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HERMANN CARDAUNS


Herr Karl May von der anderen Seite*


Veranlassung der folgenden Ausführungen ist nicht das Pamphlet,1 das im Januar d. J. »ein dankbarer May-Leser« anscheinend zuerst in Elberfeld2 verbreiten ließ und das seitdem auch anderswo massenhaft verbreitet worden ist. Der Entschluß, Herrn May dem deutschen Publikum im Allgemeinen und seiner blindgläubigen Gemeinde im Besonderen »von der andern Seite« zu zeigen, stand längst fest und war schon im vorigen Jahre in einem Vortrage zu Dortmund (6. November) ausgeführt worden, dessen wesentlicher Inhalt nach dem Bericht der Tremonia3 durch einen großen Theil der deutschen Presse lief. Eine Menge von Blättern der verschiedensten Richtungen äußerte sich zustimmend, ablehnend meines Wissens nicht ein einziges - da begriff man im Lager der »May-Käfer«, daß etwas geschehen müsse, und ließ die Broschüre los. Dieses handgreiflich von K. May selbst wenn nicht geschriebene so doch inspirirte Machwerk, das um die Sache sorgfältig herumgeht, um so eifriger aber mit Reklame für den großen Mann und blanken Erfindungen operirt, hat mich nicht veranlaßt, an meinen Ausführungen auch nur ein Wort zu ändern; höchstens hat es zu Wege gebracht, daß »die Wahrheit über Karl May« jetzt noch etwas deutlicher gesagt wird, als es sonst geschehen wäre.

   Sachlich wird mein Aufsatz nicht viel enthalten, was ich nicht schon in verschiedenen öffentlichen Vorträgen - bei dem allmählichen Anschwellen des Materials in sehr verschiedener Form - gesagt habe. Außer den Quellenbelegen werde ich nur Dinge beifügen, die an sich nicht wesentlich, aber zur Kennzeichnung des ganzen May-Rummels werthvoll sind. Die eigentliche Grundlage der Beweisführung werden May's eigene Schriften und Erklärungen bilden, in erster Linie die fünf wüsten Romane, die er in den Achtziger-Jahren, mit einer einzigen Ausnahme pseudonym oder anonym, erscheinen ließ und von der Verzeichnung in Kürschner's Literatur-Kalender ausgeschlossen hat. Die Charakteristik dieser vielfach geradezu infamen Produkte und ihre Vergleichung mit  g l e i c h z e i t i g  erschienenen Werken ganz anderer Art wird zur Evidenz zeigen, in welchem Maße es diesem seltsamen Manne gelungen ist, weite Kreise viele Jahre lang an der Nase herumzuführen, und wie nothwendig es war, dem endlich ein Ende zu ma-




* Probleme bei der Darstellung von Zeichen in Frakturschrift wurden zunächst dadurch gelöst, daß sie fett und in [ ] gesetzt. Wenn also ein Buchstabe in [ ] und fett gesetzt ist, ist er als ein Fraktur-Zeichen zu lesen. Nicht fett gesetzte Zeichen in [ ] wurden vom jeweiligen Autor in die entsprechenden Klammern gesetzt; die Internet-Redaktion



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chen. Um so nothwendiger, als einerseits jene Produkte jetzt, wenn auch von May desavouirt, in neuer Auflage erscheinen, andererseits Hr. May in seinen ›Himmelsgedanken‹ (Freiburg, Fehsenfeld 1901) unter die religiösen Lyriker gegangen ist. Da ist die dringende Gefahr vorhanden, daß namentlich die Jugend, die bisher für May's Reise-Erzählungen schwärmte, durch schmutzige Colportage-Romane vergiftet wird.

   Hie und da ist der plumpe Versuch aufgetreten, die Frage auf das  c o n f e s s i o n e l l e  Gebiet hinüber zu spielen. Aber die katholische Familienzeitung Deutscher Hausschatz, die ihn früher zu ihren bevorzugten Lieblingen zählte, befindet sich in sehr großer und sehr gemischter Gesellschaft, worüber gleich Weiteres, und schon unter diesem Gesichtspunkt sollte man sich hüten, ihn als »Ultramontanen« zu frisiren.4 Umgekehrt fällt es mir nicht ein, für May's literarische Sünden den Protestantismus verantwortlich zu machen, weil der Mann  P r o t e s t a n t  ist. Ich erwähne diesen Umstand auch nur 1) als Abkühlungsmittel für seine katholischen Verehrer, und 2) weil er ein so merkwürdiges Licht auf May's  k a t h o l i s i r e n d e  Romane wirft. Die mir längst bekannte Thatsache wird mir neuerdings von verschiedenen protestantischen Bekannten May's bestätigt. Ich beschränke mich auf die Feststellung der (amtlich bezeugten) Thatsache, daß er 1856-57 dem Proseminar, dann mehrere Jahre dem Fürstlich Schönburg'schen Seminar Waldenburg (Sachsen) angehörte, einer Anstalt, die nur evangelische Schüler aufnimmt. Damit erledigt sich die Angabe eines mir kürzlich zugegangenen Schimpfbriefs aus New-York, er heiße eigentlich Karl Mayer und sei am 2. September 1872 von einem katholischen Geistlichen in Amerika getauft worden. Offenbar handelt es sich um einen schlechten Scherz. Ein sonstiges Zeugniß für das Gerücht von seinem Uebertritt zum Katholicismus ist mir nicht bekannt geworden.5 May selbst hat zwar je nach Bedarf in seinen Romanen fleißig katholisirt, aber meines Wissens nie behauptet, er sei katholisch, und seinen Himmelsgedanken fehlt jede confessionelle Färbung.

   D e r  R e i s e s c h r i f t s t e l l e r .  Etwa seit den Achtziger-Jahren erregten die abenteuerlichen Geschichten Karl May's (laut Kürschner's Literatur-Kalender Dr. phil., geb. zu Hohenthal in Sachsen am 25. Februar 1842) wachsendes Aufsehen. Eine Reihe derselben erschien im Deutschen Hausschatz (Pustet'scher Verlag in Regensburg), wodurch er Eingang in weitere katholische Kreise fand, aber auch sonst begegnete man ihnen vielfach. Massenhaft schrieb er für den Colportage-Verlag H. G. Münchmeyer in Dresden, worüber unten mehr; in Rosegger's Heimgarten (Jahrg. 1877/78) erschien mit seinem Namen eine



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morgenländische Erzählung »Die Rose von Kahira«6 und eine Humoreske »Die falschen Excellenzen«; eine gräßliche Klapperschlangengeschichte habe ich einmal in irgend einem Volkskalender, eine höchst schaudervolle Geschichte vom »blutigen Fuchs« in einem Jahrbuch für Knaben gefunden, ich glaube im Guten Kamerad (Union, deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart); eine Episode aus dem Leben des alten Dessauers, »Fürst und Leiermann«, stand in der Volksbibliothek des Lahrer hinkenden Boten, »Die Wüstenräuber« im 4. Band (1885) der Bachem'schen Romansammlung.7

   Seit 1892 erschienen bei F. E. Fehsenfeld (Freiburg i. Br.) »Karl May's gesammelte Reiseerzählungen« (27 Bde.). Auf diese Sammlung hat sich längere Zeit die Kritik fast ausschließlich beschränkt.

   Es sind Ich-Erzählungen. Hr. May (auch Kara ben Nemsi Effendi genannt oder Old Shatterhand, weil er es so ausgezeichnet versteht, unzählige Feinde mit einem einzigen Fausthieb zu Boden zu schmettern) erzählt  s e i n e  e i g e n e n  Erlebnisse, und die sind so wunderbar wie der Mann selbst. Er weiß alles und bringt alles fertig. Er spricht eine Menge der verschiedensten Sprachen und Dialekte mit fabelhafter Geläufigkeit, besitzt sehr respektable theologische, ärztliche und sonstige wissenschaftliche Kenntnisse, vor allem aber ist er unübertrefflich in allen Sport- und Kriegskünsten. Reiten kann er wie ein Cowboy, laufen wie ein Hirsch, schwimmen wie ein Fisch, und vollends im Anschleichen und Fährtensuchen macht er den findigsten Indianerhäuptling platt, allenfalls mit Ausnahme seines Busenfreundes Winnetou, des großen Häuptlings der Apachen; sein Bärentödter und sein Henry-Stutzen mit 25 Schüssen verfehlen niemals ihr Ziel, aber auch mit Lasso und Bola, Säbel und Kolben, Schlacht- und Wurfbeil, Lanze und Messer weiß er gleich sicher umzugehen. Kein Wunder, daß er in den verschiedensten Welttheilen die gewaltigsten Heldenthaten verrichtet. Daß er gefangen, gefesselt, eingeschlossen, an den Marterpfahl gebunden wird, aber dank seiner großen Schlauheit und Tapferkeit glücklich davonkommt, das geht in die Dutzende, denn merkwürdigerweise versäumen seine Todfeinde regelmäßig, ihm rechtzeitig eine Kugel vor den Kopf zu geben, und dann brennt er durch. Ein Segen für die Menschheit! Denn wer sollte all die dummen Kerle retten, die wegen Nichtbeachtung seiner Instruktionen in die größte Lebensgefahr gerathen? Wer sollte all das Geld verschenken, das er selbst so gründlich verachtet? Mit ihm würde ja der reinste Uebermensch zu Grunde gehen, dessen ganzer Lebensweg mit Werken der leiblichen und geistlichen Barmherzigkeit gepflastert ist!


Dabei ist er ein sehr frommer Mann, gelegentlich auch rechtgläubi-



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ger Katholik. Hier einige Beispiele aus den im 23. Band unter dem Titel »Auf fremden Pfaden« vereinigten kleineren Erzählungen. Ein mohammedanisches Kind schwebt in dringendster Gefahr, in einem Salzsumpf zu ertrinken, und die anwesenden Tuareg rufen den Propheten an; »ich setzte mich, als ob uns gar nichts dränge, gemächlich wieder in den weichen tiefen Sand;« erst als die Leute dreimal gerufen haben: »Jesus der Sohn Marias ist größer,« bequemt sich dieser christliche Menschenfreund zu einer ungeheuerlichen Rettungsthat (S. 250). Wenn er eine Strafpredigt gegen die verruchten Armenier hält, gebraucht er »mit Absicht das Wort Schismatiker« (S.395); es gibt ja auch katholische Armenier! In einem Winkel Kurdistans wohnen mohammedanische Schiiten im selben Dorf zusammen mit frommen Katholiken, denen der Erzähler am Rosenkranzfest Laiengottesdienst mit Predigt hält. Während die Schiiten im Vertrauen auf eine mohammedanische Heilige in den Kampf mit benachbarten Kurden ziehen, bleiben die Katholiken betend zurück, Herr »Ich« besiegt die Kurden auf eigene Faust, baut ein neues Dorf mit Kirche und Marienbild und läßt den beschämten Schiitenhäuptling als Marienverehrer zurück (Maria oder Fatima S. 455ff.). In anderen Bänden stirbt sein Freund Winnetou eines höchst erbaulichen Todes unter den Klängen eines Marienliedes - irre ich nicht, so hat Hr. M. es auch in Musik gesetzt - und eine alte Chaldäerin irgendwo hinten in Asien hält eine flammende Rede über den Primat des Papstes (Ges. Reise-Erzählungen II, S. 629).

   A u f s c h n e i d e r e i  u n d  R e k l a m e .  Das Alles ist nun ja an und für sich nicht schlimm. Das Erfinden ist das Vorrecht des Romanciers, auch des Ich-Erzählers, und ob ein Jules Verne in der ersten oder in der dritten Person phantasirt, ist gleichgiltig. Ob er es zu arg treibt, ist zunächst eine Geschmacksfrage, und wenn er in jugendliche Hände kommt, eine Frage der Pädagogik, aber auf das achte Gebot wird man einen geschickten Münchhausen nur unter besonderen Umständen prüfen. Die aber liegen hier vor. Man braucht es Hrn. May nicht übel zu nehmen, wenn er das Blaue vom Himmel herunter erzählt. Auch wer dabei den Kopf schüttelt, kann seine mannigfachen Kenntnisse, seine Formgewandtheit und Erfindungsgabe anerkennen, wenn auch mit starken Reserven bezüglich der Wiederholungen und des mangelhaften Stils. Hier soll auch nicht eingehender von der Wirkung die Rede sein, welche ausschweifende Romantik auf jugendliche Leser ausübt oder doch ausüben kann - der Eine hat darüber bitter geklagt,8 der Andere tröstet sich mit der Erwägung, daß seine Reiseromane schlimmere Lektüre verdrängen - aber ernstlich übel nehmen muß man es ihm, wenn er ernst genommen sein will. Und das thut Hr. M. lm



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19. Band findet man als Titelbild einen sehr unternehmend dreinschauenden Herrn mit Schlapphut, Kanonenstiefeln und einem mächtigen Schießprügel, Unterschrift: »Old Shatterhand (Dr. Karl May) mit Winnetou's Silberbüchse«; auf einer Verleger-Reklame erscheint »Old Shatterhand (Dr. Karl May)« mit Lasso und einem Halsschmucke, der anscheinend aus Bärenzähnen besteht. Am Schluß eines dreibändigen Romans9 führt er bittere Klage über einen verlogenen amerikanischen Advokaten und bemerkt mit gemüthlicher Selbstironie: »Wenn so ein Mr. Fred Murphy  m e i n e  E r l e b n i s s e  für die seinigen erklärt, so kommt man leicht auf den Gedanken, fernerhin hübsch daheim zu bleiben, Mr. Murphy aber reisen zu lassen.« Ich fürchte, das Daheimbleiben bei »seinen Erlebnissen« hat er gründlich besorgt. In der kolossalen Selbstreklame, die er im Deutschen Hausschatz10 unter dem Titel »Freuden und Leiden eines Vielgelesenen« drucken ließ, versichert er mit dem ernstesten Gesicht,  » m e i s t  S e l b s t g e s e h e n e s  u n d  S e l b s t e r l e b t e s «  geschrieben zu haben. An anderer Stelle11 erfahren wir: »Ich bemerke, daß ich nicht eigentlich schriftstellere, sondern  E r l e b n i s s e  n i e d e r s c h r e i b e .«  Am 6. Juni 189912 schreibt er an ein Blatt in Speyer aus dem »Bischari-Lager, sechs Reitstunden von Schallal in Nubien entfernt«, er reise jetzt nach dem Sudan, dann über Mekka nach Arabien zu seinem alten Freund Hadschi Halef und mit ihm durch Persien nach Indien. »Sie sehen, daß meine Bücher nicht in meiner Studirstube entstehen.« Leider erfahren wir durch einen weiteren Brief13 vom 12. Okt. 1899, datirt von Colombo auf Ceylon, einem recht civilisirten Ort, daß dieser kleine Spaziergang durch den Ausbruch der Pest unmöglich gemacht worden sei; darum reise er zunächst nach Sumatra, dann nach Indien, Persien und den Tigris hinab zu seinen geliebten arabischen Haddedihn, für die er früher einmal eine glorreiche Schlacht gewonnen hatte. Erfreulicher Weise hat er »ein reiches, ausgedehntes Goldfeld« entdeckt, »vielleicht ein orientalisches Klondyke, aber dieser Fund läßt mich sehr kalt; ich brauche ihn nicht. Ja, wenn die Gegend in der Nähe einer deutschen Colonie oder Ansiedelung läge, dann würde ich vielleicht nicht schweigen, aber Fremden - - ? Nein!« Und so ist zu befürchten, daß Hr. M. »dieses Geheimniß mit ins Grab nehmen« wird.

   Aber mehr als das! Hr. M. will nicht nur »meist Selbstgesehenes und Selbsterlebtes« berichten, er schreibt auch aus den denkbar idealsten Beweggründen, er ist ein  A p o s t e l  und  M i s s i o n a r .  Unzähligemal läßt er sich das in seinen selbstgeschriebenen »Freuden und Leiden« bescheinigen, und in den der Broschüre des »dankbaren May-Lesers« beigegebenen Belobigungsbriefen desgleichen. Wenn der Prinzipal ei-



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ner Cartonnagefabrik - laut Zeugniß einer Arbeiter-Deputation - erklärt, er »wär ein wahrer Segen für seine ganze Cartonnage«, so ist das einer der gedämpftesten Ausdrücke. Alle möglichen Leute werden durch die Lektüre seiner Bücher bekehrt, Socialdemokraten und ein »protestantischer Millionär«, »ein böser Mensch«, der »Vater und Mutter in das Grab geärgert« hat, wie »acht Studenten der Philosophie« usw. Kein Wunder bei seiner tiefen Frömmigkeit! »Was ich bin und schaffe, das bin und schaffe ich durch Gottes Barmherzigkeit. Wenn meine Erzählungen hier und da Gutes wirken, so habe ich dies nächst Gott nicht mir, sondern den Gebeten meiner Leser zu verdanken.« Das Gebet ist der Fels, »auf den er sich so oft in der Noth gerettet«; durch »die Zuschriften, welche sich auf die religiösen, ethischen und socialen Wirkungen seiner einfachen (!) Erzählungen beziehen«, fühlt er sich »am tiefsten berührt«. »Ich will«, schreibt er am 6. Juni 1899,14 »meine Leser für alles Gute, Schöne und Edle begeistern und ihre Herzen zu Gott führen. Vor einiger Zeit schrieb mir ein Regierungsrath: ›Sie schreiben nicht Reiseerzählungen, sondern  P r e d i g t e n  a n  d i e  V ö l k e r .‹  D i e s e r  H e r r  h a t  m i c h  b e g r i f f e n .«  Und am 15. April 1901:15 »Ich habe nun  ü b e r  e i n  V i e r t e l j a h r h u n d e r t  l a n g  - man beachte die aus später sich ergebenden Gründen sehr bemerkenswerthe Zeitangabe - an der schriftstellerischen Aufgabe gearbeitet, die  d e u t s c h e  V o l k s s e e l e  hinaus zu fremden Völkern zu führen, damit sie sich für den Gedanken begeistere, daß diese Seelen ebenso wie sie Gott gehören. Diese  M i s s i o n s a r b e i t  ist nicht ohne Erfolg gewesen.«

   M a y - S c h w ä r m e r e i  u n d  K r i t i k .  Wie man sieht, beansprucht M. sehr entschieden, ernst genommen zu werden, und das ist ihm in kaum glaublicher Weise geglückt. Man hat nicht nur seine Bücher verschlungen, sondern ihm auch alles Mögliche und Unmögliche geglaubt und ihm persönlich eine ans Burleske streifende Verehrung gewidmet. Was er in seinen »Freuden und Leiden« von den Briefen und Besuchen erzählt, die er an einem einzigen Tage erhalten habe, ist gewiß nicht bloße Renommage, und Dutzende von tollen Anerkennungsschreiben in den Broschüren des »dankbaren Lesers« ebenso wenig. Ich habe zu viele Beweise von der hypnotisirenden Wirkung bekommen, welche die Abenteuer Old Shatterhands selbst auf sonst ganz vernünftige und gebildete Männer machten, um bei den eigentlichen »May-Käfern« irgend etwas für unmöglich zu halten. Daß sich in einer rheinischen Stadt ein besonderer May-Club gebildet hat,16 ist durchaus glaublich, und von den Audienzen, die er auf Reisen seinen Verehrern ertheilte, sind die drolligsten Geschichten erzählt worden. Sein Verle-



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ger Fehsenfeld sorgte fleißig für seinen Ruhm. Eine Menge deutscher Bischöfe, vermuthlich alle, hat er mit den Werken des großen Mannes beglückt, und die einlaufenden Antworten ließ er natürlich zu Reklamezwecken drucken. Ein Theil der Herren hat die Sammlung belobt, hauptsächlich weil sie im Gegensatz zu anderer Lektüre reinlich war, andere haben sich auf eine höfliche Quittung beschränkt; von Einem weiß ich, daß er die Bescheerung ungelesen zurückgeschickt hat - andere, die Hr. Fehsenfeld  n i c h t  nennt, werden es ähnlich gemacht haben. Kritik oder gar entschiedenen Widerspruch fand er selten. Namentlich bei den ersten Bänden war man vielfach froh; in ihnen ein Gegengewicht gegen volksverderbende Bücher und namentlich eine »spannende« Lektüre für die Jugend gefunden zu haben, die in sittlich-religiöser Hinsicht keinen Anstoß bot.17 Es ist eine Ausnahme, wenn schon Anfang 1898 eine amerikanische katholische Zeitung18 eine Warnung bringt, und wenn im gleichen Jahre Dr. Muth19 von der »literarischen Geschmacksverderbniß dieser reiseliterarischen Taxiliaden« spricht, »mit ihren als captationes benevolentiae eingeflochtenen religiösen Phrasen«.

   Erst im folgenden Jahre wurde man in weiteren kritischen Kreisen aufmerksam. Die Nachricht eines bayerischen Blattes, May's Werke sollten, als für die Jugend gefährlich, aus den Bibliotheken mehrerer Mittelschulen ausgeschlossen werden, veranlaßte damals ausgedehnte Preßerörterungen. Es ist nicht gerade schmeichelhaft für die kritische Veranlagung mancher journalistischen Kreise, daß dabei ernsthaft die Frage diskutirt werden konnte und mußte, ob M. wirklich seine Reisen gemacht und seine Abenteuer erlebt habe. Die weitaus überwiegende Mehrzahl freilich faßte den curiosen Fall vorzugsweise von der komischen Seite auf, und in jenen Tagen ist manche gute und schlechte Humoreske zum Preise Old Shatterhands geschrieben worden.20 Dabei fiel natürlich manches scharfe Wort über M.'s seltsamen Anspruch, ernst genommen zu werden, und nicht minder über sein dick aufgetragenes Christenthum. In diesem Punkte begegneten sich die intimsten Gegner. Es war nicht bloß die Frankfurter Zeitung,21 welche »die süßlich-fromme Propaganda für den wahren Glauben widerwärtig« und »den Kultus der Unwahrheit unmoralisch« fand; eine ruhig abwägende Würdigung des Nassauer Boten22 schloß sich diesem Urtheil an, und als die Köln. Volkszeitung23 den Satz aussprach: »Wir können uns nicht helfen, uns ist der Mann zu fromm«, meinte wieder das demokratische Frankfurter Blatt, dieses Wort werde wirken wie ein Peitschenhieb. Andererseits fand M. Vertheidiger und selbst begeisterte Paladine. Hr. Richard Plöhn schrieb eine Apologie für den geliebten Meister nach



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der andern.24 Ein rheinisches Blatt sprach unter spitzigen Bemerkungen gegen die Tadler seinen Glauben aus, »daß er die meisten Reisen selbst gemacht und das Erzählte zum größten Theile auch erlebt habe«, erachtete aber doch im Uebrigen M. für »stolz, eingebildet, einen Schwärmer und Phantasten.« Das Stärkste soll eine süddeutsche Zeitschrift geleistet haben, indem Sie - ich habe das betreffende Heft nicht zur Hand - von M.'s »Laienmission, Wanderapostolat und Bekehrungen« sprach und ihn als Reisenden neben - Sven Hedin und Nansen stellte!

   Eine Unterhaltung mit solchen Kritikern etwa über May's Sprachkenntnisse und die Treue seiner Ortsschilderungen würde schwerlich Erfolg haben. Erheblich leichter wird eine Verständigung erfolgen, wenn wir M. unter einem anderen Gesichtspunkte als dem seiner Glaubwürdigkeit als Reporter betrachten. Wir kommen damit zu einem unerquicklichen Kapitel von höchst mangelhafter Reinlichkeit, aber es ist nicht zu vermeiden.

   D i e  e r s t e n  E n t h ü l l u n g e n .  Bei den Preßerörterungen von 1899 brachte ein amerikanisches katholisches Blatt25 die kurze Notiz: »K. M. hat neben seinen Reiseromanen auch noch - nun, sagen wir es gerade heraus! -  S c h u n d r o m a n e  (Die Liebe des Uhlanen, Waldröschen u. s. w.) geschrieben«. Diese kräftige Andeutung blieb unbeachtet. Erst Anfang 1901 kam die Kugel ins Rollen. Im Wahlzettel (Leipzig, C. W. B. Naumburg) Nr. 54 vom 19. März 1901 erschien folgende halbseitige Anzeige:26

   In Bezug auf Karl May's Illustrirte Werke, angekündigt von H. G. Münchmeyer, Dresden, mache ich alle Sortimenter, welche dabei etwa an meine bekannten »Reiseerzählungen« denken, darauf aufmerksam, daß ich gegen die genannte Firma gerichtlich vorgegangen bin. Radebeul-Dresden. Villa Shatterhand. Karl May.

   Am 23. März erließ Adalbert Fischer, »Inhaber der Firma H. G. Münchmeyer«, in Nr. 58 des Wahlzettels vom 25. März eine Entgegnung, in der es heißt:

   Die unter dem Gesammttitel »Karl May's Illustrirte Werke« erscheinenden Romane und Reiseerzählungen sind von  d e m s e l b e n  Karl May, der die »bekannten« Reiseerzählungen geschrieben hat. . . . Von einem gerichtlichen Vorgehen gegen mich ist mir zur Stunde leider noch nichts bekannt, obgleich ich seit zwei Jahren Hrn. K. M. fortgesetzt aufgefordert habe, seine diesbezüglichen, vollständig unbegründeten Drohungen wahr zu machen. Ich erkläre ferner, daß sämmtliche Werke von K. M., die in meinem Verlage erschienen sind, in mein unbeschränktes Eigenthum übergegangen sind. Ich bitte den Buchhandel um fernere thätigste Verwendung für die zu K. M.s besten und ureigensten Schöpfungen gehörenden Werke meines Verlags.27



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   Sofort antwortete K. M. mit einer Erklärung vom 26. März (Wahlzettel Nr. 60 vom 28. März):

   Ich schrieb [für Münchmeyer] die Erzählungen, um die es sich hier handelt.  M ü n c h m e y e r  wußte, daß ich keine Zeit hatte, die Correkturen oder gar die fertigen Werke wieder durchzulesen, und so entdeckte ich nur durch Zufall, daß er  m e i n  h e i m l i c h e r  M i t a r b e i t e r  gewesen war. Er hatte geändert, weil sein Verlangen nach  L i e b e s s c e n e n  vernachlässigt worden war. Ich brach mit ihm und habe seitdem kein Wort mehr für ihn geschrieben. Diese Werke waren so geschrieben, daß sie später ohne alles sittliche Bedenken Aufnahme in meine »Gesammelten Werke« finden konnten. . . . Herr  F i s c h e r  liefert diese Werke nicht nach meinen Originalen, sondern  U m a r b e i t u n g e n.

   In derselben Nummer und am gleichen Tage machte Fischer dazu eine »letzte Entgegnung«, in der es heißt:

   Von einer Mitarbeiterschaft des Hrn. Münchmeyer an den Werken des Hrn. K. M. erfahre ich erst durch des Letzteren Erklärung. Meines Wissens bestand Hrn. Münchmeyers Mitarbeiterschaft lediglich darin, Correkturen zu machen und Streichungen im Manuscripte vorzunehmen. Daß Herr Münchmeyer Verfasser von den Liebesscenen sein soll, wird Hr. K. M. kaum im Ernste behaupten können. . . . Die Umänderungen [in der Ausgabe der Illustrirten Werke May's durch Fischer], von denen Hr. K. M. redet, betreffen keineswegs den Inhalt, sondern sind rein formelle.28

   Die sonstigen Auseinandersetzungen May's und Fischers über geschäftliche Fragen, Stand des Processes u. sind für weitere Kreise ohne Interesse. Um so interessanter ist der Federkrieg, der kurz darauf in der Wiener  R e i c h s p o s t  geführt wurde. Das Blatt hatte (Nr. 77 vom 3. April 1901) vor einer neuen Ausgabe »schmutziger Colportage-Romane« mit M.'s Namen gewarnt und mitgetheilt, die Redaktion des Deutschen Hausschatz (Pustet'scher Verlag in Regensburg) habe die Verbindung mit M. Iösen müssen. Darauf antwortete M. am 15. April (Reichspost 17. April):

   Ich habe  n i e m a l s  e i n  e t h i s c h  a n f e c h t b a r e s  W o r t  geschrieben. Jetzt nun tritt ein mir vollständig fremder Verleger [Adalbert Fischer] mit  s o g e n a n n t e n  Werken von mir auf. Er hat einen Verlag [Münchmeyer] gekauft, für welchen ich früher einmal geschrieben habe,  g a n z  e b e n s o  s i t t l i c h  r e i n  w i e  s t e t s.  Er hat diesen Verlag eingestandenermaßen nur zu dem Zwecke gekauft, meine alten Werke . . . in einer seinen Zwecken entsprechenden Umarbeitung herauszugeben. Welche Zwecke das sind, sieht man den beigegebenen Illustrationen sofort an, ohne daß man zu wissen braucht, daß ihm in kurzer Zeit zwei unsittliche Romane confiscirt worden sind und er am 5. April wegen unzüchtiger Schriften wieder verurtheilt worden ist. . . . Es handelt sich [bei seinen angeblichen »Illustrirten Werken«, die er aufs Strengste verurtheile], nicht um Erzeugnisse einer Sturmperiode, die ich niemals gehabt habe, sondern um  B e a r b e i t u n g   v o l l s t ä n d i g  s i t t e n r e i n e r  Originalarbeiten von mir.



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   Der Pustet'sche Verlag habe nicht mit ihm gebrochen, sondern umgekehrt.

   Weitere Schlußfolgerungen vorbehaltend, mache ich hier schon auf einen sehr auffälligen Widerspruch aufmerksam: In der Erklärung M.'s vom 26. März wird die Schuld für das, was er sehr zart »Liebesscenen« nennt, auf den »heimlichen Mitarbeiter«  M ü n c h m e y e r  geworfen, von den »Umarbeitungen« durch  F i s c h e r  ist in ganz anderem Zusammenhang die Rede; am 15. April ist der Sündenbock Münchmeyer verschwunden und ersetzt durch seinen Nachfolger Fischer, der M.'s »vollständig sittenreine Originalarbeiten« zu unzüchtigen Zwecken umarbeitet!

   In diesem Stadium griff der Pustet'sche Verlag ein durch eine Erklärung vom 27. April (abgedruckt Reichspost Nr. 106 vom 9. Mai):

   Wir waren aufmerksam gemacht worden, daß K. M. 1883-1887 bei H. G. Münchmeyer  H i n t e r t r e p p e n - R o m a n e  d e r  a l l e r b e d e n k l i c h s t e n  S o r t e  herausgegeben habe. Nachdem wir uns durch Autopsie von dem  ü b e r  a l l e  M a ß e n  u n s i t t l i c h e n  I n h a l t  überzeugt und uns die wiederholte Erklärung des Verlegers [Fischer] gesichert hatten, »daß der Verfasser der Romane identisch sei mit K. M., der für Fehsenfeld in Freiburg schreibe«; wurde M. von uns befragt. May antwortete am 16. Juli 1897 hierauf: »Ich werde die Münchmeyer'sche Verlagshandlung gerichtlich belangen und Ihnen das Resultat mittheilen«. Dr. K. M. hat aber weder den Rechtsweg beschritten noch auch sonst den allermindesten Versuch gemacht, sich von der schweren Anschuldigung zu entlasten. Damit war für uns die Sache entschieden.

   M. hat dann am 12. Mai (Reichspost vom 18. Mai) erklärt, er klage, wann und wie es  i h m  passe, seine Arbeiten seien »von Münchmeyer und Pustet verstümmelt worden. Ich habe nie etwas sittlich Unreines geschrieben. Meine Originale sind schon früher und jetzt zum zweitenmale verstümmelt worden. Aber selbst wenn ich in vergangenen Zeiten in der mir nachgelogenen Weise gesündigt hätte, so würde ich das mit meinem Herrgott, nicht aber mit irgend einem Verlagsbuchhändler abzumachen haben«.

   K. M. hat hier eine andere Instanz vergessen: das deutsche Publikum. Demselben können seine Streitigkeiten mit diesem oder jenem Verleger, sogar der Ausgang seines Processes29 mit Hrn. Fischer höchst gleichgiltig sein, aber es besitzt doch ein Recht darauf, zu erfahren, ob ein Schriftsteller von der großen Tugend und apostolischen Wirksamkeit des Hrn. M. im Nebenamt  P o r n o g r a p h i e   getrieben hat oder nicht. Diese Frage ist schon im vorigen Jahr von P. Ansgar Pöllmann30 angeschnitten worden. Da sein Material sehr unvollständig war - er hat die Erklärungen in der Reichspost nicht gekannt und keinen der



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fraglichen Original-Romane vor sich gehabt - fand er den Fall zwar bedenklich, enthielt sich aber eines bestimmten Urtheils. So blieb die genauere Prüfung mir vorbehalten.

   D i e  » S c h u n d r o m a n e «.  In den Achtziger-Jahren erschienen aus K. May's Feder im Münchmeyer'schen Verlag fünf Romane von gewaltigem Umfang, vier pseudonym in Colportageheften, einer mit seinem Namen in der »Illustrirten Unterhaltungsbibliothek Deutscher Wanderer«. Jahreszahlen tragen diese Erscheinungen nicht, aber schon durch Russell's Gesammtkatalog des deutschen Buchhandels ließ sich das Nöthige feststellen, und innere Gründe haben dessen Angaben bestätigt. Auch die in der oben angeführten Pustet'schen Erklärung angegebene Entstehungszeit stimmt fast genau überein.31

   Als Hauptbeweisstück wähle ich den ersten Roman:  »W a l d r ö s c h e n  oder die Verfolgung um die Erde. Großer Enthüllungsroman über die Geheimnisse der menschlichen Gesellschaft. Von Capitän Ramon Diaz de la Escosura,« 109 Lieferungen zu 10 Pfg. mit ganz miserablen Bildern, 2612 Seiten zu 45 Zeilen, also weit über 100,000 Zeilen. Verfasser ist Karl May. Das 11. Kapitel »Die Höhle des Königsschatzes« (Lief. 16-21, S. 376-481) kehrt fast wörtlich als Episode wieder in dem Roman Old Shurehand (II, 251-420), der bei Fehsenfeld in May's Reise-Erzählungen erschienen ist; eine lüsterne Scene ist hier erfreulicher Weise weggelassen. Als Erscheinungsjahr gibt der Gesammtkatalog 1882 an; dazu stimmt, daß die 51. Lieferung die Einladung zur Subskription auf Luther's Handpostille anläßlich des Luther-Jubiläums von 1883 enthält.

   Es ist ein Hintertreppen-Roman ungeheuerlichster Art, aus dem Hundertsten ins Tausendste gehend. Der Stil ist ähnlich, aber schlechter wie in anderen Romanen, und es begegnet uns eine Menge alter Bekannter; gelegentlich werden Old Shatterhand, Winnetou, Sans-ear, Firehand genannt, wir hören von dem Bärentödter und dem Henry-Stutzen [u]. Für die Erfindungsgabe zwei Pröbchen. Wiederholt kommt die großartige Scene vor, daß Jemand so dicht über einem Teich voll hungriger Krokodile aufgehenkt wird, daß er die Beine in die Höhe ziehen muß, widrigenfalls sie ihm abgebissen werden; mehrmals werden Leute durch Gift irrsinnig gemacht, aber man kann sie heilen durch den Geifer eines Menschen, der durch Kitzeln bis an die Grenze der Tollwuth gebracht wird! Zwischen solchem Zeug gar nicht üble Gedichte, auch fromme, als Hauptwürze aber eine großartige Schamlosigkeit. Von den endlosen Kuß- und sonstigen Liebesscenen will ich gar nicht reden. Ein bevorzugtes Thema bilden tiefe und tiefste Negligees, durchsichtige Kleider, Nuditäten, üppige Formen, lüsterne Bilder aller



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Art, furchtbare Rohheiten, Verführung, Sittlichkeitsverbrechen, Ehebruch, gemeine Wüstlings- und Dirnen-Erlebnisse, eine unendliche Bordellgeschichte - oft bis zur Unerträglichkeit ausgemalt, und unzählige Male derart bei den Haaren herbeigezogen, daß man den Zweck, Befriedigung der niedrigsten Instinkte, mit Händen greifen kann. Zuweilen geht es längere Zeit leidlich anständig her, die letzten Kapitel sind von groben Anstößigkeiten frei, aber am Schluß wird »der Verlorene Sohn« desselben beliebten Verfassers angekündigt, und dann geht es mit frischen Kräften wieder los.

   »D e r  V e r l o r e n e  S o h n  oder der Fürst des Elends«, wo ebenso fleißig die Schweine gehütet werden wie im »Waldröschen«, erschien 1884 in 101 Colportageheften. Vielleicht ist die Sache hier noch schlimmer als im »Waldröschen«; ganze Riesenkapitel von 100-200 Seiten enthalten fortgesetzt Bordell- und verwandte Geschichten mit Schamlosigkeiten, die sich der Beschreibung entziehen. Auch hier findet sich der Vers von »Christi Blut und Gerechtigkeit«, der in einem kurdistanischen Abenteuer der May'schen Reise-Erzählungen eine Rolle spielt, und fast wörtlich einige Verse, die 1901 wieder in May's frommen Himmelsgedanken auftauchen.

   In dasselbe Jahr (1884) fällt »D i e  L i e b e  d e s  U h l a n e n,  Originalroman aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges«, durch 109 Hefte des Deutschen Wanderes laufend, nicht so schlimm wie die beiden vorher genannten Romane, übrigens wieder echtes Colportage-Futter, einige Scenen von auserlesener Gemeinheit.

   Sofort im folgenden Jahre (1885) kommt: »D e u t s c h e  H e r z e n  d e u t s c h e  H e l d e n,   vom Verfasser des Waldröschen und Der Fürst des Elends«,109 Colportagehefte, anfangs in Konstantinopel, Egypten und Tunis spielend und hier nicht ungeschickt, wenn auch mit tollen Unmöglichkeiten und einer Dirnengeschichte von 35 Seiten ausgestattet. Später springt die Erzählung nach Amerika und dann nach Sibirien über. Summa 2610 Druckseiten, hier und da ein halber Druckbogen oder mehr mit schmutzigen Scenen, eine Portion einzelner Ekelhaftigkeiten, das Ganze ethisch etwa auf dem Standpunkt der »Liebe des Uhlanen«.

   Endlich 1887: »D e r  W e g  z u m  G l ü c k,   vom Verfasser des Waldröschen, Der verlorene Sohn, Deutsche Herzen [u].«, wieder 109 Colportagehefte. Am Schluß wird der Tod König Ludwigs II. im Starnberger See (13. Juni 1886) erwähnt, der eine Hauptrolle spielt. An ausschweifender Phantasie leistet dieser Roman wieder Erkleckliches, und an Schmutz desgleichen. Er mag nicht in solcher Massenhaftigkeit auftreten, wie im Waldröschen und im Verlorenen Sohn, aber wüste



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Anspielungen, Lüsternheiten, Schamlosigkeiten begegnen noch immer dutzendweise. Den Kern eines einige hundert Seiten füllenden Kapitels bildet eine Verführungsgeschichte, und in einem andern Riesenkapitel hört alles auf: Ein Ehebruch drängt den andern, und einmal wird eine Unzuchtscene geradezu scheußlich ausgemalt. Daß hier wie in den anderen Romanen Menschenliebe, Edelmuth, Patriotismus und Christenthum faßweise verzapft werden, macht den Fall nur noch widerwärtiger.

   Aber stammen denn diese Scheußlichkeiten wirklich aus May's Feder? Er selbst behauptet ja und läßt neuerdings wieder von seinem »dankbaren Leser« andeuten:32 sein »heimlicher Mitarbeiter« Münchmeyer habe »geändert«, um mehr »Liebesscenen« auftischen zu können, und als er (May) es endlich gemerkt, habe er ihm den Stuhl vor die Thüre gesetzt. Man denke: Ein Schriftsteller von höchster Tugend und Sittlichkeit, der während fünf Jahren für einen Colportage-Verlag fünf Romane von weit über einer halben Million Druckzeilen schreibt, wirft in all der Zeit aus Zeitmangel keinen Blick in die Correkturen und in die fertigen Werke, und mittlerweile, fünf Jahre lang, schreibt ihm der verruchte Verleger in seine hochsittlichen Manuscripte nicht etwa einzelne »Liebesscenen« hinein, sondern viele Dutzende der schändlichsten Schmutzereien, ja ganze pornographische Riesenkapital, hunderte und wieder hunderte von Druckseiten, bis der ahnungslose Verfasser »nur durch Zufall« dahinter kommt! Dann aber geht er nicht etwa an's Gericht, er flüchtet nicht in die Oeffentlichkeit, erläßt keinen donnernden Protest zur Rettung seiner schmachvoll besudelten schriftstellerischen Ehre, nein er schweigt, schweigt dreizehn Jahre lang, von 1887, wo »Der Weg zum Glück« erschien, bis anfang 1901, wo er endlich zum Reden gezwungen wird. Daran kann auch der stärkste Mann nicht glauben.

   Aber nehmen wir einmal an, daß es so starke Männer gibt - unmöglich ist ja für die ganz Dummen eigentlich gar nichts - und daß diese Ausrede May's noch erörterungsfähig sei: auch für diesen Fall ist gesorgt, und zwar durch May selbst. Die Geschichte vom »heimlichen Mitarbeiter« Münchmeyer hat May am 26. März 1901 zum Besten gegeben; sie war insofern nicht übel, als Münchmeyer damals  g e s t o r b e n  war (irre ich nicht, 1891), und die Todten reden nicht. Aber schon am 15. April 1901 hatte Mai seine eigene Geschichte vergessen. Da ist keine Rede mehr von Münchmeyer, der ihm seine Romane verschmutzt haben soll, da ist es der böse Adalbert Fischer, der seine »sittlich reinen« alten Sachen »in einer seinen (d.h. pornographischen) Zwecken entsprechenden Umarbeitung herausgibt«. Da ist May nicht



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nur an einen  L e b e n d e n  gerathen, der diese Behauptung rundweg bestreitet, sondern sie läßt sich auch  u r k u n d l i c h  widerlegen. Die Urkunden sind hier einerseits die  e r s t e n  A u f l a g e n  der Romane »Liebe des Uhlanen« und »Deutsche Herzen«, andererseits die von Fischer veranstalteten  N e u a u f l a g e n.  Zufällig sind mir die letzteren zuerst in die Hände gekommen, und ich notirte mir eine Reihe von Anstößigkeiten, mehrere ganz massiver Art, obwohl es sich hier, wie schon bemerkt, um die verhältnißmäßig anständigeren der fünf Romane handelt; erst später konnte ich mir die ersten Auflagen verschaffen und feststellen:  d i e  s ä m m t l i c h e n  n o t i r t e n  S c e n e n  s t a n d e n  s c h o n  d a r i n.  Ich habe keinen Grund, den Anwalt Fischer's zu spielen, aber soweit ich vergleichen konnte, kommen auf sein Schuldconto nur einige gemeine bzw. bedenkliche Illustrationen; den Text hat er zum Mindesten nicht verschlimmert, und May's bezügliche Beschuldigung ist eine  b l a n k e  E r f i n d u n g.  So sieht es mit May's Insinuation gegen den  L e b e n d e n  aus; wie glaubhaft seine Anklage gegen den  T o d t e n  ist, ergibt sich ohne Weiteres.

   Nun könnten gute Menschen noch einwenden: Aber  w o z u  dieser Feldzug gegen unseren lieben hochverehrten Hrn. K. M. ? Vielleicht ist er ein reuiger Sünder! Er thut's ja nicht mehr, er wehrt sich gegen die Neuauflagen, und läßt neben den sexuell einwandfreien »Reiseerzählungen« sogar die hochfrommen »Himmelsgedanken« drucken - warum ihn also in seiner Bekehrung stören? Leider hat diese wohlwollende Ausnahme zwei große Haken: 1) Ist Hr. M. wirklich ein so guter Mensch und Schriftsteller  g e w o r d e n,  dann ist es doch recht häßlich von ihm, daß er sich mit kolossalster Selbstreklame als einen  i m m e r w ä h r e n d e n  Tugendbold aufspielt und seine alten Sünden mit eherner Stirn ableugnet, ja andere Leute fälschlich dafür verantwortlich macht; und 2) hat er es fertig gebracht,  g l e i c h z e i t i g  in »Missionsarbeit« und im Gegentheil zu machen. Seine reinliche und seine unreinliche Periode  f o l g e n  sich nämlich nicht, sondern sie  f a l l e n  z u s a m m e n,  mindestens für den Zeitraum 1882-87. Für den Deutschen Hausschatz des Pustet'schen Verlags hat er seit dem 5. Jahrg. (1878/79) geschrieben. Er hat diese Thätigkeit bis zum großen Krach etwa 20 Jahre lang fortgesetzt, zwischen durch aber Schmutzromane drucken lassen. Und zwar unter sehr erschwerenden Umständen. Am Schluß des Romans »Durchs wilde Kurdistan« (Gesammelte Reiseerzählungen II, 629) findet sich sein nächtliches Gespräch mit Marah Durimeh, der alten Christin, die mitten unter wilden Völkern als Engel des Friedens wirkt. »Ich habe heut«, spricht sie, »das Christenthum verkündet, aber nicht das Christenthum des Wortes, über dessen Sinn die Abgefallenen



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streiten, sondern das Christenthum der That, daran Niemand zweifeln kann. Sendet Männer, vor denen sich der Unterdrücker fürchtet, dann wird das Wort von e i n e m  H i r t e n  u n d  e i n e r  H e e r d e  sich erfüllen. Hat nicht dieser eine Hirt bereits seinen  S t e l l v e r t r e t e r  a u f  E r d e n?  Warum wendet ihr selbst euch von ihm weg?  K e h r t  z u  i h m  z u r ü c k,  dann seid ihr einig, und die Macht dessen, der euch sendet, wird die Erde zu dem heiligen Lande machen, in dem Milch und Honig fließt!« Nun schildert der Erzähler sich selbst als »Boten der That«. »Dann ergriff sie (Marah Durimeh) langsam mit beiden Händen meine Rechte. Herr, sagte sie, ich liebe Dich.« Man könnte die Scene poetisch und ergreifend finden, wenn man vergessen dürfte,  w e r  sie schrieb und  w a n n  sie zuerst gedruckt wurde. Aber sie steht im Deutschen Hausschatz VIII, 406, im Jahrgang 1881/82; das  i s t  j u s t  d i e  g l e i c h e  Z e i t,  allenfalls eine Kleinigkeit früher, in der auch das infame »Waldröschen« des »Kapitäns Ramon Diaz« entstand, und dann schrieb dieser, d. h. Hr. May, fünf Jahre für Münchmeyer und für Pustet, rechts und links! Und dabei passirte es diesem Mariensänger und Papstverehrer, daß er einen in Tunis zum Islam übergetretenen Deutschen radebrechen läßt: »Ist es nicht ejal, ob wir sagen Allah oder ob man lautet auf Gott und den heiligen drei Königen! Hat die Religion dem Herzen, so sind die Aeußerlichkeiten keinem Werth und Bedeutung«.33 Und an anderer Stelle: »Sie knieeten nebeneinander und beteten. . . . Welchen Namen man ihm auch geben möge, ob man ihn Herr, Gott, Manitou oder Allah nenne, er ist doch ein und derselbe . . . der nicht nach der Verschiedenheit der Bekenntnisse fragt. . . Vor ihm sind alle gleich. Christen, Juden, Türken, Heiden. Nicht das Bekenntniß thut es, nicht die Confession, sondern der eine, große Gottesgedanke«.34 Hr. M. kann so, aber er kann auch anders.

   Das ist Hr. K. M., alias Kara ben Nemsi, alias Old-Shatterhand, alias Kapitän Ramon Diaz de la Escosura, alias, wie aus Kürschners Literaturkalender ersichtlich, K. Hohenthal, alias E. v. Linden, alias Latreaumont! Das ist der Mann, der »nie etwas sittlich Unreines«, »niemals ein ethisch anfechtbares Wort geschrieben hat«, der »über ein Vierteljahrhundert lang (so geschrieben 1901, also mindestens seit 1876) an der schriftstellerischen Aufgabe gearbeitet hat, die deutsche Volksseele hinaus zu fremden Völkern zu führen, damit sie sich für den Gedanken begeistere, daß diese Seelen ebenso wie sie Gott dem Herrn gehören.«35

   Der Kern der vorstehenden Feststellungen ist schon seit November v. J., anläßlich meiner Vorträge über »Literarische Curiosa« im Allgemeinen und Hrn. M. im Besonderen, durch zahllose deutsche Blätter



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gegangen; sie fanden Zustimmung auf der ganzen Linie, auch in Zeitungen, die mir politisch und religiös schroff gegenüberstehen. Hr. M. selbst hat nicht geantwortet, man müßte denn einen Privatbrief von ihm als Antwort betrachten, der am 28. November 1901 in der Münchener Zeitung gedruckt wurde; hier heißt es: »Ich habe mir nicht das Mindeste vorzuwerfen. Die Angriffe sind keineswegs geeignet, auf meine Seelenruhe störend einzuwirken. Diese Gegenströmung trägt mir die Gebilde einer mir bisher unbekannten geistigen Atmosphäre zu, und ich  l a u s c h e  s c h w e i g e n d,  um ja nicht durch störende Einwürfe zu verscheuchen, was meine Menschenkenntniß zu bereichern hat«. Hr. M. »lauscht schweigend.«36 Mir schien es angebracht, zu reden. Vor Jahren, als ich den tapferen Kapitän Diaz de la Escosura zu kennen noch nicht die Ehre hatte, habe ich einmal die Parallele zwischen Hrn. K. M. alias [u]. und Hrn. Gabriel Jogand alias Leon Taxil alias Miß Diana Vaughan nur in ganz beschränktem Sinne acceptirt, übrigens aber abgelehnt. Heute sehe ich ein, daß die beiden Herren doch näher verwandt sind.


Hermann  C a r d a u n s.



1»Karl May als Erzieher« und »die Wahrheit über Karl May« oder die Gegner Karl May's in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser. Freiburg i. Br. F. E. Fehsenfeld. 1902. Preis 10 Pfg. 159 S. 8.
2Auf  D i e n s t a g  14. Jan. war dort mein Vortrag über Literarische Curiosa (Taxil, Graßmann, May) angekündigt. Pünktlich am  S o n n t a g  12. Januar erschien in der Elberfelder Zeitung ein Riesen-lnserat, welches mittheilte, »Karl May als Erzieher« sei »für 10 Pfennige von  M o n t a g  M i t t a g  an in den Buchhandlungen [u]. zu haben«.
3»Leo Taxil, Robert Graßmann und Karl May«. Feuilleton der Tremonia Nr. 474 vom 8. November.
4So geschehen in der Literar. Rundschau f. d. evangel. Deutschland (Beilage zur Kirchl. Correspondenz, Ulm) Nr. 1 Januar 1902 S. 8, wo eine May-Persiflage der Münchener Jugend mit der Ueberschrift »Der ultramontane Klassiker Karl May« ab gedruckt wird.
5Man müßte denn Gewicht auf eine Notiz in Nr. 42 des (Coblenzer) Rhein- und Mosel-Boten vom 20. Februar 1902 legen: »Wir haben persönlich aus dem Munde von Karl May's Schwester vernommen, er sei Katholik«. Dahinter wird ein Loblied abgedruckt, das der (protestantische) Pfarrer E. Bollow in Leubus in Nr. 1 Jahrg. 1898 des Evangelischen Gemeindeblattes ›Der Protestant‹ auf Karl May angestimmt hat; darin erscheint May als »überzeugter katholischer Christ« und »seltener Charakter in der Kirche Roms«. Auf S. 148 der Broschüre des »dankbaren May-Lesers« findet sich dasselbe Citat, aber mit Lücken: u. a. ist der »katholische Christ« durch einen einfachen »Christ« ersetzt, und das zweite Epitheton ist spurlos verschwunden! Offenbar gehört der »Dankbare« unter die Wissenden.
6Bedenkliche Glossen dazu macht P. Pöllmann in dem Aufsatz »Neuestes von Karl May«, Histor.-polit. Blätter, Band 127 (1901) S. 827.



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7Der »dankbare May-Leser« hat dies zum Ausgangspunkt einer längeren Phantasie (S. 31ff.) gemacht, deren Grundlage eine  B r i e f f ä l s c h u n g  massivster Art bildet. Eingehender Nachweis Köln. Volksztg. Nr. 73 vom 24. Januar 1902. Ganz dasselbe Märchen war in Nr. 14 der Elberfelder Zeitung vom 14. Jan. 1902 zu lesen, nur wird hier die Fälschung durch das Sätzchen  » K a r l  M a y  e r z ä h l t e  m i r «  eingeleitet. Seitdem hat der Adresssat der May'schen »Erzählung«  i n a  l l e r  F o r m  w i d e r r u f e n  (Elberf Ztg. Nr. 58. Zweites Blatt vom 27. Febr. 1902). Die nöthigen Schlüsse über K. May, seinen »dankbaren Leser« und das Verhältniß dieser beiden Herren können den Lesern überlassen bleiben.
8Brieflich ist mir eine Reihe bitterer Beschwerden über diese Wirkung von Jugendlehrern, namentlich von katholischen Geistlichen zugegangen. Georg Ruseler behandelt in Warnecke's Monatsblätter für deutsche Literatur VI (1901/02) S. 31 die »May'schen Räuberromane« als »eine Gefahr für unsere Jugend«. Die Deutsche Postzeitung (1902 Nr. 4) läßt diesen »Volksverderber« sogar »Jugendverwüstung« treiben, anscheinend ohne seine schlimmsten Leistungen zu kennen. Bei einer Gerichtsverhandlung in Freiburg i. Br. (20. Juli 1901) gegen zwei jugendliche Verbrecher betonte Medicinalrath Dr. Fritschi als Sachverständiger (nach dem Bericht der Frankf Ztg ) den »Einfluß ungeeigneter Lektüre, wie gewisser May'scher Bücher«. Auf das Schärfste beurtheilt »den phantasiereichsten aller Fabulisten« W. v. Heidenberg (Literar. Warte v. 1. Febr 1902 S. 305,310), der bereits auf die von mir vollzogene »Entlarvung« Bezug nimmt.
9Gesammelte Reise-Erzählungen 22, 612. Eine ähnliche Anspielung daß er  E r l e b t e s  berichte, ebenda 19, 562.
10Wer diese Schilderung »eines  b e s c h e i d e n e n,  durch seine Erfolge schwer niedergedrückten Schriftstellers« in ihrer ganzen Ueppigkeit auf sich wirken lassen will, versäume nicht, sich das Original zu verschaffen. Es wird ihm eine sehr vergnügte Viertelstunde bereiten. Auszüge in der Frankf. Zgt. vom 17. Juni 1899 und in der Köln. Volksztg. vom 5. Juli 1899.
11Aus »Im Land des Mahdi« citirt von Pöllmann, Histor. polit. Bl. Bd. 127 S. 825.
12Pfälzer Ztg. vom 16. Juni 1899.
13Dortmunder Tremonia vom 8. Nov. 1899.
14Pfälzer Ztg. vom 16. Juni 1899.
15Wiener Reichspost vom 17. April 1901.
16Frankf. Ztg. 17. Juni 1899.
17Eine Unzahl Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften verschiedener Richtung hat die May-Broschüre S. 146 zusammengestellt. An der Spitze prangt in Fettdruck eine anerkennende Besprechung der Köln. Volksztg.; von den  k r i t i s c h e n  Sätzen die vor einer Reihe von Jahren in demselben Blatt gestanden haben, hören wir nichts.
18Der Wanderer (St. Paul) Nr. 1580 vom 16. Febr. 1898
19Veremundus, Steht die katholische Bellestristik auf der Höhe der Zeit? S. 71.
20Einige Jahre später haben sich mehrere Blätter des dankbaren Stoffes in ihren Faschings-Nummern bemächtigt, so 1901 die Münchener Neuesten Nachrichten in einem »Indianer-Roman von K. M. Die blaue Schlange«. Am Schluß wird M. nach fürchterlichen Abenteuern von einem glorreich besiegten Indianerstamm zum Häuptling gewählt, antwortet jedoch: »Kinder, euer Antrag ehrt mich, aber der Verein für Volksverdummung in Deutschland hat mich engagirt, und ich muß in drei Wochen 20 neue Bände Reisebeschreibungen zur Vertrottelung der Leserwelt meines Vaterlandes abliefern«. Fastnacht 1902 persiflirte ihn das Aachener Echo der Gegenwart (9. Februar) in einem Feuilleton: »Ich in Aachen«.
2117. Juni 1899.
222. Juli.
235. Juli.
24Ein drolliger Brief vom 11. Juni erschien in der erwähnten Nummer der Frankf Ztg eine donnernde Philippica »Karl May und seine Gegner«, 14 Feuilletonspalten, in drei Nummern der Dortmunder Tremonia (26. Sept. ff. ).
25Der Wanderer (St. Paul) 1659 vom 23. August 1899.
26Eine ähnliche Anzeige stand im Leipziger Buchhändler-Börsenblatt.



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27Eine großentheils wörtlich übereinstimmende Erklärung Fischers vom gleichen Tage (Buchhändler-Börsenblatt Nr. 69) bezeichnet auch »die Liebe des Uhlanen« als von K. M. herrührend und fügt bei: »Hr. K. M. hat Hauptfiguren und ganze Handlungen aus den von ihm für meinen Verlag geschriebenen Werken ohne mein Wissen und Willen in den »bekannten« Reiseerzählungen verwendet«.
28Neuerdings erläßt A. Fischer noch eine Erklärung in F. E. Fischers (Leipzig) Mittheilungen für Colportage- [u]. Geschäfte (Nr. 3, März 1902): »Die Beschuldigung, daß der Gründer meiner Firma, der verstorbene Heinrich Münchmeyer, oder ich in Karl May's Werke meines Verlags die darin enthaltenen Liebesscenen [u]. hineingebracht hätte, weise ich energisch zurück. Ich bin geschäftlich zu sehr in Anspruch genommen, als daß ich alle Werke meines Verlages selbst lesen könnte, aber mein Redakteur und meine Correktoren versichern mir - und ich glaube ihnen dies - daß der ganze Gedankengang und die ganze Handlung in May's Werken aus meinem Verlage Form und Inhalt dieser Scenen bedingen, und daß sie Karl May in Radebeul selbst geschrieben hat und geschrieben haben muß«.
29Gedroht hat M. mit Proceß im Sommer 1897. Im März 1901 ließ er durch die Redaktion des Wahlzettels (Nr. 60) die Erklärung seines Rechtsanwalts bestätigen, daß er »das Gesetz angerufen habe«. In welchem Stadium sich dieser Rechtshandel jetzt befindet, ist mir unbekannt.
30Histor.-polit. Blätter. Erstes Juniheft 1901.
31Als Verfasser aller fünf Romane ist May genannt im Verlags-Katalog von H. G. Münchmeyer (ohne Jahr) S. 2, wo religiöse Bilder, Schauerromane, Patriotica u. s. w. in anmuthiger Mischung angepriesen werden. Ein Curiosum findet sich S. 9; hier werden hintereinander angezeigt ein »Auszug aus dem Großen Leben Christi von dem hochwürdigen Martino von Cochem«, der »Familientempel, Andachtsbuch für alle Christen« und »Doktor Martin Luthers Haus-Postille«. Zur Abwechslung hat dieser vielseitige Verlag auf dem Umschlag eines May'schen Colportage-Romanes auch einmal »Gold-, Silber- und Talmi-Waaren« angekündigt.
32Karl May als Erzieher S. 13 wird das sehr zart gemacht: »Er (May) fand nicht die Zeit den Druck mit dem Manuscript zu vergleichen. Man konnte ändern, ohne daß er es bemerkte«. S. 47 hören wir dann, »daß ein gewisser Fischer seine über zwanzig Jahre (!) alten Sachen in einem ganz ungeänderten Gewande als »Neuheiten« von ihm her ausgegeben habe«. Abgesehen von der Wiederholung dieser doppelten Insinuation drückt sich das Pamphlet an der heiklen Frage selbst vorbei - man müßte denn einen Wasserfall von hohlen Deklamationen für eine Antwort halten.
33Deutsche Herzen, Colportage-Ausgabe von 1885. S. 240.
34Ebenda 584.
35Genauere Angabe der betreffenden Stellen oben.
36Wie hübsch sein »dankbarer Leser« ihm das abgeguckt hat, mag man in Karl May als Erzieher S. 7 nachlesen: »Die Wahrheit kann niemals die Besiegte sein. Ihre beste und unwiderstehlichste Waffe ist das Schweigen« [u].


A n m e r k u n g  d e r  R e d a k t i o n


Der Nachdruck folgt den ›Historisch-politischen Blättern‹ auch in der Schreibweise »Old Shurehand« und »Uhlanen«. Die Anmerkungen wurden jedoch fortlaufend gezählt und wie im Jahrbuch üblich an den Schluß gestellt.


Eine Reihe der in diesem Artikel angeführten Zeitungsartikel sind in KMG Publikationen veröffentlicht worden:


in den Jahrbüchern der KMG:

1970:Material zur Klondyke-Geschichte
1974:Frankfurter Zeitung v. 3. 6., 7. 6., 9. 6., 17. 6.. 1. 7., 7. 7. 1899
Tremonia v. 27. 9., 28. 9. 29. 9. 1899
1982:Material zu den Reichspostbriefen



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in den Mitteilungen der KMG:

Nr. 18/1973: Pfälzer Zeitung v. 16. 6. 1899


in Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 10:

Bernhard Kosciuszko: Im Zentrum der May-Hetze. Die Kölnische Volkszeitung. Ubstadt 1985:

Bayerischer Courier v. 31. 5. 1899

Der Wanderer (St. Paul) v. 23. 8. 1899

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel v. 28. 1. 1901, 21. 2. 1902, 14. 7. 1902

Tremonia v. 8. 11. 1901

Franfurter Zeitung v. 9. 11., 12. 11. 1901; 4. 4., 27. 4. 1902

A. Pöllmann in Historisch-politische Blätter 11/1901

Elberfelder Zeitung v. 12. 1., 14. 1., 17. 1., 21. 1. 1902

Rhein- und Mosel-Bote v. 20. 2. 1902

Sämtliche Karl May betreffende Artikel der Kölnischen Volkszeitung




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