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ERICH HEINEMANN

Fünfundsiebzig Jahre nach Karl Mays Tod
Karl-May-Gesellschaft
und Karl-May-Forschung 1987



Wien 1912 war ein Höhepunkt im
Leben Karl Mays
Wien 1987 ein Höhepunkt in der
Geschichte der Karl-May-Gesellschaft.

Claus Roxin
(Schlußwort zur Tagung
am 22. November 1987)

I

1987 wird in der Wirkungsgeschichte Karl Mays einen besonderen Rang einnehmen. Es jährte sich sein 75. Todestag. Üblicherweise zählt der 75. Todestag eines Schriftstellers für die Medien kaum – allenfalls reicht er für eine kurze Zeitungsnotiz. Anders bei Karl May. Er bekam eine große Presse. Er bekam gute Sendezeiten bei Funk und Fernsehen. Und noch mehr: ihm wurde sogar eine Sonderbriefmarke gewidmet.

   Damit begann es: Am 12. Februar erschien Bundespostminister Dr. Schwarz-Schilling höchstpersönlich in Bamberg, um in einem kleinen Festakt die neue Marke mit dem Bild Winnetous, wie es auf dem Buchdeckel von Band 7 der Ausgabe des Karl-May-Verlages zu sehen ist, der Öffentlichkeit zu übergeben – unter den Ehrengästen als Vertreter der Karl-May-Gesellschaft (KMG) Professor Heinz Stolte. Daß ein vielbeschäftigter Bundesminister sich wegen der Übergabe einer Sonderbriefmarke eigens herbemühte – schließlich gab es in diesem Jahr 54 weitere –, darf als besondere Auszeichnung gelten. Und überhaupt: »Leute, deren Name hierzulande auf einer Briefmarke einem großen Publikum nahegebracht werden, müssen irgendwann in ihrem Leben Herausragendes vollbracht haben«, schreibt die Süddeutsche Zeitung (14./15.2.87), die in ihrer Beilage Heinrich Pleticha (KMG) eine ganze Seite für Karl May zur Verfügung stellt.

   Die 30 Millionen May-Briefmarken waren schon nach kurzer Zeit an den Schaltern vergriffen. An dieser »ersten regierungsamtlichen Ehrung Karl Mays« – so Professor Roxin in seiner Ansprache vor den Mitgliedern der KMG am 21. November in Wien (abgedruckt in den Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft [M-KMG] 74/1987 S. 19–32) – hatte Dr. Laue (KMG), Ministerialdirektor im Bundespostministe-


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rium [Bundespostministerium], wesentlichen Anteil. Sieben Entwürfe standen zur Auswahl; die Grafikerin Helga Regenstein, Dortmund, schoß mit ihrem Motiv den Vogel ab. (Die Entwürfe mit Erläuterungen von Roland Schmid zeigt ein Faltblatt des Karl-May-Verlages, das den M-KMG 72 beigefügt war.)

   Die Deutsche Bundespost, erklärte der Minister in seiner Bamberger Ansprache, widme Karl May diese Marke, »um einen Schriftsteller zu ehren, der Generationen junger Menschen beeinflußt und geprägt« habe. Heinz Stolte antwortete dem Minister mit einem launigen Gleichnis. Karl May würde sagen, meinte er verschmitzt, »mit dieser kleinen Marke und mit diesem kleinen Staatsakt hat man mich doch endlich und endgültig angenommen. . . . Ein obrigkeitlicher Akt macht wieder gut, was ein obrigkeitlicher Akt in meiner Jugend an mir gesündigt hatte.« (Die Reden von Bundespostminister Dr. Schwarz-Schilling und Prof. Dr. Heinz Stolte sind im vollen Wortlaut nachzulesen in M-KMG 74, Beilage INFORM.)

   Die Geschichte zur Briefmarke schrieb Armin A. Brandt (KMG) in einem gut bebilderten Artikel unter der Überschrift "Der May, der aus den Träumen kam" (postmagazin. Zeitschrift der Deutschen Bundespost. Bonn 1/87), den amtlichen Text zu dem Sonderpostwertzeichen "Karl May" verfaßte Prof. Dr. Claus Roxin, Vorsitzender der KMG (Hrsg. Bundespostministerium Bonn, 8/1987, abgedruckt in den KMG-Nachrichten Nr. 73 S. 6).


II

Am 30. März legten die KMG-Vorstandsmitglieder Erwin Müller und Erich Heinemann am Grab Karl Mays auf dem Radebeuler Friedhof ein Blumengebinde nieder, auf der Schleife die Worte: »Karl May – 75. Todestag. In dankbarer Erinnerung Karl-May-Gesellschaft.« Die kleine Gedenkfeier, an der ein Kreis von May-Freunden teilnahm, wurde von der ARD, vom ORF und Deutschlandfunk aufgenommen. Teile von Mays Werk, so schloß Erich Heinemann seine Ansprache, seien von klassischem Maß: »Ist er auch kein ganz Großer der Menschheitsgeschichte, ein Hauch des Großen aber umweht auch ihn.«

   Einen ganzen Abend widmete das Fernsehen Karl May am 28. März (Südwest III, Gäste Prof. Dr. Claus Roxin, Hermann Wiedenroth, Pierre Brice, Marie Versini, Edmund Theil), ferner am 29. März (ARD, Bilder und Reportagen aus Bamberg, Bad Segeberg, Hohenstein-Ernstthal, Radebeul, Pferdehof Borstel bei Dörverden mit Carl-Heinz Dömken, Erich Loest, Joachim Schmid, Gerhard Klußmeier, Dr. Klaus Hoffmann, René Wagner, Ekkehard Fröde). Das Bücher-


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Journal [Bücher-Journal] (Nord III) stellte am 26. März Neuerscheinungen von und über Karl May vor.

   Die Gedenksendungen von Funk und Fernsehen, die in der Bundesrepublik, in der DDR und in Österreich ausgestrahlt wurden, können hier auch nicht annähernd vollzählig erwähnt werden. Dies gilt ebenso für die unübersehbare Zahl von Veröffentlichungen in der Presse, von ganz- und mehrseitigen illustrierten Berichten und essayistischen Betrachtungen unserer größten Blätter bis zu den Zweispalten-Kommentaren regionaler Zeitungen. Eine gedrängte, stichwortartige Übersicht bietet die Kolumne "Neues um Karl May" in M-KMG 72–74; aber auch diese kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

   Wir wollen es daher hier mit einigen Zitaten bewenden lassen – in der Erwartung, daß, wie geplant, eine Dokumentation erscheinen wird, die eine Reihe der wichtigsten Veröffentlichungen auszugsweise oder im vollen Wortlaut zusammenfaßt:

»Mays Romane zeugen nicht allein von außerordentlicher (auch ästhetischer und psychologischer) Vielschichtigkeit, sondern sind auch auf besondere Weise zum Medium und sogar zur Triebkraft deutscher Geistesgeschichte geworden.«

Dieses anspruchsvolle Urteil fällt der Tübinger Germanist Prof. Dr. Gert Ueding (KMG) im Börsenblatt des deutschen Buchhandels (25./27.3.87, S. 1009–1013). Er vertritt die neue Forschergeneration, die May vielfach anders und weit günstiger beurteilt, als Kritiker in der Vergangenheit es sich angewöhnt hatten, und auch Hubertus Schneider in der Wochenendbeilage der FAZ (27.3.87) scheint diese Neubewertung Karl Mays noch zu verblüffen:

»"Uff, uff", sagen wir da mit den Apatschen, erstaunt über das intellektuelle Interesse an seinem Werk und an einem Mann, in dem wir allenfalls ein Idol für Heranwachsende und ewige Pfadfinder vermutet hatten.«

»Karl Mays Bild in der deutschen Literaturtradition schwankt nach wie vor, bis heute.« Zu diesem Ergebnis kommt Michael Zeller in der ZEIT (10.4.87). Auf die Rezeptionsschwierigkeiten des Alterswerkes eingehend, fährt er fort:

»Wo er vereinnahmt werden soll (wie mit dem symbolisch domestizierten Spätwerk), liegt ein (gezieltes?) Mißverständnis vor. Man würde gern vorbeischauen an dem vulgären Parvenü, dem Pöbelmann, dem schreiend halbgebildeten Schwadroneur, aber man kann es nicht. Denn Karl May hat es geschafft, dem Bürgertum seit Generationen schon die Jugend zu entwenden. Ein Jammer nur, daß sie sich, kaum erwachsen, meist reumütig dem vorgesetzten bürgerlichen Geschmacks-Kanon unterwirft.«

An Ernst Bloch gemahnen die Worte von Regina Kammerer in der Münchner Stadtzeitung (9/87):


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»Das Geheimnis seines Erfolges ist so simpel wie einleuchtend. Es liegt letztlich darin, daß wir, die Kleinen dieser Welt, uns über ihn, der in der Mittelmäßigkeit mit uns seelenverwandt scheint, groß fühlen dürfen.«

Neues Deutschland, DDR (28./29.3.87), würdigt den Menschenfreund und Pazifisten:

»Mays Sympathien galten den Entrechteten, Diskriminierten, Unterdrückten, seine Werke vermitteln die Hoffnung auf ein friedliches, gleichberechtigtes Zusammenleben aller Menschen und Völker. An der Seite Bertha von Suttners wirkte der Literat in der bürgerlichen Friedensbewegung.«

Mit der Rezeption Karl Mays, der »in den letzten Jahren in der DDR aus einer beinahe vier Jahrzehnte währenden Verborgenheit ans Licht getreten« ist, befassen sich die "Weimarer Beiträge" 12/1986 (Franz Hofmann: » . . . kriegen es nun wieder mit Winnetou zu tun.« Schwierigkeiten, sich ein Erbe anzueignen):

»In der Seele des begabten "Lügners" May keimte und wuchs als unstillbarer Antrieb der Drang nach dem Ende der Not, nach menschlicher Besserung. Vieles mag aus dem "Unbewußten" oder "Noch-nicht-Bewußten" den Weg des Lichts gesucht haben. In Karl May, dem Vielgerühmten und Verlästerten, lebten "New Moral Worlds" (Ernst Bloch) am Horizont, und das, was oft und vielen, die Bruchstücke für das Eigentliche, Oberflächen für Tiefen nahmen, unverständlich blieb, war vielleicht anlagen- und schicksalsbedingtes Ausgleiten paranoischer Strukturen in einem überbordenden Reichtum an Bildern für "Sehnsuchtslandschaften".«

Hauptsächlich mit den Neuerscheinungen dieses Jahres, die um Karl May (ein »populärer Klassiker«) und dessen Werk ranken, beschäftigt sich der SPIEGEL (13/87):

»Karl Mays Popularität ist auch 75 Jahre nach seinem Tod unerschüttert. Auf schätzungsweise 80 Millionen ist die Gesamtauflage seiner Bücher angewachsen, und stetig wächst die Sekundärliteratur, die Leben, Werk und Wirkung des Phantasten erforscht. Was nicht jedem deutschen Klassiker zuteil wurde – auch das bekommt er nun: eine "historisch-kritische" Karl-May-Ausgabe, die 99 Bände umfassen soll.«

Herausgeber dieser historisch-kritischen Ausgabe sind Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Dieses »bei weitem bedeutendste, für die Zukunft gewiß wichtigste Ereignis des "Karl-May-Jahres 1987"« wird im Literaturbericht von Helmut Schmiedt (in diesem Jahrbuch) ausführlich gewürdigt, so daß hier ein Hinweis genügt. Aus der in den beiden Literaturberichten dieses Jahrbuches ebenfalls eingehend besprochenen Sekundärliteratur sind zu nennen: Helmut Schmiedt: Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgschriftstellers


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(2. Aufl.); Harald Eggebrecht (Hrsg.): Karl May, der sächsische Phantast; Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Karl May. Sonderband aus der Reihe Text + Kritik; Martin Lowsky: Karl May. Sammlung Metzler; Gert Ueding (Hrsg.): Karl-May-Handbuch. In der DDR erscheinen in Kürze eine Karl-May-Biographie (Christian Heermann) und -Bibliographie (Hainer Plaul – Gerhard Klußmeier); letztere zugleich in der Bundesrepublik.


III

Das Gedenkjahr 1987 schloß mit dem "9. wissenschaftlich-literarischen Kongreß der internationalen Karl-May-Gesellschaft" vom 18. bis 22. November. Über 250 Mitglieder und Gäste waren angereist – aus dem "hohen" Norden wie aus den übrigen Teilen der Bundesrepublik, aus Berlin, aus der DDR, der Schweiz, den Niederlanden, sogar aus Japan. Treffpunkt war die alte Kaiser- und Kongreßstadt Wien, Tagungsstätte das moderne Hotel IBIS am Westbahnhof.

   Novembernebel senkte sich über Türme und Dächer, über Straßen, Plätze und Parks, über die Donau. Vor dem Rathaus, um den Stephansdom herum und die Kärntnerstraße hinauf breitete Adventszauber sich aus. Gern, aber wie so gern sei er nach Wien gefahren, bekannte damals, 1912, Karl May, die prächtige Kaiserstadt habe sein ganzes Herz gewonnen. Auch wir waren gern gekommen. Der Grund dafür, daß die KMG ihre erste Tagung außerhalb der Bundesrepublik in die österreichische Hauptstadt verlegte, war Mays denkwürdiger Auftritt im Wiener Sofiensaal vor 75 Jahren, »die letzte große Freude in seinem Leben«. »Als Bürgermeister jener Stadt«, so Dr. Helmut Zilk in der Kongreß-Festschrift, »freue ich mich besonders, Sie, liebe Kongreßteilnehmer, begrüßen zu dürfen.« Sein Wunsch nach einem erfolgreichen Verlauf der Tagung (und einem angenehmen Aufenthalt in Wien) sollte sich denn auch voll erfüllen.

   Ein abwechslungsreiches Programm erwartete die Teilnehmer. Den Einstieg machte die Stadtrundfahrt, die in das eigene Flair Wiens, seiner Menschen und Geschichte einführte. (Die Sofiensäle in der Marxergasse 17 sparten wir uns für einen Alleingang auf. Die große Bühne – wie verloren muß der schmächtige Greis sich darauf vorgekommen sein? Wir benutzten den Seitenausgang: dort, in der wenig belebten Gasse, hatte der Gefeierte eingekeilt in einer Menschenmenge gestanden und noch langdauernde Ovationen über sich ergehen lassen.) Nach der Stadtrundfahrt die sehenswerte, von unserem Wiener Mitglied Karl Frey veranstaltete Ausstellung "Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts" im Antiquariat Deuticke, Helferstorferstraße. Die Hotelhalle hatte sich inzwischen in eine "Karl-May-Landschaft" verwandelt, das


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gewohnte Tagungsbild: Vitrinen mit seltenen Ausgaben (besorgt von Karl Frey), die das Herz des Sammlers höher schlagen ließen. Fachmännisch aufbereitet an Stellwänden die umfangreiche Ausstellung "Karl May in der Philatelie" (Jürgen Hösselbarth) – ein Gang vorbei an diesen Tafeln vermittelte einen einzigartigen Einblick in jenen bisher weniger beachteten Bereich der Wirkungsgeschichte Karl Mays, der sich durch postalische Sammlerraritäten darstellt. Ein Sonderpostamt versah Postsachen mit dem Sonderstempel »9. KONGRESS DER KARL-MAY-GESELLSCHAFT«: ein Souvenir neuester Art auf einer May-Tagung. Das Bellaria-Kino zeigte den frühen Karl-May-Film (1936) "Durch die Wüste" (die Aufführung organisierte Peter Krassa).

   Als Auftakt des Kongresses empfing die Landtagspräsidentin, Frau Stiel, eine Abordnung der KMG im Roten Salon des Rathauses – an historischer Stätte, wie sie sagte: »Hier verkündete Dr. Renner im April 1945 die Zweite Republik – und damit begann für Österreich der Frieden.« Frieden, so leitete sie über auf Karl May, bilde ja auch in seinem Werk ein wichtiges Thema. Old Shatterhand verabscheut jegliches Töten, trotzdem ist er ein Mann der Stärke. Er hat die Faust, mit der er seine Gegner besiegt, aber sie stehen hinterher bald wieder auf. Honorig und mit wienerischem Charme plauderte die hohe Gastgeberin und zeigte sich bemerkenswert May-belesen.

   Der Arbeitskreis "Karl Mays Spätwerk" (Einführung und Moderation Prof. Dr. Christoph F. Lorenz) eröffnete den eigentlichen Teil der Tagung.

   Über Bertha Freifrau von Suttner und Karl May referierte äußerst lebendig und kenntnisreich die Historikerin Dr. Brigitte Hamann, die für ihr Buch "Bertha von Suttner. Ein Leben für den Frieden" (Piper-Verlag München 1986) in Genf den Nachlaß der ersten Nobelpreisträgerin aufgearbeitet hat und die Beziehungen zu ihrem »Gesinnungsgenossen« Karl May in neuem Licht darzustellen wußte. Die Suttner besuchte May zwei Tage vor seinem Vortrag, also am 20. März 1912, im Hotel Krantz in der Kärntnerstraße. Sie übergab ihm ihr neues Buch "Der Menschheit Hochgedanken", aus dem er zitieren sollte, und bemerkte dazu: »Nicht wahr, wir Geistesarbeiter, die wir die Leiter halten, auf der die Menschheit, die Edelmenschheit, emporsteigen soll, müssen einander behilflich sein« (nach Hamann S. 486). 1913, von einem Besuch der Witwe Klara May in Radebeul zurückgekehrt, schreibt sie in ihr Tagebuch: »Sie betrachtet Karl May als etwas Großes. Mich auch. Ach Gott nein, ich bin es nicht.«

   Schon zu den "Stammdaten" einer May-Tagung gehört die Auktion seltener May-Ausgaben. Sie wurde von Arnold Tokstein geleitet.

   Erstmals nahmen Gäste aus der DDR an einem Kongreß der KMG teil. Herzlicher Beifall begrüßte René Wagner und Dr. Klaus Hoffmann, beide vom Karl-May-Museum Radebeul, sowie Ekkehard


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Fröde, Karl-May-Haus Hohenstein-Ernstthal. René Wagner überbrachte Grüße des Vorstandes der Karl-May-Stiftung, die Trägerin des May- und Indianermuseums ist. Die Eingeladenen berichteten – wie in diesem Jahrbuch nachzulesen – über die Arbeit der von ihnen vertretenen Institutionen; Dr. Hoffmann wartete mit einer kleinen Entdeckung auf: dem Briefwechsel Mays mit dem Chefredakteur der Sächsischen Volkszeitung, Rauer, die 1908 die Erzählung "Abdahn Effendi" vorabdruckte.

   Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger stellten die historisch-kritische Ausgabe der Werke Mays vor, die auf insgesamt 99 Bände angelegt ist; der Erscheinungsplan 1987 (fünf Bände, jeder mit einem Editionsbericht) ist eingehalten. Die Ausgabe enthält »verläßliche und in ihrer Entstehung durchschaubare Texte«. Das Unternehmen wird von der Absicht einer neuen Karl-May-Gedächtnis-Stiftung begleitet, zu deren Gründung allerdings zunächst ein Stiftungsfonds von 100.000 DM angesammelt werden muß.

   Gernot Kunze sprach über das von ihm entdeckte "Buch der Liebe", ein Sammelwerk, das unter wesentlicher Mitarbeit Karl Mays in seiner Kolportagezeit entstanden ist und von der KMG in ihrer Reprintreihe vorgelegt werden soll.

   Film- und Lichtbildervorträge boten Horst Matthey (Winnetou – In den Schluchten des Balkan?) und Helmut Schappach (Karl Mays Land der Skipetaren aus der Sicht des 20. Jahrhunderts).

   Die Vorträge, wie stets die Hauptveranstaltungen einer Karl-May-Tagung und traditionsgemäß im Jahrbuch abgedruckt, sollen an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber aufgezählt werden:

  • Prof. Dr. Karl Konrad Polheim
    "In den Schluchten der Texte. Das Problem einer historisch-kritischen Karl-May-Ausgabe"
  • Dr. Ulrich Schmid
    "Textkritik des Abenteuers – Abenteuer der Textkritik. Ein Versuch über Leben und Schreiben, über Kleben und Streichen"
  • Prof. Dr. Viktor Böhm
    "Berechnung und Überraschung. Erzähl- und Handlungsalgorithmen im Werk Karl Mays"
  • Prof. Dr. Gerhard Neumann
    "Karl Mays "Winnetou" – ein Bildungsroman?"
  • Prof. Dr. Heinz Stolte
    "Karl Mays "Ardistan und Dschinnistan" und sein Weltfriedensgedanke"


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Den "amtlichen" Teil der Tagung bildete die 9. Mitgliederversammlung mit der einstimmigen Wahl des Vorstandes, der sich nun wie folgt zusammensetzt:

  • Vorsitzender: Prof. Dr. Claus Roxin
  • Stellvertretende Vorsitzende: Hans Wollschläger und Hansotto Hatzig
  • Geschäftsführer: Bezirksstadtrat Erwin Müller
  • Schatzmeister: Oberregierungsrat Walther Ilmer
  • Schriftführer: Verwaltungsdirektor i. R. Erich Heinemann
  • Vertreter der wissenschaftlichen Mitarbeiter: Privatdozent Dr. Helmut Schmiedt
Ihre Ämter legten nieder aus Alters- bzw. familiären Gründen: Herbert Meier und Prof. Dr. Heinz Stolte. (Ausführlich ging der Vorsitzende Prof. Roxin in seinem Rechenschaftsbericht auf die Tätigkeit und die innere Entwicklung der KMG im Berichtszeitraum 1983–87 ein.)

   Als nächsten Tagungsort wählte die Versammlung Augsburg, die Stadt, in der Karl May 1909 einen bedeutenden Vortrag hielt; in der Augsburger Postzeitung erschien damals "Winnetou IV" im Vorabdruck.

   Zu einem schlichten Festakt gestaltete sich die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Dr. Franz Cornaro. Der 90jährige Wiener zählt zu den Begründern der Karl-May-Forschung. Er ist der einzige uns bekannte Lebende, der am 22. März 1912 im Sofiensaal dabei war, als Karl May seinen schon legendären Vortrag hielt. Aus seiner Feder gingen zahlreiche Veröffentlichungen über May hervor. (Die kunstvolle Urkunde, die dem Jubilar überreicht wurde, schuf Hartmut Kühne im Handsatz nach der von seinem Vater entworfenen Schriftart "Logos".) Hartmut Kühne umrahmte die kleine Feier am Flügel mit Anton Bruckners "Fantasie G-Dur" und Franz Schuberts "Impromptu As-Dur" – wie auch den abendlichen Festvortrag Stoltes mit Werken Ludwig van Beethovens und Gustav Mahlers.

   Wien bot vieles – der Heurigenabend im Haus Mayer, Heiligenstadt, zu dem gemeinsam Karl-May- und Ueberreuter-Verlag eingeladen hatten, sei so wenig vergessen wie das von Maarten van Diggelen liebevoll modellierte »Radebeuler Diorama« –; aber was (bedingt durch Transport- und Zollschwierigkeiten) fehlte, war der sonst überreiche Büchertisch, und dies gerade in einem so ergiebigen Jahr der Neuerscheinungen wie 1987. Er wird das nächste Mal nicht fehlen.


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   Neu war der vom evangelischen Pfarrer Ernst Seybold und vom katholischen Pfarrer Dr. Hermann Wohlgschaft (beide KMG) gemeinsam initiierte ökumenische Gottesdienst am Sonntagmorgen, der durch die Einbeziehung von Texten Karl Mays für seine Teilnehmer zu einem besonderen Erlebnis geworden ist. Ein letzter krönender Programmpunkt: die Matinee "Empor ins Reich der Edelmenschen!" – eine szenische Lesung von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger, in der sie Mays Wiener Vortrag von 1912 und seine letzte Lebenszeit in Briefen und Dokumenten darstellten. So lebendig und lebensnah, in einer Art Rollenspiel, daß wiederholt Beifall "auf offener Szene" aufbrandete. Damit klang die Tagung aus; sie hätte keinen würdigeren Abschluß finden können.

   Wien verabschiedete seine Gäste mit spätherbstlichem Sonnenschein. Kaiserwetter.

   Zur Wiener Tagung erschien als Sonderheft Nr. 72 der Karl-May-Gesellschaft die Festschriftbroschüre "Karl-May-Gesellschaft in Wien", Redaktion Erich Heinemann (u. a. mit Beiträgen von Franz Cornaro und Josef Mittermayer). Der Rechenschaftsbericht Prof. Dr. Roxins wurde in M-KMG 74, seine "Laudatio für Franz Cornaro" in M-KMG 75 abgedruckt. Weitere Informationen zur Tagung: Geschäftsführerbrief/KMG-Nachrichten 71–73 (Redaktion Erwin Müller).

*

Wie alljährlich folgen an dieser Stelle die Namen der Spender, die die Arbeit der KMG mit hundert und mehr Mark gefördert haben. Diese Namen stehen stellvertretend für alle, die mit ihrem Scherflein die materielle Grundlage schaffen, ohne die wir unsere Ziele nicht verwirklichen können.

Bernd Arlinghaus (Dortmund), Josef Baur (Sarmenstorf/Schweiz), Hans Georg Belzer von Albertis (Hilden), Erich Berchem (St. Ingbert), Gerhard Beuge (Königsbronn), Viktor Böhm (Tulbing/Österreich), Wolfgang Bornewasser (Köln), Engelbert Botschen (Detmold), Linny Claudius (Hamburg), Rolf Cromm (Kürten), Willi Dilger (Leinfelden), Klaus Eggert (Stuttgart), Werner Engels (Köln), Anlon Escher (Erlangen), Helmut Feld (Mannheim), Klaus Fischer (Frankfurt), Max Fischer (Großaitingen), Bernhard Giering (Berlin), Uwe Göbel (Wischhafen), Dieter Gräfe (Tuchenbach), Walter Grossmann (Mitterteich), Wolfgang Grunsky (Bielefeld), Ulrike Haldan (Wittmund), Verena Harksen (Frankfurt), Hansotto Hatzig (Oftersheim), Erich Heinemann (Hildesheim), Norbert Hennek (Nürnberg), Heinz-Dieter Heuer (Neuenhaus), Hans Höber (Solingen), Jürgen Hösselbarth (Deggendorf), Volker Huber (Offenbach), Walther Ilmer (Bonn), Hans-Werner Jürgensen (Kiel), Ilpo Erkki J. Karonen (Orivesi/Finnland), H. H. Klein (Pfinztal-Söllingen), Gerhard Klußmeier (Rosengarten), Uwe Koch (Bad Harzburg), Reinhard Köberle (Kempten), Reinhard Kraut (Stuttgart), Hartmut Kühne (Hamburg), Gunter Landgraf (Berlin), Walter Laue (Bonn), Heinz Lieber (Bergisch-Gladbach), Klaus


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Lorenz (Berlin), Gerhard Lutzer (Neumünster), Klaus Maack (Hamburg) Günter Marquardt (Berlin), Michael Matthes (Berlin), Heinz Mees (Wiesbaden), Herbert Meier (Hemmingen), Jürgen Meiser (Hürth), Hans Norbert Meister (Arnsberg), Harald Mischnick (Kronberg), Axel Mittelstaedt (Düsseldorf), Harald Müller (Lorsch), Karl-Heinz Müller (Berlin), Friedhelm Munzel (Dortmund), Dieter Ohlmeier (Staufenberg), Anton Paschinger (Wien/Österreich) Annelotte Pielenz (Nassau), Heinz-Jürgen Pinnow (Westerland), Alexander Rauchfuß (Hamburg), Johannes Reif (Esslingen), Uwe Richter (Freudenberg), Claus Roxin (Stockdorf), Helmut Schappach (Wolfsburg), Bernd Dietmar Scheer (Bonn), Claus Schliebener (Straßlach), Robert A. Schlindwein (Karlsdorf), Helmut Schmiedt (Köln), Uwe Schmidt (Berlin), Hanns Georg Schmitz-Otto (Köln), Hilmar L. Schmuck (Puchheim), Reiner Schneider (Berlin), Dietrich Schober (München), Burkhard Schultze-Bernd (Köln), Sigrid Seltmann (Berlin), Ernst Seybold (Ergersheim), P. C. Simons (Swalmen/Holland), Heinz Stolte (Hamburg), Clemens Themann (Visbek), Ulrich von Thüna (Bonn), Max Trebst (Schmitten), Herbert Wieser (München), Klara Wilke (Berlin), Winfried Wolf (Celle).

Unsere Mitgliederzahl ist bemerkenswert gestiegen; sie steuert auf 1300 zu. Auch hierbei halfen uns Mitglieder durch persönliche Werbung. Ihre Namen:

Ekkehard Bartsch (Bad Segeberg), Klaus Böhme (Bromskirchen), Ingeborg Buschmann (Lottstetten), Harald Eggebrecht (Hannover), Klaus Eggert (Stuttgart), Albrecht Glöckler (Frankfurt), Wolfgang Grunsky (Bielefeld), Erich Heinemann (Hildesheim), Karl-May-Verlag (Bamberg), Hartmut Kühne (Hamburg), Michael List (Wien/Österreich), Erwin Müller (Berlin), Peter Mundorff (Adelshofen), Wilfried Ott (Offenbach), Heinz Pollischansky (Wien/ Österreich), Claus Roxin (Stockdorf), Uwe Roxin (Wedel), Karl Ruhrberg (Köln), Till Schumann (Berlin), Herbert Spehar (Wien/Österreich), Robert Tschugguel (Wien/Österreich), Gert Ueding (Tübingen), Hermann Wiedenroth (Langenhagen), Bruno Wigger (Stans/Schweiz), Jörg Wörner (Ehningen), Hans Wollschläger (Bamberg).

Patenschaften für Karl-May-Freunde in der DDR übernahmen 1987:

Klaus Böhme (Bromskirchen), Paul Butschle (Freiburg), Wolfgang Haydn (Happurg), Jürgen Hösselbarth (Deggendorf), Heinz Kiesewetter (Ebern), Horst Matthey (Langenfeld), Tine Mischnick (Kronberg) – 2 Patenschaften – kein Mitglied, Erwin Müller (Berlin), Michael Petzel (Göttingen), Rolf E. Planas (Kelowna/Kanada), Joachim Schmid (Bamberg) – 2 Patenschaften, Dieter Steuernagel (Hamburg), Klaus Szeglat (Velen) – kein Mitglied.

Auskünfte über die Karl-May-Gesellschaft
erteilt der Geschäftsführer
Erwin Müller
Maximiliankorso 45, D-1000 Berlin 28


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