpreisen‹,33 und ähnlich hört man über Pekala, sie wolle, indem sie »Klatsch« über den Ustad verbreite, zu den gefeierten und berühmten Leuten zählen, die »auf dem herrlichsten Kamele« Einzug halten (IV, 226). ›Pekala‹ heißt ›die Köstliche‹, lesen wir (III, 356), und in dem Brief an Klara von Ende Januar 1903, der großen Abrechnung mit Marie, schreibt May ihr ironisch ein köstliches Wesen zu.34 Auch die Vorwürfe im ›Silbernen Löwen‹ gegenüber Pekala, sie lüge und habe etwas Gespenstisches an sich (IV, 226, 247), finden sich in dieser brieflichen Abrechnung,35 und selbst das entscheidende Wort des Helden über Pekala: Diese Null war hohl; hierüber gab es keinen Zweifel (IV, 202), steht schon hier: Sie [d. i. Marie] hat genippt. Fragst Du aber nach einem vollen Wissen ..., so ist es eine Null, die Du findest.36 - Dies also unsere biographische Spurenaufdeckung. Daß Marie Hannes eine ähnliche, zu Selbstüberschätzung und Schauspielerei neigende Seelenlage wie Karl May besaß und sie, als Frau


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und als Behinderte, es schwerer hatte als er, das Leben zu meistern, steht auf einem anderen Blatt.

   Interessant ist, daß May dieser Pekala einen Mann an die Seite gibt, der ihr ergeben ist - Tifl, nach einer bekannten Deutung ›das Kind May‹, eine der »Selbstdarstellungen Mays«37 -, ja daß der Held Kara Ben Nemsi selbst erst durch die Mithilfe guter Beobachter Pekalas Wesen erkennt, während in der Wirklichkeit May ganz aus freien Stücken und eher gegen das Votum von Klara seine Verehrerin von sich stieß. Diese also bewußt auf Langsamkeit angelegte Loslösung des Helden von Pekala zeigt, wie wichtig May das Schema des Entwicklungsromans für seine Konzeption des ›Silbernen Löwen‹ war. Die Evolution des Helden hin zu Schakara und vor allem zu dem harmonievollen Gespräch am Schluß ist ein langwieriger Prozeß.



3


Fassen wir bis jetzt zusammen: Karl Mays ›Silberner Löwe‹ ist ein Entwicklungsroman mit realistischem Gepräge und ist insoweit ein Vertreter der Erzählkultur des 19. Jahrhunderts. Zugleich hat er moderne experimentelle Züge: dadurch, daß er - erstens - eine Vielzahl von Abenteuerliteratur-Fragmenten zu ungewohnten Verbindungen zusammenfügt und - zweitens - durch seine Einschaltung von virtuellen Welten, langen Nebengedanken und definitorischen Zusätzen, die den Erzählvorgang hin zur Collage zerstückeln. Diese Beobachtungen haben wir gemacht, indem wir zuerst die Rolle der Tiere und dann die der Menschen, der Romanfiguren, zu deuten versucht haben. Nun wenden wir uns noch kurz einem dritten Bereich aus der Welt dieses Romanes zu, nämlich seinen Gebäuden und Örtlichkeiten. In der allgegenwärtigen Raum-Poetik des ›Silbernen Löwen‹, also in dem Umstand, daß er in einem abgeschlossenen Tal spielt, wiederholt sich die besprochene Nicht-Allwissenheit des Erzählers. Erst mit einigen Einblendungen, wie der über das Heilige Land, aber auch der Teheran-Erinnerung Pekalas oder der Vorgeschichte des Pferdes Syrr, das vom Schah kommt, also erst mit solchen scharf abgezirkelten Ausbrüchen gerät der Blick über das Dschamikun-Tal hinaus, so daß also der Handlungsort Dschamikun-Tal als eine vom Erzähler gewollte Beschränkung erscheint.

   Sein erzählerisches Projekt des engen Schauplatzes gibt May offen bekannt, indem er ein altes Sujet umformt und räumlich-geometrisch neu darstellt: das Sujet der erfolgreichen Verbrecherjagd. Diese Jagd, die sonst bei May geradeaus über viele Meilen führt, erscheint hier als Wettrennen (III, 576), als organisierte Veranstaltung auf den Runden einer Rennbahn (IV, 585). Zwar ist der Auftritt, wie erwähnt, mehr als ein Gewinnspiel, aber es ist das Zeichen einer respektablen Selbstironie, wenn May, dessen Helden seit jeher ›um die Wette reiten‹, hier buchstäblich eine Wette konstruiert.


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   In der Enge des Tales steht auch, um nun auf die Gebäude zu sprechen zu kommen, das am Ende zusammenfallende Gotteshaus, genauer: der Riesen-Etagenbau, der ein Konglomerat von Gotteshäusern in sich vereint, und in Sichtweite dieses uralten Baus hat der Ustad sein Gemeinwesen angelegt. Die Siedlung ist demnach auf heiligem Boden gegründet. Dieses Motiv des ›heiligen Bodens‹ findet sich öfters in der Abenteuerliteratur; am bekanntesten ist die ›Insel Felsenburg‹ von Johann Gottfried Schnabel, wo die Europaflüchtigen auf ihrer Insel eines Tages die Reste von alten Tempeln entdecken und ehrfurchtsvoll ihre Vorgeschichte zu erforschen beginnen.38 Die Erforschung des alten Hauses findet auch im ›Silbernen Löwen‹ statt. Über die Symbolik dieses Gebäudes und anderer Bauten hat Hans Wollschläger viel gesagt; nach ihm wirken bei May zahlreiche unbewußte und halbbewußte Erinnerungen aus verschiedenen Lebensphasen zusammen, die sich mit Mays mythischem Grundgefühl verbinden.39 Aus unserer Sicht ist festzuhalten, daß das Gebäude mit seinem ›heiligen Boden‹ ein Zitat aus der Abenteuerliteratur ist; ein Zitat, mit dem May wiederum experimentiert und dabei so eigenwillig ist, daß er es am Ende durch den Einsturz wieder verschwinden läßt. Auch sonst fügt sich der Gebäude-Reigen des ›Silbernen Löwen‹ unseren bisher beobachteten Charakteristiken dieses Romans ein. Man erkennt dies sofort hinsichtlich der Züge des Entwicklungsromans, denn am Ende spielt das zerfallende Gebäude die entscheidende Rolle für die neue Sicht der Personen, und man stellt auch schnell fest, wie Mays realistisches Erzählen an die Gebäude gebunden ist. Wir lesen etwa von den rieselnden Mauerstücken, die in dem Großbau ›prasseln‹ und ›bröckeln‹ (IV, 606), und schließlich von dem Ansturm der Lawine in freier, durchsichtiger Morgenluft (IV, 615), dem Resultat sozusagen der ›scharfen Nachtluft‹.

Die Dynamik des ›Silbernen Löwen‹ lebt auch aus der Gegenwärtigkeit des Stofflichen. May verkündet hier eine archaische, vorplatonische oder, wenn man so will, heidnische, goethesche Universalität. In ›Ardistan und Dschinnistan‹ wird Mays Erzähler ausrufen, daß auch der scheinbar tote Stoff, die vielverkannte Materie noch Kraft, noch Leben und Seele hat.40

   Beobachten wir weiter das Gebäude-Motiv. Zwischen die beiden wichtigsten Bauten des Romans, also das Groß-Gotteshaus einerseits und das weiße Alabasterzelt andererseits, zwischen das Gewirr des Konkreten und die abstrakt-helle Klarheit, hat May einen weiteren Bau eingeschoben, der sich noch in der Planung der Dschamikun und somit erst auf dem Reißbrett befindet. Es ist das sogenannte Kirchlein. Dieses Kirchlein, das dem mythischen Etagenbau ebenso fern ist wie dem idealen Zelt oder Dreieck, vertritt die reale Welt. Bemerkenswert ist wiederum, wie bei der Beschreibung des Kirchlein-Konzeptes (IV, 519-21) heterogene Betrachtungsweisen und sogar unterschiedliche Textsorten zusammentreffen. Der Erzähler bespricht graphische Entwürfe, also Zeichenblätter (links der Weg / rechts der Pfad / In der Mitte ...), zitiert Gedichtzeilen in kindlichem Gestus (»Kirchlein mein,


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Kirchlein klein ...«) und beschreibt dann Momente, in denen er, wie er sagt, rechnend, messend und kalkulierend die Graphiken prüft. Zusätzlich - wie unbekümmert ist May! - finden sich noch eine gartenarchitektonische Beschreibung und eine spezielle Zeichnung, in der zwei Häuser durch Aufschriften als Pfarrhaus und Schulhaus markiert sind. Wichtiger als ein vorhandenes Panorama ist jetzt ein auf Papier entworfenes und beschriftetes; in aller Freude am Kontrast treffen »Augenschau« und »Kontemplation« zusammen (um die beiden Stichworte aus Hartmut Vollmers Spätwerk-Analyse zu gebrauchen41). Im neuen Medium der Zeichnung wird angekündigt: Der ›heilige Boden‹ des ›Silberlöwen‹-Tales hat keine Endgültigkeit.

   Die Zeichnung mutet wie eine Ansichtskarte an, und ihre Erwähnung ist charakteristisch für Mays Alterswerk. Mit dem kontemplativen Blick auf die begrenzte, gleichsam herausgeschnittene Zeichnung und ihre Landschaftsformationen bereitet sich die bekannte Niagara-Episode vor; also die Szene in ›Winnetou IV‹, in der der Erzähler und seine Freunde den Niagarafall betrachten und an das Ausschnitthafte, das sich ihren Augen bietet, ihre historischen Betrachtungen knüpfen.42 Auch die Licht-Schau im Wilden Westen, der Wasserfall mit dem darauf projizierten Bildnis Winnetous, hat hier ihren Vorgänger.43 Im ›Silbernen Löwen‹ hat das Motiv dadurch eine überraschende Modernität, daß in einem medienübergreifenden Schritt auf der Zeichnung die Inschriften Pfarrhaus und Schulhaus erscheinen (IV, 521). Wieder wählt May das definitorische Vorgehen, und zwar in seiner durchsichtigsten und reinsten Form: Es wird definiert durch das geschriebene Wort, das an das zu Bezeichnende geheftet ist.

   Die Gebäude spielen also auch in der Collagetechnik und dem Bild des nicht-allwissenden Erzählers wesentlich mit. Die seltsame Dreischrittigkeit, mit der sich der Erzähler in seinem Nachfragen und Definieren dem ›Hohen Hause‹ nähert, haben wir bereits erörtert. Was die unkonventionellen Abenteuer-Elemente anbetrifft, so sind sie bei den Gebäuden und den Örtlichkeiten präsent. Halten wir uns vor Augen, daß den Helden bei seinem Besuch in den Räumen des Riesenbaues ein Rückfall in seine Krankheit bedroht (IV, 503), und denken wir vor allem an die Küche Pekalas mit dem daran angrenzenden Obstgarten. Hier erlebt der genesende Held seine erste Bewährungsprobe: Er will sich Pflaumen nehmen und wird dabei von dem Aufpasser Tifl gepackt (III, 351) und beinahe mit Schlägen traktiert.

   Wieder ein Abenteuer in ungewohnten Zusammenhängen! Doch dieses Abenteuer am Obstbaum und dieser Garten haben eine Pointe, die wir noch herausstellen wollen. Der Garten ist ein Abbild des Paradieses, worauf der Erzähler ausdrücklich hinweist. Er hat auch zuerst Scheu, hier zu essen - so wie Adam und Eva -, ist sich aber nach kurzem Nachdenken sicher, daß er als der willkommene Gast (III, 346) des Ustad zugreifen und seiner elementaren Lust folgen darf.44 Hier, in Mays orientalischem Garten, er-


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laubt der Herr alles, das Glück ist nicht versperrt, und so ist diese Gartenszene eine Vorausdeutung auf den Schluß des Werkes, wo hell und klar das Glück erscheinen wird. Berücksichtigen wir noch den erzählten Zwischenfall, nämlich das Auftauchen Tifls, der hinkt und die Gestalt eines Spinnentieres hat (III, 348) und der den Genuß im Garten verhindern will und doch nicht verhindern darf und dann sich vor Verlegenheit (III, 355) windet, so erkennen wir sogar: Die Gartenszene mit ihrer Gefahr, ihrem vorübergehenden Unheil und ihrem schließlich gebotenen Segen enthält im Kleinen den ganzen Roman.

   Dies gilt sogar in einem speziellen Sinne. Der Erzähler führt durch das unkonventionelle Abenteuer des essenden Helden den Sündenfall-Mythos ad absurdum. Dem Glück des suchenden Menschen steht letztlich kein Hindernis im Weg. Entsprechend stürzt am Ende der mythische Zyklopenbau zusammen, und die reine Statue kommt ans Licht.45 Einmal sagt der Erzähler, als ihm sein Gesprächspartner das Stichwort Psychologie liefert: »Ein Jeder löse sich selbst!« (IV, 523), und am Ende läßt er neben den Resten der Cyklopenmauer die fröhlichen Kinder umherschwirren (IV, 641). Er nennt die weiße befreite Statue eine Manifestation der frohlockenden Menschheitsseele (ebd.).

   Der ›Silberne Löwe‹ mit seinen kühnen wirren Abenteuer- und Collagebildern und seinem Diesseitsjubel am Schluß ist ein spannungsvolles Kunstwerk. Er entwickelt schon aus dem Formalen des Erzählten heraus seinen roten Faden und seine Vision, will sagen diese Lehre: Hinweg mit den alten Zwängen! Genauer: Statt konservativem Mythos nun Psychologie, die frei macht! May hatte dabei auch sich selbst als Schriftsteller im Auge. Halten wir fest: Wer so virtuos die lang gepflegten Abenteuerelemente umformt und umkonstruiert, wer statt des geradlinigen Erzählens so vielfältig montiert und Reflexionen zusammensetzt, der hat sich wirklich ›frei‹ geschrieben.



1 Band- und Seitenangaben dieser Art im Text und im Anmerkungsteil beziehen sich auf Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVIII: Im Reiche des silbernen Löwen III. Freiburg 1902, und ders.: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIX: Im Reiche des silbernen Löwen IV. Freiburg 1903.

2 Vgl. das Programm von Theodor Fontane, der 50 Jahre früher geschrieben hat: Der Realismus »umfängt das ganze reiche Leben, das Größte wie das Kleinste: den Kolumbus, der der Welt eine neue zum Geschenk machte, und das Wassertierchen, dessen Weltall der Tropfen ist (...)« (Theodor Fontane: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848. In: Sämtliche Werke. Aufsätze - Kritiken - Erinnerungen. 1. Bd. München 1969, S. 242).

3 Siehe Andreas Graf: Abenteuer und Sinnlichkeit. Ein Versuch. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1993. Husum 1993, S. 338-55.

4 Siehe Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts. In: Werke. Bd. II. München 1970, S. 642 (im 10. Kap.): »Die Liebe (...) ist eigentlich ein Poetenmantel«; ders.: Ezelin von Romano. In: Werke. Bd. I. München 1970, S. 618 (im 1. Auf-


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zug): »Sternenmantel«. Das Motiv geht wohl auf das Buch Elias im Alten Testament zurück.

5 Robert Mühlher: Der Poetenmantel. Wandlungen eines Sinnbildes bei Eichendorff. In: Eichendorff heute. Hrsg. von Paul Stöcklein. Darmstadt 1966, S. 181 - Mühlher spielt dabei auf eine Tagebuchnotiz Friedrich Hebbels an. Zu der Mayschen Passage siehe auch Hermann Wohlgschaft: Mays Droschkenparabel und das Enneagramm oder Die Gottesgeburt in der Seele des Menschen. In: Jb-KMG 1999. Husum 1999, S. 346f. und 359 (Anm. 214).

6 Wolfram Ellwanger hat diese Mitleidlosigkeit Schakaras kritisch herausgestellt. Vgl. Wolfram Ellwanger: Begegnung mit dem Symbol. Gedanken zu Karl Mays ›Im Reiche des silbernen Löwen IV‹. In: Karl Mays »Im Reiche des silbernen Löwen«. Hrsg. von Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer. Paderborn 1993, S. 180f.

7 Eichendorff: Taugenichts, wie Anm. 4, S. 565 und 647

8 Vgl. Gerhard Neumann: Karl Mays ›Winnetou‹ - ein Bildungsroman? In: Jb-KMG 1988. Husum 1988, S. 10-37.

9 So von A[dolf] Droop: Karl May. Eine Analyse seiner Reise-Erzählungen. Cöln-Weiden 1909; Reprint Bamberg 1993; Droop nennt die »Aehnlichkeit zwischen dem Tal der Dschamikun und dem der Dschesidi« (S. 40).

10 Theodor Fontane: Effi Briest. In: Werke, Schriften und Briefe. Abt. I: Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes. 4. Bd. München 1974, S. 292

11 Ebd., S. 294

12 Thomas Mann: Der Zauberberg. (Frankfurter Ausgabe) Frankfurt a. M. 1981, S. 666

13 Ebd., S. 663 und 658

14 May nennt das Alabasterzelt (III, 529 und passim) auch Alabastergestalt (IV, 630) und erklärt es so: ein nach vier Seiten offenes, weitgespanntes, weißes Leinwandzelt. ... Da sah ich freilich, daß es nicht Leinen, sondern, man denke, Alabaster war (III, 510f.) - Für den Geheimbund-Chef benutzt er die Bezeichnungen Aemir-i-Sillan und, auf deutsch, ›Fürst der Schatten‹ (IV, 130f.)

15 Hans Wollschläger (Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 118) erkennt in diesem Roman »eine detailreiche Bilderprojektion der Jahre 1900-03«. Vgl. Ulrich Schmid: Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 12. Ubstadt 1989, S. 202-16.

16 Arno Schmidt: Abu Kital - Vom neuen Großmystiker. In: Ders.: Dya Na Sore. Gespräche in einer Bibliothek. Karlsruhe 1958, S. 184

17 Vgl. Martin Lowsky: Der kranke Effendi. Über das Motiv der Krankheit in Karl Mays Werk. In: Jb-KMG 1980. Hamburg 1980, S. 78-96 (insbes. 93f.).

18 Zit. nach Roland Schmid: Nachwort (zu ›Im Reiche des silbernen Löwen III‹). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben. Bd. XXVIII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, N 12

19 Siehe hierzu Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie über Wesen, Werk & Wirkung Karl May's. Karlsruhe 1963, S. 290-95; Dieter Sudhoff: Karl Mays Großer Traum. Erneute Annäherung an den ›Silbernen Löwen‹. In: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 6, S. 300-42; Erstfassung in: Jb-KMG 1988. Husum 1988, S. 117-83.

20 Vgl. Christoph F. Lorenz: »Das ist der Baum El Dscharanil«. Gleichnisse, Märchen und Träume in Karl Mays ›Im Reiche des silbernen Löwen III und IV‹. In: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 6, S. 268-99; Erstfassung in: Jb-KMG 1984. Husum 1984, S. 139-66.

21 »(...) le roman se rapproche formellement du rêve; on peut les définir l'un et l'autre par la considération de cette curieuse propriété: que tous leurs écarts leur appartiennent.« (Paul Valéry: Hommage à Marcel Proust. In: Œuvres I. Paris 1957, S. 771 (Bibliothèque de la Pléiade; der Text stammt von 1923))


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22 Ellwanger, wie Anm. 6, S. 183

23 Droop, wie Anm. 9, S. 40

24 Jürgen Hahn: Sprache als Inhalt. Zur Phänomenologie des ›alabasternen Stiles‹ in Karl Mays Roman ›Im Reiche des silbernen Löwen‹. Ein Entwurf. In: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 6, S. 246

25 Dieses Spiel mit exotischen Wörtern nimmt May gelegentlich auch im ›Silbernen Löwen‹ auf; siehe etwa: IV, 275.

26 Vgl. hierzu Martin Lowsky: »Der Bahnhof ist der Ararat«. Abstraktion, Modernität und mathematischer Geist in Theodor Fontanes Erzählung ›Die Poggenpuhls‹. In: Theodor Fontane. Am Ende des Jahrhunderts. Bd. 3. Hrsg. im Auftrag des Theodor-Fontane-Archivs von Hanna Delf von Wolzogen in Zusammenarbeit mit Helmuth Nürnberger. Würzburg 2000 (im Druck)

27 »Meine liebe Frau Gevatterin ...«. Die Korrespondenz der Mays mit Babette Hohl-Kopp. Einführung und Kommentar von Ulrich Schmid. In: Jb-KMG 1997. Husum 1997, S. 40; das Datum des Briefes, längst nach Abschluß des ›Silbernen Löwen‹, zeigt, daß May auch diesen Roman mit gemeint hat. Ähnliche Formulierungen, doch ohne das Wort ›Experiment‹, gibt es im ›Silbernen Löwen‹ selbst (IV, 159), auf die vorangegangenen Werke bezogen.

28 Siehe etwa Wollschläger: Karl May, wie Anm. 15, S. 119.

29 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 212; Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul

30 Dank der Monographie: Leben im Schatten des Lichts. Marie Hannes und Karl May. Eine Dokumentation. Hrsg. von Hans-Dieter Steinmetz/Dieter Sudhoff. Bamberg/Radebeul 1997

31 Ebd. S. 198

32 Ebd. S. 214

33 Ebd. S. 212

34 Ebd. S. 216

35 Ebd. S. 216f.

36 Ebd. S. 219 - allerdings sagt May auch über Emma, sie sei geistig stets eine Null gewesen. Karl May: Frau Pollmer, eine psychologische Studie. Prozeß-Schriften Bd. 1. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 806 (S. 3 der Transkription).

37 Wollschläger: Karl May, wie Anm. 15, S. 122. Siehe auch: Ders.: Karl Mays Schatten-Roman. In: Karl May's Gesammelte Werke Bd. 29: Das versteinerte Gebet. Bamberg 1957. 146.-155. Tsd., S. 587: »Tifl, das ›Kind im Manne‹«.

38 Siehe Günter Dammann: Über J. G. Schnabel. Spurensuche, die Plots der Romane und die Arbeit am Sinn. In: Johann Gottfried Schnabel: Insel Felsenburg. Anhang. Frankfurt a. M. 1997, S. 7-272 (insbes. 176-86).

39 Vgl. Hans Wollschläger: Erste Annäherung an den ›Silbernen Löwen‹. Zur Symbolik und Entstehung. In: Jb-KMG 1979. Hamburg 1979, S. 99-136; auch in: Sudhoff/Vollmer, wie Anm. 6, S. 79-117.

40 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909, S. 332 - siehe auch die Passage in Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVI: Im Reiche des silbernen Löwen I. Freiburg 1898, S. 290, in der Halef über Glaube und Unglaube spricht und dabei Tiere, Pflanzen und Steine in einem Atemzug nennt.

41 Hartmut Vollmer: Die ›eigentliche Aufgabe‹ des Künstlers. Karl May und der Symbolismus. In: Jb-KMG 1992. Husum 1992, S. 231

42 Vgl. Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXIII: Winnetou IV. Freiburg 1910, S. 64-69.

43 Ebd., S. 614f.

44 Schmidt: Sitara, wie Anm. 19, S. 249, sieht das Gartenerlebnis als eine erotisch-sexuelle Allegorie.


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45 Wenn Hermann Wohlgschaft (Große Karl-May-Biographie. Leben und Werk. Paderborn 1994) in seiner tiefgründigen theologisch ausgerichteten Analyse des ›Silbernen Löwen‹ von »dem Streben zum Himmel und der Treue zur Erde« gleichermaßen spricht (S. 643), so möchte ich von vornherein, angesichts des unkonventionell realistischen Erzählens, den Akzent viel mehr auf die ›Treue zur Erde‹ legen.




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