Walther Ilmer: Einführung zum Reprint "Die Felsenburg" Karl May

Die Felsenburg

1980

REPRINT DER KARL-MAY-GESELLSCHAFT UND DER BUCHHANDLUNG PUSTET, REGENSBURG

//3//

Einführung

von Walther Ilmer, Bonn

I. Die Verehrer Winnetous und Old Shatterhands im 19. Jahrhundert sind wohl selten so auf ihre Kosten gekommen und in Spannung gehalten worden wie im Zeitraum von Oktober 1893 bis Oktober 1896, als die Wochenzeitschrift "Deutscher Hausschatz in Wort und Bild" (DH) jene bemerkenswerte Trilogie abdruckte, die der mittlerweile in deutschen Landen weithin bekannte Schriftsteller Karl May aus einer Mischung harter Fakten und reicher Phantasie geschaffen hatte, um wieder einmal seine Leserschaft aufs beste zu unterhalten und für sich selbst ein neues Stück innerer Freiheit zu erringen: Gemeint sind die drei zusammenhängenden Reiseerzählungen "Die Felsenburg", "Krüger Bei", "Die Jagd auf den Millionendieb", die später in der Freiburger Buchausgabe (Fehsenfeld, 1897) den Sammeltitel "Satan und Ischariot (I, II, III)" erhielten(1). Der erste Teil, "Die Felsenburg", erschienen in den Nummern 1-52 des XX. Jahrgangs des "Deutschen Hausschatz" (DH 20), Oktober 1893 bis Oktober 1894, liegt hiermit als achter Band der 'Hausschatz-Reprint-Reihe' vor.

"Die Felsenburg" umfaßt die 550 Seiten des Buch-Bandes "Satan und Ischariot I" (Freiburg, dort bis zum 40. Tsd, Radebeuler Ausgabe seitengleich bis zum 83. Tsd., 1928) sowie die Seiten 1-200 des Buch-Bandes "Satan und Ischariot II" (Freiburg, dort bis zum 40. Tsd., Radebeuler Ausgabe seitengleich bis zum 80. Tsd., 1928). Von diesen insgesamt 750 Seiten Fehsenfeld-Text enthielt jede der 52 Nummern des DH 20 also etwa 14,5 Seiten.

Die Buchfassung weicht gegenüber dem DH-Text nur an wenigen Stellen, und jeweils geringfügig, ab: May hat einige sachliche und / oder redaktionelle Unstimmigkeiten beseitigt und eine der handelnden Personen - nicht ohne Grund - um zehn Jahre älter gemacht(2). Im übrigen wurde für die Buchausgabe nur die Kapiteleinteilung geändert(3): May verdoppelte die vier "Hausschatz"-Kapitel; die Buchseiten 1-550 in Band l umfassen 6 Kapitel, die Buchseiten 1-200 in Band II umfassen 2 Kapitel. Das 4. "Hausschatz"-Kapitel "Unter der Erde" erstreckt sich über 21 "Hausschatz"-Nummern, die 325 Seiten Buchtext ergeben; im Buch selbst umfaßt diese Überschrift immerhin noch 110 Seiten. Da die Handlung nur auf etwa 20 Druckseiten wirklich 'unter der Erde' spielt, ist die Überschrift nicht sehr glücklich gewählt.

Mit dieser boshaften Bemerkung erschöpft sich aber auch schon die Mäkelei. "Die Felsenburg" bietet ein so durchgehendes Lesevergnügen und ist von so gediegener Arbeit, daß einmal mehr Hochachtung am Platze ist vor Karl Mays quirligem Können und Leistungsvermögen.

Das 1891 entstandene Manuskript(4) hatte bei Beginn des Abdrucks im DH(5) keinerlei Patina angesetzt. Und von seinen sonstigen Meriten - wie auch von seinem schwergewichtigen autobiographischen Gehalt - abgesehen, vereint es zwei May-Charakteristika, die hier aufgrund vieljähriger Aufwärtsentwicklung der schriftstellerischen Talente Karl Mays ihre sozusagen krönende Ausprägung finden: (1) Mehr denn je zuvor strapaziert Karl May das (schon so oft bei ihm beobachtete) - scheinbare - 'Nichts an Handlung'(9) und verdeckt dieses 'Nichts' souverän durch seine suggestive Gestaltungskraft. (2) Das harmonische Bild des idealen Freundespaares Winnetou/Old Shatterhand hat im Rahmen der Reiseerzählungen hier seine Perfektion gefunden: es profitiert von den zunehmend vollkommeneren Zügen, die May ihm in den vorher fertiggestellten Jugenderzählungen "Der Sohn des Bärenjägers", "Der Geist des Llano estakado", "Der Schatz im Silbersee" sowie (ein Jahr später) in "Der Ölprinz" verlieh(10), nachdem "Old Firehand", "Deadly Dust", "Im wilden Westen Nordamerikas" (= "Winnetous Tod") insoweit nur Stückwerk geliefert hatten und ebenso wie "Der Scout" für die Buchausgabe Retuschen erforderten; erst mit "Winnetou I" und "Der Pedlar" reichte die Gestalt Winnetous dann an das inzwischen durch die Jugenderzählungen verbreitete und für May entscheidend wichtige Bild dieses besten aller Freunde heran. "Die Felsenburg" zeigt als erste der Reiseerzählungen Winnetou und Old Shatterhand als 'gestandenes' Freundespaar auf den Rücken der Wunderrappen Iltschi und Hatatitla unter der Aureole der Unfehlbarkeit edlen Menschentums.

II. Eine runde Handvoll unvergeßlicher Gestalten, die Karl May mit jeweils wenigen Strichen - und erschöpfend genug für den von ihm verfolgten Zweck - charakterisiert, kreuzen den Weg des Freundespaares:

Der gewissenlose Mormone Harry Melton, der sich nicht scheut, einen im Grund ganz legalen Auftrag (Landerwerb für die Mormonen-Sekte) zur schimpflichen persönlichen Bereicherung auszunutzen und seine Oberen in Mißkredit zu bringen, und der über alles Blendwerk des Teufels verfügt; die hoffärtig-verwerfliche Judith Silberstein und ihr gemütskranker herkulischer Anbeter: beider Deplaziertheit in der Wildnis und beider so unterschiedlich gespeister und unterschiedlich verwirklichter Wille zur Flucht vor der Bedrohung wird aufschreckend plastisch erfaßt; der 'tapfere' Juriskonsulto, der mit weißen Kissen wohl versehen zum Ritt gegen eine Schurken-Übermacht aufbricht und seiner hohlen Lächerlichkeit nie bewußt wird; seine Frau, die in ihrer ganzen komischen und zugleich die Grenzen der Komik bereits überschreitenden Unverschämtheit förmlich lebendig aus den Seiten springt; der Mimbrenjo-Häuptling Starker Büffel: grob, stolz, argwöhnisch, kampflustig - und besorgter Vater, dessen innerer Horizont durch harte Schlüsselerlebnisse erweitert wird (in seiner Art eine Rohform des Mir von Ardistan); seine beiden Söhne, deren mit Bescheidenheit gepaartes jung-männlich sicheres Handeln ihnen zur Ehre gereicht und in subtiler Weise den Ruhm Old Shatterhands mehrt(11); und der Yuma-Häuptling Listige Schlange, dem Ehre höher steht als Beute und der in Sachen Weib einer so gründlichen Fehleinschätzung verfällt... Eines der gelungensten Genrebilder von Menschen und Milieu freilich bietet schon der Anfang der Erzählung: In der Schilderung des ulkigen "Hotel"-Wirts Don Geronimo und der Seinen und ihrer Behausung, der Wirkung des neuen Anzugs des Erzählers auf diese Prachtfamilie und des umflorten Abschieds bietet Karl May eine kleine literarische Kostbarkeit und eine Probe seiner Befähigung zur gelassen-überlegenen Ironie.

III. Die Handlung läßt sich, oberflächlich betrachtet, in einen Satz zusammenraffen: Old Shatterhand erkennt durch Zufall und Spürsinn, daß ein Trupp deutscher Auswanderer Gefahr läuft, dank der verbrecherischen Machenschaften eines (insoweit auf eigene Faust handelnden) Mormonen in eine tödliche Falle zu geraten, und vereitelt das Vorhaben, nicht ohne zwei miteinander verfeindete Indianerstämme zum Frieden zu bewegen. Damit füllt Karl May 750 Seiten ohne einen Augenblick Leerlauf und mit kaum einer Atempause für den Leser, indem er immer neuen Verzögerungen, neuen Ablenkungen, neuen Nebenabenteuern und unvermuteten Zwischenfällen Raum gibt, die sich - heterogen wie sie scheinen - verblüffend zu einem integralen

//4//

Ganzen ineinanderschieben und dem Erzähler Gelegenheit geben, seinen Ich-Helden Old Shatterhand, also sein Über-Ich, und dessen Über-Ich Winnetou als Lichtträger der Gerechtigkeit im kleinen wie im großen zu erweisen.

Winnetou und Old Shatterhand loben die jeweilige Vortrefflichkeit des anderen und beanspruchen nichts für sich:

"Meinem Bruder Winnetou kann nichts entgehen; seine Augen und Ohren sind schärfer als die meinigen", gesteht Old Shatterhand rückhaltlos und neidlos ein (DH 20, 749 l; F 21, 114), nachdem er vorher schon "die Überzeugung hegte, daß er ein besserer Kundschafter sei als ich" (DH 20, 634 l; F 20, 535) Er spielt sein Verdienst herunter und schreibt es dem Apatschen zu: "Ich habe Glück, Glück gehabt, und das Wenige, das ich mir selbst zuschreiben darf, kommt auf die Rechnung Winnetous, der mein Lehrmeister gewesen ist." (DH 20, 750; F 21, 117) Aber Winnetou steht nicht zurück: "Old Shatterhand... ist mehr als hundert, als zweihundert bewaffnete Männer! ... Der Meister würde das nicht fertig bringen, was der Lehrling fertig gebracht hat." (ebda.)

Diese uneingeschränkte Hochachtung vor den Fähigkeiten des anderen schließt stillschweigend die Tatsache ein, daß der Europäer dem Indianer jederzeit an theoretischer Bildung überlegen bleibt(12) und ihm auch hieraus Kraftquellen für das Durchschauen und Beherrschen von Situationen erwachsen: Diese Überlegenheit spielt Old Shatterhand dem Freund gegenüber nie aus. Er vermittelt ihm wohl - über die Jahre (und die Reiseerzählungen) verteilt - Einsichten in abendländische Anschauungen und Lebensweisen und läßt Winnetou gedanklich teilhaben an den geistigen Schätzen, aus denen Old Shatterhand schöpft; aber dieses Geben ist ihm Herzensbedürfnis in der Zweisamkeit, nicht Schulmeisterei - eine der zuchtvollsten Leistungen des einstigen Lehramtskandidaten.

Vor Freund und Feind verwahrt sich Old Shatterhand bescheiden gegen Überschätzung seines Könnens:

"Vieles von dem, was du über Winnetou und mich gehört hast, konnte nur mit Hilfe von Leuten ausgeführt werden, welche unbekannt geblieben sind. Von uns erzählt man, von ihnen nicht", erläutert er dem ehrfürchtig zu ihm aufblickenden Mimbrenjo-Knaben (DH 20, 186 r; F 20, 149); und den Erzschuft Harry Melton läßt er wissen: " ... für einen Helden habe ich mich noch nie gehalten und auch noch nie ausgegeben. ... Ich gestehe ... , daß ich ... ein Glück gehabt habe wie noch nie in meinem ganzen Leben." (DH 20, 716 r; F 21, 64) Doch auch als Aussage des Erzählers an den Leser findet sich diese Abwehr unangebrachten Lobes, mit dem heimlichen Unterton feiner Ironie: "Meine Kugeln waren dem Manne beide durch den Kopf gegangen, ein Zufall, welcher ... jedenfalls aber später ... als eines meiner Wunderwerke ausposaunt wurde." (DH 20, 138 r; F20, 108- 109)(13)

Sollte aber der Leser dieser Bescheidenheit nicht recht trauen wollen, so gibt der Erzähler unumwunden auch seine Eitelkeit zu und führt sie sogar ausdrücklich als Motiv seines Handelns an (DH 20, 170 l; F 20, 136); das schafft einen behaglichen Ausgleich. Ebenso blitzt aus den dem Starken Büffel in den Mund gelegten Worten "... wird der Bär mit einer Maus kämpfen?" (DH 20, 796 l; F 21, 168) in Wahrheit die Eitelkeit des weißen Helden, der sich hier schmeicheln läßt und der bald darauf sein und Winnetous Selbstbewußtsein, ihrer beider Führungsanspruch und ihre normensetzende Herrenrolle in das Diktum faßt: "Old Shatterhand und Winnetou müssen überhaupt niemals müssen". (DH 20, 819 r; F 21, 196) Da endet jeder Widerspruch.

IV. Die Moralbegriffe Karl Mays unterliegen freilich keinem Zweifel. Aus den Warnungen Old Shatterhands, "Wer einen, der klüger ist als er selbst, mit Lügen täuschen will, muß sehr vorsichtig sein und sich jedes Wort vorher sehr reiflich überlegen" (DH 20, 426 l; F 20, 365) und "Wer einem anderen Unrecht gethan hat und dies einsieht, ist, wenn er es verschweigt, kein guter Mensch!" (DH 20, 442 r; F 20, 368), sprechen die nachträglichen Erkenntnisse des Geläuterten, der als Neunzehnjähriger angesichts der Bezichtigung, einen Uhrendiebstahl begangen zu haben, höchst ungeschickt reagierte, und spricht die Bußfertigkeit des einstigen Zuchthäuslers. Und wie ein Leitspruch für Karl Mays Verhältnis zu Gott, der ihn nicht verließ, und zu den Menschen, die ihm an den verschiedenen Stationen seines Lebens hilfreich beistanden, klingt die Mahnung: "wer dankbar ist, der wandelt auf dem Wege, an welchem auch alle anderen Tugenden blühen. Pflücke sie beizeiten, denn je länger dieser Weg wird, desto seltener sind sie zu finden und desto mehr sind sie von Dornen umgeben, welche die pflückende Hand verscheuchen!" (DH 20, 410 r; F 20, 348)

Der Mimbrenjo-Knabe, an den diese Worte gerichtet sind, könnte dem Mann als Vorbild dienen, der Ursache zur Dankbarkeit hat: Der Haciendero Don Timoteo Pruchillo. Eine wahre Engelsgeduld beweist Old Shatterhand gegenüber diesem uneinsichtigen Pluster-Kopf und dessen jämmerlichem 'Rechtswahrer von der traurigen Gestalt', dem Jurisconsulto. Jede seiner berechtigten 'Standpauken' ist an sie verschwendet (DH 20, 471 r, 474 l, 522 r, 778, 779; F 20, 405-406, 445; F 21, 137-140), so daß Winnetou grimmig einschreitet und kurzen Prozeß mit beiden macht (DH 20, 552 r, 779; F 20, 445; F 21, 140-141). Der Erzählstrang des legitimen Straf- und Rachefeldzuges der beiden "Helden" und ihrer polizeilichen Begleiter von Ures hinauf ins Gebirge ist der ebenso komische wie ernste Kontrapunkt zum gleichzeitigen, keineswegs offiziell legitimierten Vergeltungszug Winnetous und Old Shatterhands und ihrer Begleiter (von denen einer sich erst später noch zum Helfer wandeln soll) und belegt, wie ein sein Recht suchender Geschädigter und die zu seiner Unterstützung verpflichteten staatlichen Organe sich eben nicht verhalten dürfen, um anerkannt zu werden. Es genügt nicht, gerade Recht zu haben und/oder Amt und Titel zu besitzen; zum Sieg bedarf es der Beseelung durch Tugenden.(14)

Winnetou ist es auch, der das aufdringlich-dummdreiste Weib des Jurisconsulto so behandelt, wie sie es verdient (DH 20, 460 r, 470 r, 471 l, 490 l; F 20, 390, 401, 413): Der berühmte Indianerhäuptling wird durch den Ruch, bei Frauen grob zu sein, nur interessanter; Old Shatterhands Nimbus müßte leiden. Daher bleibt der weiße Held auch Judith gegenüber von freundlicher Bestimmtheit und verhehlt seine Verachtung, bis die allzu offene Demonstration ihrer Herzlosigkeit dann doch seinen Zornesausbruch hervorruft (DH 20, 766; F 21, 132).

Die Bedeutung der Rollen dieser beiden Frauen steht im umgekehrten Verhältnis zur Häufigkeit ihres Auftretens in der Handlung: gerade sie sind es, die das Geschehen maßgeblich beeinflussen und dem Agieren der Männer - Schurken wie Helden wie Trottel - als Triebfeder dienen. Vordergründig freilich geht es in dieser rauhen Männerwelt des Wilden Westens bzw. Nord-Mexikos um das Tun von Männern, guten wie bösen, die am Ordnungsbild dieser Welt herumbasteln. Der hier beheimatete Winnetou bewährt sich exemplarisch als Hüter der für Männer aufrechter Gesinnung geltenden Sitten-Ordnung dieser eigengesetzlichen Welt, indem er ohne Zögern den Indianer erschießt, der dem Schwarzen Biber eine Warnung zuruft (DH 20, 810 l; F 21, 183): bliebe dieser straflos, läge unauslöschlicher Schimpf auf allen Anwesenden, weil sie Ungehöriges dulden würden. Durch den tödlichen Schuß rettet Winnetou den Frieden. Und der mit dem Ordnungsbild des Westens wie mit dem Ordnungsbild Europas vertraute und um jede zwischen beiden Welten mögliche Versöhnung bemühte Old Shatterhand weiß der Erinnerung an das Treiben der Bösen den letzten Stachel zu nehmen, indem er das zur Finanzierung böser Taten bestimmt gewesene Geld den Auswanderern zur Finanzierung gedeihlichen Farmerlebens überantwortet (DH 20, 746 r; F 21, 102): Das Fundament zur gesicherten Eingliederung in die neue Ordnungswelt ist gelegt, die Befriedigung des selbstlosen Helden perfekt.

Unbeirrt verfolgt Karl May als Old Shatterhand seinen Weg der Selbstreinigung in der Gewißheit der Erlösung, denn "was man muß, das kann man auch" (DH 20, 283 l; F 20, 229), und "Du siehst, daß sich alles belohnt und alles bestraft. Wer Gutes thut, wird Gutes ernten." (DH 20, 390 r; F 20, 327) Er drängt sich nicht nach Streit und Kampf, empfindet beide zu Recht als oftmals lästig und unnötig, hält sie für vermeidbar, ist aber bei ihm entsprechend aufgedrungener Konfrontation bereit, sich wieder einmal als der Bessere zu zeigen: "Das dumme Ding, was die Leute Kampf nannten, konnte beginnen." (DH 20, 807 l; F 21, 176: Das dumme Ding, welches dieses Leute ...) In dieser zwischen Unwillen und Superiorität pendelnden Aussage schwingt aber auch die Anspielung mit, daß der Autor dieses Satzes wirklich Kämpfe - härtere, grundlegende - durchzustehen hat. Ihn trägt das Bewußtsein: "Es kommt bei allem, was man thut, darauf an, wie man es anfängt, und neben diesem Umstand hat jeder Mensch auch das Recht, sich ein wenig auf sein Glück zu verlassen" (DH 20, 536 r; F 20, 450), denn "das Gute

//5//

siegt stets, und das Böse muß untergehen." (DH 20, 819 r; F 21, 197)

V. Zunächst einmal aber beginnt es mit einer Schurkerei, auf die der Erzähler unversehens stößt. Die Ausgangslage in "Die Felsenburg" ähnelt frappierend den Anfangsszenen in "Der Mahdi": Der Erzähler sucht, aus weltentrückter Gegend zurückkehrend(15), Unterkunft in einer Stadt am Wasser, macht dort die Bekanntschaft eines zwielichtigen Mannes und schließt sich kurzerhand, alle ursprünglichen Pläne umstoßend, diesem an, wobei er sich der Gefahren voll bewußt ist... Und ähnlich wie "Der Mahdi" widmet sich auch "Die Felsenburg" dem Thema der schändlichen Versklavung von Menschen und der Sklavenbefreiung: die arglistig getäuschten Auswanderer sollen ja wie Sklaven im Bergwerk arbeiten... Vertraut aus "Der Mahdi" herüber klingen auch die Errettung der Kinder aus Schurkenhand (DH 20, 136; F 20, 100 f.), die Wichtigkeit bestimmter Papiere für den Schurken und für den Helden (DH 20, 715; F 21, 61), das Einbrechen des Herkules in ein Loch im Boden, wodurch sich dem Helden der Zugang zu einem System unterirdischer Gänge entdeckt: Abd el Barak mit den Dinka-Kindern, die ihm abgenötigten Schriftstücke, das Mißgeschick des dicken Haushofmeisters in Siut...

Aber auch Anklänge an die Ausgangslage in "El Sendador" finden sich: Die Hotelunterkunft in einer fremden Hafenstadt, die Änderung der Reisepläne aufgrund merkwürdiger Bekanntschaften. Und an "El Sendador" gemahnt auf weite Strecken die Landschaft, sobald die vom Thema bedingten Divergenzen in Abzug gebracht werden (Marsch von der Sierra Madre hinab ins ungesunde Elendsnest statt bequemer Schiffsreise ins großstädtische Montevideo): Vom Wasser fort durch fruchtbares Land mit Weiden und Wäldern und zu neuen Felsen empor führt der Weg des Helden(16) bis zu einem das Bild beherrschenden See, dem Schauplatz der letzten Kämpfe. Was an topographischer Kulisse in "El Sendador" erfolgreich gehandhabt wurde, kehrt in "Die Felsenburg" unaufdringlich wieder, nur mäßig verändert, bei genau umgekehrt verlaufender Richtung des Reiseweges: In "El Sendador" geht die Reise von Ost nach West-Nordwest, in "Die Felsenburg" von West nach Ost-Nordost...

Etwa fünfzehn Jahre später ist eine ähnliche Topographie - unter Einbeziehung von "Wüsten", wie sie in "Der Mahdi" und in "Old Surehand" (und extrem in "Am Jenseits") so bedeutsam sind - entscheidend für den Ablauf des seelenbezwingenden Werkes "Ardistan und Dschinnistan"; zugleich wird dabei dem Wasser, das in jeder der Reiseerzählungen Schlüsselfunktionen hat, die zentrale Rolle zugewiesen: Das Geschehen kreist um das Werden und Vergehen und Wiedererstarken des Flusses Ssul, der Leben und Frieden verheißt und der dem verkörperten Bösen (dem "Panther") den Tod bringt.(17) Und auch in "Die Felsenburg" und ihren beiden Fortsetzungen ist das Wasser Anfang und Ende und Schicksalsstation:

Alle drei Bände beginnen und enden am Wasser, dem Symbol der Lebensspende und der Lebensbedrohung. In "Die Felsenburg" sind die Drehpunkte das Hafennest Guaymas, wo ein menschlicher Satan in Old Shatterhands Leben tritt, und der strategisch gelegene kreisrunde See, indem die letzte Hoffnung der Feinde, der Schwarze Biber, den Tod findet. "Krüger-Bei" setzt ein in Bremerhaven, wo ein Lump sich dem Helden aufdrängt(18), und schließt an der Küste von Nordafrika am Mittelländischen Meer, das die noch einmal fliehenden Verbrecher davonträgt. "Die Jagd auf den Millionendieb" führt von dem auf sumpfig-morastigem Untergrund erbauten Hafen New Orleans, wo der Erzähler dem Dämon Weib neu begegnet und auf 'Satans' Spuren trifft, zu einem Weiher in den Bergen, wo sich das Schicksal endgültig gegen die Friedensstörer kehrt... Karl May wußte sehr wohl planvoll zu arbeiten; tiefverwurzelte Motivation trieb ihn zu absoluter Konzentration in der Leistung. In keiner Reiseerzählung ist das durchgehend deutlicher als in der Trilogie "Satan und Ischariot".

Einen kleinen Vorgeschmack auf kommendes erregendes Geschehen liefern gegen Schluß der "Felsenburg"-Erzählung zwei Hinweise, deren Kitzel den Leser nicht unberührt läßt: Die Wiedergabe des Briefes Jonathan Meltons mit den Informationen über dessen Doppelgänger Small Hunter(19) (DH 20, 730 l; F 21, 79-83) und die Erwähnung eines späteren Zusammentreffens Old Shatterhands mit Judith als "reicher und vornehmer Dame" (DH 20, 766 l; F 21, 132). Der Fortgang der Gesamterzählung dürfte für Karl May genau festgestanden haben.

VI. Doch bevor er auf Kommendes geschickt hinweist, hat der Meister der Umkleidungstechnik wieder einmal eine tempogeladene Geschichte kühner Heldentaten erzählt, in der er die alten Requisiten - Belauschen, Gefangennahme, Befreiung, Berechnung gegnerischer Machenschaften(20), Überrumpelung - bezwingend neu einsetzt. Wie schematisch sich das Geschehen vollzieht und den Mustern früherer 'Reiseerlebnisse' des Autors folgt, kann dem Leser unter der Wucht des Erzählflusses leicht verborgen bleiben. Und nach dem anfänglich ironisch-trägen Dahintropfen weniger Ereignisse in Guaymas steigert die Aktion sich sehr rasch in eine Hetze hinein, die in dieser Eigenart früher nicht vorherrschte; und Old Shatterhands kaltblütige Überlegenheit trägt einen geheimen Zug von Verbissenheit, die ihn menschlich merkwürdig anziehend macht. Sogar die an die Grenzen des Hochmuts streifende Verwegenheit, "allein und ohne die Hilfe Winnetous und unserer Begleitung" (DH 20, 680 r; F 21, 20) das große Befreiungswerk in Almaden alto auszuführen, und die vor dem ritterlichen Gegner Listige Schlange hierzu abgegebene Bekräftigung, "Ich... werde alle... befreien, ohne daß ich dazu der Hilfe noch eines anderen Menschen bedarf" (DH 20, 702 l; F 21, 44-45), wirkt nicht wie Imponiergehabe: Die Voraussetzungen zum Gelingen des Vorhabens sind gegeben.

So ließe sich die bei anderer Gelegenheit niedergeschriebene Charakterisierung "Der Old Shatterhand in 'Weihnacht' ist der sympathischste Old Shatterhand, den Karl May je gezeichnet hat"(21), mit Recht auf den Ich-Erzähler in "Die Felsenburg" ummünzen, wäre nicht ein Mißton: die übermäßig zur Schau getragene Siegessicherheit in der Szene des Lanzenkampfes. Anstatt schon beim Aushandeln der Kampfbedingungen gegen den offenbaren Nachteil - fünf Lanzen gegen zehn - zu protestieren, was niemand ihm hätte ankreiden können, beschließt Old Shatterhand, (a) "es soll euch nichts nützen", und (b) Winnetou im nachhinein zu demütigen, indem er diesem die von ihm übersehene Unehrlichkeit zu einem Zeitpunkt vorhält, als niemand mehr zurück kann. Beides ist des Helden und des Autors nicht würdig. (DH 20, 807 r; F 21, 179-180)

Anders als bei dem - später - in "Weihnacht" geschilderten Scheibenschießen-Duell mit dem Prayerman, wobei Old Shatterhand auch einen von fünf Schüssen 'verschenkt' (so wie eine von den fünf Lanzen) und im Falle seiner Niederlage lediglich eine Blamage für "Mr. Meier" riskiert (seinen nom de guerre hat er ja noch verschwiegen), gefährdet Old Shatterhand beim Lanzenkampf durch bewußte Arroganz nicht nur sein Leben allzu forsch (bei den zwei Yuma-Kriegern muß er nämlich gefährliches Geschick im Lanzenwerfen unterstellen) und damit auch den von ihm gewünschten Frieden zwischen Mimbrenjos und Yumas, sondern auch das Wohlwollen seines besten Freundes: Winnetou verdiente Besseres, als vor Zeugen süffisant zurechtgewiesen zu werden, und hätte sehr scharf reagieren können. - Hier geht Old Shatterhands Haltung unziemlich hinaus über gläubiges Gottvertrauen und über omnipotentes Wissen um menschliche Schwächen und Stärken; sie ist auch unvereinbar mit seinem kurz vorher noch verlautbarten Ehrbegriff: "Nichts, was ich thue, geschieht, ohne daß ich meine Ehre dabei in Betracht ziehe." (DH 20, 470 l; F 20, 403)(22) - Doch diese Sophistik, hier übrigens keineswegs als Abwertung oder Mäkelei gedacht, ist dem unbefangenen Leser zum Glück fremd: Sein selbstverständliches - und vom Autor ebenso selbstverständlich unterstelltes - Wissen, daß Old Shatterhand in keinem Zweikampf verlieren kann, und die ebenso selbstverständliche Auffassung, zwischen den beiden edlen Blutsbrüdern könne es weder offene noch versteckte, weder absichtliche noch unfreiwillige Kränkung geben, überlagern mögliche kritische Einwände. Karl Mays 'Ausrutscher' hat innere Gründe, die noch erörtert werden sollen.

VII. Mit der Gestaltung des Erzählstoffes "Die Felsenburg" gelingt Karl May abermals die dreischichtig gegenseitige Durchdringung verschiedener Bedeutungsebenen, die so kennzeichnend ist für seine großen Schöpfungen. Diesmal jedoch setzt er nicht nur die ihm mittlerweile vertrauten Mittel ein, sondern betritt auch Neuland - und erobert es sogleich im kühnen Zugriff.

Schon "El Sendador" war dreidimensional: (1) Handfeste Reiseerzählung mit abenteuerlichem Inhalt; (2) verkleideter Ausschnitt aus der Autobiographie und Umsetzung der durch die Haftstrafen bedrängenden Probleme(23); (3) Untersuchung und Bewältigung von Lebensfragen durch Verwendung des düsteren, seit Urzeiten im Menschen Unbehagen verursachenden Doppelgänger-Motivs (in anderer als der gespenstisch schauervollen Weise,

//6//

wie E. T. A. Hoffmann sie bot, aber ebenso kunstvoll): Der für andere Menschen Erfolg verbürgende, für den Helden vielleicht lukrative Auftrag, eine Doppelgänger-Rolle (Latorre) zu übernehmen, wird vom Helden abgelehnt; doch in drei Schurken beleuchtet der Autor seine eigenen negativen Seiten - insbesondere sind der Held und dessen Hauptgegenspieler, der Sendador, die beiden Seiten derselben Münze(24); und erst im viel späteren "Silberlöwen" gelingt das Integrieren der bedrohlichen Doppelgänger-Chodem-Mär in die Gesamtdarstellung allegorischer Bezüge noch dichterischer als in dem 'auf halbem Wege' entstandenen "El Sendador".

Die darauf folgende "Hausschatz"-Erzählung "Der Mahdi" präsentiert sich (1) als Reiseerzählung par excellence, (2) als Augenzeugen-Dokumentation über elementare Fragen des Rechts des Menschen auf Würde, auf Freiheit und auf Ausübung selbstgewählter religiöser Überzeugung, (3) als kaschierte Darstellung des Verhältnisses des Schriftstellers Karl May zu dem Kolportageverlag H. G. Münchmeyer(25).

"Die Felsenburg" führt weiter. Auch sie ist zunächst Reiseerzählung mit rasanten Aktionen und als solche ein voll befriedigendes Leseerlebnis. Sie ist aber auch, zwischen den Anfangs- und Endstationen des lebenschenkenden und lebenverschlingenden Wassers, ein in populärer Ausdrucksform dargebotenes Mysterienspiel: Ewig-Gültiges im May-typischen Gewand, Auflösung zeitloser Symbolik in verständliche Handlung. Die Story schildert den Kampf des Naturmenschen (Winnetou) und des Kulturmenschen (Old Shatterhand) gegen den Teufel (Harry Melton), der sich hinter täuschender Maske verbirgt und sich in seiner Auflehnung gegen Gott (Meltons Vorgesetzte) anschickt, den anfälligen Teil der Menschheit (die Auswanderer) zu unterjochen und zum Bösen zu mißbrauchen. Zeitweilige Verbündete des Teufels, doch im Grunde sogar von ihm schon emanzipiert und mehr am Aufbau des eigenen Reiches böser Lust interessiert als an der Stützung von Satans Reich: so agiert der Dämon Weib als Buhlschaft, alle Reize ausspielend und die eigentlichen Werte des Frauentums korrumpierend (Judith)(26). Natur- und Kulturmensch erkennen, daß sie nur vereint stark genug sind, den Sieg des Bösen abzuwenden, und bereiten - unter Wahrung des von der positiven Schöpfungskraft inspirierten und aus Urzeiten herübergeretteten Ethos und unter Einsatz der dem Kulturmenschen zu Gebote stehenden zusätzlichen Ressourcen - dem Teufel wie dem Dämon Verderbtheit die Niederlage. Aber weder der Teufel noch die Buhlschaft finden das Ende dabei, sondern existieren fort...

Das entspricht in den Grundlinien des Aufbaus und im Anliegen den alten Volksmythen, ungeachtet der in ihnen unterschiedlichen Benennung der Protagonisten und der Repräsentanz der Verkörperung des 'entstellten Wesens', des Dämons, durch eine Hexe, eine Schlange, einen Drachen, einen Zwerg oder eine andere Gestalt.(27) Und insoweit erreicht Karl May hier eine bedeutende Vorstufe zu "Ardistan und Dschinnistan", dem hohen Werk des Alters und Mysterienspiel verfeinerter Ausprägung, in dem der ebenso gut wie der Mormone aussehende "Panther" sein Satanswerk inszeniert und die Würdenträger der Dschunub die Werte des Göttlichen ins Verderbte verkehren. "Ardistan und Dschinnistan" setzt einen Schlußpunkt; "Die Felsenburg" markiert Karl Mays Eintritt in das Bemühen, Menschheitsfragen durch die "Menschheitsseele" literarisch behandeln zu lassen.(28)

Nicht minder wesentlich für die Kennzeichnung des 'Standortes' dieser Erzählung innerhalb des Gesamtwerkes ist der darin verarbeitete autobiographische Anteil. Der für Karl Mays persönliches Leben entscheidende, die Münchmeyer-Zeit und deren Nachwirkungen begleitende und diese Zeit überdauernde Bindungs-Komplex war die zur Ehe führende Bekanntschaft mit Emma Pollmer. Die Ehe brachte - das ist wertfrei gesagt - Karl May nicht das erhoffte große Glück. Aus seiner Sicht - die gewiß nicht immer ungetrübt gewesen sein dürfte - hielt diese Ehe mit einer nicht zu ihm passenden Frau ihn gefesselt an allzu niedrige Schichten des Menschseins und nahm ihm die Freiheit, zu lichten Höhen geistiger und seelischer Vollkommenheit emporzuklettern. Emma May genoß das Geld, das ihres Mannes Arbeit ihr eintrug, aber eine Muse hatte er in ihr nicht. Irgendwann einmal im Rahmen seines eskapistisch-traumatischen schriftstellerischen Schaffens mußte sich seine innere Auseinandersetzung mit dieser großen Fehlentscheidung seines Lebens bewußt niederschlagen - in mehr als nur punktuell eingestreuten Hinweisen.(29) Und Emmas Parteinahme für die langjährige Freundin Pauline Münchmeyer, als Karl nach Münchmeyers Tode die für ihn so wichtige Bereinigung der in der Schwebe gebliebenen Angelegenheiten wünschte, wirkte offenbar jählings als zündender Auslöser für die Ausgestaltung der nächsten größeren Ich-Erzählung - "Die Felsenburg".

Darin kehren der in der voraufgegangenen "Mahdi"-Erzählung bereits der Schrecken entkleidete Verleger Heinrich Gotthold Münchmeyer und sein Verlagsunternehmen und seine Praktiken noch einmal zurück, aber nur als einleitende und von Karl May mit leichter Hand bezwungene Begleiterscheinung eines viel hintergründigeren und weit mehr Kräfte verschleißenden Ringens mit dem Dämon, dem Karl May sich ausgeliefert und seinem Lesepublikum bisher sorgfältig verschwiegen hat(30) - seiner Ehefrau Emma. Der Sieg über diesen Dämon setzt den vollständigen Sieg über alles ureigene Schlechte, über alles Dämonische im eigenen Inneren des Autors Karl May voraus - und so rechnet er noch einmal schonungslos mit sich selber ab in dieser von Hast gepackten Geschichte und in deren von Ort zu Ort springenden Fortsetzungen(31). Und er muß dabei bewußt mit Verzerrungen, Entstellungen, Überdehnungen arbeiten, um das Dunkle noch schwärzer, das Helle noch lichter erscheinen zu lassen und eine erträgliche Bilanz zu finden. Die Trilogie "Satan und Ischariot" ist ein vielfältig komplexes Werk.

VIII. Für die an der Aufdeckung autobiographischer Spiegelungen interessierten Leser Karl Mays bringt der hier vorliegende Reprintband ein Nachwort. Es bildet einen Versuch, des Dichters Gedankengänge und die ihm zugrundeliegenden seelischen Strömungen zu erkennen und seinen Betrachtungswinkel einzunehmen, erhebt aber nicht den geringsten Anspruch darauf, als allein mögliche Deutung oder gar als 'Weisheit letzter Schluß' zu gelten.

IX. Für die Gelegenheit, ganz persönliche Auffassungen zur Bedeutung der von mir hoch geschätzten "Satan"-Trilogie in Form dieser Einführung und des Nachwortes veröffentlichen zu können, und für die Hilfe beim Zustandekommen dieses Bandes danke ich sehr herzlich Herrn Professor Dr. Claus Roxin, Herrn Verkehrsdirektor Mayer, der Graphischen Kunstanstalt Fr. Ant. Niedermayr und der Buchhandlung Pustet in Regensburg.

//7//

ANMERKUNGEN:

- Bei Hinweisen auf Textstellen in der Erzählung "Die Felsenburg" lies: DH 20, 636 = Deutscher Hausschatz, XX. (20.) Jahrgang, Seite 636; l = linke Spalte; r = rechte Spalte; F 20 bzw. F 21 = Freiburger Ausgabe Fehsenfeld Band 20 bzw. Band 21, gefolgt von Seitenzahl. -

1) Band 20, 21, 22 der Gesammelten Reiseerzählungen (Radebeul: Gesammelte Werke). Der Freiburger Text ist zugänglich innerhalb der Reprint-Reihe "Freiburger Erstausgaben" des Karl-May-Verlags, Bamberg (1981), sowie innerhalb der Reihe "Karl Mays Hauptwerke in 33 Bänden - Züricher Ausgabe", Lizenzausgabe Parkland, 1992 (Bände 22, 23, 24). - Zur Radebeuler Ausgabe siehe bei Abschnitt l den zweiten Absatz dieser "Einführung".

2) Eine Auflistung der Textabweichungen und der unberichtigt gebliebenen Irrtümer folgt weiter unten gesondert.

3) Vgl. Gerhard Klußmeier, Karl May und Deutscher Hausschatz VIII in: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (künftig: M-KMG), Nr. 23, März 1975, S. 17.

4) Siehe Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer (Hg.), Karl Mays 'Satan und Ischariot', Karl-May-Studien Bd. 5, Oldenburg 1999 (Einleitung), sowie den ebd., S. 180-216 abgedruckten Beitrag von Walther , "Wirrwarr 'In der Heimat'".

5) Siehe bei G. Klußmeier, Karl May und Deutscher Hausschatz IV, M-KMG Nr. 19, März 1974, S. 17, sowie Karl May und Deutscher Hausschatz II, M-KMG Nr. 17, September 1973, S. 19. - Die Erzählung wurde im Juli 1893 als "Die Felseninsel" angekündigt (M-KMG Nr. 18, Dezember 1973, S. 20). Ob Karl May vielleicht J. G. Schnabels phantastisches Werk "Die Insel Felsenburg" kannte und davon Anregungen empfing, ist nicht verbürgt; die im Karl-May-Jahrbuch 1931 (Karl May Verlag Radebeul) veröffentlichte Liste der in Karl Mays Bücherei vorgefundenen Titel enthält "Die Insel Felsenburg" nicht.

Infolge Korrekturen und Fortfalls einiger früherer Anmerkungen Zählung weiter bei 9)!

9) Siehe die Einführungen zu den "Hausschatz"-Reprintbänden "Giölgeda padishanün" (Claus Roxin), "Durch das Land der Skipetaren" (Claus Roxin), "Der Mahdi" (Walther Ilmer).

10) Wie "Die Felsenburg" (DH 20, 312 r; F 20, 254) schildert "Der Ölprinz" (S. 242-244 der Union-Buchausgabe, S. 278 bis 280 der Radebeuler Ausgabe) das Zusammenfinden der Freunde mittels des Klangs der Gewehre. - Hier wie dort steht das Schicksal deutscher Auswanderer mit deren zeitweiliger Gefangennahme im Mittelpunkt. - Ölsumpf und 'Ölprinz' - beide Male eine negative Figur - sind handlungstragende Momente in "Der Ölprinz" und in "Krüger-Bei" ("Satan und Ischariot II") (und zwar dort in einem Teil der Handlung, der zeitlich vor den Ereignissen in "Die Felsenburg" einzuordnen ist).

11) In den eigentlichen Jugenderzählungen ist dem Autor die Zuweisung von Protagonisten-Rollen an jugendliche Helden nicht ganz so glatt gelungen wie in "Die Felsenburg".

12) Vgl. Helmut Schmiedt, Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers, Hain Verlag, Königstein/Ts. 1979, S. 133.

13) Desgleichen: "Ich... unterbrach nur dann und wann..., wenn er in übermäßigem Eifer zu meinem Lobe sprach." (DH 20, 763; F 21, 118).

14) "Glück auf den Weg, mein Feldherr!" wünscht der Erzähler ironisch im stillen dem Jurisconsulto (DH 20, 490 l; F 20, 414). Mehr als drei Jahre nach Niederschrift dieses Satzes verwendet er ihn wörtlich im Brief vom 17. 8. 1896 an Fr. E. Fehsenfeld im Zusammenhang mit dessen Plan der Herausgabe einer besonderen Buchreihe "Fahrten und Abenteuer", von der May wohl fürchtete, sie könne dem Verkaufserfolg seiner Bücher abträglich sein. (Vgl. Konrad Guenther, wie bei Anm. 6, S. 15) - Die merkwürdige Parallele in der Entsprechung zwischen dem Personen-'Gespann' Haciendero/Jurisconsulto und dem Duo Mokkadem/Muza'bir (in "Der Mahdi"), die Zuweisung von im Kern gleichen und im Detail grundverschiedenen Funktionen in beiden Fällen, soll bei anderer Gelegenheit dargestellt werden.

15) Der Abstieg des Erzählers von Bergeshöhen zu Tal findet sich freilich nicht in "Der Mahdi", aber in "Die Todeskaravane" vorgezeichnet. Zur inneren Bedeutung dieses 'Abstiegs' siehe Martin Lowsky, Der Kranke Effendi, in JbKMG 1980!

16) Zu "Almaden alto" vgl. die Ausführungen von Wolf-Dieter Bach im JbKMG 1971, S. 53 ("Fluchtlandschaften").

17) Der topographische Aufbau der Reiseerzählungen, seine jeweilige Bedeutung für den inneren Weg des Helden und ein analytischer Vergleich der hierbei gewonnenen Feststellungen ist eine Spezialuntersuchung wert. Dem spezifischen Richtungsverlauf wohnt, in Ansehung der jeweils zugrundeliegenden inneren Thematik, also Verarbeitung von Eigenerlebnissen des Autors, zweifellos Symbolik inne. (Anhaltspunkte: "Der Mahdi" - durchweg nach Süden; Wasser, Wüste, Sumpf vorherrschend; "Satan II" - überwiegend nach Süden; Wüste; "Satan III" - von Ost nach West; vom Sumpfland zu Felsenöde; "Surehand I" - von West nach Ost; Abstieg vom Fels zur Wüste, Wasser-Oase; "Surehand II/III" - von Ost nach West; vom Flußlauf zum Felsen; "Weihnacht" - von Ost nach West; vom Flußlauf zum Felsen; Wasser im Finding-Hole; Pa-ware; "Silberlöwe I/II" - zunächst von Ost nach West; dürre Gegend; später auf dem Fluß nach Süden/Südosten; dann nach Ost ins Gebirge; ostwärts verläuft auch der Weg in "Silberlöwe III"; "Am Jenseits" - nach Süden; Wüste.)

18) Nicht ohne Belang ist zwar, daß diese Erzählung in ihrem ursprünglichen ersten Kapitel in Mays Heimat beginnt (von dem DH-Redakteur Keiter gestrichen; neu gestaltet von Franz Kandolf in den ersten beiden Erzählungen des Bandes 47 der Gesammelten Werke; ursprünglicher Text heute in Band 79 der Ges. Werke; vgl. Hinweis auf Ilmer in Anm. 5); doch bleibt dabei die maßgebende Symbolik gewahrt: Die Heimat als das Fixieren eines Ursprungspunktes, dem Geburtswehen anhaften.

19) Eine verblüffende Variante - und Parallele - zum Doppelgänger-Motiv Held/Latorre in "El Sendador": Dort spielerisch als unseriös abgetan, im Falle des Schurken Jonathan Melton als schlechthin handlungstragender Auslöser ausgebaut.

20) Vgl. Helmut Schmiedt, wie Anm. 12, S. 132.

21) Walter Ilmer, Der Bruch im Bau - kein Bruch im Ich, in: M-KMG Nr. 36, Juni 1978, S. 28.

22) Vgl. Helmut Schmiedt, wie bei Anm. 12, S. 109 - 110.

23) Siehe im einzelnen die Einführung von Claus Roxin zum "Hausschatz"-Reprintband "El Sendador" sowie die Aufsätze von Engelbert Botschen ("Die Banda oriental - ein Umweg zur Erlösung") und Walther Ilmer ("Karl May auf halbem Wege") im JbKMG 1979.

24) Ilmer, wie bei Anm. 23.

25) Vgl. Einführung und Nachwort von Walther Ilmer zum "Hausschatz"-Reprintband "Der Mahdi".

//8//

26) In der Beschreibung und Charakterisierung Harry Meltons und Judith Silbersteins geht Karl May beträchtlich über die durch die reine äußere Handlung der Reiseerzählung gebotenen Erfordernisse hinaus; sobald aber beiden Personen Symbolwerte zuerkannt werden, sind die extremen Attribute legitim.

27) Eine verblüffende Parallele zu "Die Felsenburg" (bei aller Anerkennung sämtlicher zwischen beiden Autoren bestehender Unterschiede!) bieten die in unseren Tagen zu Ruhm gelangten Werke "Das Silmarillion" und "Der Herr der Ringe" von J. R. R. Tolkien, die, aus reiner Phantasie geschaffen und in einer Phantasiewelt angesiedelt, untergründig Elemente mehrerer Mythen- und Sagenkreise zu einer fesselnden und ereignisreichen Handlung verweben und ein Bild der das Weltgeschehen seit eh und je bewegenden Kräfte geben. Das zur völligen Korruptheit herabgesunkene Lebewesen wird darin durch den Ringräuber Gollum, in abgewandelter Form auch durch die Riesenspinne Ungoliant/Shelob repräsentiert.

28) Für den Biographen aufschlußreich ist hierbei u. a., daß diese Entwicklung sich gleichzeitig vollzieht mit der auf einem anderen Seelenstrang Karl Mays fortschreitend vorbereiteten Propagierung der 'Old-Shatterhand-Legende', die in pompösen öffentlichen Auftritten gipfelt. - Vgl. auch Claus Roxin, Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand, in: JbKMG 1974.

29) Die Skala der sporadischen Einblendungen Emmas - in der einen oder anderen Form - reicht von "Szepter und Hammer" (das vor der 1880 erfolgten Eheschließung entstand) über die fünf Münchmeyer-Romane bis zu Unica in "El Sendador" und der "Turteltaube" in der Kaffeewasser-Szene in "Der Mahdi".

30) Zwar war Karl May den "Hausschatz"-Lesern spätestens seit Januar 1892 als verheiratet bekannt (siehe Faksimile bei G. Klußmeier, Karl May und Deutscher Hausschatz III, in: M-KMG Nr. 18, Dezember 1933, S. 19; dortselbst auch ein ähnlicher Hinweis vom Februar 1893 - S. 20), doch hatte er in seinen Erzählungen jeden Hinweis darauf vermieden. Er führte seine Frau als Ehefrau des Ich-Erzählers erst in "Silberlöwe I" ein.

31) Auf die kritische Bemerkung Heinz Neumanns über das dieser Trilogie zugrundeliegende Kolportage-Muster (M-KMG Nr. 39, März 1979, S. 43), wird anläßlich der Herausgabe des Reprint-Doppelbandes "Krüger-Bei/Die Jagd auf den Millionendieb" näher eingegangen.

TEXTABWEICHUNGEN

- DH 20, 28 l: "Er konnte nicht viel über 30 Jahre alt sein"

- F 20, 24: "Er konnte nicht viel über 40 Jahre alt sein"

- DH 20, 43 r: Der Erzähler erwähnt, er wisse nicht, von wem er zuerst Old Shatterhand genannt worden sei.

- F 20, 29: Die Stelle fehlt (mit Recht).

- DH 20, 216 l: Der Erzähler erwähnt, er habe bis dahin nicht gewußt, daß die beiden Weller Mormonen seien. (Anm.: Laut DH 20, 107 r, wußte er es jedoch.)

- F 20, 172: Die Stelle fehlt.

- DH 20, 314 r: Der Starke Büffel sagt, man habe Old Shatterhand aus der Gefangenschaft befreien wollen. (Anm.: Daß er gefangen war, hatte der Häuptling gar nicht wissen können.)

- F 20, 258: Die Stelle fehlt.

- DH 20, 747 l: "es aber nicht reklamieren können" (ein beziehungsloser Halbsatz)

- F 21, 106: Dieser Halbsatz fehlt.

- DH 20, 747 l: "hörte ich mich fragen"

- F 21, 106: Das irrtümliche "mich" fehlt.

- DH 20, 807 l: "Das dumme Ding, was die Leute Kampf nannten"

- F 21, 176: "Das dumme Ding, welches diese Leute ..."

An dieser Stelle sei Hansotto Hatzig, Mannheim, gedankt für das von ihm in mühevoller Kleinarbeit erstellte Register zu "Satan und Ischariot I, II, III", enthalten im Sonderheft Nr. 18 der KMG.

NICHT BERICHTIGTE IRRTÜMER

- Im Interesse der Glaubwürdigkeit des für die Handlung wesentlichen Konfliktes zwischen dem Starken Büffel und Old Shatterhand (DH 20, 378, 391 ff; F 20, 321 - 322, 331 ff.) hätte der Häuptling im unklaren bleiben müssen über die Taktik des Weißen, mit der er sich sogar einverstanden erklärte (DH 20, 364 l; F 20, 298-299.) - (Hinweis von Heinz Stolte.)

- Statt "dreißig Yumakrieger" muß es "dreißig Mimbrenjo-Krieger" heißen: DH 20, 504 l, vorl. Absatz des 3. Kapitels; F 20, 426, vorl. Absatz des 5. Kapitels.

- Die Aussage "Eine Besprechung mit Winnetou war nicht nötig" (DH 20, 651 r; F 20, 548) steht im Gegensatz zu der sich auf dasselbe Vorhaben beziehenden Aussage "Natürlich hatte ich mich ... gegen Winnetou ... soviel, wie notwendig war, ausgesprochen". (DH 20, 652 l; F 21, 2)

- Beim Kampf gegen Weller senior (DH 20, 734 l; F 21, 94) schlägt Old Shatterhand anscheinend überkreuz!

- Der Anspruch des Haciendero, "kraft meines Amtes", ist Unsinn, da er kein 'Amt' hat. (DH 20, 750, F 21, 116)

Herausgegeben von der Karl-May-Gesellschaft

in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Pustet, Regensburg.

Reprint-Druck durch die Graphische Kunstanstalt

Fr. Ant. Niedermayr, Regensburg.

450/5/80

Postskriptum des Verfassers zur überarbeiteten Fassung: Angesichts der in weiteren zwanzig Jahren gewonnenen Lebenserfahrung meine ich, im vorliegenden Nachwort seien gewisse Modifizierungen von Nutzen. Das Bemühen, Karl Mays Seelenlage zu erkennen und das (wahrscheinlich!) aus seinem Unterbewußtsein ins Werk Eingeflossene dingfest zu machen, trägt viele Früchte - und weckt immer neue Zweifel am "Nährwert" dieser Früchte. Mein "Anspruch" lautet nicht: Seht, meine Überlegungen haben mich zur Wahrheit geführt! Er lautet vielmehr: Auch aus irrigen Überlegungen kann für den inspirierten Leser der Funke springen, der  i h n  zur Wahrheit führt. Sollte niemand je sie finden, wird das Faszinosum KARL MAY bis in alle Ewigkeit den Menschen weit mehr zu sagen haben als die Menschen über KARL MAY.

Impressum Datenschutz