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HELMUT SCHMIEDT


Das zweiunddreißigste Jahrbuch





   kehrt, nachdem das vorherige weitgehend einen monographischen Charakter besessen hat, zum sonst üblichen Procedere zurück. Allerdings setzt es in bestimmter Hinsicht einen neuen Akzent und begründet damit - möglicherweise - eine neue Tradition.

   Eine gute alte Tradition ist es dagegen, die Vorträge der jeweils vorausgegangenen Tagung der Karl-May-Gesellschaft zu dokumentieren. Die hier relevante fand im September 2001 in Luzern statt, erstmals also in der Schweiz; es war nach der Veranstaltung in Wien (1987) die zweite, die außerhalb Deutschlands abgehalten wurde und damit den internationalen Charakter der Karl-May-Gesellschaft hervorhob. Die Liste der Vortragenden enthielt bekannte und unbekannte Namen, das Themenspektrum war weit gespannt. Allerdings kristallisierte sich ein im Hinblick auf Mays mehrtägigen Aufenthalt in der Nähe der Tagungsstätte (Herbst 1901) angemessener Schwerpunkt heraus: Leben und Werk des Autors in seinen späten Jahren. Unter diesem Stichwort wäre in erster Linie Walther Ilmers ›Zwielicht‹-Rede zu registrieren, die Widersprüche zwischen Mays literarisch formulierten Idealen und seinem persönlichen Verhalten hervorhebt. Silvia Zahner - eine Schweizerin, die mit einer Arbeit über Karl May promoviert wurde - bietet eine erzähltheoretische Analyse zu ›Und Friede auf Erden‹, jenem Roman, dessen Erstfassung May auf der Luzern benachbarten Rigi abgeschlossen hatte, und Wolfgang Braungart analysiert Mays späte Gedichte als Zeugnisse der einst weit verbreiteten Erbauungslyrik. Völlig anderen Fragen gehen die beiden übrigen Vorträge nach: Ulf Abraham folgt den vielfältigen Spuren des Lehrers Karl May in seinen Abenteuerromanen, und Rolf-Bernhard Essig beleuchtet die Sprichwörter und Redensarten, die May in seine Werke einfließen ließ.

   Unabhängig von der Luzerner Tagung entstanden - neben dem Literaturbericht (Helmut Schmiedt) und dem Bericht über die Arbeit der Karl-May-Gesellschaft (Joachim Biermann) - vier weitere Beiträge dieses Jahrbuchs, die ebenfalls in die unterschiedlichsten Richtungen führen. Jürgen Seul fasst den derzeitigen Erkenntnisstand zu den zahllosen, selbst für Kenner kaum mehr überschaubaren juristischen Auseinandersetzungen zusammen, in die May verstrickt war. Hans Hintz nimmt in einer besonders umfangreichen Abhandlung ein Motiv unter die Lupe, das mit großer Konstanz in Mays Romanen und Erzählungen wiederkehrt: das Motiv des Zweikampfs. Den aktuellen literaturwissenschaftlichen Interessen im Bereich der Gender-Forschung trägt Gudrun Keindorfs Untersuchung zum geschlechtsspezifischen Rollenverständnis im Spätwerk Rechnung. Hans-


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Rüdiger Schwab schließlich folgt mit bisher nie erreichter Genauigkeit den Spuren von Mays Umgang mit Friedrich Nietzsche.

   Das eingangs erwähnte grundsätzliche Novum dieses Jahrbuchs besteht in der erstmaligen Vorlage eines Medienberichts (Peter Krauskopf). Es ist ja unübersehbar: Viele derjenigen, die mit dem Namen Karl May etwas Genaueres verbinden, tun dies mittlerweile nicht mehr aufgrund der Lektüre seiner Bücher; sie denken eher an die im Fernsehen immer wieder ausgestrahlten Filme mit Pierre Brice und Lex Barker, an Freilicht-Inszenierungen in Bad Segeberg, Elspe, Rathen und einem Dutzend anderer Orte, an eine Hörspiel-Version des ›Winnetou‹, die von prominenten Vertretern der Unterhaltungssparte Comedy präsentiert wird, und an den Film ›Der Schuh des Manitu‹ aus dem Jahr 2001, der völlig unerwartet zu einem der größten deutschen Kinoerfolge aller Zeiten avancierte. Manch ein May-Leser alter Schule mag diesen Trend beklagen und darauf hinweisen, wie wenig solche Phänomene letztlich noch mit Mays Werk zu tun hätten, wie sehr es damit en passant entwertet und trivialisiert werde und dass es sich bei vielen dieser Produkte um nichts als läppische Spektakel der modernen Mediengesellschaft handle; andere - ganz sicher auch viele Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft - urteilen vermutlich milder oder sogar deutlich freundlicher. Aber was immer man von der Sache halten mag: Die machtvolle Entwicklung als solche, die Mays Namen zunehmend an andere Medien als das Buch knüpft, ist eben da und wird aller Wahrscheinlichkeit nach anhalten, und so hat sich - angeregt von Claus Roxin - der Gedanke ergeben, im Jahrbuch auch diesem Bereich eine mehr oder weniger regelmäßige Bestandsaufnahme zu widmen.

   Der erste der folgenden Beiträge ist indes völlig anderer Art als die bisher erwähnten: Er erinnert an den verstorbenen Hansotto Hatzig, einen Pionier der May-Forschung: langjähriges Vorstandsmitglied der KMG, langjähriger Redakteur der ›Mitteilungen‹ - als solcher erste Kontaktperson und erster Förderer vieler unserer Autoren - und aufgrund dieser und vieler weiterer Verdienste Ehrenmitglied unserer Gesellschaft.




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