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HERMANN CARDAUNS


Die ›Rettung‹ des Herrn Karl May*



Es ist jetzt stark fünf Jahre her, seit ich in den Histor.-polit. Blättern (Band CXXIX S. 517ff.) »Herrn Karl May von der andern Seite« schilderte. Auf meine Ausführungen über den literarischen Wert der May'schen Romane, über Aufschneiderei und Reklame, May-Schwärmerei und Kritik bezw. äußerste Kritiklosigkeit komme ich hier nicht zurück. Ich sehe mich nur durch den zur »Rettung« des Herrn M. namentlich seit Herbst 1906 veranstalteten großen Feldzug veranlaßt, auf die  K e r n f r a g e,  nämlich auf die in den achtziger Jahren bei H. G. Münchmeyer in Dresden erschienenen  » S c h u n d r o m a n e «   nochmals zurückzukommen, nebst einigen Illustrationen zur Glaubwürdigkeit der von Mays »dankbaren Lesern« in die Welt gesetzten Behauptungen. Die ungeheure Polemik in Zeitungen und Flugschriften werde ich dabei nur gelegentlich berühren. Darüber ein ganzes Buch zu schreiben, wäre aufgrund des vor mir aufgestapelten Materials eine Kleinigkeit. Aber die öffentliche Meinung wird mehr profitieren, wenn ich diese - teilweise allerdings hochkomischen - Arabesken tunlichst beiseite lasse und mich in der Hauptsache auf unanfechtbares Quellenmaterial beschränke, d.h. auf  ö f f e n t l i c h e  E r k l ä r u n g e n  und  A k t e n.  Die May-Gemeinde - es gibt in ihr viele harmlose Menschen von rührender Kindlichkeit, für die ich kein böses Wort habe, aber auch Leute von ganz anderen Qualitäten - pflegt es allerdings genau umgekehrt zu machen: Ganz wie ihr Herr und Meister hat sie eine ausgesprochene Abneigung gegen die nackten Tatsachen, gegen den objektiven Sachverhalt mit lästigen Daten und unangreifbaren Feststellungen; eine ebenso ausgesprochene Vorliebe für die Phrase, für donnernde Rhetorik und sentimentales Geschwätz, für das Hell-Dunkel und das Herumfahren mit der Stange im Nebel - alles Gründe, die Sache nun erst recht auf festem Boden und im unerbittlichen hellen Tageslicht auszufechten.

   D i e  F r a g e  d e r  » S c h u n d r o m a n e «  b i s  z u m  J a h r e  1 9 0 2.  Ich habe Ende 1901 und Anfang 1902 zuerst in einigen Vorträgen und dann in den Histor.-polit. Blättern im einzelnen festgestellt, daß in den achtziger Jahren im Verlage von H. G. Münchmeyer (Dresden) fünf schmutzige, zum Teil geradezu scheußlich gemeine Romane Karl Mays




* Probleme bei der Darstellung von Zeichen in Frakturschrift wurden zunächst dadurch gelöst, daß sie fett und in [ ] gesetzt. Wenn also ein Buchstabe in [ ] und fett gesetzt ist, ist er als ein Fraktur-Zeichen zu lesen. Nicht fett gesetzte Zeichen in [ ] wurden vom jeweiligen Autor in die entsprechenden Klammern gesetzt; die Internet-Redaktion



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(einer mit seinem Namen, einer unter dem Pseudonym »Kapitän Ramon Diaz de la Escosura«, der Rest anonym, aber deutlich als geistiges Eigentum dieses exotischen Kapitäns gekennzeichnet) erschienen, genau zu derselben Zeit, wo er im »Deutschen Hausschatz« sexuell einwandfreie Romane, hie und da mit katholischer Färbung, obwohl Protestant, drucken ließ. Diese Feststellung ist  a b s o l u t  u n b e s t r i t t e n  geblieben. Im allgemeinen war die Tatsache schon früher behauptet worden, ohne daß Hr. May und seine Freunde sie zu bestreiten versuchten. Wohl aber hatte er ein über das anderemal versichert bezw. angedeutet, seine  O r i g i n a l m a n u s k r i p t e  seien vollständig reinlich gewesen. Böse Menschen - bald beschuldigt er den 1892 verstorbenen Münchmeyer, bald den (jetzt ebenfalls verstorbenen) Buchhändler Adalbert Fischer in Dresden, der 1899 das Geschäft Münchmeyers von dessen Witwe käuflich erwarb - hätten seine Romane »geändert« und »umgearbeitet«. Es handelte sich um einen höchst bedenklichen Kolportageverlag, eine Gesamtleistung von über einer halben Million Druckzeilen mit pornographischen Riesenkapiteln und unzähligen kleinen Schmutzereien, zusammen hunderte von Druckseiten unreinlichen und unreinlichsten Inhaltes. Fünf Jahre beanspruchte der Druck dieser fünf Romane. Der ahnungslose Hr. May aber »hatte keine Zeit, die Korrekturen oder gar die fertigen Werke wieder durchzusehen«; »nur durch Zufall« hat er den »heimlichen Mitarbeiter« Münchmeyer entdeckt und bis ins 20. Jahrhundert hinein gewartet, ehe er über die angebliche Schurkerei seines mittlerweile längst verstorbenen Verlegers das erste Wort in der Oeffentlichkeit sagte.

   Meine mündlichen und schriftlichen Ausführungen wurden damals, soweit ich übersehen konnte, in der Presse fast allgemein als richtig anerkannt. Hr. May antwortete zunächst überhaupt nicht, er zog es vor, »schweigend zu lauschen, um ja nicht durch störende Einwürfe zu verscheuchen, was meine Menschenkenntnis zu bereichern hat«. Ich erinnere mich nur noch, daß er in der Einleitung zu einem Romane seine literarischen Gegner höchst geschmackvoll mit Maden verglich, die sich untereinander auffressen, bis die letzte und fetteste zerplatzt. Aber als kriegserfahrener Indianerkämpfer schickte er einige seiner jungen Männer vor, um mir den Garaus zu machen. Wie diese es anstellten, um meinen Skalp zu erbeuten, und wie die Geschichte auslief, habe ich damals (Histor.-polit. Bl. S. 520) nur ganz kurz angedeutet. Hier einige Ergänzungen.

   P r o z e ß  i n  E l b e r f e l d.  Schon am 14. Jan. 1902 erschien in der »Elberf. Zeitung« (Nr. 14) ein Eingesandt, welches mir den Standpunkt klar machte und damit eine Räubergeschichte verband, die Hrn.



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May mit dem Verlag der »Kölnischen Volkszeitung« passiert sei. Der Einsender versicherte einleitend, diese »rührende Episode aus der Geschichte des literarischen Freibeutertums« habe ihm »Karl May erzählt«, und fügte nochmals ausdrücklich bei: »So erzählte Karl May. Er steht mir freundschaftlich nahe und ist ein Ehrenmann«. Der Verlag der Köln. Volksztg. antwortete sofort mit einer Beleidigungsklage, und am 27. Febr. 1902 (Elberf. Ztg. Nr. 58) erklärte derselbe Einsender mit Namensunterschrift, er »bedauere, das  O p f e r  e i n e r  T ä u s c h u n g  geworden zu sein« und nehme die Vorwürfe gegen mich und gegen den Verlag zurück; mit anderen Worten: Hr. May, der »Ehrenmann«, habe ihm Dinge gesagt, die nicht wahr seien. Damit war dieser Fall erledigt. Das Nähere findet sich in der »Köln. Volksztg.« Nr. 192 vom 12. März 1902.

   P r o z e ß  i n  F r e i b u r g  i .  B r .  Genau dasselbe Ergebnis hatte eine zweite Beleidigungsklage. Ebenfalls im Januar 1902 erschien bei Mays neuem Verleger F .  E .  F e h s e n f e l d  zu Freiburg i. Br. eine umfangreiche Broschüre: »Karl May als Erzieher« und »die Wahrheit über Karl May« oder die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte, von einem dankbaren Mayleser - handgreiflich entweder von M. selbst geschrieben oder von ihm inspiriert und mit Material versehen. Er hat das Zeug in 100,000 Exemplaren drucken lassen. Da die Flugschrift neben anderen schönen Dingen auch die erwähnte Räubergeschichte enthielt, wies der Kölner Verlag zunächst in eingehender Darlegung (Köln. Volksztg. Nr. 73 vom 24. Jan. 1902) nach, daß die Grundlage der Geschichte eine  m a s s i v e  B r i e f f ä l s c h u n g  sei und erhob gegen Hrn. Fehsenfeld als Verleger der Broschüre Klage, die am 24. Juni 1902 vor dem Freiburger Schöffengerichte zur Verhandlung gelangte. Das Ende vom Liede war ein glatter  W i d e r r u f  des Hrn. Fehsenfeld, in dem es heißt: »Ich erkenne an, daß die Geschäftsbeziehungen zwischen Karl May und den Privatklägern (Verlag der Köln. Volkszeitung) in der Broschüre Karl May als Erzieher [u].  u n r i c ht i g  d a r g e s t e l l t  sind und ich nehme die in der Broschüre enthaltenen Beleidigungen gegen die Privatkläger mit dem Ausdrucke des Bedauerns zurück«. Das Vergleichsprotokoll wurde in fünf Blättern auf Kosten des Beklagten veröffentlicht, der auch die Kosten der Privatklage, einschließlich der Anwaltskosten, trug. Es war für Hrn. Fehsenfeld eine teuere Geschichte - er mag sich bei dem »dankbaren Mayleser« bedanken, der ihm diese Suppe eingebrockt hat.

   P r o z e ß  i n  F r i e d b e r g  (Hessen). Ein dritter Prozeß - diesmal war M. Kläger - spielte im Jahre 1904. In der Broschüre des Hrn. Max Dittrich, eines begeisterten Maylesers (Karl May und seine Schriften.



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Eine literarisch-psychologische Studie für Mayfreunde und Mayfeinde. Dresden 1904.) wird als Ausgangspunkt der Klage folgende Notiz einer Jugendzeitschrift zitiert:

   Dem bekannten Schriftsteller Karl May wurde vor ein paar Jahren öffentlich nachgewiesen: 1) daß seine angeblich selbst erlebten Taten und Abenteuer pure Erfindung seien; 2) daß er nicht, wie man vielfach glaubte, Katholik, sondern Protestant sei; 3) daß er nicht bloß Beiträge in katholische Zeitschriften liefere, sondern auch  u n s i t t l i c h e  S c h r i f t e n  verfaßt und unter anderem Namen veröffentlicht habe. Auf diese gegen ihn öffentlich erhobenen Angriffe zeigten sich bei ihm Irrsinnserscheinungen - ob wirkliche oder nur verstellte, ist nicht näher bekannt geworden - und wurde er daraufhin tatsächlich in eine  I r r e n a n s t a l t  gebracht.

   Gegen Ende des gleichen Jahres ergriff Hr. May in dieser Angelegenheit selbst das Wort. Im November 1904 war ihm Prof. Dr.  S c h u m a n n,  Redakteur des künstlerischen und wissenschaftlichen Teiles des »Dresd. Anzeigers«, scharf zu Leibe gerückt, wobei er sich anerkennend auf meine Feststellungen in den »Histor.-polit. Bl.« bezog ( »Dresd. Anzg.« Nr. 315 v. 13. Nov.). M. antwortete (»Dresdener Nachrichten« Nr. 322 vom 20. Nov.) in einem sehr gereizten offenen Brief. Hier heißt es:

   Sonderbarer Weise empfehlen Sie, der protestantische Redakteur, die wüsten May-Hetzereien Ihres ultramontanen Antipoden Cardas [Schreib- oder Druckfehler statt Cardauns]. Max Dittrich gibt den Wortlaut jener Beleidigungen, auf welche ich Strafantrag gestellt habe. . . . Als sogenannter Zeuge stand ihnen [den Beklagten] zur Seite Ihr Hr. Dr. Cardas, der berühmte Hetzer gegen May. Ich reiste hin, um den Gerichtsverhandlungen beizuwohnen, und das hatte man nicht erwartet. . . . Sie [die drei Beklagten] widerriefen, bedauerten den Vorfall und unterschrieben alles, was ich von ihnen verlangte. . . . Man will nicht länger dulden, daß ein hyperultramontaner Redaktionspapst1 sich einbilde, der Herr und Meister der ganzen katholischen Kirchen- und Laienschaft zu sein.

   Hübsch gesagt! Nur fehlt die Hauptsache, nämlich:  W e s h a l b  hat Hr. M. geklagt und  w a s  ist widerrufen worden? In seiner Antwort (Dresd. Anzg. Nr. 329 vom 27. Nov.) wies Prof. Schumann den Appell M.s an die konfessionellen Leidenschaften in vornehmer Weise zurück und zitierte aus einer von mir erbetenen Aufklärung folgende Sätze:

   Von dem Ausgang des in Friedberg (Hessen) spielenden Prozesses ist mir nichts bekannt; Zeuge bin ich in demselben nie gewesen [ich hatte mich, als der Rechtsvertreter des Beklagten sich an mich wendete, als Zeuge zur Verfügung gestellt]. Soviel mir bekannt, hatte May die  K l a g e  a u f  d i e  B e h a u p t u n g  b e s c h r ä n k t,  er sei im  I r r e n h a u s  gewesen, worüber ich nichts sagen konnte. Wäre ich als Zeuge über seine  K o l p o r t a g e - R o m a n e  vernommen worden, so hätte ich um so mehr gesagt.



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   Erst nachträglich bin ich in den Besitz des Materials gekommen, welches diese Sätze bestätigt. Beklagte waren der Redakteur P. und der Verleger A. der Jugendzeitschrift und der Verfasser B. der inkriminierten Notiz. Vor mir liegt die gegen den Redakteur P. gerichtete Klageschrift, datiert 11. Mai 1904. Der Rechtsvertreter des Hrn. May  z i t i e r t  darin den  g a n z e n  oben wiedergegebenen Passus, stellt aber  S t r a f a n t r a g  (»eine angemessene hohe Freiheitsstrafe«) nur wegen des Irrenhaussatzes und wegen eines weiteren gleichgültigen Satzes: »Es ist schade für jede Minute, die Sie für  d i e s e n  Mann (May) verwenden«. Bezüglich der ersten drei Punkte (darunter der Vorwurf wegen »unsittlicher Schriften«) heißt es kostbarer Weise:

   Hierin offenbart sich die Absicht, den Privatkläger sittlich herabzuwürdigen. Allein der Privatkläger erachtet seinen Ruf als Schriftsteller und Mensch derart begründet, daß er getreu seinem Grundsatze auf Erzeugnisse der Zeitungspresse nichts erwidert, so objektiv unwahr auch die nur bezeichneten Behauptungen sind. Die Erwiderung ist für den, der sie sucht, in seinen Schriften enthalten. Der Privatkläger will sich daher nur vorbehalten, in einem weiteren gerichtlichen Verfahren auch die gerichtliche Bestrafung wegen der in den nur aufgeführten Behauptungen enthaltenen schweren Beleidungen zu verlangen, sofern ihn hierzu doch ausnahmsweise noch das besondere Verhalten des Privatklägers bestimmen sollte.

   Wie man sieht, ist in dieser wunderlichen Klageschrift  d e r  H a u p t p u n k t  s o r g f ä l t i g  a u s g e s c h i e d e n.  Der Widerruf der Redaktion und des Verlags war denn auch allgemein gehalten, der Verfasser aber beschränkte sich ganz korrekt auf die Zurücknahme der »Notiz über Krankheitserscheinungen des Schriftstellers Karl May«. Von dem »den Privatkläger sittlich herabwürdigenden« Vorwurf wegen »unsittlicher Schriften« ist in keiner dieser Erklärungen die Rede! Veröffentlicht hat Hr. M. die Erklärungen meines Wissens  n i c h t,  sie sind mir erst nachträglich auf anderem Wege bekannt geworden. Auch wurde mir mitgeteilt, K. May habe auf die Veröffentlichung jeglicher Erklärung  v e r z i c h t e t.  Soviel steht absolut fest: Ueber die Frage der  » u n s i t t l i c h e n  R o m a n e «  hat die Friedberger Beleidigungsklage des Hrn. M.  n i c h t  d a s  m i n d e s t e  ergeben.

   D e r  R e t t u n g s f e l d z u g.  Das soll jetzt anders geworden sein. Vor mir liegen verschiedene, namentlich süddeutsche Blätter, in denen mit größter Bestimmtheit behauptet wird, Hr. M. habe in einem großen Prozeß gegen die Witwe Münchmeyer glänzend obgesiegt und sei vollkommen gerechtfertigt. Gelegentlich werde ich mit einigen Lob-



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sprüchen bedacht, aber der Kern bleibt: Ich sei bei meinem Auftreten gegen M. hereingefallen, und auch die Mahnung an die Pflicht des Widerrufs, sowie grobe Beschimpfung fehlt nicht. Hier einige Proben.

   Die Führung übernahm, soweit ich sehe, Herr Heinrich Wagner, Chefredakteur der Passauer Donauzeitung. Er hielt zunächst einen Vortrag. Dann folgten, im Anschluß an denselben, nicht weniger als 12 Artikel in der Donauzeitung (Nr. 314ff. vom 23. Nov. 1906 ab). Endlich ist diese Artikelserie auch als Broschüre erschienen: Karl May und seine Werke. Eine kritische Studie von Heinrich Wagner. Passau 1907. »Sie zeigt«, heißt es in der anonymen Reklame-Notiz einer Monatsschrift, die in demselben Verlag wie die Broschüre erscheint, »wie das Schaffen Mays einzig und allein dem Studium der Menschenseele gilt. Gleichzeitig führt Verfasser den Nachweis, wie unbegründet die Angriffe gegen Karl May in der Richtung sind, daß er gleichzeitig sittlich reine und sittlich verwerfliche Romane geschrieben haben soll. Die Unschuld Mays wird in überzeugender Weise nachgewiesen«.

   Hr. Wagner hat die Güte, zu erklären (Donauztg. Nr. 321, Broschüre S. 20), ich sei »einseitig informiert worden«; sonst hätte ich bei meinem »ausgeprägten Gerechtigkeitsgefühl« mich »niemals zu einem derartigen Vorgehen [gegen May] verstanden«. Leider vermisse ich für die Einseitigkeit meiner »Informationen« jeden Beweis. Hr. Wagner wiederholt einfach Mays bekannte Behauptungen: Adalbert Fischer [Münchmeyers Nachfolger] habe Mays Werke »furchtbar verändert und mit durchaus nicht einwandfreien Abbildungen versehen«, herausgegeben. »May hat weder von Münchmeyer noch von Fischer jemals eine Korrektur in die Hand bekommen und also nie Gelegenheit gehabt, den Inhalt mit seinen Manuskripten vergleichen zu können. Es wurden ihm nicht einmal die regelmäßigen Pflichtexemplare geliefert. Er konnte also die fertigen Romane nicht lesen und hätte dazu auch keine Zeit gehabt« (Nr. 322 Broschüre S. 26). Ich wiederhole meine Feststellung, daß sich die furchtbarsten Unsittlichkeiten schon in den Münchmeyer'schen Ausgaben finden, in den achtziger Jahren, lange bevor Fischer das Münchmeyer'sche Geschäft übernahm. Zwischen dem Erscheinen dieser Schändlichkeiten und der ersten Erklärung, in welcher May die Verantwortung für dieselben ablehnt, liegen 14 bis 19 Jahre, denn das infame ›Waldröschen‹ erschien 1882, ›Der Weg zum Glück‹ 1887, Mays erste mir bekannte Erklärung 1901 (vergl. meine genauen Angaben »Histor.-polit. Bl. CXXIX, S. 533ff.). Ferner beruft sich Hr. Wagner (Donanztg. Nr. 324, Broschüre S. 30) auf eine notarielle Erklärung Adalbert Fischers vom Februar 1903: »Sofern in den bei Münchmeyer erschienenen Schriften des Hrn. K. May etwas Unsittli-



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ches enthalten sein sollte, stammt das nicht aus der Feder des Hrn. K. M., sondern ist von dritter Seite früher hineingetragen worden«. Quellenangabe fehlt. Darüber später. Endlich versichert Hr. Wagner (Donauztg. Nr. 322, Broschüre S. 28): »May übergab die Angelegenheit dem Richter und bereits in zwei Instanzen hat May seinen Prozeß gewonnen; in der dritten Instanz, welche seine Gegener angerufen haben, muß das Urteil erst noch gefällt werden«.

   Um dieselbe Zeit teilte Hr. Lorenz Krapp (Liter. Beil. zur Augsburger Postzeitung Nr. 52 vom 27. November 1906) mit: »May strengte einen Prozeß an, der mit einem Vergleich endete, in dem anerkannt wurde, daß die betr. [unsittlichen] Stellen nachträgliche Interpolationen des Verlegers seien.«2 Hr. Krapp hat dem »Problem May« allein in der Augsb. Postztg. zwei Artikel (Nr. 52 und 54) gewidmet und dann noch Hrn. Dr. Ettlinger, der (ebenda Nr. 57) über »die neue Reklamekampagne« ein verständiges Wort sagte, eine lange Replik gewidmet. Einige Monate später erzählte das Straubinger Tageblatt (Nr.33 vom 9. Februar 1907): »Karl May hat seinen Prozeß gegen die Münchmeyer [die Witwe des längst verstorbenen Verlegers Münchmeyer] nunmehr auch in dritter und letzter Instanz vor dem Reichsgericht gewonnen. Sein Sieg ist vollständig und bedingungslos.« Folgt, ohne Namensnennung, ein handgreiflich gegen mich gerichteter Ausfall und am Schluß die Einladung: »Jetzt, nachdem Karl May in allen Instanzen so glänzend gerechtfertigt worden ist, ist das, was man von seinen bisherigen Gegnern erwartet, wohl selbstverständlich!«

   Genau derselbe Artikel stand im »Bayer. Kurier« (Beil. vom 10. und 11. Februar 1907). Nach diesem wurde er im »Radebeuler Tageblatt« (Beil. zu Nr. 41 v. 17. Febr. 1907. Radebeul ist Wohnort des Hr. May) abgedruckt, aber mit einem bemerkenswerten Zusatz:

   Leider sind die Früchte derartiger Rechtssiege nicht so schnell und mühelos zu ernten, wie der Laie denkt. Karl May hat die Wahrheit aller seiner Behauptungen bewiesen und den Prozeß auf der ganzen Linie gewonnen; aber der Vollzug dieses Urteils erfordert besondere Anträge. Die frühere Besitzerin der Schundromanfabrik (also die Witwe Münchmeyer) weigert sich, Rechnung zu legen und die Mayschen Original-Manuskripte herauszugeben, wodurch die Unterschlagungen und Fälschungen in ihrem ganzen, ungeheuren Umfange an das Licht des Tages kämen. Und dem jetzigen Besitzer, Hr. Adalbert Fischer, fällt es nicht ein, sich freiwillig zu fügen und aus reiner Achtung vor dem Gesetze mit der Herstellung des abgrundtief unsittlichen und gemeinschädlichen Schundes innezuhalten. Er hat vielmehr, wohl infolge des Mayschen Sieges die Produktion auf das höchste angespannt und kann nur auf dem Wege besonderer Urteile gezwungen werden, sich dem richterlichen Spruch zu fügen.



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   Hr. Karl Küchler (Germania Nr. 101 u. 102, Erstes Blatt vom 3. u. 4. Mai 1907) widmete der Mayfrage manche vernünftige Bemerkung, so über den Versuch der Verehrer Mays, »hinterher einen tiefen symbolischen Sinn in seine sämtlichen Bücher zu legen und das Ganze gewissermaßen als ein geschlossenes Lebenswerk zu betrachten« - ein Gebiet, auf dem die Schwärmerei förmliche Orgien gefeiert hat. Aber »persönlich« hielt Hr. Küchler May »für rehabilitiert«:

   K. M. hat vom ersten Augenblick an erklärt, er habe einwandfreie Manuskripte geliefert, die von den Verlegern gegen seinen Willen und ohne sein Wissen durch fremde Beihilfe um den inkriminierten Schmutz vermehrt worden seien. Mit Recht hielt man so etwas für unerhört und schwer glaublich. Aber die Gerichtsverhandlungen haben K. M. doch schließlich Recht gegeben. Es ist nicht nur Pflicht und Schuldigkeit, sondern Ehrensache, nun auch öffentlich festzustellen, daß der Nachweis von der Unschuld K. M.s als gelungen zu betrachten ist.

   Sogar das amerikanische Blatt, das 1899 zuerst von »Schundromanen« K. M.s schrieb und später von meiner »vernichtenden Beurteilung K. M.s in den Histor.-polit. Bl.« Notiz nahm, hat das Urteil Küchlers wiederholt und Hrn. M. Abbitte geleistet (Der Wanderer, St. Paul, Nr. 2066 v. 20. Juni 1907).3

   K r i t i k  d e r  R e t t u n g s a k t i o n.  Kritisch veranlagten Lesern werden sich bei der Lektüre dieser Behauptungen, denen zum Beweis so ziemlich alles fehlt, sofort einige nüchterne Fragen aufgedrängt haben: Um was hat es sich denn eigentlich bei diesen gerichtlichen Auseinandersetzungen gehandelt? Wie verhält sich der Prozeß erster, zweiter und dritter Instanz zu dem von der »Augsb. Postztg.« erwähnten Vergleich, der doch vor der letztinstanzlichen Prozeßentscheidung liegen muß? Wer schloß den Vergleich, worüber hat man sich verglichen und gegen wen war der schließlich bis zum Reichsgericht getriebene Prozeß gerichtet? Was war Gegenstand der Klage und vor allem: was  i s t  g e r i c h t l i c h  f e s t g e s t e l l t  worden? Hat das Gericht als bewiesen anerkannt, daß May an den Unsittlichkeiten schuldlos sei, oder hat es bloß über Verlagsrechte, pekuniäre Differenzen usw. entschieden? Der identische Artikel des »Straub. Tagebl.« und des »Bayer. Kurier« erklärt: »Wir haben schon in einem Artikel kurz Bezug genommen, um was es sich in diesem Prozeß handelt«. Möglich! Auch anderswo sind Andeutungen gegeben worden. So lese ich in Nr. 47 der »Dresdener Sachsenstimme« vom 18. Dezember 1904, in dem Prozeß Mays gegen die Witwe Münchmeyers handle es sich um  » H o n o r a r a n s p r ü c h e «  Mays. Der einfachste Weg, zur Klarheit zu kommen, war wieder das Zurückgreifen auf  ö f f e n t l i c h e  E r k l ä r u n g e n  und auf die  A k t e n.



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   An die Spitze stelle ich eine  E r k l ä r u n g  K.  M a y s  selbst. Am 22. Februar 1905 schrieb er mir einen 19 Seiten langen Privatbrief, den er seltsamer Weise mit anderem Datum (1. März) als »offenen Brief« drucken ließ.4 Er behandelt darin den »hyperultramontanen Redaktionspapst« und »berühmten Hetzer« (so die mir beigelegten Epitheta in seinem oben erwähnten offenen Brief vom 20. Nov. 1904) mit ausgezeichneter Höflichkeit. Hier heißt es:

   Ich führe meinen nun dreijährigen Prozeß gegen die Dresdener Kolportagefirma H. G. Münchmeyer, sowohl gegen die frühere Inhaberin [Witwe Münchmeyer] als auch gegen den jetztigen Besitzer [Adalbert Fischer]. . . . Es handelt sich um diejenigen »Romane«, welche Sie als »abgrundtief unsittlich« gebrandmarkt haben. . . . Die Firma Münchmeyer hat mir erklärt, daß sie diese »Unsittlichkeiten« für unzertrennlich von diesen Romanen halte und mit ihnen soviel Geld als möglich verdienen wolle. Ich kann dies jederzeit durch unanfechtbare briefliche Dokumente beweisen. . . . Um diese Ausnutzung der Unsittlichkeiten endlos fortsetzen zu können, behauptet man, daß ich auf alle Urheber- und Verlagsrechte verzichtet habe, wobei sogar das Recht der beliebigen Veränderung, Umarbeitung usw. mit inbegriffen sei. Ich hingegen prozessiere, um diese mir gewaltsam vorenthaltenen Rechte gerichtlich bestätigen und die  R o m a n e  d a n n  s o f o r t  u n d  f ü r  i m m e r  v e r s c h w i n d e n  z u  l a s s e n. . . . Ob ich sie damals genau so geschrieben habe, wie sie jetzt gedruckt werden, ob man berechtigt ist, die Unsittlichkeiten gar noch zu illustrieren usw., das sind Fragen, die darum erst an zweiter Stelle zu stehen haben, obgleich sie mich nicht weniger berühren. . . . Wenn der jetzige Besitzer der Kolportagefabrik von H. G. Münchmeyer [Adalbert Fischer] auch zehn- und hundertmal öffentlich erklärt, daß die schlechten Stellen nicht von mir stammen, sondern von anderer Hand hineingetragen seien, so geschieht das nicht etwa zu meiner »Ehrenrettung«, es wird vielmehr durch diese höchst pfiffige Reklame ganz besonders auf die Schlüpfrigkeit dieser Werke aufmerksam gemacht. . . . Ich habe mich also  g e g e n  a l l e  d e r a r t i g e n  » S i t t e n z e u g n i s s e «  des Herausgebers solcher Werke auf das energischste zu verwahren. Es soll nicht wieder von ihm und mir geschrieben werden:  » S i e  v e r t r a g e n  s i c h !«

   Weiter teilte mir Hr. May mit: »Ich werde  s e h r  w a h r s c h e i n l i c h  nächstens veranlaßt werden, Ihnen Gelegenheit zu geben, sich vor Gericht hierüber [über »den Fortbestand der ge- resp. erwerbsmäßigen Unsittlichkeit«] auszusprechen. . . . Ich bitte Sie hiermit um Erlaubnis, Sie in dieser Angelegenheit als Kenner, Sachverständigen und Zeugen angeben zu können. . . . Ich werde  s e h r  w a h r s c h e i n l i c h,  wenn Sie in Köln vernommen werden, mich beim Verhör einfinden, bitte Sie aber schon jetzt, vollständig überzeugt zu sein, daß Sie einer guten Sache um so mehr dienen werden, je weniger nachsichtig Sie mit diesen Münchmeyer'schen Romanen verfahren. In höflichster Hochachtung [u]

   Es blieb bei dem »sehr wahrscheinlich«. Selbstverständlich wäre ich bereit gewesen, Hrn. M. »vor Gericht als Kenner, Sachverständiger und Zeuge« zu dienen. Da meine »Erlaubnis« für meine Ladung als



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Zeuge oder Sachverständiger vollkommen überflüssig war, habe ich Hrn. May, übrigens auch aus anderen Gründen, nicht geantwortet. Natürlich hätte Hr. M. mich jeden Tag laden lassen können, aber er tat es nicht - weshalb, das ich seine Sache.

   Wichtiger, als die allerdings bedauerliche Ausschaltung des »Kenners, Sachverständigen und Zeugen« Cardauns ist natürlich, was Hr. M. in diesem liebenswürdigen Schreiben über seinen  P r o z e ß  sagt. Er prozessiert sowohl gegen die Witwe Münchmeyer als gegen Adalbert Fischer. Die Frage, ob er unsittliche Romane geschrieben habe, steht ihm erst an »zweiter Stelle«, wenn sie ihn auch »nicht weniger berührt«. Allerdings, und viele werden der Ansicht sein, für Hrn. Mays Ehre sei sie noch wichtiger als das Verschwinden der unsittlichen Werke aus dem Buchhandel. Aber Hr. May »verwahrt sich auf das energischste gegen alle Sittenzeugnisse des Hrn. Fischer«, auf daß »nicht wieder geschrieben werde: Sie vertragen sich!«

   Denn - sie  h a t t e n  sich vertragen. Wann und wie, war bisher dunkel. Nirgendwo wurde meines Wissens der Vertrag bekannt gegeben. Es lagen nur Erklärungen der beiden vertragschließenden Mächte vor, aus denen sich nicht viel entnehmen ließ. Ein vom 18. November 1904 datierter offener Brief  M a y s  an seinen Gegner Prof. Schumann (Dresd. Nachrichten Nr. 322 v. 20. Nov.) besagt:

   Kurze Zeit, nachdem ich diesen Prozeß [gegen die Firma Münchmeyer] anhängig gemacht hatte, bat der jetzige Besitzer der Firma [Adalbert Fischer] um eine Vergleichsverhandlung. Wir trafen uns, unter vier Augen, und er benutzte diese Abwesenheit von Zeugen, mich zu dem gewünschten Vergleich durch die Drohung zu zwingen [u] . . . Ich ging natürlich trotz dieser Drohungen gegen die Firma vor. . . . Jetzt ist der Prozeß in erster Instanz für mich entschieden. . . .

   Drei Tage später (Dresd. Nachr. Nr.325 v. 23. Nov.) erklärte an derselben Stelle  » A d a l b e r t  F i s c h e r,  alleiniger Inhaber der Firma H. G. Münchmeyer«:

   In Nr. 322 drucken Sie eine Erklärung des Schriftstellers K. M. ab, welche, soweit meine Person und meine Firma in Frage kommen, wesentliche Irrtümer und mindestens falsche Auffassungen von Aeußerungen und Gesprächen enthält, die besonders von Uneingeweihten als unedle Handlungen meinerseits aufgefaßt werden müssen. Ich stehe allen Angriffen gegen K. M. fern und habe gewichtige und menschliche Gründe, mich an dem »Kaputmachen« K. M.s nicht zu beteiligen. Dies verbietet mir allein schon ein Vergleichsvertrag mit K. M., der auf dessen speziellen Wunsch beiden Teilen Wahrung der persönlichen, schriftstellerischen und buchhändlerischen Ehre auferlegt. . . . Betont sei hier noch, daß K. M. nicht gegen mich und meine Firma Prozeß führt, sondern gegen meine Vorbesitzerin, Frau Pauline, verw. Münchmeyer.



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   Zunächst interessiert mich hier nur die Frage: Wurde ein Vergleich geschlossen und  w a s  s t e h t  d a r i n?  Hr. May sagt zuerst, Fischer habe die Abwesenheit von Zeugen benutzt, um ihn durch Drohungen »zu dem gewünschten Vergleichsvertrag zu zwingen«; dann aber, er sei »natürlich trotz dieser Drohungen gegen die Firma vorgegangen«. Darnach könnte es scheinen, als sei der Vergleich gescheitert. Dann erklärt Hr. Fischer ganz bestimmt, der Vergleich sei geschlossen worden und betont, May führe nicht gegen ihn, sondern nur gegen die Vorbesitzerin, Frau Münchmeyer, Prozeß, und drei Monate später (vgl. oben sein Schreiben an mich v. 22. Febr. 1905) versichert Hr. May wieder in aller Form, er prozessiere auch gegen Fischer. Aufklärung geben die Akten, nämlich 1) der Vergleich zwischen K. M. und Adalbert Fischer vom 11. Februar 1903 und 2) das erstinstanzliche  T e i lurteil im Prozeß May - Münchmeyer, verkündet am 26. September 1904.

   D e r  V e r g l e i c h  M a y  -  F i s c h e r.  Wie ich s. Z. (Histor.-polit. Bl. a.a.O. S. 529) feststellte, hat K. M. schon am 19. März 1901 öffentlich erklärt: »Ich bin gegen die genannte Firma [H. G. Münchmeyer] gerichtlich vorgegangen«. Sofort antwortete A. Fischer, der damalige Inhaber der Firma: »Von einem gerichtlichen Vorgehen gegen mich ist mir bis zu dieser Stunde leider noch nichts bekannt, obgleich ich seit zwei Jahren Hrn. K. M. fortgesetzt aufgefordert habe, seine diesbezüglichen Drohungen wahr zu machen«. Der Prozeß May gegen Fischer spielte in der Hauptsache 1902/03, die Anfänge mögen noch weiter zurückreichen. Forum war das Kgl. Landgericht zu Dresden. Es war ein  Z i v i l prozeß mit sich daran anschließendem Verfahren wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, in dem es sich um  a n g e b l i c h e  V e r l e t z u n g  d e r  U r h e b e r r e c h t e  des Klägers [May] an seinen im Verlage der Firma H. G. Münchmeyer erschienenen Werken handelte. In diesem Prozeß wurde die Vorbesitzerin der Firma, Witwe Münchmeyer, durch Urteil vom 24. September als Neben-Intervenientin zugelassen. Dann aber kam eine überraschende Wendung: Der Prozeß May contra Fischer wurde am 4. Mai 1903 durch einen  V e r g l e i c h  erledigt, wonach der Kläger  d i e  K l a g e  z u r ü c k z o g,  die gerichtlichen Kosten geteilt und die außergerichtlichen aufgehoben, im übrigen aber die in einem von den Parteien in Bezug genommenen  n o t a r i e l l e n  P r o t o k o l l  vom 11. Februar 1903 enthaltenen Festsetzungen aufrecht erhalten wurden.

   Auf grund dieses Notariatsprotokolls veröffentlichten die Vergleichsparteien in mehreren Blättern folgende Erklärungen:



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   a) Ich, Karl May, erkläre hiermit, daß Hr. Verlags-Buchhändler Adalbert Fischer bei Ankauf der Firma H. G. Münchmeyer nach Wortlaut des ihm vorgelegten Kaufvertrags annehmen mußte,  a l l e  R e c h t e  an meinen bei dieser Firma erschienenen Werken  m i t e r w o r b e n  zu haben.

   b) Ich, Ad. Fischer, erkläre hiermit:  D a f e r n  in den bei H. G. Münchmeyer erschienenen Schriften des Hrn. Karl May  e t w a s  U n s i t t l i c h e s  enthalten sein sollte, stammt das nicht aus der Feder des Hrn. Karl May, sondern  i s t  v o n  d r i t t e r  S e i t e  f r ü h e r  h i n e i n g e t r a g e n  worden. [Also wörtlich wie Hr. Wagner in der Donauztg. Vgl. oben.]

   Infolge dieser Erklärung unter b)  z i e h t  H r .  K a r l  M a y  s e i n e n  P r o z e ß  g e g e n  H r n .  A d a l b e r t  F i s c h e r  f r e i w i l l i g  z u r ü c k.

   P. Ansgar Pöllmann (Rückständigkeiten, Ravensburg 1906, S. 147. Vgl. auch L. Schulmann im Hammer Schulfreund, Juli 1907, S. 454) fand diesen Kompromiß »drollig« und meinte: »Wem jetzt noch nicht die Augen aufgehen, dem ist nicht mehr zu helfen.« Hr. Pöllmann war auf dem richtigen Wege, aber »geholfen« haben diese Erklärungen gar nichts - sie scheinen in weiteren Kreisen nicht einmal bekannt geworden zu sein - und zudem enthielten sie nur einen  T e i l  des Notariatsprotokolls. Die Hauptsache ist ein Artikel, laut welchem K. M. die  f ü n f  w ü s t e n  R o m a n e  sowie einige andere Schriften Hrn. Fischer  z u r  f r e i e n  V e r f ü g u n g  o h n e  a l l e   E i n s c h r ä n k u n g e n  m i t  a l l e n   U r h e b e r -  u n d  s o n s t i g e n  R e c h t e n  ü b e r l ä ß t  und Gewähr dafür übernimmt, daß an diese Werke von keiner Seite Ansprüche irgend welcher Art erhoben werden. Nach einem weiteren Artikel hat Fischer bei Neuauflagen auf seine Kosten aus diesen Werken  d i e  s e i n e r  U e b e r z e u g u n g  n a c h  e t w a  a n s t ö ß i g e n  S t e l l e n  zu entfernen und ebenso dergleichen Illustrationen zu vermeiden.

   Es ist schwer, über diesen Vergleich keine Satire zu schreiben. Man stelle sich einmal vor: Zwei Prozeßgegner, die bereits vor Beginn des Rechtsstreites die peinlichsten öffentlichen Erörterungen gehabt haben, bezeugen sich nicht bloß einander ihre große Hochachtung und verpflichten sich für die Zukunft zur Schonung ihrer »persönlichen, buchhändlerischen oder schriftstellerischen Ehre«, sondern schließen auch einen Pakt über die Rechte an einem Berg schmutziger Romane! Hr. M.  v e r p f l i c h t e t  Hrn. F. bei Neuauflagen nicht etwa zur Purifizierung, sondern Hr. F. hat nur »die  s e i n e r  U e b e r z e u g u n g  n a c h  etwa anstößigen Stellen zu entfernen«; wenn aber Hr. F.  n i c h t  zu einer solchen »Ueberzeugung« kommt, so läßt er »die etwa anstößigen Stellen« munter von Neuem drucken! Und derselbe Hr. M., der so was am 11. Februar 1903 unterschreibt, versichert mir am 22. Februar 1905 (vgl. oben) und läßt es zum Ueberfluß noch drucken: Er prozes-



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siere, um sich seine ihm »gewaltsam vorenthaltenen Rechte [an den angeblich von Münchmeyer zu unsittlichen Zwecken verfälschten Romanen] gerichtlich bestätigen und die Romane dann sofort und für immer  v e r s c h w i n d e n  zu lassen.«  D i e s e l b e n  Romane, die er zwei Jahre vorher mit einer lächerlichen Klausel behufs »Wahrung seines Gesichtes« dem bösen Fischer »zur freien Verfügung überläßt!« Und wieder zwei Jahre später klagt das am Wohnort Mays erscheinende Radebeuler Tageblatt (vgl. oben) jämmerlich, Fischer fahre »mit der Herstellung des abgrundtief unsittlichen und gemeinschädlichen Schundes fort«. Ja, wenn das richtig ist, was hat Fischer denn anders getan, als was ihm Hr. May im Notariatsprotokoll gestattet hatte? Seine »Ueberzeugung« war eben danach. Er mag »abgrundtief unsittlich« gehandelt haben - ich weiß es nicht, da ich den in den letzten Jahren gedruckten »gemeinschädlichen Schund« nicht kenne - aber Hrn. M. gegenüber hat er lediglich von seinem Recht Gebrauch gemacht. Wie ich erfahre, hat M. später den Vergleich angefochten; aber warum hat er ein Protokoll unterschrieben, bei dessen moralischen Stipulationen man sich nicht ernst halten kann?

   Dieser Satz gilt auch von Fischers Bescheinigung, die in May's Schriften etwa vorhandenen Unsittlichkeiten stammten »nicht aus der Feder des Verfassers«. Bei der ersten Diskussion dieser Frage im März 1901 hat Hr. F. (vgl. hist.-polit. Bl. CXXIX S. 530) versichert: »von einer Mitarbeiterschaft des Hrn. Münchmeyer an den Werken des Hr. K. M. erfahre ich erst durch des Letzteren Erklärung«, und im folgenden Jahre (vgl. ebend.) gab er seiner Ueberzeugung Ausdruck, K. M. habe die Unsittlichkeiten »selbst geschrieben«. Woher ihm bis zum Februar 1903 eine Erleuchtung im entgegengesetzten Sinne gekommen sein sollte, ist nicht abzusehen. Aus  e i g e n e r  Wissenschaft weiß er vermutlich nichts. Er hat ja die Firma Münchmeyer erst am 16. März 1899 übernommen, sieben Jahre nach Münchmeyers Tod, 12 bis 17 Jahre nach dem Erscheinen jener abscheulichen Romane. Zudem hat er sich selbst widersprochen, selbstverständlich ist also seine auf alle Gründe verzichtende Ehrenerklärung wenigstens bis auf Weiteres  w e r t l o s.

   Mit dieser Ansicht befinde ich mich in erfreulicher Uebereinstimmung mit dem Schreiben Hrn. May's an mich vom Februar 1905 (vgl. oben), in welchem Hr. May sich »gegen alle derartigen Sittenzeugnisse [Adalbert Fischers] auf das energischste verwahrt«. Gegen dasselbe Sittenzeugnis, zu dessen Ausstellung er Fischer durch Vergleich verpflichtet hatte! Seine guten Freunde freilich haben sich dadurch nicht abhalten lassen, die Erklärung Fischers als glänzenden Beweis der Unschuld Mays triumphierend vorzuweisen. So schon 1904 Mays getreuer



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Knappe Max Dittrich (Karl May und seine Schriften S. 117), so 1906, wie schon erwähnt, Hr. Wagner in der »Donauzeitung«. Auch die »Augsb. Postzeitung« (Literar. Beil. Nr. 52 vom 27. Nov. 1906) sprach von »einem Vergleich, in dem anerkannt wurde, daß die betr. [unsittlichen] Stellen nachträgliche Interpolationen des Verlegers seien«.

   D e r  P r o z e ß  M a y  -  W i t w e  M ü n c h m e y e r.   Nachdem Hr. May sich mit Hrn. Fischer vertragen hatte, prozessierte er weiter gegen die Witwe Ida Pauline Münchmeyer. Um  w a s?  Um seine Ehre? Um das Anerkenntnis, daß der verstorbene Münchmeyer seine »sittenreinen« Manuskripte gefälscht habe? Nein, sondern um  T h a l e r ,  G r o s c h e n ,  P f e n n i g e.  Hier der Tenor des am 26. September 1904 verkündeten  T e i l urteils in Sachen May contra Ida Pauline Münchmeyer wegen  R e c h n u n g s l e g u n g  [u].:

   Die 6. Zivilkammer des Kgl. Landgerichts zu Dresden erkennt für Recht:

   Dem Kläger [May] wird folgender  E i d  auferlegt:

   »Ich schwöre [u].: 1. Ich habe mit dem verstorbenen H. G. Münchmeyer 1882 . . . bezüglich des  W a l d r ö s c h e n s  folgende Bedingungen vereinbart: Der Roman solle  u n t e r  f a l s c h e m  N a m e n  erscheinen und er solle nur bis zu 20,000 Exemplaren gedruckt und verbreitet werden. Als Vergütung solle ich für jede Nummer [die Kolportageausgabe ist in nicht weniger als 109 Heften zu 24 Seiten erschienen] 35 Mark und außerdem, sobald die zulässige Höchstzahl von Exemplaren umgesetzt sei, noch eine »feine Gratifikation« empfangen. Im Uebrigen solle ich die freie Verfügung über den Roman, insbesondere auch durch jederzeit zulässige Aufnahme in meine gesamten Werke, behalten. 2. Diese Bedingungen sind dann später auf die Romane »Deutsche Herzen und Helden«, »Der verlorene Sohn« und »Der Weg zum Glück« übertragen worden, jedoch mit der Maßgabe, daß die Vergütung für je eine Nummer der betr. Romane nicht bloß 35, sondern 50 Mark betragen solle. 3. Betreffs des Romans »Die Liebe des Ulanen« habe ich 1883 mit Münchmeyer vereinbart, daß ich ihm diesen nur zum einmaligen Abdruck im Jahrgang 1884 des »Deutschen Wanderers« überlassen solle. 4. Desgleichen habe ich Münchmeyer 1875 und 1884 die sechs Erzählungen »Aus der Mappe eines Vielgereisten« (»Inn-nu woh und Old Firehand«), »Ein Stücklein vom alten Dessauer«, »Die Fastnachtsnarren«, »Unter Werbern«, »Der Gitano und die Polin« nur zum einmaligen Abdruck für je einen Jahrgang seiner Zeitschriften überlassen. 5. Dagegen habe ich mit Münchmeyer bezüglich meiner unter 1-4 aufgeführten Werke  n i c h t  vereinbart, daß er an diesen gegen einmalige Vergütung in sofortiger Barzahlung das unbeschränkte Verfügungsrecht erwerben solle. So wahr mir Gott helfe.«

   Leistet der Kläger diesen Eid, so soll die Beklagte verurteilt werden, ihm  R e c h n u n g  z u  l e g e n  über die Anzahl der von der Firma H. G. Münchmeyer in Dresden bis zum 16. März 1899 [Datum des Verkaufs der Firma Münchmeyer an Adalbert Fischer] gedruckten und verkauften Exemplare der Romane »Waldröschen« [usw. wie oben], sowie den hierdurch erzielten Reingewinn, ferner über die Anzahl der Jahrgänge des »Deutschen Wanderers«, in denen der Roman »Die Liebe des Ulanen« nach seinem erstmaligen Abdruck 1884/85 gedruckt und verbreitet worden ist [usw.], endlich über die Anzahl der Jahrgänge,



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in denen die Erzählungen »Aus der Mappe eines Vielgereisten« [usw. wie oben] in Münchmeyerschen Zeitschriften gedruckt und verbreitet worden sind [usw. wie oben].

   Bei Verweigerung der Eidesleistung soll dagegen der Kläger, insoweit er auf  R e c h n u n g s l e g u n g  geklagt hat, mit der Klage abgewiesen werden.

   Diesen Eid hat May geleistet. Demgemäß wurde die Witwe Münchmeyer zur  R e c h n u n g s l e g u n g  verurteilt und dieses Urteil in zweiter und dritter Instanz aufrecht erhalten. (Urteil des 2. Zivilgerichts des Oberlandesgerichts Dresden, verkündet 5. Februar 1906, Abweisung der Revision der Beklagten durch den 1. Zivilsenat des Reichsgerichts 9. Januar 1907.)

   Die Frage, ob May oder die Witwe Münchmeyer im Recht war, ob May tatsächlich mit Münchmeyer die beeideten Vereinbarungen getroffen hat oder nicht - worüber nur ein Indizienbeweis angetreten werden konnte, da ein schriftlicher Vertrag offenbar nicht vorlag - ist für meine Untersuchung vollkommen gleichgültig. In  n e g a t i v e r  Hinsicht aber stelle ich fest: Zu der bekannten Behauptung Mays, Münchmeyer habe ihm seine »sittenreinen« Romane unsittlich verfälscht,  e n t h ä l t  d a s  U r t e i l  a u c h  n i c h t  e i n  e i n z i g e s  W o r t.

   Mit dem jetzt vom Reichsgericht aufrecht erhaltenen Teilurteil von 1904 ist  d e r  P r o z e ß  n a t ü r l i c h  n i c h t  z u  E n d e.  Es erkennt lediglich auf  R e c h n u n g s l e g u n g,  und ganz richtig bemerkt noch am 17. Februar 1907,  n a c h  dem Erkenntnis des Reichsgerichts, das handgreiflich inspirierte »Radebeuler Tageblatt« (vgl. oben): »leider sind die Früchte derartiger Rechtspflege nicht so schnell und mühelos zu ernten, wie der Laie denkt. . . .  D e r  V o l l z u g  dieses Urteils erfordert  b e s o n d e r e  A n t r ä g e«.  Unverständlich dagegen ist mir der weitere Satz,  F i s c h e r  (seitdem verstorben) könne »nur auf dem Wege besonderer Urteile gezwungen werden, sich dem richterlichen Spruch zu fügen«. Der »richterliche Spruch« ist doch nicht gegen Fischer, sondern gegen die Witwe Münchmeyer ergangen, nachdem sich May mit Fischer verglichen hat. Daß er dann wieder gegen ihn geklagt hat, ist möglich, aber von einem richterlichen Spruche ist nichts bekannt geworden, und so wird man die »besonderen Urteile« in Geduld abwarten müssen.

   I c h  r e s u m i e r e.  Bereits vor zehn Jahren hat der Pustet'sche Verlag (vgl. dessen Erklärung vom 27. April 1901, abgedruckt »Histor.polit. Bl. a.a.O. 531) Hrn. May wegen »Hintertreppen-Romanen der allerbedenklichsten Sorte« zur Aeußerung aufgefordert, und May hat am 16. Juli 1897 geantwortet: »Ich werde die Münchmeyer'sche Ver-



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lagshandlung gerichtlich belangen«. Erst vier oder fünf Jahre später beginnt der Prozeß Mays gegen Adalbert Fischer, der mittlerweile (1899) die Münchmeyersche Verlagshandlung käuflich übernommen hat. 1903 setzt May Fischer, der ihm eine von May selbst als bedeutungslos anerkannte Ehrenerklärung ausstellt, durch einen höchst seltsamen Vergleich außer Prozeß und prozessiert weiter gegen die Nebenintervenientin Witwe Münchmeyer. 1904 erstreitet er gegen diese ein  T e i l urteil auf Rechnungslegung, in welchem von den angeblichen Verfälschungen seiner »sittenreinen« Romane n i c h t s, aber auch gar nichts steht. Dieses Teilurteil wird vom Oberlandesgericht und dann vom Reichsgericht aufrecht erhalten,  u n d  n u n  g e h t  d e r  P r o z e ß  w e i t e r.

   So der aktenmäßige Tatbestand. Damit vergleiche man, was die Verteidiger Mays seit Herbst vorigen Jahres über die »glänzende Rechtfertigung«, den »Nachweis von der Unschuld Mays« usw. geschrieben haben, sowie die in allen Tonarten, von höflicher Vermahnung bis zur frechen Beschimpfung direkt oder indirekt gegen mich gerichteten Angriffe. Diese ganze Rettungskampagne ist nichts als ein einziger ungeheurer Schwindel. Wo die Schwindler und wo die Beschwindelten sitzen, habe ich hier nicht zu untersuchen. Gern will ich annehmen, daß ein sehr erheblicher Teil dieses Feldzuges auf Rechnung einer allerdings hochgradigen Kritiklosigkeit zu setzen ist.

   Man könnte die Frage erheben, weshalb ich diese Ausführungen erst jetzt schreibe, acht Monate nachdem Hr. Wagner die Rettungsaktion begonnen hat. Nun, gleich nach Beginn war durch die Reichstagswahlen und dann durch mein »Herabsteigen vom Redaktionsthrone« reichlich für andere Beschäftigung gesorgt, und später hat die Beschaffung des aktenmäßigen Beweismaterials noch längere Zeit erfordert. Ich habe geschwankt, ob ich mich überhaupt noch einmal zu einer Sache eingehend äußern solle, in der ich lange geschwiegen hatte. Aber die May-Gemeinde hat es nicht gewollt: durch Entstellung des Tatbestandes, durch Hinweis auf meine Ehren- und Christen-Pflicht, vereinzelt auch durch direkte persönliche Angriffe hat sie mir die Feder wieder in die Hand gedrückt. Solange dieses Treiben sich auf Artikel beschränkte, deren Urheber in weiten Kreisen ebenso unbekannt waren wie die Blätter, in denen sie erschienen, konnte man es allenfalls auf sich beruhen lassen, aber wenn auch angesehene Zeitungen sich dafür in Anspruch nehmen lassen, wenn auch in solchen Blättern, die sich an dem Rettungswerke  n i c h t  beteiligen, andere Seiten des »May-Problems« eine hervorragende Rolle spielen,5 dann wird längeres Schweigen un-



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möglich. Durch Vorstehendes den Fall endgültig erledigt zu haben, schmeichle ich mir nicht. Dafür gibt es zu Viele von jener Art, die nicht alle wird.


   Bonn, im August 1907. Hermann  C a r d a u n s.  


1Dieses Epitheton hat einem (natürlich pseudonymen) Herrn Tobias Wahrmund so trefflich gefallen, daß er (Karlsruhe 9. Dez. 1904) einen Schimpfbrief schrieb »an den hyperultramontanen Redaktionspapst Dr. Heinrich Cardauns«.
2Im Juli d. J. hat die »Augsb. Postztg.« (Nr. 168) Krapps Angabe von einem »Vergleich« berichtigt. »Die Sache verhält sich anders. May klagte 1901 gegen die genannte Firma [Verlag Münchmeyer], weil sie ohne Wissen und gegen den Willen May's unter dessen Namen lascive Schauderromane verbreitete. Der Firmainhaber Fischer schleppte den Rechtshandel durch alle drei Instanzen, verlor ihn aber auch in dritter und letzter Instanz beim Reichsgericht in Leipzig (Entscheidung vom 9. Januar 1907)«. Einige Blätter, »die früher ebenfalls an eine Entlarvung May's glaubten«, hätten ihn infolge des Prozeßausgangs bereits »rehabilitiert«; andere würden sich hoffentlich auch auf ihre »Loyalitätspflicht« besinnen. Hier sind verschiedene Prozesse durcheinander geworfen: Der Prozeß gegen Fischer, der tatsächlich durch Vergleich erledigt, und der Prozeß gegen die Witwe Münchmeyer, der durch alle Instanzen getrieben wurde. Vgl. unten.
3Weitaus das Tollste hat ein Hr. L. G. im Juli d. J. in einem kleinen Berliner Blatt geleistet, den Namen des Blattes nenne ich nicht, weil der Herausgeber mir (Schreiben vom 18. Juli) »sein aufrichtiges Bedauern« über die Aufnahme des von ihm »durchaus mißbilligten« Artikels ausgesprochen und mir versichert hat, er habe infolge einer Reise ins Ausland »den ihm durchaus unbekannten Artikel zu seinem Schrecken erst vorgefunden», als »die betr. Nummer zum Versandt gekommen war«. In einer folgenden Nr. hat er auch eine entsprechende Erklärung veröffentlicht. Hr. L. G. ist Redakteur einer Kunstzeitschrift, in der K. M. »Briefe über Kunst« geschrieben und Hr. G. selbst einen wunderbaren Aufsatz über »Karl May und Professor Sascha Schneider« veröffentlicht hat, »diese zwei leuchtenden Sterne am Himmel der Kunst». Wie Hr. G. hier sehr schon sagt, »suchen sich große Seelen und finden sich endlich. Die neuesten Umschlage zu den Prachtwerken Karl Mays sind erschienen und von dem begnadeten Künstler Sascha Schneider, aufs erhabenste durchdacht, vollendet worden«. Vor mir liegt ein vom 1. Oktober 1905 datiertes Reklame-Plakat der Fehlsenfeldschen Buchhandlung: Eine Geisterfigur im Strahlenglanz, davor knieend ein nackter Kerl mit einem Schießprügel, gezeichnet »S. Schneider 04«. Nach dieser Abschweifung komme ich ganz kurz auf das Pamphlet des Hrn. G. zurück. Es schließt: »K. M. hat glorreich gesiegt, seine Feinde aber liegen im Staub, zertreten und zerschmettert. Seine beiden Hauptgegner sind schon gerichtet: Adalbert Fischer steht nun bereits vor seinem ewigen Richter - und der bekannte  C h e f r e d a k t e u r  i n  K ö l n ?  E r  i s t  v o n  s e i n e m  R e d a k t i o n s t h r o n  h e r a b g e s t i e g e n,  er ist »gegangen« und hat nun im Privatleben Muße nachzudenken, ob seine Handlungen gegen K. M. eines Christen würdig sind.« Ich beschränke mich auf die Bemerkung, daß ich allerdings nach 31jähriger Tätigkeit »von meinem Redaktionsthron herabgestiegen« bin, aber höchst freiwillig. Genauer habe ich dieses und sonstiges Geschwätz über meinen Rücktritt in der Köln. Volksztg. vom 2. August 1907 behandelt.
4Der Drucker ist nicht angegeben. Vermutlich erschien der Brief als Beilage zu einer Zeitung.
5So in dem großen Aufsatz von Dr. Hugo Eik in der Beilage zur »Münchener Allg. Ztg.« Nr. 130 vom 11. Juli 1907, einer merkwürdigen Mischung von richtigen und schiefen Bemerkungen, wo die Frage der »Schundromane« vollständig ausgeschieden ist.



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A n m e r k u n g  d e r  R e d a k t i o n


Die in diesem Artikel erwähnten Briefe Mays sowie eine Reihe der angeführten Zeitungsartikel sind in folgenden KMG-Publikationen veröffentlicht worden:


in den Jahrbüchern der KMG:

1972/73: An den Dresdner Anzeiger

1979: Offener Brief an Hermann Cardauns und weitere Flugblätter, mit denen May auf Cardauns Artikel antwortete

in Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 10:

Bernhard Kosciuszko: Im Zentrum der May Hetze. Die Kölnische Volkszeitung. Ubstadt 1985:

Elberfelder Zeitung v. 12. 1., 14. 1. 17. 1., 21. 1. 1902

DresdnerAnzeigerv. 30. 10., 13. li., 27. 11. 1904

Der Wanderer (St. Paul) v. 20. 6. 1907

Der Schulfreund 10/1907

Die Sonntagsglocken v. 14. 7., 28. 7. 1907 (zu Anm. 3: L. G. = Leopold Gheri)

Allgemeine Zeitung (München) v. 11. 7. 1907




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