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EKKE W. GUENTHER

Karl May und sein Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld*



»Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte«, sagt Schiller im Prolog zu »Wallensteins Lager«, und dieses Wort paßt wie kaum ein anderes auf Karl May. Um ein wahres Bild dieses vielumstrittenen Mannes zu erhalten, wird man auf persönliche Eindrücke und Erlebnisse mit ihm nicht verzichten können, und sein Verleger spielte in Mays Leben keine ganz geringe Rolle.

In Friedrich Ernst Fehsenfeld hatte May einen Mann gefunden, der nicht nur in Wort und Schrift für seinen Autor eintrat, sondern auch durch richtige Einschätzung der möglichen Leser, durch geschickte Werbung und durch einen guten Geschmack, mit dem er das Gesicht der May-Bände gestaltete, den Reiseerzählungen zum Durchbruch verhalf. Er fand den für die Bücher Mays charakteristischen Buchtypus: kleinoktav, grüner Einband mit buntem Deckelbild und schwarzgoldenem, mit Arabesken verziertem Rücken. So traten die Bände Karl Mays vor 85 Jahren von Freiburg aus über die Ladentische der Sortimente ihren Siegeszug in die deutsche Leserwelt an, und so werden sie auch heute noch - nunmehr vom Karl-May-Verlag in Bamberg - herausgegeben.

Der so bald eintretende große Erfolg der Reiseerzählungen verlangte es, daß Autor und Verleger aus einem Geiste heraus arbeiteten. Für einen rechten Verleger ist das Buch nicht bloßer Handelsgegenstand, sondern er lebt mit ihm, er bemüht sich um sein Ergehen, seine Verbreitung, und in vielen Fällen ist es ihm auch ans Herz gewachsen.

So sollen im folgenden nicht nur die Beziehungen der beiden Männer zueinander aufgezeigt werden, sondern neben May ist auch Fehsenfeld zu charakterisieren. Hierzu standen mir verschiedene Unterlagen zur Verfügung. Einmal Erzählungen in der Familie meiner Groß-

* Vortrag, gehalten auf der 4. Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Freiburg am 22.Oktober 1977.


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eltern Fehsenfeld und meiner Eltern, dann Aufzeichnungen der Frau des Verlegers, Frau Pauline Fehsenfeld, die diese 1942 als 84jährige aufgeschrieben hat. Ferner besitze ich einige Briefe, Postkarten und Verträge sowie Bemerkungen von Karl May zu den Abbildungen für die illustrierte Ausgabe seiner Bücher. 1934 erschien im Karl-May-Verlag eine kleine Schrift meines Vaters, des Professors für Zoologie an der Universität Freiburg und Schwiegersohnes von Friedrich Ernst Fehsenfeld, unter dem Titel »Karl May und sein Verleger«, in der vielerlei Wissenswertes zusammengestellt ist. An Karl May habe ich selbst so gut wie keine Erinnerung mehr, da er starb, als ich noch ein kleines Kind war.

Das erste Zusammentreffen von May und Fehsenfeld ist schon mehrfach beschrieben worden. Im Frühjahr 1891 las Fehsenfeld als junger Buchhändler, er hatte kurz vorher sein Sortiment in Freiburg verkauft und einen Verlag eröffnet, im »Deutschen Hausschatz« des Verlages Pustet, Regensburg, die Erzählung »Giölgeda padishanün« (Im Schatten des Großherrn) von Karl May. Dabei erging es ihm so, wie er es im Vorwort von »Durch die Wüste« schildert: Die Spannung, mit der man die Reiseerzählungen liest, liegt begründet einesteils in den hochinteressanten Sujets, welche der Autor wählt, und andernteils in der originellen und meisterhaften Weise, in welcher er sie beherrscht und behandelt. »Bei ihm ist keine Zeile ohne Leben, ohne innere und äußere Bewegung. Er empfindet, denkt und berechnet auf seinen Reisen wie wenige Seinesgleichen und zwingt den Leser, mit ihm zu fühlen, mit ihm zu denken und zu berechnen. Man lebt sich so in ihn hinein, daß man ganz und vollständig sein Eigen wird. Dazu kommt der hohe sittliche Gehalt, den alle seine Werke besitzen. Er ist, vielleicht ohne es zu beabsichtigen, ein Missionar, ein Prediger der Gottes- und der Nächstenliebe, doch besteht seine Predigt nicht in Worten, sondern in Thaten.«

In dem für Fehsenfeld typischen raschen und impulsiven Handeln schrieb er sofort an Karl May. Man sollte doch die Erzählungen aus ihrer Zerstückelung in den Zeitschriften herausholen, sie in Bücher fassen und sie so der Jugend und dem ganzen deutschen Volke schenken. Im Spätherbst desselben Jahres kam aus Kötzschenbroda die Antwort Mays: Von einer meiner größeren Reisen zurück - Frau Fehsenfeld meint, er sei in diesem Sommer gar nicht verreist gewesen - bitte ich Sie, mich zu besuchen, damit wir alles mündlich besprechen können. Fehsenfeld reiste nach Dresden. Seine Ankunft hatte er vor-


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her mitgeteilt. Am kleinen Bahnhof Weintraube stieg er aus, und da kam dann auch ein Herr in grauem Radmantel auf ihn zu, legte beide Hände auf Fehsenfelds Schultern und rief aus: »So muß mein Verleger aussehen.«

Fehsenfeld kam in gehobener Stimmung nach Freiburg zurück. Er erzählte von Karl Mays Liebenswürdigkeit, von Frau Emmas gastlicher Aufnahme und der Abfassung eines für beide Teile günstigen Vertrages. Eines fiel ihm auf, daß die kleine Villa, die May bewohnte, wie eine Festung verschlossen und verrammelt war; schon der Garten war von einem palisadenartigen Zaun umgeben und das Haus mehrfach verriegelt und verschlossen.

Der Vertrag vom 17. November 1891 legte fest, daß May und Fehsenfeld gemeinsam Buchausgaben der im »Deutschen Hausschatz« und anderen Zeitschriften bisher erschienenen Reiseromane des Dr. Karl May herausbringen wollten. Es sollten Bände von ungefähr 500 bis 600 Seiten erscheinen. Den literarischen Teil sollte Herr Dr. May übernehmen, den geschäftlichen Herr Fehsenfeld. May sollte vor Erscheinen eines jeden Bandes 500 Mark postwendend nach Eintreffen des ersten Manuskriptbogens erhalten und nach Absatz von jeweils 5000 Exemplaren weitere 2000 Mark. Der Verfasser oder ein von ihm Bevollmächtigter hatte jederzeit das Recht, die Absatzbücher zu überprüfen.

In späteren Verträgen wurden die Forderungen Mays größer. So steht in einem Vertrag vom 10. Februar 1907: Der Reingewinn wird zwischen Autor und Verleger geteilt. Herr May (nun nicht mehr Dr.) hat für seine Hälfte sämtliche Manuskripte zu liefern, Herr Fehsenfeld von der seinigen die Kosten des Vertriebs und der Reklame zu bestreiten. Die Honorare an Herrn May sind im voraus zu zahlen, sobald er die Genehmigung zur Auflage erteilt.

Und in einem Vertrag vom 1. April 1907 steht: Der Vertrag kann von jedem der beiden Kontrahenten zu jeder Zeit gekündigt werden. Der Gebrauch des Wortes »Kündigung« oder »kündigen« genügt. Eine Angabe der Gründe ist nicht erforderlich. Die Kündigungsfolge tritt genau nach zwei Jahren ein. Herr May tritt dann wieder in den Vollbesitz seiner Rechte. Herrn Fehsenfeld bleibt noch ein drittes Jahr, um mit den Vorräten aufzuräumen.

»Karl May war ein Mann, den man nicht übersah«, schrieb Frau Fehsenfeld, »besonders der Kopf schön und interessant; durchdringende, hellblaue Augen, gebräunte Haut, schöne breite Stirn, hell-


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graues, sehr dichtes Haar, das ohne Scheitel zurückgestrichen war. Seinen Mund umspielte oft ein leicht ironisches Lächeln. Seine Gestalt war mittelgroß, gedrungen, die Beine etwas krumm, die richtigen Reiterbeine. Kein Wunder, sagten wir, May verbringt ja sein Leben im Sattel, auf dem Rücken seines edlen Rih, der ihn durch die Wüste und Gebirge trägt und seinen Herrn aus Tod und Gefahr rettet.«

Aber auch Fehsenfeld war eine Persönlichkeit. Er war hochgewachsen und schlank, damals fiel eine Größe von 184 cm schon aus der Norm. Bis zu seinem Ende, das ihn drei Monate vor seinem 80. Geburtstag traf, bewahrte er seine aufrechte Haltung, den Kopf oft leicht zurückgeworfen, weswegen manch einer dachte, er sei hochmütig. Im Gegensatz zu May war er feingliedrig; ein schmales Gesicht mit einer gebogenen »Adlernase«. Ein rötlicher Spitzbart stand ihm gut, da er sein etwas zurückfliehendes Kinn verbarg. Besonders auffallend seine blauen leuchtenden Augen. Rötlich-blondes, bis ins Alter dichtes Haar war einfach zurückgekämmt.

Fehsenfeld war ein ausgezeichneter Sportsmann, Schlittschuhläufer, Schwimmer und einer der ersten Schneeschuhläufer auf dem südschwarzwälder Feldberg zu einer Zeit, als man noch mit einem langen Bergstock Ski fuhr, auf den man sich zum Bremsen setzte. Er fuhr mit dem Hochrad über den St. Gotthard-Paß nach Italien, und als es abwärts ging, wurden hinten am Rad lange Zweige zum Bremsen angebunden. Später, als es ihm finanziell gut ging, besaß er ein Auto, zu einer Zeit, als auf den Dörfern gegen dieses Teufelsbeförderungsmittel noch Nägel gestreut wurden. Viele Jahre war er ein begeisterter Jäger, und er sagte einmal, man solle ihm aufs Grab schreiben: »Hier ruht ein Jäger.«

Bis ins hohe Alter hinein hatte Fehsenfeld ein glänzendes Gedächtnis. Wie oft sagte er uns lange Gedichte auf, Schillersche Balladen, Uhland, Goethe; den Faust kannte er in vielen Partien auswendig. Noch kurz vor seinem Tode zitierte er Gesänge der Odyssee auf griechisch. Als junger Buchhändler in Karlsruhe wohnte er mit einem Schotten zusammen, der nach Deutschland gekommen war, um die deutsche Sprache zu erlernen. Nach einem halben Jahr konnte Fehsenfeld englisch sprechen, der Schotte nur wenig deutsch. Sein Gespür für gute Abenteuer-Literatur wird dadurch deutlich, daß er auch heute noch so geschätzte Bücher wie: das »Dschungelbuch« von Kipling, »Wolfsblut« von Jack London, »Die Schatzinsel« von Stevenson und


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zwei Bände von R. Haggard aus dem Englischen ins Deutsche übersetzen ließ und in einer Serie »Welt der Fahrten und Abenteuer« herausbrachte. Sein Verständnis für Literatur basierte nicht nur auf Veranlagung, sondern er hatte als Schüler und junger Buchhändler besondere Gelegenheit, es auszubilden.

Sein Vater Johannes Fehsenfeld war Bauernsohn und stammte aus der Nähe von Achim bei Bremen. Er bestand seine Reifeprüfung in Jever im nördlichen Oldenburg und wanderte dann zu Fuß durch ganz Deutschland nach Tübingen, wo er Theologie studierte. Ähnlich wie Fritz Reuter muß er sich für ein demokratisches, nicht in einzelne Fürstentümer zerrissenes Deutschland eingesetzt haben, denn er wurde ebenfalls zu Festungshaft verurteilt, die er auf dem Hohenasperg bei Heilbronn absitzen sollte. Da er sportlich sehr gewandt war, konnte er jedoch entfliehen. Er sprang von der Festungsmauer in die Krone eines hohen Baumes, ließ sich stürzend und rutschend abwärtsgleiten und kam glücklich unten an. Heinrich Seidel hat diese Flucht für eine kleine Novelle »Der Lindenbaum« verwendet.

Schon im Alter von 24 Jahren war Johannes Fehsenfeld Pastor in der Gemeinde Großlengden bei Göttingen. Hier vertrat er sein Amt 54 Jahre lang. Er war dreimal verheiratet und hatte für 14 Kinder zu sorgen, deren Erziehung ihm nicht immer leicht fiel. So war es eine Entlastung, daß sein begabter Sohn Friedrich Ernst mit 8 Jahren zu seiner verheirateten Schwester nach Berlin kommen konnte, die mit dem damals bekannten und bei Schriftstellern gefürchteten Literarhistoriker Dr. Julian Schmidt verheiratet war. In dessen Haus gingen zahlreiche Literaten und Wissenschaftler ein und aus. Freiligrath, Fritz Reuter, Auerbach, die Gebrüder Grimm, Treitschke und Mommsen, der Philosoph Wilhelm Dilthey und Iwan Turgenjew. Für den verwöhnten Russen wurde das Essen, das er vorgesetzt bekommen sollte, schon einige Tage vorher von der Familie probeweise gegessen. Eine besonders innige Verbindung bestand zu Gustav Freytag. Die Frau Luise, geb. Fehsenfeld, muß ebenfalls sehr intelligent gewesen sein. Sie war so in den Geist ihres Mannes eingedrungen, daß sie nach seinem Tode den unvollendeten letzten Band seiner Literaturgeschichte zu Ende schrieb, und man sprach davon, daß dieser Band der beste sei. Man kann sich leicht vorstellen, was für anregende Gespräche im Hause von Julian Schmidt geführt wurden, wo manch einer der Gäste ein neues literarisches Werk zum ersten Mal vorlas. Friedrich Ernst


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besuchte in Berlin das humanistische König-Wilhelm-Gymnasium bis zur Oberprima und mußte dann aus finanziellen Gründen sich dem Beruf des Buchhändlers zuwenden.

Nach Lehr- und Gesellenjahren erwarb er 1879 die Heinemannsche Universitätsbuchhandlung in Gießen, verkaufte diese jedoch nach 6 Jahren und erwarb eine Buchhandlung in Freiburg i. Br. Auch diese verkaufte er wieder und eröffnete dann einen Verlag. Er verheiratete sich 1880 mit Pauline Rheinboldt, der Tochter eines Rechtsanwalts und Notars aus Baden-Baden. Dieser war zunächst in staatlicher Stellung gewesen, hatte aber während der Revolution von 1848/49 weiter seinen Dienst versehen und sich nicht gegen die provisorische demokratische Regierung gestellt, weshalb er nach der Unterdrückung der Demokratie sein Amt aufgeben mußte und sich als Rechtsanwalt niederließ.

Als sich Pauline Rheinboldt und Friedrich Ernst Fehsenfeld verloben wollten, war den guten Baden-Badenern der lebhafte, amüsante, witzige Norddeutsche unheimlich, und sie bestimmten ein Probejahr vor der Eheschließung, das aber abgekürzt wurde, da Pauline vor Aufregung erkrankte. Sie war sehr begabt, besonders für Sprachen, war klein, brünett, hatte aber helle blaue Augen. Vor allem war sie ein überaus guter Mensch, war sehr lebhaft und fleißig. Bei den Besprechungen und Unterhandlungen mit Karl May blieb sie im Hintergrund, hat aber doch manche Entscheidung beeinflußt und vieles gelenkt.

Sie schrieb in ihren Erinnerungen an Karl May: »Die Herausgabe der Werke Karl Mays wurde nun in Freiburg vorbereitet und sie erschienen in 10 Lieferungen à 50 Pf pro Heft. Der Erfolg in den ersten Wochen entsprach nicht den Erwartungen des Verlegers. Allgemein war man der Meinung, der Preis von 5,- Mark je Band sei zu hoch. Nach langem Überlegen und hauptsächlich meinem Rate folgend, wurde der Preis auf 30 Pf herabgesetzt. Mein Mann wollte auf 40 Pf bestehen, doch ich sagte, 40 Pf ist zu nahe an 50 Pf und 30 Pf ist kein Geld. Und von da an schlug die Sache ein.«

Von ihren Erlebnissen mit Karl May und seiner Frau Emma berichtet Frau Fehsenfeld: »Im Sommer 1893 sah ich Karl May zum ersten Mal. Unsere Abholung an der Bahn (in Freiburg) und die Enttäuschung über das Nichteintreffen der Gäste, für die wir uns liebevoll vorbereitet hatten, habe ich ja schon früher erzählt.

Nach einer Viertelstunde unseres Heimkommens klingelte es, und


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Karl May stand lächelnd und selbstbewußt in der Thür. Einen Moment hatte ich das Gefühl, eine Vision möchte ich es nennen, daß der, der da steht, nicht der ist, der er scheinen möchte, so als ob er eine Rolle spielte und der richtige Karl May dahinter versteckt sei.

Wir waren damals gerade im Begriff, mit unseren Kindern nach der Schweiz zu reisen, hatten lange vorher bestellt, und Karl May und Frau Emma schlossen sich uns an. So lange wir noch mit den Gästen in Freiburg waren, ging alles friedlich zu, doch schon auf der Reise war Karl May launisch und reizbar. Frau Emma, eine so gute sparsame Hausfrau sie auch war, verstand nicht, ihren Mann zu nehmen, so wie er war, und seine Psyche war ihr vollständig verschlossen. Sie wußte nicht zu schweigen am richtigen Platz, sie war kleinlich sparsam, er großzügig und verschwenderisch. In Bönigen, am Brienzer-See, wo wir zusammen Unterkunft hatten, kaufte May viele schöne Ansichtskarten. Darüber machte ihm Frau Emma eine Scene. Er stürmte im Zorn davon, rannte in der Gegend umher und kam erst spät nachts zurück. Ich glaube, daß Frau May viel unter den unsicheren Verhältnissen in den ersten Jahren ihrer Ehe gelitten hat, und sich in die spätere pekuniäre Lage, als Karl May Erfolg hatte, noch nicht hineinfinden konnte.

Wir hatten schöne Zimmer im ersten Stock mit Blick auf den See, für Karl May und Frau, da sie vom Wirt unerwartet kamen, waren weniger gute Zimmer da. Dieses mag seine Eitelkeit gekränkt und ihn verstimmt haben. War er guter Laune, dann war er der liebenswürdigste, der unterhaltendste, witzige Gesellschafter, so sprach er mit meinem Mann oft nur in Versen, z. B. beim Abschied, er reiste vor uns ab, rief er vom Schiff dem Wirt zu, mit dem er sich sehr befreundet hatte: "Ich dank auch für die Bohnen, der Himmel wirds Euch lohnen." Der Wirt war auch ein eifriger Skatbruder, wie Karl May und mein Mann. Allabendlich saßen sie zusammen und klopften ihren Skat oder Lomber in größter Gemütlichkeit. Als May's abgereist waren, fühlten wir uns erleichtert, denn das Verhältnis der Eheleute paßte nicht in unsere friedliche Stimmung.

Ich glaube, es war 1894, als wir May's in Kötzschenbroda besuchten; wir wurden sehr gut und gastlich aufgenommen. Sie überließen uns ihr eigenes Schlafzimmer, was uns sehr peinlich war. Es trat Regenwetter ein, das Haus war kalt und feucht, und die wechselnde Stimmung des Hausherrn trug nicht zum Wohlbehagen bei. Frau Emma erzählte mir manches aus ihrem Eheleben, unter anderem, daß Karl May einmal


[Friedrich Ernst Fehsenfeld (61-Kb-Jpg)]


Winnetou kniete auf dem Pferde hinter dem Komantschen [(63,6-Kb-Jpg)]


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davon gesprochen hätte, ein Kind anzunehmen, da sie kinderlos seien. Mit weiblicher Schlauheit und indem sie so tat, als ob sie mit seinem Vorschlag einverstanden sei, und dann mit vielen Kreuz- und Querfragen quetschte sie schließlich aus ihm das Geständnis heraus, daß das fragliche Kind  s e i n  Kind sei und die Mutter ein früheres Dienstmädchen. "So, diese dreckige Person? Deren Kind will ich nicht", sagte Frau Emma. Wie unverständlich von ihr. Sie hätte vielleicht May zu einem anderen Menschen gemacht und mehr Einfluß auf ihn gewonnen. May war im Grunde ein guter Mensch und hatte immer das Bestreben, höher heraufzuwachsen. Einmal sagte er zu uns: "Ich komme aus dem Sumpf." Als er viel Geld verdiente, unterstützte er seine armen Verwandten reichlich. Frau Emma durfte nicht viel davon wissen, sie kämpfte immer dagegen. Jeden Abend, wenn er schlief, untersuchte sie seine Taschen nach Briefen und Geld. Frau Emma sollte nicht wissen, wieviel May von Freiburg bekam. So versteckte er einmal ein Couvert mit 5000 Mark in Scheinen im Ofen, es war vor einer sogenannten Sommerreise, die meistens erst erfolgte, wenn der erste Schnee fiel. Als May's zurückkamen, befahl Frau Emma dem Dienstmädchen, im Ofen ein Feuer zu machen. Als dieses lustig brannte, bemerkte es May mit Schrecken und rief: "Das Geld ist verbrannt." Da brachte das Mädchen einen Briefumschlag mit den Worten: "Das war im Ofen".«

Fehsenfelds Tochter Eva, sie war damals ein reizendes Mädchen von etwa 16 Jahren, hatte May besonders ins Herz geschlossen. Er läßt sie in verschiedenen Briefen grüßen. Aus Kairo schickte er ihr am 24.4.1899 eine Ansichtskarte: »Souvenir du Cairo« und schrieb darauf: Unter Palmen Niemand sicher wandelt, auch mich hat die Sonne braun gebranntelt, Dr. Karl May. Oder ebenfalls aus Kairo: Meiner lieben Nachbarin während der schönen Heimfahrt einen Cruß aus Kairo. Dr. Karl May.

Fehsenfeld gab Karl-May-Postkarten heraus, die einzelne Szenen aus den Reiseerzählungen illustrierten. Auf einer dieser Karten sieht man den Helden im Kampf mit einem Bären (»Im Lande des Mahdi«, Bd. 3, S. 325). Darüber steht: Noch war sie (die Bärin) im Stürzen, da hob ich den Kolben hoch . . . « Dazu schrieb Karl May am 1.10.1898 aus Oberlößnitz: Mein liebes Evchen! Der gewünschte Gruß soll so groß und herzlich sein und es ist doch so wenig Platz dazu. Papa möchte das ändern lassen. Also: Grüß Gott! Dr. May.


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Karl May hat im dritten und vierten Band von »Im Reiche des silbernen Löwen« seinen Verleger in der Person des Pedehr verkörpert. Der Pedehr ist der Scheich des persischen Stammes der Dschamikun. Zunächst tritt er in der Verkleidung eines Fakirs auf. Hadschi Halef Omar und Kara Ben Nemsi erkranken schwer an Typhus und werden von dem Pedehr, der gute medizinische Kenntnisse hat, gesund gepflegt. Er ist ein Großneffe der Marah Durimeh, die in den späteren Werken Mays eine so bedeutsame Rolle spielt.

May schreibt: »Seine Dschamikun nannten ihn Pedehr, den Vater. Sie liebten ihn; sie ehrten ihn; sie vertrauten ihm. Er verdiente das, denn er war ihnen im wahrhaftesten Sinn des Wortes und in vollster Wirklichkeit ein Vater. Wie kam es doch, daß ich jetzt an den meinigen denken mußte. Er war ein einfacher Bürgersmann gewesen, schlicht und recht, wie arme Leute sind, vor deren Thür die Dürftigkeit am Tage wacht und auch des Nachts nicht schläft. Er hatte jenes Forschen und Suchen nicht begreifen können. Die materielle Not ist blind gegen Ideale. Er litt unter meinen äußeren Niederlagen; an den inneren Siegen aber, zu denen sie mich führten, konnte er nicht teilnehmen; sie brachten ihm keinen Gewinn.« (XXVIII, 624f.) Hier geht May also vom Pedehr auf sein eigenes Leben über.

Kara Ben Nemsi erwähnt mehrfach die Augen des Pedehr. »Hast du dir die Augen dieses Mannes betrachtet? . . . Jetzt aber möchte ich mich fragen, ob ich wohl schon einmal etwas so Schönes wie diese Augen gesehen habe.« Und dann weiter: »Im Herzen des Menschen wohnt entweder der Himmel oder die Hölle, und das Auge ist das Fenster, durch welches entweder Allah oder der Scheitan seinen Blick nach außen richtet. Dieser Pedehr trägt den Himmel in sich. So oft er seinen Blick auf mich lenkte, war es mir, als ob Allah mich anschaue. Ich könnte diesem Manne niemals etwas thun, was ihn betrüben müßte.« (XXVIII, 242)

Und an anderer Stelle: Des Pedehr freies Angesicht wurde von jenem Hauche innerer Jugend verschönt, welche aus der Seele auf den Körper überstrahlt und selbst im höchsten Lebensalter nicht vergeht. Man sah ihm an, daß er mit vollem Rechte Pedehr genannt wurde, ein Vater, der den Seinen nichts als Liebe giebt, Liebe mit verständiger Einsicht gepaart, und von ihnen dafür wieder Liebe erntet. (XXVIII, 270)

Fehsenfeld hat seinen über alles geliebten Sohn im Alter von 11


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Jahren an einer Blinddarmentzündung, die nicht rechtzeitig erkannt worden war, verloren. May greift dies auf. »Unter den Toten« berichtet der Pedehr, »befand sich mein einziger Nachkomme, . . . die Freude meiner Augen, die geliebte Abendröte meiner letzten Lebenstage. Als wir am andern Tage heimkehrten, sah ich ihn vor mir liegen, blutbefleckt und mit weit aufgerissenen Augen und im Todesschmerz geballten Händen.« (XXVIII, 230)

In einem Tagebuch, das eigens seinem Sohne gewidmet war, schrieb Fehsenfeld am 18.12.1891: »Finster liegt mein Leben, ja die ganze Welt vor mir. Unser großes Glück, mein Freund und Kamerad, wo ich wandelte, mein einziger Sohn ist todt. Gab es je einen Augenblick, wo ich seiner nicht gedacht hätte, wird es je einen geben, wo er mir nicht fehlen wird? O Hänner, o Hanni, o Hänschen, warum mußtest Du uns verlassen.«

In keiner Weise zufrieden war jedoch May mit der Einstellung seines Verlegers zu übersinnlichen Kräften und Geschehen. Ist es nicht grad der Geist, dem wir diese tiefeingehende, beglückende Wissenschaft über die Seele verdanken? Ist nicht er es, der uns mit dem Animismus, dem Okkultismus, dem Spiritismus, der Pneumatologie und ähnlichen übersinnlichen Geschenken gesegnet hat? Und dieser Geist, der die Menschen sogar Geister sehen und mit Geistern sprechen läßt, soll ein Phantom sein? Pedehr, Pedehr, du bist ein lieber, guter Mensch, bist mein und Halefs Retter, ragst seelisch über Tausende empor, doch muß ich dir es sagen: Du hast nicht eine einzige Spur von Geist! (XXVIII, 330)

Hierzu aus den Erinnerungen von Frau Pauline Fehsenfeld: »May reiste mit seiner Frau Emma und der innig befreundeten Witwe seines Freundes Plöhn wieder einmal nach Freiburg. May stellte Frau Plöhn als seine Schwester vor. Als wir fragten, wieso? sagte er, sie sei seine Schwester im Geiste. May und seine beiden Begleiterinnen waren zu dieser Zeit dem Spiritismus verfallen. Sie erzählten Wunderdinge von Sitzungen in ihrem Hause, wobei frische Blumen von der Decke heruntergekommen seien, auch vom Tischrücken, worauf wir an einem kleinen Tischchen uns vereinigten, die Hände aufgelegt, doch hatten wir keinen Erfolg. May behauptete, es seien Ungläubige dabei - was auch der Fall war. In diesen Tagen, es war im Wirtshaus von St. Ottilien bei Freiburg, befiel May ganz unvermittelt ein heftiges Zittern, man sah das Hin- und Herfliegen der Hand. "Schnell, schnell Bleistift und Papier", rief er und schrieb ein Gedicht hin, was ihm von "drüben"


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eingegeben worden sei. Leider ist es mir aus der Erinnerung entschwunden. Nur weiß ich noch den Anfang: "Oh, möchtest Du der Stimme lauschen." "Ihr Schwiegervater war da", flüsterte dann May mir zu. - Ich wüßte nicht, warum gerade mein Schwiegervater sich hätte mit mir aus dem Jenseits verbinden wollen. Ich habe ihn kaum gekannt, und er stand mir ganz fern.«

Über die Entfremdung, die später zwischen May und seinem Verleger eintrat, schreibt Frau Fehsenfeld: »In den folgenden Jahren trat allmählich zwischen May und seinem Verleger Mißstimmung ein. Es fehlte nicht an Neidern, Schmeichlern und Einflüsterern oder solchen, die das "Geschäft machen wollten" und Fehsenfeld bei May verleumdeten und heruntersetzten. May wollte mehr Geld haben und hatte nie genug. Trotzdem wäre er ein reicher Mann geworden, wenn er kein solcher Verschwender gewesen wäre und seine Prozesse nicht alles verschlungen hätten.«

May hatte wohl nicht viel Vertrauen zu seiner Umwelt. Bereits in den Verlagsverträgen war ja - worauf bereits hingewiesen wurde -vorgesehen, daß er oder ein von ihm Beauftragter jederzeit die Auslieferungsbücher des Verlages überprüfen könne. Frau Fehsenfeld berichtete von einem Besuch Mays in Stuttgart: »Er war sehr mißtrauisch und zweifelte an der Ehrlichkeit seines Verlegers. Er reiste einmal apart nach Stuttgart zu unserem Verwandten, Commerzienrat Krais, um zu sondieren, ob nicht mehr gedruckt worden sei, als man ihm bezahlt hätte. Da sagte Krais: "Herr Doctor, Zuchthausarbeit mache ich nicht."« Und an anderer Stelle: »May war der Meinung, sein Verleger verdiene zu viel. Er wollte seine Werke in Selbstverlag nehmen. Er kam, ohne uns zu benachrichtigen, nach Freiburg, suchte unseren langjährigen Gehülfen und Mitarbeiter Krämer im Verlag auf und machte ihm den Vorschlag, in seine Dienste zu treten und für ihn den Verlag in Radebeul zu führen. Krämer, der treu an meinem Mann hing, lehnte ab.«

An anderer Stelle berichtet Frau Fehsenfeld: »Mein Mann und ich waren einmal wie fast alljährlich zur Ostermesse in Dresden und wollten Mays einen kurzen Besuch in Radebeul machen. An einem schönen träumerischen Frühlingsabend an der stillen Lößnitz kamen wir vor das May'sche Haus, fanden aber alles verschlossen; dann wandten wir uns zu Plöhns und trafen das Ehepaar gerade, als sie von ihrer kleinen Fabrik kamen, scheinbar recht müde. So viel ich mich


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erinnere, arbeitete dort Frau Plöhn mit ihrem Mann zusammen. Sie nahmen uns gastlich auf, erzählten jedoch nicht, wohin May's gereist waren.

Herr und Frau Klara Plöhn waren die besten Freunde von Herrn und Frau May. Die beiden Ehepaare hatten sich einen Begräbnisplatz gekauft, wo alle Vier begraben sein sollten. Besonders die beiden Frauen waren innig befreundet, und zärtliche Anreden, wie Herzle und Schätzchen, schwirrten nur so umeinander.

Einige Zeit danach erfuhren wir, daß Herr Plöhn gestorben sei. Jetzt schloß sich Frau Klara noch inniger an Mays an. Die Zärtlichkeit der beiden Frauen gegeneinander war noch dieselbe. Später wurde dann May von Frau Emma geschieden und einige Zeit danach mit Klara Plöhn, der geliebten Freundin seiner ersten Frau, verheiratet.«

Ohne Zweifel waren Fehsenfeld und May ganz verschiedenartige Charaktere. May lebte in seinen Gestalten, sah in sich selbst den Helden. Frau Fehsenfeld schreibt: »In dieser Zeit, als May auf der Höhe seines Ruhmes stand, wurde ihm von allen Seiten Ehre erwiesen, und er sonnte sich in seiner Rolle als Edelster, Tapferster und Stärkster, wie er sich in seinen Büchern darstellt. So war er auch einmal in München bei einer bayrischen Prinzessin zum Thee eingeladen, wobei er einer der Hofdamen so die Hand drückte, daß sie laut aufschrie. "Das ist der Händedruck von Old Shatterhand", entschuldigte er sich.«

Fehsenfeld dagegen war ein Mensch, der sich nicht verstellen konnte. Er war - wie Frau Fehsenfeld schreibt - eine gerade und offene Natur. So mußte er Mays Wesen als etwas Unwahres empfinden, was ihn abstieß.

Aber dessen ungeachtet ist Fehsenfeld immer, auch in aller Öffentlichkeit, für May eingetreten. Wie oft sagte er: »Hat er in seiner frühen Jugend gefehlt, so hat er schwer dafür büßen müssen.« »Jetzt, wo alle irre an ihm werden, die in ihm einen Helden sahen, jetzt halte ich es an der Zeit, einzutreten für den 68jährigen Karl May, hinzuweisen auf das, was er getan, gelitten und erstrebt«, schrieb Fehsenfeld in einem Aufruf, in dem er sich am 22. April 1910 an die Öffentlichkeit wandte.

Als die illustrierte Ausgabe der Reiseerzählungen vorbereitet wurde, bekam May alle Abbildungen im Original zur Begutachtung zugesandt. Unter einige Bilder, die nicht verwendet wurden, schrieb er Bemerkungen, aus denen einmal hervorgeht, wie bildhaft er Personen,


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Ort und Handlung vor sich sah, und zum anderen, wie stark er sich selbst mit dem Helden personifizierte.

Hierzu seien einige Beispiele genannt: Eine Abbildung aus »Satan und Ischariot«, Bd. III, S. 132, zeigt Winnetou, wie er hinter einem Komantschen auf dessen Pferd kniet. Dazu Karl May: Weg damit. Mein herrlicher Winnetou und so ein Schnupftabakgesicht! Famose Frisur!

Oder eine Abbildung zu »Im Lande des Mahdi«, Bd. III, S. 467. Diese zeigt eine Auseinandersetzung zwischen Kara Ben Nemsi und dem Reis Effendina. Er zog sein Doppelpistol, spannte beide Hähne und richtete die Läufe gegen meine Brust. Ja, er machte Ernst. Dazu Karl May: Ich trage nur Fez. Das ist keine Doppelpistole! Wo habe ich meine Brust, auf die er die Waffe richtet? Im Gesicht? Und immer, immer anderer Anzug.

Ein drittes Bild war für »Weihnacht«, S. 109, gedacht. Der junge May und sein Freund Carpio machen eine Wanderung ins Gebirge zwischen Sachsen und Böhmen. Sie trafen eine arme Familie, Frau Wagner mit greisem Vater und Sohn, denen sie bis zu einer alten Mühle folgen, um vergessene Ausweise ihnen nachzubringen. Gegen Abend sahen wir eine kleine, ärmliche, halb verfallene Schneidemühle vor uns liegen, deren ziemlich defektes Räderwerk eingefroren war. Das sah schon von außen ganz wie Hunger aus. Die kaum noch in den Rahmen hängenden Fenster hatten Risse und Löcher, welche mit Papier zugeklebt waren. Ein alter, abgemagerter Hund fuhr, als wir uns näherten, unter einer tiefen Schneewehe, wo er sein Lager hatte, hervor und vollführte mit seiner heiseren Stimme einen Lärm, auf welchen die obere Hälfte der quergeteilten Thür geöffnet wurde. Das Gesicht einer alten, wie es schien, abgehärmten Frau war zu sehen. Hierzu Karl May: Wunderbare Mühle! nicht. Von was wird sie getrieben? Wahrscheinlich vom Müller mit dem Munde geblasen. Unterschlächtig ist sie nicht; das sieht man ja. Also oberschlächtig? Es tropft von den Balken. Woher kommt das Wasser? Wahrscheinlich aus einem gewissen pot in der Schlafstabe. Der Zeichner hat sich da einen famosen Witz geleistet! Wohin die Brücke nur fahren und woher der Bach nur kommen mag? Eines von beiden ist verrückt.

»Wieder einmal kam May nach Freiburg«, schrieb Frau Fehsenfeld, »gleich am ersten Tage landete er in einer Bodega und blieb dort rauchend, trinkend und Skat spielend bis tief in die Nacht. Als der Wirt


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um 12 Uhr nachts Feierabend ansagte, rief Karl May empört: "Was Feierabend? Wissen Sie wer ich bin? Ich bin Karl May." Der Wirt, der zufällig ein Leser und Verehrer von May und nicht mehr ganz nüchtern war, sank diesem in die Arme, und gerührt gelobten sich beide ewige Freundschaft. "Sie bleiben die Nacht bei mir, Sie sind mein Gast", sagte der Wirt, und so blieb May drei Tage dort und schlief auf einem Sopha im Hinterstübchen. Zitterig und unsicher erschien Karl May bei uns, die letzten Tage waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. May wurde später Pate eines Kindes des Wirts.

Bei seinem letzten Besuch in Freiburg brachte May seine zweite Frau mit, er war zu dieser Zeit aber schon recht nervös, und von dem liebenswürdigen, heiteren May von früher war keine Spur mehr vorhanden. 15 Prozesse waren zu gleicher Zeit im Gang, die ihn seelisch und geldlich aufrieben.

Zum letzten Male sah ich ihn in Augsburg, wo er einen Vortrag hielt, fast zwei Stunden erzählte er in interessanter und packender Weise und hatte begeisterten Beifall. Nach dem Vortrag bei einem gemütlichen Beisammensein erinnerte er an die alten Zeiten, wo er uns ein guter werter Freund war.«

May starb am 30. März 1912 in Radebeul. Fehsenfeld hat ihn um mehr als 20 Jahre überlebt, er verstarb am 16. September 1933. May wurde in einer Gruft auf dem Friedhof in Radebeul beigesetzt; suchen wir die letzte Ruhestätte von Fehsenfeld, so müssen wir uns nach Ehrenstetten bei Freiburg begeben.

Wenn man vom Dorf in Richtung zum Schwarzwald wandert, trifft man am Waldesrand auf den Bettlerpfad, der Freiburg mit dem Städtchen Staufen verbindet. Von oben, am Ende einer sanft ansteigenden Wiese, schaut ein freundliches Haus herab, der Lehenhof. Diesen alten Bauernhof, er ist schon seit mehr als 400 Jahren urkundlich bestätigt, erwarb Fehsenfeld 1898, da er in der Mitte seines ausgedehnten Jagdgebietes lag. Und hier entwickelte sich das Familienleben in seiner sonnigsten Form. Fehsenfeld war ja ein überaus geliebter Großvater und Vater, ein wirklicher Pedehr. Einige mächtige Eichen überragen das Haus, und eine schöne Linde steht davor.

Hier ruht die Asche von Friedrich Ernst Fehsenfeld. Und unser Blick geht von der Waldhöhe weit über das fruchtbare Rheintal bis zu den fernen Vogesen, hinter denen allabendlich die Sonne untergeht.


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