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HERMANN WOHLGSCHAFT

»Was ich da sah, das ward noch nie gesehen«
Zur Theologie des >Silberlöwen III/IV<



>Im Reiche des silbernen Löwen III/IV< (1902/03)(1) ist eine Selbstbespiegelung des Autors Karl May ­ in dieser Intensität ohne Parallele im Erzählwerk des Schriftstellers. Doch auch und besonders in diesem Roman erweist sich der Autobiograph als Erzieher und Katechet, als christlicher Denker und theologischer Dichter.

Der >Silberlöwe III/IV< (künftig nur >Silberlöwe<) ist ein prophetisches Werk, eine religiöse Vision, eine biblische Predigt. Die Ausleger hat das wohl eher befremdet. Denn die Tatsache, daß der >Silberlöwe< bei sachkundigen Interpreten noch größere Anerkennung fand als die anderen Schriften Mays, hat ihren Grund in der künstlerischen Form des Romans; er gilt als das »ästhetisch bedeutsamste«(2) Werk Karl Mays: Seine Aussage, sein theologischer Inhalt, wurde jedoch nur wenig beachtet.(3) Neuere Textanalysen betonen zwar grundsätzlich den inhaltlichen Wert des Romans;(4) der theologische Kern, die Verkündigungsmitte des >Silberlöwen<, kommt aber noch kaum in den Blick.

Im Anschluß an Arno Schmidt ist im Karl-May-Handbuch zu lesen: Die Botschaft des >Silberlöwen< sei eine »seicht-unbedarfte, mit spiritistischen Gedankengängen vermengte Reduktionsform christlicher Theologie«; alles verrinne ins Diffuse, ins »quasi religiöse«(5) Pathos der Liebe.

Der religiöse Gehalt des Romans wird in solchen und ähnlichen Verdikten unterschätzt und verkannt. Sicher, der Text hat auch Schwächen. Überlange Gespräche und sinnüberladene Reflexionen stören die Lektüre. Einige Stellen wirken geschraubt und pathetisch, verquollen und sentimental. Unfreiwillige Komik, zum Spott verleitende Sätze finden sich allemal. Und das Religiöse ist mitunter dick aufgetragen.

Die Theologie des älteren May scheint gelegentlich esoterisch. Doch in den wesentlichen Punkten ist sie seriös im Sinne des biblischen Denkens und des christlichen Glaubens. Der >Silberlöwe< verkündet keine belanglose Privatreligion und keinen verblasenen oder gnostischen(6) Mystizismus; Mays Roman enthält eine profunde, eine mystagogische,(7) das Geheimnis der Welt und des Menschen zutiefst berührende Theologie.


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Diese durchaus bedeutende, ideologiekritische und gewiß nicht okkulte Theologie verstehen und schätzen zu lernen, erfordert die Mühe des Überlegens. Aber das Nachdenken lohnt sich. Denn auch und speziell im >Silberlöwen< wird deutlich: Was der Erzähler intuitiv >sieht<, stimmt mit den wichtigsten Aussagen gerade der besten, sensibelsten und die gängigen Denkschablonen hinterfragenden Theologen der Gegenwart überein.

Karl May schreibt, den Propheten verwandt, in gewaltigen Traumbildern. Wer den >Silberlöwen< studiert und dann die alttestamentlichen Psalmen und die Bergpredigt Jesu meditiert, kann entdecken: dieselben Themen, dieselbe Problematik, dieselbe Herausforderung.

Entlang der Texte des >Silberlöwen< sollen Mays persönlicher Glaubensweg, sein Verzweiflungskampf mit sich selbst, seine Gotteserfahrung und seine theologische Botschaft interpretiert werden. Die Untersuchung gliedert sich in folgende Schritte:

I. Die autobiographische Ebene: Verzweiflungskampf mit dem eigenen Ich und radikale Glaubenserfahrung
1. Ins Gericht mit den Feinden: Mays Lebenskrise und die Bergpredigt Jesu
2. Ins Gericht mit sich selbst: Die eingestandene Schuld
3. Der Weg Karl Mays: Die imitatio Christi

II. Die theologische Botschaft: Die Herrschaft Gottes und die Würde des Menschen
1. Das Menschenbild und seine Begründung: Der Mensch vor dem Antlitz des Schöpfers
2. Der große Traum: Das Streben zum Himmel und die Treue zur Erde
3. Die >teure Gnade<: Gottes Erbarmen und die Freiheit des Menschen
4. Mays Ideologiekritik und sein Gegenentwurf: Die kirchliche Bescheidenheit

Zusammenfassung: Eine theologische Dichtung von hohem Niveau

Die Leseebenen des >Silberlöwen< ­ Autobiographie und theologische Botschaft - sind nur schwer voneinander zu lösen. Die Selbstdarstellung ist fast immer auch theologische Botschaft, und die Theologie ist mit der Lebensgeschichte des Autors fast immer verbunden. Doch die »Analyse kann nicht umhin, diese Ebenen in gewisser Willkürlichkeit zu trennen, um zu gültigen Deutungen zu kommen.«(8)


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I. Die autobiographische Ebene: Verzweiflungskampf mit dem eigenen Ich und radikale Glaubenserfahrung

May schrieb an Fehsenfeld: Merken nun auch endlich Sie, wie Karl May gelesen werden muß? ... Sie werden dann finden, daß Sie etwas ganz Anderes drucken ließen, als Sie glaubten! Unsere Bücher sind für Jahrhunderte bestimmt ... (Sie) müssen selbst der Blindheit beide Augen öffnen. Also: M e i n e  Z e i t  i s t  e n d l i c h  d a !(9)

Ja, seine Zeit ist gekommen. Für May ist Gerichtstag: »Die beiden Schlußbände des Silberlöwen (...) sind eine einzige große Abrechnung, nicht nur mit seinen Gegnern, sondern auch mit sich selbst.«(10)

Im >Silberlöwen< spiegeln sich »halb unbewußt, dann immer kontrollierter«(11) die Vergangenheit des Autors, seine aktuellen Erlebnisse, seine widersprüchlichen Stimmungen, die Ehekrise und die qualvolle, von der christlichen Überzeugung Mays widerstrebenden Haßgefühlen beeinflußte Auseinandersetzung mit seinen Gegnern.

Die autobiographische Ebene des Romans hat selbst wieder zwei Dimensionen:(12) zum einen das Gesamtbiogramm des Dichters mit den ältesten Erinnerungen, die zurückverweisen in die Untergeschosse des Unbewußten; zum andern die bewußte Selbstdarstellung des Autors, die Spiegelung der Jahre 1900 bis 1903.

Unser Hauptinteresse gilt dieser zweiten Schicht: der religiösen Entwicklung, dem neuen Bewußtsein, der Wesensveränderung des Schriftstellers zu Beginn seiner letzten Lebensdekade. Mays Beziehung zu Gott, seine Umkehr zur Nachfolge Christi soll erhellt und gedeutet werden.

Die mit den späten Reiseerzählungen einsetzende Selbstkritik des Autors erreicht im >Silberlöwen< ein hohes Niveau. In ihrer Strenge und Schonungslosigkeit übertrifft die Beichte des Ustad, des Maysters, noch die Selbstanalyse des Autors im >Friede<-Roman.(13) Sie führt zur >Auferstehung< des inneren Menschen, zumindest des Wunsch-Ichs des Dichters.

Heftig und zornig, deutlich und hart, übersteigert und unbeherrscht wirkt aber die Schlüsselpolemik gegen die Widersacher. Die Feindesliebe, die seine Richtschnur (IV 195)(14) ist, wird für May zum großen Problem.

1. Ins Gericht mit den Feinden: Mays Lebenskrise und die Bergpredigt Jesu

Eine musikalische Familie ... Für heut sind alle Freunde eingeladen ... Die Instrumente sind bereit, schon wohlgestimmt . .. Dann tiefe Stille.


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Jetzt! Die Bogen berühren die Saiten. Die ersten Takte erklingen ... Da wird die Thür aufgerissen. Ein Feind der Familie kommt lärmend herein, rücksichtslos störend (III 534f.).

Die Ruhe, der Friede war dem Dichter verwehrt. Von Furien fühlt er sich verfolgt. Die Auseinandersetzung mit den feindlichen Kritikern mit Mamroth, Cardauns u. a. - stört den ganzen Roman.

Im Madentraum sieht der fiebernde Halef den Sihdi in größter Gefahr: »Alle, alle brüllten und schrieen auf dich ein; du jedoch bliebst ohne Worte ... sie sagten, du seiest der schlechteste Mensch auf Allahs Erde ... Von den Feinden kam einer nach dem andern auf dich zu. Sobald er dich erreichte, verlor er seine menschliche Gestalt ... Ich schrie, so oft ein Mensch zum Wurm, zur Made wurde und sich in deinen Körper bohrte.« (III 488)

Was aus dem Unterbewußten heraufsteigt, ist lähmende Angst. May will sie nicht akzeptieren. Der Wunschtraum des Dichters führt den Alptraum des Hadschi zum glücklichen Ende: »Die Würmer hatten einander schließlich selbst aufgefressen ... Der Effendi aber stand so heiter und so rüstig da, als ob er gar nicht von ihnen berührt worden sei.« (III 632) Nein, so war es nicht. Der Wirklichkeit des Autors entsprach die Seelenverfassung des Ustad, die Kara Ben Nemsi enthüllt: Er war gehetzt von finsteren Schatten, die ihn auch heut noch nicht verlassen haben! (IV 157)

Welche Schatten verlassen ihn nicht? Zunächst die Gegner, die äußeren Feinde. Sie stellen ihn bloß; sie rauben ihm seine Ehre; sie lachen ihn aus und krümmen sich vor Vergnügen (III 489).

Und May? Sein Ideal ist die Nachsicht, die Liebe auch zu den Feinden. Denn er selbst ist ja Sünder, der Barmherzigkeit Gottes bedürftig. Er weiß es und sagt es ausdrücklich: Er will vergeben, damit auch ihm einst vergeben werde (IV 89).

Zugleich denkt May an seine Vergangenheit, an seine Schuld, die er bereut und gesühnt hat. »Ich verzeihe gern, ... weil auch mir verziehen wurde.« (IV 116) Er weiß, ihm i s t schon vergeben. Deshalb muß auch er nun barmherzig sein (vgl. Mt 18, 23ff.).

Mays Denken ist biblisch begründet; die Bergpredigt Jesu ist für ihn normativ (IV 174). Nicht nur das; er s u c h t die Bewährung: Es stieg in mir das heiße Wünschen auf, doch einmal so sehr, so schwer, so bitter, so tief gekränkt zu werden, daß jeder, jeder Andere es nicht erdulden und nicht ertragen könnte. (III 529)

Der Kritiker könnte sagen: auch hier, im Religiösen, der Drang zum Heroischen! May möchte die Selbstlosigkeit und das Gottvertrauen besitzen, zu schweigen und alle Schmach zu ertragen (ebd.).


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Mit diesem Wunsch übernimmt er sich aber. Die verdrängte Aggression bricht an verschiedenen Textstellen durch.

Tief verletzt haben ihn seine Gegner. Und gekränkt hat ihn die erste Ehefrau Emma. Er duldet es nicht, er kann es nicht dulden. Pekala-Emma, die zunächst so liebevoll gezeichnete Festjungfrau, dichtet er um zum dreisten Gezücht (IV 228).

Die Scheidung von Emma ist May sicher schwer gefallen.(15) Er mußte sein Gewissen beruhigen und seinen Schritt vor sich selber verteidigen:(16) »Weib, du bist verrückt! Es wohnt ein böser ... Geist in dir« (IV 271).

An Mißklängen ist der >Silberlöwe< nicht arm. Kara Ben Nemsi ist grundsätzlich Menschenfreund. Er meint es gut; aber den Aschyk läßt er fesseln, daß ihm die Schwarte knackt (IV 360). Die Absicht ist edel: Der Mann soll zur Einsicht, zur Reue gelangen. Aber Schakara, die Seele, erschrickt: »Wie streng du sein kannst, Effendi, wie unerbittlich kalt und streng! Das wußte ich noch nicht.« (IV 363)

Mays Gegnern wird in der Fiktion des Romans ein häßliches Ende bereitet. Ahriman-Mamroth verfällt, wie Nietzsche, dem Wahnsinn. Und Ghulam-Cardauns wird nach »guter Dante-Sitte«(17) in die Hölle (IV 582) geworfen.

Warum noch, im sonst so humanen Spätwerk, diese Härte und diese Grausamkeit? Man muß sie bedauern und doch auch verstehen: »Der Gemarterte hat keine andern Töne als die, welche ihm der Schmerz erpreßt.« (IV 24)

Karl May ist ein Christ, aber angefochten in seiner Treue und erschüttert in seiner Tiefe. Sein Kampf ist ein Kampf um die Liebe, ein Ringen mit Gott. Voller Zorn fragt der >Meister< sein anderes Ich: »Ist Gott wirklich nur Liebe? ... Und soll nur Gott allein das Böse bestrafen dürfen, nicht auch der Mensch, nicht ich? ... >Liebet eure Feinde!< klang es tief in mir... Ja, es ist Christi Gebot... und ich werde es halten« (IV 178f.).

Doch die Liebe, so meint der Ustad, kennt auch die Strenge. »Ich werde ihnen ­--« »--- die Faust zeigen!« unterbrach ich ihn. »Nicht wahr, Ustad?« (IV 179)

2. Ins Gericht mit sich selbst: Die eingestandene Schuld

»Wahnsinn ist's ..., daß Ihr den Schemen flucht, anstatt der eignen Torheit!« (IV 336f.)

Wer das Böse nur dauernd bei anderen sucht, wer sich selbst nur immer entlastet und die eigene Schuld nur immer beschönigt, ist mensch-


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lich nicht reif. Auch religiöse, auch fromme Menschen neigen bisweilen dazu, die Welt als böse zu betrachten und das eigene Versagen zu ignorieren.

Und Karl May? Bezichtigt er seine Gegner, um sich selber dann freizusprechen? Der >Silberlöwe< zeigt ein erstaunliches Maß an kritischer Selbstreflexion. May schont sich nicht.

Mehrfach begegnet der Autor dem Leser: in Kara Ben Nemsi, im Ustad, in Halef, in Tifl, im Aschyk, in Ahriman und auch noch in weiteren Romangestalten.(18) Theologisch relevant sind die Geständnisse Halefs, des Aschyk und vor allem des Ustad.

Der Apostel Paulus kennt das >Gesetz<, daß in ihm das Böse lebe, obwohl er das Gute will. Er freut sich »dem inneren Menschen nach« über Gott. »Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit (...) meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangenhält im Gesetz der Sünde (...) Ich unglückseliger Mensch! Wer wird mich herausreißen aus diesem Leib des Todes?« (Röm 7, 21 - 24)

Dieser Konflikt ist Hadschi Halefs Problem, das er ­ mit Verweis aufs Neue Testament ­ auch richtig erfaßt (III 113): Das Gute in ihm nennt er den >Halef<, das Bombastische und Unbeherrschte den >Hadschi<. Daß er auch für den Hadschi verantwortlich ist, das weiß er sehr wohl (III 181).

Auch Kara Ben Nemsi, das Ich-Ideal, erkennt die eigene Fragwürdigkeit. Die Nähe des Beit-y-Chodeh, des Gotteshauses, öffnet sein Herz (III 625). Ehrlich und offen will er seine Schuld dem Ustad bekennen. Doch seine Beichte kommt über Andeutungen nicht hinaus.

Das >Beichtkind< wird plötzlich zum Ankläger, zum >Beichtvater< des Ustad. Dieser und Kara Ben Nemsi tauschen die Rollen. Der Meister, der dem Erzvater Abraham gleichende Mann von Erz (IV 157), wird kleiner, ... immer kleiner (VI 156).

Kara Ben Nemsi, das erzählende Ich, ist dem Ustad jetzt überlegen. Dieser Rollenwechsel »destruiert das ursprüngliche Konzept, ist aber einleuchtend erklärbar«.(19) Angesichts der gegnerischen Häme schien Karl May die unverhüllte Selbstanklage nicht ratsam. So zog er es vor, »die Beichte auf das geheime Ich, den Ustad, zu delegieren.«(20)

Der Ustad ist kein Anderer als Karl May.(21) Sein Glanz fällt ab: »Du armer, armer Ustad! Was hast du doch für irrige Begriffe... « (IV 70)

Unter dem Aspekt der Selbstkritik des Autors ist das Nachtgespräch des Ustad mit Kara Ben Nemsi der »autobiographisch wichtigste« Abschnitt des >Silberlöwen<, dem »dringend eine eingehende Studie«(22) zu widmen wäre. Hier sind nur einige Hinweise möglich.

Der Ort des Gesprächs, der >Beichtstuhl<, ist eine Gruft wie das Stu-


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dierzimmer eines europäischen Gelehrten (IV 2f.): das exotisch verkleidete Arbeitszimmer Karl Mays in der Villa Shatterhand.(23)

Rigoros und gewissenhaft will der Mayster sich prüfen. Hat er die nötige Distanz zu sich selbst? »Hältst du dich für einen unparteiischen Richter über dich?«, fragt Kara Ben Nemsi den Ustad. »Nein, aber du sollst mich richten.« »Ich? Das ist unmöglich, denn ich liebe dich.« »So wollen wir beide es vereinigt sein. Wir wollen einander beaufsichtigen, damit das Urteil ein gerechtes werde.« (IV 10)

Die vollständige Selbsterkenntnis ist dem Menschen auf Erden verwehrt. Ins Herz sieht nur Gott: »Erprobe mich, Herr, und durchforsche mich!« (Ps 26, 2) Das »Selbstgespräch in Dialog-Verkleidung«,(24) die Beichte des Ustad vor dem eigenen Ich, kann die Wahrheit nur teilweise erfassen. Immerhin: wie Ignatius von Loyola lehrte, findet der Mensch die >lenkende Gnade< Gottes durch das Hinhören auf sich selbst.(25) Von diesem Ansatz her ist der Dialog des Ustad mit dem Effendi, dem anderen Ich, zu verstehen.

Karl May denkt nach über sich selbst. Seine Einstellung dem Feind gegenüber war unrealistisch; sie ist es, wie er spürt, auch noch jetzt: Als Kara Ben Nemsi kann er nur lachen über die feindliche Presse; als Ustad schaut er gebannt in die Zeitungen (IV 159ff.). Einerseits unterschätzt er die Gegner und verkleinert sie zum bloßen Phantasma; andrerseits läßt er sich, erregt, zum Eifer verleiten und wähnt im Gegner den Teufel, den >Erdengott<. (IV 85).

Seine bis zur gegenwärtigen Stunde ihm unbekannten Fehler werden dem Mayster nach und nach klar: Er steht keineswegs so hoch über (den) Feinden, wie er gemeint hat; er muß entdecken, daß auch er nicht frei von Schmutz ist (IV 42f.).

So neu ist diese Erkenntnis ja nicht. Daß er sich reinigen müsse vom Erdenschmutz, hat May schon früher geschrieben.(26) Aber der Kampf wird jetzt, im siebten Lebensjahrzehnt, erst zu toben beginnen.

Karl May sieht nun ein: er hat seine Fehler verteidigt, statt sich von ihnen zu trennen (IV 87). Er hat sich leider, leider (IV 42) gewehrt durch Gegen-Attacken und peinliches Selbstlob.(27) Er weiß, das alte Fleisch muß herunter! (III 489) Aber verliebt in sich selbst hat er den Kritikern nicht erlaubt, reine Arbeit zu machen. (IV 87)

War die Kritik der Gegner in jeder Hinsicht verfehlt? Mamroth rügte die Selbstreklame, die Shatterhand-Legende, die Auftritte Mays in der Öffentlichkeit. Indirekt, aber deutlichst gibt May ihm nun recht. Kara Ben Nemsi macht es dem Ustad, sein Gewissen macht es Karl May jetzt bewußt: Die Ruhmsucht ist seine Freundin, seine Herrin gewesen (IV 72).


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Wir Dichter sind alle gern ein Wenig berühmt.(23) Bei May war es schlimmer; der Berühmtheit hat er seinen Geist, seine Seele verschrieben. »Kennst du diese Art von Berühmtheit? Sie ist dämonischer Natur.« Der Ustad gibt zu: »Ich kenne sie ... Welche Opfer habe ich ihr gebracht! Jedem Laffen hatte ich mich vor die Füße zu werfen und vor jedem hohlen Kopfe mich zu verbeugen! Jedem Narren mußte ich gefällig sein, ... und wenn der Unverstand mich auch mit tausend Albernheiten plagte, ich hatte still zu halten nur um ihretwillen.« (IV 72)

Die dümmsten Fragen nach seinen Zaubergewehren, nach Halefs Alter, nach Bildern von Winnetou usw.(29) hatte May zu beantworten. Um den Ruhm des >Weltläufers< zu retten, durfte er nicht so sprechen, wie (er) wollte (IV 72).

Mays Shatterhand-Pose war krankhaft.(30) Sie war aber, und darum geht es hier in der Beichte, auch schuldhaft. Denn die Ruhmsucht ist für May, wie er selbst erkennt, zum Götzen geworden.

Ein Kernpunkt der May-Schelte war ferner die Predigtmanier, die >heuchlerische Frömmelei< unseres Dichters. Er wies das zurück cum ira et studio. Aber wie heftig und wie heilsam gerade dieser Tadel den Schriftsteller beunruhigte, beweisen die Texte des >Silberlöwen<. Im Ustad mußte alles ... ins Wanken kommen, tief erschüttert werden .... bis er deutlich sehe, wo eigentlich das wahre Christentum zu finden sei (IV 196).

Zunächst ist die Rede des Meisters nur Abwehr und reine Verteidigung: Sein Glaube sei das Prinzip, das Alpha und das Omega seines Strebens gewesen (IV 16). Allezeit, in jeder Lebenslage (IV 195), habe er gebetet und der Weisheit Gottes vertraut. Die ganze Christenheit, die volle Priesterschaft an ihrer Spitze (IV 88f.), so dünkt es den Ustad, müßte sich jetzt erheben, um ihn, den Musterchristen, zu schützen.

Der Effendi läßt sich nicht täuschen. Er hält dem Ustad vor: es war nicht Gottes Geist, nach dessen Ruhm er suchen ging (IV 17). May suchte, so sagt er sich selbst, nur das eigene Ich, den eigenen Glanz. »Du fandest ihn, den gleißnerischen, falschen. Man rief dir Hosiannah zu« (IV 17).

Seinen Doppelgänger trifft Kara Ben Nemsi an der empfindlichsten Stelle, im religiösen Sendungsbewußtsein. Er rezitiert ironisch frömmelnd, möglichst salbungsvoll ein Gedicht, das der Mayster mit seinem Herzblut verfaßt hat. »Höre zu! Du sollst die Fetzen fliegen sehen!« Der Ustad erschrickt: »Effendi, du vernichtest mich!« (IV 173)

Der Mann war stolz auf seinen Leidensweg (IV 166). Als Christ hat er sich selbst bewundert und seine Erwählung genossen; doch Jesu Beispiel hat er nicht befolgt (IV 17). Sein Christsein war nur Fassade.


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Mit dem äußeren Schein, mit den Mantelfetzen des Erlösers hat sich der Meister begnügt. Das war Sünde und das war lächerlich! (IV 173f.)

Sind solche Zensuren, solche Selbstbezichtigungen des Autors nicht übertrieben und ungerecht? War der Christ Karl May nur ein Blender? Verdienen die religiöse Substanz und die ethische Grundtendenz auch seiner früheren Werke nicht Anerkennung? Durchaus; aber May will ja weiterkommen. Als theologischer Dichter, als Mensch und als Christ will er reifer werden.

Das Nachtgespräch des Ustad mit Kara Ben Nemsi läßt keinen Zweifel: Karl May hat eine Gotteserfahrung gemacht. Den Anspruch, die Nähe und die Fremdheit Gottes hat er erfahren: »Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege. So spricht der Herr!« (Jes 55, 8; IV 3)

Vor dem Angesicht dieses Gottes kann der Mensch, in seiner Selbstgerechtigkeit, nicht bestehen. Er muß, wie Adam, seine »Nacktheit« (Gen 3, 7), seine Blöße erkennen. Dieser Erkenntnis, der Wahrheit über sich selbst, kann May nicht länger entfliehen.

Seine Existenz, das Fundament seines Lebens und Strebens ist am Zerbrechen. Der Vergleich mit Hiob und anderen Symbol-Gestalten der Bibel liegt nahe. Der Schriftsteller selbst erwähnt den Propheten Elia in der Wüste von Beerscheba: Er wünschte sich den Tod und sprach: Es genügt mir, Herr. Nimm meine Seele, denn ich bin nicht besser als meine Väter. (1 Kön 19, 4; III 159)

Ustad-May ist enttäuscht und verbittert: »Du hast alleinzustehen ... in allertiefster Seeleneinsamkeit« (IV 184f.). Denn der >Prophet< ist gescheitert. Als >Lügner< ist der Weltläufer May entlarvt; als >Verderber der Jugend<, als geschiedener und wiederverheirateter Ehemann ist er - in der Sicht mancher Gegner ­ verstoßen aus der »Gemeinschaft der Gläubigen« (IV 196).31

Schuld an seinem Unglück sind nicht nur die Feinde. Verantwortlich ist er selbst - wie jener verfolgte Prophet, wie jener »Mann des Streites und Zankes für alle Welt«, wie jener Gekränkte, der »nicht mehr im Kreise der Fröhlichen sitzt«, der »Strafe« verlangt für die »Feinde« und der beteuert und klagt: »Fürwahr, Jahwe, ich diente dir doch gut (...) Um deiner Hand willen sitze ich einsam da, denn mit Verwünschung hast du mich angefüllt. Warum dauert mein Schmerz denn ewig und warum ist meine Wunde unheilbar?«

Jeremia heißt dieser Prophet. Wie der Ustad muß er sich sagen lassen: Er selbst ist schuldig geworden. Denn er hat »eitel« geredet von Gott. Erst wenn er umkehrt von seinem Weg, wenn er Neuland betritt


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und »Edles hervorbringt«, wird er erneut und wahrhaftig Prophet, »Mund Gottes«, sein dürfen (Jer 15, 10-21).(32)

Auf diese Erfahrung muß May sich jetzt einlassen. Auf die Berühmtheit als Bestseller-Autor, als Renommee-Katholik und Old Shatterhand muß er verzichten (vgl. IV 72). Und zu thun muß er beginnen, was Jesus verlangt hat: >Ein jeder nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!< (IV 173)

Die Absolution wird dann nicht zu verweigern sein. Und der Engel wird, wie einst den Elia, auch May dann berühren: Steh auf, und iß! (1 Kön 19, 5; III 159)

3. Der Weg Karl Mays: Die imitatio Christi

Der révision de vie, der Gewissenserforschung und dem Sündenbekenntnis, der Reue und der Vergebung hat die Umkehr, der neue Aufbruch zu folgen. Mays Krise ist eine Glaubenserfahrung! Um dies zu verdeutlichen, muß ­ aus biblischer Sicht ­ das Wesen des Glaubens erläutert werden.

Nach Freud und anderen Religionskritikern wird der Gottesgedanke aus dem kindlichen Verlangen nach Schutz geboren. An dieser These ist richtig: in der Sehnsucht nach Trost und in der Furcht vor Bestrafung erschöpft sich für viele die Religion.(33) Für solche Menschen ist Gott nur der liebende Vater und der zürnende Richter, der Erfüllungsgehilfe ihrer Wünsche und die Projektion ihres Elends.

Doch der Glaube, wie ihn die Bibel beschreibt, ist etwas anderes. Er setzt zwar Gottes Liebe und Gerechtigkeit voraus, vom infantilen >Lustprinzip< und den Mechanismen der Furcht will er aber gerade befreien.

Die Grundstruktur des Glaubens ist das Vertrauen auf Gottes Verheißung. Nach dem Zeugnis des Alten und des Neuen Testaments(34) zeigt sich diese Struktur modellhaft in Abraham, dem der Ustad gleicht (III 274f.) und dessen Bedeutung als wirklich Auserwählter (III 507) May ja betont.

Gottes Weisung mutet Abraham zu: »Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich (...) segnen (...) Ein Segen sollst du sein.« (Gen 12, lf.)

Abraham gehorcht diesem Ruf. Er gründet sein Leben auf Gott, und eben dies ist sein Glaube: ein Wagnis, ein Abenteuer. Der Mann aus Chaldäa hat nichts in der Hand; Gottes Verheißung ist unbestimmt. Sie wird sehr lange nicht eingelöst. Im Gegenteil, Abraham wird aufs


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schwerste geprüft: »Nimm deinen Sohn, den einzigen, den du lieb hast, den Isaak, (...) und bringe ihn mir (...) zum Brandopfer dar.« (Gen 22, 2)

Eine genauere Exegese dieser Stellen ist hier nicht möglich.(35) Es genügt die Zusammenfassung: Glaube bedeutet die Preisgabe der Vergangenheit (»Zieh weg«) und die Übergabe des Teuersten (»Nimm deinen Sohn«) in die Hand eines zwar liebenden, aber oft hart und unbegreiflich erscheinenden Gottes, der den Menschen über seine Grenzen hinausführt.

Daß dieser so groß geschilderte Glaube von Abraham selbst nicht ebenso groß verwirklicht wurde,(36) bleibt allerdings festzuhalten. Das »Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben« (Mk 9, 24) gilt auch für Abraham. Doch das ändert nichts an der Feststellung: Nicht die Angst, sondern der Mut zum Verzicht liegt dem Glauben zugrunde. Denn Glaube meint, auch in Jesu Verständnis,(37) den Exodus: den Auszug aus >Ägypten<, den Zug durch die >Wüste<, die Hingabe des ganzen Herzens an Gott, der den Menschen hinausruft ins Land der Verheißung.

Vor diesem Hintergrund ist jene Szene des >Silberlöwen< zu verstehen, die zu Recht viele May-Kenner fasziniert und die, autobiographisch gesehen, von größter Bedeutung ist.

Von einem unbeschreiblich schweren Weg spricht der Ustad, von der Menschenfurcht und feigen Scheu, die einst ihn zwang, vor diesem Weg zurückzubeben (IV 66). Doch plötzlich, in einer hochdramatischen Wende, ist der Meister wieder so stark wie bei der ersten Begegnung mit Kara Ben Nemsi: So ... muß das Gericht dem Menschen in die Augen schauen, wenn es einst von ihm sein früheres Leben fordert (ebd.).

Karl May muß sich stellen: »Du bist Old Shatterhand?« fragt der Ustad. »Ich war es«, antwortete ich ruhig, aber bestimmt... »Du bist Kara Ben Nemsi Effendi?« »Ich war es«, erwiderte ich abermals. »Bist es nicht mehr? Beides nicht mehr?« ... »Beides nicht mehr!« nickte ich. (IV 67)

Der >Tod< des früheren May ist literarisch dokumentiert. In des Ustads Rumpelkammer für unbrauchbar gewordene Gegenstände (IV 64) liegen sein Eigentum, seine Rüstung, seine Wundergewehre. Ob er das alles verschenken wolle, fragt ihn der Ustad.

Es war eine große, eine hochbedeutende Frage, welcher ich da gegenüberstand. (IV 69) Der Effendi zögert. Er denkt, merkwürdigerweise, an Ahriman Mirza. Ist Ahriman, ist Mamroth im Spiel? Soll May nur kapitulieren? Vor der Kritik am Shatterhand-Kult, am Super-Ich der Reiseerzählungen? Nein, seine Wandlung hat schon v o r der Presse


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Hetze begonnen.(38) Er hat den Weg zu gehen, den er selbst sich vorgezeichnet hatte (IV 69).

Er verzichtet auf seinen Besitz. Er geht hinaus, ohne ihn noch einmal anzusehen. (IV 72) Er hört auf, zu sein, der er war. Denn die »Embleme meiner bisherigen Thätigkeit, sie sind - - - ich! Das Ich, welches ich war!« (IV 70)

Nachdem er im Herbst 1899 den früheren Karl(39) ins Rote Meer geworfen und im Jahre 1902 die Negativ-Platten der Shatterhand-Photos in der Donau versenkt hat,(40) gibt May auch im >Silberlöwen< seine Vergangenheit (IV 180) auf. Er verläßt seine >Heimat<, das Genre des Abenteuerromans. Er widersagt den Shatterhand-Gesten. Er gehorcht dem Ruf, ein völlig andrer (IV 69) zu werden. Er bricht auf ins neue Land der prophetischen Poesie, der religiösen Symboldichtung. Er spürt, die alte Kraft ist wieder da. (IV 178) Er widersteht der Versuchung, ins fremd gewordene Land der alten Romane zurückzukehren; denn wahrer Geist kennt nicht das Rückwärtsgehen. (IV 180)

Karl May macht eine Ostererfahrung: Lazare, komm heraus! (IV 20) Wie Waller im >Friede<-Roman fühlt er etwas unendlich Beglückendes! (IV 167) Er feiert »mitten im Tag ein Fest der Auferstehung«:(41) Er geht in ein anderes ... unendlich wertvolleres (IV 70) Leben über!

Kara Ben Nemsi, Karl May, ist ­ so scheint es - befreit (IV 71). Er hat die Prüfung bestanden. (IV 153) Und seine Gewehre bekommt er vom Ustad zurück. Denn seine Feinde setzen ihm, immer noch, zu. Das hehre Wort »Tritt völlig ungerüstet vor sie hin!« (IV 66) wird nun doch nicht verwirklicht.

Eine Wende zum Realismus? Oder eine Inkonsequenz, die Tadel verdient? Der >Sprung über die Vergangenheit<, im Roman so leicht wie ein Gedanke (III 255), ist in der Realität Karl Mays ein schwerer Prozeß. May bleibt, mit Luther gesprochen, ein >Bettler vor Gott<. Der alte Adam rührt sich noch immer. Ein Grund zur Kritik und zum Hohn? »Ich bin ein Mensch. Ihr wollt das nicht begreifen, / Weil ihr wohl schon ganz übermenschlich seid.« (IV 160)

May glaubt und vertraut. Er bleibt, wie Abraham, ein Sünder auf seinem Weg zu Gott.(42) Aber der Trend, die Richtung des Weges ist klar: hinauf zur wirklichen Kunst, zur vergebenden Liebe, zur imitatio Christi.

Die Grundstruktur des Abraham-Glaubens erreicht im großen Traum(43) Kara Ben Nemsis (IV 314-352) eine mythologische und zugleich neutestamentliche Dimension. Der Held, das träumende Ich, wird zum >Nachfolger Jesu<. Er geht zu denen, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes (vgl. Lk 1, 79). Er widersteht den Schat-


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ten,(44) den Mächten der Unterwelt. Er schenkt, wie Jona im Bauche des Fisches, dem Gebet vollen Glauben. Er springt ins scheinbare Nichts, in die eiskalte Flut zu verkalkten Gerippen. Er sieht das Mysterium: Was ich da sah, das ward noch nie gesehen (IV 346). Er spricht mit den Toten. Er setzt ihrem Fluch den Segen entgegen. Er besitzt den Schlüssel Hephata(45) und führt die Erlösten hinaus in die Freiheit, dem Beit-y-Chodeh, dem Hause Gottes entgegen.

Die Interpretation dieser Traumelemente gehört ins nächste Kapitel, zur theologischen Botschaft des >Silberlöwen<. Autobiographisch relevant ist aber natürlich die Frage: hielt May sich selbst für den »neuen Heiland«,(46) der das Böse besiegt? Der Gesamttext spricht gegen diese Auffassung. Mays Erlöser ist Christus (IV 291ff.), dem er glaubt und dessen Ruf er nicht überhört.

Tiefenpsychologisch gesehen weist der Traum Kara Ben Nemsis zurück ins vorgeburtliche Sein.(47) Und das unterweltliche Totenhaus verschlüsselt, außerdem, die Gefängnisse von Zwickau und Waldheim.(48) Über diese Aspekte hinaus zeigt der Traum des Erzählers den Weg, den Karl May als den seinen erkennt: die imitatio Christi.

Die Konsequenz des christlichen Glaubens ist die Nachfolge: das angenommene Kreuz (IV 173), die Teilhabe am Weg und am Schicksal des Menschensohns.(49) Jesus nachfolgen und sein Kreuz auf sich nehmen heißt: Gott und die Menschen lieben. Sein Kreuz auf sich nehmen heißt aber zugleich: sich selbst bejahen (vgl. Mt 19, 19), positiv zu sich selber stehen, auch das dunkle Kehrseitenbild (IV 75) der eigenen Seele erkennen und integrieren.

Welches Kehrseitenbild ist gemeint? Die Jung-Schülerin Marie-Louise von Franz bringt eine wichtige Unterscheidung. In der menschlichen Psyche gibt es ein wirkliches und nicht integrierbares Böses, »das sich der Sublimierung widersetzt und das hinausgeworfen werden muß«.(50) Es gibt aber auch kindische und entwicklungsfähige Schattenseiten der Seele, die zu verwandeln sind: »Wenn wir unsere eigene Gier, Eifersucht (...) usw. sehen könnten, dann könnten sie positiv genutzt werden, weil in solch destruktiven Emotionen viel Leben gespeichert ist, und wenn uns diese Energie zur Verfügung steht, kann sie für positive Ziele eingesetzt werden.«(51)

Zu dieser Einsicht kommt May im >Traum<(52) Kara Ben Nemsis. Der Traum befreit den Träumer vom Wahn, der aller Welt den Schatten rauben will, weil er sich selbst für ohne Schatten hält. (IV 350) Das erlösend wahre Wort vernimmt am Ende der Träumer aus dem Mund eines Zauberers: »Wer keinen Schatten wirft, der kann kein Wesen sein« (IV 345).

Der böse Zauberer, mit dem Kara Ben Nemsi gekämpft hat, ent-


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puppt sich am Ende des Traumes als Werkzeug des Guten, als Vermittler des inneren Reifungsprozesses des Träumenden. »Wer mir verzeiht«, erklärt der verwandelte Schatten, »hat nur sich selbst verziehen«. (IV 345)

Das erzählende Ich reflektiert seinen Traum. Seiner Seele, dem Mädchen Schakara, vertraut Kara Ben Nemsi es an: »Der Schatten ... rettet mich vor ... meinen eignen Truggebilden, und Wahnsinn wäre es, wenn ich ihn hassen wollte.« (IV 355)

Mays Kampf mit dem eigenen Schatten, sein Weg der Nachfolge Christi schließt die Selbstbejahung, die Annahme der eigenen Schattenseiten mit ein. May weiß nun: er darf sich selbst nicht hassen und das >Dunkle< in sich nicht verfluchen. Er darf auch Fehler begehen, und er darf sich auch irren: »Gesegnet sei, wer nach der Wahrheit suchte / Und ihr zu Füßen auch den Irrtum fand. / Drum leg ich ihn, den ich bisher verfluchte, / Mein Gott und Herr, in deine Gnadenhand!« (IV 343)

Wer sich in solcher Weise festmacht in Gott und die eigene Fehlbarkeit (und Erlösungsbedürftigkeit) nicht verleugnet, dessen theologische Botschaft ist einer Betrachtung wohl wert.

II. Die theologische Botschaft: Die Herrschaft Gottes und die Würde des Menschen

Gott ist, wie das Beispiel Abrahams zeigte, der ferne, den Menschen über sich selbst hinausrufende Gott. Und er ist zugleich der ganz Nahe: dem Menschen ­ wie Augustinus und die Mystiker sagen - >innerlicher als er selbst<.(53) Im »Kampf mit dem >Schatten<«(54) hat der Träumer sich selbst, seine Seele gefunden; und er hat, in der Selbstfindung, auch seinen Schöpfer gefunden.

Eugen Drewermann, ein bekannter Theologe und Psychotherapeut, vertritt die Auffassung: Weil Gott durch die Seele spricht, ist es »ein und dasselbe (...), die Angst des Daseins zu überwinden und zu Gott hinzufinden«, ein ganzer Mensch zu werden und zu einer »frommen Poesie der Dankbarkeit und des Gebetes hinzufinden«.(55) Eine solche Poesie ist der >Silberlöwe<.

Ähnlich wie im >Friede<-Roman, aber mit anderen Akzenten, ist das Thema die göttliche Gnade, das Heil des Menschen und der Schöpfung insgesamt. Diese Botschaft soll interpretiert und in ihrer Brisanz, in ihrer letzten Bedeutsamkeit für den Menschen erhellt werden.

Vorauszuschicken ist die banale, aber doch wichtige Bemerkung: nicht jeder Satz des Romans hat denselben Rang und dasselbe Ge-


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wicht. Wie jeder Mensch hat auch May, neben wirklichen Glaubensüberzeugungen, bestimmte Meinungen, die nicht derselben Tiefe entspringen, die heute vertreten und morgen relativiert werden können. Bloße Meinungen und letzte Überzeugungen genau voneinander zu trennen, ist sicher schwierig; aber Merkmale der Unterscheidung gibt es im >Silberlöwen< durchaus.

Der Ustad - »eine Art Tolstoi«(56) - verschmäht jeden Alkohol. Und alles, woran Blut war, ißt er nicht. (III 565) Über die richtige Ernährung philosophiert auch der Autor: Wenn die Menschen doch wüßten, was die Art und Zubereitung der Nahrung für einen Einfluß ... hat! (III 345) Karl May sind solche Dinge zwar wichtig, doch zur Religion erhebt er sie nicht.

Die Heilung der Krankheiten des Erzählers und Hadschi Halefs durch Gebet, durch psychische Energien, durch (im Tiefschlaf freigesetzte, vom Duft der Blumen und den Klängen der Harfe unterstützte) Kräfte des Unbewußten(57) wird im >Silberlöwen< breit ausgemalt. Als Seelenarzt ist der Ustad bewegt vom göttlichen Geist; seine Ausstrahlung, sein noch unbekanntes Fluidum (III 296) hat eine heilende Wirkung. Man könnte bei solchen Stellen Verdacht schöpfen. An die Geistheiler könnte man denken, wie sie in der Sektenszene heute verbreitet sind. Doch May grenzt sich deutlich und glaubwürdig ab von jeder Magie, vom Okkultismus, von der Pneumatologie und ähnlichen ... Geschenken der übersinnlichen Wissenschaft (III 330).(58)

Der Pedehr, auch Hanneh u. a., tragen bestimmte Ansichten über den Leib, den Geist und die Seele vor (z.B. III 322ff.). Der Autor macht sich Gedanken darüber. Zur eigentlichen Botschaft gehören diese Erörterungen aber wohl kaum; dafür sind sie zu tastend und unbestimmt.

Was seine Leib-Seele-Theorien betrifft, könnte sich May an Swedenborg angelehnt haben.(59) Auch könnte er, wie andere Zeitgenossen, manche Ideen Rudolf Steiners übernommen haben.(60) Eine anthroposophische Lehre hat er aber nicht verkündet. Spezifisch esoterische,(61) den Anthropologien der Bibel kontradiktorisch widersprechende Aussagen gibt es bei ihm nirgendwo.

May sei, so wird oft gesagt, ein Eklektiker. Dem »Christentum, dem Parsismus und dem Manichäismus«(62) habe er einen Dualismus von Gut und Böse, von Licht und Schatten, von Geist und Materie(63) entnommen. Solche Behauptungen werden May nicht gerecht. Einen Dualismus im strengen Sinn vertritt er keineswegs. Weder betrachtet er den Leib als etwas Böses, noch versteht er Gut und Böse als gleich mächtige Seinsweisen.(64)


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Für die theologische Deutung des >Silberlöwen< sind die Leib-Seele-Spekulationen nicht wesentlich. Wir lassen sie, im folgenden, auf sich beruhen und beschränken uns auf zentrale theologische Aussagen des Romans.

1. Das Menschenbild und seine Begründung: Der Mensch vor dem Antlitz des Schöpfers

In Nietzsches Buch >Die fröhliche Wissenschaft< (1882) läuft der »tolle Mensch« auf den Markt und schreit unaufhörlich: »Ich suche Gott! Ich suche Gott!« In der Menge nur großes Gelächter.

Gott ist >tot< für das Bewußtsein von Menschen, die ihn nicht mehr zu brauchen scheinen. Der tolle Mensch spricht aus, was die andern schon nicht mehr beschäftigt: »>Wohin ist Gott?< rief er. >Ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet ­ ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! (...) Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? (...) Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht? (...) Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? (...) Müssen wir nicht selber zu Göttern werden (...)?<«(65)

May verstand sich als Antipoden des Philosophen(66) (der im hier zitierten Text das Entsetzen über den Gottesverlust freilich selbst noch bezeugt): »Und an demselben Tag, da drüben Alles stürzt, wird hier das Wunder neu geboren werden, daß Steine schreien, wenn man Gott nicht hört!« (IV 334)

Für May ist Gott nicht verlorengegangen und die Erde nicht losgekettet von ihrer Sonne. Der Mensch ist nicht hinausgeworfen in die Leere des Raums, und die Stelle Gottes braucht er nicht einzunehmen. Mensch darf er sein vor dem Angesicht Gottes: »Bau auf mein ew'ges Wort; steig auf zur Sonne. Amen!« (III 513)

Der Mensch ist ­ in allen Werken Mays ein Grundmotiv ­ von guten Mächten geführt. Ein planender Geist, ein ewiger Wille bestimmt alles Sein: Wie wunderbar die Fäden des menschlichen Lebens gesponnen werden! ... Wer legt die Muster auf? Wer lenkt das unermüdliche Schiffchen ... vom ersten bis zum letzten Augenblicke unserer Erdenzeit? Immer und immer nur wir selbst? Wir armen armen, kurzsichtigen Thoren! (III 288)

Der Mensch ist gehalten in Gottes Händen. Woher nimmt May dieses Wissen? Der Ustad hat vier Bibliotheken: die Bibel, sein eigenes Herz, die sichtbare Schöpfung und viele, viele Bücher (III 323f.). Prä-


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gnant und theologisch korrekt sind die Spuren Gottes im Blick: Gottes Selbstoffenbarung in der Welt und in den heiligen Schriften sowie die Lebenserfahrung des Autors und anderer Menschen, die den Glauben zu leben versuchen.

Zum Glauben gehört die Erinnerung. Wer glaubt, blickt zurück und erkennt: In wieviel Not (IV 388) hat Gott mich bewahrt; er hat es getan und wird es auch weiterhin tun (vgl. Jes 46, 4). »Kein Fatum, kein Kismet, sondern eine Führung, eine Oberleitung« (IV 388)!

Welche Führung ist gemeint? Eine >reine Idee<, ein unpersönliches ,Es<, ein numinoses Prinzip, eine kosmische Energie im Sinne Rudolf Steiners oder des modernen >New-Age-Bewußtseins(67) Der >Silberlöwe< weist in eine andere Richtung: Die Dschamikun (des Ustads Volk) sind Leute, die wissen, wem sie angehören (III 290). Die Summe alles dessen, was geschrieben ist (III 324), ist der p e r s ö n l i c h e,(68) die Antwort des Menschen erwartende Gott. Die Summe ist der Ausruf der Mekka-Pilger nach langer, mühsamer Wanderung ... >Hier bin ich, o mein Gott!< (ebd.)

Im Verständnis Mays und in der Sicht der Religionen ist Gott das eigentliche Ziel der menschlichen Sehnsucht. Aber müßte die Welt nicht schon jetzt anders aussehen, wenn Gott allmächtig und gut ist? Wenn gute Mächte, wenn Gottes Engel den Menschen behüten (IV 388)?

Wie ist das L e i d zu erklären, die Verzweiflung in ihren vielen Gestalten? In fast all seinen Dimensionen hat Karl May das Unglück erlebt und drastisch geschildert. In erzählender Theologie(69) hat er alle Leiden zum guten Ende geführt. Warum geben unsere Dichter solchen Lebenskämpfen fast immer einen tragischen Schluß? Kennen sie unsern Herrgott nicht? (III 563f.)

May will das Unglück gewiß nicht verharmlosen.(70) Angesichts des Zweifels an Gottes Güte und Gerechtigkeit verweist er auf die Verantwortung des Menschen in dieser Welt.(71) Auf rationale Erklärungen für das Leid verzichtet er aber. Er lädt nur ein zum Vertrauen: daß »zu unserm Heile die Gründe dessen, was geschieht, verborgen bleiben« (III 474).

Warum läßt Gott uns leiden? May gibt keine plausible Antwort. Eine Schwäche seines Konzepts, seiner theologischen Poesie?

Von seinem letzten Besuch bei Romano Guardini berichtete Walter Dirks: Der alte Mann habe gesagt, er »werde sich im Letzten Gericht nicht nur fragen lassen, sondern auch selber fragen; er hoffe in Zuversicht, daß ihm dann der Engel die wahre Antwort nicht versagen werde auf die Frage, die ihm kein (...) Dogma und kein Lehramt, die ihm keine >Theodizee< und Theologie, auch die eigene nicht, habe beantwor-


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ten können: Warum, Gott, zum Heil die fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld?«(72)

Warum läßt Gott uns leiden? Karl Rahner hat alle gängigen theologischen Antworten in Frage gestellt.(73) Sein Credo: Gott ist ein Geheimnis, unergründlich und zu bejahen nur in der Liebe, die Gott - dennoch ­ vertraut.

»Was bist du betrübt, meine Seele, und so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen.« (Ps 42, 6) Auch Mays Gedanken münden ein in den Lobpreis. In allen Klagen, in allen offenen Fragen verläßt er sich auf das Herrenwort in der Bergpredigt (Mt 6, 8): »Euer Vater weiß, was ihr bedürfet, noch ehe ihr darum bittet.« (III 291)(74)

Die sündige und auf Erlösung harrende Kreatur (Röm 8, 18ff.) steht für May unter dem großen Regenbogen der unendlichen Güte des Schöpfers. Der Gottessonnenstrahl erreicht den Menschen, wenn er sich selbst nicht verschließt: »Nun sah ich erst, wieviel die Huld des Herrn dem Menschen spendet, und griff mit fester Hand in diese Fülle« (IV 170f.).(75)

Was ist der Mensch angesichts dieser Huld des Herrn? Im Alten Testament steht ein bekannter, in seiner Bedeutung weithin noch unentdeckter Text, dessen >anthropozentrisch gewendete<(76) Theologie im >Silberlöwen< sinngemäß wiederkehrt: »Seh' ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, des Menschen Kind, daß du seiner dich annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt (...) Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!« (Ps 8, 4ff.)

Dieselbe Dialektik von Abhängigkeit und Größe des Menschen gibt der Botschaft des >Silberlöwen< ihre zeitlose Substanz und ihren theologischen Hintersinn.

Dem Ruhm der göttlichen Größe in den Psalmversen entspricht das Gotteslob des Ustad auf den letzten Seiten unseres Romans: »Schon sehe ich den Ort der Andacht ragen, der zeigen soll, wie groß, wie groß der Herr, wie aber winzig, winzig klein das arme Menschlein ist.« (IV 642)

Ist damit schon alles gesagt? Muß der Mensch so klein sein, damit Gott um so größer wird? Der Psalmist wagt das erstaunliche, ja bestürzende Wort: »Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott.« Der biblische Dichter hat diese Idee aus ägyptischen Liedern übernommen. Dort war nun freilich der Pharao gemeint,(77) hier dagegen ist j e d e r


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Mensch angesprochen. Und das ist ­ revolutionär. So hoch steht also der Mensch: Gott macht ihn groß, so wie der Liebende den Geliebten erhöht und >groß herauskommen< läßt.

Dieses Menschenbild wird auch im >Silberlöwen< vorausgesetzt, wird zur Sprache gebracht und entfaltet.

Nietzsche predigte wider das Christentum und seine >Sklavenmoral<. Für Nietzsche hat die Religion ihren Ursprung im Ressentiment der >Schwachen< gegenüber den >Starken<. Die Religion, vor allem die christliche, kehre die Werte so um, daß der Schwache zum Starken, der Ohnmächtige zum Allmächtigen und der Gekreuzigte zum Gott werde.(78) Vor diesem Hintergrund, von der Religionskritik Nietzsches her, ist die Botschaft des >Silberlöwen< zu interpretieren.

Den frommen Ustad verhöhnt der Herrenmensch Ahriman: »Du sprichst so kindisch und zugleich so altersschwach, wie eure sogenannte Frömmigkeit ja stets zu reden pflegt!« (III 598) Doch Kara Ben Nemsi setzt der bigotten ­ von Nietzsche zu Recht attackierten - Sklavenmoral, der Schwachkopf-Frömmigkeit der Duckmäuser, den unverfälschten Gottesglauben (IV 143) entgegen, der seine Würde auch Gott gegenüber verteidigt.(79)

Der Mensch soll aufrecht stehen vor Gott und die kriecherische Weise (IV 120) vermeiden. Die wahre Frömmigkeit kennt keine Mummelgreise; sie gibt die Kraft zum Lebenskampf und fördert frohe Menschenkinder, die sich in Gottes reinem Lichte sonnen. (IV 143)

Die »Freude an Gott ist eure Stärke«, heißt es in der Bibel (Neh 8, 10). Diese Freude und diese Kraft verkündet der >Silberlöwe<. Wie der Psalm 8 verbindet auch May den freudigen Stolz des Geschöpfs mit der demütigen Ehrfurcht vor seinem Schöpfer.

Sein >Ebenbild<, den Menschen, hat der Weltenkönig »gekrönt mit Ehre und Herrlichkeit« (Ps 8, 6), die im Grunde die Erscheinungsform Gottes sind!(80) Vom Übermenschen Nietzsches unterscheidet sich dieses Menschenbild fundamental: durch die Gründung in Gott, dessen Gnade dem Menschen (auch dem scheinbar geringsten) Bestand gibt. Nicht in titanischer Auflehnung, nicht in der Trennung von Gott findet der Mensch seine Größe; denn seine Hoheit ist ihm verliehen vom Schöpfer, aus dessen Hand er seine Würde entgegennimmt.

In der Verbindung mit Gott und nur so kann der Mensch seine >Königswürde< behalten. Gott beschirmt sein Geschöpf und weist ihm den Weg: »Weich ja nicht von ihm ab! ... Du würdest diesen starken Schutz verlieren und nicht Gebieter, sondern Sklave sein!« (IV 388)

Der Mensch ist die >Krone<, das herrlichste Gedicht der ganzen Schöpfung (III 268).(81) Sein Ziel ist die Individualität, die Eigenständig-


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keit, die geistige Freiheit und die volle Selbstbestimmung (IV 40). Die göttliche Oberleitung, deren Absichten auszuführen (IV 388) des Menschen Bestimmung ist, nimmt seine Freiheit ernst und setzt den Menschen nicht herunter zur willenlosen Puppe. Sie läßt ihm jeden möglichen Spielraum für seine eigenen Gedanken und Entschlüsse (ebd.).

Dem aufklärerischen Pathos, aber auch der paulinischen Freiheitsmaxime(82) gemäß, vertritt Karl May im >Silberlöwen< die weitestgehende Selbständigkeit, die größtmögliche Eigenverantwortung des Menschen. Zu gehorchen hat er nur dem Schah und nicht den >Hohen<, die in aller Welt die Lüge verbreiten, der Herrscher habe ihnen die Gewalt gegeben, die doch nur er allein besitzen kann. (IV 396)

Wie May in seiner Selbstbiographie erläutert, ist der Schah kein anderer als Gott.(83) Dann aber gilt: alle Menschen sind Geschwister, und es darf da keine Großen (IV 396) geben, die den Kleinen ihre Würde rauben.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - diese im Grunde biblischen Ideale der Französischen Revolution bestimmen das theologisch begründete Menschenbild des >Silberlöwen<. Das Prinzip der Gleichheit in der Würde verbietet jede Art der Bevormundung, aber auch jede Art des Kollektivismus. May betont die Verschiedenheit der Individuen. Jeder soll sich entfalten in seiner besondern Eigenart; deshalb kann die Form für den einen nicht auch die Form für den andern sein. (IV210) Da jeder auf s e i n e Weise Gottes Ebenbild zu sein hat, darf es keine - politische oder geistliche - Herrschaft von Menschen über Menschen geben. Der Mensch soll freien Geistes werden und nicht mehr bloß ... nach Regeln und Gesetzen handeln, die von Menschen vorgeschrieben sind (IV 162f.).

Das »Gefühl der Abhängigkeit«(84) von menschlichen Instanzen sucht May zu überwinden. Menschliche Autorität und geistliche Vollmacht lehnt er allerdings nicht grundsätzlich ab. Als >Meister< ist der Ustad das religiöse Vorbild seiner Dschamikun. Aber er kennt seine Grenze. Er verweist auf Gott, macht andere nicht abhängig von seiner Person, entmündigt sie nicht und nimmt ihnen nicht ihre freie Verantwortlichkeit.(85)

Das diabolische Gegenbild wäre der absolutistische Herrscher oder der Sektenführer. In Mays Roman: der finstere Schatten im Traum Kara Ben Nemsis: Er faßte meine Hand... »Mein ist dein Geist; mein ist auch deine Seele... Aus meiner Hand strömt dir das höchste Glück, das es für Menschen gibt in Zeit und Ewigkeit: Du bist vollständig willenlos und folglich frei von jeder Schuld und Sühne! Tu Alles, was ich sage, ob Gutes oder Böses, der Rechenschaft bist du fortan enthoben« (IV 318).(86)


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Der Träumer widersteht seinem Führer. Er weiß, der Mensch ist seinem Wesen nach frei. Seine Freiheit und seine Verantwortung darf er nicht abtreten an fremde Instanzen. Denn er muß, gerade darin liegt seine Würde, s e l b s t einmal Rechenschaft geben.(87)

Ob er will oder nicht, der Mensch steht - in Freiheit ­ seinem Gott gegenüber. Ob als Feind oder Partner, als Knecht oder Freund, bleibt ihm selbst überlassen (vgl. Joh 15, 9ff.).

Auch vor Gott ist der Mensch nicht nur passiv und nicht nur Befehlsempfänger. Befähigt und berufen zum eigenen Tun, kommt dem Menschen auch Gott gegenüber eine gewisse Selbständigkeit zu. Schakara meint zu Kara Ben Nemsi: »Ihr sollt Euch auf den Schah-in-Schah verlassen, ja.« Doch die »Trägheit nur braucht immerwährend Hilfe.« Wer Charakter hat, der weiß, daß er sich »selber helfen könne. Effendi, komm; Charakter ist vorhanden! Wir greifen gern mit eignen Händen zu. Und wenn der Schah das sieht, wird er sich freun. Denn darin grad, daß wir es selbst vollbringen, liegt seine größte Macht: direkte Volkesliebe!« (IV 396)

Schakaras so harmlos klingende Worte verschlüsseln die Theologie des Autors. Wenn der Schah, wenn Gott den Menschen in seine eigene Verantwortung ruft und zum selbständigen Tun befreit, dann meint der Dichter nichts anderes als die >Selbsttranszendenz< und >Selbststeuerung< des geschaffenen Daseins, wie sie z. B. von Karl Rahner (im Dialog mit dem neuzeitlichen Denken) vertreten werden: Die Gnade Gottes setzt die eigene Tat, »die innerweltliche Aufgabe des Menschen nicht herab, sondern gibt ihr erst ihre letzte Würde, Dringlichkeit und Gefahr«, weil der Mensch »sein Heil nicht an seiner weltlichen Aufgabe vorbei (...) wirken kann«.(88)

Mays anthropozentrisch gewendete Theologie läuft hinaus auf die später von protestantischen Theologen wie Friedrich Gogarten, Dietrich Bonhoeffer und Harvey Cox,(89) aber auch von katholischen Theologen wie Karl Rahner und J. B. Metz(90) verfochtene These einer von Gott in ihre (relative) Selbständigkeit entlassenen Welt: Gerade weil Gott die Welt in Christus liebt und endgültig annimmt, gibt er sie frei in ihr Eigenes, in ihre volle Weltlichkeit, die freilich auf Gott ­ als den absoluten Grund ihres Daseins - immer bezogen bleibt.

Wer die Verantwortung des Menschen im Heute und Jetzt, wer die Gegenwart mit ihren Aufgaben und ihren Herausforderungen nicht annehmen, also nichts mehr von der Erde, sondern nur noch den Himmel sehen will, gleicht May zufolge dem Esel. Zum Naturzwange, zu allem immer nur »Ja« sagen zu müssen, kommt die »Köpfe-hoch-Dressur« noch hinzu (IV 28f.).(91)


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Wer, umgekehrt, in dieser Welt aufgeht und nie den Himmel, sondern nur die Erde sieht, gleicht dem gefesselten Kamel. Zum Kniebeugen reichen seine Stricke aus, doch nicht dazu, das Haupt emporzuheben. Es hat, genauso wie der Esel, nichts zu thun als das, was die Dressur befahl (IV 30).

2. Der große Traum: Das Streben zum Himmel und die Treue zur Erde

Der Anthroposoph Alfred Schütze nennt zwei Grunderscheinungsformen des Bösen: »Erdsucht und Erdflucht sind die beiden Lebensirrtümer, denen der Mensch verfallen kann.«(92)

Die Theologie des >Silberlöwen< verfällt keinem dieser Irrtümer. Der Blick zum Himmel, das Gebet zu Gott, ist hier ebenso wichtig wie die Treue zur Erde. Weil die Vertikale (die Verbindung mit Gott) und die Horizontale (die irdischen Aufgaben) zusammen das Kreuz bilden(93) und weil das Bekenntnis zu Christus nicht fehlt, ist der >Silberlöwe< christliche Dichtung.

Die Welt und das menschliche Individuum, so sagten wir, behalten auch ihrem Schöpfer gegenüber die Autonomie, die relative Selbständigkeit. Gott liebt diese Welt, er zieht sie an sich (Joh 12, 32), aber er saugt sie nicht auf.

Symbol für die Bundes-Beziehung,(94) für die Distanz und die Nähe Gottes zur Erde, ist in den Traumwelten des >Silberlöwen< die Alabasterkrone über dem hohen Haus des Ustad. Christoph F. Lorenz und andere May-Exegeten sahen in der Alabasterkrone das Sinnbild einer »neue(n) Religion«, eines »überkonfessionellen Christentum(s)«, das die »Ruinen vergangener Lehrmeinungen und Dogmen«(95) überwinde. So einfach kann man das nicht sagen. Nicht das Symbol einer »neue(n) Religion« ist die Alabasterkrone, sondern das Sinnbild der alten Verheißung, der Wohnung Gottes unter den Menschen (Ez 37, 27; Offb 21, 3). Leuchtend an der Scheidelinie zwischen Himmel und Erde (III 514) hat sie die Form eines offenen Zeltes: ein Zeichen des Aufbruchs, des Unterwegsseins des Menschen zu Gott.

Die Krone verweist auf Christus, auf das Kommen des Menschensohns am Ende der Zeit (Mk 13, 26): Wer ist es, der da kommen wird ? ... Der, welcher mitten unter ihnen ist, wenn zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen? Aber wenn er es thäte, würde er in der bisherigen Weise weiterbauen? Sprach er nicht immer nur von seines Vaters Hause... ? Warum also hier Stein auf Stein türmen, ... während für unsere kurze Wanderung ja doch ein Zelt genügt? (III 513f.)


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Errichtet wurde das Zelt über dem Haus des Ustad, dem wichtigsten Schauplatz des Romans: jenem monströsen Etagenbau, jener steinerne(n) Leiche (III 513), jener Tempelruine, die das Werk der Religionen ist (darauf ist später noch einzugehen) und die am Ende zusammenstürzt. Jahrtausende haben da unten gebaut, stark und fest wie für endlose Zeiten, und doch ... vergeblich für die Ewigkeit! (III 514)

Nach dem Sturz der Ruine ist es zu Ende mit der ganzen, steinernen Vergangenheit (IV 560). Doch das Zelt, die Alabasterkrone, bleibt erhalten als Zeichen des Bundes, der göttlichen Huld.

»Seht, das Zelt Gottes unter den Menschen!« (Offb 21, 3) In der Vision des Dichters, am Ende des Romans, zeigt die >Neue Schöpfung< schon jetzt ihre Kontur: Die Berge »machten sich auf«, und auf allen Höhen »wurde Licht«(96) . .. Die Alabasterkrone erschien, ... als ob sie der Erde vom Himmel entgegengestreckt werde (IV 641).

Das im Traum des Erzählers schon vorausgeschaute >Gebet<, die im Gesteine verborgene Bergesseele (III 631), gibt die Ruine nun frei: einer Offenbarung gleich, einer Manifestation der frohlockenden Menschheitsseele. (IV 641)

Was hat der Träumer gesehen? Noch vor seinem Traum,(97) in der Real-Fiktion der Erzählung, hat er mit Halefs Sohn das Bergesinnere durchforscht. Unter der Ruine, im Schoße der Erde, in der dunkelsten Tiefe, im unterirdischen See, in den Abgründen der Welt und des eigenen Herzens,(98) fand er ein Gerippe, ein menschliches Skelett, ganz zusammengekrümmt, die Kniee bis an den Leib herangezogen, die eine Hand geöffnet, um nach Hilfe auszufassen, die andere aber geballt, wie in fluchender Drohung ausgestreckt. (IV 305)

Ein entsetzlicher Tod. Wie mag dieser Mensch gebetet, geflucht, geschrieen, gewimmert haben in diesem Souterrain aller Welten! Keiner hat ihn, so scheint es, gehört. Mit dem letzten Fluch wird er zu Allah gegangen sein (IV 306).

Das Schreckensbild weitet sich aus. Die Brechung des Lichtes bewirkte ein scheinbares Emporsteigen alles Dessen, was sich da unten befand, und so erhob sich vor unsern Augen eine Menge menschlicher Gestalten, welche sich zu bewegen und drohend auf uns zuzuschwimmen schienen. (IV307)

Den Forschern spiegelt ihre Phantasie nun bloß mehr Leichen vor. Die Ängste des Autors, die »Untergeschosse«(99) seines Bewußtseins melden sich an. Doch die psychologische Deutung allein führt hier nicht weiter.

Kara Ben Nemsi und sein Begleiter sehen den Tod: Gerippe von Menschen, die verhungert und ertrunken sind. Unzählige sind tatsäch-


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lich so gestorben. Angesichts extremer Martern stellt sich die Frage des Leids nun verschärft. Der Atheist muß solche Qualen als sinnlos betrachten. Er kann nur laut protestieren oder still resignieren.

Aber setzt der Protest nicht ein Vorverständnis von Sinn, von Güte und Liebe voraus? Eine Instanz, die diesen Protest zur Kenntnis nimmt? »Wir stehen doch vor dem Dilemma, entweder uns immer neu davon zu überzeugen, daß dieser Schrei (. ..) doch gehört und beantwortet wird in einer Weise, die von hier aus nicht begriffen (...) werden kann, oder uns davon zu überzeugen, daß alle diese Proteste von vornherein sinnlos sind.«(100)

Wenn man den Toten »ihre letzte Würde und Bedeutsamkeit«(101) nicht absprechen will, muß man auf ihre Rettung durch Gottes Liebe vertrauen. Solches Vertrauen kommt im >Silberlöwen< zu Wort, in schlichten Versen und in kunstvollen Traumbildern. »Wir leben, und auch unter uns ist nicht der Tod, sondern etwas ganz Anderes« (IV 307), versichert Kara Ben Nemsi seinem Gefährten in der Unterwelt.

Warum läßt Gott uns leiden? Diese Frage bleibt, wie gesagt, zunächst ohne Antwort. Aber ein Hoffnungsbild, ein Zeichen sieht der Erzähler im Innern des Berges: etwas weiß Glitzerndes, eine Art Postament mit einer strahlenden Lichtfigur. Die Schatten des Todes, der versteinerte Erdenfluch scheinen zurückgelassen. »Hier aber ist es mir, als sei der Fluch in Segen umgewandelt, und was dort Kalk im Todeswasser war, das kniee hier erlöst im alabasternen Gebete!« (IV 311)(102)

Alles ist noch schwebend, unbestimmt. »Es kniet hier Jemand, den ich bloß nur ahne. Ein betender Gigant! ... Hebt er die Hände fordernd auf zum Himmel? Hält er sie still gefaltet in Ergebung?« (ebd.)

Kara Ben Nemsi will später, und damit endet die >reale< Vorgeschichte des Traumes, zurückkehren, um die Figur dann deutlich zu sehen.

Er sieht sie im Traum. Zunächst, am Eingang des Berges, begegnet der >Warnende<. Als Türhüter(103) prüft er den todesmutigen Helden: »Kannst du beten?« »Ja.« »Richtig?« »Ich hoffe es.« »So geh hinein!« (IV 315)(104)

Im Innern der Tempelruine, im »descensus ad infer(n)os«,(105) trifft der Träumer den >Zauberer<, dessen Blick so spitz ist wie die Klinge eines Dolches (IV 316f.).(106) Er kämpft mit dem Unhold. Er taucht mit ihm unter in die schwärzeste Flut, in den Abgrund des Todes. Doch im Gebet wird der Tod zum Leben verwandelt (IV 328).

Auf den Sockel der Alabasterfigur rettet sich Kara Ben Nemsi. Der Zauberer, eben noch giftig und sinnend auf Unheil, ist plötzlich ein Mensch mit Herz und Gefühl. Er sitzt neben dem Träumer und betet für ihn.(107)


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Ein Gerippe kommt angeschwommen, mit ihm auch die andern Skelette.(108) Sie dürsten nach Rache an ihren Mördern. Seit Jahrtausenden zernagen sie die Säulen des Tempelgebäudes. »Doch wir zerstören nur, um zu erzeugen. Vernichten wir da draußen allen Trug, so fördern wir in diesem Raum die Wahrheit.« (IV 334)

Den Träumer klärt das Gerippe nun auf: »Es ist der Flach, an dessen Fuß Ihr hockt! Der Fluch, der Fluch, der hier so oft erklungen, daß er des Steines Seele werden mußte!« (ebd.)

Das vermeintliche Gebet des steinernen Giganten ist eine Geste des Fluchs, der geplanten Zerstörung. Aber es fehlt noch die Unterschrift am Sockel der Figur. Dieses letzte Wort fordern die Gerippe von Kara Ben Nemsi. Dieser mahnt: »Ihr selbst gestandet ein, daß Euer Wort Euch mit zerschmettern werde. Glaubt an das meinige, so werdet Ihr von ihm hinaus ... geführt!« (IV 336)

Das rettende Wort hält der Träumer zurück - bis die Toten ihre Schuld bekennen. Der Blickwinkel ändert sich jetzt: Die Opfer sind selbst auch die Schuldigen! Ihre Schuld war der Stolz, der sich zu beten schämte! (IV 345) Ihre Schuld war der Hochmut, welcher Gott nicht anerkannte (IV 348). Auch ihnen wurde das Gebet empfohlen. Der Warner »sagte es, doch beteten wir nicht.« »Warum nicht?« »Ist das Gebet für so erhabne Geister, die wir waren?« (IV 337)

Ist jedes Leid nur die Folge der Selbstübergötterung (IV 33)? Das kann man nicht sagen und das meint auch nicht May. Aber d i e s e Geister, die Skelette in der Bergeshöhle, waren ihre eigenen Götter. Wie den Selbstgerechten in Mays >Jenseits<-Buch(109) ist ihnen der Boden entschwunden (IV 348).

Man sieht: auch hier wieder die Absage an Nietzsche. Die Gerippe blieben im Tod, weil sie sich getrennt hatten von Gott.

Der Weg ins Freie zeigt sich dem Gebet, der wahren Gottverbundenheit. Kara Ben Nemsi, der von der Sage(110) vorgeschriebene Mensch, bringt die Geister zur Einsicht: »Vergib uns unsre Schuld ... !« klang es von Kopf zu Kopf und auch hinaus ins vordere Bassin. (IV 342)

Die Rettung ist nahe. Kara Ben Nemsi: »Die Seele naht, die Seele Eures Bildes... Und soll der Stein an Gottes Stelle reden, der nichts und nichts ... als segnen kann, so gebt ihm Hände, welche benedeien!« (IV 343)

Noch ist es Zeit, des Bildes Rachefaust verzeihend zu gestalten. (ebd.) Der Verzicht auf die Rache, das Gebet für die Mörder und die Übergabe der Schuld in die Gnadenhand Gottes(111) geben dem verzauberten Gebete (IV 339) seine Seele, seine Leuchtkraft zurück.

Die Schuld ist getilgt, der Bann gebrochen, die Nacht überwunden.


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Gott selbst macht die Finsternis hell (vgl. Ps 18,29)! Die Alabasterfigur wird zur Quelle des Lichtes: Das Bild ward nicht von außen her beschienen. Es trug das Licht in sich (IV 346). Der Träumer ist fasziniert. Was ich da sah, das ward noch nie gesehen, weil keine Kunst noch je so Schönes schuf! (Ebd.)

Gott selbst ist, dem brennenden Dornbusch (Ex 3, 5) vergleichbar, erschienen. In dieser Nähe kann der Mensch nicht verweilen. »Wird dieses Licht zur Schattenlosigkeit, so sind wir alle... hier verloren!« (IV 346) Die Gerippe fliehen. Sie suchen den Schutz des >Halblichts<, des Schattens.

Und Kara Ben Nemsi? Die Grenze zum Geheimnis, zum absoluten Mysterium, kann er nicht überschreiten. Die Skelette und das träumende Ich halten der Lichterscheinung nicht stand, weil die unmittelbare Gottesschau dem Menschen - auch dem Dichter, dem Visionär - auf Erden verwehrt ist. Folgerichtig und theologisch korrekt läßt Karl May seinen Helden die Geister hinausführen: in die Distanz zur göttlichen Glut, zum Beit-y-Chodeh, zum irdischen Hause Gottes hinauf.

Mit der >Seelenwanderung<, mit der Rückkehr der Verstorbenen aus dem Jenseits,(102) mit ihrer >Wiedergeburt< in einem neuen Körper, hat diese Szene natürlich nichts zu tun. Man muß die semantische Vielschichtigkeit des Romans(103) und, besonders im Traumgeschehen, die wechselnde Bedeutung der Bilder beachten: Auf seiner >realen< Erkundungsfahrt sah Kara Ben Nemsi ein echtes Gerippe; im Traum aber sind die Skelette keine physischen Leichen. Nicht den biologischen Tod, sondern die Verstocktheit, die >Verknöcherung< des gottfernen Menschen stellen sie dar.

May ist theologischer Dichter und nicht Spiritist. Die Aussage-Intention, die katechetische Botschaft seiner bewußten Traum-Gestaltung, ist nicht die Rückkehr der Toten ins irdische Sein, sondern die Rettung des Sünders aus dem Grab der Sünde. Das Thema des Traums ist die rechte Gottesbeziehung des Menschen, zugleich aber die Transzendenz, die unendliche Größe des Schöpfers, die der Mensch nur zu ahnen vermag.

Den Glanz der Gottheit, das >Mysterium tremendum et fascinosum<,(114) kann man nicht schauen. Euchar Schmid kommentiert richtig: »Unser Bestehen liegt in menschlichem Wirken und menschlichem Sein, und die letzte Erkenntnis muß uns verschlossen bleiben, solange wir auf dieser Erde wandeln.«(105) Zu dieser Begrenztheit aller Erkenntnis, die für die Theologie eine (in ihren Systemen und Lehrgebäuden freilich oft vergessene) »Selbstverständlichkeit«(106) ist, bekennt sich auch May in seinem Roman.


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Der Mensch bleibt Mensch, und den Standpunkt Gottes kann er nicht einnehmen. Doch die Verbindung des Menschen mit Gott ist möglich und notwendig zu seinem Heil. Im Gebet, in der Bitte, im Lob und im Dank (IV 8) wird diese Verbindung konkret: Dem einzig Einen haben die Skelette zu sagen, daß sie wieder beten werden! (IV 348)

In Nietzsches >Also sprach Zarathustra< heißt es: »Sie sind alle wieder fromm geworden, sie beten, sie sind toll (...) der schlimme Zauberer (.. .) und Schatten.«(117)

Viele Nietzsche-Sujets kehren wieder im >Silberlöwen<. Auch der Spott, die Satire. Doch verhöhnt werden bei May nur die Heuchler, die den Namen Gottes mißbrauchen. Ihr Tempel, ihre zum Stein gewordene Überheblichkeit, muß zusammenbrechen. Was jedoch bleibt und nicht zerstört werden kann, sind das echte Gebet, das Kirchlein, das noch zu bauen ist (IV 642), und die alles überragende Alabasterkrone.

Auf das Kirchlein werden wir später zurückkommen. Und die Alabasterkrone? Auf der höchsten Höhe steht das Zelt, das eigentliche »hohe Haus« des Ustad (III 510). Die laut tönende Predigt der Tempelruine (III 501) schließt es ab: als das Amen (III 512), als das große Wort, das nicht vergeht.

Als das >Amen< hat der Ustad dieses Zelt bezeichnet. Das war das richtige Wort. (III 513) Kara Ben Nemsi hat den Meister verstanden. Möchten doch auch andere dich verstehen! (III 514)

Für das Verständnis des >Silberlöwen< hat das >Amen<(118) eine Schlüsselbedeutung. Was meint dieses Wort?

Die Bibelexegese erklärt: Dem hebräischen >Amen< liegt dieselbe Wurzel zugrunde wie den hebräischen Wörtern, die >Glaube<, >Bestand< und >Vertrauen< bedeuten. Im Neuen Testament ist das >Amen< identisch mit Christus (Offb 3, 14): In ihm ist das Ja und das Amen gekommen »zu allem, was Gott verheißen hat«. (2 Kor 1, 20)(119)

Der Befreiungstheologe Leonardo Boff faßt zusammen: Amen sagen heißt »sich freudig und gelassen einem verborgenen und letzten Sinn der Wirklichkeit anzuvertrauen«. Das Amen umfaßt den ganzen Menschen »in seinem Streben zum Himmel und in seiner Verwurzelung auf der Erde«.(120)

Mit dem Streben zum Himmel und der Treue zur Erde ist die Theologie des >Silberlöwen< (und überhaupt des Mayschen Spätwerks) auf die kürzeste Formel gebracht. Das fromme Gebet darf gegen die Verantwortung des Menschen in dieser Welt nicht ausgespielt werden.(121) So ist es richtig und konsequent, wenn May die theologisch begründete E t h i k betont: Es muß doch etwas Großes um die wahre ... Humanität sein (IV 260).


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Mays Werk ist, so darf man sagen, ein >hohes Lied< der Liebe. Nicht nur die Schreibtischlampe des Ustad, den ganzen Roman - von Ausrutschern, von häßlichen Einzelszenen allerdings abgesehen - schmückt der neutestamentliche Hymnus »Die Liebe hört nimmer auf!« (IV 3; 1 Kor 13, 8) Ein Signal der Vergreisung, der »parareligiösen Ideologie«(122) des alten Mannes, der ­ so Ahriman Mirza über den Ustad - »nicht mehr denken kann und darum nur noch lieben will« (III 600)?

Die Liebe ist das Wesen der Religion; denn Gott ist die Liebe (1 Joh 4, 8). Und das Denken wird durch die Liebe nicht ersetzt oder verdrängt, sondern vermenschlicht. Die Liebe ist das »Stichwort für das Ganze des Menschen«,(123) und Mays Erzählung setzt dieses Stichwort um in poetische Handlung. Des Dichters Prämisse: Jede Kreatur will Liebe haben und giebt sie doppelt wieder, wenn sie sie empfängt! (III 280) Gott und die Menschen, die Tiere und überhaupt alle Geschöpfe zu lieben, ist Gottes Gebot (III 86). Und wo die Liebe wohnt, da ist die schönste und beste Seligkeit (III 118).

Auch Hadschi Halef hat es erkannt. Seine Rede zu Beginn des Kapitels >Ueber die Grenze< entspricht dem Grundakkord des >Silberlöwen<, dem Sterben des alten und der Wiedergeburt des neuen, durch die Liebe erneuerten Menschen: »Ich wohne in diesem Leben, doch Allah hat mir seine Boten gesandt, welche mir sagen, daß ich für ein anderes bestimmt sei. Nun frage ich mich, was ich in jenem anderen Leben brauchen werde.« Halef weiß, was er ­ schon jetzt auf der Erde preiszugeben und was er einzutauschen hat: »Ich will Liebe anstatt des Hasses, Güte anstatt der Unduldsamkeit, Menschenfreundlichkeit anstatt des Stolzes, Versöhnlichkeit anstatt der Rachgier.« Der Hadschi sieht ein: Leben heißt neu werden, »und das, was wir das Sterben nennen, wird grad das Gegenteil davon, nämlich das Aufhören des immerwährenden bisherigen Sterbens sein!« (III 71f.)

>Streben< und >Sterben< sind für May ganz dasselbe.(124) Denn die Kunst des Lebens und die Kunst des Sterbens bedingen einander.(125) Sie sind identisch mit der Kunst des Liebens. Augustinus fragte: Ist das sterbliche Leben (vita mortalis) nicht, besser gesagt, ein lebendiges Sterben (mors vitalis),(126) ein Hineinwachsen ins liebende Sein? Das Neue Testament geht noch weiter: Wer glaubt und wer liebt, der i s t schon gestorben; er ist »hinübergeschritten vom Tod in das Leben« (Joh 5, 24).

Was heißt das konkret? Die Liebe, die den Tod überwunden hat kennt keinen Sonderstolz. Sie schätzt auch den >Niederen< hoch und will von ihm lernen (IV 215f.). Sie schaut den Verachteten an;(127) sie be-


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handelt ihn freundlich (III 427), gibt ihm Ansehen und richtet ihn auf: durch das gute Wort, das von Herzen kommende Lob. Wie leicht es doch ist, Menschenherzen zu erfreuen! Warum that man das so wenig? (III 359)

Über das bloße >Seid nett zueinander< geht die Ethik Karl Mays weit hinaus. Sie rechnet mit noch ungeweckten Möglichkeiten des Menschen, mit den Möglichkeiten Gottes in ihm.(128) Mit Natalie, in Goethes >Wilhelm Meister<, gesprochen: »Wenn wir die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.«(129) Denn die Liebe drängt das Böse zurück und lockt das Gute hervor: bei Halef zum Beispiel (III 112f.) und später beim Aschyk (IV 431ff.).

Mays Ethik entspricht den Seligpreisungen Jesu. Alle Themen der Bergpredigt finden sich zentral auch im >Silberlöwen< oder klingen zumindest mit an: die Armut des Menschen vor Gott (IV 642);(130) die getröstete Trauer (III420ff.); die Gewaltlosigkeit (III227f.);(131) der Durst nach Gerechtigkeit (IV 117f.); die Sehnsucht nach Frieden (III 410); das Licht-Sein in dieser Welt (IV 321); das Gebet im Verborgenen (IV 312); die Feindesliebe (IV 195); die absolute Wahrhaftigkeit (III 43Sff );(132) das Schwur-Verbot (III 213); die ideale Beziehung von Mann und Frau (angedeutet in Schakara und Kara Ben Nemsi); das die Bergpredigt abschließende Motiv des auf den Felsen gebauten Hauses (IV 520f.; vgl. Mt 7, 24).

Karl May und die Bergpredigt Jesu - dazu wäre eine Spezialarbeit zu verfassen. Hier mag die These genügen: Den Geist, das Wesentliche der Verkündigung Jesu, hat May wohl begriffen. Das »ganze Gesetz« (Mt 7, 12), die Einzelgebote reduziert er (führt er zurück) auf jene Liebe, die das Ganze des Menschen umfaßt, die die Erde bejaht und die letzte Bestimmung, den Himmel, nicht vergißt.

Denn die Liebe gibt dem Menschen Bestand. Sie gibt ihm Halt für das Leben und Kraft für das Sterben. Sie sagt ihm, daß er leben und niemals sterben werde (III 427): weil der Tod nur das Leben bringt (III 422). 133

3. Die >teure Gnade<: Gottes Erbarmen und die Freiheit des Menschen

Wie Halef neigt auch May dazu, die ganze Welt - nach überstandenen Zornesausbrüchen - verzeihend zu umarmen (III 89). Seine Güte ist freilich, wie Schakara bemerkt, mit der Strenge gepaart. Die Liebe


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lächelt nicht den ganzen Tag (IV 117). Sie liebt die Menschen, aber nicht das Böse in ihnen (III 531).

Gott schuf die Welt als größtes Wort der Liebe, / Doch will die Menschheit dieses Wort nicht fassen. (III 540) In seiner Freiheit kann der Mensch die Liebe Gottes bejahen oder zurückweisen. Diese doppelte Möglichkeit hat Karl May schon oft und in vielen Variationen literarisch gestaltet. Im >Silberlöwen< wird diese Thematik entfaltet und theologisch vertieft.

Durch seine Liebe will der Ustad das Böse auch in Ahriman überwinden. Dem Segen soll der Mirza verfallen; und die Liebe soll ihn verfolgen, bis er zusammenbricht und zu einem neuen, wunderbaren Leben (III 597) erwacht.

Es wäre denkbar, daß May im >Silberlöwen III< die Bekehrung des Ahriman und überhaupt die Erlösung der Hölle im Sinn hatte. Des Ustads Märchen >Tausend und ein Tag< legt das nahe. An den apokryphen, auch von einigen Kirchenvätern übernommenen Luzifer-Mythos (vgl. Offb 12, 7ff.)(134) knüpft der Meister an und erzählt:

»Es war am Tag, an welchem die Erlösung suchen ging. Sie klopfte an an allen, allen Erdenpforten. Doch ... fand sie keine Thür, die ihr geöffnet wurde. Da ging sie trauernd weiter, bis zum tiefsten Schlund, in welchem die verdammten Geister wohnen. Sie ... weinte über Chodehs Menschenkinder... Doch als sie dann die nassen Lider hob, da kam ... er selbst, von Chodeh einst verbannt, der sich erkühnt, dem Himmelsherrn zu gleichen! ... >Gieb mir die Hand!< sprach er... Was keiner Himmelsliebe möglich war, hast du erreicht durch deine Erdenthränen. Wenn die Erlösung um die Menschen weint, so muß sogar das Herz der Hölle brechen. Ich war der Erste aller Kreatur. Ich war der Erste, der den Herrn betrübte. Nun will ich auch der Allererste sein, der reuig wiederkehrt mit der Erlösung!.« (III 596)

Ein schönes Märchen. Ein Menschheitstraum! Häretiker des frühen Christentums haben eine Lehre aus diesem Traum gemacht: die >Apokatastasis panton<, die Rettung allen Seins, auch der Hölle.(135) Im Sinn einer Hoffnungsvision (nicht einer dogmatischen Lehre) erhob in seinem Spätwerk >De temporum fine comoedia< auch Carl Orff die Rettung des Satans zum Ziel des göttlichen Heilsplans: Nach dem Schuldbekenntnis »pater, peccavi!« wird Luzifer erneut zum Engel des Lichts.(136)

Auch Ahriman, der Teuflische, wird sich - so meint der Ustad - aus dem Abgrund erheben; die Pforten der Hölle werden sich hinter ihm schließen und der Himmel wird sich ihm öffnen (III 600).

Diese Prognose wird im >Silberlöwen IV< nicht erfüllt. Die »endgül-


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tige Erlösung selbst der Hölle«(137) wird jetzt verworfen.(138) Der Ich-Erzähler kritisiert das Märchen des Ustad: »Nach dieser deiner Liebestheorie würde der Himmel schnell zur Hölle werden, nicht aber die Hölle zum Himmel.« Die Bibel spreche »nicht ohne Grund von dem Wurme, der nie stirbt, von dem Feuer, welches nie verlischt.« Wenn er die Hölle selig mache, verderbe der Ustad den Himmel: »War das etwa der Inhalt deiner Bücher, die du schriebst? Hast du jene angebliche Gottes- oder Christusliebe gelehrt, welche jedem Schuldigen die Strafe erläßt, nur damit Gott seinen Himmel nicht leer stehen zu lassen brauche? ... Hast du jene pseudogöttliche Langmut gepredigt, welche das Unkraut ungehindert emporschießen läßt, bis der Weizen erstickt worden ist?« (IV 117f.)(139)

Mays Eifer ist eigentlich unbegründet. Im Märchen des Ustad bereut Luzifer seinen Hochmut. Die Teufel büßen ihre Schuld. Sie nehmen das Kreuz auf sich, welches die Folge ihres Sündenfalles war. (III 599) Der Vorwurf Kara Ben Nemsis kann den Meister also nicht treffen; denn Gottes Ordnung, wonach die Reue der Vergebung vorangehen müsse (IV 116), hat der Ustad nicht bestritten.

Aber im >Silberlöwen IV< verschieben sich manche Akzente. Die ewige Finsternis, das Verlorengehen als eine Möglichkeit des menschlichen Seins, wird stärker betont als im >Silberlöwen III<.

Warum dieser, vom >Jenseits<-Band her bekannte,(140) Gedanke jetzt erneut und verstärkt? Auf der autobiographischen Leseebene ist mit Ahriman Mamroth und mit Ghulam Cardauns gemeint. Für diese Leute ist, der aktuellen Gemütsverfassung des Dichters gemäß, das Heulen und Zähneknirschen, die Hölle, wohl die angemessene Strafe. Doch die nur autobiographische Deutung wird dem Gesamtanspruch, der theologischen Botschaft des Romans nicht gerecht.

In der Bergpredigt seliggepriesen werden nur die, die thun, was der Meister fordert! (IV 174) Mays Anliegen ist der Ernst der Nachfolge Christi, das rechte Leben im Sinne des Evangeliums.

Dietrich Bonhoeffer unterschied in seinem Buch >Nachfolge< die »billige« und die »teure« Gnade: Billige Gnade »ist Predigt der Vergebung ohne Buße, (...) ist Absolution ohne persönliche Beichte. Billige Gnade ist Gnade (...) ohne Kreuz«.(141) Die lutherische Lehre von der »Rechtfertigung des Sünders aus Gnade allein« sei im Sinn dieser billigen Gnade oft mißverstanden worden. Bonhoeffer verstand die reformatorische Lehre als Bekenntnis zur teuren Gnade: Teuer sei Gottes Gnade, »weil sie den Menschen unter das Joch der Nachfolge Christi zwingt«; Gnade aber sei es, daß Jesus sagt: »Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.«(142)


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Diese beiden Aspekte, die teure Gnade und das leichte Joch, werden im >Silberlöwen< - am Exempel des Aschyk - verkündet.

Der Aschyk, der >Geliebte< Pekalas, ist ein verstockter Betrüger. Der Effendi nimmt ihn gefangen und bestraft ihn entsetzlich. Er schleppt ihn hinunter ins vom Traum her bekannte Bassin, zum verkalkten Gerippe, ins Dunkel der Tempelruine.

»In solcherArt Gesellschaft wird man mürbe!« (IV 364) Die Stunden im Bergesinnern, die Einsamkeit und die Existenzangst werden für den Aschyk - wie die Jahre in Waldheim für Karl May ­ zur teuren Gnade, zum Fegefeuer auf Erden.(143) Kara Ben Nemsis Höhlentraum erfüllt sich an dem Gefangenen. Auch dieser träumt: er habe tausend Jahre im Wasser gelegen, verhärtet und verkalkt in seinen Sünden. Da kam ein Ruf von oben. Die Tage seines Lebens kamen einzeln, furchtbar einzeln, einer nach dem andern! Sie klagten ihn nicht an; das tat er ja schon selbst (IV 426).

Auch dieses Motiv, Gottes Gericht als Selbstanklage des Menschen, ist vom >Jenseits<-Band her bekannt.(144) Der Aschyk steht zur eigenen Schuld, träumend und dann im Erwachen. Und wie er spricht >Vergieb mir meine Sünden!<, hört er schon die Ruderschläge. Der Effendi kommt, ihn zu befreien. Der Sünder will jetzt seine Schuld bekennen: »Laß uns hinauf zum Beith-y-Chodeh steigen! Das ist der einzig rechte Ort zum Beichten!« (IV 427f.)

Wie die Totenköpfe im Traum des Erzählers folgen die Sündentage dem Aschyk zum Tempel. Die billige Gnade weist er zurück. Er will sühnen, seine Verbrechengestehen, sich der Behörde zur Strafe melden (IV 499). Sein Herz aus Stein ist gebrochen; ein neues Herz, einen neuen Geist hat ihm Gott jetzt geschenkt (vgl. Ez 36, 26).

Der Aschyk jubelt vor Freude, wiedergutmachen zu können, was er getan hat (IV 428). Ein Glücksgefühl kommt über ihn wie fast noch nie in seinem ganzen Leben (IV 517). Auch hier - wie bei Waller im >Friede<-Roman - jene »Glücksekstase«, die nach W. James das Bekehrungserlebnis begleitet!(145)

Dem sanften Joch Christi entspricht die Gnade des Schahs: Die Strafe wird dem Aschyk erlassen. Der Schah gewährt ihm bedingungslose Begnadigung (IV 640). Ein Vergleich mit Zachäus (Lk 19, 1-10) liegt nahe: Aus eigenem ­ freilich durch Gnade ermöglichtem - Antrieb verläßt der Aschyk seinen früheren Weg, um einen neuen, guten Weg zu gehen (IV 502). »So holt sich Allah den Verlornen wieder, den die Gerechtigkeit des Menschen noch tiefer in den Abgrund stoßen würde!« (IV 431)(146)

Dem Aschyk ist alles vergeben - ohne ein Vermittelungsgeschäft


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(IV 501) der Diener des Schahs, aber nicht ohne Reue, nicht ohne Schuldbekenntnis und nicht ohne die Änderung seines Lebens.

Die von May hier vorausgesetzte Gnadentheologie ist korrekt auch im Sinne der katholischen Gnadenlehre, wie sie Karl Rahner erläutert:(147) Seine durch Christus vermittelte Gnade bietet Gott allen an, auch den Nicht-Christen, den Moslems, den Hindus usw. Diese Gnade kann der Mensch nicht erwerben durch eigene Verdienste oder die Vermittlungsgeschäfte fremder Instanzen. In »freier dialogischer Partnerschaft«(148) steht der einzelne seinem Gott gegenüber, dessen Gnade reines Geschenk ist. Am Menschen freilich liegt es, dieses Geschenk anzunehmen oder zurückzuweisen. In d i e s e m Sinne hat Kara Ben Nemsi recht, wenn er dem Aschyk erklärt: Die Gnade kann »dir nur Einer bringen, ein Einziger, und der bist du selbst!« (IV 50] )

Auch die Annahme des Gnadengeschenks von seiten des Menschen ist durch die Gnade ermöglicht: Gott selbst gibt dem Aschyk die Kraft, das Rechte zu tun (IV 502). Das diffizile Problem des genaueren Verhältnisses von Gnade und menschlichem Tun wird bei May zwar nicht weiter vertieft, das theologische Niveau des >Silberlöwen< wird dadurch aber keineswegs beeinträchtigt; ein poetisches Werk muß kein dogmatisches Traktat ersetzen.

Interessanterweise beendet Karl Rahner seine Erörterung mit dem Hinweis: »Um das Problem >Gnade - Freiheit< wirklich zu >verstehen<, es stehen zu lassen und es anzunehmen, muß man in die Gestimmtheit des Beters zurückkehren.« Der Beter empfängt sich von Gott und »gibt sich Gott zurück (...) Bezieht man diese Position des Beters (...), dann begeht man keine petitio principii (...) Man nimmt nur an, was man unweigerlich ist«:(149) das Geschöpf, das in Freiheit schafft und in Gnade geschaffen wird.

Diese Position des Beters nimmt der Aschyk ein. Seine Verhärtung verwandelt sich ins Gebet (IV 425). Durch die erneuerte Gottesbeziehung wird seine verlorene Liebesfähigkeit wiederhergestellt und seine Identität wiedergefunden. Es wächst jetzt eine Säule in ihm auf; in ihr liegt Gottesstärke. Der Aschyk erkennt: »Gottesstärke ... das ist sie ... die Gnade!« (IV 502)

Zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod hat der Mensch zu wählen (IV 117). Der Aschyk verkörpert die Reue, die Gottes Ruf schließlich hört und befolgt. Die zweite Möglichkeit - die verschmähte Gnade, die Schuld ohne Reue, das Böse »in seiner erschütterndsten und bedrohlichsten Gestalt«(150) ­ verkörpern Ahriman und seine Verbündeten.

Dogmatisch verstanden ist die schwere Sünde die in Freiheit voll-


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zogene Abkehr des Menschen von Gott.(151) Nach Gen 3,3ff. ist das Wesen der >Sünde zum Tod<, in letzter Konsequenz, das >Seinwollen wie Gott<. Was könnte das heißen? Im >Silberlöwen< wird es verdeutlicht: Das Prinzip des Ahriman ist der >Wille zur Macht<, die perfekte Gewalt über Menschen. Die Stelle Gottes - eines verkehrten, die Freiheit des Menschen verhöhnenden Gottes ­ will er selbst einnehmen: Sich dünkend, Gott gleich zu sein, will er die Menschen »verführen, den Himmel zu verlassen und mit ihm ein Reich zu gründen, in dem der Herr nichts zu befehlen habe.« (III 629)

»Satansbegegnungen«(152) gab es in Mays Erzählwerk schon früher: in Abrahim-Mamur, im Baron von Helfenstein, in Harry Melton zum Beispiel. Doch der Mirza, der >Fürst der Schatten<, ist aus feinerem Holz geschnitzt. Ihm geht es nicht nur ums Geld; um die Seele seiner Opfer, um die totale Herrschaft geht es dem Mirza.

Äußerlich wirkt Ahriman eher anziehend. Sein Schmuck ist zwar falsch und sein Geschmeide nicht echt; aber sein Gesicht ist doch schön. Es erinnert an das Werk eines Künstlers:(153) an die Züge des Loki (III 587), der widersprüchlichsten und rätselvollsten Gestalt der germanischen Götterwelt. Dem Fürsten der Nacht, dem »Vater der Lüge« (Joh 8, 44) gleicht dieser Aemir-y-Sillan, der die Seligkeit verspricht und doch aber nur Verderben giebt (III 587).

Auf den ersten Blick, so meint Kara Ben Nemsi, hat das Böse »wohl immer eine verlockende Gestalt ... Die Hölle ist ein Sumpf, auf dem die Decke üppig grünt und blüht« (III 630). Der raffinierten lntelligenz (III 612), der Propaganda des Ahriman, die mit trügerischen Schlüssen (III 630) blendet, kann der Schwache leicht erliegen. Wahrscheinlich an Nietzsche denkend, sinniert der Verfasser (mit den Worten Kara Ben Nemsis): »Es war mir, als ob Ahriman Mirza zwei verschiedene Leben besitze ... Er riß mir Gedanken aus der Tiefe, von denen ich niemals eine Ahnung gehabt habe. Und er wußte sie so zu leiten ..., daß es mir schwer wurde, sie als irrig zu erkennen.« (III 622f.)

Ist Ahriman die Verkörperung des >Leibhaftigen< selbst? Ist der Teufel überhaupt eine >PersonSchmutz einmal abfällt, zerfließen die Schemen in Nichts (IV 41f.).(154)

Zunächst ist Ahriman stark, und die Geschmeidigkeit der Hölle formt seine Ideen (III 599). Und doch hat er Angst. Er leugnet nicht wie gewöhnliche Atheisten ­ die Existenz und die Ewigkeit Gottes. Er glaubt an die ewige Hölle, »weil jener Eine . .. ewig ist!« (III 606) Im


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Jakobusbrief steht geschrieben: »Auch die Dämonen glauben und zittern.« (Jak 2, 19) Bei May heißt es ähnlich: die Reue jubelt, doch die Teufel zittern (IV 117).

Zur Reue findet Ahriman nicht. Sein Zittern geht über in Panik. Als Perser glaubt er an die Lehre vom Chodem des Menschen. Der Dichter erklärt: Chodem ist das persische Wort für »ich selbst«. Die dortigen Metophysiker aber bezeichnen mit diesem Worte ... so eine Art dessen, was wir »Doppelgänger« nennen, aber in viel höherem, edlerem Sinne. Der Geist des Menschen wird, nach der Sage, geleitet von einem Geiste aus höheren Regionen, der Gott mit seinem eigenen Schicksale dafür verantwortlich sei, daß der ihm anvertraute Mensch seine Bestimmung erreiche. Dieser Geist sei imstande, seinem Schützling zu erscheinen: in derselben Gestalt wie der Betreffende selbst. Tue er das, so sei das ein sicheres Zeichen, daß er ihn für immer verlassen werde, also entweder des nahenden Wahnsinns oder des zu erwartenden Todes. (IV 537f.)

Diesen Glauben macht sich der Ustad zunutze. Er legt die Maske des Ahriman an, erscheint ihm bei Nacht und treibt ihn in die Verrücktheit.

Die Chodem-Sage darf man nicht mißverstehen als Belegstelle für den Aberglauben des Autors. Dieser ist weder Perser noch Sektierer (IV 248). Die Chodem-Legende, das Doppelgänger-Motiv,(155) ist bei May eine Metapher, ein der Romantik entlehntes(156) literarisches Bild für die theologische Einsicht, daß der Mensch beschützt ist von Gott und diesen Schutz auch verlieren kann: wenn er seine eigene Bestimmung verfehlt, wenn er - schuldhaft ­ zerbricht an seinem »ich selbst«.(157)

Gottes Liebe will der Mirza nicht haben. Seinen höheren Geist, seine Bestimmung von Gott her, will er nicht annehmen. >Ahriman<, das absolut Böse, ist also nicht ­ wie die Schattenseiten des Ich - >integrierbar<; es kann nur >hinausgeworfen< werden.(158)

Beim Pferderennen erfüllt sich sein Schicksal. Der Aemir wird vom Teufel (so der Name seines Rosses)(159) gepackt und in den Kopf gebissen. Seine verhüllte Wahrheit (IV 633) wird offenbar: »Ahriman Mirza ist der Fürst der Schatten, und wenn er stürzt, ist es mit ihnen aus - - -!« (IV 632) So leiert er, nun gänzlich verrückt, vor sich hin.

Aus ist es auch mit den Bundesgenossen des Mirza. Die Rose von Schiras, die Mätresse des Ahriman, stürzt in den eigenen Säbel. Und den Scheik ul Islam mit den Pädärahn, den Anführern der Schatten, »erschlagen die Ruinen« ihrer selbst errichteten »Lehrgebäude ohne weitere Umstände«.(160)


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4. Mays Ideologiekritik und sein Gegenentwurf: Die kirchliche Bescheidenheit (IV 520)

Die Freunde eines »konfessionslosen«(161) Christentums haben am >Silberlöwen< die Seitenhiebe auf katholische Kreise und die ultramontane Rechtgläubigkeit besonders geschätzt. Diesem Lob dürfte die Gleichsetzung von >katholisch< und >ideologisch< zugrunde liegen. Aber die Textanalyse des >Silberlöwen< und die Tatsache der unterschiedlichen Strömungen innerhalb des Christentums und der katholischen Kirche zwingen zum Differenzieren.

Bei den Ultra-Taki wird May an die traditionalistische Richtung in der katholischen Kirche gedacht haben.(162) Insgesamt gilt seine Kritik aber nicht speziell dem Katholizismus,(163) sondern - allgemein - dem Mißbrauch der Religion zu ideologischen Zwecken, der militanten Scheinheiligkeit, die es in allen Weltanschauungen und Religionen geben kann.

Wogegen wendet sich May konkret? Wie unterscheidet sich der echte Glaube, den May postuliert, vom ideologischen Denken, das er verwirft? Bei der Deutung des >Friede<-Romans, unter den Stichwörtern >wahres Christentum< und >pharisäische< Religion, wurde dazu einiges gesagt.(164) Im folgenden soll es ergänzt und vertieft werden.

Als Religionskritik, als Kritik an defekten Formen des Religiösen, sind im >Silberlöwen< die Beschreibung der Tempelruine,(165) die Parabel vom Baum El Dscharanil (IV 24ff.), die Sage von Chodeh, dem Eingemauerten (IV 212ff.), sowie die Szenen um den Scheik ul Islam und seine Taki-Kurden anzusehen. Die Kritik bezieht sich im wesentlichen auf die religiöse Eitelkeit, die Anmaßung religiöser Instanzen, die Zementierung des Bestehenden unter Berufung auf den göttlichen Willen, die menschenverachtende Gewalt im Namen Gottes, die Verdrängung Gottes durch die klerikale Machtausübung. Sehen wir uns, exemplarisch, einige Textstellen an.

Im Gefolge des Scheik ul Islam befinden sich ein >Seliger<, ein >Heiliger<, ein >Hauptpriester<, ein >Divisionsgeneral< und ein >Brigadegeneral< (IV 275). Diese Leute sind so pfauenstolz und truthahneitel (IV 446), so sanft, so fromm und doch so unverschämt! (IV 456)

Während Ahriman seinen Haß auch so nennt, klingt beim Scheik alles so tiefreligiös und gottgefällig, ... so ekelhaft ... weihevoll und darum so schändlich, gemein und niederträchtig (IV 446). Vor dem Mirza läßt er die Larve dann fallen: »Wir sind sanftmütig und von Herzen demütig, weil uns das zur Herrschaft führt. Aber hinter dieser Sanftmut steckt die Schonungslosigkeit ... Fordre ja den Taki-Orden(166) nicht heraus!« (IV 489)


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Die Nähe dieser Menschen lähmt; sie erstickt alles Leben. Der vom Typhus genesene Kara Ben Nemsi durchsucht das >Allerheiligste<, den Schlupfwinkel der Taki im Innern des Berges; die Atmosphäre dieses Sacrosanctum droht ihn wieder krank zu machen. »Diese Luft hält kein Gesunder aus, viel weniger ein Genesender!« (IV 503)

May parodiert die Fassadenfrömmigkeit, die Jesus in seinen Wehe-Rufen (Mt 23) gegeißelt hat und die in jeder Religion möglich ist. Er spießt die Selbstherrlichkeit der Vertreter Gottes auf, die sämtlichen Weihrauch und alle Verbeugungen in Anspruch nehmen, um dann so gütig zu sein, auch Gott einen Knicks zu machen. (IV 22f.)

Der Dichter attackiert - wie im >Friede<-Band ­ den Alleinvertretungsanspruch der Religionen:(167) Der Scheik und seine Leute »geberden sich, als ob sie den Herrgott zu beschützen ... hätten.« Sie glauben »sich von jedem vernünftigen Worte angegriffen und schlagen ihre mißverstandenen Kuransprüche Jedem an die Backen, der besser, tiefer und höher denkt als sie! Wehe dem, der daran zweifelt, daß sie die Einzigen sind, die Allahs Licht erleuchtet!« (IV 446)

Sie können sich das leisten, weil sie dem Bedürfnis nach Gehorsam, nach totaler Gängelung, entgegenkommen. Sie »können ... unfehlbar tun, weil sie leider nicht die einzigen geistig Dummen sind!« (IV 446f.)

Nur ihre eigenen Gebetsformen lassen sie gelten. Der wackere Tifl plärrte . .. nicht wie sie; da schlossen sie ihn aus (IV 456). Taki heißt fromm. Die betreffenden Kurden führen diesen Namen, weil sie ... behaupten, daß nur sie allein den Himmel erlangen werden. Jeder nicht ganz Gleichdenkende wird als verdammenswerter Ketzer betrachtet und mit ... Strenge verfolgt. (IV 230)

Die Parabel vom Baume der Geschwätzigkeit schlägt in dieselbe Kerbe.(168) Vom Schutz der Lehrsätze ist die Rede, von uneinnehmbaren Mauern. Ein >Seil der Konfessionen< versperrt den Eingang zum Himmelreich. Die Wächter dieser >Seligkeit< sind in die Trachten aller Völker gekleidet. Jeder von ihnen hatte etwas in der Hand, was er sein »heiliges Buch« nannte, und jeder von ihnen versicherte, daß er der einzig und allein berechtigte Aussteller der hier vorzuzeigenden Erlaubniskarte sei. Was fehlt, ist nur die Unterschrift des Herrn (IV 26f.)!

Ein Angriff gegen das Christentum? Nein, denn der christliche Glaube wird im >Silberlöwen< ja ausdrücklich bezeugt. Der »missionarische Zug«,(169) das Werben für die christliche Botschaft, fehlt keineswegs. Aber der Christ Karl May hat Respekt auch vor den anderen Religionen,(170) wo immer sie nicht die Verknöcherung des Herzens zur unbedingten Folge haben (III 291).


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Mays Anliegen ist die Toleranz (IV 440) zwischen den Religionen und, mehr noch, die Offenheit des Christentums für neue Erkenntnisse. Die Taki-Macht indessen stellt sich ausschließlich auf die Seite des Bestehens und Erhaltens (IV 240). Den Willen Gottes mit der Macht des Faktischen gleichsetzend, will der Scheik den Abriß der Tempelruine verhindern. »Denn selbst der Wahn wird heilig, wenn er . .. durch sein Alter zur Ehrfurcht mahnt ... Ich habe als Scheik ul Islam die heilige Pflicht, selbst den Irrtum zu erhalten« (IV 288).

Die konservative Ideologie wird zum blanken Zynismus. Nicht genug damit: die Autorität des Scheiks tritt in Konkurrenz zu den Plänen des Ahriman! Dieser will den Schah verdrängen; er hält sich für mächtiger als den Schah; er macht sich selbst zum Götzen und den Schah zur Puppe (III 620f.). Mit anderen Worten: Ahriman und der Scheik stellen sich selbst über Gott!

Derselbe Gedanke liegt dem architektonische(n) Quodlibet (III 507), der versteinerten Frömmigkeit des >hohen Hauses< zugrunde. Dieses, jetzt leer stehende, Gebäudekonglomerat (III 509) ist von den heidnischen Religionen, vom babylonischen Götterkult, vom Judentum und zuletzt vom Christentum und seinen Sekten errichtet worden.(171) Ein großes baustilistisches Rätsel (III 494) ist diese Ruine. Wer war der Architekt, der dieses Unikum ersann? (III 508)

Der Architekt war der Hochmut, der sich gleich dünkt mit Gott. Der Baumeister war die Arroganz, die das Gebet - die unmittelbare Beziehung des Menschen zu Gott - verbaut und vermauert.

Die Tempelruine, deren Abbruch sich der Scheik widersetzt, ist das Symbol einer selbstherrlichen Religion, die ihre Traditionen verabsolutiert, ihre (innerlich ausgehöhlten) Machtstrukturen hervorkehrt und das Gebet zu reglementieren versucht.

Heinrich Fries erklärt in seiner >Fundamentaltheologie<: Die Sprache des Glaubens ist das Gebet. »Alle Gebete der Welt meinen (...) das eine Geheimnis: die Transzendenz, die Gottheit, Gott.« Die Frage ist nur, ob der Mensch dieses göttliche Gegenüber wahrt oder es ersetzt durch eine irdische Instanz, »sei es eine Person, ein Kollektiv oder ein innerweltlicher Wert.«(172)

Das ist die Schuld, die eigentliche Sünde der Ultra-Taki: nicht Gott, sondern den Scheik ul Islam beten sie an (IV 543). Doch der Sturz aller Götzen steht schon bevor. Das Untergeschoß der Tempelruine, das Innere des Berges, wird die Wirklichkeit Gottes, das vom >Zauber< befreite Gebet, offenbaren.

Seine Vision vom verzauberten, im Sturz der Ruinen befreiten Gebet bringt der Autor in Verbindung mit einem anderen Schlüsseltext


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des >Silberlöwen<: mit der Legende vom >eingemauerten Herrgott<. Was sagt dieser Text?

Der Teufel wollte Baumeister werden. Er beschloß, als Meisterstück »ein Werk zu schaffen, bei welchem alles Schein, nichts aber Wahrheit sei«. Wo der Teufel seine Lehre begonnen hatte, »war Gott ein lieber Himmelsgast und ließ sich oft bei seinen Menschen nieder ... Sie liebten ihn; sie gönnten ihn auch andern . .. In diesen Menschheitsfrieden trat derAndre... und ließ den Neid der Hölle rings verbreiten.« Der Erfolg: alle drängten Gott, »nur hier bei ihnen noch, sonst nirgends zu erscheinen«.

Gott verließ die Menschen; er ging betrübt von dannen. Der Teufel aber sprach: »>Wißt ihr noch nicht, daß Gott sich zwingen läßt? ... Beweist ihm euern Ernst, so muß und wird er tun, was ihr begehrt.<«

Der Teufel nahm die Gestalt des Höchsten an und kehrte als Gott zu den Menschen zurück: »>Ich prüfte euch; .. . ihr habt bestanden. Die Macht der Frömmigkeit ist größer als die meine. Drum nehmt mich hin als euer Eigentum. Ich will nun euch und niemand sonst gehören!<«

Man baute einen Turm. »Der Teufel saß als Gott im Heiligtume. Doch seine Scharen regten sich, ihn eiligst für das Volk hier einzumauern. Das Bauwerk stieg ihm immer höher... Und betend lag dabei die Andacht auf den Knieen! ... Fast war der Berg verschlossen.« Da schwang sich, unbemerkt, ein dunkler Flederhäuter aus der Öffnung und verschwand (IV 213f.).

Der Teufelsberg ist, so erklärt Karl May, identisch mit der Tempelruine. Und die Baumeister sind die Männer des Taki-Ordens (IV485).

Diese Legende von >Chodeh, dem Eingemauerten< muß zu den theologisch wichtigsten Stellen des >Silberlöwen< gezählt werden. Die Macht der Frömmigkeit als Blendwerk des Teufels! Das erinnert an die Religionskritik durch evangelische Theologen in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer u. a. sahen in den Religionen die >Machwerke< des Menschen, des sündigen Strebens, über Gott zu verfügen.(173) Das Christentum interpretierten sie >nichtreligiös<: als >reinen Glauben<, als >Gericht< über die Religionen und ihre Praktiken.

Diese Abwertung der Religionen zur bloßen Magie hat sich, auch in der evangelischen Theologie, so nicht durchgesetzt. Und das Konzept des >religionslosen Christentums< wird heute verworfen als Selbstüberhebung des Christentums. Von ernstzunehmenden Theologen werden die religiösen Symbole wieder positiv gesehen: als legitimer, vom Mißbrauch freilich immer bedrohter, Ausdruck der Transzendenz-Erfahrung des Menschen.(174)


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Auch May kritisiert, wie gesagt, nicht die Religion als solche, nicht ihr Wesen, sondern ihr Unwesen. Er kritisiert die >falsche< Religion, ihre Verkehrung ins Ideologische.

Aus der Sicht des katholischen Theologen und des christlichen Ökumenikers nennt Heinrich Fries eine Reihe von Kriterien des ideologischen Denkens.(175) Im Lichte dieser Kriterien könnten die Theologie des >Silberlöwen< und ihre Nähe zum Reformkatholizismus(176) neu verstanden werden.

Wie unterscheiden sich >Ideologie< und >wahres Christentum< ? Während der Schah - im >Silberlöwen< - die Freiheit des Individunms respektiert, nehmen die Ideologien den konkreten Menschen nicht an. Der >Schablone<, dem allgemeinen Prinzip, hat sich der einzelne »zu fügen und zu opfern«.(177) Das persönliche Gewissen wird mißachtet. Ethische Entscheidungen werden »von übergeordneten Instanzen« getroffen. Der einzelne handelt richtig, wenn er sich am Kollektiv orientiert.

An die Schwachkopf-Frömmigkeit (IV 143) stellen die Ideologien »einen Totalanspruch«: Ihre Denkweise ist »ebenso aggressiv wie intolerant«. Dialog und Gespräch sind diesem Denken ganz fremd. Es geht ihm »nicht um Weckung von Einsicht, nicht um Überzeugung durch Gründe, sondern um (...) den Sieg über den Gegner.«

Solches Denken bleibt unkritisch gegen sich selbst; es stellt sich nirgendwo in Frage und ist - wie der Scheik ul Islam ­ von der »Unfehlbarkeit seines Systems« überzeugt. Es ist »nicht bereit, Irrtümer (...) bei sich selbst einzugestehen«.

Das Bestehende, die Tradition, will die Ideologie »mit dem Nimbus des Notwendigen« umgeben. Oft genug wird die Religion dafür in Anspruch genommen. Das Faktische, auch das Unrecht wird - wie der Scheik ul Islam es tut ­ »mit der Gloriole des einzig Möglichen oder gar des Gottgewollten« versehen.

Die Ideologien sind, nach Helmut Thielicke, die moderne Form des Götzendienstes:(178) Der Ideologe verkennt - wie Ahriman - seine Grenze und seine Endlichkeit. Er macht sich zum »Schöpfer aller Werte und Normen - im Sinn des Wortes der Genesis: >Ihr werdet Gott gleich sein, erkennend das Gute und das Böse< (Gen 3, 5).«(179)

Auch der christliche Glaube kann ideologisch verfremdet werden. Die »Entindividualisierung ihrer Gefolgschaft« ist aber nicht die notwendige »Eigentümlichkeit der christlichen Kirche«(180) Seinem Wesen nach ist der christliche Glaube keine Ideologie, weil er das Gewissen des einzelnen achtet und den Menschen nicht zum Mittel entwürdigt. Der Glaube ist keine Ideologie, weil er sich ­ wie der Autor May ­


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»zur theologischen Anthropozentrik bekennt, die in der Mitte des christlichen Glaubens, in der Menschwerdung Gottes, gründet. Der Mensch als unvertretbare Person ist dem Glauben wichtiger als alle >Ismen< und Theoreme.«(181)

Anders als die Ideologie läßt sich der Glaube fragen und herausfordern. Er vermeint nicht, alles zu wissen; er trägt - wie der Mensch Karl May - »die Frage, das Nichtwissen, die Vorläufigkeit, das Unvollkommene und Stückwerkhafte als Element seiner selbst in sich selbst.«

Der Glaube ist keine Ideologie, weil er - wie die Dschamikun im >Silberlöwen< - den unendlichen Wert aller Menschen bejaht, weil er - wie Hadschi Halef ­ das Freund-Feind-Schema überwindet und weil er - wie der Ustad ­ nicht im Dienst von menschlicher Herrschaft steht, sondern im Dienst jener Liebe, die ihr Urbild in Jesus erkennt: »Der Größte von euch soll euer Diener sein.« (Mt 23, 11)

Der Glaube ist keine Ideologie, weil er die Welt nicht vergöttlicht und weil er ­ wie das >Ich< in Mays Geschichten - »keine innerweltliche Absolutheit akzeptiert«, sondern das Erste Gebot beachtet: »Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.« (Ex 20, 3)

Der Glaube ist keine Ideologie, weil er mit dem Verschwinden bestimmter Strukturen ­ der Tempelruine! - »nicht selbst in den Sog der Auflösung geraten muß, sondern neue Verwirklichungen in neuen Formen finden kann, ohne sich untreu zu werden.«

Dieses Neue ist im >Silberlöwen< das Kirchlein: zu erbauen aus den Steinen der (gestürzten) Tempelruine, in der senkrechten Linie des Alabasterzeltes (IV 439), des Symbols der göttlichen Nähe. Zu einer so klaren, liebevollen Beantwortung alter, düsterer Ruinenfragen kann man ... keinen Augenblick lang gleichgültig sein! (IV 521)

»Hinauf, hinauf! Ich raste nicht. / Ich will und will nicht unten bleiben. / Mein frömmstes, seligstes Gedicht / Will ich beim Glühn der Alpen schreiben. / Das werde ich dann heimlich, still / In einem Kirchlein niederlegen.« (III 558)

Diese Verse hat der Autor vor Jahren ins Notizbuch geschrieben. Jetzt, im Roman, werden sie umgesetzt in eine große Vision.

Mit dem neu gebauten Kirchlein heißt es, gern fürlieb zu nehmen. (IV 642) Denn von Gottes Felsen ist es getragen; lächerlich wäre ein solches Menschenwerk nur dann, wenn es sich den Anschein gäbe, auch aus Gottes Felsen zu bestehen! (IV 520f.)

Deutlicher und kritischer, schöner und theologisch richtiger kann man's nicht sagen. Mit der »Idyllik beschaulicher Gebirgskapellen«(182) hat das nichts zu tun. Denn mit wenigen Strichen deutet May ja dasselbe Bild einer menschlichen, von Gottes Liebe getragenen Kirche an,


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wie es ­ sechzig Jahre später - vom II. Vatikanischen Konzil systematisch entfaltet wurde: Kein >Haus voll Glorie<, keine trutzige Festung ist diese Kirche unter dem Alabasterzelt, sondern ein Sinnbild des >wandernden Gottesvolks<, das mit dem künftigen »Gottesreich« (Mk 1, 15) nicht identisch ist,(183) seinem Herrn aber ­ in Demut ­ entgegenstrebt.

May skizziert das Bild einer liebenswürdigen Kirche, die die Mündigkeit des Menschen beachtet, die Gottes Segen empfängt und diesen Segen dann weitergibt (IV 630): als »Stadt auf dem Berg«, als »Licht für die Völker«, als »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit der Menschen untereinander.«(184)

Das ist nicht triumphalistisch gemeint. Wie das Konzil zeichnet May das Bild einer v o r l ä u f i g e n, sich entwickelnden Kirche, mit deren empirischem Zustand gerade »der g a n z Kirchentreue«(185) sich nie total identifizieren kann.

Der Visionär sieht eine kirchliche Bescheidenheit (IV 520) kommen, für die zu leben sich lohnt. Auch das freundlich blickende ... »Pfarrhaus« (IV 521) wird nicht vergessen. Ähnlich wie am Ende des >Friede<-Romans findet der Dichter auch im >Silberlöwen< ein Wort für die Priester der Kirche.

Zwar hieß es zunächst, die Dschamikun brauchten nur Rosen, aber keinen Altar, keinen Rednerstuhl (III 284) und keinen Imam (III 477) für ihre Gottesdienste. Doch dann wird erklärt: Es gab noch keinen Priester, und doch stieg Alles ... den Berg hinauf, zur Laienandacht, die erst später, bei gesicherteren Zuständen, von berufenerer Hand geleitet werden sollte. (IV 438f.)

Ist der »Verzicht auf priesterliche Mittler« das »Ziel«(186) des May-schen Kirchenbildes? Das Wort »Mittler« ist vieldeutig und theologisch umstritten. Im Neuen Testament ist nur Einer der »Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Jesus Christus« (1 Tim 2,5). Dennoch gilt: »Priester Gottes müssen sein; die Menschheit kann sie nimmermehr entbehren«:(187) wenn sie Gott und nicht sich selbst verkünden, wenn sie Helfer der Schwachen und Fürsprecher der Unterdrückten, wenn sie Diener des Menschen und nicht Herren über den Glauben sind (2 Kor 1, 24).

Priester kann die Menschheit nimmermehr entbehren: wenn sie einer Kirche dienen, die »Anwalt des Menschen«(188) ist, die Gottes Liebe bezeugt und die Verheißung nicht überhört: »Seht, ich mache alles neu.« (Offb. 21, 5)


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Zusammenfassung: Eine theologische Dichtung von hohem Niveau

Der >Silberlöwe III/IV< ist die selbstkritische, ja schonungslose Beichte des Autors. Karl May blickt in die Abgründe des eigenen Herzens. Von Resignation aber kann keine Rede sein. Der Mensch, der Sünder Karl May bricht auf zur imitatio Christi; und der Schriftsteller ringt sich durch zur prophetischen Poesie, zur religiösen Symboldichtung.

Wegen der vielschichtigen Struktur des Textes, der fließenden Bilder und der kompliziert ineinander verwobenen Leseebenen ist der >Silberlöwe< nicht leicht zu lesen. Sein literarischer Wert liegt, zum einen, in der ästhetischen Form, in den kunstvoll mit der surrealistischen Handlung verflochtenen Träumen und Gleichnissen. Zugleich ist das Werk eine theologische Dichtung von hohem Niveau.

Den Glauben an den Sieg der Liebe in einer geschundenen Welt haben viele verloren. Dennoch bleibt der Name Gottes »tief eingegraben in die Hoffnungs- und Leidensgeschichte der Menschheit. In ihr begegnet uns dieser Name, aufleuchtend und verdunkelt, verehrt und verneint, mißbraucht, geschändet und doch unvergessen.«(189) Der Name Gottes, der im Bewußtsein so vieler Menschen verschüttete Glaube an Gottes Dasein und Liebe, ist die eigentliche Botschaft des >Silberlöwen<.

Daß Mays Glaube nicht verschwommen, nicht vage und schon gar nicht okkult, sondern biblisch begründet, theologisch fundiert und gesellschaftspolitisch relevant ist, hat die Textanalyse gezeigt. Der Inhalt des >Silberlöwen< ist reicher und tiefer, als bisher vermutet wurde. In der - nicht nur polemischen, sondern sehr fein differenzierenden Auseinandersetzung mit Nietzsches Atheismus ist die lebendige und lebenspendende Beziehung des Menschen zu Gott das zentrale Thema des ganzen Romans.

Die dialektische Grundbefindlichkeit, die Begrenztheit und Abhängigkeit, die unendliche Sehnsucht und die Größe des menschlichen Seins sieht May in der Geschöpflichkeit des Menschen begründet. Die Königswürde, die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung des Individuums leitet er ab aus der Freiheit des Menschen vor dem Antlitz des Schöpfers.

Der Mensch kann, in seiner Freiheit, zu Gottes Liebe Ja oder Nein sagen. Beide Möglichkeiten werden im >Silberlöwen< dem Leser vor Augen gestellt. Eine theologisch korrekte und anthropologisch verantwortete Gnadenlehre übersetzt Karl May in poetische Handlung.

Das Streben zum Himmel und die Treue zur Erde, die Verbindung des Menschen mit Gott und seine Aufgabe in der Welt werden in glei-


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cher Weise ernstgenommen. Die Einsicht in die eigene Schuld, die Übergabe des Dunkels in die Gnadenhand Gottes, das Bekenntnis zum Kreuz und die tätige Liebe im Sinn der Bergpredigt Jesu lassen den Menschen - in den Traumwelten des Romans und in der Realität des Lebens - den >Tod<, die Trennung von Gott, überwinden.

Was Mays Spätwerk für den theologischen Leser so anziehend (oder, je nach Einstellung, befremdlich) macht, ist die eigenartige, aber folgerichtige Verbindung von tiefster Gläubigkeit und schärfster Ideologiekritik. Die geistige Begegnung Karl Mays mit Nietzsche und anderen Religionskritikern(190) hat sein theologisches Denken, wie der Text des >Silberlöwen< erhellt, befruchtet und von naiven Vereinfachungen weitgehend befreit.

Weder dem Christentum noch der Kirche kündigt May »seine Gefolgschaft auf«.(191) Aber er wendet sich, als gläubiger Christ, gegen den Mißbrauch der Religion zu ideologischen Zwecken: zur Entmündigung des Menschen und zum Mittel der Macht.

Der >Silberlöwe< ist große Literatur, deren religiöse Brisanz unsere Darstellung - in einer theologischen Annäherung - aufzeigen sollte.



1 Zur Entstehungsgeschichte des >Silberlöwen III/IV< vgl. Hans WollschIäger: Erste Annäherung an den >Silbernen Löwen<. Zur Symbolik und Entstehung. In: Jahrbuch der Karl May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1979. Hamburg 1979, S. 99-136 (120-129) Roland Schmid: Nachwort (zu >Im Reiche des silbernen Löwen III/IV<). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben Bd. XXVIII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, N2-12. - Zu Mays Schreibweise vgl. Ulrich Schmid: Textkritik des Abenteuers - Abenteuer der Textkritik. Ein Versuch über Leben und Schreiben, über Kleben und Streichen. In: Jb-KMG 1988. Husum 1988, S. 66-82. - Die Kenntnis der Biographie Karl Mays sowie der Entstehungsgeschichte, der äußeren Handlung und der literarischen Eigenart des >Silberlöwen< wird in unserer Abhandlung beim Leser vorausgesetzt.

2 Martin Lowsky: Karl May. Stuttgart 1987, S. 106 (Sammlung Metzler 231)

3 Ansätze immerhin bei Adolf Droop: Karl May. Eine Analyse seiner Reise-Erzählungen. Cöln Weiden 1909, S. 75-96 Euchar Albrecht Schmid: Gestalt und Idee. In: Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34: »Ich«. Bamberg 361976, S. 398 - 401 Walter Schönthal: Christliche Religion und Weltreligionen in Karl Mays Leben und Werk. Sonderheft der Karl-May Gesellschaft (S-KMG) Nr. 5/1976, S. 20ff. - Hartmut Wörner: Ezechiel 37, 1-4. Das Grundmotiv des »Großen Traums«? In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 51/1982, S. 13- 16 - Ders.: Der Großinquisitor im Reiche des silbernen Löwen. In: M-KMG 54/1982, S. 12ff. - Ernst Seybold: Aspekte christlichen Glaubens bei Karl May. S-KMG Nr. 55/1985 S. 41ff.

4 Vgl. Volker Krischel: Karl Mays »Schattenroman«. Gesichtspunkte zu einer »Weltdeutungs-Dichtung«. S-KMG Nr. 37/1982 - Christoph F. Lorenz: »Das ist der Baum El Dscharanil«. Gleichnisse, Märchen und Träume in Karl Mays >Im Reiche des silbernen Löwen III und IV<. In: Jb-KMG 1984. Husum 1984, S. 139 - 166 - Dieter Sudhoff: Karl Mays Großer Traum. Erneute Annäherung an den >Silbernen Löwen<. In: Jb-KMG 1988. Husum 1988, S. 117-183.

5 Joachim Kalka: Werkartikel >Im Reiche des silbernen Löwen III-IV<. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 288-301 (298)


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6 Vgl. Klaus Jeziorkowski: Empor ins Licht. Gnostizismus und Licht-Symbolik in Deutschland um 1900. In: The Turn of the Century. German Literature and Art, 1890-1915 (ed. by Gerald Chapple and Hans H. Schulte). Bonn 1981, S. 171 - 196 zit. nach Lorenz, wie Anm. 4, S.141 (Anm.6). - Die >Gnosis< ist ein so unklarer und vieldeutiger Begriff, daß er in der Diskussion um Mays Spätwerk besser vermieden würde. - Vgl. Karl Rahner: Gnosis. In: Herders theologisches Taschenlexikon. Bd. 3. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg-Basel-Wien 1972, S. 149 - 151.

7 Zum Begriff der Mystagogie als Einführung in die religiöse Gnadenerfahrung vgl. Karl Rahner: Atheismus und implizites Christentum. In: Ders.: Schriften zur Theologie VIII. Einsiedeln-Zürich-Köln 1967, S. 187 - 212 (205).

8 Sudhoff, wie Anm. 4, S. 129

9 Aus Mays Brief an Friedrich Fehsenfeld vom 24.12.1902, zit. nach Konrad Guenther: Karl May und sein Verleger. In: Karl May: Satan und Ischariot I. Freiburger Erstausgaben Bd. XX. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1983, A2 - 35 (A20f.)

10 Claus Roxin: Zwischen Ardistan und Dschinnistan. In: Karl May - der sächsische Phantast. Studien zu Leben und Werk. Hrsg. von Harald Eggebrecht. Frankfurt a. M. 1987 S. 13 - 28 (24)

11 Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 117 (Diogenes Taschenbuch 112)

12 Vgl. ebd., S. 118.

13 Vgl. Hermann Wohlgschaft: >Und Friede auf Erden!<. Eine theologische Interpretation. In: Jb-KMG 1989. Husum 1989, S. 101-145 (104-112).

14 Die Seitenangaben in () beziehen sich auf Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVIII und XXIX: Im Reiche des silbernen Löwen 111 und IV. Freiburg 1902/03.

15 Vgl. Wollschläger: Karl May, wie Anm. 11, S. 123.

16 So Ernst Seybold in einem Brief vom 4.2.1988 an mich.

17 Arno Schmidt: Abu Kital. Vom neuen Großmystiker. In: Karl May. Hrsg. von Helmut Schmiedt. Frankfurt a. M. 1983, S. 45-74 (60)

18 Vgl. Gernot Grumbach: Das Alterswerk Karl Mays. Ausdruck einer persönlichen Krise. S-KMG Nr. 32/1981, S. 37f.

19 Sudhoff, wie Anm. 4, S. 131

20 Ebd., S. 132

21 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o.J. (1910), S. 210, Reprint Hildesheim-New York 21982. Hrsg. von Hainer Plaul ­ Auch aus dem Text des >Silberlöwen< geht die Gleichung Ustad=May klar hervor.

22 Sudhoff, wie Anm. 4, S. 132

23 Vgl. Wollschläger: Karl May, wie Anm. 11, S. 117.

24 Lorenz, wie Anm. 4, S. 145

25 Dazu Helmut Stich: Kernstrukturen menschlicher Begegnung. München 1977, S. 63f. ­ Zum neuzeitlich-subjektiven Denkansatz des Ignatius von Loyola vgl. Karl Rahner: Moderne Frömmigkeit und Exerzitienerfahrung. In: Ders.: Schriften zur Theologie XII. Zürich-Einsiedeln-Köln 1975, S. 173- 197.

26 Vgl. Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXV: Am Jenseits. Freiburg 1899, S. 454.

27 Mit Reue denkt der Dichter vermutlich an seine Abwehrschrift »Karl May als Erzieher« und »Die Wahrheit über Karl May« oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte. Von einem dankbaren May-Leser. Freiburg 1902 (Reprint: Karl May: Der dankbare Leser. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 1. Ubstadt 21982).

28 Karl May: Deutsche Herzen ­ Deutsche Helden. Dresden 1885-87, S. 1959; Reprint Bamberg

29 Vgl. Karl May: Briefe an das bayerische Königshaus. In: Jb-KMG 1983. Husum 1983, S. 76-122 (76ff.).

30 Vgl. Claus Roxin: »Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand«. Zum Bild Karl Mays in der Epoche seiner späten Reiseerzählungen. In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973, S. 15-73.

31 Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 21, S. 252 u. S. 313.


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32 Zur Interpretation dieser Jeremia-Stelle vgl. Rudolf Kilian: Ich bringe Leben in euch. Propheten sprechen uns an. Stuttgart 1975, S. 47-66.

33 Vgl. Paul Ricceur: Religion, Atheismus, Glaube. In: Ders.: Hermeneutik und Psychoanalyse. Der Konflikt der Interpretationen II. München 1974, S. 284 - 314 - dazu Leonardo Boff: Vater unser. Das Gebet umfassender Befreiung. Düsseldorf 41986, S. 61f.

34 Die wichtigsten Belegstellen: Joh 8,33ff.; Röm 4,11; Gal 3,6f.; Hebr 11,1 bis 12,3

35 Zur Exegese vgl. Gerhard von Rad: Das erste Buch Mose. Genesis. Das Alte Testament Deutsch. Teilband 2/4. Göttingen 81967, S. 132ff. u. S. 203ff.

36 Vgl. Gen 12, 10 - 20 - dazu Heinrich Fries: Fundamentaltheologie. Graz-Wien-Köln 1985, S. 61.

37 Vgl. Fries: Fundamentaltheologie, wie Anm. 36, S. 67ff.

38 Vgl. Hermann Wohlgschaft: »Das ist die Wage der Gerechtigkeit«. Bemerkungen zu Karl Mays >Jenseits<-Roman. In: Jb-KMG 1988. Husum 1988, S. 184-208 (185ff.).

39 Hans Wollschläger/Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokomentation. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 165-215 (181)

40 Dazu Roxin: »Dr. Karl May«, wie Anm. 30, S. 36

41 »Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung«; so beginnt ein Song von Peter Janssens (aus »Ihr seid meine Lieder«. Telgte 1974), der auch zum >Silber löwen< paßt.

42 Vgl. Gen 12, 10ff. - Ernst Seybold: Plädoyer für Karl Mays Christlichkeit II. In: M-KMG 69/1986, S. 31-38 (35f.).

43 Der Begriff »der Große Traum« findet sich bei Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie über Wesen, Werk und Wirkung Karl Mays. Frankfurt a. M. 1974, S. 211. - Mays Traum-Text (IV 314-352) wurde auch aufgenommen in Karl May: Der Große Traum. Erzählungen. Hrsg. von Heinz Stolte und Erich Heinemann. München 1974, S. 142- 169 (dtv-taschenbuch 1034).

44 Der >Schatten< ist bei Freud und C. G. Jung das Unbewußte, Verdrängte; vgl. Eugen Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese Bd. I. Olten 41987, S.197. Auf der autobiographischen Leseebene des >Silberlöwen< ist an den >Schatten der Vergangenheit<, an Mays früheren Trieb zu Straftaten, zu denken; vgl. Sudhoff, wie Anm. 4, S. 140ff.

45 Was den Terminus Hephata (»Öffne dich!«) betrifft, knüpft May wohl an Mk 7, 33ff. an (vgl. Lorenz, wie Anm.4, S.162); was das Motiv des >Schlüssels der Unterwelt< betrifft, vielleicht an Offb 1, 18.

46 Sudhoff, wie Anm. 4, S. 175, Sudhoff rügt diesen »Aberwitz«, verteidigt aber den Entwurf von Utopien als Aufgabe der Literatur.

47 Vgl. ebd., S. 150.

48 Vgl. Schmidt: Sitara, wie Anm. 43, S. 214 - Hans Wollschläger: Das »Hohe Haus«. Karl May und das Reich des Silbernen Löwen. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 118-133 (126f.).

49 Vgl. Karl Rahner: Theologie der Armut. In: Ders.: Schriften zur Theologie VII. Einsiedeln-Zürich-Köln 1966, S. 435 - 478 (444).

50 Marie-Louise von Franz: Psychologische Märcheninterpretation. Eine Einführung. München 1986, S. 123

51 Ebd., S. 117 - Das Kapitel »Der Schatten des Mannes« (ebd., S.106 - 126) könnte eine Verstehenshilfe auch für Mays Traum im >Silberlöwen< sein.

52 Es handelt sich nicht um einen wirklichen Traum, sondern um »mit großer Bewußtheit« gestaltete symbolische Prosa, wie Sudhoff (wie Anm. 4, S.126) zu Recht hervorhebt.

53 Zu dieser hier nur angedeuteten Dialektik vgl. Boff, wie Anm. 33, S. 55-59 (Kapitel >Gott Vater: der Nahe und der Ferne<).

54 Nach Drewermann, wie Anm. 44, S. 196f., ist der »Kampf mit dem Schatten« ein Hauptmotiv vieler Märchen und Mythen, Sagen und Legenden.

55 Ebd., S. 484

56 Hansotto Hatzig: Karl May und Sascha Schneider. Dokumente einer Freundschaft. Beiträge zur Karl-May-Forschung 2. Bamberg 1967, S. 49 - May hat den alten Tolstoi geschätzt und einige Bücher von ihm besessen.


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57 Vgl. Wohlgschaft: >Und Friede auf Erden!<, wie Anm. 13, S. 104ff.

58 Natürlich sind das unscharfe Begriffe. Eine Auseinandersetzung mit der (wieder modern gewordenen) >okkulten Welle< müßte zunächst das jeweils Gemeinte präzisieren; dazu hilfreich Josef Sudbrack: Neue Religiosität - Herausforderung für die Christen. Mainz 1987.

59 Dazu ­ eher vorsichtig ­ Krischel, wie Anm. 4, S. 11

60 Vgl. aber Lorenz, wie Anm.4, S. 152: Vor »allzu raschen Vergleichen zwischen Mays Alterswerk, der >mystizistisch< angehauchten Theosophie der Jahrhundertwende und der anthroposophischen Geisteswissenschaft ist zu warnen.« - Vgl. auch Sudhoff wie Anm. 4, S. 165.

61 Zum Begriff der Esoterik vgl. Sudbrack: Neue Religiosität, wie Anm. 58, S. 110ff.

62 Krischel, wie Anm. 4, S. 10, auch S. 26; richtig ist, daß May »Elemente aus dem Manichäismus und dem Parsismus« (Schönthal, wie Anm. 3, S. 21) literarisch verwendet hat, ohne sich aber mit solchen Anschauungen zu identihzieren.

63 Vgl. Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 3. Ubstadt 1977, S. 81: »Mays Ethik ist vom Dualismus zwischen Gut und Böse geprägt.« - Ebenso Sudhoff, wie Anm. 4, S. 130 und passim; ebd., S. 168, heißt es sogar: der Mensch habe sich nach May »zwischen den Polen Gut (Geist) und Böse (Materie) zu bewähren«. Die hier suggerierte Gleichsetzung von >Materie< und >Böse< ist im >Silberlöwen< aber gewiß nicht zu finden. In Mays Roman ist die Materie als solche weder gut noch böse, und der Geist kann sowohl gut (Ustad, Kara Ben Nemsi!) als auch böse (Ahriman!) sein.

64 Vgl. Wohlgschaft: >Und Friede auf Erden!< wie Anm. 13, S. 131.

65 Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft. Bd. 2 der Ausgabe Karl Schlechta. München 1966, S. 126ff.

66 Vgl. Werner von Krenski: Friedrich Nietzsche - Karl May. In: Karl-May-Jahrbuch (KMJB) 1925. Radebeul 1924, S. 198 - 237 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk. S-KMG Nr. 16/1979, S. 39-43. - »Mays Nietzsche Rezeption wurde entscheidend von Sascha Schneider gefördert, der in manchen Vorstellungen Nietzsche sehr nah stand.« (Sudhoff, wie Anm. 4, S. 181 Anm. 105) May besaß bekanntlich von Nietzsche einen Band >Gedichte und Sprüche< und acht Bände der >Gesammelten Werke< sowie sechs Bände Sekundärliteratur über Nietzsche (Hinweis auch bei Schmidt: Abu Kital, wie Anm. 17, S. 64).

67 Hans-Jürgen Ruppert: New Age - Endzeit oder Wendezeit? Wiesbaden 1985 S. 17f., nennt fünf Unterscheidungsmerkmale zwischen christlichem Glauben und New-Age-Bewegung (bzw. Esoterik, Theosophie und Anthroposophie), darunter an erster Stelle: »Gott wird [in der New-Age-Bewegung] als unpersönliche Kraft gedacht.« Ruppert, dessen Buch nach Auskunft von Sachkennern zu den ganz wenigen wissenschaftlich seriösen Werken über New Age, Esoterik, Spiritismus, Okkultismus usw. gehört, bezeichnet New Age als »Neognosis« (ebd., S. 18); ähnlich auch Sudbrack: Neue Religiosität, wie Anm. 58, S. 132ff. (Kapitel »Schwerpunkte der >Neuen Religiosität< und Gottes>Du<«).­ Auch die vier anderen bei Ruppert und Sudbrack genannten Kriterien zur >Einordnung< von New Age usw. treffen auf den >Silberlöwen< zum Teil gar nicht und zum Teil nicht eindeutig zu.

68 Vgl. Martin Buber: Gottesfinsternis. In: Ders.: Werke I. München Heidelberg 1962 S. 503 - 603 Fries: Fundamentaltheologie, wie Anm. 36, S. 55f. Sudbrack: Neue Religiosität, wie Anm. 58, S. 143ff.

69 Vgl. Schönthal, wie Anm. 3, S. 37ff. (Kapitel >Karl May im Blickwinkel einer narrativen Theologie<).

70 Vgl. Seybold: Plädoyer, wie Anm. 42, S. 32f.

71 Besonders deutlich im >Friede<-Roman; vgl. Wohlgschaft: >Und Friede auf Erden!<, wie Anm. 13, S. 131ff.

72 Mitgeteilt bei Eugen Biser: Interpretation und Veränderung. Paderborn 1979, S. 132f.

73 Vgl. Karl Rahner: Warum läßt Gott uns leiden? In: Ders.: Schriften zur Theologie XIV. Zürich-Einsiedeln-Köln 1980, S. 450-466.

74 Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 21, S. 210.


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75 Vgl. Psalm 33, 5b: »Von der Huld des Herrn ist die Erde erfüllt.«

76 Dazu Grundlegendes bei Karl Rahner: Theologie und Anthropologie. In: Ders.: Schriften zur Theologie VIII. Einsiedeln-Zürich-Köln 1967, S. 43-65

77 Dazu Erich Zenger: Mit meinem Gott überspringe ich Mauern. Einführung in das Psalmenbuch. Freiburg-Basel-Wien 1987, S. 207f.

78 Diese Gedanken finden sich vorwiegend in Nietzsches Büchern >Jenseits von Gut und Böse< (1886) und >Zur Genealogie der Moral< (1887).

79 Zur Dimension der Klage (und sogar des Protests) als einem legitimen Ausdruck der Gottesbeziehung vgl. Hermann Wohlgschaft: Heute an Gott glauben. Wege zur Gotteserfahrung. Aschaffenburg 1983, S. 36 (mit Hinweis auf die Psalmen und andere biblische Texte).

80 Vgl. Artur Weiser: Die Psalmen. Das Alte Testament Deutsch. Teilband 14/15. Göttingen 71966, S. 97.

81 Daß der Mensch die Schöpfung >ausbeuten< dürfe, ist damit freilich nicht gesagt. >Herrschen< im Sinne des göttlichen Auftrags bedeutet so viel wie >pflegen< "weiden< und >schützen<; dazu Zenger, wie Anm. 77, S. 208. - Vgl. auch Ernst Seybold: Karl-May-Gratulationen. Geistliche und andere Texte zu und von Karl May. Ergersheim 1987, S. 43 (Anm. 56 u. 57).

82 Vgl. Gal 5, 1: »Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. So steht fest und laßt euch nicht wieder mit dem Joch der Knechtschaft beladen!«

83 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 21, S. 210, sagt ausdrücklich: Der Schah ist aber Gott. Auch ohne diesen Hinweis wird die Gleichung Schah=Gott aus dem Text des >Silberlöwen< deutlich.

(84) So hieß ein Bild Sascha Schneiders (1893); dazu Sudhoff, wie Anm. 4, S. 137.

(85) Vgl. Seybold: Aspekte, wie Anm. 3, S. 42.

(86) Schmidt: Sitara, wie Anm. 43, S. 213ff., Becker, wie Anm. 63, S. 70ff., Krischel, wie Anm. 4, S. 18f., und andere Interpreten deuten diese Stelle als Auseinandersetzung mit dem Katholizismus. ­ Sudhoff, wie Anm. 4, S. 137ff., sieht - ebenfalls in die Enge führend - eine Kirchenkritik durch Karl May; im »Handschlag mit dem Schatten« ein Bild der christlichen Taufe zu sehen (ebd., S. 138) ist völlig abwegig, weil eine Ablehnung der Taufe den Ansichten Mays in keiner Weise entspricht.

87 Vgl. Wohlgschaft: Wage der Gerechtigkeit, wie Anm. 38, S. 194ff.

88 Karl Rahner: Die Christologie innerhalb einer evolutiven Weltanschauung. In: Ders.: Schriften zur Theologie V. Einsiedeln-Zürich-Köln 71964, S. 220

89 Vgl. z. B. Karl Barth: Kirchliche Dogmatik III/3. Zollikon-Zürich 1950, S. 97ff. Friedrich Gogarten: Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit. Die Säkularisation als theologisches Problem. Stuttgart 1953 ­ Dietrich Bonhoeffer: Ethik. München 61963 ­ Harvey Cox: The Secular City. New York 1963 (der deutsche Titel >Stadt ohne Gott< ist allzu mißverständlich).

90 Vgl. Karl Rahner: Theologische Reflexionen zur Säkularisation. In: Ders.: Schriften zur Theologie VIII. Einsiedeln-Zürich-Köln 1967, S.637-666 - Johann Baptist Metz: Zur Theologie der Welt. Mainz 1968 - Johann Figl: Säkularisierung. In: Neues Hand buch theologischer Grundbegriffe. Bd. 4. Hrsg. von Peter Eicher. München 1985, S. 84 - 94 (dort weitere Literatur).

91 May könnte an den Esel, an den J-A-Schreier in Nietzsches >Also sprach Zarathustra< (Kapitel >Die Erweckung<) gedacht haben.

92 Alfred Schütze: Das Rätsel des Bösen. Stuttgart 21969, S. 59, zit. nach Lorenz, wie Anm. 4, S. 151 ­ Natürlich entspricht diese Einsicht nicht nur der Anthroposophie, sondern ebenso dem Christentum.

93 In Mays >Friede<-Roman: das Kreuz von Raffley-Castle!

94 Gottes >Bund< mit den Menschen (und mit der Schöpfung) ist das zentrale Thema des ganzen Alten und Neuen Testaments.

95 Lorenz, wie Anm. 4, S. 152 - ähnlich Krischel, wie Anm. 4, S. 23ff.

96 May zitiert hier den Propheten Jesaia (Kap. 60 Vers 1).

97 Vgl. oben Anm. 52. - Zur Deutung des>Traums< vgl. auch die bei Sudhoff, wie Anm. 4, S. 175f. (Anm. 4), genannte Literatur.


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98 Der Berg, der See, das Wasser, der Kanal, die Höhle, das Unterirdische sind natürlich auch archetypische Symbole; dazu von Franz, wie Anm.50, S.119f. - Zur Zeugungs- und Geburtssymbolik in Mays Traum-Topographie vgl. Sudhoff, wie Anm. 4, S. 150.

99 Wollschläger: Das »Hohe Haus«, wie Anm. 48, S. 132

100 Karl Rahner - Karl-Heinz Weger: Was sollen wir noch glauben? Theologen stellen sich den Glaubensfragen einer neuen Generation. Freiburg Basel-Wien 1979, S.64

101 Ebd., S. 63 ­ Vgl. Wohlgschaft: Heute an Gott glauben, wie Anm. 79, S. 37f.

102 Vgl. Sudhoff, wie Anm. 4, S. 155: Der >Alabaster< ist im >Silberlöwen< ein Symbol des Reinen und Wahren, der >Kalk< dagegen ein Symbol des Falschen und Sündigen.

103 Dazu ebd., S. 133

104 Dazu Seybold: Aspekte, wie Anm. 3, S. 41ff.

105 Im Jahre 359 ins Apostolische Glaubensbekenntnis eingefügter Artikel. - Der Träumer >imitiert< Jesu Abstieg zur >Hölle< (zur >Scheol<, heute meist mit >Totenreich< übersetzt).

106 Dazu Sudhoff, wie Anm. 4, S. 136 u. S. 148f. (zur autobiographischen Deutung der Beschreibung des Zauberers)

107 Wie sich am Ende des Traumes herausstellt, ist der Zauberer mit dem Warner am Eingang zur Höhle identisch. Nach Sudhoff, ebd., S. 133 u. S. 168f., ist der verwandelte Zauberer ­ auf der weltanschaulichen Ebene des Romans - der wieder zum guten Engel gewordene Luzifer.

108 Zu Wörner: Ezechiel 37,1 - 4, wie Anm. 3, ist zu sagen: In Mays Traum gibt es allenfalls recht vage Anklänge zur Vision des Propheten Ezechiel (vgl. Sudhoff, ebd. S.178 Anm. 66). Zur Exegese von Ez 37,1- 14 vgl. Kilian, wie Anm.32, S.92 - 106.

109 Vgl. Wohlgschaft: Wage der Gerechtigkeit. wie Anm. 38, S. 201f.

110 Das Gerippe erzählt die Sage vom verzauberten Gebete (I V 340).

111 Zum autobiographischen Aspekt dieser Stelle vgl. oben S. 225f.

112 Sudhoff, wie Anm. 4, S. 164f., legt den anthroposophischen Gedanken einer »Wiedergeburt ins Erdendasein«, einer Bewährung des Menschen für die Ewigkeit »in einem zweiten« irdischen Leben nahe. Diese Deutung des Traumtextes scheint mir verfehlt, weil Karl May die >Reinkarnation< der Verstorbenen auch sonst nicht vertritt.

113 Vgl. ebd., S. 117.

114 Vgl. Rudolf Otto: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen. München 1963 (Sonderausgabe der Erstauflage von 1936), S. 13ff. u. S. 42ff.

115 Schmid, wie Anm. 3, S. 400

116 Karl Rahner: Erfahrungen eines katholischen Theologen. In: Vor dem Geheimnis Gottes den Menschen verstehen. Karl Rahner zum 80. Geburtstag. Hrsg. von Karl Lehmann. München-Zürich 1984 S. 105 - 119 (105)

117 Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für alle und keinen (1883-85). München (o. J.), S. 253 (Goldmann Taschenbuch 7526)

118 Vgl. ebd., S. 187ff. (Kapitel >Die sieben Siegel oder: Das Ja-und-Amen-Lied<).

119 Vgl. Heinrich Schlier: Amen. In: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament I. Hrsg. von G. Kittel. Stuttgart 1933, S. 339 - 342.

120 Boff, wie Anm. 33, S. l95ff.

121 Josef Sudbrack: Beten ist menschlich. Aus der Erfahrung des Lebens zu Gott gehen. Freiburg-Basel-Wien 1973, gibt einen Überblick über die verschiedenen modernen theologischen Ansätze zum Thema >Gebet<.

122 Kalka, wie Anm. 5, S. 297

123 Karl Rahner: Liebe. In: Herders theologisches Taschenlexikon. Bd. 4. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg-Basel Wien 1972, S. 319-333 (320)

124 So heißt es zu Recht bei Wollschläger: Erste Annäherung, wie Anm. 1, S. 118.

125 Vgl. z. B. Eberhard Jüngel: Tod. Themen der Theologie 8. Stuttgart 1971, S. 161f.

126 Vgl. Augustinus: Confessiones I 6.

127 Vgl. Krischel, wie Anm. 4 S. 27ff.

128 Dazu Jürgen Moltmann: Mensch. Themen der Theologie 11. Stuttgart 1971, S. 169


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129 Johann Wolfgang von Goethe: Gedenkausgabe der Werke, Briefe, Gespräche. Bd. 7: Wilhelm Meisters Lehrjahre. VIII. Buch. Zürich 21962, S. 570 (Artemis-Verlag)

130 Die hier angeführten Belegstellen sind nur Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

131 Der im >Silberlöwen III< vertretene Pazifismus wird im IV. Band teilweise wieder zurückgenommen (wobei natürlich der autobiographische Hintergrund zu beachten ist). Immerhin ist auch im >Silberlöwen IV< zu lesen: »Man zieht von allen Seiten bewaffnet gegen uns heran. Darum starren nun auch wir in Waffen; mein guter, kriegerischer Chodj-y-Dschuna hat es so gewollt. Wie überflüssig!« (IV 561, Rede des Ustad)

132 Selbst die Notlüge wird heftigst angeprangert!

133 Auch im >Silberlöwen< betont Karl May das Leben nach dem Tod: Der Ustad hat seine Dschamikun gelehrt, daß der Tod für ewig besiegt und überwunden sei (III 421). Kara Ben Nemsi weiß, daß das Leben des Menschen nicht mit dem Tode aufhört. Selbst wenn Hadschi Halef stürbe, würde er ihm unverloren bleiben. (III 295)

134 Vgl. Bibel-Lexikon. Hrsg. von Herbert Haag. Einsiedeln-Zürich-Köln 1968, Sp. 1069f. (Art. Luzifer).

135 Dazu F. Mussner - J. Loosen: Apokatastasis. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. I. Freiburg 21957, Sp. 708 - 712

136 Zit. nach Roland Schmid: Nachwort (zu >Am Jenseits<). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben Bd. XXV. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, N14-24 (N22) - Sudhoff, wie Anm. 4, S. 168f., sieht im Zauberer des Mayschen Traumes den erlösten Luzifer; vgl. oben Anm. 107.

137 Krischel, wie Anm. 4, S. 26

138 Später, in seinem Drama >Babel und Bibel< (1906), tendiert May erneut zur Erlösung aller Kreatur; dazu Hermann Wohlgschaft: Babel und Bibel. In: Jb-KMG 1991.

139 An welche Bücher mag May gedacht haben? Eindeutig hat er die Existenz einer ewigen >Hölle< m. W. nur in frühesten Textfragmenten (Karl May: Hinter den Mauern und andere Fragmente aus der Haftzeit. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 130 u. S. 137) und im >Buch der Liebe< (Karl May: Das Buch der Liebe, Dresden 1875/76, S. 35ff.; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Regensburg 1988. Hrsg. von Gernot Kunze. Bd. l: Textband) bestritten.

140 Vgl. Wohlgschaft: Wage der Gerechtigkeit, wie Anm. 38, S. 200ff.

141 Dietrich Bonhoeffer: Nachfolge. München 91967, S. 13f. - Auf die »billige Gnade«, mit der sich May nicht zufrieden gab, verweist auch Seybold: Plädoyer, wie Anm. 42, S. 36.

142 Bonhoeffer: Nachfolge, wie Anm. 141, S. 15

143 Vgl. Seybold: Aspekte, wie Anm. 3, S. 20f.

144 Vgl. Wohlgschaft: Wage der Gerechtigkeit, wie Anm. 38, S. 194f.

145 Vgl. Wohlgschaft: >Und Friede auf Erden!<, wie Anm. 13, S. 124.

146 Natürlich kann die Bekehrung des Aschyk auch autobiographisch gelesen werden (vgl. Sudhoff, wie Anm. 4, S. 171ff.), schon im - während der Haftzeit in Zwickau entstandenen - Weihnachtsgedicht hieß es ja: »Der Verlorne naht sich wieder; / Geh mit ihm nicht ins Gericht« (May: Hinter den Mauern, wie Anm. 139, S. 126).

147 Vgl. Karl Rahner: Gnade (III. Zur Theologie der Gnade). In: Herders theologisches Taschenlexikon. Bd. 3. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg-Basel-Wien 1972, S. 130-140.

148 Ebd., S. 133

149 Karl Rahner: Gnade und Freiheit. In: Ebd., S. 144- 149 (149)

150 Gert Ueding: Die Rückkehr des Fremden. Spuren der anderen Welt in Karl Mays Werk. In: Jb-KMG 1982. Husum 1982, S. 15-39 (36)

151 Vgl. Karl Rahner: Sünde (V. Dogmatisch). In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. IX. Freiburg 21964, Sp. 1177- 1181.

152 Ueding, wie Anm. 150, S. 37

153 Mit dem Künstler ist Sascha Schneider gemeint; das Bild ist abgelichtet bei Hatzig, wie Anm. 56, S. 42 links (Bildteil).


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154 Diese stark autobiographisch gefärbte (weil auf Mays Gegner bezogene) Stelle darf theologisch nicht überinterpretiert werden (als ob das Böse Nichts sei)

155 Dieses Motiv begegnet bei May sehr oft, z. B. - im >Friede<-Roman - in Waller-Dilke.

156 Vgl. Ueding, wie Anm. 150, S. 20ff.

157 Hatzig, wie Anm. 56, S. 39

158 Dazu von Franz, wie Anm. 50

159 Auch die beiden Rosse Syrr (>Geheimnis<) und Iblis (>Teufel<) symbolisieren den Sieg des Göttlichen bzw. die Niederlage des Bösen. Vgl. Hans Wollschläger: Karl Mays Schattenroman. In: Karl May's Gesammelte Werke Bd. 29: Das versteinerte Gebet. Bamberg 1957, S. 581-593 (587).

160 Wollschläger: Karl May, wie Anm. 11, S. 127

161 Schönthal, wie Anm. 3, S. 22

162 Vgl. Krischel, wie Anm. 4, S. 13-18.

163 Vgl. Lorenz, wie Anm. 4, S. 144ff. ­ auch Sudhoff, wie Anm. 4, S. 136f. (gegen Arno Schmidt u. a.).

164 Vgl. Wohlgschaft: >Und Friede auf Erden!<, wie Anm. 13, S. 121ff.

165 Silberlöwe III, 501ff. (Beschreibung des Oberbaus), und Silberlöwe IV, 315ff. (Beschreibung des Kellergewölbes)

166 Schmidt: Abu Kital, wie Anm. 17, S. 61, bringt den Taki-Orden mit den Jesuiten in Verbindung.

167 Lorenz, wie Anm. 4, S. 150, verweist auf Lessings >Ringparabel<; vgl. unten Anm.

168 Der Autor schränkt allerdings ein: dieses Gleichnis entstamme der persönlichen Lebensgeschichte des Ustad; folglich sei es als individuelle Meinung und nicht als Gottesbotschaft zu bewerten (IV 22). Diese Einschränkung ist gewiß nicht unwichtig zeigt sie doch, daß May sich nicht etwa selbst für >unfehlbar< hielt

169 Krischel, wie Anm. 4, S. 25

170 Vgl. Seybold: Aspekte, wie Anm. 3, S. 9.

171 Vgl. Krischel, wie Anm. 4, S. 21ff., Schmidt: Abu Kital, wie Anm. 17, S. 62, bezeichnet dieses Bauwerk als »allegorisch äußerst gelungen« und »Lessings >Parabel< mehr als gleichwertig«.

172 Fries: Fundamentaltheologie, wie Anm. 36, S. 57

173 Vgl. Heinrich Fries: Religion. In: Handbuch theologischer Grundbegriffe II. Hrsg. von H. Fries. München 1963, S. 432 - 441 (432ff.).

174 Vgl. ebd. - auch Norbert Schiffers: Religion. In: Herders theologisches Taschenlexikon. Bd. 6. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg-Basel-Wien 1973, S. 203-212 (209ff.).

175 Vgl. Heinrich Fries: Glaube und ideologisches Denken. In: Ders.: Herausgeforderter Glaube. München 1968, S. 133 - 150 - Karl Lehmann: Die Kirche und die Herrschaft der Ideologien. In: Handbuch der Pastoraltheologie II/2. Hrsg. von F. X. Arnold u. a. Freiburg-Basel-Wien 1966, S.109- 180 - Karl Rahner: Ideologie und Christentum. In: Ders.: Schriften zur Theologie VI. Einsiedeln-Zürich-Köln 1965, S. 59 - 76.

176 Mays Nähe zum Reformkatholizismus betont Krischel, wie Anm. 4, S. 12 u. S. 19f., zu Recht. Zu Mays Interesse an katholischen Reformbewegungen vgl. auch Wagner, wie Anm. 66, S. 27f.

177 Fries: Glaube und ideologisches Denken, wie Anm. 175, S. 145. Die folgenden Zitate sind, wenn nicht anders vermerkt, ebd., S. 144-150 entnommen.

178 Helmut Thielicke: Theologische Ethik II/2. Tübingen 1958, S. 66ff., zit. nach Fries: Glaube und ideologisches Denken, wie Anm. 175, S. 147

179 Ebd.

180 Sudhoff, wie Anm. 4, S. 138 - Sudhoff setzt, ganz anders als May, einen ausgesprochen defizienten Kirchenbegriff voraus.

181 Dieses und die folgenden Zitate nach Fries: Glaube und ideologisches Denken, wie Anm. 175, S. 149f.

182 Sudhoff, wie Anm. 4, S.179 (Anm. 69) - Zum Kirchlein im >Silberlöwen< vgl. auch Seybold: Aspekte, wie Anm. 3, S. 43 (Anmerkung).


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183 Dazu Hans Küng: Die Kirche. Freiburg-Basel-Wien 21968, S. 108ff.

184 Zweites Vatikanisches Konzil. Dogmatische Konstitution über die Kirche (>Lumen Gentium<). Art. 1

185 Joseph Ratzinger - Karl Lehmann: Mit der Kirche leben. Freiburg-Basel Wien 41977, S. 26f.

186 Sudhoff, wie Anm. 4, S. 138 - ähnlich Krischel, wie Anm. 4, S. 25

187 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXX: Und Friede auf Erden!. Freiburg 1904, S. 439 - Vgl. Seybold: Aspekte, wie Anm. 3, S. 38 - Ders.: Anmerkungen zu Paul Rentschka: Karl Mays Selbstenthüllung. In: Jb-KMG 1987. Husum 1987, S.138 - 159 (158 Anm.58) ­ Hermann Wohlgschaft: Mays Friede-Roman und die Lehre der Kirche. In: M-KMG 83/1990, S. 18-24 (22).

188 Paul Michael Zulehner: Kirche - Anwalt des Menschen. Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen. Wien-Freiburg-Basel 1981

189 Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe I. Freiburg-Basel-Wien 1976, S.87

190 Vgl. Claus Roxin: Das zweite Jahrbuch. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 7-10 (8): zu Mays - schon während der Haftzeit belegbaren ­ »an Feuerbach gemahnenden Denkbemühungen«.

191 Sudhoff, wie Anm.4, S.139 - Vgl. dagegen Seybold: Aspekte, wie Anm. 3, S.26f.


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