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Offener Brief 1

Rüdeger Lorenz

2000 Hamburg 61 , den 13. November 1990
[Adresse und Telefonnummer]

Herrn
Dr. Helmut Schmiedt
[Adresse]

Sehr geehrter Herr Dr. Schmiedt !

Betr.: K A R L  M A Y -Ihr Literaturbericht zum Jahrbuch 1990
Meine Karl May Bibliographie im:
LEXICON DER REISE - UND ABENTEUERLITERATUR

NOBODY IS PERFECT ! Auch Sie, Herr Dr. Schmiedt sind es nicht ! Lesen Sie bitte im Karl May Handbuch auf Seite 214 nach. Hier wird unter Ihrer Federführung der Band WINNETOU III als Fehsenfeld Band 8 geführt ! Die von Ihnen kritisierte Bibliographie erarbeitete ich keineswegs in Konkurrenz zu Dr. Plauls trefflicher Arbeit - wie Sie kühn behaupten - sondern ich erstellte diese für mich privatim , da ich mit Ihrer eigenen in Ihrem Band " Karl May " nichts anfangen konnte.

Da es sich um ein Lexicon der Reise- und Abenteuer-Literatur handelt,konnte der Themenkreis,den Sie anschnitten,in der Sekundärliteratur nicht so ausführlich in den von Ihnen unter die Lupe genommenen Fachgebieten berücksichtigt werden. Klar und deutlich wies ich doch mit der Überschrift zur Sekundärliteratur auf diesen Umstand hin. Lesen Sie bitte nach, Sie werden folgende Überschrift feststellen : " SEKUNDÄRLITERATUR -AUSWAHL "

Das von vielen Mitarbeitern lanzierte Lexicon ist, wie der Titel klar aussagen sollte, ein Nachschlagewerk zur Abenteuer-und Reiseliteratur und nicht ein Lexicon für das Fachgebiet Psychoanalyse !!

Warum, so frage ich Sie, haben Sie mich nicht persönlich angeschrieben ? Waren Sie zu feige dazu ? Nein, Sie zogen den bequemeren Weg vor und zerrissen mich öffentlich förmlich in der Luft. Dabei versteckten Sie sich hinter dem Schutzschild der Karl May Gesellschaft, so, als ob Sie von dieser Gesellschaft zum Gralshüter Karl Mays bestellt wären. Vertreten Sie vielleicht die naive Meinung,dass nur Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft das Recht haben,über Karl May zu schreiben, und dass demnach alles, was von profaner Hand kommen könnte, gleich von Anfang an völlig unmotiviert schlecht gemacht werden muss ?


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Es ist leicht, gut versteckt, hinter einem Schutzschild einer literarischen Gesellschaft seine Pfeile zu verschiessen. Sie tun damit das gleiche, was einstmals ein Cardauns, Pöllmann und Expeditus Schmidt ( fast ein Namensvetter von Ihnen ) mit Karl May taten ; sie versteckten sich auch hinter dem Schild literarischer Zirkel oder Blätter. Oh, wie sich die Bilder doch gleichen !!

Das Lexicon ist doch in erster Linie für den Sammler, und nicht für den Kreis der Forschenden bestimmt. Wenn sich aber aus dem Kreis der Sammler später einige Forscher herausschälen sollten, dann werden sich diese dann wohl auch die entsprechende Fachliteratur zu besorgen wissen. Aber immer wird es wohl der Sammler bleiben, der dem Forscher das von diesem benötigte Material zur Verfügung stellt!

Darf ich Sie bei dieser Gelegenheit fragen,welches Material Sie zum Beispiel als Forscher Herrn Dr. Plaul für seine von Ihnen zitierte Karl May Bibliographie zur Verfügung stellten ? Ich fürchte, Sie werden nichts zur Verfügung gestellt haben, oder ?

Nicht alles ist da Gold, was da glänzt und was unter der Aegide der Karl-May-Gesellschaft vor Jahren von einigen der sogenannten Forschern zu Papier gebracht wurde. Was andere darüber schon vor Jahren dachten, bitte ich Sie in den Blättern für Volksliteratur doch gelegentlich mal nachzulesen. Einige der dort geschriebenen Köstlichenkeiten zitiere ich Ihnen im Detail wie folgt :

a) 12. Jg. Nr. 2/Juni 1973 unter dem Titel " Autodidakten ALS FORSCHER und
b) 17. Jg. Nr. 3/Juli 1978 unter dem Titel " Wie werde ich Karl May Forscher "

Sollten Sie diese Blätter nicht besitzen, oder sollten Ihnen diese nicht erreichbar sein, ich bin gern bereit, Ihnen Ablichtungen zur Verfügung zu stellen.

Immerhin scheinen Sie ja mit meiner Bibliographie an sich einverstanden zu sein;nur nicht mit der Sekundärliteratur! Ich bin doch der Meinung, dass ich auch Ihre zur Sekundärliteratur gelieferten Beiträge zitierte; ich meine, einige davon ! Oder genügte Ihnen persönlich nicht diese Aufzählung. Den bewussten Arno Schmidt erwähnte ich bewusst nicht. ln 50 Jahren wird man Arno Schmidt vergessen haben, wenn nicht ganz, dann aber ganz bestimmt sein scheussliches Fäkalwerk,das er über Karl May schrieb !


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Aber Karl May wird mit Sicherheit noch nicht vergessen sein, und seine Werke werden weiterhin gelesen werden, und das von Ihnen so gehuldigte Gebiet der Sekundärliteratur wird um mindestens 50 oder noch mehr Titel erweitert worden sein.

Auch von Ihnen wird man dann noch reden, denn Sie haben über Ihr Urteil zur Sekundärliteratur den Anfang der TERTIÄRLITERATUR aus der Taufe gehoben. Diesen Ruhm wird und kann niemand Ihnen streitig machen und ich bin sicher, Sie werden in den nun noch folgenden Jahren noch viel über die " Sekundärliteratur " zu schreiben haben ! Glück auf, wünsche ich Ihnen ! -

Zum Schluss füge ich Ihnen aus meinem Besitz ein handgeschriebenes Gedicht Karl Mays bei und empfehle Ihnen dieses Gedicht als eine besonnene und auch besondere Lektüre für Sie persönlich. Ich gestatte Ihnen aber auf keinen Fall dieses ans Herz gehende Gedicht in irgend einer Form literarisch auszuschlachten; denn diese ergreifenden Zeilen Mays aus der schwersten Zeit seines Lebens sind der Forschung noch nicht bekannt.

Vielleicht geben Ihnen aber diese Zeilen zu denken und vielleicht verstehen Sie dann Karl Mays Geist, Wollen und Denken besser. Die Art und Weise , wie Sie mich angriffen, liess mich dies nicht vermuten.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Rüdeger Lorenz


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[Was klingen doch von allen, allen Seiten
Für liebenswerte Stimmen auf mich ein !
Daß ich ein Mensch bin, kann ich nicht bestreiten,
Doch man befiehlt, ich soll ein Engel sein.

Wer seid denn Ihr, die über mich ihr richtet,
Obwohl von Euch kein Einziger mich kennt ?
Wer hat mir Eure Fehler angedichtet,
Indem ihr sie so kühn die meinen nennt ?

Ich frage nicht, um Euch hier anzuklagen,
Denn was Euch fehlt, die Nachsicht, macht mich still.
Ich habe nur das Einzige zu sagen,
Daß ich um Folgendes Euch bitten will:

Verzeiht mir, daß ich bin und daß ich lebe,
genau so schwach, so fehlerhaft wie Ihr !
Indem ich meine Fehler Euch vergebe,
Verzeih ich als die Eurigen sie mir !

Radebeul, Dresden, d. 9./5.10

Karl May]



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Offener Brief 2

Prof. Dr. Helmut Schmiedt Köln, den 19.11.1990

[Adresse] Herrn
Rüdeger Lorenz
[Adresse] Sehr geehrter Herr Lorenz,

unsere Auffassungen von den Aufgeben eines Bibliographen und eines Rezensenten sind wohl zu unterschiedlich, als daß wir uns in der Angelegenheit einigen könnten, von der Ihr Brief handelt. Ich will aber doch drei Dinge kurz herausheben, die mir im Zusammenhang mit meiner Kritik und Ihrer Antwort darauf wichtig zu sein scheinen.

- Von den verschiedenen Kritikpunkten, die ich im Literaturbericht anführe, antworten Sie im wesentlichen nur auf die Beobachtung, daß Sie psychoanalytisch ausgerichtete Arbeiten und diejenigen Arno Schmidts aussparen, und Sie rechtfertigen dies mit dem Hinweis, Sie hielten davon nichts und wollten "nicht ein Lexicon für das Fachgebiet Psychoanalyse" schreiben. Das letztere habe ich, wie Sie meinen Jahrbuch-Darlegungen entnehmen können, auch keineswegs angeregt, und zum ersteren darf ich auf die beiden ersten Sätze des vorletzten Absatzes der Rezension (S. 336: "Niemand wird es...") verweisen. Wenn Sie ernsthaft der Meinung sind, mit ungeliebten Beiträgen zu May am besten auf dem Wege des Verschweigens verfahren zu sollen, so halte ich das für ein Zeichen bedenklicher Intoleranz, das mit dem von Ihnen beschworenen "Geist, Denken und Wollen" Karl Mays nicht viel zu tun hat. Wohlgemerkt: es geht mir hier nicht um den Wert oder Unwert jener Schriften, sondern allein um ihr Recht, in einer Bibliographie - auch in einer Auswahlbibliographie - angemessen repräsentiert zu sein.

- Es ist nicht meine Absicht gewesen, Sie "förmlich in der Luft" zu zerreißen; allerdings könnte man mit diesem Ausdruck meine Kritik an dem nach meiner Überzeugung mißglückten Teil Ihrer Bibliographie treffend zusammenfassen, und ich bestehe darauf, daß dies mein Recht als Kritiker ist, so wie es Kritiker


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in Anspruch nehmen, seit es Rezensionen gibt. Wenn Sie das als einen persönlichen Angriff empfinden, tut es mir leid; auch die - sich für mich nur aus der Sache ergebende - Schärfe der Kritik sollte Sie nicht dazu veranlassen, sich als Person herabgewürdigt zu fühlen.

- Was Sie über meine persönlichen Motive bei der Abfassung der Rezension schreiben ist für mich beim besten Willen nicht nachvollziehbar. Die Literaturberichte verfasse ich nach meinen eigenen Eindrücken, und ich lasse mir da weder von jemandem hineinreden, noch sehe ich mich als "Gralshüter Karl Mays"; auch habe ich nichts gegen Autoren, die nicht der KMG angehören (daß Sie nicht zu den Mitgliedern zählen, weiß ich übrigens erst seit kurzer Zeit). Von einem KMG-"Schutzschild" kann also, zumal ja schließlich auch mein Name über dem Beitrag steht, nicht die Rede sein, und den Vergleich mit den Streitigkeiten um den alten May halte ich, gelinde gesagt, für geschmacklos: Dafür sind wir beide, Sie und ich, denn wohl doch nicht bedeutend genug, und der Streit um eine Bibliographie hat meines Erachtens ungleich weniger Gewicht als das, was bei May zur Diskussion stand.

Alles in allem möchte ich Ihnen mit diesem Brief sagen, daß ich Sie nicht persönlich habe beleidigen oder herabwürdigen wollen, daß ich in der Sache aber weiterhin uneingeschränkt zu dem stehe, was ich geschrieben habe.

"Nobody is perfect", ich auch nicht - einverstanden.

Mit bestem Dank für das May-Gedicht
und freundlichen Grüßen
Helmut Schmiedt


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