//15//

KARL MAY

Briefe an Karl Pustet und Otto Denk

Mit einer Einführung von Hans Wollschläger



Überblickt man die wichtigsten Vorgänge in Mays Leben während des Jahres 1907, so kommt neben die Reichsgerichtsentscheidung im Münchmeyer-Prozeß (9.1.) und ihren Gegenschlag, die Anzeige des Münchmeyer-Anwalts Gerlach gegen May »wegen Meineids bzw. Verleitung zum Meineide« (15.4.), auch ein durchaus literarisches Ereignis zu stehen, das bestimmt schien, May aus den zermürbenden juristischen Beschäftigungen wieder in sein "Eigentliches" freikommen zu lassen, und das in seinen Folgen mit ihnen doch unablösbar verknüpft blieb: das Treffen mit Otto Denk, dem Redakteur des "Deutschen Hausschatzes" (13.9.). Es führte zur Vereinbarung einer neuen Zusammenarbeit und bewirkte, daß May nach über einem Jahr schöpferischer Untätigkeit wieder ein großes Werk zu konzipieren unternahm.

   "Der 'Mir von Dschinnistan" wurde unstreitig eine der wichtigsten Altersarbeiten Karl Mays und vielleicht deren bedeutendste: ein großer allegorischer Weltentwurf und, wie Heinrich Wagner schrieb, eine »Friedenssymphonie«, in der ihr Autor in beiderlei Sinne "seiner" Zeit entrückt scheint; gleichwohl ist sie in einer Periode der anstrengendsten Lebensgefährdung entstanden. Fast gleichzeitig mit dem Erscheinen des Textbeginns im "Hausschatz" (Jahrgang 34, Heft 3; November 07) traf May der sicher böseste Schlag des Jahres 1907, nämlich die Haussuchung am 9.11., mit der Beschlagnahme zahlloser auch literarischer Papiere, sowie die Verhängung der Briefsperre; beides brachte eine Ängstigung mit sich, die sich mit keiner der vergangenen Prozeßjahre vergleichen ließ, und machte ihm den Ernst seiner Lage auf eine fraglos schockartige Weise klar: zum erstenmal trat sein Prozessieren - mochte es »krankhaft falsch« immer gewesen sein, wie Gerlach später, in zu spätem Mitleid, schrieb - aus dem beherrschbaren Ritual der Zivil- und Privatklagen heraus; zum erstenmal war er im Alter selber wieder in Gefahr, nach dem Strafrecht verurteilt zu werden. Die Meineidsuntersuchung führte zu einer ebenso rührigen wie unrührbaren staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit, die das ganze Jahr 1908 überschattete, und man darf die unablässig fühlbar werdende Bedrohung und Demütigung dieses Vorgangs nicht aus dem Auge verlieren, wo man


//16//

versucht, sich die Werksbeschaffenheit des "Mir" wie das Lebensverhalten des Autors während seiner Entstehung zu deuten. Erst nach fast zwei Jahren, am 26.1.09, wurde May offiziell »außer Verfolgung« gesetzt; da hatte aber bereits die letzte große Verfolgungswelle seines Alters eingesetzt, nämlich die Prozeßreihe um Lebius -: wahrhaftig, der gesamte "Mir" ist bis zum Schluß unter lebensaufzehrender Bedrückung entstanden; im September 09 wurde er von May abgebrochen und blieb ein Torso.

   Aber nicht nur die juristischen Feindseligkeiten, die Mays Ruhe bedrängten, haben dem Roman Schäden zugefügt, die das ästhetische Urteil nicht übersehen kann; Gegner-, ja Feindschaft erwuchs ihm auch, und zwar schon bald, literarisch an eben der Stelle, wo das Werk erschien und seine volkspädagogische Mission entfalten sollte. Ob die Leserstimmen, die ihm die unkatholische Denkweite ebenso vorwarfen wie den Verzicht auf turbulente äußere Handlung, wirklich so zahlreich waren, wie der Redakteur Denk sie May gegenüber hinstellte, oder ob es allein die persönliche Geistesenge und Mißgunst Denks selber war, was sich hier aussprach und auswirkte -, die Tatsache ist, und jetzt belegbar, daß May von der Redaktion immer wieder in seiner Arbeit irritiert und schließlich zum Abbruch der Erzählung genötigt wurde. Die Aufregungen, die ihm daraus erwuchsen, sind wohl vorstellbar. Sie trafen nicht nur das Empfindlichste seiner unter dauernder innerer Erschütterung sich wandelnden Altersarbeit; sie erhöhten auch seine Angst, vom offiziellen Familien-Katholizismus verlassen und offen befeindet zu werden. Aus dieser Angst heraus wohl hat er sich zu mancherlei Kompromissen gezwungen, die man aufspüren kann; sie bewirkten zuletzt, daß seine Konzeption um die Radikalität kam, zu der sie sichtbar angesetzt hatte. Ich habe nicht die Topographie des Landes, durch welches wir ritten, zu behandeln, sondern meine Leser wünschen, daß ich ihnen so viel wie möglich Ereignisse bringe, für die sie sich interessieren (34, 801) -: Sätze wie dieser zeigen mit nur noch ganz leiser Ironie die Resignation, in der sich das Werk fortbewegte, und es ist nicht abzusehen, was außer der Landschaftsbeschreibung noch alles zu unterschlagen May sich genötigt sah. Die ästhetische Kritik an "Ardistan und Dschinnistan", an seiner Art des Gelingens und der seines, immer noch grandiosen, Scheiterns, gehört nicht hierher; Otto Denks Rolle aber bleibt jedenfalls für die Literaturgeschichte fortdauernd mit einem Makel behaftet, den kein wie sonst auch bewertbares Verdienst des pseudonymen Otto von Schaching wieder löschen kann.

   Am 8.3.08, mitten in der Schilderung des Stachelzwingers und der Befreiung daraus, machte May sein Stiftungs-Testament: - man ermißt vielleicht, wie dankbar und wichtig die Aufgabe wäre, die genaue Entstehungsgeschichte des "Mir von Dschinnistan" in parallelen Lebens- und Werksstationen zu beschreiben. Sie konnte bisher nicht ge-


//17//

leistet [geleistet] werden, weil zum einen das Manuskript des Romans, zum anderen die Korrespondenz zwischen May und dem "Deutschen Hausschatz" nicht zur Verfügung stand; nur einzelne Briefe aus dem Archiv des Pustet-Verlags konnte Ekkehard Bartsch 1977 im Jahrbuch veröffentlichen. Inzwischen aber hat auch der Karl-May-Verlag die in seinem Archiv verwahrten May-Briefe an Otto Denk und Kommerzienrat Karl Pustet zur Verfügung gestellt, und es steht zu hoffen, daß auch das Manuskript bald einer genauen Vergleichslesung zugänglich wird. Leider hat sich die Korrespondenz als sehr lückenhaft erwiesen -: die Briefe Denks und Pustets sind zur Zeit noch nicht zugänglich, die Mays nur zum Teil erhalten, und das Rätsel, wieso sich einige davon im Mays Hinterlassenschaft bewahrenden Archiv des KMV befinden, andere dagegen im Pustet-Verlag verblieben, ist (bis auf den langen Brief vom 11.1.09, den May zurückverlangte) zur Zeit nicht lösbar. Trotzdem stellt auch der erhaltene Bestand wertvolles Material dar, mit dem gearbeitet werden kann; er umfaßt die folgenden Daten:

20.1.08 an Denk
26.3.08 an Denk
20.4.08 an Denk
17.5.08 an Denk
26.6.08 an Denk
5.7.08 an Pustet
15.7. 08 an Denk
31.12. 08 an Pustet
ohne Datum an Denk
11.1.09 an Pustet
3.2.09 an Denk
28.5.09 an Denk

   Wie alle mit Selbstdeutung und Lebenserläuterung befaßten privaten Zeugnisse Mays wirken auch diese Briefe problematisch, ja oft befremdlich. Was in der Selbstbiographie lapidar in dem Satz Ich bin vollständig eingekreist zusammenfließt, zeichnet sich hier bereits in einem Gespinst von Fäden und Verbindungen ab, die Mays einzelne Gegner funktionell miteinander verknüpfen und ein wahres Verschwörungsnetz ergeben - eine Vorstellung, die gewiß verzerrte Züge trägt und der man, mit den Fakten nur oberflächlich vertraut, leicht einen klinischen Namen zu geben bereit wäre. Gerade hier aber ist Vorsicht geboten, und eben deshalb auch wird dem ersten Abdruck der Briefe in diesem Jahrbuch die Aufforderung vorangestellt, sich noch einmal genau die verworrenen und verwirrenden Lebenserleidnisse Mays in den Jahren 1907-08 zu vergegenwärtigen: - wo die Wirklichkeit alle gewohnten Begriffe von "Verfolgung" derart übertraf, darf bei deren Opfer von Verfolgungswahn nicht einfach die Rede sein. Wohl zeigt Mays Rea-


//18//

gieren [Reagieren] und Urteilen auch bei vertrauter Kenntnis aller Ursachen und Gründe immer wieder Fehleinschätzungen, Gewichtsverlagerungen, Hypertrophien (wie etwa in den ausufernden Passagen über Hermann Cardauns und Therese Keiter); zugleich aber spricht daraus auch eine, wie immer manchmal phantastische, Fähigkeit zum Ordnen und Systematisieren von chaotisch partikulären Erfahrungen, - eine Fähigkeit, der wir nicht zuletzt auch das Gedankengebilde des Dschinnistan-Romans verdanken. Man könnte sie, in höherer Bedeutung, am Ende sogar "Realitätssinn" nennen -: auch für ihn, den schöpferischen, mögen diese Briefe denn - wie für vieles andere in Mays Wesen - ein sprechendes Zeugnis sein.




Anmerkung der Redaktion:

Diese uns vom Karl-May-Verlag freundlich zur Veröffentlichung überlassenen Briefe Karl Mays an den Verlag Pustet werfen editionstechnische Probleme auf, welche durchaus dazu angetan wären, unsre in den vorausgegangenen Jahrbüchern angewandten Editionsprinzipien zu hinterfragen: - die unumgängliche Auseinandersetzung mit Problemen der Brief-Edition, der Editionstechnik überhaupt mit Karl May, stünde einer Experten-Kommission wohl an. Eine andere Frage ist die Druckbestimmung im Jahrbuch, und da beschränken wir uns auch diesmal auf die knappe Mitteilung, daß alle uns anvertrauten Handschriften selbstverständlich textgetreu in die bequeme Lesbarkeit überführt und etwaige Herausgeberzusätze deutlich durch eckige Klammern bezeichnet wurden; selbst offenkundige Verschreibungen - man wird Mühe haben, sie auszumachen - ließen wir unkorrigiert, um der Überarbeitetheit und hochgradigen Nervosität des Autors auch im kleinen vollste Rechnung zu tragen. Unterstrichenes ist im Druck durch Sperrung, mehrfach Unterstrichenes durch erweiterte Sperrung hervorgehoben. Saubere Fotokopien und buchstaben- wie zeichengetreue Transliterationen der Briefe stehen dem Archiv der Karl-May-Gesellschaft in Bad Segeberg zur Verfügung.

   Um dem Leser die Lektüre der Karl-May-Briefe an den Verlag Friedrich Pustet als - soweit erhalten - geschlossenes Konvolut zu erleichtern, haben wir die bereits im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1977 abgedruckten Briefe, die sich im Archiv des Pustet-Verlags befinden und die dieser uns zur Auswertung überlassen hatte, nochmal mit aufgenommen und chronologisch eingefügt. Zum Verständnis der Zusammenhänge sei trotzdem die Lektüre des Aufsatzes "Ardistan und Dschinnistan - Entstehung und Geschichte" im Jb-KMG 1977 empfohlen.


//19//

An Otto Denk · 20.1.1908

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 20./1. 08.

Hochgeehrter Herr Rath!

   Hier weitere 50 Seiten. Sie sehen, daß ich trotz Mangel an Zeit bestrebt bin, für Vorrath für Sie zu sorgen.

Herzlichen Gruß!
Ihr alter May.


An Otto Denk · 26.3.1908

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 26./3. 08.

Sehr geehrter Herr Rath!

   Soeben sendet mir A. Abels Ihre Karte, in der Sie Aufschluß über meinen gegenwärtigen Aufenthalt verlangen und sagen, daß die Situation nachgerade peinlich und fatal werde!!!!!!!!!!

   Ja, darf ich denn meinen Augen trauen? Bin ich denn ein Vagabund, nach dessen Aufenthalt man erst andere Menschen fragen muß? Ich wohne Radebeul-Dresden, Villa Shatterhand und habe Ihnen Manuscript des »Mir von Dschinnistan« bis Schreibseite 736 zugeschickt. Sie haben also einen ganzen Haufen Vorrath, und ich bitte Sie ganz dringend um postwendende Mittheilung, in wiefern Ihre Situation nachgerade peinlich und fatal zu nennen ist. Wenn bis Sonntag früh keine Antwort von Ihnen da ist, nehme ich an, daß die Gerlach-Cardauns-Polizei Ihnen meine Briefe und Manuscripte unterschlägt und werde mich sofort direct an den Justizminister wenden.

Mit herzlichem Gruß
Ihr alter, im höchsten Grade erstaunter
Karl May.


An Otto Denk · 20.4.1908

[Foto]                     VILLA SHATTERHAND

Karl May.                     Radebeul-Dresden, den 20./4. 08.

Lieber Herr Rath!

Ein Osterbrief. Kurz und bündig!

   Da draußen ist Alles voll Sonnenschein und Glockenklang. Bei mir aber giebt es große Ausmistung. Da stinkt es wie in der Hölle! Schon seit


//20//

Monaten! Ich habe gesiegt. Habe den entsetzlichen Prozeß gewonnen. Die Firma Münchmeyer hat sich gefügt und Alles eingestanden. Sie zahlt sogar freiwillig Entschädigung. Aber der Hauptschurke wehrt sich noch, nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Satanas!

   Er hatte seinen Ruf und seine Ehre an die Münchmeyerei gesetzt. Er war von ihr geworben. Er hielt sich für den mächtigsten deutschen Katholiken und für den König der Redacteure. Er glaubte, sein Einfluß sei unwiderstehlich. Als er seine Hand gegen mich erhob, war er überzeugt, daß ein einziger Schlag genüge, mich niederzuschmettern. Er hatte sich geirrt. Ich stehe noch; er aber steht nicht mehr!

   Als er sah, daß ich zu siegen und nun die Faust gegen ihn zu erheben begann, salvirte er sich aus seiner weit vorgeschobenen Position, um sich aus den schmutzigsten Winkeln hervor aus dem Hinterhalt zu wehren: Er verzichtete auf die Redaction. Er war Diplomat genug, die Nothwendigkeit dieses Schrittes einzusehen. Die Ehre der Kölnischen Marzellenstraße erforderte ihn. Das führende Blatt der deutschen Katholiken darf keinen Redacteur haben, der  w e g e n  B e s c h i r m u n g  [wegen Beschirmung] der niederträchtigsten Unterschlagungen, Fälschungen und Betrügereien einer Schundromanfabrik von mir jetzt Ohrfeige auf Ohrfeige bekommt und jeden Augenblick den letzten, entscheidenden Hieb von mir und dann den Gnadenstoß zu erwarten hat. Und beide, dieser Hieb und dieser Stoß, sie werden kommen.  I c h  h o l e  s c h o n  a u s  [Ich hole schon aus]!

   Seine einstigen Paladine verlassen ihn mehr und mehr. Sie haben ihn endlich, endlich erkannt. Sie haben eingesehen, daß seine Verdienste eigentlich  n u r  i h r e  [nur ihre] Verdienste waren und daß er eine gradezu verblüffende Begabung besaß, sich derart in die Meriten Anderer zu hüllen, daß diese ihm sogar noch Dank zu sagen hatten. Wie oft habe ich lächeln müssen, wenn ich von tüchtigen, aber bescheidenen Menschen, die doch besser waren als er, seine vermeintliche Größe rühmen hörte und dabei sah, daß er diese Größe nicht selbst besaß, sondern nur aus ihnen herauszusaugen wußte! Jeder katholische Verleger, jeder katholische Schriftsteller und jeder katholische Redacteur, der selbstständig denkt und handelt, wird in seinen Erfahrungen mit Cardauns und der Volkszeitung Belege hierfür finden!

   Man kann sich denken, wie schwer es ihm, dem Dalai-Lama, geworden ist, vom Throne von Lhassa herabzusteigen und aller Welt zu zeigen, daß er auch weiter nichts als ein ganz gewöhnlicher Mongole sei. Und sonderbar! Seit er nicht mehr da oben sitzt und Herrscherblicke spendet, beginnen viele hochbegabte Menschen, die man bisher für klein gehalten hat, nun plötzlich groß zu werden! Ich nenne keine Namen; sie sind ja Jedem bekannt! Wie kommt das wohl?  E s  l a g  e i n  A l p  a u f  i h n e n  a l l e n ,  u n d  d e r  h i e ß  - - - - - -  H e r r  C a r d a u n s  [Es lag ein Alp auf ihnen allen, und der hieß - - - - - - Herr Cardauns]!

   Von mir ist dieser Alp leider noch nicht gewichen. Er liegt auf mir mit wahrer Zentnerlast. Kaum bleibt mir Luft zum Athmen! Cardauns sieht


//21//

ein, daß es um seine ganze Ehre geschehen ist, wenn er den Wahrspruch der Zivilgerichte im Münchmeyerprozeß als recht bezeichnet. Darum wagt er es, sogar gegen das Urtheil des Oberlandes- und des Reichsgerichtes zu opponiren: Er spielt va banque, und zwar nicht allein, sondern mit dem Münchmeyerschen Rechtsanwalt, der durch den Verlust des großen Prozesses um ganz bedeutende Gratifikationen gekommen ist und nur noch eine einzige Möglichkeit ersieht, ihnen doch noch beizukommen, nämlich den --- Kriminalprozeß!

   Dem Einen ist es um seine Ehre, dem Andern um sein Geld. Um Beides zu retten, wurde beschlossen, alle meine Prozeßzeugen meineidig zu machen und auch mich selbst des Meineides und der Beihülfe dazu anzuklagen. Und nun kommt Etwas, was Sie als Christ, Mensch, Ehrenmann und Unterthan gewiß erschrecken wird. Bitte, hören Sie, mein lieber Herr Rath!

   Ich hatte während der 8 Prozeßjahre meinen Gegnern hunderte von Lügen nachgewiesen. Ihnen aber war es nicht gelungen, auch nur das allerkleinste Pünktchen auf mich zu bringen. Es war also vorauszusehen, daß ich mich auch im Kriminalprozeß als vollständig rein erweisen werde. Nur die Schlauheit und Gewissenlosigkeit, die amtliche Begünstigung konnte noch Rettung bringen; sagen wir kurz:  d a s  V e r b r e c h e n  i m  A m t e  [das Verbrechen im Amte]!

   Also, man stellte gegen mich und meine Zeugen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft. Die Vertheilung der Untersuchung an die verschiedenen Staatsanwälte geschieht nach dem Alphabet. Ich heiße May. Die Untersuchung war also demjenigen Staatsanwalt zu übertragen, der den Buchstaben M bekleidet. Das war aber ein außerordentlich einsichtsvoller, gewissenhafter und streng rechtlicher Herr, der für die Denunzianten nicht die geringste Hoffnung bot. Dagegen gab es einen Staatsanwalt, welcher der Schulkamerad, Duzbruder und Busenfreund des Münchmeyerschen Rechtsanwaltes ist. Beide verkehren täglich auf das innigste miteinander, ebenso auch ihre Weiber. Wenn man es durch List dahin bringen konnte, diesem Intimus und alter ego des gegnerischen Advokaten die Untersuchung in die Hände zu spielen, so hatte man gewonnen. Und es ging; es wurde ermöglicht! Der intime Staatsanwalt bekleidete nämlich das F; eine meiner Zeuginnen aber hieß Freitag. Man stellte die Untersuchungsakten also nicht auf meinen, sondern auf ihren Namen, und dadurch kam das Kriminalverfahren gegen Karl May in die Hand des vertrauten Spezialissimus, und ich, ich war voraussichtlich verloren!

   Anstatt daß ich mich nach zehnjähriger Qual und Marter nun meines gewonnenen Prozesses freuen konnte, begann für mich nun eine Zeit der dreifachen Qual und Seelenpein. Cardauns schrieb heimlich Briefe an Redacteure und einflußreiche Leute, in denen er die über mich ausgestreuten Lügen als Wahrheiten behandelte. Viele Blätter z. B. »Hoch-


//22//

land« [»Hochland«] brachten zweideutige Drohungen gegen mich. Und diese Blätter, die man doch selbst gefüttert hatte, wurden den Akten einverleibt, um gegen mich zu zeugen. So wurde ganz Deutschland, Oesterreich und die Schweiz heimlich gegen mich unterwühlt. Ebenso heimlich wurde die Untersuchung gegen mich geführt. Sie begann bereits im  M ä r z  1 9 0 7  [März 1907], wurde mir aber erst  E n d e  J u l i  [Ende Juli] amtlich verkündet. Was in dieser Verborgenheit geschehen ist, kann ich noch heut nicht kontrolliren. Ich bekomme die Akten überhaupt weder vorgelesen noch vorgelegt. Plötzlich, eines Morgens früh 7 Uhr, wurde die Straße, in der ich wohne, durch Polizisten besetzt, und es erschienen der betreffende bundesgenoßliche Staatsanwalt, ein Untersuchungsrichter und vier Kriminalgensd'arme, um Haussuchung bei mir zu halten. Sie dauerte 8 Stunden lang. Man confiscirte meine Prozeßakten, meine Correspondenz, mein Doctordiplom und ähnliche Dinge. Als das nichts ergab, wurde weitergegangen. Man vernahm Zeugen, im Inland und im Ausland. Man befahl der hiesigen Post, meine ankommenden und aufgegebenen Briefe dem Untersuchungsrichter auszuliefern, der sie ohne mein Wissen öffnete und las. Was ihm paßte, kam zu den Akten, ohne daß ich etwas davon erfuhr. Durch diese entsetzliche Maßregelung verbreitete sich bis in das ferne Ausland hinein die Kunde, daß Karl May in das Zuchthaus komme oder gar schon im Zuchthause stecke. Jetzt hat man mich nun schon drei Wochen lang verhört, und was ist das Resultat? Der mitverbündete Busenfreund und Staatsanwalt mußte mir an letzter Mittwoch eröffnen, daß er nichts, gar nichts auf mich bringen könne, nicht einmal eine einzige, kleine Unwahrheit; das Verfahren gegen mich werde höchst wahrscheinlich nun endgültig eingestellt!

   So! Das Alles schreibe ich Ihnen, damit Sie meinen letzten, scheinbar groben Brief verstehen. Abels schickte mir Ihre Karte, in der Sie sich über die  » f a t a l e  u n d  p e i n l i c h e  S i t u a t i o n  [fatale und peinliche Situation]« beklagten. Ich mußte da ganz selbstverständlich an den Staatsanwalt und die Unterschlagung meiner Briefe durch die Gerlach-Cardaunssche Polizei denken. Ich schrieb an Sie und richtete aber den Ton des Briefes für den Staatsanwalt ein. Ob er ihn geöffnet hat, oder ob Sie ihn bekommen haben, weiß ich nicht. Jedenfalls aber lasse ich nun den heutigen folgen, weil ich glaube, daß die Briefsperre nun vorüber ist. Bitte, halten Sie mich nicht für rachsüchtig, wenn Sie sehen, daß ich Cardauns nun nicht mehr schone! Ich habe gradezu Uebermenschliches ertragen, ertrage es aber nicht mehr!

   Herzlichen Dank für den Aufsatz in der neusten Nummer des »Hausschatz«! Sie werden sich damit sehr viele Herzen erobern.

   Bitte, haben Sie die Güte, Ihren Harem von dem meinigen zu grüßen! Allah gebe Ihnen die höchsten Palmen und die größten Wassermelonen. Schnellfüßig seien Ihre Pferde, stark Ihre Kameele und fett Ihre Hammel. Kein Floh verirre sich in Ihr Zelt und keine Kröte in Ihre Kaffeekanne! Nahrhaft sei Ihr Käse, und immer neubacken sei Ihr Brod! Der Beu-


//23//

tel [Beutel] Ihres Geldes laufe stets über, und Alles, was Ihr Schneider und Ihr Schuster für Sie macht, sei weder zu eng noch zu weit, sondern immer nur so, daß es Sie verjüngt und verschönt! Bahrak allah beledkum --- es gehe Euch in Euerm Dorfe wohl! ---

Der                    
alte, treue     
Karl May.


An Otto Denk · 17.5.1908

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 17./5. 08.

Sehr geehrter Herr Königl. Rath!

   Warum gleich so nervös? Sie brauchen blos nicht zu warten, bis keine Seite Manuscript mehr vorhanden ist. Je eher Sie es mir sagen; desto eher schreibe ich weiter. Vorrath habe ich nie daliegen, keine Seite; meine Zeit erlaubt das nicht. Und den »Mir« gleich hinter einander fertig schreiben, das ist unmöglich; dazu ist das Honorar zu gering. Fehsenfeld z. B. zahlt grad fünfmal so viel. Ich schreibe das nur Ihnen und Herrn Kommerzienrath Pustet zu Liebe!

   Daß der »Mir« nicht allen Ihren Lesern gefällt, das glaube ich wohl. Es giebt eben Leute, die nicht warten können. Wir haben erst den Grund gegraben und das Souterrain fertig gestellt. Die obern Stockwerke und das Dach - also das eigentliche Gebäude - soll erst noch folgen. Wie kann man da schon ein Urtheil fällen wollen?! Solche Leser soll man um gotteswillen laufen lassen. Sie sind nicht begeisterungsfähig, nicht treu. Sie fallen um eines Quarkes willen ab, zu jeder Zeit, und verwirren nur das Urtheil der Redaction und des Verlages! Solchen Leuten kann ich die Opfer unmöglich noch einmal bringen, die ich ihnen früher brachte. Den Lohn habe ich gesehen! Ich habe Ihnen versprochen, daß der »Mir von Dschinnistan«  g u t  [gut] wird, und ich halte Wort. Bitte, Vertrauen zu haben, Herr Rath!

   Die Kahlsche Brochure ist  M ü n c h m e y e r e i  [Münchmeyerei]. Kahl ist ein 21 jähriger Schlosser. Hat für den Namen, den er hergab, 250 Mark bekommen. Das Schandwerk ist bereits gerichtlich inhibirt, die Untersuchung im Gange. Fortsetzung mit Cardauns folgt!

   Mit hochachtungsvollstem Gruß!

Ihr ergebener
K. May.

   Habe mich sofort hergesetzt und weiter geschrieben. Sende die wenigen, fertigen Zeilen, daß Sie nicht warten müssen. Umgehend mehr.

K. May.


//24//

An Otto Denk · 26.6.1908

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 26./6. 08.

Hochgeehrter, lieber Herr Rath!

   Hier weiteres Manuscript. Dabei habe ich zwei Ihrer Briefe zu beantworten, wenigstens so weit, wie ich dies kann, ohne Sie zu belästigen.

   Den einen Brief nenne ich den Alarmbrief, denn er hat mich alarmirt und den Prozeß wider meine Gegner bedeutend beschleunigt. Als ich sah, daß Sie in das Horn dieser Herren blasen und die Fälschungen von F. W. Kahl für Wahrheit halten wollten, habe ich mich sofort auf die Bahn gesetzt und Kraut auf den Zünder gelegt. Das war Ihrem Manuscripte freilich nicht förderlich, denn anstatt am »Mir« schreiben zu können, sah ich mich durch Ihre Unruhe gezwungen, den vorgeschriebenen, gesetzlichen Gang der Dinge künstlich zu beschleunigen, nur um Ihnen recht bald ein Resultat vermelden zu können.

   Ich habe Sie von Wien und dann auch von Berlin aus gegrüßt. In Prag hatte ein Verleger, der Arbeiten von mir veröffentlicht, sich eingebildet, daß er mit Hülfe der angeblichen Kahlschen Brochure um Weiterdruck und Honorarzahlung hinumkommen könne. Er hat zahlen müssen und druckt nun fleißig weiter. Der Gerichtstermin gestaltete sich zu einem sowohl prozessualen als auch persönlichen und litterarischen Sieg für mich, denn der Vorsitzende sagte vor versammeltem Auditorium und Publikum zu mir: »Es ist mir eine große Freude und eine hohe Ehre, Sie heute kennen gelernt zu haben. Wenn man in Prag wüßte, daß Sie sich hier befinden, würde man Sie auf den Armen durch die Straßen tragen!« Dieser Vorsitzende war ein hochbetagter Herr von altem Adel. Er kam nach der Session extra durch das ganze Publikum zu mir herabgestiegen, um mir die Hand zu schütteln und auch meine Frau zu begrüßen. Draußen auf den Gängen und auf der Treppe aber standen die Beamten und Anwalte, um mich zu sehen, als ich ging. Ich erzähle Ihnen das, weil Sie sich über diese große und seltene Ehrung freuen werden, die ja ganz besonders auch dem »Hausschatz [«] Nutzen bringt, wenn er sie recht anzufassen versteht. Es ist nur jammerschade, daß Sie mir die 500 Hausschatznummern mit dem Anfang des »Mir« nicht geschickt haben, welche zu schicken Sie mir damals in München versprachen! Sie erinnern sich, daß ich sie den einflußreichsten unter meinen Lesern und Freunden senden wollte, um Abonnenten für Sie zu machen. Hätte ich das thun können, so ständen wir uns jetzt bedeutend höher! Ihnen schreiben natürlich meist nur meine Feinde über den »Mir«. Meine Freunde aber und alle unbefangenen Leute denken ganz anders.

   Als ich Sie von Berlin aus grüßte, handelte es sich um die Schandbrochure direct. Der Staatsanwalt hatte ihren Druck etc. etc. etc. verboten.


//25//

Der Verleger that Alles, dieses Verbot zu beseitigen. Es gab eine hoch interessante Verhandlung. Ich siegte. Und nicht nur das, sondern die Schuldigen stehen jetzt nicht nur unter der Anklage der verleumderischen Beleidigung, sondern auch unter der kriminellen Beschuldigung der  b a n d e n m ä ß i g e n  [bandenmäßigen] Erpressung, Bedrohung, Nöthigung, Meineid u.s.w. Sie werden sich wundern, welche hochgeehrten Herren mit zu dieser »Bande« gehören! Ich darf noch nichts verrathen; aber es sind Leute dabei, die heimliche Briefe an die Redactionen gegen mich schreiben, um sich wo möglich noch im letzten Augenblick durch solchen Einfluß zu retten. Ich darf Ihnen einstweilen nur das Eine sagen:  d a ß  i c h  i m  V o l l b e s i t z  a l l e r  b ü r g e r l i c h e n  E h r e n r e c h t e  b i n  [daß ich im Vollbesitz aller bürgerlichen Ehrenrechte bin]!

   Ihr zweiter Brief ist der vom 20ten dieses Monates. Sie wissen, lieber Herr Rath, wie gern ich Ihnen in Allem zu Willen bin. Ob ich auch hier kann, soll Ihr nächster Brief entscheiden. Es handelt sich hier nicht nur um persönliche Meinungen und Wünsche, sondern um sehr ernste litterarische, juristische und verlagsrechtliche Fragen. Als fast ältestes Mitglied unsers Vereines bin ich verpflichtet, nichts zu thun, was Andere schädigen könnte, falls es nachgemacht wird. Ich bin solidarisch verpflichtet, erst beim Vereine anzufragen, auch beim juristischen Vertreter des Vereines. Meine persönliche Ansicht ist für heut noch Nebensache. Meine Anfrage an den Verein und seinen Anwalt sende ich heut ab, zugleich aber auch diesen Brief an Sie, in dem ich Ihnen Folgendes an das Herz lege:

   Ich nehme an, daß Ihr Wunsch ganz andere Gründe hat, als Sie mir sagen.  M a n  h a t  S i e  v o r  m i r  g e w a r n t  [Man hat Sie vor mir gewarnt], wie man schon andere Verleger und Redacteure gewarnt hat, die so klug und so ehrlich waren, mir diese Briefe zuzusenden.  S e i e n  S i e  e b e n s o  e h r l i c h  [Seien Sie ebenso ehrlich]! Nachdem der ganze Cardaunssche Lügenbau von meinen »abgrundtief unsittlichen« Romanen zusammengebrochen ist, will er sich dadurch retten, daß er meine  p e r s ö n l i c h e  [persönliche] Ehre vernichtet. Er wird hier ganz dieselbe Niederlage erleiden wie vorher.

   Bitte, senden Sie mir offen und ehrlich, was er Ihnen hierüber geschrieben hat oder hat schreiben lassen! Zwischen uns beiden darf sich kein Cardauns einnisten! Auf das, was Sie mir senden, erfolgt dann mein Bescheid auf das, was Sie von mir wünschen!

In bekannter Hochachtung mit herzlichem Gruß
von Haus zu Haus
Ihr
ergebener
Karl May.


//26//

An Karl Pustet · 5.7.1908

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 5./7. 08.

Hochgeehrter Herr Kommerzienrath!

   Es thut mir förmlich wehe, Sie mit Nachfolgendem belästigen zu müssen!

   Herr Rath Dr. Denk hat mir, wie Sie wissen, den laufenden und auch den nächstfolgenden Jahrgang des »Hausschatz« für meinen »Mir von Dschinnistan« zur Verfügung gestellt. Ich habe die Erzählung auf diesen Umfang zugeschnitten und soll sie nun, nach 17 vollen Nummern, ganz plötzlich kürzen. Das geht doch nicht! Das würde Selbstmord sein! Das hieße ja, dem »Hausschatz« zumuthen, die häßlichen, blätterlosen Wurzeln zu bringen, auf die Blüthen und Früchte aber zu verzichten!

   Ich trage der Ueberarbeitetheit und hochgradigen Nervosität unsers guten Herrn Dr. Denk vollste Rechnung; ich erkenne alle seine Verdienste aufrichtig an. Ich schweige zu Dingen, die mir kein Anderer bieten dürfte, denn ich habe ihn lieb. Ich lasse mich sogar sehr kräftig um Manuscript mahnen, wo es doch noch gar nicht nöthig gewesen ist, denn er hat immer wenigstens auf 6-8 Wochen Vorrath gehabt. Ich thue das, weil ich mir sage, daß er wohl ebenso meinetwegen bombardirt wird, wie ich von der entgegengesetzten Seite bombardirt worden bin. Dazu kommt, daß er ein volles Jahrzehnt lang gegen mich eingenommen gewesen ist und den immerwährenden Anfeindungen gegen mich also nicht den Widerstand entgegensetzen kann, wie meine Freunde, die mich kennen. Es giebt Leute, denen mein jetziger Styl nicht gefällt; das schreiben sie ihm! Und es giebt Leute, welche behaupten, daß mein früherer Styl nichts tauge; das schreiben sie ihm auch. Daher geschieht es, daß er mir das eine Mal sagt, ich soll ja nicht in meinem jetzigen Style schreiben, und das andere Mal, mein früherer Styl verderbe die Menschen. Warum?

   Weil ein Zuchthausgeistlicher den »Hausschatz« abbestellt und berichtet hat, daß einige Zuchthäusler von Old Shatterhands Fausthieb gesprochen haben. Dieser Geistliche hat behauptet: »Darum hat Karl May bei uns abgewirthschaftet!« Welch eine Thorheit von diesem Manne! Nicht ich, sondern er hat abgewirthschaftet mit seiner ganzen Zuchthauserziehung und Kriminalpsychologie! In den Händen von solchen Todtschlägern wird sogar die Bibel gefährlich, die hunderte von Mordthaten berichtet! Das mußte dieser geistliche Herr wissen! Schade, daß Herr Dr. Denk sich so weigert, mir die betreffende Anstalt zu nennen! Ich würde den Director persönlich aufsuchen, um in seiner Gegenwart diesen Pfarrer zu fragen, wie der »Hausschatz« dazu komme, die Sünden unachtsamer Zuchthausaufseher zu büßen!


//27//

   Das Alles nehme ich von Herrn Chefredacteur Dr. Denk ganz ruhig hin, denn es ändert doch nichts an der unumstößlichen Wirklichkeit, daß die alten, vertrockneten Raisonneure nach und nach verschwinden und die Zukunft nur der Jugend gehört, die meine sogenannte »neue Schreibweise« dringend fordert. Wir leben in einer bedeutenden Zeit. Das Alter geht mit seinen Anschauungen und vertrockneten Ansichten zu Grabe; in der Jugend aber ist die Volksseele frisch erwacht, die uns vorwärts drängt, in die Zukunft hinaus. Ein Journal, welches am Veralteten hangen bleibt, geht mit dem Veralteten ein. Wer fortbestehen oder gar seine Abonnentenziffer wachsen sehen will, der hat sich der seelischen Jugend zuzuwenden, der die Zukunft gehört. Daher die Thatsache, daß der »Kral« gleich in seinem ersten Jahr gegen 7000 Abonnenten machen konnte und daß eine Wiener Zeitung mit einer Erzählung von mir erst kürzlich binnen kurzer Zeit 30,000 neue Abonnenten gewann.

   Wir Alten sind heilig verpflichtet, uns der Jugend anzuschließen. Wir haben zu retardiren, damit die Jugend mit dem unbrauchbar Gewordenen nicht auch das Heilige, das Gute, das Edle verwirft. Ein Journal, welches sich dieser hochwichtigen Aufgabe widmet, nämlich der  A u f g a b e ,  d i e  v o r w ä r t s  t r e i b e n d e  G e g e n w a r t  v o r  r e l i g i ö s e n  u n d  e t h i s c h e n  V e r l u s t e n  z u  s c h ü t z e n  [Aufgabe, die vorwärts treibende Gegenwart vor religiösen und ethischen Verlusten zu schützen], wird wachsen und geht einer guten Zukunft entgegen.

   Daß vor allen Dingen der  » H a u s s c h a t z  [Hausschatz]« hierzu berufen ist, versteht sich ganz von selbst. Er ist ein hochpatriotisches Blatt mit aristokratischen Aufgaben und Verpflichtungen. Der »Hausschatz« wurde in der alten Patrizierfamilie Pustet gegründet und soll ihr Stolz und ihre gemma familiaris sein. Beide sollen einander gleichen. Der Stamm Pustet soll für die Zukunft neue Knospen und Aeste treiben, denen aber die Kraft und Festigkeit der alten innewohnt. Auch für den Hausschatz soll von Jahrgang zu Jahrgang Frühling sein, mit immer neuen Knospen, Blüthen und Früchten; aber diese Knospen sollen aus der guten, alten Religiosität, Humanität und ethischen Gesundheit des Hauses Pustet herauswachsen. Das giebt dann wirkliche Fruchtzweige, keine Wasserschößlinge aus altem Holze, die den Stamm entkräften, ohne Frucht zu bringen.

   Ein solcher Fruchtzweig ist der »Mir von Dschinnistan«. In diesem Jahre konnte er nur grünen; im nächsten schon wird er blühen und Früchte tragen. Eher war das nicht zu verlangen. Diese Erzählung schaut nicht zurück, sondern vorwärts. Sie ist für die seelische Jugend geschrieben, der die Zukunft gehört. Indem der »Hausschatz« diese Erzählung bringt, öffnet er sich für die  g r o ß e  Z a h l  [große Zahl] derjenigen Leser, welche ihm fern blieben, weil sie ihn fälschlicher Weise für zukunftsfeindlich und veraltet hielten. Diese Leser sind bis jetzt noch nicht hinzugetreten; sie trauen nicht. Ich hatte mit Herrn Rath Denk ausgemacht, daß ich 500 Anfänge meines »Mir« bekommen sollte, die ich den einflußreichsten unter den Karl May-Lesern schicken wollte. Diese Empfeh-


//28//


lung [Empfehlung] aus meiner Privathand hätte gewiß sehr guten Erfolg gehabt; leider aber habe ich diese Blätter nicht erhalten.

   Es ist ja wahr, daß meine Leser nach Hunderttausenden zählen; aber sie sind seit damals, wo der »Hausschatz« sich auf die Seite meiner Gegner stellte, vorsichtig geworden. Es gehen von ihnen hunderte von Schreiben bei mir ein, in denen ich gefragt werde, ob ich ihnen rathen könne, den »Hausschatz« wieder zu halten. Was sollte ich da antworten? Als ehrlicher Mann nichts! Herr Dr. Denk hat mir seine Unzufriedenheit so oft zu erkennen gegeben, daß ich mit meinen Empfehlungen zurückhalten mußte. Vorwürfe wegen meiner Schreibweise! Vorwürfe wegen der Langsamkeit meiner Prozesse, an der ich doch gar nicht schuld bin! Vorwürfe wegen der Kahl'schen Brochure! Vorwürfe, daß ich keine Kapitel mache und die Leser von Heft zu Heft jage. Du lieber Gott, es erscheint doch nur von 14 zu 14 Tagen ein Heft, und da haben die Leser wohl Zeit, geistig auszuruhen! Und im Gegensatze zu diesem Vorwurfe des Jagens der andere Vorwurf: »Auch sonst könnte die Erzählung ein flotteres Tempo ertragen!« Das widerspricht sich ja Alles! Da muß man doch befürchten, daß plötzlich Etwas platzt! Wie konnte ich da meinen Lesern rathen, auf den Hausschatz zu abonniren? Es konnte ja jeden Augenblick geschehen, daß der »Mir« aus ihm verschwand!

   Am 25 Mai las ich den Vorwurf, daß die Kahlsche Brochure noch weiter verkauft werde; ich aber wies nach, daß dies nicht wahr ist. An demselben Tage las ich den Vorwurf, daß Manuscript fehle; ich aber wies nach, daß es noch bis Mitte Juli reiche. Glauben Sie mir, verehrter Herr Kommerzienrath, daß man sich bei solchen Vorwürfen nur immer wie ein Schulknabe vorkommt, der verpflichtet ist, an Allem schuld zu sein! Käme das von Keiter, so hätte ich die Feder längst weggeworfen. Herrn Dr. Denk aber habe ich, wie bereits gesagt, persönlich lieb, und da ich weiß, wie angegriffen seine Gesundheit ist, so trage ich es ihm nicht nach. Aber während er noch kürzlich mit den Worten »So kann die Geschichte unmöglich weitergehen!« so stürmisch Manuscript verlangt, obgleich er noch welches hatte, braucht er jetzt plötzlich nur ganz weniges und schreibt mir Kürzungen vor, die vollständig unmöglich sind, weil sie meinen »Mir von Dschinnistan« als litterarischen Schund und den »Hausschatz« als ein Blatt erscheinen lassen würden, dem es nicht möglich ist, durch Schaden klug zu werden!

   Der »Mir von Dschinnistan« soll sein ein Hinweis auf den Welt- und Völkerfrieden, ein hohes Lied auf die wahre Humanität und eine Beleuchtung der klaren, edeln Religiosität, welche der »Hausschatz« und die Familie Pustet bisher vertreten haben. Wollen Sie auf diese schönen Früchte verzichten? Soll der Fruchtzweig, der in diesem Jahre nur erst grünen konnte, im nächsten aber blühen und Frucht tragen wird, abgebrochen werden? Weshalb? Für wen?

   Wie es scheint, kennt Herr Rath Denk die Folgen von dem, was er ver-


//29//

langt [verlangt], nicht. Ich kann unmöglich auf die von ihm gewünschte Kürzung eingehen. Besteht er darauf, so erkläre ich schon jetzt und heut,

   d a ß  i c h  d a d u r c h  g e z w u n g e n  b i n ,  d i e  F e d e r  n i e d e r z u l e g e n  [daß ich dadurch gezwungen bin, die Feder niederzulegen]!

Dieses Wort ist nicht so einfach, wie es klingt, sondern reich an Consequenzen. Als Mitglied des Schriftstellervereines ist es mir in allen solchen Fällen verboten, meinen persönlichen Neigungen zu folgen. Ein jeder solcher Fall kann sehr leicht zur Präcedenz resp. Präjudiz für andere Fälle werden. Wir sind also zu gegenseitiger Solidarität verpflichtet. Ich darf also, sobald ich die Feder niederlege, meine freundschaftlichen Gefühle für die Familien Pustet und Denk nicht zu Worte kommen lassen, sondern ich habe die Angelegenheit dem Syndikus resp. Anwalt des Vereines zu übergeben, der sie in der Sitzung ausführlich beleuchtet und dann juridisch verfolgt. Ich kann also beim besten Willen nicht verhindern, daß die Angelegenheit durch die Vereinszeitung in die Oeffentlichkeit gelangt und in Verbindung mit früheren Dingen besprochen wird, die ich als todt behandelt habe und auch nicht aufwecken möchte. Ein Prozeß zwischen dem »Hausschatz« und Karl May, vom Syndikus des Vereines geführt, würde für gewisse Leute eine Wonne sein, über die ihnen nichts weiter geht. Wir aber sind doch wohl ernst, erfahren und gewissenhaft genug, einen solchen Skandal zu verhüten!

   Also, bitte, Herr Kommerzienrath, besprechen Sie sich mit Herrn Rath Dr. Denk. Ich lege die Feder weg und kann also nun warten. Aber in Ihrem Interesse liegt eine umgehende Erledigung der nicht von mir heraufbeschworenen Differenz. Mag sie ausgeglichen werden oder nicht, meine persönliche Hochachtung und Sympathie für Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin bleibt stets dieselbe!

   Mit aufrichtigstem Gruß von Haus zu Haus bin ich, Herr Kommerzienrath,

Ihr alter, ergebener
Karl May.


An Otto Denk · 15.7.1908

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 15./7. 08.

Sehr geehrter, lieber Herr Rath!

   Hier auch das andere von den beiden Heften, welches Sie bis zum 15ten wünschten.

   Für Ihren Brief herzlichen Dank! Seine Einzelheiten mögen aufgehoben bleiben, bis ich sie persönlich beantworten kann. Nicht ich habe den »Mir« zu vertheidigen, wenn er angegriffen wird, sondern er hat für sich selbst zu sprechen, und  d a s  w i r d  e r  s i c h e r  t h u n  [das wird er sicher thun]! Nicht schweigen darf


//30//

ich aber zu dem Vorwurf, daß ich für die Darwinistische Evolutionstheorie eintrete und daß ich mir Entgleisungen zu schulden kommen lasse.

   Ich kenne den Katholizismus ebenso gut wie jeder andere gebildete katholische Laie. Denn ich bin Katholik in meinem ganzen Innern, wenn auch die Herren Cardauns und Consorten es mir gründlich verekelt haben, mich durch den offenen Uebertritt zu ihresgleichen zu bekennen! Man hat sich keine geringe Mühe gegeben, mich zum Monismus hinüberzuziehen; ich bleibe mir aber treu. Wer mich des ersten Kapitels des »Mir« wegen für einen Evolutionisten hält, der irrt sich eben und hat nicht die geringste Ahnung, was ich mit diesem Kapitel eigentlich will. Er wird sich wundern!

   Und was die »Entgleisungen« betrifft, so halte ich mich an das von Ihnen gegebene Beispiel: Ich habe geschrieben:  » W i e  s t e t s  u n d  ü b e r a l l ,  s o  f ü h r t  a u c h  h i e r  d i e  w i s s e n s c h a f t l i c h e  E r k l ä r u n g  d e s  W u n d e r s  z u r  n ü c h t e r n e n  A l l t ä g l i c h k e i t  z u r ü c k .  [Wie stets und überall, so führt auch hier die wissenschaftliche Erklärung des Wunders zur nüchternen Alltäglichkeit zurück.]« Sie sagen dazu: »Das geht doch unmöglich an und ist eine directe Leugnung der Wunder!« Lieber Freund, wer ist da hier entgleist? Sie oder ich? Können Sie die Wahrheit dessen, was ich gesagt habe, leugnen? Führt die  w i s s e n s c h a f t l i c h e  [wissenschaftliche] Erklärung etwa nicht zur nüchternen Alltäglichkeit? Und ist das etwa kein Grund,  u n s  v o r  d i e s e r  W i s s e n s c h a f t  z u  h ü t e n  [uns vor dieser Wissenschaft zu hüten]? Ich mache der Wissenschaft diesen Vorwurf, um vor ihr  z u  w a r n e n  [zu warnen]. Ich will von dieser Afterwissenschaft hinüber  z u m  G l a u b e n  f ü h r e n  [zum Glauben führen]! Und das  s t r e i c h e n  S i e  m i r  a u s  [streichen Sie mir aus]? Das that mir leid! Wenn Sie mir meine ächt katholischen Prämissen wegstreichen, hängt dann der Schlußsatz, auf den es mir ankommt, in der Luft und ich kann nicht beweisen, daß das Wunder hoch über aller Wissenschaft steht und selbst von keinem Darwin oder Häckel hinwegdisputirt werden kann.

   Wenn Sie in dieser Weise streichen, verehrtester Herr Rath, so bitte ich um Gotteswillen,  m i r  m e i n e  M a n u s c r i p t e  a u f z u h e b e n  [mir meine Manuscripte aufzuheben], damit ich später wieder ändern kann! Uebrigens steht gleich im ersten Kapitel meines »Winnetou« zu lesen: »Sie glücklicher Mensch, Sie haben Recht: Gottes Wege erscheinen oft wunderbar, sind aber stets sehr natürliche. Die größten Wunder sind die Folgen natürlicher Gesetze, und die altäglichsten Naturerscheinungen sind große Wunder! [«]

   Das hat derselbe »Hausschatz« gebracht, von dem Sie mir schreiben, daß »derartiges nicht mit seinem Character übereinstimme.« Hunderttausend gute Katholiken, tausende von katholischen Theologen, auch Bischöfe dabei, haben das gelesen, aber keinem Einzigen ist dabei der Gedanke gekommen, daß dies eine Entgleisung sei. Das constatire ich!

   Von ganzem Herzen Ihnen und Ihrem lieben, verehrten Zelte gute, erfolgreiche Ferien wünschend, bin ich mit aufrichtiger Hochachtung

Ihr alter Dschirbani
Karl May.


//31//

An Karl Pustet · 31.12.1908

[Foto]                     VILLA SHATTERHAND

Karl May.                     Radebeul-Dresden, den31./12. 08.

Verehrter Herr Kommerzienrath!

   Mit reichen Reisefrüchten bin ich aus Amerika zurückgekehrt. Die erste dieser Früchte ist »Winnetou. Band IV«, welcher demnächst in der »Augsburger Postzeitung« erscheinen wird. Die Redaction und der Verlag dieser Zeitung haben sich das Werk im Voraus gesichert. Es werden, sobald der »Mir« beendet ist, schnell neue Werke folgen. In New-York besuchte ich auch Ihren Laden, um mir dort Einiges zu kaufen.

   Leider habe ich mir außer diesen guten Dingen auch etwas recht Schlimmes mitgebracht. Ich zog mir da drüben eine Verletzung zu, die ich nicht beachtete. Sie wuchs sich aber infolge der ungewöhnlichen Reiseanstrengungen so schnell und gefährlich aus, daß ich, um mein Leben zu retten, mich hier in Dresden kurz vor Weihnacht operiren lassen mußte. Man schnitt mir ein großes Stück Fleisch aus der Brust. Nun sitze ich hier, in Bandagen bis an den Hals gewickelt. Das Schreiben verursacht mir Schmerzen. Ihnen aber schreibe ich dennoch gern, um Ihnen von Neuem zu sagen, wie lieb wir alle Sie haben und wie sehr und aufrichtig wir wünschen, daß Sie Ihrer Familie und dem »Hausschatz« noch recht, recht lange erhalten bleiben! Das ist am heutigen Sylvester unsere Bitte für das neue Jahr, und, so Gott will, wird sie uns in Erfüllung gehen.

   Lesen Sie den »Mir«? Merkt man immer noch nicht, wie er nun ausholt, um alle die kleinlichen, kurzsichtigen Vorwürfe zu schanden zu machen. Nächstens mehr über ihn. Für heut die Frage: Haben Sie gesehen, daß ich Wort halte? Abd el Fadl, der Fürst von Halihm, und seine Tochter Merhameh, wer sind diese beiden? Auch die Mutter kommt noch dazu, sobald wir oben auf der Höhe sind. Die Sympathie für diese drei Personen wird umso schneller wachsen, je deutlicher ich sie gestalte. Man weiß, daß alle meine Erzählungen Schlüsselerzählungen sind, und Viele merken schon jetzt, wer eigentlich die sind, die ich hier zeichne.

   Und nun zuletzt eine geschäftliche Bitte! In London sind mir alle meine Aufzeichnungen und Notizen über den »Mir« abhanden gekommen. Wollte ich warten, bis man sie dort findet und sie herüberschickt, so würde Herr Rath Denk auf Manuscript zu warten haben. Bisher hat er noch nie auch nur einen Augenblick zu warten gehabt, und das soll auch ferner nicht geschehen. Darum bitte ich Sie, verehrter Herr Kommerzienrath, um die gütige, möglichst  p o s t w e n d e n d e  Z u s e n d u n g  [postwendende Zusendung] des im vorigen Jahrgange abgesetzten Manuscriptes, welches Sie ja nicht mehr brauchen. Es ist das also bis Schluß des 2ten Kapitels (pag. 1014). Sobald ich das habe, brauche ich die fehlenden Notizen nicht mehr und kann Ihre Redaction vollauf befriedigen.


//32//

   Nun nochmals, auch von meiner Herzensfrau, die herzlichsten Grüße und Wünsche zum Neujahr, für Sie selbst, Ihre hochverehrte Frau Gemahlin und Fräulein Tochter, die wir, wenn wir hier von ihr sprechen, nicht anders mehr nennen als Merhameh.

In aufrichtigster Hochachtung
Ihr
ergebener
Karl May.


An Otto Denk

Postkarte ohne Datum

Verehrter Herr Rath!

   Haben Sie den Einschreibebrief, den ich vor einer Woche an Sie sandte, nicht erhalten? Ich bat, mir die letzten 100 Manuscriptseiten vom »Mir« noch einmal zuzusenden. Nur für einen Tag. Ich schicke sie sofort zurück. Ich wollte ursprünglich von New-York nach London und habe Verschiedenes dorthin vorausgesandt, darunter auch meine Arbeitsnotizen über den »Mir«. Schließlich bin ich doch direct nach Hause, und nun liegen diese Notizen in London, bis ich sie mir persönlich hole. Um Sie aber vorher genügend mit Manuscript versehen zu können, muß ich die letzten 100 Seiten nochmals durchlesen. Also bitte  d r i n g e n d  [dringend],sie mir gütigst  u m g e h e n d  [umgehend] zu senden!

Ihr sehr ergebener
K. May.


An Karl Pustet · 11.1.1909

Vertraulich!

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 11./1. 09.

Mein lieber, hochverehrter Herr Kommerzienrath!

   Sie irren Sich! Sie irrten sich schon damals, als der »Hausschatz« seinen  e r s t e n  [ersten], ganz unbegründeten Feldzug gegen mich begann! Und Sie irren sich jetzt ebenso, wo ein  z w e i t e r  [zweiter] Feldzug des »Hausschatz« schon längst gegen mich im Gange ist! Glauben Sie mir, daß ich Ihr  w i r k l i c h e r ,  w a h r e r  u n d  a u f r i c h t i g e r  [wirklicher, wahrer und aufrichtiger] Freund bin und daß ich für Sie, für Ihre Familie und für Ihr Geschäft, besonders aber den »Hausschatz« nur das Beste wünsche. Ich habe den Zorn und Unwillen jener damaligen, schweren Zeit nicht auf Sie und die Ihrigen übertragen. Ich habe Sie heut


//33//

genau so lieb wie ehedem und immer. Ich wußte schon damals, daß die gegen mich gerichteten Angriffe nicht von Ihnen, sondern von der Redaction ausgingen. Und auch jetzt habe ich die Beweise in den Händen, daß der jetzige neue Sturm gegen mich sich nicht in Ihrem Verlage, sondern in Ihrer Redaction erhoben hat. Nicht durch meine Schuld, sondern durch die Schuld des Redacteurs ist der »Mir« zu dem Schmerzenskind geworden, welches Ihnen so schwere Sorgen macht, die, wie Ihnen die Zukunft beweisen wird,  v o l l s t ä n d i g  g r u n d l o s  u n d  ü b e r f l ü s s i g  [vollständig grundlos und überflüssig] sind.

   Ich wollte hierüber schweigen -- für immer. Wollte nach Beendigung des »Mir« still wieder aus dem »Hausschatz« treten, nachdem mein Wiedereintritt nicht von mir ausgegangen und nur durch meine Freundschaft für Sie, Herr Comrmerzienrath, ermöglicht worden ist. Sie haben einen schönen, sonnigen, goldenen Lebensabend verdient, und ich wollte die Unzuträglichkeiten, die man durch Ihre Redaction jetzt wieder auf mich häuft, auf meinen Schultern ruhen lassen, ohne Sie durch ein einziges Wort darüber zu belästigen. Das Leben hat mich tragen und auszuharren gelehrt. Ich bin gewöhnt, mich weder durch Leid noch Last beirren zu lassen. Was that es, wenn zu den Heinrich Keiterschen Zentnern, die ich längst wieder abgeworfen habe, jetzt einige Otto Denksche Kilogramme kommen, die meine Zuversicht nur heben, nicht aber niederdrücken können!

   Und auch um des Herrn Rath Denk selbst willen wollte ich schweigen. Ich achte ihn sowohl als Mensch wie auch als Schriftsteller. Er besitzt in beiden Beziehungen meine volle Sympathie. Das Leben ist ihm nicht leicht gewesen. Er hat den Sieg über die Widerwärtigkeiten desselben mit der Widerstandsfähigkeit seiner Nerven, also sehr theuer, erkaufen müssen, und als er, jedenfalls mit jubelnder Freudigkeit, die Redaction des »Hausschatz« übernahm, hielt er diesen hervorragenden Posten für ein mühsam erreichtes, wohlverdientes, schönes Ziel, an dem er nur noch Freude zu erleben habe, ahnte aber nicht, daß er zugleich auch einen Schatten mit übernahm, ohne dessen Bezwingung der »Hausschatz« niemals wieder zu der Höhe gelangen konnte, auf der er vorher gestanden hatte. Dieser Schatten wurde von der literarischen und moralischen Gerechtigkeit auf den »Hausschatz« geworfen, der einen seiner wohlgesinntesten und treusten Mitarbeiter unschuldig an das Kreuz geschlagen hatte und nun verpflichtet war, ihn wieder herunter zu nehmen. Eine solche Mannesthat verlangte eine volle, ganze,  n e r v e n k r ä f t i g e  [nervenkräftige] und  w i d e r s t a n d s f ä h i g e  [widerstandsfähige] Persönlichkeit, die sich durch nichts beirren ließ, diese ihre schwere Pflicht zu erfüllen. War das Herr Rath Doctor Denk? Ich frage nur; ich antworte nicht. Aber schon daß er den Versuch gewagt hat, ist für mich Grund genug, für seinen guten Willen ihm dankbar zu sein und seinen Muth zu achten.


//34//

Hochverehrter Herr Kommerzienrath!

   Am 11ten dieses Monates begann ich, Ihren letzten Brief zu beantworten. Ich fühlte die Verpflichtung, mit Ihnen ebenso aufrichtig zu sein wie Sie mit mir. Sie schildern mir Ihre Lage, wie  S i e  [Sie] sie sehen, ich aber habe sie Ihnen zu schildern, wie sie wirklich  i s t  [ist] und wie sie  e n t s t a n d  [entstand]. Ich habe dabei vollständig objectiv zu verfahren und darf nichts beschönigen, denn ich bin Ihr Freund und habe hier nur auf Ihr Wohl zu sehen, nicht aber auf das meinige. Ich kann hier objectiver schauen als Sie und Ihr Herr Chefredacteur, weil ich als Schriftsteller geübt bin, überhaupt objectiv zu sein und weil ich mich nicht, wie Sie, in Sorgen befinde, die mir die Augen verdunkeln. Wie objectiv und unparteiisch ich bin, zeige ich Ihnen durch das offene Geständniß, daß ich die Lage des Hausschatzes für  n o c h  s c h l i m m e r  [noch schlimmer] halte als Sie selbst und daß es der »Mir von Dschinnistan« ist, der den Anstoß dazu gegeben hat. Indem ich Ihnen hierdurch beweise, daß mein Urtheil kein blindes, sondern ein gerechtes ist, hoffe ich, daß Sie auch meine weiteren Ausführungen als durchaus  s a c h g e m ä ß e  [sachgemäße] und  w a h r h e i t s t r e u e  [wahrheitstreue] erkennen werden. Ich bin nicht nervös, nicht im Geringsten, und auch nicht larmoyant. Ich betrachte eine jede Sache nicht nur an sich, sondern auch in Beziehung auf ihre Gründe, also auch diese hier. Wer ändern, bessern, heilen und retten will, hat bei den Ursachen anzufangen, nicht bei den Wirkungen.

   Sie machen mir schwere Vorwürfe, sogar außerordentlich schwere, verehrter Herr Kommerzienrath. Es fällt mir nicht ein, sie Ihnen übel zu nehmen, denn Sie bringen sie weder zornig, gebieterisch oder lumentabel vor, sondern rein sachlich, kurz und in jenem höflichen Tone, der Differenzen überbrückt und Widersprüche mildert. Ich danke Ihnen für diesen Ton! Er war in letzter Zeit seitens des »Hausschatzes« sehr selten geworden! Ich setzte mich sofort nach Empfang Ihres Briefes hin, um Ihre Vorwürfe zu beantworten. Aber ich war krank und bemerkte schon bei den ersten Seiten, daß der Zorn mir in die Feder steigen und meine Seelenruhe und Objectivität vernichten wollte. Das durfte ich nicht dulden. Ich legte die Feder also weg. Hierzu kam, daß meine Entgegnung einige Punkte zu berühren hatte, die ich Ihnen doch lieber sparen wollte und die so wichtig waren, daß ich mir vornahm, nicht nur sie, sondern auch mich selbst noch einmal nachzuprüfen, um nicht in denselben Fehler zu fallen, den ich abstellen wollte. Ich schob also den angefangenen Brief bei Seite und schrieb Ihnen für einstweilen einen kürzeren. Heut nun, wo ich jene störende Wallung überwunden und mir über jene Punkte noch einmal ganz genaue Information eingeholt habe, beginne ich mit der eigentlichen Antwort, die ich gewiß zurückgehalten hätte, wenn es nicht gälte, Gefahren zu verhüten, die nur darum so nahe kommen konnten, weil sie bisher nicht beachtet worden sind. Ich beginne damit, daß ich Ihnen den Anfang des Briefes beilege, den ich am 11ten begonnen habe, ohne ihn zu beenden. Ich halte Alles, was ich da gesagt habe, aufrecht und betone


//35//

ganz besonders noch einmal, daß Herrn Rath Dr. Denk sowohl als Mensch wie auch als Schriftsteller meine vollste Sympathie gehört und daß ich es unendlich bedaure, die brutalen Verhältnisse stärker und mächtiger sehen zu müssen als die zarte, vergeistigte Natur dieses von mir so hochgeschätzten Mannes. Ich meine es mit ihm nicht weniger gut als mit Ihnen, und es sollte mich herzlich freuen, wenn der vorliegende Brief dazu beitrüge, ihm die Klarheit zurückzugeben, die man ihm von anderer Seite raubte!

   Ich habe durchaus keine Zeit, lange Briefe zu schreiben, zumal ich Patient bin, und es ist mir im höchsten Grade unangenehm, Sie, verehrter Herr Kommerzienrath, in so ausgedehnter Weise belästigen zu müssen, aber man hat mich dazu gezwungen, und ein einziger langer Brief, der die beabsichtigte Wirkung erzielt, ist jedenfalls zehn anderen, kürzeren vorzuziehen, die nicht erreichen, was sie erreichen sollen. Ich werde mich so kurz wie möglich fassen und, um eine bessere, logische Handlichkeit zu erzielen, den Gegenstand in seine Theile spalten.


A.


   Es hat in keiner Literatur der ganzen Welt je einen so großen Tintenklex gegeben wie kürzlich in der deutschen den jahrelangen, häßlichen Radau, den man als die sogenannte »Karl May-Hetze« zu bezeichnen pflegt! Es wird nie weggeleugnet werden können, daß grad mein Lieblingsblatt, der »Deutsche Hausschatz«, der Allererste war, der sich zum Richter über mich aufwarf und Rechenschaft von mir verlangte. Ich war beschuldigt, abgrundtief unsittliche Werke geschrieben zu haben. Ich antwortete, das sei nicht wahr, und versprach, die Sache dem Gericht zu übergeben. Hierzu waren Nachforschungen nach dem Urheber dieses Lügengerichtes erforderlich, die sich bis in das Innere von Amerika erstreckten; das erforderte, das Geld gar nicht gerechnet,  l a n g e  Z e i t  u n d  v i e l e s  H i n  u n d  H e r  
[lange Zeit und vieles Hin und Her] ,denn Keiner wollte es sein! Es wurde dadurch erschwert, daß der betreffende Schundverlag hiervon Wind bekam und Alles that, den Sachverhalt zu verschleiern. Er griff sogar, um nicht selbst gefaßt zu werden und Alles zu verdunkeln, zum letzten Mittel, zum Verkaufe! Hierzu kam eine ca. 2 Jahre lange Studienreise, die schon längst geplant worden war und unmöglich länger aufgeschoben werden konnte. Ich trat sie an, hinterließ aber meinem Vertreter die Weisung, sofort zur Klage gegen den Schundverlag zu schreiten, sobald die Vorarbeit hierzu beendet sei.

   Ich wußte gar wohl, was ich dem »Hausschatz« versprochen hatte, und mußte und wollte es halten. Ich  h a b e  [habe] es auch gehalten! Aber der Prozeß hat mit seinem jetzigen criminellen Nachspiele volle  a c h t  J a h r e  [acht Jahre] gedauert, woraus geschlossen werden kann, welche lange Zeit die vorhergehenden Nachforschungen in Anspruch genommen haben. Das ängstigte mich aber nicht, denn ich war fast 20 Jahre lang Mitarbeiter des


//36//

»Hausschatz« gewesen, hatte nie auch nur die geringste Veranlassung gegeben, für einen  S c h u n d l i t e r a t e n  [Schundliteraten] gehalten zu werden, und durfte also wohl mit vollem Rechte erwarten, daß man mir doch wenigstens die nöthige Zeit gönnen werde, den eigentlichen Erfinder dieser Lüge zu fassen und gerichtlich bestrafen zu lassen. Leider aber geschah das Gegentheil. Der »Hausschatz« wartete nicht. Er stellte sich an die Spitze der »Karl May-Hetze«, verurtheilte mich, ohne mich gehört zu haben, und warf mich dann dem Kölnischen Oberhenker hin, der mich ein volles Jahrzehnt lang mit Marterqualen peinigte, die unerhört und unaussprechlich sind. Warum that der Hausschatz das? Warum schändete er mich mündlich, schriftlich, in Briefen, Zeitungen (siehe besonders Neisser Zeitung) u.s.w.? Warum gab er den Lesern, die nach mir fragten, seine Antwort nicht mehr öffentlich im Blatte selbst, sondern in heimlichen Briefen, die mir von den Betreffenden zugeschickt wurden? Warum schrieb er sogar an die Redacteure anderer Blätter Dinge, die ihm der Schundverlag durch seine Helfershelfer melden ließ, um mich vollständig zu entehren? Auch unter den Redacteuren gab es brave Menschen, die mich hiervon benachrichtigten und durch Einsendung überzeugten! Diese Beweise sind  n o c h  h e u t  v o r h a n d e n  [noch heut vorhanden]!Ahnte der »Hausschatz« denn wirklich nicht, daß dies Alles von seinen Concurrenten und dem Schundverlage arrangirt wurde, um mir den Sieg unmöglich zu machen? Einer dieser Concurrenten hat erst kürzlich noch eingestanden:

   » W i r  m u ß t e n  M a y  v e r n i c h t e n ,  u m  d e n  » H a u s s c h a t z «  t o d t  z u  m a c h e n ! « [»Wir mußten May vernichten, um den »Hausschatz« todt zu machen!«]

Dieser Plan war raffinirt erdacht und wurde noch raffinirter ausgeführt. Man wiegelte gegen mich, so daß  i c h  [ich] gezwungenermaßen mitten im »Reich des silbernen Löwen« abbrach und dem »Hausschatz« per Depesche meldete, daß ich kein Wort mehr für ihn schreiben werde. Obgleich demnach  i c h  [ich] es war, der den Verkehr abbrach, mußte der »Hausschatz« öffentlich behaupten, daß  e r  [er] es sei, der mich hinausgeworfen habe. Man hetzte hierdurch Pustet und May auf einander. Sie sollten einander gegenseitig vernichten, wie die beiden Löwen in dem bekannten Witze, die einander auffraßen, so daß nur die beiden Quasten liegen blieben. Die Herren brauchten da nur ruhig zuzusehen und dann das Erbe anzutreten. Das war der schöne Plan! Der eine Löwe ging in diese Falle, der andere aber nicht; er blieb ruhig und erwartete seine Zeit! Sie ist jetzt gekommen; sie ist nun endlich da! Doch hiervon später!

   Wer war es nun, der den »Hausschatz« zu diesen Dingen trieb? Etwa Herr Pustet selbst? O nein! Dazu ist er viel zu vornehm; ich kenne ihn! Wer aber sonst? O, weiter Niemand als einige seiner besten Freunde und einige seiner besten Feinde! Von diesen Freunden bezeichne ich einstweilen nur einen an der Bahnlinie Sigmaringen-Immendingen und einen in Münster wohnenden Herrn. Die beiden Feinde, die ich nennen will, wohnten damals in der Schweiz, der Eine von ihnen jetzt nicht mehr. Zu


//37//

ihnen gesellte sich ein sehr geachteter »Oberredacteur«, der sie alle, Freunde und Feinde, im Sacke hatte, selbst aber wieder im Sacke des oft genannten Schundverlages steckte, daß es ihm selbst heut noch nicht gelungen ist, sich aus ihm zu befreien. Es that ihnen allen unendlich leid, daß May nicht mit einem einzigen Sprunge niederzurennen gewesen war, sondern alle ihre Streiche auffing, ohne zerschmettert zu werden. Und es that besonders den beiden Schweizern leid, daß auch der Verlag des Hausschatzes stehen blieb, obgleich die Redaction alles Mögliche gethan hatte, May zum Kampfe gegen ihn zu treiben. Aber was jetzt noch nicht geschehen war, das konnte später noch geschehen, und so fuhr man fort, den Schundverlag durch Zeitungsartikel gegen May zu unterstützen und diesen Letzteren dadurch zu zwingen, gegen Pustet endlich doch noch Front zu machen. Als ich auch hierdurch nicht zu bewegen war, meinen alten, lieben Herrn Kommerzienrath anzugreifen, trieb mich der Schundverlag zu Beweiserhebungen, die ich auch in Regensburg zu beantragen hatte. Der Verleger des »Hausschatzes« irrte sich in der Aussage, die er beschwor, um eine beträchtliche Zeit. Sofort beeilte man sich, das zu benutzen. Man sagte nicht, daß er sich geirrt haben könne, sondern man behauptete, daß ich  d i r e c t  u n d  a b s i c h t l i c h  g e l o g e n  [direct und absichtlich gelogen] habe, und spielte dadurch die Sache dem Staatsanwalt in die Hände, der in Form einer Anzeige wegen Falscheides veranlaßt wurde, die Sache klarzustellen. Die Familie Pustet sollte hierdurch noch mehr als bisher gegen mich erbittert und eine Aussöhnung zwischen ihr und mir für immer unmöglich gemacht werden. Dann mußte doch endlich kommen, was kommen mußte: May wird kaput, und der »Hausschatz« geht nach und nach sanft und selig an Altersschwäche zu Grunde!

   Aber der »Hausschatz« hielt sich länger, als man dachte, und auch May wurde nicht kaput. Cardauns ließ einen Artikel nach dem andern gegen mich erscheinen. Er bezog die Instruction und die Unterlagen hierzu vom Schundverlag. Und dieser Schundverlag mißbrauchte dann diese von ihm inspirirten Artikel als immer neue Beweise gegen mich vor Gericht. So arbeitete man sich unentwegt in die Hände. Der Schundverlag instruirte Herrn Cardauns, und dieser wieder riß den Schundverlag aus der Patsche. Aber das wurde so oft und so auffällig getrieben, daß die Richter die Sache endlich durchschauten, und von da ab ging es mit beiden, nämlich mit dem Schundverlag und Herrn Cardauns, sehr schnell bergab. Ich gewann den Prozeß in erster, zweiter und dritter Instanz. Schon im Jahre 1903 hatte der Schundverlag öffentlich in den Zeitungen erklären müssen, daß die unsittlichen Stellen nicht von mir seien. Im Jahre 1904 stand in dem Urtheile erster Instanz ausdrücklich bestätigt, daß Münchmeyer hinter meinem Rücken habe umarbeiten lassen. Und im Jahre 1907 gestand der Schundverlag endlich unumwunden und freiwillig ein, die Romane seien ohne mein Wissen derart bearbeitet worden, daß sie ganz unmöglich mehr als meine Werke betrachtet werden könnten.


//38//

   Das war ein schwerer, sehr schwerer Schlag für Herrn Cardauns und seine Verbündeten, denn es stellte sich nun mit einem Male heraus, daß er sich

   1., wie ein kleiner Schulknabe hatte dupiren, nasführen und betrügen lassen, und daß er

   2., mit einer Rüdigkeit und Gewissen [losig] keit gegen mich verfahren war, die gradezu ihresgleichen suchte!

   Er hatte nämlich, als ich ihn öffentlich Lügen strafte, von dem Schundverlag meine Originalmanuscripte verlangt, aber nicht sie, sondern nur die gedruckten Fälschungen bekommen. Meine Originale waren von der Schundfirma längst verbrannt worden, damit ich ihr ja nichts beweisen könne. Anstatt nun ehrlich zuzugeben, daß er betrogen worden sei und mir Unrecht gethan habe, gab er diese Fälschungen für   » u n u m s t ö ß l i c h e  B e w e i s e «  [»unumstößliche Beweise«],  für  » A k t e n m a t e r i a l «  [»Aktenmaterial«] und  » u n a n g r e i f b a r e  D o k u m e n t e «  [»unangreifbare Dokumente«] aus. Er wurde also  s e l b s t  z u m  F ä l s c h e r  [selbst zum Fälscher]!!!

   Natürlich war es mir dem gegenüber nun nicht mehr möglich, in meinem Schweigen zu verharren. Ich antwortete ihm, allerdings in Flugschriften, da mir keine Zeitung offen stand, denn die Schurken, die seine Angriffe unbeanstandet aufnahmen, wiesen mich mit meiner Gegenwehr zurück. Erzwingen aber wollte ich mir die Aufnahme nicht, weil es in meinem Vertheidigungsplane lag, mir Herrn Cardauns bis  z u  a l l e r l e t z t  [zu allerletzt] aufzuheben.

   Da trat nun die Schundfirma wieder für ihn ein, wie er auch ihr so oft aus der Verlegenheit geholfen hatte. Sie hatte ihm stets weißgemacht, daß ich den Prozeß ganz unbedingt  v e r l i e r e n  [verlieren] werde, und er war dadurch veranlaßt worden, auf seinen Fälschungen, Lügen und Schwindeleien zu beharren. Nun hatte ich ihn  g e w o n n e n  [gewonnen]! Es entstand die Frage: Wie war die Schundverlegerin Frau Münchmeyer und mit ihr Herr Cardauns wohl noch zu retten? Es wurde ein gradezu teuflischer Plan ausgeheckt. Wie man vor einigen Jahren zur Meineidsanklage gegen Pustet getrieben hatte, so wurde nun beschlossen, auch mich und meine Zeugen wegen Meineides resp. Verleitung zum Meineide anzuzeigen. Da meine Gegner weder Lüge noch Betrug und Fälschung scheuten, gelang es ihnen, die Staatsanwaltschaft für die Anklage zu gewinnen. Im Januar hatte ich den großen, leid- und schmachvollen Prozeß in dritter und letzter Instanz gewonnen; im März schon wurde die Voruntersuchung gegen mich und meine braven, ehrlichen Zeugen eröffnet. Da man nichts auf uns bringen konnte, wurde im November Haussuchung bei uns allen gehalten und Alles beschlagnahmt, was irgend einen, wenn auch nur den allerkleinsten, unbedeutendsten Vorwurf gegen uns zu liefern schien. Und erst jetzt, im Monat Januar des Jahres 1909, ist uns eröffnet worden, daß wir unschuldig seien. Also volle 22 Monate hat diese Untersuchung gedauert! Volle 22 Monate lang ist Herr Cardauns  v o l l s t ä n d i g  ü b e r z e u g t  [vollständig überzeugt] gewesen, daß Karl May wegen Meineides  d e m  Z u c h t h a u s e [dem Zuchthause]


//39//

v e r f ä l l t  [verfällt]! Hierdurch wird sein ganzes Verhalten erklärt, auch das, daß er nicht dazu zu bringen war, zu widerrufen. Das Zuchthaus hatte nicht nur den verhaßten May zu verschlingen, sondern auch Alles, was Cardauns gegen ihn verbrochen hatte --- der Herr Oberredacteur war gerettet, und mit ihm die paar moralischen Jammergestalten, die noch zu ihm hielten!

   Und damit es am Schlusse dieses gewissenlosen Intriguen- und Kabalenspieles nicht an einem prasselnden Feuerwerke fehle, an dessen Rauch der Schandbube May zu ersticken und zu verschwinden hatte, wurden noch zwei lärmende Knalleffekte in Scene gesetzt, als deren Arrangeure zwei völlig unbescholdene, sehr brave und sehr ungefährliche Männer ausersehen waren, nämlich der Baseler Schlossergeselle Friedrich Wilhelm Kahl und der Chefredacteur des »Hausschatz«, Herr Königlicher Wirklicher Rath, Dr. Otto Denk! Es braucht sich Niemand über den letzteren Namen zu wundern. War es dem Schundverlag gelungen, den Hauptredacteur Cardauns zu übertölpeln, so daß dieser bis heut noch nicht wieder losgekonnt hat, so kann selbst der wohlwollendste, ehrlichste und klügste Mensch nicht mehr behaupten, daß er vollständig immun gegen derartige Einflüsse sei.

   Es galt nämlich, der Caricatur, in die man mein Bild zu verwandeln trachtete, die beiden letzten, bösen Striche anzufügen: Es sollte nachgewiesen werden, daß ich nicht nur unsittlich geschrieben habe, sondern überhaupt ein Lump und Schurke sei. Hierzu war Friedrich Wilhelm Kahl bestimmt. Und es sollte bekannt gegeben werden, daß ich nicht nur unsittlich geschrieben habe, sondern daß ich ein wirklicher Taxil bin, indem ich mich christusgläubig stelle, in Wirklichkeit aber gegen die Religion und den Katholizismus schreibe. Klingt das nicht ganz wie Cardauns? Hierzu war Herr Dr. Otto Denk bestimmt!

   Was zunächst Herrn Friedrich Wilhelm Kahl betrifft, so war das ein Schwindel sondergleichen. Er ist so ekelhaft schmutzig, daß ich ihn hier nur in wenigen Zeilen berühre. Es erschien gegen mich eine Schund- und Schandbrochure, betitelt »Karl May, ein Verderber der deutschen Jugend. « Verlegt wurde sie von der Firma Herrmann Walter G.m.b.H. in Berlin. Ihr Vertreter heißt Bechly. Als Verfasser wurde F. W. Kahl aus Basel angegeben. In Wirklichkeit aber ist sie von einem gewissen Lebius geschrieben, der die Aufgabe übernommen hat, eben zu beweisen, daß ich überhaupt ein Lump und Schurke bin. Ich habe natürlich sofort verklagt; aber die liebe, irdische Gerechtigkeit schreitet leider nur allzu langsam vor, und mit meiner Amerikareise wurden Monate versäumt. Das hat Herrn Cardauns neue Luft und neue Hoffnung gegeben. Natürlich aber hat er sich auch hier betrügen lassen. Ihnen gegenüber will ich das Aktengeheimniß lüpfen und Sie mit zwei Punkten des Protokolles bekannt machen, welches vorgestern Bechly, der Vertreter der Verlagsfirma, unterzeichnet hat:


//40//
1.,


   »Herr Friedrich Bechly, der Geschäftsführer der Verlagsbuchhandlung Herrmann Walther G.m.b.H. zu Berlin, welche die Brochure "Karl May, ein Verderber der deutschen Jugend von F. W. Kahl, Basel« verlegt hat, erklärt Folgendes:

   Rudolf Lebius hat mich zur Eingehung des Verlagsgeschäftes durch  V o r f ü h r u n g  f a l s c h e r  T h a t s a c h e n  [Vorführung falscher Thatsachen], sowie durch  V e r h e i m l i c h u n g  [Verheimlichung] seiner eigentlichen, mir jetzt  v e r w e r f l i c h  [verwerflich] erscheinenden Absichten und durch die  V o r s p i e g e l u n g  [Vorspiegelung] bestimmt, daß ein gewisser Kahl der Verfasser sei. Ich habe mich im Verlaufe des Prozesses und der Vergleichsverhandlungen, insbesondere an der Hand eines eigenhändigen Briefes des Herrn Kahl vom 10. September 1908 davon überzeugt, daß Lebius mit  w i s s e n t l i c h  g e f ä l s c h t e n  T h a t s a c h e n  [wissentlich gefälschten Thatsachen] operirt hat, indem er nach der schriftlichen Angabe des Herrn Kahl seinen Namen in Bezug auf die Brochure gemißbraucht hat. Dieser Brief befindet sich in den Akten des Rechtsanwaltes Bahn.


2.,


   Herr Bechly bedauert auch, auf das Lebiussche Ansinnen eingegangen zu sein, weist eine weitere Beziehung zu diesem Herrn energisch zurück und  v e r s i c h e r t  H e r r n  M a y  s e i n e  v o l l s t e  H o c h a c h t u n g !«
[versichert Herrn May seine vollste Hochachtung!«]


u.s.w.


   Das ist, was der Verleger sagt. Ich theile es Ihnen schon heut mit, weil Sie Verleger sind. Sie werden es in einigen Tagen in den Zeitungen lesen. Was den Verfasser Lebius betrifft, muß ich noch schweigen. Cardauns hat lange Ohren. Sie reichen selbst nach Regensburg, und es kann mir nicht einfallen, ihn warnen zu lassen, selbst wenn diese Warnung den Weg über Beuron zu nehmen hätte!

   Das war das beabsichtigte Kahlsche Schlußfeuerwerk. Es verpufft schon jetzt, wie alles Andere, was Herr Cardauns nachträglich noch arrangirt, um sich zu retten. Bleibt also nur das Otto Denksche Experiment, mich als einen Menschen hinzustellen, der gegen den Catholizismus schreibt. Ich bin vollständig überzeugt, daß der liebe, gute, nervöse und darum so ungemein zu beeinflussende Herr Doktor Denk an diesem Experimente arbeitet, ohne zu wissen oder vielleicht gar zu ahnen, daß er unter Einfluß handelt. Denn sonst fiele es ihm ja gar nicht ein, dem »Hausschatz« derart Abbruch zu thun, wie es in der letzten Zeit geschehen ist und heute noch geschieht. Doch hiervon drüben auf der nächsten Seite!


B.


   Bevor ich weiterschreibe, verehrter Herr Kommerzienrath, gebe ich Ihnen nun zum dritten Male die Versicherung, daß ich Sie  w a h r h a f t  
[wahrhaft] und  e h r l i c h  [ehrlich] hochschätze und lieb habe. Wäre das nicht der Fall, so hätte ich mich schon damals und auch nun jetzt schon längst ganz anders


//41//

verhalten. Ebenso wiederhole ich, daß Ihrem Chefredacteur meine vollste, persönliche Sympathie gehört und daß es mir niemals, wohl selbst im Traume nicht einfallen kann, ihm auch nur im Allergeringsten unrecht oder gar wehe zu thun. Ganz so wie Ihnen wünsche ich ihm jenen ruhigen, heitern, ungetrübten Lebensabend, den das Leben mir, dem immer wieder von Neuem Angegriffenen, versagen zu wollen scheint. Herr Rath Denk hat ein fleißiges Leben hinter sich und sehr wohl den Sonnenschein und den Altersfrieden verdient, den ich ihm wenigstens ebenso herzlich gönne wie jeder andere seiner Freunde. Wenn ich aber nun die Wolken heraufsteigen sehe, durch welche ihm dieser Sonnenschein getrübt und dieser Altersfrieden geraubt werden soll, und er sieht es nicht, so ist es meine Pflicht, nicht still zu sein, sondern das Meinige zu thun, sie zu verscheuchen. Ich bin hierzu umso mehr  v e r p f l i c h t e t  [verpflichtet] und zugleich  b e r e c h t i g t  [berechtigt], als das heranziehende Gewitter nicht nur ihn bedroht, sondern auch mich und Sie selbst, Herrn Kommerzienrath. Sie haben Herrn Königlichen Wirklichen Rath Otto Denk in Ihrer Redaction eine angenehme, sorgenfreie Stätte bereitet, an der er getrost und bequem sein Haupt zur Ruhe legen kann. Sie wünschen ebenso wie er und seine Familie, daß diese Stätte ihm gesichert bleibe und daß sich nichts ereigne, was sie beeinträchtigen oder gar zerstören kann. Und doch wird grad an ihr seit einiger Zeit herumgerüttelt, sehr eifrig, unausgesetzt und heimlich! Und weder er noch Sie bemerken das! Und falls Sie es bemerken, so denken Sie, es gelte nur mir, nicht aber noch vielmehr auch Ihnen und ihm! Ich aber, der ich infolge meiner Fühlung mit vielen, vielen tausend Lesern das Alles erfahre und sehe, darf ich da wohl schweigen, ohne Sie und ihn zu warnen? Selbst auf die Gefahr hin, von ihm verkannt zu werden und seinen Zorn auf mich zu laden? Nein! Ich will kein Schurke sein, sondern meine Pflicht erfüllen. Ich habe ehrlich, offen und wahr zu Ihnen und ihm zu sein, und wenn er nicht groß und edel genug denkt, dies anzuerkennen, so habe ich auch das als mein Schicksal hinzunehmen, grad von Denen, mit denen ich es am Besten meine, am Emsigsten verkannt zu sein.

   Und noch eine andere Person habe ich voraus zu erwähnen, nämlich jene Dame, welche schon damals bei der ersten Karl May-Hetze eine hervorragende Rolle spielte und sich darum für geeignet hält, sich in derselben Weise nun auch an der zweiten, soeben begonnenen, zu betheiligen. Auch ihr bin ich persönlich wohl gesinnt, und zwar als Mensch, der gewohnt ist, jedes Gefühl der Rache in sich zu tödten. Ich habe trotz der bitteren Erfahrungen, die sich für mich an ihren Namen heften, niemals ein Wort über sie gesagt, welches gegnerisch gedeutet werden könnte. Ich stimme ihr sogar von ganzem Herzen und vollständig bei, wenn sie sagt: »Was ich für wichtig im Leben halte: eine Zunahme der menschlichen Güte, eine Vertiefung des Herzenslebens.« Das ist ja ganz derselbe Hauptgedanke, an dessen Verwirklichung auch ich arbeite: die Entwik-


//42//

kelung [Entwickelung] des Gewaltmenschen zum Edelmenschen! Ich habe sie also als Mitarbeiterin an einer und derselben Aufgabe zu betrachten und zu achten. Ich thue das sehr gern und wünsche ihr die möglichsten Erfolge. Darum möchte ich, daß sie sich von Allem fernhalte, was das Bild, welches man sich von ihr macht, schädigen könnte. Man soll ihr nichts nachsagen oder gar beweisen können, was ein striktes, häßliches Gegentheil der »Güte« ist, als deren Priesterin sie lebt und schreibt. An ihrem Gewande soll kein einziger Fleck zu finden sein, der vermuthen läßt, daß diese ihre Güte eben nur ein äußerliches Gewand sei, nicht aber auch in ihrer Person, in ihrem Innern, in ihrem Herzen wohne! Solcher Flecken hat es leider damals nicht wenige gegeben, und man hat sie ihr, wie die gewöhnlichen Menschen nun einmal sind, bis heut noch nicht vergessen. Unglücklicher Weise ist sie es selbst, die immer wieder an jene Trübungen und Unschönheiten ihres Characterbildes erinnert, indem sie, wie es scheint, gar nicht für möglich hält, daß man das, was sie gegen mich thut, spricht und schreibt, ganz anders nimmt als sie es wünscht. Es scheint ihr genau so wie Herrn Rath Denk, der Gedanke außerordentlich fern zu liegen, daß man mir ihre mündlichen Worte wiedererzählt, mir ihre brieflichen Zeilen schickt. Es erfordert fast mehr als menschliche Selbstüberwindung, hierzu so lange zu schweigen, wie ich geschwiegen habe. Dennoch würde ich wohl auch noch länger schweigen, wenn es sich nur allein um mich handelte. Nun das Raunen, Warnen, Hetzen, Unterwühlen und Untergraben aber derart um sich greift, daß es auch die Existenz Anderer bedroht, die ich lieb habe und die nicht stark genug sind, hierüber nur zu lächeln, so sehe ich die Zeit kommen, in der ich, gezwungen von Frau Keiter selbst, den Schleier von diesem ihrem Treiben ziehen muß, nicht um meinetwillen, sondern um meines lieben »Hausschatzes« und auch um aller Derer willen, die sie mit ihrer Agitation zu beehren und zu beglücken glaubt, in Wirklichkeit aber nicht nur belästigt, sondern sogar schädigt! Ich bitte Sie also, mein lieber, verehrter Herr Kommerzienrath, mir ja nicht Rachsucht unterschieben zu lassen, wenn ich einmal vergessen muß, daß sie eine Dame ist und sowohl öffentlich als auch gerichtlich so plötzlich und so fest zufasse, daß der vielbewunderte Schmetterling seine Schuppen schnell verliert! Ich habe das bisher nicht gethan, weil ich weiß, daß Frau Keiter nicht aus angeborener Bosheit handelt, sondern nur infolge ihrer engen Connexion mit jenen wenigen, von damals übriggebliebenen Henkers- und Schindersknechten, mit denen ich nur deshalb noch nicht abgerechnet habe, weil es noch nicht an der juristischen Zeit mit ihnen war. Indem Frau Therese Keiter nach den ihr von dorther kommenden Instructionen handelt, ahnt sie wohl nicht, was sie that, und darum bin ich sogar noch heut bereit, sie zu entschuldigen, ob aber auch noch morgen, das weiß ich freilich nicht!

   So, das waren die Personen. Und nun zur Sache zurück!

   Sie sagen, daß ich mit »Winnetou« IV bessere Geschäfte machen wer-


//43//

de [werde], weil da nicht von Religion die Rede sei. Wenn Sie wüßten, wie deutlich Sie in diesem Worte die ganze Situation kennzeichnen, die Ihnen von Ihren sogenannten »Freunden« theils eingeredet theils aufgezwungen worden ist! Sie befinden sich nämlich, indem Sie das sagen, in einem großen, für Sie und Ihren »Hausschatz« verhängnißvollen Irrthume. Und der, der kommt nicht aus Ihnen selbst, sondern den, den hat man Ihnen so lange suggerirt, bis Sie ihn für reine Wahrheit hielten! Und doch weiß Jedermann, daß es keine einzige Karl May'sche Erzählung giebt, in der die Religion bei Seite geschoben ist! Und grad was »Winnetou« betrifft, so habe ich in dieser Erzählung die einfache Indianerreligion von »Manitou, dem großen, guten Geiste« in mehr als hundertfacher Weise variirt, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe in zahllosen Scenen beschrieben, daß Indianer lange, wirkungsvolle Reden hielten, in denen der ganze Jammer der hingemordeten rothen Rasse auf die Christen geworfen wurde, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe zwei volle Bände lang die Religionen der Südamerikaner behandelt,  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe die religiösen Gebräuche der Lappländer, der Mongolen, der Malayen geschildert, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe die Tempel und Culte der Chinesen beschrieben, und   k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe über die Glaubensformen der Nil- und Sudanländer gesprochen, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe die Parsen, die Jeziden, die Thomaschristen und viele andere Sekten in ihren religiösen Obliegenheiten vorgeführt, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe den Islam von allen Seiten, von innen und außen beleuchtet und tausend große und kleine Bilder von ihm geliefert, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Ich habe katholische, protestantische, reformirte, lutherische, anglikanische, baptistische und andere Kirchen und Gebräuche beschrieben, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Und ich habe so viele Male, daß ich es gar nicht zählen kann, meinen eigenen, unerschütterlichen Glauben, meine eigene Gottes- und Christuszuversicht, meine eigene frohe, selige Himmelshoffnung erwähnt, und  k e i n  M e n s c h  h a t  E t w a s  d a g e g e n  g e h a b t !  [kein Mensch hat Etwas dagegen gehabt!] Und kaum habe ich im »Mir von Dschinnistan« das erste religiöse Lallen eines einfachen Naturvolkes beschrieben, so ertönen Zeterschreie, daß ich religiöse Irrlehren verbreite und gegen den Katholizismus schreibe! Ist das nicht auffällig? Ist das nicht sonderbar?

   O, nicht nur auffällig und nicht nur sonderbar, sondern noch weit mehr als das! Wenn man dreißig Jahre lang meine Religionsschilderungen als gut und treffend befunden hat und sie nun plötzlich verneint, so kann dies unmöglich an mir, sondern nur an Denen liegen, die hier die Hand im Spiele haben! Und wer sind diese Leute? Höchst überflüssige Frage! Ich brauche gar nicht erst nach ihnen zu forschen; ich kenne sie


//44//

schon längst! Aber um sie auch Ihnen zu zeigen, Herr Kommerzienrath, kehre ich noch einmal in jene Zeit zurück, die ich als »damals« zu bezeichnen pflege, und führe Sie mit logischem Schritt zum Ziele:

   Daß man mir vorwarf, abgrundtief unsittliche Schundromane geschrieben zu haben, und daß Herr Cardauns öffentlich behauptete, die untrüglichen, dokumentaren, aktenmäßigen Beweise hierfür zu besitzen, das habe ich bereits erwähnt. Ebenso habe ich erwähnt, daß diese seine Beweise nur in den Münchmeyerschen Fälschungen bestanden, mit denen der Schundverlag ihn »angeschmiert« hatte! Für jeden Nichtschwindler und Nichtbetrüger war es klar, daß der Beweis einzig und allein nur mit der Vorlegung meiner von mir selbst geschriebenen Originalmanuscripte geführt werden konnte. Die aber hatte Münchmeyer wohlweislich schon längst verbrannt. Ich verlangte diese Beweisführung von Cardauns. Ich forderte ihn öffentlich auf, meine Manuscripte vorzulegen und zu zeigen, daß das, was ich geschrieben hatte, mit den Schundromanen übereinstimme. Das konnte er nicht! War er ein Ehrenmann, so mußte er das aufrichtig zugestehen. Er that dies aber nicht, sondern er sprach auch fernerhin nur immer von seinen »Akten«, »Dokumenten« und »Beweisen« und erweckte dadurch den Anschein, als ob er sich im Besitze meiner geschriebenen Originale befinde. Mit einem andern Worte: Um einen doch immerhin verzeihlichen Fehler nicht eingestehen zu müssen, wurde er zum habituellen Zwangslügner, zum raffinirten Schwindler.

   Aber das mußte doch einmal, wenn auch noch so spät, an den Tag kommen! Oder nicht? Nein! Herr Cardauns fühlte, obgleich er nicht den geringsten wirklichen Beweis gegen mich in den Händen hatte, keine Spur von Gefahr für sich, denn der Schundverlag hatte ihm versichert, daß ich den großen Prozeß gegen ihn ganz unbedingt verlieren werde; dann sei es mit mir aus, und es werde keinem Menschen einfallen, mehr nach Beweisen zu fragen! Aber ich gewann ihn, und zwar in allen drei Instanzen, glatt, ohne den Nachweis auch nur eines einzigen unwahren Wortes. Nun forderte ich von Cardauns mit größerer Dringlichkeit die Vorlegung meiner Manuscripte. Da wurde ihm denn doch angst. Aber der Schundverlag wußte sich zu helfen. Es wurde beschlossen, mich trotz des gewonnenen Civilprozesses durch einen Kriminalprozeß unschädlich zu machen. Man klagte mich und meine Zeugen des Meineides an und versicherte Herrn Cardauns, daß ich ganz unbedingt dem Zuchthause verfallen werde. Früher hatte man behauptet, daß ich im Irrenhaus gewesen sei. Nun trug man das auf das Zuchthaus über, und Herr Cardauns fühlte sich wieder sicher. Der Münchmeyersche Rechtsanwalt war mit dem führenden Staatsanwalt Schul-, Studien- und Corpsgenosse und auf das Innigste befreundet. Der Untersuchungsrichter, ein junger, unerfahrener Assessor, stand gänzlich unter dem Einflusse dieser Beiden. Man behandelte mich gleich von vorn herein wie einen bereits Ueber-


//45//

führten [Ueberführten]. Alles, was Cardauns über mich geschrieben hatte, ob wahr oder nicht, wurde gegen mich verwendet. Man hielt Haussuchung bei mir und meinen Zeugen. Die Behandlung war äußerst rigoros. Ich sah sofort, wie es stand. Die Zuchthausthore waren weit geöffnet. Und wenn mir auch direct nichts bewiesen werden konnte, so genügte doch eine einzige kleine Lüge, eine einzige Unwahrheit zum Aufbau eines Indizienbeweises, der nicht weniger gefährlich war wie der directe. Mein ganzes Leben wurde durchforscht. Man erstreckte die Untersuchung bis in das ferne Ausland, sogar nach Amerika! Doch Alles, was man that, war vergeblich!

   Diese Untersuchung währte 22 Monate lang. Als sich nach dem ersten halben Jahre zeigte, daß es mit dem Zuchthause nicht so schnell ging, wie man gerechnet hatte, bekam Herr Cardauns wieder Angst. In diesem Zuchthause lag jetzt sein einziger Rettungsanker. Es war allen Leuten weißgemacht worden, daß ich ihm unbedingt verfallen sei. Die ganze, allerdings ungeheuer zusammengeschrumpfte Cardaunserei wartete mit Schmerzen auf die ersehnte Nachricht, daß May geliefert sei. Ein tiefes, tiefes Aufathmen aller angstvoll Lauschenden wäre die augenblickliche Folge gewesen. Aber diese Kunde wollte nicht und nicht kommen! Wie nun, wenn auch der Kriminalprozeß versagte? Wenn die Unschuld Mays so sehr fest stand, daß ihr auch durch ihn nichts anzuhaben war? Dann mußte Herr Cardauns endlich doch noch heraus mit dem Geständnisse daß er keine Manuscripte und keine Beweise habe, und war als Schwindler entlarvt!

   Da galt es nun, auf den geplanten Hauptschluß des Stückes zu verzichten und das Gewicht umso mehr auf die beiden Feuerwerke und Knalleffecte zu legen: May läßt sich zwar nicht fangen, aber er ist überhaupt ein Schuft und Schurke! Und May ist irreligiös und schreibt gegen die katholische Glaubenslehre. Die erstere Aufgabe hatte der aus der christlichen Kirche öffentlich ausgetretene Rudolf Lebius zu führen. Er war hierzu geeignet wie kein Anderer. Aber es ging auch hier nicht so, wie man gedacht hatte. Kaum war die Brochure erschienen, so wurde auf meine Anzeige hin ihre Verbreitung gerichtlich untersagt. Das Uebrige habe ich bereits weiter vorn auf Bogen 9 [S. 39f.] gemeldet. Von hier aus hat Herr Cardauns also keine Spur von Hülfe und Rechtfertigung zu erwarten. Folglich bleibt als letzte Hoffnung für ihn nur noch die Verdächtigung, daß ich gegen den Katholizismus schreibe. Falls ihm dieser Nachweis gelänge, wäre seine damalige Behauptung, daß ich ein zweiter Taxil sei, ja erwiesen und seine Ehre gerettet, wenn auch nicht ganz, aber doch so leidlich. Der Schwindel mit den vorgespiegelten »Dokumenten« und »Beweisen« könnte zwar trotzdem nicht abgeleugnet werden, würde ihm aber um des Verdienstes willen, den Antichrist Karl May vernichtet zu haben, wohl gern verziehen werden! Wie steht es nun hiermit?


//46//
C.


   Ehe ich auf diesen Punkt eingehe, habe ich zuvor mein Verhältniß zu Ihrem Herrn Chefredacteur zu erörtern, mein verehrter Herr Kommerzienrath.

   Er war mein Feind, und zwar einer, der mir viel, sehr viel geschadet hat. Ich liebe es, meine Gegner persönlich zu sehen und zu sprechen. So bin ich auch zu Muth und Anderen gegangen. Bei einer Anwesenheit in Regensburg, welche die mir befreundete Verlagsbuchhandlung Manz betraf, beschloß ich auch, Herrn Dr. Denk aufzusuchen. Die von mir gar nicht beabsichtigte Folge war, daß Sie ihn mir nach München nachschickten, um eine Aussöhnung herbei zu führen. Ich war dazu bereit und freute mich dieser Ihrer Einsicht, die mich des unangenehmen Zwanges enthob, bei der unvermeidlichen Zusammenrechnung mit Cardauns auch die Herren vom »Hausschatz« gerichtlich mit zu fassen. Aber es blieb nicht bei der Aussöhnung allein. Dr. Denk bat auch um eine Arbeit für den Hausschatz, in seinem eigenen wie auch in Ihrem Namen. Ich hatte keine Zeit dazu, und ich hatte auch Bedenken, schwere Bedenken, die ich ihm aber nicht sagen konnte. Ich sagte  n i c h t  [nicht] ja. Das war im Hôtel Leinfelder, München, beim Abendessen. Er fing immer wieder davon an. Er ließ nicht davon ab. Er sagte, wenn ich bereit zur Aussöhnung gewesen sei, müsse ich doch wohl auch bereit sein, diese Aussöhnung durch ein Manuscript zu bethätigen. Aber  s e h r  b a l d  [sehr bald] müsse es beginnen. Ich solle nur einwilligen; da sei er für heut zufrieden. Das rein Geschäftliche könne ich dann mit dem Herrn Kommerzienrath selbst abmachen. Dieser werde mir gern in jeder Beziehung entgegenkommen. Als ich dennoch zögerte, schilderte er es mir, wie der Herr Kommerzienrath ihm befohlen habe, mir nachzureisen und ihm keine Ruhe gegeben habe, sondern immer wieder zurückgekehrt sei, um ihn zu treiben resp. nachzusehen, ob er schon fort sei oder nicht! Das rührte mich tief, so tief, daß ich auf die Bitte einging und ein Manuscript, sofort zu beginnen, versprach. Herr Rath Denk besuchte dann am Morgen einen Anhaltischen Herrn, um sich für einen Orden zu bedanken. Ich erwähne das ausdrücklich. Als ich dann nach Regensburg zu Ihnen kam, Herr Kommerzienrath, boten Sie mir 1 Mark pro geschriebene Seite des Manuscriptes für den ersten Abdruck des Romanes. Das war natürlich nur ein Versuch, auf den ich nicht eingehen konnte, denn Sie hatten mir früher 2 Mark bezahlt. Das war das Niedrigste, was ich fordern konnte, und Sie stimmten bei. Später sprachen Sie im Laufe der Unterhaltung auch einmal von der Erhöhung des Honorares im Verhältniß zur steigenden Abonnentenzahl, doch wurde das in die Zukunft verschoben, zumal es die Buchführung und die Geschäftsgeheimnisse des Verlegers in die Hände des Mitarbeiters liefert, weil dieser dann berechtigt ist, zu jeder Zeit nachzuschauen, wieviel Abonnenten es giebt. Es ist also bei dem niedrigen Satze von 2 Mark pro Seite geblieben!


//47//

   Die Bedenken, von denen ich sprach, sind folgende:

   Ich hatte allerdings meinen Prozeß gewonnen und damit bewiesen, daß ich der nicht war, als den Herr Cardauns mich geschildert hatte. Aber dieser Herr gab seine Schuld nicht zu und mußte darum, wie man sich auszudrücken pflegt, erst noch extra niedergeschlagen werden. Er besaß einen Anhang, der noch immer an ihn glaubte und zu den Lesern des »Hausschatzes« gehörte. Dieser Anhang bröckelte zwar immer mehr ab, aber es gehörten doch einige Personen zu ihm, die nicht unbedeutenden persönlichen Einfluß besaßen. Aus gewissen Gründen nenne ich hier nur zwei, nämlich Hülskamp und Pöllmann. Ich habe alle Ursache, Sie und Ihren Redacteur ganz besonders auf den Letzteren hinzuweisen. Diesem Anhange des Herrn Cardauns war Karl May bekanntlich in tiefster Seele verekelt und verhaßt. Es stand mit größter Sicherheit zu erwarten, daß das Wiederauftauchen meines Namens im »Hausschatz« unter diesen Leuten einen Sturm der Empörung hervorrufen werde. Viele, sehr viele von ihnen würden vom »Hausschatz« abfallen. Ich berechnete diesen Abonnentenverlust des Hausschatzes auf wenigstens 20 Prozent. Da Sie, Herr Kommerzienrath, mir die Leserzahl auf ca. 7000 angaben, so ergab das einen vermuthlichen Verlust von 1400 Abonnenten. Da aber im »Handbuche der Presse« Ihre Auflage als über fünfmal höher, nämlich auf 37 000 angegeben ist, so nahm ich an, daß Sie diese 37 000 in eine 7000 verwandelt haben, um von mir eine möglichst bescheidene Honorarforderung zu erzielen. Doch sei dem, wie ihm wolle, bei 37,000 Abonnenten würden die 20 Prozent einen Leserverlust von ca. 7400 betragen, und auf alle Fälle, ob 7400 oder nur 1400 Verlust, war eine Fluth von Zuschriften zu erwarten, welche die gräßlichsten Dinge über diesen Mitarbeiter enthielten!

   So sagte ich mir, und so mußte sich auch jeder Andere sagen! Ganz besonders aber mußten  S i e  [Sie] und  I h r  H e r r  C h e f r e d a c t e u r  [Ihr Herr Chefredacteur] sich das sagen! Hätten Sie es sich  n i c h t  [nicht] gesagt, und hätten Sie es  n i c h t  [nicht] mit in Berechnung und Erwägung gezogen, so wären Sie der unvorsichtigste und gedankenloseste Geschäftsmann, den ich mir nur denken kann, und er wäre ein völlig unbrauchbarer Redacteur, der es nicht versteht, seinen Verlag vor Schaden und seine Mitarbeiter vor schlimmen Erfahrungen zu bewahren. Und das sind Sie doch wohl Beide  n i c h t  [nicht]! Um mich hierüber zu beruhigen, machte ich erst ihm und dann auch Ihnen eine Andeutung hierüber. Sie, Herr Kommerzienrath, zeigten sich in Ihrer lieben, ruhigen Weise still und zuversichtlich; Herr Dr. Denk aber gab mir die enthusiastische Versicherung:  » V o n  j e t z t  a n  s i n d  a l l e  I h r e  F e i n d e  a u c h  u n s e r e  F e i n d e  u n d  I h r e  F r e u n d e  a u c h  u n s e r e  F r e u n d e ! «  [»Von jetzt an sind alle Ihre Feinde auch unsere Feinde und Ihre Freunde auch unsere Freunde!«] Damit waren, wenigstens für den ersten Augenblick, alle meine Bedenken abgethan und alle Vorwürfe wegen der zu erwartenden Abonnentenverluste dahin gerichtet, wohin sie gehörten, nämlich nicht auf mich, sondern auf die, von denen ich, obgleich sie sich das Alles sagen mußten,


//48//

veranlaßt wurde, von Neuem in den »Hausschatz« einzutreten. Ich habe infolge dessen auf das Energischeste zu erklären, daß ich alle Verantwortung für das Abspringen dieser Leser von mir weisen muß, obgleich es Gepflogenheit dieser Leute ist, die Schuld von ihrem Hasse auf meinen »Mir« zu werfen und, um dies wahrscheinlich zu machen, sich sogar als Freunde von mir zu bezeichnen, die sie aber nun [?] und nimmer waren! Ich brauche gar nicht der ungebildete, rücksichtslose Mensch zu sein, der auf die fortgesetzten, fulminanten Vorwürfe, die ich jetzt ertragen soll, kurz und bündig antwortet: »Wäret Ihr mir doch nicht nachgelaufen; ich habe mich Euch nicht angeboten!« Sondern ich befinde mich im Besitze von würdigeren, edleren und besseren Entgegnungen, die nicht zu beleidigen brauchen und meiner persönlichen Sympathie und Hochachtung für Sie und Ihren Herrn Chefredacteur entsprechen.

   Sobald ich ihn persönlich kennen lernte, habe ich ihm sofort Alles verziehen. Er gefiel mir sehr, auch meiner Frau, auf deren untrügliche Characterahnung ich sehr viel gebe. Er sprühte im Gespräche zuweilen geistig auf und schien vor innerer Kraft und Energie zu strotzen. Das freute mich unendlich. Das machte ihn mir doppelt werth. Es erweckte den Anschein, als sei er ganz der richtige Mann, es mit jenen abspringenden Abonnenten aufzunehmen und ihre brieflichen Raisonnements in der richtigen Weise zu betrachten und zu behandeln. Wir hielten die Nervosität, deren Spuren wir an ihm bemerkten, nicht für so hochgradig, wie sie sich uns bald zeigte, und ahnten nicht, daß sie ihm grad diejenige Eigenschaft raubte, die er am Nöthigsten brauchte und die wir so gern an ihm bewundern wollten, nämlich die Widerstandsfähigkeit und Immunität gegen die zu erwartenden Narrheiten, Pöbeleien und Ränke. Es ist nicht blos für den Psychologen im höchsten Grade interessant, die Entwickelung des ganz eigenartigen Verhältnisses zwischen Denk und May zu beobachten. In seinem ersten Briefe vom 20ten Juli 07 schreibt er:

   »So viel ich aus den Zeitungsberichten ersehe, hat es sich um bergeshohe Intriguen gehandelt, die Sie niederzuringen hatten. Nun, umso größer ist Ihr Triumph, und Ihre vielen Verehrer fühlen sich förmlich erleichtert. Ich sowie auch Herr Kommerzienrath Pustet gratulieren Ihnen aufrichtig dazu.«

   Daß es grad der »Hausschatz« war, der diese bergeshohen Intriguen hervorrief, und daß Herr Dr. Denk selbst jene Briefe und Karten verfaßte, die mir von den Empfängern ausgeliefert wurden, davon sagt er nichts! Er fährt fort indem er von dem »begeisterten« Briefe eines Weltreisenden spricht, welcher constatirt, daß in fast jeder Familie der deutschen Kolonieen in Palästina mein Bild neben dem des deutschen Kaisers hänge und daß er auf allen seinen Reisen nicht auf die geringste Unrichtigkeit gestoßen sei, die mir resp. meinen Büchern vorgeworfen werden könne.


//49//

   In dem Briefe vom 16. September 07 wiederholt er seine mündliche Versicherung:

   » V o n  n u n  a n  s i n d  I h r e  G e g n e r  a u c h  d i e  u n s e r i g e n ,  m ö g e n  s i e  h e i ß e n ,  w i e  s i e  w o l l e n ! « [»Von nun an sind Ihre Gegner auch die unserigen, mögen sie heißen wie sie wollen!«] »Ich zähle die mit Ihnen und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin verlebten Stunden zu den angenehmsten meiner Erinnerungen. «

   Wer so schreibt, auf den kann man doch wohl Häuser bauen! Nicht? Aber schon im nächsten, am 18. November geschriebenen Briefe ist es plötzlich mit der ganzen, lieben, schönen Begeisterung vorüber! Er beginnt schon, von Lesern zu sprechen, welche behaupten, daß der »Mir« zu breit sei und in der Handlung nicht vorwärts wolle. Aha! Das Unterwühlen und Tadeln fängt an! Ganz so, wie zu erwarten war! Nun wird es sich ja zeigen, ob unser Vertrauen zu Herrn Dr. Denk begründet war oder nicht. Zunächst fordert er mich auf, den  » l i t e r a r i s c h e n  G e h a l t [literarischen Gehalt] [«] meiner Erzählung  s o  h o c h  a l s  m ö g l i c h  [so hoch als möglich] zu stimmen!

   Ich betone die unterstrichenen Worte ganz besonders. Herr Rath Dr. Denk ist nicht nur Redacteur, sondern auch Schriftsteller. Er weiß also ganz genau, was man unter  » l i t e r a r i s c h e n  G e h a l t  [literarischen Gehalt] [«] zu verstehen hat, nämlich den in sprachlicher Form ausgedrückten

G e d a n k e n i n h a l t [Gedankeninhalt]

siehe M. Lex. Band 7 pag. 198. Oder

d i e  i n n e r e  I d e e  [die innere Idee] eines Werkes

siehe P. Lex. Band 6 pag. 342.

Herr Rath Dr. Denk fordert mich in diesem Briefe also auf,

   d i e  g e i s t i g e  I d e e ,  d e n  s e e l i s c h e n  G e d a n k e n i n h a l t  d e s  » M i r  v o n  D s c h i n n i s t a n «  s o  h o c h  w i e  m ö g l i c h  z u  s t i m m e n !  [die geistige Idee, den seelischen Gedankeninhalt des »Mir von Dschinnistan« so hoch wie möglich zu stimmen!]

   Ich bitte, sich das genau zu merken, verehrter Herr Kommerzienrath! Denn ich komme hierauf zurück! Und dies schreibt er am 18ten November, wo das Publikum allerhöchstens erst 2, sage  z w e i  [zwei] Nummern meines »Mir« bekommen hat! Und da sollen  s c h o n  [schon] solche Klagen eingangen sein? Daß die Handlung nicht vorwärts gehe? Daß ich zu breit schreibe?  G l a u b e n  S i e  d a s ?  I c h  n i c h t !  [Glauben Sie das? Ich nicht!] Ich werde diese Briefe von ihm verlangen! Oder noch besser, S i e verlangen sie von ihm und senden sie mir zur Ansicht. Denn ich muß klar sehen in dieser Sache, ich  m u ß  [muß]! Meine Gründe zu dieser Forderung werden sie noch hören!

   Zugleich beginnt in diesem Briefe auch das unablässige,  s t e t s  [stets] grundlose Klagen über Mangel an Manuscript. Ich gebe Ihnen hiermit mein heiliges Ehrenwort, daß er niemals auch nur ein einziges Mal auf Manuscript hat warten müssen! Und doch hat er mich  i m m e r f o r t  [immerfort] gepeinigt. Ich habe hierüber wiederholt geschrieben. Ich habe ihn gebeten, mich ruhig machen zu lassen, denn das Manuscript werde nie zu spät erscheinen. Es half nichts. Er hat immer so im Voraus setzen lassen, daß es eben immer »alle« war, ohne aber schon gebraucht zu werden. Ich aber habe


//50//

mich stets an seine Angabe des »Redactionsschlusses« gehalten und dafür gesorgt, daß es immer für  3  w e i t e r e  N u m m e r n  [weitere Nummern] reichte. Seine ungeheure, nervöse Ungeduld ging sogar so weit, daß er an einen Münchener Herrn schrieb:

   »Sind Sie vielleicht in der Lage, mir über den gegenwärtigen Aufenthaltsort K. Mays Aufschluß zu geben? Seit Wochen warte ich auf Antwort von ihm und kann sie nicht erhalten. Die Situation wird nachgerade peinlich und fatal.«

   Während er das schreibt, sitze ich daheim in Radebeul, und er hat Manuscript genug! Ich aber habe nichts von ihm erhalten, was zu beantworten gewesen wäre! Das ist doch wohl  v o r  f r e m d e n  L e u t e n  b l a m i r t !!! [vor fremden Leuten blamirt!!!] Er weiß doch wohl, wo ich wohne! Oder giebt es dort in Regensburg Jemand, der seine resp. meine Zuschriften unterschlägt? Und in einem andern Briefe schreibt er gar:

   » S o  k a n n  d i e  G e s c h i c h t e  u n m ö g l i c h  w e i t e r g e h e n  [So kann die Geschichte unmöglich weitergehen]! Ich bitte also nochmals um Manuscript, sowie darum, mir dieses peinliche Moniren gütigst ersparen zu wollen!«

   Das schrieb er am 25. Mai, und ich weise mit Vergnügen nach, daß er da wenigstens noch bis zum 15ten Juli Manuscript hatte! Und diese Grobheiten, die er wohl einem Setzerlehrjungen bieten darf, aber doch wohl nicht mir, unterschreibt er  » m i t  v e r e h r u n g s v o l l e m  G r u ß e ! [mit verehrungsvollem Gruße!] [«]  Ich habe das nur aus Rücksicht auf seine Nervosität und weil ich auch an Sie dachte, Herr Kommerzienrath, ertragen und erduldet. In diesem Tone dürfte mir kein Anderer kommen! Ich habe es nicht nöthig, das zu dulden! Es kommt aber noch weit ärger!

   Zunächst wirft er mir vor, daß ich den Kapitelschluß verzögere und meine Leser »von Heft zu Heft jage« ohne ihnen »Sammlung zu gönnen!« Du lieber Gott! Es erscheint alle 14 Tage ein Heft. Mein Beitrag ist in 1/2 Stunde gelesen, und die Leser müssen also 13 Tage 231/2: Stunde auf die Fortsetzung warten! Und das nennt er »von Heft zu Heft jagen«! Das ist doch wohl ein Beweis von Krankheit! Darum bin ich still dazu gewesen und habe ihm den Gefallen gethan, schleunigst einen Kapitelschluß zu veranstalten, doch nicht etwa weil er Recht gehabt hätte, sondern nur seiner neuralgischen Kopfschmerzen wegen!

   Sodann theilt er mir mit, daß in einem Straf- und Zuchthause der »Deutsche Hausschatz« verboten worden sei, weil das Lesen meiner Bücher die Moralität der Gefangenen geschädigt habe. Ich bot ihn natürlich sofort, mir diese Anstalt zu nennen; er hat sie mir aber verschwiegen. Er schließt hieran den Schmerzensruf:

   » I h r e  [Ihre] Gegner sorgen dafür, daß das Eisen nicht kalt wird und wir aus den Verdrießlichkeiten nicht herauskommen!«

   Das ist derselbe Mann, der noch vor Kurzem begeistert versprach, daß von nun an meine Gegner  a u c h  s e i n e  [auch seine] Gegner sein würden, sie möchten heißen, wie sie wollen.


//51//

   Ich betone auch hier  g a n z  b e s o n d e r s  [ganz besonders], daß dieser sein Brief mir seine ganz  e n e r g i s c h e  A u f f o r d e r u n g  [energische Aufforderung], den literarischen  G e h a l t  [Gehalt] des »Mir«  s o  h o c h  w i e  m ö g l i c h  [so hoch wie möglich] zu stimmen, verständlich machte. Wenn die Art und Weise, in der ich früher schrieb, selbst die Zuchthäusler noch mehr verdirbt, als sie so schon verdorben sind, so ist es kein Wunder, daß Herr Rath Denk mich veranlaßt, den »Mir« nicht in der früheren Weise zu schreiben, sondern ihm so viel  G e d a n k e n i n h a l t  [Gedankeninhalt], wie möglich ist, zu geben! Aber nachdem ich dieser seiner  a u s d r ü c k l i c h e n  W e i s u n g  [ausdrücklichen Weisung] gehorsam nachgekommen bin, und den »Mir« gedankenreicher gemacht habe, als er erst beabsichtigt war, schickt er mir eine tadelnde Zuschrift aus Rödelheim und schreibt dazu: »Dixi et salvavi animam meam!« Ja,  w e i ß  [weiß] Herr Rath Denk denn nicht mehr, was für Weisungen und Befehle er in seinen Zuschriften giebt? Die sind schwarz auf weiß geschrieben und  w e r d e n  n a t ü r l i c h  b e f o l g t ! [werden natürlich befolgt!]

   Und später theilt er mir mit; daß es in zahlreichen Zuschriften von Sortimentern und Privatabonnenten klipp und klar heiße: »So lange der Mir von Dschinnistan erscheint, lesen wir den Hausschatz nimmer!« Das ist der Grundton, der sich durch alle Zuschriften zieht! Auch habe der neue Jahrgang den zahlenmäßigen Beweis geliefert, daß der Mir nicht von bleibendem Erfolge sei!

   Da muß doch Jedem, der das liest, ein helles, klares Licht aufgehen! Nämlich darüber, daß Herr Rath Denk denn doch nicht der Mann ist, für den wir ihn gehalten haben. Er ist damals, als er in mich drang, wieder in den Hausschatz einzutreten, gedankenlos und unvorsichtig verfahren! Er hat nicht gerechnet, hat nicht kalkulirt! Er hat nur an die  V o r t h e i l e  [Vortheile] gedacht, Karl May wiederzuhaben, nicht aber an die  N a c h t h e i l e  [Nachtheile], die unausbleiblich waren und also  g a n z  u n b e d i n g t  [ganz unbedingt] mit in Berechnung gezogen werden  m u ß t e n  [mußten]! Und nun sie eingetreten sind, wirft er sie auf  m i c h  [mich], anstatt auf  s i c h  [sich]! Aber selbst wenn ich sie auf  m i c h  [mich] zu nehmen hätte, würde ich das mit Vergnügen thun und nur fragen: »Wie steht es mit dem voraussichtlichen Verlust von 20 Prozent? Beträgt er wirklich schon die 1400 oder gar die 7500, die zu vermuthen waren? [«] Ich bitte:  D i e  H a n d  a u f s  H e r z ,  u n d  e h r l i c h  s e i n  [Die Hand aufs Herz, und ehrlich sein]! Wieviel Abonnenten hatten sie im September 1907, und wieviel haben Sie jetzt? Wenn nur 20 Prozent fehlen, so war meine Berechnung richtig, und die Zahl wird von jetzt an unaufhaltsam steigen. Wenn aber  w e n i g e r  [weniger] fehlt,  s o  s e i e n  S i e  f r o h  [so seien Sie froh], daß Sie trotz der falschen Calculation so billig davongekommen sind! Man kann nicht die Mayfreunde heranziehen, ohne die Maygegner, wenigstens die unversöhnlichen, zu verlieren, und es macht einen höchst unmännlichen Eindruck, nur immer, wie Herr Dr. Denk es that, über Verluste zu klagen, die unausbleiblich waren, und sie Andern anzurechnen, obgleich man sie selbst verschuldet hat. Das Letztere werde ich beweisen, wenn nicht hier, so dann an anderer Stelle. Die Karl May-Hetze, die ihren Anfang im »Deutschen Hausschatz« nahm, hat mir einen peku-


//52//

niären [pekuniären] Verlust von wenigsten 300,000 Mark gebracht, meinem Verleger noch mehr. Wir haben das still getragen, alle Martern und Qualen dazu, und keinem Menschen einen Vorwurf gemacht! Wie unendlich  k l e i n  [klein] und  w e h l e i d i g  [wehleidig] erscheint dagegen das unausgesetzte Jammern um den Verlust einiger Abonnenten, der sicher nicht in die Tausende geht, sondern höchstens nur in die Hunderte, und sich doch ganz von selbst verstanden hat!

   Doch, ich zähle jetzt nur auf, um die Summe erst dann zu ziehen, wenn ich fertig bin. Ich habe jetzt an den Brief des Herrn Dr. Denk vom 10. Juli 1908 zu kommen, in dem er mir schreibt:

   »Als Leiter des »Deutschen Hausschatzes« muß ich bedauernd hinzufügen, daß sich in Ihre Erzählung  n i c h t  s e l t e n  [nicht selten] die  b e d e n k l i c h s t e n  [bedenklichsten] Entgleisungen eingeschlichen haben, die ich freilich mit meinem  R e d a c t i o n s s t i f t  b e s e i t i g t e . [Redactionsstift beseitigte.] Ich erwähne nur die auf Blatt 824 stehenden bösen Satz: »Wie stets und überall, so führt auch hier die wissenschaftliche Erklärung des Wunders zur nüchternen Alltäglichkeit zurück.« Das geht doch unmöglich an und ist eine  d i r e c t e  L e u g n u n g  [directe Leugnung] des  W u n d e r s .  [Wunders.] Wie soll Derartiges mit dem Character des »Deutschen Hausschatzes« übereinstimmen?«

   Als ich das las, fragte ich mich: Ja um Gotteswillen, wer hat denn da keinen Kopf, Denk oder Du? Ich gab den Brief Andern zu lesen, geistlichen Herren, Juristen und auch Laien. Sie alle, alle fanden, daß ich da  n i c h t  g e g e n  [nicht gegen], sondern  g r a d  f ü r  [grad für] das Wunder und  f ü r  d e n  G l a u b e n  [für den Glauben], aber  g e g e n  d i e  W i s s e n s c h a f t  [gegen die Wissenschaft] geschrieben habe, die da vorgiebt, die Wunder erklären zu können, es aber  n i e  [nie] vermag! Diese  s o g e n a n n t e  [sogenannte] Wissenschaft greift, um die Wunder zu erklären, zur nüchternen Alltäglichkeit zurück. Das ist  w a h r !  Kein geistig gesunder Mensch wird das leugnen, außer er ist eben nicht gesund sondern  s t u p i d !  Nur der  G l a u b e  [Glaube] und die  R e l i g i o n  [Religion], sie allein vermögen das Wunder zu erklären, und zwar nicht aus der ohnmächtigen, nüchternen Alltäglichkeit, sondern aus der allmächtigen Weisheit und Liebe Gottes des Vaters! Auch das ist  w a h r !  [wahr!] Wer das leugnen wollte, der wäre genau ebenso  s t u p i d  [stupid] wie der Andere! Es heißt auf der von Herrn Dr. Denk angegebenen Manuscriptseite ja auch sofort weiter

   »So sage dieser Deiner Wissenschaft,  d a ß  i c h  i h r  n i c h t  e r l a u b e ,  m i r  d a s  W u n d e r ,  w e l c h e s  i c h  v o r  m i r  s e h e ,  z u  v e r k l e i n e r n ! [daß ich ihr nicht erlaube, mir das Wunder, welches ich vor mir sehe, zu verkleinern!] u.s.w.«

   Es kam mir vor, als ob Herr Rath Denk nicht mehr lesen könne, und einer der geistlichen Herren, denen ich seinen Brief zu lesen gab, fragte mich:

   »Was ist denn eigentlich dieser Doktor Denk ursprünglich? Doch nicht etwa Theolog?«

   »Nein, sondern Laie, « antwortete ich. »Na, da!« Mit dieser Interjec-


//53//

tion [Interjection] stand er auf und warf den Brief auf den Tisch. Damit war das Urtheil gefällt, in welches alle Andern einstimmten.

   Es ist kein Spaß für mich, in dieser Weise von einem Manne des Unglaubens beschuldigt zu werden, dem ich als sein Mitarbeiter nicht nur meine literarische, sondern auch meine persönliche Ehre anvertraut habe und der sich hüten sollte, dergleichen unsinnige Urtheile zu fällen, zumal er mir am 20ten Juli 07 geschrieben hat, daß er kein Geistlicher, sondern  a u c h  n u r  e i n  L a i e  [auch nur ein Laie] sei!

   Und was die  » n i c h t  s e l t e n e n «  [»nicht seltenen«], also doch wohl öfteren  » E n t g l e i s u n g e n «  [»Entgleisungen«] betrifft, die er mir vorwirft, so habe ich, um nachzuschlagen, das Manuscript kommen lassen, aber  k e i n e  [keine] gefunden,  n i c h t  e i n e  e i n z i g e  [nicht eine einzige]! Also ist das, was er behauptet,  n i c h t  w a h r  [nicht wahr]! Andere Leute nennen das sogar  L ü g e  [Lüge]! Da ist es wohl ganz selbstverständlich, daß man sich vornimmt, in Zukunft möglichst vorsichtig zu sein mit Ihrem Herrn Chefredacteur, dem Königlichen Wirklichen Rath Dr. Denk! Ich habe hierauf hin das ganze Manuscript, welches Sie mir zurückschickten, Herr Kommerzienrath, sehr genau durchgesehen und zu meinem Entsetzen bemerkt, in welcher Weise sich dieser Herr gestattet hat, darin herum zu wüthen! Was ist ihm denn da eingefallen? Das ist ja gradezu toll! So Etwas hat sich noch nie Jemand erlaubt! Mein Manuscript sieht ja aus wie das Laxirheft eines siebenjährigen Schulknaben, der weder Kix noch Kax vom Schreiben versteht! Ich sehe da soeben

auf Seite 281 11 Fehler angestrichen

"       "     282 12     "         "    

"       "     283 12     "         "    

"       "     384 16     "         "    

"       "     385 12     "         "    

und indem ich einige hundert Seiten umschlage, finde ich auf

   Seite 404 10 Fehler angestrichen

    "     405 9      "         "    

    "     406 18     "         "    

    "     407 14     "         "    

    "     408 18     "         "    

u.s.w.! u.s.w.!

   Da muß ich mich doch fragen: Bin  i c h  [ich] verrückt, oder ist  H e r r  D e n k  [Herr Denk] verrückt? Bin  i c h  [ich] so dumm, mir einzubilden, daß ich Herrn Denk verbessern kann, oder hat er das Recht, mir meinen Styl und meine »Originale« in so bodenloser Weise zu verhunzen? Denn eine Verhunzung ist es auf jeden Fall! Kein noch so dummer Mensch wird es glauben, daß Karl May so miserabel schreibe, daß pro Seite 9 bis 18 Denksche Correcturen nöthig seien! Und was für Korrecturen! Ich habe leider keine Zeit, sonst würde ich ihm hunderte von Fällen nachweisen, in denen er mir das  r i c h t i g e  [richtige] Wort durchstreicht, um ein  f a l s c h e s  [falsches] hinzusetzen!

   Nun verstehe ich auf einmal, was ich bisher nicht begreifen konnte,


//54//

nämlich daß man mir vorwarf, daß mein prägnanter, sachgemäßer und stets das Richtige treffender Stil im »Mir« ganz bedauerlich versage! und keinesweges mehr das frühere  L o b  [Lob] verdiene! Ja, wenn Herr Dr. Denk sich für berufen hält, meine orientalischen Erzählungen mit seinem Anhaltiner »Fruchtbringenden Gesellschafts-Stil« aus dem 17ten Jahrhundert zu  v e r b e s s e r n  [verbessern] und meine wohlbegründete Ausdrucksweise auf 10 Seiten  1 3 2  [132] mal zu verschönern, so ist es allerdings kein Wunder, daß es Leute giebt, die den Mir für unter aller Würde halten, ja sogar solche, die ihn früher gern gelesen haben, jetzt aber von »anhaltendem Unsinn« sprechen dürfen, weil der Herr Chefredacteur das erklärende Kleid, welches ich meinen Gedanken gebe, in Lumpen und Fetzen zerreißt und dadurch, daß er diese Fetzen in  s e i n e r  [seiner] Weise wieder zusammenheftet, den organischen Zusammenhang zwischen Wort und Inhalt stört. Die vor mir liegenden Manuscriptseiten der ersten drei Kapitel des »Mir« haben das schöne Bild, welches ich von diesem Herrn Chefredacteur hatte, fast vollständig zerstört. Ich bin so betrübt darüber, daß ich nun lieber schweigen, als das sagen will, was ich eigentlich noch zu sagen hätte! Ich werde kurz nur noch Folgendes erwähnen:

   Als ich mit dem »Mir« begann, war ich überzeugt, daß Sie zunächst Abonnenten  v e r l i e r e n  [verlieren] würden,  g a n z  n a t u r g e m ä ß  v e r l i e r e n  m ü ß t e n  [ganz naturgemäß verlieren müßte]. Jeder einfache Geschäftsmann hätte Ihnen das  gesagt. Diese Verluste sind die logische Folge davon, daß der »Hausschatz« mich zu sich berief. Die Schuld hat also nur  i h n  [ihn], nicht aber  m i c h  [mich] zu treffen[.]

   Der »Mir« sollte mit September 1908 zu Ende gehen. Für 1909 wollte ich Ihnen »Winnetou IV« schreiben. Das hätte Ihnen tausende und abertausende von Abonnenten gebracht und die Verluste des ersten Jahres zehnfach ersetzt. Da aber kam die Nervosität Ihres Chefredacteurs, sein immerwährendes Drängen, Tadeln und Moniren! Er verekelte mir die Arbeit so vollständig, daß ich sehr oft daran war, sie ihm einfach hinzuwerfen. Wozu das ewige Wimmern über die Verluste! Ich war doch nicht schuld, sondern  e r  [er]! In wiefern, werden Sie gleich sehen.

   Nämlich der »Mir« hätte einfach da geschlossen, wo er im ersten Kapitel spielte, nämlich im Lande der Ussul. Er hätte nur dieses eine, einzige Kapitel gehabt. Er wäre eine kurze, liebe, sehr oft humoristische Reiseerzählung mit einem recht herzigen Ausgange gewesen. Da aber kam die ganz unerwartete, aber  s e h r  e n e r g i s c h e  A u f f o r d e r u n g  [sehr energische Aufforderung], seinen  G e d a n k e n i n h a l t  s o  h o c h  w i e  m ö g l i c h  s t e i g e n  z u  l a s s e n  [Gedankeninhalt so hoch wie möglich steigen zu lassen]. Diese Aufforderung wurde durch die gradezu beispiellose Rücksichtslosigkeit verstärkt, mit der Herr Rath Denk mir vorwarf, daß durch die Art und Weise, in der ich den »Mir« hatte schreiben wollen und sollen, sogar Zuchthäusler noch verschlechtert worden seien! Gut, machen wir den »Mir« möglichst  g e d a n k e n h o c h  [gedankenhoch] und  g e d a n k e n v o l l  [gedankenvoll]! Herr Dr. Denk will es so!


//55//

   Damit soll aber keinesweges gesagt sein, daß der »Mir« eine minderwerthige Arbeit sei. Ich halte ihn vielmehr für eines meiner gelungensten Werke. Er ist eine geschriebene Symphonie auf den Völkerfrieden, und liegt er erst fertig vor, so wird man ganz anders über ihn denken als jetzt! Daß er gleich von allem Anfange an nicht gefallen hat, das begreife ich erst jetzt, wo ich mein verstümmeltes, verhunztetes und in den Grund hinein verschandeltes Manuscript sehe. Auf 10 Seiten 132 Correcturen, das ist, mit Respect zu sagen, eine Schweinerei, die sich kein Setzerjunge gefallen läßt, und so wiederhole und summire ich denn folgende Punkte:

1.

   An dem Abfall der May-feindlichen Abonnenten bin nicht ich schuld, sondern  d e r  [der], der mich bat, wieder mitzuthun!

2.,

   Daran, daß dem »Mir« ein sogenannter höherer Flug gegeben werden mußte, so daß er nicht einen, sondern zwei Jahrgänge in Anspruch nahm, bin nicht ich schuld, sondern  d e r  [der], der mich in seinem Bulletin vom 18. November 07 zwang, seinen Gedankengehalt »so hoch wie möglich  z u  s t i m m e n «  [zu stimmen«] und also die höchsten Töne erklingen zu lassen. Dies nun  m i r  [mir] vorzuwerfen, ist  i m  h ö c h s t e n  G r a d e  u n g e r e c h t  [im höchsten Grade ungerecht].

3.,

   An dem Mißfallen, welches der »Mir« gleich bei seinem Erscheinen fand, bin nicht ich schuld, sondern  d e r  [der], der ihn durch seine sogenannten Correcturen derart verschandelte, daß alle Originalität und Eindrucksfähigkeit verloren ging! Diese Flickschneiderei konnte nur  a b s t o ß e n  [abstoßen], weiter nichts!

4.,

   Auch daran, daß der »Mir« auch später von den May-Gegnern abgelehnt wurde, und daß die May-Freunde nicht auf den »Hausschatz« abonnirten, bin nicht ich schuld, sondern die dem »Hausschatz« nahestehenden Personen, welche, eine männliche und eine weibliche, gegen »den May« und »den Mir« in einer Weise agitirten, die Jedermann abhalten mußte, dem »Hausschatz« näherzutreten.

   Ich wurde hierauf aufmerksam, als in Zeitungen, Briefen und Gesprächen sehr oft von  » E n t g l e i s u n g e n «  [»Entgleisungen«] Karl Mays im »Mir« die Rede war. Mir fiel auf, daß  H e r r  D r .  D e n k  [Herr Dr. Denk] dasselbe Wort gebraucht hatte! Dann konnte man plötzlich Ausdrücke lesen und hören wie folgende: May ist unvorsichtig. - May ist doch vielleicht ein Taxil. - May ist eigentlich irreligiös. -  M a y  s c h r e i b t  g e g e n  d a s  W u n d e r .  - [May schreibt gegen das Wunder. -] May schreibt gegen den Katholizismus. - May tritt für den Darwinistischen Evolutionismus ein!

   Auch diesen letzteren Vorwurf hatte mir Herr Rath Denk ganz  w ö r t l i c h  s o  [wörtlich so] gemacht! Das frappirte mich. Ich begann, zu forschen. Ich erfuhr von Conferenzen von Pastoren aller Gegenden, in denen »May als religionsfeindlich« behandelt wurde. Woher alle diese Gerüchte? Die


//56//

Auskünfte, die ich erhielt, wiesen auf Frau Keiter, auf Denk und immer wieder auf Frau Keiter und Denk! Es erschienen nun schon Andeutungen in den Blättern. Endlich gar ein offener, fulminanter Artikel in der »Germania«, nachdem ihr, wie ganz selbstverständlich, Herr Cardauns und die »Kölnische Volkszeitung« vorangeleuchtet hatten. Sogar hier in Dresden wurden Conferenzen geistlicher Herren über May und seine Glaubensgefährlichkeit abgehalten. Das wurde denn doch gefährlich! Das war ja doch der letzte, Cardaunssche Hoffnungsanker in optima forma, von dem ich bereits gesprochen habe, nämlich: Karl May als Gegner des Katholizismus, dann ist Cardauns gerettet!

   Da war keine Zeit zu verlieren! Ich wendete mich direct an die »rechten Schmieden«, in denen gegen mich gehämmert wurde. Und was erfuhr ich?


   Mein hochverehrter Herr Kommerzienrath, das Wort, welches ich meinen Rechtsanwälten gegeben habe, verbietet mir, Ihnen heute mehr zu sagen, als ich darf, aber ich fordere Sie auf, folgendes zu thun:

   Fragen Sie Ihre Frau Keiter, wieviele und welche Personen sie schon vor mir gewarnt hat!

   Und fragen Sie Herrn Rath Dr. Denk, wievielen und welchen Personen er schon mitgetheilt hat, daß ich irreligiös schreibe, daß meines Bleibens im »Hausschatze« nicht sei u.s.w. u.s.w.!

   Wenn diese beiden Personen Ihnen die Wahrheit sagen, so werden Ihnen die Augen auf- und übergehen, und Sie werden sich nicht mehr darüber wundern, daß der »Hausschatz« nicht vorwärts kommt. Für den kann ich wie ein Gott und wie ein Engel schreiben, es hilft Ihnen doch nichts! Und Sie können noch so viel Geld für ihn aufwenden, Sie kommen doch nicht vorwärts, so lange der eigene Redacteur und die eigenen Mitarbeiter den Gegnern und Concurrenten in die Hände arbeiten!

   Ich frage: Wie hätte das Muth'sche »Hochland« entstehen können, welches um so höher steigt, je weiter hinunter es mit dem Denkschen »Hausschatz« geht?

   Haben Sie gehört, was Ihre Leser über »Fürst Ludwig von Anhalt und die fruchtbringende Gesellschaft« sagen? Nein! Denn weil Ihr eigener Chefredacteur der Verfasser ist, kann man doch nicht dagegen schreiben! Da kommen gewiß keine tadelnden Briefe! Dieses alte, lächerlich unwichtige Thema in unserer reichen, neuen, herrlichen Zeit! Ein Anhaltisches Nichts in einer bayrischen Zeitschrift! Die dickbäuchigen, selbstgefälligen Protestanten als Helden deutscher Bildung und Ideale des Gesellschaftslebens in einer streng katholischen Revue! In diesem katholischen Blatte gepriesen, gelobt und glorificirt, obgleich sie gegen den Katholicismus kämpften und selbst nach Frankreich gingen, um ihre Degen in das Blut der dortigen Katholiken zu tauchen! Und die Leser des »Hausschatz« mußten es sich gefallen lassen, daß dieser Byzantismus


//57//

eines katholischen Chefredacteurs und seine tiefen Verbeugungen vor jenen alten, längst vermoderten  M a r i e n s p ö t t e r n  [Marienspöttern] und  K a t h o l i k e n f r e s s e r n  [Katholikenfressern] ein halbes Jahr lang mühsam und langweilig durch 11, sage elf Nummern schleppte! Kein einziger Mensch, als nur Denk allein, interessirte sich für das Ding! Es wurde dennoch geschrieben, und es wurde dennoch gedruckt, obgleich es die Leser anekelte! Warum?

D e s  D e n k s c h e n  O r d e n s  w e g e n ! [Des Denkschen Ordens wegen!]

Und da behauptet ganz derselbe Herr Rath Denk, daß nicht er, sondern May gegen den Katholizismus sei, und daß die Abonnenten wegen dem »Mir« abgesprungen seien, nicht aber wegen seiner eintönigen, langweiligen Anhaltinereien und ähnlichen geistlosen Sachen, die er aufgenommen hat! Und während er mir derartige Vorwürfe macht, läßt er es ruhig geschehen, daß die katholische Schriftstellerin Frau Keiter in ihrem katholischen Romane »Idealisten« gleich am Anfange das Lied »Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht« als ein  h e s s i s c h e s  [hessisches] Kirchenlied bezeichnet, während es doch ein  s ä c h s i s c h e s  [sächsisches] ist, gedichtet von dem  p r o t e s t a n t i s c h e n  [protestantischen], sächsischen Professor Gellert!

   Glauben Sie ja nicht, verehrter Herr Kommerzienrath, daß diese Tadeleien von  m i r  [mir] stammen! O nein! Man bringt sie mir getragen. Aber da auch Sie mich beschuldigen, so bitte ich Sie: Lesen Sie den »Mir«, und lesen Sie die gräßliche »Fruchtbringende Gesellschaft!« Wenn Sie nicht an meinem »Mir« sterben, so sterben Sie an dieser »Fruchtbringenden« aber unbedingt! Und nun zum Schluß noch zwei Bemerkungen und eine Bitte:

   Ich habe mit Herrn Dr. Denk vereinbart, daß der »Mir« durch den ganzen Jahrgang geht, und er hat Wort zu halten! Ich weiche nicht hiervon ab! Es handelt sich um meine Schriftstellerehre, und die werde ich mir wahren. Es ist ein gradezu unsinnig rücksichtsloses Verlangen, welches mir zumuthet, mein eigenes Werk zu köpfen, nur weil es Herrn Rath Denk beliebt, mir sein vor Weihnacht gegebenes Wort zu brechen! Durch diese beispiellose Wortbrüchigkeit setzt er seinem Werke, den »Mir« todtzumachen, die Krone auf, und ich muß um so ernster auf die ungehinderte Vollendung dieses Werkes dringen, als es nicht nur um meine Ehre, sondern auch um die Ehre des »deutschen Hausschatzes« geht!

   Das war die erste Bemerkung. Die zweite bezieht sich auf die neue »Karl May-Hetze«, an der Herr Denk und Frau Keiter eng betheiligt sind. Ich darf natürlich nicht aus den Akten schwatzen, aber die erste Hetze konnte gelingen, weil ich zwei Jahre lang abwesend war. Jetzt freilich bin ich daheim und sehe Berlin, Münster, Bonn, Cöln, Beuron, München und alle die andern rauchenden Herde vor mir liegen, auch Regensburg mit den beiden Namen Denk und Keiter! Ich wollte bei meiner nahen Schlußabrechnung mit Cardauns den Namen Pustet unberührt lassen; da aber Frau Keiter und Herr Rath Denk sich unablässig


//58//

offensiv verhalten, so habe ich kein Interesse daran, den hieraus entspringenden Folgen vorzubeugen!

   Und nun die Bitte:

   Diese 27 Bogen sind Ihnen nur  g e l i e h e n  [geliehen], Herr Kommerzienrath. Ich sende sie Ihnen nur zur schnellen Information. Ich möchte Sie warnen! Nicht  i c h  [ich] falle, sondern  e r !  [er!] Glauben Sie mir das! Ich weiß Alles, was man sagt! Sonst aber sind diese Bogen für mich geschrieben; sie gehören in meine Akten über Denk und Keiter. Ich bitte, sie mir  s o f o r t  [sofort], nachdem Sie sie gelesen haben,  e i n g e s c h r i e b e n  z u r ü c k z u s e n d e n .  [eingeschrieben zurückzusenden.] Mein Rechtsanwalt braucht sie wahrscheinlich schon in nächster Woche.

   Und haben Sie die Güte, mir mitzutheilen, wieviel Abonnenten der »Hausschatz« hatte, als der »Mir« begann, und wieviel er jetzt hat! Und bitte, veranlassen Sie Herrn Dr. Denk, mir  a l l e  [alle] die Briefe zu senden, die er in seinen Vorwürfen gegen mich erwähnt. Seit er wortbrüchig gegen mich geworden ist, darf er es mir nicht übelnehmen, wenn ich ihm nichts glaube. Es handelt sich hier um meine von Neuem angegriffene Schriftstellerehre, und wie die erste Hetze vom »Hausschatze« ausging, so jetzt die zweite auch von Denk, der sogar behauptet, daß es ihm große Sorge und Mühe gemacht habe, meine Irreligiositäten durch seinen »Redactionsstift« zu überwinden! Ich bitte ganz besonders deshalb um diese Briefe, weil sie mir als Beweise zu dienen haben, die ich gerichtlich erlangen werde, wenn man sie mir privat verweigert. Ich will klar sehen und nicht etwa Unschuldigen wehe thun!

   Dies Alles ist rein sachlich gedacht, gefühlt und geschrieben. Persönlich bin ich vollständig ganz ohne Haß und Zorn und Rache. Auch gegen Dr. Denk hege ich keinen Groll, denn ich weiß ja,  e r  i s t  k r a n k .  [er ist krank.] Sachlich aber zwingt er mich zur Gegenwehr!

   Vor allen Dingen Ihnen, mein lieber, hochverehrter Herr Kommerzienrath, gehört, wie ja schon die ungeheure Länge dieser Zuschrift beweist, für heut und immer die aufrichtige Verehrung

Ihres
Ihnen
hochachtungsvoll ergebenen
Karl May.


Verehrter, lieber Herr Kommerzienrath!

   Leider muß ich noch einen Bogen beifügen. Soeben bringt mir die Post unter andern Sachen auch den Brief aus Amerika, den Ihre Expedition mir sendet - er ist vom Pfarrer und Rektor Klein in Sun Prairie - und auch noch den Brief eines andern geistlichen Herrn, der Sie interessiren  m u ß . [muß.]

   Der erstere Brief, in dem auch Erzbischof Meßmer von Milwaukee erwähnt wird, bestätigt den  u n e r m e ß l i c h e n  [unermeßlichen] Schaden, den I h r e  e i g e n e  R e d a c t i o n  [Ihre eigene Redaction] dem »Hausschatz« damals nicht nur in Deutschland,


//59//

sondern auch drüben in Amerika dadurch bereitet hat, daß sie gegen mich agitirte. Jetzt nun that dieselbe Redaction dasselbe wieder! Will sie den »Hausschatz« denn  g a n z  [ganz] zu Grunde richten?

   Ich habe Sie nicht betrüben wollen, darf es Ihnen aber nun doch nicht länger verschweigen, daß ich während meiner letzten Amerikareise sehr oft zu hören bekam, welch ein  g a n z  b e d e u t e n d e s  Q u a n t u m  [ganz bedeutendes Quantum] von Sympathie für den »Hausschatz« dort verlorengegangen ist! Man hält es dort ebenso wie auch hier in Deutschland für einen  g r o ß e n  F e h l e r  [großen Fehler], daß dieses früher so beliebte und einflußreiche Blatt  n i c h t  m e h r  w ö c h e n t l i c h  [nicht mehr wöchentlich] erscheine. Die halbmonatliche Ausgabe habe nur den  e i n z i g e n  V o r z u g  [einzigen Vorzug], daß sie der Redaction bequemer sei und ihr längere Erholungspausen biete; im Uebrigen aber bringe sie nur Schaden. Der Leser wolle nun einmal seine gewohnte,  a l l w ö c h e n t l i c h e  [allwöchentliche] Sonntagslekture haben, und wenn er 14 Tage warten und also auf einen Sonntagsgenuß verzichten soll, so fällt er lieber ab und wählt ein  a n d e r e s  [anderes] Blatt. Die Hauptsache aber sei, daß hierdurch der directe Einfluß des »Hausschatz« auf die Leser und also auch der Einfluß der Geistlichkeit, die sich auf den »Hausschatz« stützte, vollständig verlorengegangen sei! Je öfter ein Blatt erscheint, desto gedrungener, tiefer und nachhaltiger wirkt es. In der langen, 14 tägigen Pause aber gehe Alles wieder verloren! Daher der Abfall so vieler Abonnenten!

   Ferner war man unwillig über den Plan, die Redaction des »Hausschatz« nach München zu verlegen. Man nannte dies gradezu  s e l b s t m ö r d e r i s c h !  [selbstmörderisch] Man behauptete, daß der »Hausschatz« dadurch auf seine ganze, aristokratische Bodenständigkeit und auf seine ganze, sympathische Individualität verzichte. Da sei es doch besser, man abonnire schon jetzt nicht mehr auf ihn! Ich entgegnete, daß von dieser Uebersiedelung nach München keine Rede sei; wenigstens habe Herr Kommerzienrath Pustet mir kein einziges Wort hierüber mitgetheilt. Man behauptete aber, daß man es ganz genau wisse; es sei der Wunsch der Redaction, und der Verlag werde sich ihm fügen!

   Und endlich war man empört darüber, daß der »Hausschatz« seinen Lesern, die doch alle Katholiken seien, zumuthe, weit über 20 Wochen lang sich an den unmännlichen, kriecherischen, katholikenfeindlichen Fußfällen der alten, obscuren »Fruchtbringenden Gesellschaft« zu betheiligen! Der »Hausschatz« habe nur einen einzigen Leser, der sich für einen Anhaltischen Orden zu revanchiren habe; wie aber kommen alle andern dazu, diese Kriechereien und Schmeicheleien mitzumachen? !!!

   Ich gebe das, wie man es mir sagte, und füge kein Wort hinzu.


   Der zweite Brief, den ich soeben bekam, ist auch von einem Theologen und behandelt die Denksche Lüge von meiner angeblich religionswidrigen Schreiberei. Ich erfahre da ganz sonderbare Dinge über die heimliche Denksche Agitation gegen mich! Um Ihnen, Herr Kommer-


//60//

zienrath [Kommerzienrath], wenigstens einen kleinen Anhalt zu geben, will ich nur einen einzigen Punkt hiervon berühren, nämlich den vorjährigen Sommeraufenthalt, des Herrn Dr. Denk. Das war also kurz vor dem Schlusse des Jahrganges Ihres Blattes.

   J a ,  w e n n  H e r r  R a t h  D e n k  s i c h  s o  u n m i t t e l b a r  v o r  S c h l u ß  d e s  a l t e n  u n d  B e g i n n  d e s  n e u e n  J a h r g a n g e s  d e s  » H a u s s c h a t z e s «  d e r a r t i g e  S t ä n k e r e i e n ,  G e h ä s s i g k e i t e n  u n d  V e r l e u m d u n g e n  g e g e n  m i c h  e r l a u b e n  d a r f ,  s o  i s t  e s  a l l e r d i n g s  n i c h t  a n d e r s  z u  e r w a r t e n ,  a l s  d a ß  d i e  A b o n n e n t e n  s i c h  g e z w u n g e n  s e h e n ,  i n  h e l l e n  S c h a a r e n  a b z u f a l l e n ! [Ja, wenn Herr Rath Denk sich so unmittelbar vor Schluß des alten und Beginn des neuen Jahrganges des »Hausschatzes« derartige Stänkereien, Gehässigkeiten und Verleumdungen gegen mich erlauben darf, so ist es allerdings nicht anders zu erwarten, als daß die Abonnenten sich gezwungen sehen, in hellen Schaaren abzufallen!]

   Dieser Brief ist köstlich für mich! Der Verfasser bietet sich und Andere als Zeugen an! Nun ist es mir allerdings ein Kinderspiel, zu zeigen, wer es eigentlich ist, der den Hausschatz »herunterbringt«, ob May oder die eigene Redaction! Wenn Herr Cardauns und Andere mich zwingen, diese Frage  g e r i c h t l i c h  [gerichtlich] und  ö f f e n t l i c h  a u f z u r o l l e n  [öffentlich aufzurollen], wird sie mehr Neid und Niedertracht und Schmutz aufwühlen und größeres Aufsehen erregen als selbst die Frage Eulenburg und Harden!

   Das war es, was ich Ihnen unbedingt noch mitzutheilen hatte, Herr Kommerzienrath. Wie gut, daß ich niemals heimliche Briefe geschrieben oder heimliche Worte gesprochen habe, die, vor Gericht gebracht, keinen Andern treffen, als nur den Verfasser selbst!


   Nun gehen diese Bogen endlich an Sie ab. Ich wiederhole meine Bitte, sie mir möglichst schnell zurückzusenden. Denn nun ich weiß, wozu Herr Rath Denk seine Erholungszeiten zu benutzen pflegt, darf ich nicht länger zögern, mich mit ihm und Frau Keiter näher zu beschäftigen!

Ihr
alter
Karl May.


An Otto Denk · 3.2.1909

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                      d. 3./2. 09.

Sehr geehrter Herr Rath!

   Ich wurde von verschiedenen Seiten gefragt, warum mein Stil und meine prägnante, sachgemäße und fachmännische Ausdrucksweise im »Mir« so außerordentlich verschandelt und gar nicht wieder zu erkennen sei. Das Lesen errege stellenweise gradezu  s t i l i s t i s c h e n  E k e l  [stilistischen Ekel] und man merke, daß ein gutes, schmackhaftes Fleisch vom  K o c h  g a n z  g r ü n d l i c h  v e r d o r b e n  w o r d e n  s e i .  [Koch ganz gründlich verdorben worden sei.] Ich lese nie im »Hausschatz« nach. Ich


//61//

bat also Herrn Kommerzienrath, mir das abgesetzte Manuscript zu senden, und forderte die betreffenden Herren auf, mir die bezüglichen Stellen anzugeben. Als dies geschehen war, schlug ich in meinem Manuscripte nach. Was ich fand, war geradezu  h i m m e l s c h r e i e n d  [himmelschreiend] und  e m p ö r e n d  [empörend].

   Hier nur eine  k l e i n e  [kleine] Probe! Ich sehe da

auf Seite 281 11 Fehler angestrichen.
    282 12     "         "
    283 12     "         "
    384 16     "         "
    385 12     "         "

und finde, um eine zweite Stichprobe zu bringen,

auf Seite 404 10 Fehler angestrichen
    405   9     "         "
    406 18     "         "
    407 14     "         "
    408 18     "         "

Das sind auf 10 Manuscriptseiten 132, sage und schreibe hundertzweiunddreifig  V e r f ä l s c h u n g e n  [Verfälschungen] des ächten Karl May! Ich bitte, sich augenblicklich hierüber zu äußern!!!!!!

Mit verehrungsvoller Hochachtung
Ihr
ergebener Schuljunge
Karl May.

   Wir haben in dem ganzen abgesetzten Manuscript  n i c h t  e i n e  e i n z i g e  E n t g l e i s u n g  m e i n e r s e i t s  g e f u n d e n  [nicht eine einzige Entgleisung meinerseits gefunden], und die Stelle, wo Sie mir das Wunder ausgestrichen haben, ist  t a d e l l o s ! [tadellos!]


An Otto Denk · 28.5.1909

VILLA SHATTERHAND

RADEBEUL-DRESDEN.                     d. 28./5. 09.

Sehr geehrter Herr Rath!

   Sie waren so gütig, jenen Lebius-Artikel in den »Hausschatz« aufzunehmen. Es freut mich, Ihnen heut zeigen zu können, daß dies kein Fehler von Ihnen war.

   Am 19ten d. M. war im Königl. Gericht Berlin-Schöneberg mein Haupttermin gegen Lebius. Dieser Mann nahm  d a  a l l e  s e i n e  g e g e n  m i c h  g e r i c h t e t e n  A u s s a g e n  u n d  B e l e i d i g u n g e n ,  s o w o h l  m a t e r i e l l e  a l s  a u c h  f o r m e l l e ,  a u s d r ü c k l i c h  z u r ü c k ,  [da alle seine gegen mich gerichteten Aussagen und Beleidigungen, sowohl materielle als auch formelle, ausdrücklich zurück,] bedauerte, mich angegriffen zu haben, und legte  d a s  g e r i c h t l i c h e  V e r s p r e c h e n  [das gerichtliche Versprechen] ab, mich künftighin in Ruhe zu lassen!


//62//

   Ich gestatte mir, Ihnen beifolgendes Heft zu senden, welches einstweilen nur zu dem Zwecke gedruckt wurde, den Staatsanwälten, Richtern u.s.w. vorgelegt zu werden. Doch schicke ich auch Ihnen eines, und zwar auf Discretion, damit Sie erstens sehen, mit welchen Waffen ich ausgerüstet war und was für ein Mann es gewesen ist, auf dem  d i e  l e t z t e  H o f f n u n g  [die letzte Hoffnung] Cardauns', Hülskamps, Pöllmanns, Muths, Frau Keiter u.s.w. ruhte. Fortsetzung folgt!

   Mit hochachtungsvollstem Gruß und dem Hinweis auf baldiges Manuscript

Ihr
ergebener
Karl May.


Inhaltsverzeichnis
Alle Jahrbücher
Titelseite

Impressum


Datenschutz