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DIETER STALDER / REGULA JUCKER


Der Komponist Othmar Schoeck
und seine Jugendoper ›Der Schatz im Silbersee‹





S c h o e c k s › D e r S c h a t z i m S i l b e r s e e ‹ -e i n e H o m m a g e a n K a r l M a y


Othmar Schoeck wurde am 1. September 1886 in Brunnen am Vierwaldstättersee geboren. Er studierte Musik am Zürcher Konservatorium und in Leipzig bei Max Reger. In Zürich leitete er mehrere Chöre und von 1917 bis 1944 die Sinfoniekonzerte in St. Gallen. 1928 erhielt er den Dr. honoris causa in Zürich. Daselbst starb er 1957, betrauert in der Musikwelt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schweizer Komponisten, insbesondere wegen seines Lied- und Opernschaffens.

Sein Vater, der ebenso schön sang wie er Landschaften malte, besaß eines der stolzesten Hotels am Vierwaldstättersee. Nachdem die Brüder Schoeck, Othmar, Walter und Ralph, bereits 1897 bei einer Heimaufführung zum 70. Geburtstag der Großmutter Nanette Fassbind in Humperdincks Oper ›Die sieben Geißlein‹ mitgewirkt hatten, nahmen sie selber eine Oper nach Karl Mays ›Der Schatz im Silbersee‹1 in Angriff. Walter lieferte das Libretto, Ralph besorgte die Kulissen, die Bühnenmaschinerie, und Othmar komponierte die Musik. Das Honorar betrug 20 Franken, welches die Großmutter bezahlte, weil das Werk fertig gestellt wurde.

Bis heute ist allerdings nicht ganz klar, w a s eigentlich, und w a n n es fertig gestellt wurde. In der Fachliteratur über Othmar Schoeck2 finden sich Hinweise, die teilweise Klarheit schaffen. Zur ersten Frage: Was ist überhaupt noch von dieser ›Karl-May-Oper‹ vorhanden? In der Zentralbibliothek in Zürich befinden sich zwei unterschiedlich umfangreiche Manuskriptstapel. Einer davon (im Folgenden Ms 1 genannt) umfasst 6 Seiten und enthält zwei sauber beschriebene Notenblätter, die vom ersten von insgesamt drei Akten die unvollständige erste Nummer, ›Introduktion und Matrosenchor‹, enthalten. Notiert sind eine vollgriffige Klavierstimme und die Chorpartitur für Tenor, ersten und zweiten Bariton und Bass. Dazu gehören auf andersformatigem Papier, aber mit derselben Tinte geschrieben, vier Blätter mit dem gesamten Libretto des 1. Aktes (siehe das Faksimile, S.306-309).

Bei weitem umfangreicher präsentiert sich der andere Stapel Notenpapier, im selben Format (34 cm mal 25,5 cm) wie die zwei bereits erwähnten Notenmanuskriptblätter von Ms 1. Es sind 92 Blätter, einseitig beschrieben. Pro Seite sind zwischen 12 und 18 Notenliniensysteme gezogen. Auf diesen



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Blättern befinden sich nun alle drei Akte der Oper (im Folgenden Ms 2 genannt).

Streckenweise ist die Partitur praktisch vollständig ausgearbeitet, z. B. der Anfang des 1. Aktes. Ein Vergleich mit dem bereits erwähnten Fragment des Matrosenchors des 1. Aktes zeigt nun die folgende reichere Besetzung: Introduktion: Flöte, erste, zweite Violine, Cello und Klavier. Matrosenchor (»Hei das ist ein schönes Leben«): Tenor, erster, zweiter Bariton, Bass, dazu das Orchester, insgesamt 9 Partiturstimmen. Aber bereits auf Seite 2 fehlt der zu singende Text. Dank dem vollständigen Libretto von Ms 1 lässt er sich aber unschwer einsetzen. Bei der weiteren Durchsicht des Manuskripts fallen viele Stellen auf, wo offensichtlich ganze Notenpassagen, sogar ganze Chor- und/oder Orchesterteile fehlen. Der Klavierpart dagegen ist meistens vorhanden. Offensichtlich begann der junge Schoeck beim Umarbeiten der ursprünglichen bloßen Klavierpartitur (Ms 1) in die neue Chor- und Orchesterpartitur (Ms 2) mit der Klavierstimme.

Bevor wir uns dem vorliegenden Notenmaterial genauer zuwenden, kehren wir aber zur anfänglich gestellten Frage zurück, wann Schoeck und seine Brüder überhaupt an der Oper gearbeitet haben. Dabei beschränken wir uns auf die Musik und lassen das Libretto (Walter Schoeck) und das Bühnenbild (Ralph Schoeck) außer Acht. Gewiss hat die Aufführung von Engelbert Humperdincks ›Die sieben Geißlein‹ durch die Mitglieder der Familie Schoeck im ›Waldstätterhof‹, dem väterlichen Hotel, 1897 - damals war Othmar Schoeck elf Jahre alt3 - den Auslöser gegeben, selbst einmal ein Theaterstück mit Musik zu schreiben. 1900 mussten die Brüder das elterliche Hotel am Vierwaldstättersee verlassen. Die Eltern gaben sie in die Obhut der Großmutter Fassbind in Zürich, wo sie fortan die Schulen besuchen sollten. An Ostern 1901 trat Othmar in die so genannte Industrieschule (ein naturwissenschaftliches Gymnasium) ein und nicht wie vorgesehen ins klassisch humanistische Gymnasium, weil er bis zum Eintritt in dasselbe ein ganzes Jahr hätte warten müssen. Vermutlich in dieser Zeit entstand das 92-seitige Manuskript der Oper, deren Stoff Karl Mays ›Der Schatz im Silbersee‹ lieferte. Chris Walton4 beschreibt dies in seiner Schoeckbiographie so:


Sein frühestes Opernwagnis datiert ebenfalls aus der Zeit um die Jahrhundertwende: ›Am Silbersee‹ nach Karl May, ein Gemeinschaftsprojekt mit Walter und Ralph, wobei ersterer das Libretto schrieb und letzterer für Bühnenbildentwürfe und Technik zuständig war. Paul konnte sich nicht beteiligen, weil er um diese Zeit in Bern studierte. Als die Oper fertig war, belohnte Großmutter Fassbind ihre Schützlinge mit 20 Franken, zweifellos nicht ahnend, dass Othmar gelegentlich an der Musik gearbeitet hatte, um beim Nachsitzen die Zeit totzuschlagen, wenn er Mathematikaufgaben hätte machen sollen. Viele Jahre später erzählte Othmar genüßlich, wie seine Großmutter ihn für sein fleißiges Klavierüben lobte, als er



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Walter Schoeck (1885-1953) zu der Zeit, als er das ›Silbersee‹-Libretto verfasste (Porträt in Öl von Alfred Schoeck)



in Wirklichkeit mit dem Komponieren seiner Oper beschäftigt war; der Unterschied sei ihr eben nicht aufgefallen. ›Am Silbersee‹ weckte auch das Interesse des Münchner Schriftstellers Friedrich Huch (ein Vetter Ricarda Huchs), der sich im August 1901 auf einer Reise durch die Schweiz im Waldstätterhof aufhielt. Othmars Eltern, offenbar entzückt über die Aufmerksamkeit, die Huch ihrem Sohn zollte, ließen eine Kopie für ihn anfertigen und schickten sie ihm mit einigen Lenau Liedern, die Othmar geschrieben hatte. Der Ton der darauffolgenden Briefe Huchs an Schoeck läßt jedoch vermuten, dass sein Interesse eher mit dem blonden jugendlichen Komponisten selbst zu tun hatte als mit seiner Musik. Wie dem auch sei, sie sahen sich erst 1908 wieder.

Sowohl die ›Silbersee‹-Kopie als auch die Lieder sind seither verschollen.


Nachdem schon vor der Jahrhundertwende ›Indianertänze‹ aus der Feder des jungen Schoeck bekannt sind (deren Entstehung mit großer Sicherheit dem Einfluss Karl Mays zuzuschreiben ist), darf angenommen werden, dass ähnliche Vorstudien zur Oper ›Am Silbersee‹ noch zur Jugend-



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zeit am Vierwaldstättersee in Brunnen entstanden sind. Walter Schoecks Sohn Georg ist sogar der Ansicht, die Oper sei als Ganzes 1897/98 in Brunnen entstanden. In einem Brief (im Zusammenhang mit der Ausstellung ›Paul Schoeck und sein Brunner Tell‹, Januar 2005) an Regula Jucker begründet das Elisabeth Schoeck, die Gattin Georg Schoecks, folgendermaßen:


Die intensive Karl-May-Lektüre, die schließlich zu Othmar Schoecks erstem Opernversuch führte, hatte ihn und seine Brüder zunächst einmal zu einem Versuch in Indianerromantik inspiriert: Im Sommer 1897 durften die Knaben das Zelt, das der Vater auf seiner Mal- und Jagdexpedition in Kanada benützt hatte, eine unvergessliche Woche lang im Wald oberhalb von Brunnen aufstellen. In den folgenden Monaten verarbeiteten Ralph (Szenerie), Walter (Text) und Othmar die Eindrücke zu einer Oper mit dem Titel »Am Silbersee«. Dass der schreibgewandte Paul, der später neben dem schwyzerdeutschen »Tell« (seinem einzigen gedruckten Drama) eine Reihe von weiteren Stücken verfasste, weder das Libretto schrieb noch sich sonst an diesem kühnen Unternehmen beteiligte, kann wohl nur daran liegen, dass er zur Entstehungszeit des »Silbersees« nicht zuhause war. Der Älteste besuchte 1897/98 das Lerbergymnasium in Bern, bevor die Eltern alle Söhne ausser dem Jüngsten ans Pädagogium in Godesberg schickten. Der Sekundarschüler Othmar blieb 1898 als einziger in Brunnen, um dann 1900 zusammen mit allen Brüdern seine Schulbildung in Zürich fortzusetzen. Diese biographischen Voraussetzungen erlauben es, die Oper ziemlich genau zu datieren: nach der Abreise von Paul 1897, aber vor der Godesberger Zeit ab Herbst 1898. Die erhaltenen Bruchstücke bestätigen in graphologischer wie auch in orthographischer Hinsicht diesen Befund.


Nachdem von dieser, solchermaßen auf 1897/98 datierten, ›Oper‹ allerdings nur die erwähnten 6 Seiten (Ms 1) erhalten sind, bleibt es schlussendlich hypothetisch, ob damals wirklich ein vollständiges Opus oder nur einzelne Teile davon vorgelegen haben. Anderseits: Die Oper muss in irgendeiner Form, am wahrscheinlichsten als Klavierpartitur (Ms 1), zu Ende geführt worden sein, sonst hätte ja Großmutter Fassbind nicht zwanzig Franken an ihre Enkel ausbezahlt, als Belohnung dafür, dass sie das Werk »fertig gemacht hatten«.5 Das gewiss später angefertigte 92-seitige Manuskript enthält zwar die ganze Oper, ist aber so augenfällig unvollständig, dass man die Arbeit mit dem besten Willen nicht als »fertig« bezeichnen konnte! Aber was da im Rohbau vorhanden war, ist vielversprechend: Arien, Rezitative, Chöre, Tänze werden von berühmten Wildwestmännern (Old Firehand, Old Shatterhand), Indianern (Winnetou, der Große Wolf samt Kriegern und Squaws), Vagabunden, Banditen, Matrosen, Reisenden usw. gesungen und dargeboten. Auf der Bühne läuft immer etwas fürs Auge: ein versinkendes Schiff, der Selbstmordsprung des Bösewichts in den Abgrund hinab, ein Indianerlager mit tanzenden Indianerinnen. Nur die Indianerschlacht wird nicht auf die Bühne ge-



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bracht, sondern von Winnetou bloß geschildert ... Karl Mays Vorlage ›Der Schatz im Silbersee‹, ein in zahlreiche Erzählstränge aufgeteilter Roman, musste von Schoeck gewaltig vereinfacht und umgemodelt werden, ein Prozedere, das bei Opernfassungen eines literarischen Stoffes nicht unüblich ist. Da einige Arien, Rezitative, Chöre weitgehend ohne Text, aber immer mit einer Überschrift (z. B. ›Gebet des Old Shatterhand‹, Anfang 3. Akt) versehen sind, ließ sich der Inhalt der Oper in etwa rekonstruieren.

Was die musikalische Bearbeitung anbelangt, wurde im großen Ganzen am Notenmaterial nichts verändert oder hinzugefügt.6 Hingegen wurde die je vierstimmige Instrumental- und Chorpartitur auf eine Violine- und Klarinettenstimme (letztere verleiht dem Klang etwas mehr Opernhaftes) und auf eine Frauen- und eine Männerstimme reduziert. Somit ist ein kleines Ensemble in der Lage, den solchermaßen bearbeiteten Hauptteil der Oper in konzertanter Fassung mit geringstem szenischen Aufwand zur Aufführung zu bringen. Der Bearbeiter hat bewusst die Rolle des Winnetou der Frauenstimme zugeteilt, da er Winnetou nie als besonders markig männlich, eher feminin (war das Umschlagbild der Bamberger Ausgabe von ›Winnetou I‹ daran schuld?) oder geschlechtsneutral empfand.

Die ausgewählten Stücke bildeten entweder in sich schon eine Einheit oder mussten sorgfältig aus dem Zusammenhang herausgelöst und zu einer Einheit gerundet werden (ein Vorgang, der ja bei der Herausgabe der Karl-May-Werke im Karl-May-Verlag nicht ganz unbekannt war). Dabei mussten hin und wieder Schlüsse vereinfacht, in anderer Tonart angesetzt, Passagen gekürzt oder wiederholt werden, um in sich geschlossene Musikstücke zu erhalten. Selbstverständlich wurden dabei offensichtliche Schreibfehler verbessert. Hin und wieder ging die rhythmische Experimentierfreudigkeit mit dem jungen Komponisten durch. Hier drängte sich Vereinfachung oder rhythmische Vereinheitlichung auf. Die Tonart der Nummern wurde beibehalten. Schoecks Musik ist eingängig, fließt virtuos selbstverständlich dahin. Die Vorbilder aus der deutschen Opernliteratur (Richard Wagner) sind nicht zu überhören. Der spätere Meister verrät sich auf Schritt und Tritt. Schoeck hat sich übrigens nie der atonalen Musik zugewendet, die zur Zeit seines Todes in der musikalischen Fachwelt - nicht beim Publikum wohlgemerkt - den Ton angab.

Die Uraufführung der bearbeiteten konzertanten Fassung anlässlich des 17. Kongresses der Karl-May-Gesellschaft am 19. Oktober 2003 in Plauen und die seither erfolgten Aufführungen in Deutschland und der Schweiz (in Form eines literarisch-musikalischen Abends) haben den Beweis erbracht, dass die Faszination, welche die Verbindung der Werke eines großen Komponisten und eines großen Schriftstellers aufs Publikum ausübt, ebenfalls groß ist. Die Begeisterung für das dargebotene Werk



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und für das jugendlich frische Ensemble (mit Ausnahme des Bearbeiters und Pianisten, der 2004 den 60. Geburtstag feiern konnte) war überall enorm. Anlässlich der Aufführung in Luzern, die Elmar Elbs, der unermüdliche Leiter der ›Schweizer Karl-May-Freunde‹ (und neben Regula Jucker Mitinitiant der Schoeck/Karl-May-Wiedergeburt des ›Am Silbersee‹) Ende September 2004 organisiert hatte, befand sich unter den Zuhörern zu unser aller Genugtuung auch die Tochter des Komponisten, Gisela Schoeck. Ihre Freude an der ›jüngsten‹ und gleichzeitig wohl ältesten Schöpfung ihres vor bald fünfzig Jahren verstorbenen Vaters war außerordentlich.

Folgende Aufführungen haben bisher stattgefunden:

Plauen (19. 10. 2003) - Meilen, Zürich (24. 1. 2004) - Radebeul (27. 6. 2004) - Hohenstein-Ernstthal (29. 6. 2004) - Wiehe an der Saale (1. 7. 2004) - Berlin-Spandau (4. 7. 2004) - Schmiedrued, Aargau (25. 9. 2004) - Luzern (26. 9. 2004) - Liestal, Baselland (2. 11. 2004)


Versuchen wir, den Inhalt dieser Oper zu erschließen. Hier eine mögliche Rekonstruktion, basierend auf den Textfragmenten in der Partitur:

1. Akt: (Auf dem Deck eines Dampfschiffes, »Steamers«)

Die Matrosen singen ein Lied (Musik Nr. 1: Introduktion und Matrosenchor). Old Firehand steigt zu. Die Tramps (Vagabunden) belästigen einen jungen Indianer. Als sie auch noch Old Firehand ins Visier nehmen, wird ihr Anführer, Cornel, vom berühmten Westmann handgreiflich in die Schranken gewiesen. Nun schwören sie Rache. Mit Hilfe eines an Bord befindlichen Schwarzen stehlen sie dem reichen Ingenieur Hammer, der mit seiner Tochter Emma zum Silbersee hinauf will, um die Silberminen auszubeuten, sein Geld aus der Kajüte. Sodann bohren sie ein Loch in den Schiffsboden und machen sich mit dem Rettungsboot aus dem Staub. Bald beginnt ein heilloses Durcheinander auf dem Dampfer. Das Schiff sinkt! Ein Rettungsboot ist weg. Hammer entdeckt den Gelddiebstahl. Alles drängt in das verbliebene Rettungsboot (Musik Nr. 2: Der sinkende Raddampfer).

2. Akt: (Das Indianerlager des Großen Wolfs und seines Stammes)

Die Indianer führen einen Tanz auf (Musik Nr. 3: Introduktion und Indianerballett). Cornel erscheint. Er wird von Old Firehand, der den Ingenieur und dessen Tochter zum Silbersee führt, und den Matrosen verfolgt. Er verbündet sich mit dem Häuptling der Indianer, dem Großen Wolf, weil dieser den Westmann hasst. Er verrät ihm, dass Old Firehand zum Silbersee will. Dort oben könnten sie ihm doch auflauern und ihn samt seinen Begleitern gefangen nehmen. Dafür erhält Cornel die Erlaubnis, im Silbersee nach dem sagenhaften Schatz, dessen Plan er gestohlen hat, zu suchen. Er erzählt, natürlich um den Indianern Eindruck zu machen, was auf dem Dampfer passiert ist. Dann ziehen die Roten auf den Kriegspfad zum Silbersee hinauf (Musik Nr. 4: Indianerchor).



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Nach einem kurzen Intermezzo (Musik Nr. 5: Intermezzo) erscheinen Winnetou und Old Shatterhand. Sie sehen die Spuren des verlassenen Indianerlagers. Sie treffen eine Squaw (Indianerfrau), die ihnen schließlich verrät, dass der Große Wolf mit seinem Stamm und Cornel beim Silbersee auf die Weißen wartet, um sie gefangen zu nehmen oder zu töten (Musik Nr. 6: Winnetous Lied). Die beiden Freunde machen sich auf den Weg, die Bedrohten zu retten. Die Indianerin begleitet sie.

3. Akt: (In der Nähe des Silbersees, Wildnis, Felsen)

Winnetou und Old Shatterhand haben sich vorübergehend getrennt, Winnetou hat die Weißen aufgesucht. Old Shatterhand bittet Gott in einem Gebet um Beistand im Kampf mit den Feinden (Musik Nr. 7: Gebet des Old Shatterhand). Da kommt Winnetou und erzählt ihm, wie er die Weißen mit Old Firehand gefunden und mit ihnen zusammen in schrecklichem Kampf den Häuptling Großer Wolf und dessen Krieger besiegt und gefangen genommen habe. Der eigentliche Bösewicht aber, der allen so übel mitgespielt hatte, Cornel, sei entkommen (Musik Nr. 8: Winnetous Kampflied).

Plötzlich taucht dieser auf der Flucht auf einem Felsen auf. Er will sich aber nicht ergeben. Obwohl er große Angst vor dem Tod hat, stürzt er sich in den Abgrund. Old Shatterhand stellt fest, dass Gott wieder einmal gerecht gerichtet hat.

Nun treffen die Weißen mit Old Firehand, dem Ingenieur, den Matrosen und mit den gefangenen Indianern und deren Häuptling, dem Großen Wolf, ein. Winnetou hat das gestohlene Geld des Ingenieurs Hammer im Wald gefunden. Der Große Wolf bereut seine bösen Taten und ist bereit, Frieden zu schließen. Winnetou lässt die Gefangenen frei und dankt der Squaw, dass sie den Plan der Indianer vereitelt hat, weil sie ihn und Old Shatterhand gewarnt hat. Diese wünscht, dass Friede und Freundschaft zwischen den Menschen herrsche. Man schließt einen Freundschaftsbund, der allen lange dauernden Frieden bringen sollte. Und alle preisen Winnetou (Musik Nr. 9: Schlusschor).

Dieter Stalder



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Die diesem Jahrbuch beiliegende CD wurde aufgenommen im März 2004 im Harmonium-Museum Liestal (Baselland) Schweiz.


Inhalt und Track-Nummern der CD


ohne Text mit Text




1. Akt: 1. Introduktion und Matrosenchor
2. Der sinkende Raddampfer
1
2
10




2. Akt: 3. Introduktion und Indianerballett
4. Indianerchor
5. Intermezzo
6. Winnetous Lied
3
4
5
6
11




3. Akt: 7. Gebet des Old Shatterhand
8. Winnetous Kampflied
9. Schlusschor
7
8
9
12

Ausführende:


Dieter Stalder, Klavier, Bearbeitung und Inszenierung

(Sekundarlehrer, Lehr- und Konzertdiplom für Orgel bei Eduard Müller in Basel, Kantorenschule in Zürich, Besitzer des Harmonium-Museums in Liestal, Komponist: Chor-, Orgel-, Harmonium-, Klavierwerke im romantischen Stil)


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Claudia Schmidlin-Stalder, Sopran

(Dipl.-Logopädin am Kantonsspital Liestal, Gesangsstudium bei Heidi Wölnerhanssen in Basel)


Markus J. Frey, Bass-Bariton

(Studium der anthroposophischen Pädagogik in Dornach, Gesangsstudium bei Heidi Wölnerhanssen in Basel, Chorleiter, Dirigent)


Veronika Stalder, Violine

(Kunstpreisträgerin des Gymnasiums Liestal, Studentin der Jazzschule Luzern: Gesang, Violine)


Martin Schmidlin, Klarinette

(Biologiestudium an der Universität Basel, Dr. phil. II am Institut für Med. Mikrobiologie in Basel, Saxophonist)


Regula Jucker, Sprecherin

(Sekretärin und Personalberaterin in Zürich, Ausbildung in Sprechtechnik, Leitung diverser Theaterproduktionen)



1 Karl May: Der Schatz im Silbersee. Stuttgart 1894
2 Vgl. Hans Corrodi: Othmar Schoeck. Bild eines Schaffens. Frauenfeld 1956; Hans Joachim Moser: Othmar Schoeck. In: Ders.: Musikgeschichte in 100 Lebensbildern. Stuttgart 1958, S. 1006-1014; (Artikel) Othmar Schoeck. In: Riemann Musiklexikon. Hrsg. von Willibald Gurlitt. Mainz 1961, S. 623f.



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3 Daher rührt wohl die an sich reizvolle, aber kaum zutreffende Vermutung, Schoeck habe »bereits im Alter von elf Jahren« die Oper geschrieben (Christoph F. Lorenz: Die Barden des Hakawati - Musik um, für und an Karl May. In: Hartmut Kühne/Christoph F. Lorenz: Karl May und die Musik. Bamberg 1999, S. 444). Mit Recht darf jedoch vermutet werden, dass im elfjährigen Schoeck damals bereits der Plan zu einer eigenen Oper und sogar einzelne musikalische Ideen zu reifen begannen. Bekannt sind die ›Indianertänze‹. Seine Karl-May-Begeisterung bezog sich nicht nur auf den ›Schatz im Silbersee‹. Um die Jahrhundertwende hat er eine andere Oper, ›Der Ehri‹, nach der gleichnamigen Novelle in Band 11 der Gesammelten Reiseromane, ›Am Stillen Ocean‹, komponiert. Nur der Text (Paul Schoeck) und die Musik für die erste Szene sind vorhanden.
4 Chris Walton: Othmar Schoeck. Eine Biographie. Zürich 1994, S. 35f.
5 Georg Schoeck: Die Welt des jungen Othmar Schoeck. In: Schwyzer Hefte 35/1986. Hrsg. von der Kulturkommission des Kantons Schwyz. S. 36-40 (mit Abbildungen, unter anderem einem Bühnenbildentwurf zu ›Am Silbersee‹); über die Namensgebung der Schoeck'schen Karl-May-Oper herrschte nicht völlige Klarheit. Die zwei Notenblätter des sechsseitigen älteren Manuskripts tragen die Überschrift ›Am Silbersee‹. Über die zum selben Manuskript gehörenden vier Seiten Libretto schrieb dessen Verfasser (Walter Schoeck): ›Der Schatz im Silbersee / Grose [sic] Oper.‹
6 Die Partitur zur bearbeiteten Fassung kann von mir bezogen werden.

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W e r w a r O t h m a r S c h o e c k ( 1 8 8 6 - 1 9 5 7 ) ?
O d e r : D e r I n b e g r i f f e i n e s K a r l - M a y - L e s e r s


Othmar war der Jüngste der vier Schoeck-Buben, welchen die künstlerischen Begabungen des Vaters in die Wiege gelegt worden waren. Vater Alfred, der dem Jagen und Malen frönte, bereiste auf Alfred Brehms Rat hin die Lofoten und die Dobrudscha, später auch Neuschottland, um daselbst seinen Abenteuerdrang auszuleben, aber auch um herrliche Bilder zu malen. Diese Reisen - und auch das geerbte Vermögen - haben Vater Schoeck geprägt. So war er seinen Söhnen ein liebevoller und inspirierender Vater, dessen Alltag von der Freude am Malen, dem Erzählen von Abenteuergeschichten und der Musik dominiert wurde. Dass die Kinder eines solchen Vaters, die dazu noch das Glück hatten, oberhalb von Brunnen in einem großen, am bewaldeten Berghang gelegen Anwesen am Vierwaldstättersee aufzuwachsen, für Karl Mays Abenteuer mehr als anfällig waren, ist daher nicht verwunderlich! Auf der Müetetschi-Wiese oberhalb von Brunnen wurde ein Zelt aufgestellt, das der Papa von einer Reise aus Kanada mitgebracht hatte, in welchem die Buben ihr Indianerleben in vollen Zügen genießen konnten. Das väterliche Haus, das voller Jagdtrophäen und mit Papas herrlichen Bildern eine besondere Atmosphäre ausstrahlte, ließ der Entwicklung der Kinder freien Lauf. Othmar, dem Mathematik ein Gräuel war, spielte daher lieber Klavier und begann auch schon früh mit seinen ersten Kompositionsversuchen. 1 Mays ›Der Schatz im Silbersee‹ scheint die Schoeck-Brüder derart beeindruckt zu haben, dass sie sich dazu entschlossen, diese Geschichte in eine richtige Oper einzubinden. Walter, der um ein Jahr ältere Bruder, verfasste ein Libretto, Othmar komponierte dazu die Musik und Bruder Ralph war für Bühnenbild und Technik zuständig. Das ganze Werk, oder vielleicht auch nur Teile davon, 2 wurde in familiärem Rahmen in Brunnen 3 aufgeführt und von der Großmutter mit 20 Franken honoriert.

Weil die Eltern in Brunnen das Hotel Waldstätterhof betrieben, wurden die Söhne 1901 in die Obhut der Großmutter gegeben, um sie in Zürich die höheren Schulen absolvieren zu lassen. Für Othmar, der die mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung des Gymnasiums 4 besuchte, war dies eine Qual, der er auf Dauer nicht standhalten konnte. 1904 musste er die Schule verlassen, von welcher er - trotz allem - vom sprachlichen Unterricht, insbesondere auch vom Unterricht in der deutschen Literatur, viel profitiert hatte. 5 Schon damals begann er Gedichte zu vertonen: u. a. von Goethe, Busch und Fontane, war begeistert von Uhland, Eichendorff und Heine und hat später, bedingt durch seine Freundschaft mit Hermann Hesse, viele seiner Gedichte musikalisch gekleidet. 6 Dass sein Weg nur auf den Pfaden der Musik ins Berufsleben führen konnte, wurde immer offensichtlicher. Othmar wurde 1904 ins Konservatorium in Zürich aufgenommen. Er wurde auch durch den damals bekannten Dirigenten und Komponisten Carl



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Attenhofer geprüft, einen Urgroßonkel der Verfasserin. Dort förderte ihn vor allem sein Klavierlehrer Robert Freund, der ihm Gelegenheit bot, seine Freude am Komponieren auszuleben, und ihn diesbezüglich unterstützte. Dabei lernte er auch den Liederkomponisten Hugo Wolf kennen, der ihn stark beeindruckt und beeinflusst hat. In Stuttgart stellte Wolf Othmar dem Leipziger Universitätsmusikdirektor Max Reger vor, der von Othmars Arbeit begeistert war und ihn beschwor, sich unter seine Fittiche zu begeben. So kam Schoeck im April 1907 nach Leipzig, wo er seine wichtigste Ausbildungszeit absolvieren konnte.

Othmar Schoeck war ein sehr emotionaler Mensch, dessen teilweise depressive Befindlichkeit stark durch seine Frauenbeziehungen geprägt war, was sich auch in seinen Werken niederschlug - eine Parallele zu Karl May wäre aber rein zufällig ... Seine Karriere war von Höhen und Tiefen gezeichnet. Während solcher Lebenskrisen war Italien ein beliebtes Reiseziel, wobei er sich gedanklich von Eichendorffs ›Aus dem Leben eines Taugenichts‹ und Goethes ›Italienischer Reise‹ begleitet fühlte und deren Gedichte in musikalische Gewänder hüllte. Einige Jahre später erlebte er jeweils mit seinem Freund Hermann Hesse abwechslungsreiche Tage im Pomeranzenland. Dabei soll Schoeck einmal in der città alta von Bergamo in einer Kneipe auf einem uralten Klavier Opernmelodien von Rossini und Verdi gespielt haben. Als Hesse selbst in die Tasten griff, um auch etwas zum Besten zu geben, war er nicht im Stande, diesem Instrument entsprechende Töne zu entlocken. Hesse war es völlig unverständlich, wie Schoeck es fertig gebracht hatte, so schön auf diesem alten Klimperkasten zu spielen: »Es war eines der Beispiele für Schoecks suggestive Kraft: mochte er nun das kaputte Klavier behext haben oder die Zuhörer, jedenfalls war der Zauber gelungen.« 7 Ebenso genossen beide die Bergwanderungen nahe von Othmars Geburtsort, dem er ein Leben lang verbunden blieb. Die Liebe zur Natur war ihm stets Trost und Ansporn zugleich.

Seine Konzerte in der Schweiz, aber auch in Deutschland waren meist erfolgreich, trotzdem blieb ihm der finanzielle Erfolg versagt, da er zwar an allen berühmten Plätzen konzertierte, aber an keinem größeren Haus eine leitende Stelle innehatte, die ihm ein sicheres Einkommen garantiert hätte. Erst die Position als Dirigent des Symphonieorchesters des Konzertvereins St. Gallen (1917-1944) und die Leitung bekannter Chöre sicherten ihm regelmäßige Bezüge.

1925 heiratete Schoeck die deutsche Sängerin Hildegard Bartscher, mit welcher er sich trotz aller Liebe sehr oft stritt. Die Geburt der Tochter Gisela im Jahre 1932 machte Schoeck überglücklich, und es entstand dadurch der Kitt, der diese Ehe - trotz aller Schwierigkeiten - lebensfähig machte. Seine musikalischen Erfolge machten ihn über die Landesgrenzen hinaus bekannt. So war es ihm vergönnt, auch in Leipzig und Dresden die Früchte seiner Arbeit zu ernten. Im nationalsozialistischen Deutschland tätig zu sein war allerdings nicht unproblematisch, was Schoeck sehr beschäftigte. Einerseits



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war Deutschland als kulturelles Mutterland für seine Zukunft wichtig, da es eine entsprechende Verbreitung seiner Musik garantierte, andererseits erschreckte und verunsicherte ihn die politische Lage, die seiner deutschen Frau, welche nicht Dialekt sprach, in der Schweiz das Leben schwer machte. Am 2. März 1937 fand an der Staatsoper in Dresden die Uraufführung von Schoecks Oper ›Massimilla Doni‹ unter der Leitung von Karl Böhm statt. Nach der Premiere wurde Schoeck zu seiner großen Freude der Witwe von Karl May, Klara, vorgestellt. Diese lud ihn zum Tee in die Villa Shatterhand nach Radebeul ein, wo er unter anderen Gästen auch einer Schwester Hitlers begegnete, was ihn und seine Begleiter erschreckte. 8 Bei der Verleihung des Steinbach-Preises einen Monat später in Freiburg am 25. April wurde sogar explizit auf Schoecks deutsche Wurzeln - seine Vorfahren stammten aus der Pfalz - hingewiesen, was ihm unangenehm war. Er vermied es daher lieber, eine Rede zu halten, und bedankte sich, indem er auf die unverfängliche Sprache der Musik hinwies. Trotz seiner Zurückhaltung bescherte ihm dieses Ereignis in der Schweizer Presse einige Kritik. Nach dem Kriegsausbruch fiel Schoeck in eine starke Depression, die vor allem durch seinen Zwiespalt Deutschland gegenüber entstanden war. Diesen teil-



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te er mit vielen anderen, die sich in dieser Situation im Kleinstaat, dessen größter Landesteil dem deutschen Kulturgut verpflichtet war, unbehaglich, aber auch herausgefordert fühlten. 1940 verhalf er - nebst anderen Prominenten - seinem Bewunderer James Joyce, der sich damals im besetzten Frankreich aufgehalten hatte, zur Einreise in die Schweiz. Schoecks Frau Hilde hatte als Deutsche erst recht unter seiner Abneigung und Angst dem nördlichen Nachbarn gegenüber zu leiden, da er ihr vorwarf, keine gute Schweizerin geworden zu sein. Schoeck arbeitete zu jener Zeit an seiner Oper ›Schloss Dürande‹, welche er in Dresden zur Uraufführung bringen wollte, was aber von Böhm abgelehnt wurde, weshalb die Oper dann erst im Frühling 1943 in Berlin uraufgeführt werden konnte. Trotz aller Bedenken, während des Krieges nach Deutschland zu reisen, ließ Othmar Schoeck es sich nicht nehmen, bei der Premiere persönlich anwesend zu sein. Wiederum wurde in der deutschen Presse sein Deutschtum hervorgehoben, was ihn - trotz des Erfolges der Oper - beunruhigte. Hermann Göring, der die Aufführung ebenfalls besuchte, fand keinen Gefallen am Libretto des Schriftstellers Hermann Burte, obwohl dieser als Anhänger der NSDAP galt, weshalb weitere, geplante Aufführungen in Essen und Kassel ausblieben. Burtes Libretto stieß alsbald auch in der Presse auf Kritik. Hilde Schoeck konnte gleichwohl nicht verstehen, weshalb ihr Mann das tatsächlich mittelmäßige Libretto für seine Musik verwendet hatte. Überhaupt beklagte sie sich, dass er seit zehn Jahren keine gute Literatur mehr angefasst und sich nur auf Karl Mays Geschichten beschränkt habe. Sogar die Bücher seines Freundes Hesse würden ungelesen zurückbleiben. 9 Sein Neffe, Georg Schoeck, erinnert sich an eine Begebenheit aus dem Jahre 1934: Othmar Schoeck


fand den Weg zu irgendwelchen Jugenderinnerungen und landete beispielsweise beim Schatz im Silbersee, jener Knabenoper, zu der ihm mein Vater das Libretto geliefert hatte. Es traf sich, dass ich gerade Karl Mays Ölprinz las, der ihm nicht mehr in allen Einzelheiten gegenwärtig war. Wir vereinbarten, dass ich tagsüber im Buch las und es ihm jeweils am Abend aufs Nachttischchen legte, wo er es dann als Einschlaflektüre vorfand, wenn er zu spätester Stunde, den Kopf noch voll von musikalischen Motiven und dramatischen Verwicklungen, ins Bett sank. Am folgenden Tag machten wir uns gegenseitig in unseren Gesprächen auf Glanzstellen des Werkes aufmerksam - für mich ein unbeschreibliches Erlebnis, für ihn gewiss ein Zurücktauchen in die Atmosphäre der eigenen Knabenjahre. 10


1944 erlitt Schoeck eine Herzattacke, die ihn zwang bewusster mit seinen Kräften umzugehen. Vor allem seiner Frau gegenüber wurde er versöhnlicher und unterstützte sie nun in ihrer gesanglichen Karriere, indem er ihr endlich vorschlug, die von ihm komponierten Lieder - insbesondere nach Texten von Mörike - zu singen, und sie dabei auf dem Klavier begleitete. Zudem vertonte er weitere Werke von Hermann Hesse wie ›Sommernacht‹, 11 zu welchen ihn seine Tochter Gisela inspiriert hatte, die später auch die Klavierbegleitungen übernahm.



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Am 7. März 1957 starb Othmar Schoeck im Beisein von Frau und Tochter in Zürich. Sein musikalisches Werk ist umfangreich: Nebst 14 Opern (Penthesilea, Schloss Dürande, Venus etc., etc.) erschienen zahlreiche Orchesterwerke, Chor- und Klavierwerke, Kammermusik und ungezählte Lieder, die meisten davon Vertonungen bekannter Dichtergrößen der Vergangenheit und Gegenwart. 12 Hermann Hesse bemerkte 1931 dazu treffend:

»Er kann aber kein Kunstwerk in sich einlassen, ohne auf dessen wesentliche Qualitäten peinlich genau zu reagieren, er liest Verse oder sieht Bilder wie ein Jäger Wildspuren liest.« 13

Othmar Schoecks Leben war geprägt von Musik, Liebe zur Natur, Leidenschaft und diesen Tagträumen, die ihn, seit er im zarten Alter von 11 bis 15 Jahren sein erstes Opernwerk ›Der Schatz im Silbersee‹ komponiert hatte, nie mehr loslassen wollten.

Regula Jucker



1 Vgl. Chris Walton: Othmar Schoeck. Eine Biographie. Mainz 1994, S. 35.
2 Da ab Herbst 1898 die älteren Brüder Othmars, also auch Walter, der das Libretto verfasst hatte, das Pädagogium in Godesberg besuchten, muss ein Teil der Partitur und das Libretto von ›Am Silbersee‹ vorher entstanden sein. Elisabeth Schoeck (Walter Schoecks Schwiegertochter) mir gegenüber: »Die erhaltenen Bruchstücke bestätigen in graphologischer wie auch in orthographischer Hinsicht diesen Befund.«
3 Eine allfällige Aufführung im Familienkreis könnte auch bei der Großmutter in Zürich stattgefunden haben, Genaues ist dazu nicht dokumentiert. Im August 1901 wurde der Münchner Schriftsteller Friedrich Huch, der im ›Waldstätterhof‹ abgestiegen war, jedenfalls in Brunnen auf dieses Frühwerk aufmerksam.
4 Die damals Industrieschule genannt wurde und deren Absolventen nach der Matura vorwiegend an der ETH Zürich ihr Studium aufnahmen.
5 Vgl. Walton, wie Anm. 1, S. 35.
6 Vgl. Beat A. Föllmi: Praktisches Verzeichnis der Werke Othmar Schoecks. Hrsg. von der Othmar Schoeck Gesellschaft. Zürich 1997, S. 16.
7 Hermann Hesse: Erinnerungen an Othmar Schoeck. In: Ders.: Musik. Frankfurt a. M. 1976 u. ö., S. 63
8 Vgl. Walton, wie Anm. 1, S. 221.
9 Ebd., S. 247
10 Georg Schoeck: Othmar Schoeck zur Zeit der Massimilla in Brunnen. Brunnen 1986, S. 4
11 Vgl. Föllmi, wie Anm. 6, S. 31.
12 Ebd., S. 13-99
13 Hermann Hesse: Othmar Schoeck. In: Hesse, wie Anm. 7, S. 60



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