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ANDREAS GRAF

»Von einer monatelangen Reise zurückkehrend«
Neue Fragmente aus dem Briefwechsel Karl Mays mit Joseph Kürschner und Wilhelm Spemann (1882-1897)



Die Beziehungen Karl Mays zu dem Redakteur und späteren Verleger Joseph Kürschner (1853-1902)(1) sind schon mehrfach Gegenstand ausführlicher Darstellungen in den Jahrbüchern der Karl-May-Gesellschaft gewesen.(2) Lange Vorreden können deshalb hier unterbleiben. Teile aus dem Briefwechsel beider konnte Jürgen Wehnert 1988 an gleicher Stelle in einer umfangreichen Edition vorlegen.(3) Dabei handelte es sich um 23 Briefe Kürschners an Karl May, deren Originale im Archiv des Karl-May-Verlages aufbewahrt werden und von diesem für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wurden. Anhand dieser Briefe und weiterführender Recherchen gelang es Wehnert scharfsinnig, das doch recht einseitige Verhältnis der beiden Korrespondenzpartner sehr weitgehend zu erhellen: Kürschner als unermüdlicher Bittsteller um Manuskripte, May als aus verschiedenen Gründen ständig vertröstender, sehr unzuverlässiger Lieferant des Gewünschten. Allerdings mußte Wehnert seinerzeit noch bedauernd feststellen: »Schmerzlich ist vor allem der Verlust sämtlicher Briefe Mays an Kürschner.«(4)

   Diesem Umstand kann nunmehr abgeholfen werden. Im gleichen Jahr, in dem Wehnert sein Bedauern zu Papier brachte, wurde nämlich jener Teil des Nachlasses von Joseph Kürschner, der sich bis dahin noch in Privathand befunden hatte, vom ältesten Enkel des unermüdlichen Redakteurs an die Forschungsbibliothek Gotha verkauft.(5) Im Verzeichnis dieser Teilsammlung, das zwei Jahre später erschien, wurden außer einigen Briefen anderer Empfänger auch bereits sämtliche Briefe Karl Mays abgedruckt.(6) Diese May-Briefe werden hier erstmals im ihnen gemäßen Zusammenhang veröffentlicht, zusammen mit den bislang unveröffentlichten Briefen Kürschners aus der Gothaer Sammlung sowie einem unbekannten gedruckten Schreiben Mays. Ebenfalls erstveröffentlicht werden hier außerdem, aus dem Archiv des Karl-


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May-Verlages, drei noch unpublizierte Briefe Wilhelm Spemanns an Karl May, die geeignet sind, die Darstellung abzurunden.

   Zum besseren Überblick und um die zeitliche Verknüpfung der bereits von Wehnert veröffentlichten Briefe mit den hier abgedruckten deutlich zu machen, folgt zunächst ein Register aller erhaltenen Schreiben aus der Korrespondenz May-Kürschner. Dabei wurde aus Gründen der Klarheit bewußt darauf verzichtet, verlorengegangene, aber sicher zu erschließende Briefe mit zu verzeichnen. Die hier vorgelegten Briefe werden mit arabischen Zahlen von 1 bis 35 durchnumeriert, den von Wehnert vorgelegten Briefen habe ich römische Ziffern von 1 bis XXIII beigegeben; die Spemann-Briefe sind mit a, b und c registriert. Die verbindenden Anmerkungen zu den Briefen referieren gelegentlich bereits von Wehnert getroffene Aussagen; dies war, aus Gründen der Verständlichkeit des Vorliegenden, unvermeidlich. Die Ausführungen bleiben außerdem, beim Fragmentischen des Briefwechsels, notgedrungen rhapsodisch. Ein roter Faden ist jedoch mit dem Zitat in der Überschrift angedeutet.


Briefregister May/Kürschner

1 May an Kürschner. Hohenstein-Ernstthal, den 10. Dezember 1882
a) Spemann an May. Stuttgart, den 17. Mai 1883
b) Spemann an May. Stuttgart, den 28. Mai 1883
2 May an Kürschner. Dresden, Prinzenstraße, den 26. November 1884
3 Kürschner an May. Stuttgart, den 29. November 1884
4 May an Kürschner. Dresden, Prinzenstraße, den 2. Dez. 1884
5 May an Kürschner. Dresden, den 5. Dezember 1884
6 May an Kürschner. Dresden, den 8. März 1885
I Kürschner an May. Stuttgart, den 19. Mai 1885 (Wehnert, S. 346)
7 May an Kürschner. Dresden, Prinzenstraße, den 1. Juli 1885
8 May an Kürschner. Dresden, Prinzenstraße, den 22. Januar 1886
II Kürschner an May. Stuttgart, den 2. Februar 1886 (Wehnert, S. 347)
9 May an Kürschner. Dresden, den 12. Februar 1886
10 Kürschner an May, Stuttgart, den 18. Februar 1886 (= III - Wehnert, S. 348f.)
11 May an Kürschner. Dresden, Prinzenstraße, den 11. März 1886
12 Kürschner an May. Stuttgart, den 15. März 1886
13 May an Kürschner. Dresden, Prinzenstraße, den 11. September 1886
c) Spemann an May. Stuttgart, den 20. September 1886
14 Kürschner an May. 3. Oktober 1886 (= IV - Wehnert, S. 350)
15 May an Kürschner. Dresden, Prinzenstraße, den 17. Oktober 1886
16 Kürschner an May. 19. Oktober 1886 (= V - Wehnert, S. 351)
VI Kürschner an May. Stuttgart, den 10. November 1886 (Wehnert, S. 352)


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VII Kürschner an May. Stuttgart, den 15. November 1886 (Wehnert, S. 353)
17 Kürschner an May. Stuttgart, den 14. Januar 1887 (= VIII - Wehnert, S. 354)
18 Kürschner an May. 29. März 1887 (= IX - Wehnert, S. 354)
19 Kürschner an May. Stuttgart, den 5. Juni 1887
20 Kürschner an May. Stuttgart, den 10. Oktober 1887 (= X - Wehnert, S. 355)
21 May an Kürschner. Dresden, 12. Oktober 1887
22 May an Kürschner. Dresden, 13. Oktober 1887
23 May an Kürschner (o.O. o.D.; wahrsch. 14. Oktober 1887)
24 May an Kürschner. Dresden, 15. Oktober 1887
25 Kürschner an May. Stuttgart, den 18.10.(?)1888(?)
26 Kürschner an May. Stuttgart, den 14. Februar 1889 (= XI - Wehnert, S. 356)
27 May an Kürschner. Kötzschenbroda, den 27. Februar 1889
28 Kürschner an May. Stuttgart, den 8. März 1889 (= XII - Wehnert, S. 357)
XIII Kürschner an May. Stuttgart, den 8. April 1889 (Wehnert, S. 357)
29 May an Kürschner. Kötzschenbroda, den 13. April 1889
XIV Kürschner an May. Stuttgart, den 30. Juni 1889 (Wehnert, S. 358)
XV Kürschner an May. Stuttgart, den 17. September 1889 (Wehnert, S. 360)
XVI Kürschner an May. Stuttgart, den 26. September 1889 (Wehnert, S. 360/61)
XVII Kürschner an May. Stuttgart, den 29. Oktober 1889 (Wehnert, S. 361/62)
XVIII Kürschner an May. Stuttgart, den 16. Dezember 1889 (Wehnert, S. 362/63)
XIX Kürschner an May. Stuttgart, den 14. Januar 1890 (Wehnert, S. 364/66)
XX Kürschner an May. Stuttgart, den 18. Januar 1890 (Wehnert, S. 367)
XXI Kürschner an May. Stuttgart, den 27. Januar 1890 (Wehnert, S. 370/71)
XXII Kürschner an May. Stuttgart, den 25. März 1890 (Wehnert, S. 372/73)
XXIII Kürschner an May. Stuttgart, den 7. Juli 1890 (Wehnert, S. 373)
30 May an Kürschner. Kötzschenbroda, den 18. Oktober 1890
31 May an Kürschner. Oberlößnitz bei Dresden, den 5. September (?) 1895
32 Kürschner an May. 8. Februar 1896
33 Kürschner an May. 7. Mai 1896
34 May an Kürschner. Radebeul, den 2. Mai 1897
35 Kürschner an May. 4. Mai 1897


Das Register macht deutlich, daß von den Briefen Wehnerts acht identisch sind mit einigen der hier vorgelegten fünfunddreißig Schriftstücke. Um den Bestand der Korrespondenz May-Kürschner aus der Forschungsbibliothek Gotha lückenlos zu dokumentieren, werden auch diese hier nochmals veröffentlicht. Es liegen damit fünfzig Briefe aus


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der Korrespondenz vor, davon stammen dreißig von Kürschner und zwanzig von Karl May. Diese letztgenannten sind im vorliegenden Kontext natürlich die interessantesten, zumal erst wenige May-Briefe überhaupt im Zusammenhang veröffentlicht worden sind.(7) Auf sie richtet sich deshalb auch vorwiegend das Augenmerk der vorsichtig interpretierenden Anmerkungen.

   Der älteste erhaltene Brief (Nr. 1) ist ein Schreiben Karl Mays vom 10. Dezember 1882. Darin bedankt sich der Autor für ein Belegexemplar des dritten Heftes aus dem laufenden (zweiten) Jahrgang der von Kürschner redigierten, im Verlag Wilhelm Spemann in Stuttgart erscheinenden Zeitschrift >Vom Fels zum Meer<. In diesem Heft, das Ende Oktober 1882 erschienen ist,(8) wurde Mays Kurden-Abenteuer >Christi Blut und Gerechtigkeit< abgedruckt. Dies war der erste Text, den May für Kürschner geschrieben hat. Die verlorenen Teile des Briefwechsels, als deren Ergebnis die genannte Erzählung anzusehen ist, dürften etwa im Sommer 1882 hin- und hergeschickt worden sein. Im gleichen Zeitraum wird es in der Korrespondenz auch um ein anderes Projekt Kürschners gegangen sein, das bis heute mit dessen Namen verknüpft ist: der Literaturkalender. Denn ab dem fünften Jahrgang, der im Jahr 1883 erschien, hatte Kürschner die Redaktion des >Deutschen Litteratur-Kalenders< übernommen, der zuvor (1/1879-4/1882) von den Brüdern Hart herausgegeben worden war. In den ersten Jahrgängen war May nur mit einem einfachen Namenseintrag vertreten gewesen. Erst mit diesem fünften, erstmals von Kürschner betreuten Jahrgang (Redaktionsschluß: Mitte Dezember 1882), änderte sich das; die Angaben wurden differenzierter, Mays Pseudonyme, sein Geburtsdatum und einige Werktitel wurden aufgenommen.(9)

1 May an Kürschner(10)

Hohenstein-Ernstthal(11) i. Sachsen, d. 10.12.82

Sehr geehrter Herr.

Ihnen meinen besten Dank für die so freundliche Übersendung der Nr. 3 von »Vom Fels zum Meere« sagend, beantworte ich Ihre gütige Zuschrift dahin, daß ich zwar augenblicklich sehr beschäftigt bin, Ihnen aber bis Anfang Januar einen Beitrag zu Handen stellen werde. Es ist mir ja eine hochgeschätzte Ehre, unter Ihrer bewährten Leitung Mitarbeiter Ihres ausgezeichneten Unternehmens sein zu dürfen.

   Mit vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebener
            Karl May


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May hat sein Versprechen aus diesem Brief, Kürschner bis Anfang Januar einen Beitrag zu Handen zu stellen, genau eingehalten. Im siebten Heft des Zweiten Jahrgangs von >Vom Fels zum Meer<, das Ende Februar 1883 im Handel war,(12) erschien gleich auf den ersten Seiten (1 - 17) sein Lappland-Abenteuer >Saiwa tjalem<.

   Damit hatte sich also die Geschäftsbeziehung des Schriftstellers zu dem Redakteur recht gut angelassen. Es war Kürschner gelungen, May für den zweiten Jahrgang seiner ambitionierten Zeitschrift gleich zwei Erzählungen zu entlocken,(13) und May war Mitarbeiter eines ausgezeichneten Unternehmens geworden. Das Honorar Mays für die beiden Erzählungen ist unbekannt; es dürfte aber etwa 250 bis 300 Mark betragen haben.(14) Daneben hatte May für eine andere Zeitschrift Wilhelm Spemanns, Kürschners Brotherrn, die Erzählung >Ein Oelbrand< geschrieben, die dort im Dezember 1882 und Mai/Juni 1883 abgedruckt wurde.(15) Doch wirklich stillen konnte oder wollte May den Stoffhunger Kürschners für >Vom Fels zum Meer< und auch den Spemanns (zum seit 1880 erscheinenden >Das Neue Universum< kamen 1881 die >Deutsche National-Litteratur< und 1882 die >Collection Spemann<(16) hinzu) in dieser Zeit nicht. Der Verleger inserierte an exportierter Stelle im Literaturkalender 1883: »Litterarische Anerbietungen wertvoller Natur sind mir immer willkommen. Ich werde sie stets sorgfältig prüfen und wo ich sie nicht selbst übernehmen kann, auf Wunsch gewissenhaft buchhändlerischen Rath ertheilen.«(17)

   Im überlieferten Briefwechsel entsteht nach dem Brief Mays vom 10. Dezember 1882 eine Lücke, die genau zwei Jahre umfaßt. Kürschner entwickelte in dieser Zeit >Vom Fels zum Meer< zu einer angesehenen und viel gelesenen Zeitschrift, die Ende 1884 50000 Abonnenten vorweisen konnte, was nach Angaben des Blattes etwa einer halben Million Leser entsprach. In den ersten beiden Jahrgängen war Kürschner gelegentlich noch selbst mit feuilletonistischen Beiträgen vertreten (>Weihnachten überall-allüberall!<, >Die Wunder der Bühnenwelt<, >Ins Seebad<, >Drei Dichterbilder<, >Ein moderner Charakterspieler<, >Auf klassischem Boden<), doch schon ab dem dritten Jahrgang konnte er seine Kräfte auf diesem Gebiet sparen. Es war ihm gelungen, beinahe alles, was damals Rang und Namen in der deutschen (Unterhaltungs-)Literatur und teils auch der europäischen hatte, literarisch zu versammeln. In den ersten drei Jahrgängen veröffentlichten in >Vom Fels zum Meer<(18) beispielsweise Gerhard von Amyntor, Ludwig Anzengruber, Georg Ebers, Marie von Ebner-Eschenbach, Ludwig Ganghofer, Wilhelmine Heimburg, Alexander Kielland, Otfried Mylius, Ludwig Pietsch, Wilhelm Heinrich Riehl, Max Ring, Otto


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Roquette, Peter Rosegger, Ferdinand von Saar, Henrik Sienkiewicz, Julius Stinde, Iwan Turgenjeff, Hans Wachenhusen und Ernst Wichert.

   Karl May war in diesen Jahren gewissermaßen >abgetaucht<. Seit Herbst 1882 stand er bei Münchmeyer im Sold eines Lohnschreibers vom Fließband; damit hatte er »eine Art geistiger Haftzeit«(19) auf sich genommen, die ihm neben der vertragerfüllenden Produktion umfangreicher Kolportageromane nicht viel Zeit ließ zu anderweitiger - literarischer - Beschäftigung. Plauls Bibliographie legt davon beredtes Zeugnis ab: Von Ende 1882 bis August 1884 erschien >Das Waldröschen<, von Oktober 1883 bis November 1885 >Die Liebe des Ulanen< und von August 1884 bis Juli 1886 >Der verlorene Sohn<. Insofern entspricht die zweijährige Lücke in der Korrespondenz einer geistigen Quarantäne Mays, die noch weitere drei Jahre währen sollte. Die Lücke kann aber überbrückt werden mit zwei Briefen Wilhelm Spemanns an May, die, in ihrer Konsequenz, die ganze Katastrophe der Mayschen Kolportagefron enthüllen.


a) Spemann an May(20)

Sehr geehrter Herr!         Stuttgart, den 17.V.1883

Ich freue mich, daß Sie meine Vorschläge sachgemäß finden. Hier die Kontracte und ein Vorschuß von 200 M.

Die Widmung würde ich nicht für glücklich halten. Sie müßen als  N e u i g k e i t  wirken; jede Anlehnung an Vorbilder würde Ihre Wirkung abschwächen. Es setzt sich ein Urtheil gleich im Anfang fest und das bleibt als Vorurtheil für Lebenszeit haften. Deshalb auch meine Bitte um  a b s o l u t e  D i s c r e t i o n  . Namentlich auch der Titel, den  d u r c h a u s  N i e m a n d  erfahren darf.

Bei der Darstellung bitte ich ja nicht etwa ein bestimmtes Publikum im Auge zu haben. Die gebildete Welt muß es ebenso mit Interesse lesen, wie es der reiferen Jugend in die Hand gegeben wird. Die Hauptfigur muß ins hellste Licht gerückt werden, man muß für sie schwärmen. Können Sie eine blonde Heldin in der Ferne zeigen, welche im Verlauf der Bände näher wirkt, um so besser. Noch eine Bitte. Viele Verleger haben die Übung, wenn sie einen jüngeren Autor einführen wollen, ihn entsetzlich zu binden, daß er alle künftige Arbeit demselben zuerst anbieten muß. Ich halte das für ebenso unklug, wie gegen jede feinere Beobachtung der Naturgeschichte des Autors. Aber der Gedanke, welcher solchen Wünschen zu Grunde liegt, hat wohl etwas Wahres. Jeder Autor wird am Schluß seiner Laufbahn sich darüber klar sein, daß sein


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Erfolg, die Schnelligkeit seiner Wirkung, die Dauer seiner Wirkung wohl im Zusammenhang steht mit der geistigen Leistung seines Verlegers. So müßte auch ich schmerzlich empfinden, wenn die fröhlichen Concurrenten, welche bald genug, nachdem ich sie ihnen gezeigt, Sie gefunden haben werden, wenn diese Herren, von denen ich leider jeden meiner Schritte genau beobachtet weiß, Erfolg hätten. -

   Als Sitz denke ich mir den hier geplanten Bau der Alhambra.

   Mit dem Wunsch, daß Ihnen die herrliche Frühlingssonne zur Arbeit leuchte

    Ihr ergebener
        WSpemann

Als Sitz ... Alhambra: Bedeutung ungeklärt


b) Spemann an May

Stuttgart, den 28.V.1883

Verehrter Herr!

Das ist allerdings ein erheblich anderer Fall und ein Fall, der nicht so leicht ist. Ich war der Meinung, der Titel »Weltläufer« sei eine absolute Neuigkeit, worauf ich einen Theil der schnellen Einführung baute - - u. nun ist der Titel schon im Briefkasten u.s.w. verbraucht [?]. Wenn Sie sagen, das wird dem Absatz nur förderlich sein - so ist das doch die Frage - ich muß wenigstens nach besonderen Einführungsmitteln suchen.

Machen wir es so: Sie stellen die Veröffentlichung der Reisenovellen noch zurück; Sie treten die Rechte an mich ab und ich bringe diese Bücher dann, wenn der Weltläufer sich eingeführt hat. Da Sie schreiben: »ich stehe mit Stewer [?] in Unterhandlung« - so ist es ja wohl nicht zu spät, diese Unterhandlungen abzubrechen. Ich mache Ihnen sofort den Vorschlag, daß Sie den Theil des entfallenden Honorars, den Sie an jenen Novellen wohl erwarteten, und auf dessen Eingang Sie für jetzt gerechnet haben werden, sogleich erhalten können. Ich will lieber diesen Zinsenverlust erleiden, als daß die Einführung des wichtigen Cyclus' eine Störung erfahren sollte.

Den § 7 des Contractes hatte ich mir eigentlich auch nicht anders gedacht, als wie Sie die Fassung vorschlagen. Ich bin damit durchaus einverstanden und bitte Sie um entsprechende Abänderung.

Auch das soll keine Differenz sein, daß ich das Honorar für 2te u. folgende Auflagen in derselben Proportion belasse, wie bei der ersten. Ich möchte nur das ausgeschlossen sehen, daß ich die Auflagenhöhe ma-


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chen kann, wie ich will, also nicht mindestens 5000 sondern 1000 oder 2000 wie der Bedarf ist u. daß das Honorar sich nach der Höhe der Auflage richtet, also für 1000 so u. so viel. Ändern Sie das bitte ganz nach Ihrem Gutdünken.

Nach Ihrer Erfahrung werden Sie mir sagen können, bis wann ich auf das Mspt zu rechnen habe. Es würde mir lieb sein, es zu wissen, da ich meine Serienaufgaben gern überschaue [?] u. klarstelle, ehe ich den Gaul anspanne.

    In aufrichtiger Werthschätzung
        ergebenster WSpemann

Stewer: unidentifiziert

Die Briefe Spemanns geben eine Reihe von Rätseln auf, die an dieser Stelle nicht endgültig geklärt werden können. Sie machen aber jedenfalls hinreichend deutlich, daß es für May, wenn er ernstlich gewollt hätte, schon in dieser frühen Phase seiner zweiten Münchmeyer-Zeit (das >Waldröschen< war noch im Entstehen) durchaus eine Möglichkeit gegeben hätte, aus dem Kolportagegeschäft auszusteigen. Spemann bot gute Bedingungen: ein anständiges Honorar, sogar einen Vorschuß, die Möglichkeit zu kontinuierlicher Arbeit an einem Romanzyklus und - ein bürgerliches Publikum. Daß May nach einem solchen verlockenden Angebot seine Verpflichtungen gegenüber Münchmeyer nicht hintanstellte, muß Gründe gehabt haben. Ökonomische Gründe sind für junge Schriftsteller immer gute Gründe: es kann also durchaus sein, daß Münchmeyers Bezahlung für die Mayschen Romanfabrikate entschieden höher lag, als dieser das im Alter wahrhaben wollte.

   Im September 1884 verschickte Kürschner einen Prospekt für seine geplante >Deutsche Schriftsteller-Zeitung<, den auch May erhielt.(21) Im nicht erhaltenen Begleitschreiben zu diesem Projekt bat Kürschner auch um neue Angaben für seinen Literaturkalender, vielleicht auch um neue Beiträge für >Vom Fels zum Meer<. Mays Antwortbrief vom 26. November 1884 (Nr. 2) beginnt mit einer rhetorischen Eingangsformel, wie sie im Laufe der nächsten Jahre bezeichnend werden sollte für seine Reaktion auf Kürschners unermüdliche Manuskriptbitten: Von einer monatelangen Reise zurückkehrend ...


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2 May an Kürschner

Dresden, Prinzenstraße 4.(22) d. 26.11.84

Hochgeehrtester Herr.

Von einer monatelangen Reise zurückkehrend, finde ich Ihre werthe Zuschrift vor. Ich beeile mich, Ihnen die betreffenden Notizen sofort einzusenden. Sie betreffen zwei kleine Änderungen betreffs meiner selbst und die gütige Aufnahme einer fleißigen Schriftstellerin (Frau eines Offiziers), welche auch um Zusendung des Kalenders ersucht.

Ich werde sie brieflich veranlassen, auf auf [?] Ihre  u n s  s o  a u ß e r o r d e n t l i c h  willkommene Schriftsteller-Zeitung zu abonniren. Zu der Herausgabe der Letzteren wünsche ich Ihnen von  g a n z e m  Herzen die besten Erfolge, an denen ich übrigens ganz und gar nicht zweifle. Ich bin überzeugt, daß dieses  e i n e  Unternehmen, von  I h n e n  geleitet, uns mehr, viel mehr Segen bringen wird, als  a l l e  unter hochtrabenden Floskeln gegründeten und mit Bier und Wein begossenen Vereine. Gott sei Dank, endlich einmal das einzig Richtige von berufenster Hand!!!

   Mit vorzüglichster Hochachtung
        ehrerbietigst
            Dr. Karl May

die betreffenden Notizen: Kürschner verschickte für seinen Literaturkalender Fragebögen, die die Autoren ausgefüllt zurückschicken sollten.
zwei kleine Änderungen: Ort und Straße änderten sich: von Dresden-Blasewitz, Sommerstr. 7 (1884), zu Dresden-A., Prinzenstr. 4 (1885).
einer fleißigen Schriftstellerin: Vgl. die Anm. zu Nr. 5.

Von seiner Reise in die sauerstoffarmen Regionen der Kolportage war May zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht wieder aufgetaucht; insofern ist die Einleitungsformel reine (Selbst-)Beschwichtigung. Und Kürschner durfte natürlich von diesen Exkursionen Mays ins geistige Flachland möglichst nichts erfahren; deshalb hatte dieser Satz zumindest doppelt abschirmende Funktion. Kürschner wird im übrigen derlei exkulpierende Rhetorik aus seiner Korrespondenz mit anderen Schriftstellern vertraut gewesen sein. Ernst genommen haben dürfte er sie kaum - auch wenn May neuerdings die Völkerkunde als eines seiner Spezialgebiete im Literaturkalender angab.(23)

   Für May hingegen wurden diese so vieldeutigen Einleitungspartikel in der Folge zu einem immer wieder verwendeten allgemeinen Versatzstück seiner Korrespondenz. Noch im Jahr 1901 etwa begann er einen Brief gleichermaßen: Gestern von einer Reise heimgekehrt, welche län-


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ger währte, als ich bei ihrem Beginne wissen konnte...(24) Allerdings war zu dieser Zeit längst die Old Shatterhand-Legende (Nunwarz-Fotos, Visitenkarte, Briefauskünfte etc.) geboren; der zitierte Brief des Jahres 1901 ist also ein deutliches Symptom dieser um die Mitte der 1890er Jahre sich vehement manifestierenden Mystifikation. Daß ein solches mangelndes Unterscheidungsvermögen von Fiktion und Realität auch in den zwei Jahrzehnten davor bei May stets virulent geblieben ist, konnte man bislang nur vermuten. Die bekannten Wadenbach-Briefe, die freilich noch in die Zeit der angeblichen >inneren Stimmen< fallen, waren mahnender Hinweis genug. Doch der Eingangssatz aus dem Brief an Kürschner vom 26. November 1884 (Nr. 2) belegt die Macht des Pseudologischen auch für diese Zeit. Im folgenden Jahr wußte nämlich die Redaktion des >Deutschen Hausschatz<, für die May ja parallel zu seiner Kolportageproduktion die später als >Reiseerzählunge< berühmt werdenden Romane verfaßte, ihren Lesern über den Aufenthalt Karl Mays im Jahr zuvor zu berichten: »Unser beliebter >Weltläufer< befand sich nämlich im Sommer 1884 in Ägypten«!(25) Dahingestellt sei, ob die Fiktion, der Autor sei identisch mit dem >Ich< seiner Geschichten, eine stillschweigende Verabredung der Redaktion des Pustetschen Blattes mit dem Autor war oder ob dieser der Redaktion mit dem Anspruch auf Wahrheit solchermaßen gegenübergetreten ist und diese das geglaubt hat, oder, wenn nicht, es nur als willkommenes Reklamemittel verwendet hat.(26) Fest steht mit diesem Brief an Kürschner aber, daß May auch in seinem anderweitigen Briefverkehr an der Fiktion, Autor und Erzähler seien identisch, gearbeitet hat.

   Der erste Jahrgang der >Deutschen Schriftsteller-Zeitung< - übrigens nicht die erste Zeitschrift, mit der Kürschner eine Öffentlichkeit für die Belange dieser Berufsgruppe herstellen wollte(27) - erschien 1885.(28) Kürschner selbst betreute die Zeitschrift allerdings nur bis Heft 36 des 2. Jahrgangs (1886) als Herausgeber und Redakteur; danach firmierten Balduin Groller (2/1886, H. 37-48) und Wilhelm Lange (3/1887-5/1889) als Herausgeber, und Carl Pataky (2/1886, H. 37-48) und Wilhelm Lange (4/1888-5/1889) als Redakteure.(29) Wahrscheinlich froh, überhaupt eine Antwort von May erhalten zu haben, schob Kürschner am 29. November 1884 (Nr. 3) postwendend noch eine Aufforderung zur Mitarbeit nach. May antwortete am 2. Dezember (Nr. 4) ebenfalls wieder postwendend - mit einem überraschenden Angebot und einem neuerlichen Brief am 5. Dezember (Nr. 5).


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3 Kürschner an May(30)

Herr Dr. Karl May, Dresden.

Werther Herr!

Herzl. Dank für Ihre frndl. so gütig in meine [?] absichten einstimmenden [?] Zeilen [?]. Ich bitte Sie dringend es aber nicht nur bei der Zustimmung bewenden zu lassen, sondern ernstlich u. thätigst in die hervorgerufene Bewegung mit einzugreifen. [... ... ...] etwas zukommen auf uns? Sagen Sie mir bald welche Vorschläge ich von Ihnen zu erwarten habe u. ob ich damit [?] auf ihr [?] [...] entgegensehen [?] kann

   Ihr
   [... ...]
Stuttg. 29.11.84             Kürschner

Dr. Karl May: Bereits bei seinem ersten Eintrag im Literaturkalender der Brüder Hart (2. Jg. 1880: geschrieben 1879) wurde May mit Doktortitel geführt (S. 137).(31)
[...]: Wegen des sehr schlechten Erhaltungszustandes des Briefes nicht entzifferbar



4 May an Kürschner

Dresden, Prinzenstraße 4. d. 2.12.84

Hochgeehrtester Herr.

Mit ganzer Seele bin ich bei Ihrem Unternehmen. Auch hier hat sich ein Literatenverein gebildet, »Dresdener Presse« benamst. Die begeistertsten Mitglieder sind Schriftsteller zwanzigster Größe, Bierschwärmer mit dreißig orthographischen Schnitzern pro Columne. Mit solchen Elementen werden die anständigen Glieder des Vereins nicht viel erreichen. Ich bin nicht beigetreten. Eine einzige Nummer Ihres Blattes wird uns mehr Segen bringen als alle Beschlüsse einflußloser Vereine.

Vielleicht gestatten Sie mir, Ihnen nächster Tage einen Beitrag über die für uns so hochwichtige Frage des Colportageromanes zur Verfügung zu stellen.(32)

   Mit vorzüglichster Hochachtung
        Ihr ganz ergebener
            Dr. Karl May

>Dresdener Presse<: Der Verein wurde 1884 gegründet. Seine Ziele waren die Wahrung der Standesinteressen der Dresdener Journalisten und Schriftsteller, die Unterstützung von hilfsbedürftigen Mitgliedern sowie deren Witwen und


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Waisen, die Bildung einer Altersunterstützungskasse für die Vereinsmitglieder und die Förderung des kollegialen Verkehrs.(33)
Schriftsteller zwanzigster Größe: Den Vorstand des Vereins bildeten E. Vierey (l. Vorsitzender), Eug. Friese (2. Vorsitz.), G. Burkhardt (Schriftführer), C. Hesse (Schatzmeister), Th. Seemann (Archivar), Hermann Thenius und Mor. Lilie (Beisitzer).(34)
nicht viel erreichen: Der Verein bestand bis zum ersten Weltkrieg. Im Jahr 1917 bildeten den Vorstand: Georg Irrgang (l. Vors.), Alwin Römer (2. Vors. ), Dr. 0. Gandil (Schatzmeister), R. Herrlein (Schriftführer) und E. Uhlmann-Eltz (Archivar). Für dieses Jahr wurde das Vereinsvermögen mit 140000 Mark angegeben.(35)
Frage des Colportageromanes: Ein solcher Beitrag ist in der Schriftsteller-Zeitung niemals veröffentlicht worden.



5 May an Kürschner

Dr. d. 5.12.84 [Beantwortungsvermerk: 2.1.85]

Hochgeehrtester Herr Professor.

In dem hier erscheinenden Hausfrauenblatte »Fürs Haus« giebt es eine Rubrik »  F e r n s p r e c h e r  «, in welcher jeder Abonnent fragen und von jedem Abonnenten Antwort erhalten kann. Fragen und Antworten müssen natürlich von gewissem Interesse und so kurz wie möglich gehalten sein. Dürfte sich für Ihre Schriftstellerzeitung nicht etwas Ähnliches empfehlen. Ihre Schützlinge würden einander dadurch, so zu sagen, beinahe persönlich näher treten, und die Klagen, Wünsche und Bedürfnisse unseres Standes würden uns dadurch erst bekannt und klar werden.

   Eiligst als Gedanke mitten in Arbeit.
        Mit vorzüglichster Hochachtung
            ergebenst
            Dr. May

Hausfrauenblatte: >Fürs Haus. Praktisches Wochenblatt für alle Hausfrauen<. Begründet von Arthur von Studnitz, hrsg. von Clara von Studnitz. 1. Jg. 1883 (mind.) bis 9. Jg. 1891. Dresden: Verlag der Geschäftsstelle >Fürs Haus<. Vgl. Antiquariat Jeschke: Katalog 49. Berlin 1991, S. 91. Laut Auskunft des Antiquariats war die Rubrik >Fernsprecher< noch im 9. Jg. enthalten. Möglicherweise handelt es sich bei Clara von Studnitz (1844-?) um die in Brief Nr. 2 erwähnte Offiziersgattin. Dann wäre es nicht ausgeschlossen, daß die frühen Jahrgänge von >Fürs Haus< (in keiner öffentlichen Bibliothek vorhanden) auch Beiträge von Karl May enthielten. Vgl. Kürschner's Litt.-Kalender 1890 (u. ö.), Sp. 847.

Ob May wußte, daß Kürschner sich auch bereits einmal mit der Industrie der Kolportageromane beschäftigt hatte? Kürschners Aufsatz aus dem Jahr 1875, >Colportageromane. Eine Skizze aus der modernen


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Literatur<,(36) gehörte zu den frühesten, die sich im bürgerlichen Feuilleton der damaligen Zeit überhaupt mit diesem Thema beschäftigten.(37) Der Plural in Mays Formulierung - die für uns so hochwichtige Frage des Colportageromanes - könnte auf eine solche Kenntnis Mays schließen lassen. Indirekt hatte May zudem mit diesem Brief Kürschner signalisiert, daß er selbst mit der Kolportage nicht unvertraut war. Wie auch immer: geschrieben jedenfalls hat May einen solchen Aufsatz wohl nie - so gerne man diesen Text, der ja auf fundiertester Kenntnis beruht hätte, heute lesen würde.(38) Oder soll man annehmen, daß tatsächlich eine - dann ungedruckt gebliebene - Skizze zu diesem Thema existiert hat, die vielleicht fünfundzwanzig oder dreißig Jahre später, im >Schundverlag< oder der Selbstbiographie, noch Verwendung gefunden hat? Wohl kaum. Es scheint dies eher die erste einer ganzen Reihe von Nebelkerzen zu sein, die May im Verlauf seines Briefwechsels mit Kürschner gezündet hat: konkrete, mit Inhalt und kurz später mit Titel daherkommende Pläne, die den Empfänger wenigstens für eine Weile beruhigen, indem sie dessen Erwartungen so weit entgegen kamen, wie dies, bei der bemerkenswerten pseudologischen Begabung des Autors, ohne größere Anstrengung möglich war. Der drei Tage später nachgeschobene Brief (Nr. 5) mit seinem beflissenen Vorschlag wäre dann vielleicht ein wenig auch Ausdruck eines schlechten Gewissens. Die >Ruhigstellung< scheint allerdings nicht gelungen zu sein; schon am 2. Januar 1885 antwortete Kürschner (dieser Brief ist verloren). Im März dann bat Kürschner mit einer (ebenfalls verlorengegangenen) Karte vom 7. 3. 85 um einen novellistischen Beitrag für >Vom Fels zum Meer<. May antwortet anderntags (Nr. 6) und wirft diesmal dem Textfresser Kürschner sogar einen konkreten Titel als Brocken hin - nicht ohne sich einer weiteren, ebenso durchsichtigen wie verräterischen Eingangsformel zu bedienen, die er ähnlich schon drei Monate zuvor gebraucht hatte: Krankheit war der Grund meines Schweigens.



6 May an Kürschner

Dresden, den 8.3.85 [Beantwortungsvermerk: 10.3.85]

Hochgeehrtester Herr Professor.

Krankheit war der Grund meines Schweigens. Binnen acht Tagen werde ich mir gestatten, Ihnen für »Vom Fels zum Meere« den wohl zeitgemäßen Beitrag


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   »Die erste Liebe des Mahdi«

zur geneigten Verfügung zu stellen, falls Ihnen ein derartiger Beitrag genehm sein sollte.

   In aufrichtigster Hochachtung
        Ihr sehr ergebener
            K. May

Ein zeitgemäße(r) Beitrag wäre Mays Mahdi-Geschichte zu diesem Zeitpunkt in der Tat gewesen. Im außereuropäischen Bereich gab es wohl kaum ein aktuelleres Thema. Der Mahdi-Aufstand war in den Wochen und Monaten, als May seinen Brief an Kürschner schrieb, ein ständiges Thema der Tageszeitungen und Illustrierten. >Die Gartenlaube< beispielsweise, die ja nach Mays eigenem Zeugnis als Sachquelle für Mays Erzählungen immer in Erwägung zu ziehen ist,(39) brachte seit März 1884 eine Artikelserie, deren vorerst letzter Beitrag in der neunten Nummer des Jahrgangs 1885 erschien - also nur wenige Tage vor Mays Brief an Kürschner!(40) Im Vorspann zu diesem Artikel von Heinrich Brugsch weist die Redaktion auf die Eroberung Khartums durch den Mahdi hin, die zwei Monate zuvor, im Januar 1885, erfolgt war. Die dort von der Redaktion gebrauchten Formulierungen hatten - wie wir sehen werden - offenbar einen direkten Einfluß auf Mays nächsten Brief (Nr. 7) an Kürschner.

   Kürschner hat Mays Brief vom 8. März, wie der Beantwortungsvermerk zeigt, erhalten. In seinem Schreiben vom 19. Mai 1885 (Wehnert Nr. I), mit dem er seine Manuskriptbitte erneuert, bezieht er sich jedoch nicht, was doch nahe läge, auf die in diesem Brief gegebene konkrete Zusage Mays, sondern nur auf seine eigene (verlorene) Karte vom 7. März '85. In seinem Antwortbrief (Nr. 7), der dann wieder sechs Wochen auf sich warten läßt, nutzt May einen Satz aus Kürschners Schreiben (»Wir wollen jetzt namentlich kurze abgeschlossene Novellen im Umfang von 6 - 16 Seiten bringen«)(41) sofort - fast möchte man sagen: hinterhältig - zu erneuten Rückzugsgefechten aus; nicht ohne abermals Nebelkerzen zu werfen und wieder die nun schon obligatorische Eingangsfloskel - sofort anzutretende(n) Reise - zu bemühen.



7 May an Kürschner

Dresden, Prinzenstraße 4, d. 1.7.85 [Beantwortungsvermerk: 6.7.85]

Verehrter Herr Professor.

Mitten aus der für Sie bestimmten Arbeit wurde ich durch die Aufforderung zu einer sofort anzutretenden Reise gerissen. Gestern zurückge-


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kehrt, fand ich Ihre werthe Karte. Ich habe mich sehr, sehr zu entschuldigen. Verzeihen Sie gütigst diese so lange Verzögerung! Jetzt endlich habe ich mich von allem Anderen frei gemacht und werde nun fleißig für Sie und Herrn Spemann arbeiten. Ihre gütige Versicherung, mir die Mitarbeiterschaft möglichst angenehm zu machen, ist mir eine neue Veranlassung, Ihnen nur Gutes zu senden.

Die »erste Liebe des Mahdi« ist halb fertig und, ich möchte es wohl sagen, hoch interessant. Nun aber wünschen Sie nur kurze Manuscripte, und grad  d i e s e s  ist nicht in einer Nummer unterzubringen. Was soll ich thun? Ihnen sogleich etwas Anderes, Kürzeres schreiben? Für die »Liebe« habe ich auch anderweit augenblickliche Verwendung, so daß mir ein pecuniärer Schaden nicht erwachsen würde. Und - falls Sie das Manuscript dennoch zur Durchsicht wünschen, soll ich mich der in Deutschland eingebürgerten aber falschen Schreibweise »Mahdi« anbequemen? Richtiger ist es Machdi, Mahedi und am Allerrichtigsten »Ma'hdijj«. Im syrischen Dialecte dagegen heißt es »Mu'di«. Stoff für weitere, kürzere Arbeiten ist dann mehr als genug vorhanden; nur wünsche ich herzlichst, daß Ihnen meine Darstellungsweise genügt. In diesem Falle werde ich sehr gern fleißig sein.

   Mit vorzüglichster Hochachtung und Ehrerbietung
        Ihr ganz ergebenster
            Dr. Karl May

Der Ausdruck fleißig fällt gleich zweimal in diesem Brief, und fleißig ist May in diesen Jahren bei der Kolportage sicherlich gewesen; er verfaßte in jener Zeit ja auch, anfangs allerdings nicht ganz kontinuierlich, seine Reiseerzählungen für den Pustetschen >Deutschen Hausschatz<. Im >Schundverlag< schrieb er später, es sei dies eine außerordentlich arbeitsreiche Zeit(42) gewesen, und in >An die 4. Strafkammer<: Ich arbeitete damals mehr als fleißig.(43) Daß die Betonung dieses Fleißes - sowohl in der Zeit selbst als auch noch mehr als zwanzig Jahre später - dem Autor besonders wichtig ist, deutet auf das seelische Verdrängungspotential hin, das sich hinter diesem Begriff offenbar verbirgt. Schreibfleiß und Mengenproduktion sind ja nicht selten Ausdruck einer fortwährenden Kompensation fehlender Qualität; die aus mangelnder Befriedigung über wirklich Gelungenes erwachsende Unzufriedenheit wird umgebogen in immer neue Produktionsschübe, die ebenfalls wieder Mißbehagen, Arbeitsanfälle usw. hervorrufen. Ein Teufelskreis, aus dem May erst viel später, und dann auch nur periodisch, der Ausbruch gelang: die stupende Arbeitsenergie dieses Autors setzte gelegentlich Oualitätssprünge frei, die im Laufe der Jahre auf die literari-


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sche Produktion wie auf die persönliche Seelenlage des Schreibers - phasenweise - befriedend wirkten. Daß es ihm offenbar unmöglich war, das oben erwähnte Angebot Wilhelm Spemanns - das vermutlich eine qualitative Verbesserung in nahezu jeder Hinsicht bedeutet hätte - anzunehmen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die psycho-soziale Verfaßtheit des Autors in jenen Jahren. Die >geistige Quarantäne< wiederholte - auch was die Dauer angeht - beinahe genau die Haftjahre von Osterstein und Waldheim.

   Das Thema seines angekündigten Beitrages war unterdessen weiterhin aktuell geblieben. Wenige Wochen zuvor, im Juni 1885, war Mohammed Achmed, der Mahdi, überraschend gestorben. Daß die >Erste Liebe des Mahdi< Anfang Juli bereits halb fertig war - wie May behauptete - darf mit Fug bezweifelt werden. Vielmehr hat man hier wohl ein gezieltes Täuschungsmanöver des Autors vor sich, das aus der Arbeitsüberlastung durch sein Engagement für Münchmeyer erwuchs und dem gleichzeitigen Bedürfnis, es sich mit dem berühmten und einflußreichen Kürschner - der in den Augen Mays wohl zunächst auch die Verbindung zu Spemann gewesen ist - nicht endgültig zu verderben. (Auch Pustet wartete in dieser Zeit, von November 1884 bis September 1885, verzweifelt auf Manuskript: die Fortsetzung von >Der letzte Ritt< konnte erst nach fast einem Jahr erscheinen. Am 15. April 1885 war Mays Mutter gestorben; die hierauf folgende seelische Krise mag die Verzögerung erklären.) Dem gleichen Zweck dienen sicher auch Mays briefliche Ausführungen über die Schreibweise des Begriffes >Mahdi< am Schluß, die im übrigen zu belegen scheinen, daß May das im selben Jahr erschienene Buch von Philipp Paulitschke, das als eine der Hauptquellen für den späteren Roman anzusehen ist, bereits im Erscheinungsjahr vorliegen hatte.(44) Tatsächlich erschienen ist der >Mahdi< jedoch erst sechs Jahre später - nicht bei Kürschner.(45)

   Ob May eine erneute Besänftigung Kürschners gelungen ist, darf bezweifelt werden. Denn was die angebliche Reise angeht, so ähnelt der diesmal von May gewählte Anfangssatz seines Briefes sehr jenem Satz, mit dem die Redaktion der >Gartenlaube< ihren Artikel von Heinrich Brugsch - Überschrift: >Im Lande des Machdi< - eingeleitet hatte, der im März desselben Jahres erschienen war: »In Folge der unerwarteten Reise unseres hochgeschätzten Mitarbeiters Heinrich Brugsch-Pascha nach Persien, die er (...) bekanntlich im vorigen Jahre angetreten hatte, mußte leider die Fortsetzung seiner (...) Artikelserie >Bilder aus Oberägypten< unterbrochen werden.«(46) May suggeriert mit seinem klammheimlichen Bezug auf diese Stelle also nicht nur, wie später zunehmend, die Einheit von Erzähler und Autor, sondern er geht in die-


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sein Fall sogar - wenn auch nur im Rahmen seines Briefes - so weit, sich der Identität eines lebenden, den Zeitgenossen wohlbekannten Reisenden zu bedienen!(47) Ob Kürschner, für dessen >Vom Fels zum Meer< Brugsch ja ebenfalls schrieb, dieses Manöver durchschaut hat? Auf jeden Fall dürfte es ihm reichlich merkwürdig vorgekommen sein, als er im Oktober desselben Jahres im >Deutschen Hausschatz< lesen konnte, was May, zehn Wochen nach seinem Brief (Nr. 7) an ihn, an die dortige Redaktion geschrieben hatte: »Auf mehrere Anfragen. Herr Dr. Karl May schrieb uns am 19. September 1885: >Der >letzte Ritt< wird schon darum Ihre Leser höchlichst interessiren, weil diese Begebenheit unter den jetzt aufständischen Balkan=Völkerschaften spielt. Bin ich damit zu Ende, dann folgt sofort die versprochene Arbeit über den  M a h d i  .< Der bekannte >Weltläufer< befand sich nämlich im Sommer 1884 in Ägypten.«(48) Spätestens jetzt dürfte Kürschner klargeworden sein, daß May von dem Roman, der doch angeblich bereits halb fertig war, höchstwahrscheinlich noch keine Zeile geschrieben hatte. Geht doch aus dieser veröffentlichten Formulierung deutlich hervor, daß er zu dem Zeitpunkt noch an >Der letzte Ritt< schrieb!

   Die mit >Die letzte Liebe des Mahdi< aufgenommene Praxis, einen konkreten Titel für ein nicht existierendes Werk anzugeben, war May zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht fremd; zumindest ist er auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder so verfahren. Das >Repertorium C. May< (um 1870) enthält bereits zahlreiche Titel, die wohl meist nur Plan blieben; für den Literaturkalender 1883 hatte er Kürschner den bis heute rätselhaften Titel >Hatátitlá-kié (1881)< angegeben; ein Jahr nach diesem Brief nannte May Kürschner mit >Die Schejtana< erneut einen fiktiven Titel (das Nachlaß-Bruchstück unter diesem Titel stammt aus späterer Zeit); und auch in der Phase seiner Alterswerke gab er gern fiktive Titel an, etwa >Marah Durimeh<, >Abu Kital<, >Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern ...< oder >Das Testament des Apachen<.(49) Wieviel an diesen Titelangaben jeweils wirkliches Vorhaben und wieviel zielgerichtete Täuschung war, läßt sich kaum entscheiden.

   Im überlieferten Briefwechsel entsteht nun wieder eine größere Lücke von einem halben Jahr. Möglicherweise hatte May sein Abonnement der >Deutschen Schriftsteller-Zeitung< nicht bezahlt und war von Kürschner gemahnt worden. Er beruft sich jedenfalls in seiner Antwort (Nr. 8) in der bekannten Manier erneut auf längere Abwesenheit. Auch Kürschners Bitte um aktualisierende Angaben für den Literaturkalendereintrag 1886 war der Autor nicht nachgekommen.


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8 May an Kürschner

Dresden, Prinzenstr. 4, d. 22.1.86

Hochverehrter Herr Professor.

Indem ich den Abonnementpreis für die Schriftstellerzeitung per Postanweisung wegen längerer Abwesenheit erst heut abgehen lasse, muß ich zu meiner Entschuldigung erklären, daß diese Abwesenheit auch der Grund meines scheinbar unmotivierten Schweigens ist. Leider habe ich auch in Folge dessen im Literaturkalender einen Stern in Parenthese erhalten. Soll nicht wieder vorkommen. Ich bin entschlossen, mich nicht so bald wieder zu einer Reise bestimmen zu lassen, und so dürfen Sie meinen Beitrag baldigst erwarten.

In Betreff der Person, welche sich für Sie ausgegeben hat,(50) glaube ich Veranlassung zu einem Verdachte zu haben, in Folge dessen ich Sie bitte, mir mitzutheilen, ob Sie im Sommer 84 oder 85 in Dresden gewesen sind und dabei den hiesigen Schriftsteller Friedrich Ferdinand Kießling besucht haben, wie dieser gegen mich behauptete, was ich aber seinerseits für Lüge halte. Ist Ihr Doppelgänger von hoher, starker Figur mit an der Stirn eingedrückter Nase, Schnurrbart und scharfer Brille?

Die Deutsche Schriftstellerzeitung Nummer 25, Seite 26, erwähnt unter »Bibliographie« eine Erzählung von mir »Im fernen Westen«, 2te Auflage, von welcher ich nichts weiß. Ich würde Ihnen höchst dankbar für die Benachrichtigung sein, in welchem Verlage diese Arbeit jetzt erschienen ist.

Indem ich dringend ersuche, mir mein Schweigen nicht zu mißdeuten, gebe ich Ihnen die Versicherung baldigster Sühne und zeichne

   in ausgezeichneter Hochachtung
        Ihr
            Ergebenster
            Dr. Karl May

Literaturkalender: >Kürschner's Litteratur-Kalender< erschien bis 1889 bei Wilhelm Spemann in Stuttgart, ab 1890 im Selbstverlag Kürschner, zunächst weiter Stuttgart, dann Eisenach, und ab 1894 in der Göschenschen Verlagshandlung, Berlin und Leipzig (bis 1917; danach ging der Verlag über zu Walter de Gruyter, Berlin und Leipzig).
Stern in Parenthese: Ein solches Zeichen (*) findet sich tatsächlich unter dem May-Eintrag im Literaturkalender für 1886 (Sp. 291). Es bedeutete, »daß die Aufforderung um Einsendung von Daten unbeantwortet blieb« (Sp. 3/4).

Der in diesem Brief von May erwähnte Friedrich Ferdinand Kießling (Pseud.: Ferdinand von Döbeln, Erwin Eichfels; geb. 1835), ein Ro-


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manschriftsteller und Dramatiker, wohnte seit 1876 in Dresden (im Jahr 1886 in der Wettinerstr. 20), wo er Redakteur der vermutlich jeweils einzigen Jahrgänge der Unterhaltungszeitschriften >Saxonia< (1883/84) und >Patriotischer Hausschatz< (1884/85)(51) war. Er hatte bereits zahlreiche Lustspiele veröffentlicht. In seiner Dresdener Zeit schrieb er offenbar vorwiegend Kolportageromane, etwa >Jupiter und Germania< (1878), >Königs Geburtstag< (Schauspiel; 1879), >Gold und Blut< (Roman; 1882), >Alexandra< (Roman; 1882) und >Die Waldfee oder: eine Gräfin aus dem Volke< (Roman; 1886).(52) Kießling gehört zu jenem bislang noch weitgehend unerforschten Kreis von Dresdener Schriftstellern (darunter Friedrich Axmann, Max Dittrich, Otto Freitag, Moritz Lilie, Paul Staberow u. a.), mit denen Karl May im ersten Jahrzehnt seines Schriftstellertums Kontakt hatte. Dresden war in jenen Jahren - neben Berlin - wohl das bedeutendste Zentrum der deutschen Kolportageproduktion; zahlreiche Verlage dieser Sparte hatten dort ihren Sitz. Eine gründliche Untersuchung des Gesamtkomplexes, die leider bis heute fehlt, würde nicht nur unverzichtbare Hintergrunddaten zur Biographie Karl Mays liefern, sondern wäre darüber hinaus auch ein wichtiger Beitrag zur allgemeinen Sozialgeschichte der populären Literatur jener Zeit.

   Im ersten Jahrgang von Kießlings >Patriotischem Hausschatz< erschien die May-Erzählung >Incognito< (= >Unter den Werbern<), insofern ist dessen brieflicher Hinweis auf Sommer 84 oder 85 vielleicht auch als ein Hinweis auf den Zeitpunkt seines Kontaktes zu Kießling zu lesen. Allerdings waren beide Autoren - zusammen mit Friedrich Axmann - bereits lange vorher gemeinsam als Autoren hervorgetreten: Im zweiten Jahrgang von Münchmeyers >Deutschem Familienblatt< aus dem Jahr 1876 erschien von May >Unter den Werbern<, von Axmann >Das Testament des Großen Kurfürsten< und von Kießling >In Nacht und Tod. Schattenbild aus dem Leben<.(53) Auch Kürschner kannte Kießling. Bereits im ersten Jahrgang von >Vom Fels zum Meer< hatte er dessen Beitrag >New York und seine Polizei< (S. 695ff.) abgedruckt.

   Kürschner antwortete May am 2. Februar 1886 (Nr. II). Er bedankte sich für die »Antheilnahme an meinen Bestrebungen« und bat erneut um einen Beitrag für seine Zeitschrift. Die von May verlangte Angabe über den Verlag seiner Erzählung >Im fernen Westen< vergaß Kürschner - möglicherweise absichtlich, um May zu einer schnellen Antwort zu nötigen; eine solche, wohl grundsätzlich zustimmende, muß er überraschend schnell erhalten haben (etwa zwischen dem 4. und 9. Februar). Jedenfalls bat Kürschner schon wenige Tage später erneut um einen Beitrag und schickte einen Tag darauf sogar einige Illustrationen


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- wahrscheinlich jene acht Bilder, mit denen die May-Erzählung >Zum erstenmal an Bord< illustriert ist(54) - an May, die dieser am 12. Februar erhielt. Er antwortete sogleich.

9 May an Kürschner

Dresden, d. 12.2.86

Verehrter Herr Professor.

Nachdem ich gestern Ihre werthe Karte und heute, soeben, die betreffenden Illustrationen erhalten habe, glaube ich, daß Sie sich an keine falsche Adresse wendeten, da ich nicht nur die See kenne, sondern auch in der seemännischen Praxis wenigstens soweit au fait bin, daß ich ein kleines Seeabenteuer schildern kann und auch sehr gern schildere.

Da aber muß ich Sie freilich vorher mit einigen Fragen belästigen, obgleich Ihre Zeit so sehr in Anspruch genommen ist. Vielleicht können Sie die Beantwortung, ohne sich selbst zu bemühen, einem Andern übertragen.

   1.) Wo soll die Darstellung abgedruckt werden? Natürlich muß ich die Sprache etc.pp. danach richten.

   2.) Wie lang darf der Beitrag werden? Soll er wirklich interessant sein, dann kann ich ihn nicht sehr kurz halten. Ich denke, Sie werden einverstanden sein, wenn ich ihm eine humoristische Färbung gebe.

   3.) Die Abzüge sind sehr undeutlich. Es ist mir unmöglich, nach ihnen zu individualisiren, was doch nothwendig ist, wenn die Arbeit gut ausfallen und jede betreffende Situation genau zur Illustration passen soll. Selbst das Vergrößerungsglas hat nichts geholfen, sondern nur mehr verwischt. Ich habe die Clichés nicht gesehen und weiß also nicht, ob ein anderer Abzug deutlicher ausfallen würde, bin aber überzeugt, daß mir der dazu gehörige Originaltext von Nutzen sein würde, da er jedenfalls die Illustrationen erklärt.

Ich könnte, ohne Sie zu belästigen, sogleich losschreiben, wäre aber nicht im Stande, wirklich Gutes einzusenden. Darum bitte ich, mir diese Umständlichkeit zu verzeihen!

Schließlich noch etwas Privates. Ich bat Sie um gütige Benachrichtigung, bei wem die in N°25 der Schriftstellerzeitung angeführte Erzählung »Im fernen Westen« erschienen sei. Ihre Antwort lautete: Der Verleger dieser Erzählung ist laut Börsenblatt - - - - - - - - - nun war für den Namen Platz gelassen; der Name aber fehlte. Darf ich in Beziehung darauf mein Gesuch wiederholen?

Sobald Ihre Antwort eingetroffen ist, werde ich beginnen. Und dann


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werden Sie baldigst auch »Die erste Liebe des Mahdi« erhalten. Vorräthig, wie Sie laut Ihrer letzten Zuschrift anzunehmen scheinen, habe ich nie ein Manuscript. Dazu bin ich zu sehr in Anspruch genommen, was Herr Spemann zu (leider!) seiner Mißbilligung auch erfahren hat. Doch werde ich ihn nun auch befriedigen. Ich habe ihn als einen der coulantesten Verleger kennen gelernt.

   Mit wirklich aufrichtiger Hochachtung und Ergebenheit
        Ihr
            Dr. Karl May

Dieser Brief Mays (Nr. 9) ist bereits der zweite, in dem der Autor Kürschner gegenüber den Verleger Spemann erwähnt. Schon anderthalb Jahre zuvor (Nr. 7) hatte er diesen in einem Atemzug mit seinem Korrespondenzpartner genannt (fleißig für Sie und Herrn Spemann arbeiten). Es scheint, als habe May Kürschner in erster Linie als ein Mitglied des Verlagshauses Spemann betrachtet und weniger als eigenständigen Redakteur. Darauf könnte auch seine Erkundigung nach dem Abdruckort seines in Aussicht gestellten Beitrages hindeuten (denn Kürschner leitete ja nur ein Blatt) - wenn man dies nicht allein als ein weiteres der bekannten Hinhaltemanöver deuten will. Als ein solches wären dann auch die übrigen Auslassungen Mays über Textlänge und Qualität der Abzüge anzusehen. Vielleicht merkte May, daß er sich Kürschner gegenüber in evidente Widersprüche verstrickte. Seine Versicherung am Ende des Briefes, diesem baldigst die Mahdi-Geschichte zusenden zu wollen, offenbarte jedenfalls wieder einmal ein schlechtes Gewissen. Die nachfolgende Versicherung Vorräthig ... habe ich nie ein Manuscript mochte zwar stimmen; doch hatte er selbst die Erwartungen Kürschners durch eine frühere Bemerkung - Stoff für weitere, kürzere Arbeiten ist dann mehr als genug vorhanden (Nr. 7) - geschürt. Außerdem widersprach dies der mehr als ein halbes Jahr zurückliegenden Behauptung (Nr. 7), der >Mahdi< sei bereits halb fertig. Da May diesen Beitrag Kürschner versprochen, dieser ihn aber noch nicht erhalten hatte, mußte der Redakteur selbstverständlich davon ausgehen, der Anfang der Mahdi-Geschichte ruhe bei May >in der SchubladeVom Fels zum Meer< zuständig zu sein und nicht etwa für Spemanns >Das Neue Universum< oder andere, erfolglose Zeitschriftengründungen, etwa die nur in zwei Jahrgängen erschienene und von Julius Stettenheim herausgegebene Zeitschrift >Das humoristische Deutschland<, 1886 und 1887;(55) die von Kürschner redigierte Zeit-


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schrift >Der Zeitgenosse< war bereits 1883, nach dem ersten Jahrgang, eingegangen. Kürschner sagte die verlangte Zusendung des Originalabzuges zu.



10 Kürschner an May(56)

Stuttgart, 18/2 1886

Herrn Dr. Karl May Verehrter Herr!

Seien Sie bestens bedankt für die freundliche Zusage zu den Illustrationen einen Text schreiben zu wollen. Ich habe gar nichts dagegen, wenn die novellistische Skizze etwas länger wird. Selbstverständlich ist der Aufsatz für >Vom Fels zum Meer< bestimmt, da ich ja keine andere belletristische Zeitung redigiere; auch mit der humoristischen Färbung bin ich einverstanden. Ich sende Ihnen den Original Abzug mit dem Original-Text, muß aber  d r i n g e n d  bitten, daß aus dem letzteren nicht das geringste in den Text übergeht, da wir sonst mit dem Verkäufer der Clisches Unannehmlichkeiten erhielten. Den Verlag der von Ihnen gewünschten Erzählung nenne ich Ihnen nun hier. Es ist:

   Neugebauers Verlagsbuchh. Nürnberg.

Ich wiederhole übrigens meine schon früher ausgesprochene Bitte, daß Sie ihre nächsten Arbeiten mir nun zugehen lassen. Sie haben mir schon so oft etwas versprochen, daß ich wirklich Grund hätte, Ihnen ernstlich böse zu sein.

   In vollkommener Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Kürschner

In der Tat hätte Kürschner Gründe genug gehabt, May böse zu sein. Während seines ganzen nun schon vier Jahre dauernden Briefwechsels mit dem Autor hatte er diesem nur zwei kurze Erzählungen für das von ihm betreute Blatt entlocken können. Ansonsten war er vertröstet worden, zuletzt wieder mit der Erwähnung der ominösen Mahdi-Erzählung. Und auch jetzt, nach Kürschners Hinweis auf Neugebauer, sorgte der Autor sich - freilich verständlicherweise - weniger um des Redakteurs Wohl als um das eigene. Am 20. Februar 1886, also wohl noch am selben Tag, an dem er Kürschners Brief erhalten hatte, schrieb er an Neugebauer wegen seiner Rechte an der zweiten Auflage von >Im fernen Westen<. Dem Nürnberger Verlag war die Sache »sehr peinlich« und es entwickelte sich ein reger Briefwechsel.(57) Kürschner dagegen erhielt erst drei Wochen später wieder Post von May (Nr. 11) und antwortete umgehend (Nr. 12).


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11 May an Kürschner

Dresden A., Prinzenstraße 4 d. 11.3.86

Hochgeehrtester Herr.

Gar nicht etwa, um Sie zu drängen, sondern aus Besorgnis, das Original der mir zugesandten Abzüge habe sich unterwegs verirrt, erlaube ich mir die sehr ergebene Meldung, daß mir dasselbe noch nicht zugegangen ist. Sobald ich es erhalte, werde ich sofort an die Arbeit gehen, auf welche ich mich bereits im Voraus freue.

Zugleich gestatte ich mir, Ihnen meine Photographie beizulegen. In kurzer Zeit werde ich in der Lage sein, Ihnen auch mein gedrucktes Bild, welches die Leser einer Kölner Zeitung verlangt haben, einzureichen. Fast möchte ich Sie um Ihr Album beneiden, auf dessen letzten Blatte nun auch vielleicht ein Plätzchen findet

   Ihr
        hochachtungsvollst ergebener
            Dr. Karl May

meine Photographie: Kürschners Porträtsammlung befindet sich heute im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar. Ein May-Porträt ist nicht dabei.
gedrucktes Bild ... Kölner Zeitung: Dieses Bild erschien erst drei Jahre später, Anfang März 1889, in Nr. 9 des 12. Jahrgangs der im Verlag Heinrich Theissing in Köln erscheinenden Zeitschrift >Im Familienkreise<, in der zu gleicher Zeit auch ein Abdruck von Mays >Der Krumin lief.(58)



12 Kürschner an May

Herrn Dr. Karl May  D r e s d e n 

Sehr geehrter Herr!

Die Originale zu den betreffenden Bildern werden Sie inzwischen empfangen haben u. ich erwarte Ihren Aufsatz mit größtem Interesse. Inzwischen spreche ich Ihnen meinen allerverbindlichsten Dank aus für die Uebersendung Ihres Portraits. Ich freue mich einen so liebenswürdigen Mitarbeiter nun auch von Angesicht kennengelernt zu haben.

   In vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebenster
Stuttgart, 15/3.86             Kürschner

Erneut entsteht nun im Briefwechsel eine Lücke von einem halben Jahr. Von May ist in dieser Zeit vermutlich kein Brief an Kürschner ab-


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gegangen. Am 13. Juni war der bayerische König Ludwig II. gestorben, und May hatte sich von Münchmeyer zu einem aktuellen Roman um die Figur des Königs (>Der Weg zum Glück<), seinem schließlich letzten für den Kolportageverlag, überreden lassen. Deshalb mußte wohl Kürschner auch weiter auf die Geschichte zu den längst übersandten >Seebildern< warten. Anfang September 1886 meldete sich Kürschner wieder bei dem Autor. Diesmal sprach er den längst versprochenen Roman für >Vom Fels zum Meer< an - offenbar jedoch ohne den konkreten Titel >Die erste Liebe des Mahdi<, den May ihm doch bereits anderthalb Jahre zuvor (Nr. 6) genannt hatte, weiter zu erwähnen; außerdem schrieb er wohl auch, daß er kurzfristig die Redaktion einer neuen Jugendschrift übernommen habe, und bat für dieses Projekt um eventuell vorrätige Manuskripte. Daß es sich bei diesem neuen Vorhaben ebenfalls um eines für den Verleger Spemann handelte, nämlich um die Zeitschrift mit dem geplanten Titel >Gaudeamus<, die dann jedoch vier Monate später unter dem Titel >Der Gute Kamerad< erschien, blieb offenbar ebenfalls unerwähnt. Dieser Brief ist verlorengegangen. May antwortete umgehend (Nr. 13). Er betonte erneut, daß er niemals eine Zeile Manuscript auf Vorrath liegen habe, und versprach einen neuen Roman, diesmal mit einem anderen Titel, aber erneut mit näheren Ausführungen zum geplanten Inhalt. Bezüglich der Jugendschrift bat er um Aufschub.



13 May an Kürschner

Dresden A., Prinzenstraße 4, d. 11.9.86

Verehrtester Herr Professor.

Ihre soeben hier eingegangene Zuschrift versetzt mich, offen gestanden, in Verlegenheit. Ich möchte Ihnen so gern zu Willen sein, habe aber leider - oder vielmehr glücklicher Weise - niemals eine Zeile Manuscript auf Vorrath liegen. Grad jetzt habe ich Arbeiten abzuliefern, welche schon längst honorirt worden sind; Herrn Spemann bin ich ein Manuscript schuldig, in Beziehung dessen er so lange Zeit eine im höchsten Grade lobenswerthe Nachsicht geübt hat. Er soll es baldigst haben. Ferner habe ich auch für Sie bereits eine Arbeit unter der Feder; ich beschäftige mich mit wahrer Begeisterung mit ihr. Aus Ihrem letzten Schreiben ersah ich, daß der für »Vom Fels zum Meer« bestimmte Roman Ihre Theilnahme noch mehr besitzt als die vorher bestellte kleinere Arbeit; darum beschloß ich, ihn eher als diese zu beginnen. Er wird betitelt sein


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»Die Schejtana«,

also "Die Teufelin", und also eine jener Araberinnen als Hauptheldin haben, welche in Folge von Geburt, Schönheit, Reichthum und geistiger Begabung einen größern Einfluß erlangen als der eigentliche, männliche, Beherrscher des Stammes. Eine solche Kahremana (Heldin) bietet sowohl in seelischer als auch in Beziehung auf ihre äußeren Schicksale für einen guten Roman ein Sujet, wie es interessanter und wirkungsvoller wohl schwerlich gedacht werden kann. Ich habe die Absicht, Ihnen wöchentlich so viel Manuscript zu senden, wie ich fertig bringen kann. Das giebt für mich eine stille Verpflichtung, Sie nicht warten zu lassen, und gewährt Ihnen einen baldigeren und bequemeren Einblick in die Arbeit, als wenn ich Ihnen in später Zeit das fertige Opus schicke. Es wird ca. 100 Druckseiten von »Vom Fels zum Meer« füllen, falls Sie einverstanden sind.

Brauchten Sie [meinen Beitrag für?] die heut erwähnte Jugendschrift nicht »sofort«, so könnte ich Ihnen bis ca. Mitte Januar zu Diensten sein. In diesem Fall würde ich auch das Weitere über dieselbe erfahren können und so die Möglichkeit haben, genau nach Ihren Intentionen zu arbeiten, was natürlich vorteilhafter ist, als wenn die Vorsehung nicht weiß, für welche Familie das Kind geboren werden soll. Vielleicht darf ich mich einer darauf bezüglichen gütigen Äußerung Ihrerseits erfreuen und bitte um die Erlaubniß, mich Ihrer weiteren Gewogenheit empfehlen zu dürfen.

   Mit vorzüglicher Hochachtung
        ergebenst
            Dr. Karl May

Neben den Auslassungen über den Roman >Die Schejtana<, den May nie geschrieben, als Plan aber - ähnlich wie den >Mahdi< - jahrelang mit sich herumgetragen hat, sind an diesem Brief weitere Punkte bemerkenswert. Die erneute Erwähnung Spemanns und der für diesen zu liefernden Arbeit, die längst honorirt sei, belegt, daß May mit seinem Roman >Der Sohn des Bärenjägers< (der dann ab 8. Januar 1887 in >Der Gute Kamerad< lief) und der mit diesem begründeten Romanreihe die alte Abmachung mit Spemann aus dem Jahr 1883 beglich, die dieser bereits bezahlt hatte.

   Mays Angebot an Kürschner dagegen, so konkret es sich anhörte, war eine zweischneidige Angelegenheit; Kürschner scheint dies bemerkt zu haben. Zwar schlug May in seiner begeisterten Art, die dem Redakteur schon aus dem >Mahdi<-Brief vom 1. Juli des Vorjahres (Nr. 7) bekannt war, diesem erneut einen Roman vor - doch gleichzei-


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tig nutzte er dieses Angebot, die ebenfalls längst zugesagte und vorher bestellte kleinere Arbeit, zu der ihm die Illustrationen bereits zugeschickt worden waren, erneut auf die lange Bank zu schieben. Dies wird Kürschner mißfallen haben. Dennoch scheint es May mit dem Roman ernst gewesen zu sein. Darauf deutet jedenfalls, wie wir noch sehen werden, seine Absicht, dem Redakteur wöchentlich so viel Manuscript zu senden, wie ich fertig bringen kann. Dies war zu lesen als ein Angebot Mays zu einer jahrelangen Zusammenarbeit. Zu seinem eigenen Schaden ging Kürschner auf dieses Angebot nicht ein. Seine direkte Reaktion auf den Brief Mays ist also nicht bekannt. Nur ein Brief Spemanns (c) aus dieser Zeit belegt zusätzlich das große Interesse des Verlages am Autor May. Der nächste erhaltene Brief Kürschners ist dessen berühmtes Schreiben vom 3. Oktober 1886 (Nr. 14) mit einem hohen Honorarangebot, das May - leicht gekürzt - später sogar in seine Selbstbiographie übernommen hat.



c) Spemann an May(59)

Stuttgart, den 20.9.1886

Hochgeehrter Herr!

Gestatten Sie mir, Ihnen den eben vollendeten Jahrgang meiner Zeitschrift  »V o m  F e l s  z u m  M e e r«  mit der Bitte zu überreichen, ihm Ihre freundliche Aufmerksamkeit nicht zu versagen. Ich hoffe, daß das für meine Zeitschrift maßgebende Bestreben nach steter Vervollkommnung nicht erfolglos geblieben und jedes Jahr der Entwicklung in der That ein gesegnetes ist. Zugleich möchte ich die ergebene Bitte beifügen, daß Sie sich auch ferner an der Mitarbeiterschaft betheiligen.

   Mir wird es ein Vergnügen sein, Ihnen dieselbe angenehm und gedeihlich zu machen.

   Auf Wunsch finden sie mich sehr gern bereit, Ihnen auch fernerhin, mein Blatt regelmäßig zu übersenden.

   In vorzüglicher Hochachtung
        ergebenst
            WSpemann


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14 Kürschner an May

3/10 [188]6

Herrn Dr. Karl May  D r e s d e n 

Sehr geehrter Herr!

Sie haben inzwischen schon wieder für andere Unternehmungen Beiträge geliefert, während Sie mich mit dem längst versprochenen noch immer im Stiche ließen. Das ist eigentlich nicht recht und ich bitte Sie dringend nun Ihr Versprechen mir gegenüber wahr zu machen. Ich will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen ohne Sie zu fragen, ob Sie nicht geneigt wären einmal einen recht packenden, fesselnden und situationsreichen Roman zu schreiben. Ich würde  I h n e n  in dem Fall ein Honorar bis zu 1000 Mark pro Felsbogen zusichern können, wenn Sie etwas Derartiges schreiben würden; Allerdings auch wieder unter der Voraussetzung, daß sich die Sache nicht endlos in die Länge zieht.

   In vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Kürschner

In diesem Brief bezieht sich Kürschner nicht, was doch nahe gelegen hätte, auf den im Brief von May (Nr. 13) schon genannten Titel des geforderten »packenden, fesselnden und situationsreichen Roman(s)«. Ein weiterer Brief scheint also noch vorangegangen zu sein. Um welche Beiträge für »andere Unternehmungen«, die Kürschner erwähnt, es sich gehandelt haben könnte, ist unsicher. Ein Blick in Plauls Bibliographie zeigt, daß das Jahr 1886 (nach heutiger Kenntnis) offenbar dasjenige war, in dem May die wenigsten Einzeltitel überhaupt veröffentlicht hat. Plaul weist nur drei nach, darunter sogar nur zwei Originaltitel, nämlich den Roman >Der Weg zum Glück<, der seit Juli/August 1886 zu erscheinen begonnen hatte, und die Erzählung >Unter der Windhose<. Die Humoreske >Der Pflaumendieb<, von September bis Oktober in >Der Reichsbote< veröffentlicht, hatte bereits zahlreiche frühere Editionen aufzuweisen.(60) Wehnert vermutet, Kürschner habe >Unter der Windhose< gemeint; diese Erzählung wurde zwar im Juni 1886 verfaßt (der Verlag bestätigte am 8. 6. den Erhalt des Manuskriptes(61)), sie erschien aber erst zwei Monate nachdem Kürschners Brief geschrieben wurde - nämlich am 29. November - im Druck! Freilich geschah dies in einer in Stuttgart, wo auch Kürschner und Spemann saßen, erscheinenden Publikation (>Das Buch der Jugend<), die zudem von einem Verlag (Thienemann's Verlag) herausgegeben wurde, des-


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sen Besitzer (Anton Hoffmann) erst im Jahr zuvor seine Stelle bei Spemann gekündigt hatte. Es könnte also sein, daß Kürschner aufgrund alter Kontakte bereits vor Drucklegung von dem Text erfahren hat. Doch kann auch ein bislang noch unbekannter May-Text als Bezug nicht ausgeschlossen werden.

   Das Honorarangebot - »bis zu 1000 Mark pro Felsbogen« - war für May von bis dahin ungekannter, exorbitanter Höhe. Doch war Karl May, wie man nach Kürschners Formulierung glauben könnte, durchaus nicht der einzige Autor, den der Redakteur in dieser Weise lockte. Auch mit Balduin Möllhausen, einem in vielerlei Hinsicht für May bedeutsamen Autor, führte der Redakteur in diesen Jahren einen regen Briefwechsel: allein in diesem Jahr 1886 gingen dreiunddreißig Briefe zwischen Möllhausen und Kürschner hin und her! Am zweiten Oktober dieses Jahres - also einen Tag bevor er May sein Honorarangebot unterbreitete! - schrieb Kürschner im gleichen Sinne auch an Möllhausen: »Sie sichern mir das Verkaufsrecht ihres nächsten Romans unter allen Umständen zu und ich gebe Ihnen dagegen das Versprechen, daß Sie 1000 M. Honorar pro Bogen unserer Zeitschrift erhalten, das Honorar bei Annahme des Manuskriptes ausbezahlt bekommen und ein Jahr später wieder über das Ganze disponiren können.«(62) Möllhausens Reaktion auf dieses Angebot war - aus verschiedenen Gründen - verhalten; Karl May dagegen reagierte in einer Weise positiv (Nr. 15), daß sich im weiteren eigentlich eine gedeihliche Zusammenarbeit von Autor und Redakteur hätte entwickeln können - auch wenn May erneut auf den >Reise<-Trick zurückgriff: Ich war nicht daheim ...



15 May an Kürschner

Dresden, Prinzenstraße 4, d. 17.10.86

Sehr geehrter Herr.

Verzeihung, daß ich Ihre letzte so freundliche Zuschrift erst heut zu beantworten vermag! Ich war nicht daheim und habe den Brief erst jetzt zu Händen bekommen.

Diese Abwesenheit ist auch der Grund, daß ich Ihnen nicht die für den Litteraturkalender bestimmten Notizen sandte. Es würden nur einige Bücher zu verzeichnen sein, und das können wir ja gut unterlassen, damit Ihnen keine Störung entstehe.

Den versprochenen Beitrag (& Illustrationen) kann ich Ihnen nun  n ä c h s t e r  Tage in Aussicht stellen.

Was nun Ihre gütige Offerte beziehentlich des Romanes betrifft, so habe


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ich freilich ein Sujet für Sie, welches packend, situationsreich und hochinteressant ist, und würde ich mir Mühe geben, es zu Ihrer Zufriedenheit auszuführen; nur ist der Schauplatz nicht Deutschland sondern der Orient. Grad dieser Umstand aber erscheint mir geeignet, das Interesse zu erhöhen, zumal die Hauptpersonen Deutsche sind. Die Charaktere sind psychologisch bedeutend und von einer Wechselwirkung, welche den Leser wohl schwerlich aus der Spannung kommen läßt. Daß ich den Lesern eines so hervorragenden Blattes einen reichen Wechsel packender Scenen und Ereignisse biete, ist selbstverständlich.

Die Arbeit soll ein Horace Vernet'sches Gemälde sein mit leuchtendem Colorit und düstrem Schatten, eine lebensvolle und lebens  w a h r e  Schilderung orientalischer Zustände mit befriedigendem Schlusse. Für so eine Arbeit kann ich mich gradezu begeistern, und dann möchte ich annehmen, daß sie auch gut werde. Aber bitte, welchen Umfang dürfte ein Roman haben, und wann müßte er fertig sein? Müssen Sie das vollständige Manuscript in Händen haben, ehe Sie zu drucken beginnen, oder entschließen Sie sich bei so umfangreichen Arbeiten vielleicht auch einmal zur Gepflogenheit anderer Verleger, das Manuscript nach und nach zu erhalten? Bitte, mir das mitzutheilen. Ich freue mich auf diese Arbeit so, daß ich auf alle Fälle bereit bin, Ihnen baldigst den Anfang zur freundlichen Ansicht zu senden, damit Sie sehen, was ich will und wie ich es will.

Könnt ich in Raten schreiben, so wäre Ihnen die baldige Veröffentlichung ermöglicht, und ich könnte sorgsamer arbeiten, als wenn ich eilen müßte, um bis zu einem gewissen Zeitpunkte fertig zu sein, ganz abgesehen von dem Umstande, daß nicht viele Schriftsteller so situirt sind, daß sie an einem längeren Roman continuirlich schreiben können.

Freilich wollte ich diesen prächtigen, beinahe unerschöpflichen Stoff in einer Reihe von Romanen bearbeiten - ähnlich den Bänden, welche ich im Januar für Herrn Spemann beginnen kann - aber ich will darauf verzichten, um  I h n e n  eine Originalität liefern zu können, welche vor allen Dingen auch die Aufgabe hat, Ihnen zu zeigen, wie aufrichtig und herzlich hochachtend Ihnen dankbar ist

   Ihr ergebener
        Dr. Karl May

Horace Vernet'sches Gemälde: Horace Vernet (1789-1863) französischer Maler und Lithograph, der vor allem durch seine riesigen Schlachtengemälde (Nationalmuseum Versailles) und durch orientalische Genreszenen bekannt wurde.(63)


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May war also bereit, Ernst zu machen. Nachdem er seit langem für Pustet in Serie schrieb und seit neuestem auch endlich - wie aus dem Schluß des Briefes hervorgeht - für Spemann, wollte er nunmehr endlich Kürschner als drittes Rettungsboot hinaus aus den Untiefen der Münchmeyer-Kolportage benutzen. Erneut und fast flehentlich kommt er auf seine frühere, weniger als eine Woche zuvor (Nr. 13) abgeschickte Bitte zurück, ihn doch das Manuskript in Etappen abliefern zu lassen. Entschließen Sie sich bei so umfangreichen Arbeiten vielleicht auch einmal zur Gepflogenheit anderer Verleger, das Manuscript nach und nach zu erhalten? Die Länge der über zwei Abschnitte des Briefes laufenden diesbezüglichen Äußerungen Mays läßt erkennen, wie sehr dem Autor an dem Punkt gelegen war. Könnt ich in Raten schreiben, so wäre Ihnen die baldige Veröffentlichung ermöglicht. Zwar war Karl May auch durch seine Tätigkeit für Münchmeyer »auf die Lieferung einzelner Textschübe geradezu gedrillt worden«;(64) doch es kann kaum Zweifel darüber bestehen, daß diese Art der sukzessiven literarischen Zuarbeitung zu parallel laufenden Projekten seinen psycho-produktiven Bedürfnissen sehr entgegen kam: kurze konzentrierte Anspannung und Tagtraumproduktion, dann Entspannung und Eintritt in den nächsten Traum usf. Daneben glaubte er außerdem seine ökonomische Situation trotz Münchmeyer, Pustet und Spemann noch nicht gefestigt genug, als daß er auf regelmäßige Honorarteilzahlungen, wie sie mit dem von ihm vorgeschlagenen Modus ja verbunden waren, hätte verzichten können. Abgesehen von dem Umstande, daß nicht viele Schriftsteller so situirt sind, daß sie an einem längeren Roman continuirlich schreiben können. Kürschner ging aber auf den Vorschlag nicht ein.



16 Kürschner an May

19./10.1[188]6

Herrn Dr. Karl May   D r e s d e n 

Verehrtester Herr!

Empfangen Sie vielen Dank für Ihre freundlichen Zeilen, von denen ich nur hoffen will, daß diesmal dem Versprochenen die Ausführung auch auf dem Fuße folgt. Ich sehe dem Artikel mit den Illustrationen sehr entgegen, freue mich aber noch mehr auf den Roman. Der Roman dürfte, wenn er sehr effectvoll ist, durch sechs Hefte und auch mehr laufen. Ich mag Ihnen hier keine besonderen Vorschriften machen; es versteht sich von selbst, daß er nicht allzu umfangreich werden darf. Sie haben ja aus den früheren Bänden genug Gelegenheit, sich über die


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Größenfrage zu orientieren. Auf eine theilweise Einsendung des Manuscripts können wir uns aber nicht einlassen. Was sollten wir machen, wenn eine auch von Ihnen ganz unverschuldete Verspätung der Manuskript-Sendung eintrifft [recte: eintritt]. Das geht leider keinesfalls, aber ich denke auch so wird es Ihnen möglich sein, meinen Wunsch zu erfüllen und Ihr Versprechen wahr zu machen.

   Mit vollkommener Hochachtung begrüßt Sie
        Ihr ergebener
            Kürschner

Offenbar beruhte Kürschners Ablehnung der ratenweisen Manuskript-Einsendung auch auf den leidigen Erfahrungen, die der >Deutsche Hausschatz< gerade in diesen Monaten mit Karl May bei dieser Regelung wieder machte: >Der letzte Ritt< wartete dort seit Februar des Jahres auf seine Fortsetzung, und auch der Anfang Oktober - also eben erst - begonnene dreizehnte Jahrgang der Zeitschrift sollte ein Jahr lang vergeblich auf Text warten. Immer wieder war die Redaktion gezwungen, entsprechende Leseranfragen mit immer resignierter formulierten >Briefkasten<-Antworten zu vertrösten. Daraus hatte man im Juni 1886 die folgende Lehre gezogen: »In Zukunft werden wir freilich niemals mehr mit der Veröffentlichung irgend eines Werkes beginnen, ohne daß uns das Manuscript vollständig vorliegt.«(65) Kürschner dürfte sich diese Erfahrungen der Konkurrenz zu Herzen genommen haben. Was ihm dabei allerdings verlorenging, konnte er nicht wissen; das wird erst aus der Rückschau deutlich: nämlich ein zwar gelegentlich unzuverlässiger, aber sehr produktiver und auf Dauer auch dem Haus verpflichtbarer Verfasser von Romanen in Serie, die jeweils exakt in das geforderte Redaktionskonzept paßten. Alle Verleger, denen May - stets oder gelegentlich - Manuskript auf Raten lieferte, haben insgesamt ihre (ökonomischen) Schäflein bestens ins Trockene gebracht: für Münchmeyer schrieb der Autor in fünf Jahren fünf umfangreiche Romane, für Pustet in achtzehn Jahren etwa siebzehn Romane und zahlreiche kürzere Beiträge, und für Spemann in elf Jahren acht Romane.

   Das Angebot an Kürschner, ihn in Raten schreiben zu lassen, war also als eine Einladung zu jahrelanger, möglichst fruchtbarer Zusammenarbeit zu verstehen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß eine Annahme des Angebots für Mays weiteres Schaffen weitgehende Folgen gehabt hätte; denn >Vom Fels zum Meer< war, wie May später schrieb, ein Blatt im höheren Style.(66) Mit dieser Zeitschrift hätte Karl May für seine Romane erstmals eine  e r w a c h s e n e  und zugleich  g e b i l d e t e  Leserschaft erreicht. Ein solches - bürgerliches - Publikum war ihm


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bei den Zeitschriften, für die er bislang geschrieben hatte, verschlossen gewesen - und blieb es durch Kürschners Ablehnung auch in Zukunft.

   Karl May hat zeit seines Lebens keinen Roman mit einer weiblichen Titelheldin verfaßt. Das Angebot an Kürschner zeigt aber, daß er sich spätestens seit 1886 mit solchen Plänen befaßte. Man wird kaum fehlgehen mit der Annahme, daß schon >Die Schejtana< der achtziger Jahre biographische Spiegelungselemente seiner Frau Emma enthalten sollte. Was er Kürschner über diese Titelheldin mitzuteilen hat, gleicht jedenfalls in der Kausalverknüpfung >weibliche Schönheit< = >Macht< und >Beherrschung des Mannes< sowohl atmosphärisch als auch in den Formulierungen verblüffend manchen Äußerungen aus viel späterer Zeit über diese bzw. auch manchen (unveröffentlichten) literarischen Projekten des letzten Lebensjahrzehnts: Eine jener Araberinnen ..., welche in Folge von Geburt, Schönheit, Reichthum und geistiger Begabung einen größern Einfluß erlangen als der eigentliche, männliche Beherrscher des Stammes. (Nr. 13) Vier Jahre nach den Briefen an Kürschner kam auch Spemann im Jahr 1890 einmal kurz auf das Thema zu sprechen: »(...) würde es demnach wohl besser sein, wenn Sie jetzt an dem Roman >Scheitana< arbeiten mögen.«(67) Also hatte May auch dem Verleger sein Projekt angetragen, es schien ihm ernst zu sein. Indessen ist es dem Autor nie gelungen, diese für ihn zentrale Problematik in eine literarische Form zu bringen; die schmerzlichen biographischen Bezüge waren wohl zu übermächtig. Erst in den Prozeßschriften drängten sie dann, von literarischem Formwillen unbeeinträchtigt, mit Macht nach außen. Im >Schundverlage< (1905) schreibt er über seine Frau: Das ist der Satanas, der sich so gern hinter die weibliche Schönheit steckt;(68) und in der >Studie< (1907): Es giebt unsichtbare Kräfte, die nur das Böse wollen. Ihr biblischer Sammelname ist »Teufel«.>(69) Das etwa in der gleichen Zeit entstandene Fragment >Schetana< blieb, wie auch die in denselben Zyklus gehörigen Fragmente >Weib< und >Wüste<, unveröffentlicht;(70) so ist >Emma Pollmer, eine psychologische Studie<, der einzige >Roman< Karl Mays mit einer weiblichen Titelheldin geworden. Dies ist bedauerlich. Denn >Die Schejtana< wäre vielleicht eine dramatische Ehegeschichte im abenteuerlichen Gewand geworden, wie sie die Literatur nicht so leicht wiedererhalten hätte.(71)

   Ich hatte mich mit dem bekannten Professor Josef [!] Kürschner, dem Herausgeber des Literaturkalenders, auf die Gründung einiger neuer Unternehmungen festgelegt, und ich arbeitete mit allen [!] Eifer auf die Trennung von Münchmeyer hin.(72) Diese Äußerung Mays in der >Studie< entspricht also nur halb den Tatsachen; in Wahrheit war seine Enttäuschung über Kürschners Ablehnung der ratenweisen Manuskript-


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einsendung doch so groß, daß in den erhaltenen Teilen des weiteren Briefwechsels von seiner Seite aus das Romanprojekt nicht mehr angesprochen wird. Im Vordergrund stehen nunmehr zunächst Beiträge für >Der Gute Kamerad<,(73) dessen Redaktion Kürschner kurzfristig übernommen hatte, sowie weiterhin die leidigen Artikel zu vorhandenen Illustrationen. Am 10. November bat Kürschner erneut um ein »größeres Manuscript« für die neue Jugendschrift (Nr. VI), und am 15. November bestätigte er nach Rücksprache mit Spemann, daß die Beiträge für den >Guten Kameraden< als Erfüllung des alten Vertrages gelten könnten (Nr. VII); auch der Artikel zu den Schiffsbildern wurde wieder angemahnt. Zu Anfang des neuen Jahres dann folgt endlich ein Dank für Übersendung von Manuskripten:



17 Kürschner an May

Herrn Dr. Karl May       D r e s d e n 

Sehr geehrter Herr!

Besten Dank für die übersandten Manuscripte für die neue Jugendzeitschrift »Der gute Kamerad«, das ich sofort in die Redaction abgegeben habe. Ich selbst habe mich infolge Arbeitsüberhäufung gezwungen gesehen, noch vor Erscheinen der ersten Nummer von der Leitung zurückzutreten, die ich überhaupt nur aus Gefälligkeit für Spemann, dem der ursprüngliche Redakteur untreu geworden war, übernommen habe. Ich bitte alle auf die Jugendzeitschrift bezüglichen Sendungen direkt an den Verlag von W. Spemann zu adressieren.

   In vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebenster
Stuttg. 14/1 87             Kürschner

Auf welche Texte sich Kürschner hier im einzelnen bezieht, ist nicht bekannt. Der Plural in der Formulierung (»Manuskripte«) könnte allerdings daraufhin deuten, daß es sich sowohl um Teile aus dem >Bärenjäger< als auch um kürzere Erzählungen für Spemanns Jugendschrift handelte. An kürzeren Arbeiten Mays erschienen in diesem ersten Jahrgang des Jahres 1887 >lbn el'amm< (8. Januar 1887), >Ein Präriebrand< (3. Märzwoche),(74) >Das Hamail< (l. Maiwoche) und >Ein Phi-Phob< (3. Maiwoche); es kämen also wohl die letzteren drei in Frage. Die Übersendung ermutigte Kürschner zu weiteren Anfragen.


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18 Kürschner an May

Herrn Karl May       D r e s d e n  (75)             29/3 [188]7

Verehrtester Herr!

Anliegend sende ich Ihnen 10 Illustrationen eines Aufsatzes über Kentucky. Hätten Sie nicht Lust, dazu einen Artikel zu schreiben von etwa 4-5 Seiten Umfang, leicht interessant und anregend. Nur dürfte sich freilich die Sache nicht wieder so lange verzögern, wie der von Ihnen für »Vom Fels zum Meer« zugesagte Artikel, dem ich überhaupt nun bei nächster Gelegenheit entgegensehe.

Ich bitte Sie dringend, mich mit den beiden Artikeln nicht im Stich zu lassen. Im Text bitte ich genau die Stellen anzugeben, wohin die Bilder, die ich zurückerbitte, gehören.

   In vollkommener Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Kürschner

Doch May schickte weder den Kentucky-Artikel noch den erneut angemahnten zu den >Seebildern<. Kürschner mahnte wiederum (Nr. 19), und schickte, obwohl auch diese Aufforderung offenbar ohne Resonanz blieb, vier Monate später erneut einige Illustrationen an May (Nr. 20).



19 Kürschner an May

Herrn Dr. Karl May       D r e s d e n 

Sehr geehrter Herr!

Zum meinem Bedauern habe ich bis heute den unterm 30/3 [?] erbetenen Artikel, zu dem ich Ihnen auch Illustrationen sandte, noch nicht erhalten. Ich wäre Ihnen außerordentlich verbunden, wenn Sie mir recht bald denselben zusenden wollten. Empfangen Sie im Voraus den verbindlichsten Dank

   Ihres
        Hochachtungsvollst ergebenen
Stuttgart 5/6 87         Kürschner


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20 Kürschner an May

Herrn Dr. Karl May       D r e s d e n      [Samstag] 10/10 [188]7

Sehr geehrter Herr!

Obgleich Sie seit langer, langer Zeit nichts mehr von sich hören ließen u. mich zudem in [eine] recht unangenehme Lage gebracht haben, riskire ich es doch heute abermals mit einer Bitte zu Ihnen zu kommen. Ich sende Ihnen in der Anlage einige Bilder und wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir zu denselben für »Vom Fels zum Meer« (also nicht »Guter Kamerad« u. dementsprechend weniger jugendlich u. dafür anziehender) einen Artikel schreiben wollten. Ich kann nur 3 Spalten darüber brauchen und soll auf diesen möglichst Alles gegeben werden. Können Sie mir den Gefallen nicht erweisen, so senden Sie mir die Bilder  p o s t w e n d e n d  zurück, andernfalls sehe ich dem Manuscript bis Sonnabend entgegen.

   In vollkommener Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Kürschner

Bei den hier (Nr. 20) angesprochenen Bildern handelte es sich um vier großformatige Skizzen des englischen Illustrators Richard Caton Woodville (1856-1927), die dieser für >The Illustrated London News< angefertigt hatte. Diese 1842 gegründete Zeitschrift war die erste europäische Illustrierte, sie existiert bis heute. Die 1844 gegründete, in Deutschland enorm erfolgreiche >Leipziger Illustrirte Zeitung< Johann Jacob Webers war unmittelbar von dem englischen Blatt inspiriert.

   May wollte es sich mit Kürschner nicht endgültig verderben. Er hielt diesmal, trotz einiger Schwierigkeiten, die mit einem Hin und Her von Telegrammen behoben wurden, sowohl Spaltenvorgabe als auch Abgabetermin exakt ein.



21 May an Kürschner

Telegramm aus Dresden. Aufgegeben [Montag] den 12.10.1887 um 12 Uhr 33 N[achmittags]

Herrn Professor Kürschner Reinersburgerstraße Stuttgart Brief erhalten Bilder fehlen

May


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22 May an Kürschner

Telegramm aus Dresden. Aufgegeben [Dienstag] den 13.10.1887 um 9 Uhr 50 V[ormittags]

Herrn Professor Kürschner Reinersburgerstraße Stuttgart

Aber bitte, habe nun zwar die Nummern, weiß jedoch nicht, welche Bilder Sie meinen. Fehlt jedwede Andeutung

May

Auf der Rückseite dieses Telegramms hat Kürschner notiert: »Bitte May telegraphieren u. ihm  g e n a u  mit Seitenzahlen ete. die Bilder zu bezeichnen, aber  p ü n k t l i c h  !! K«.



23 May an Kürschner [Ohne Ort, ohne Datum; wahrscheinlich Mittwoch, 14.10.1887]

Herrn Professor Josef Kürschner, Stuttgart

Sehr geehrter Herr.

Muß mich sehr beeilen, diese Blätter in den Bahnzug zu bringen, damit sie nach Ihrem Wunsche noch Sonnabend ankommen.

»London news« kann ich nur per Packet senden, darum gehen sie einige Stunden später ab.

   Ihr ergebener
        May

London news: Um welche Ausgabe dieser Zeitschrift es sich handelte, konnte nicht ermittelt werden.(76)



24 May an Kürschner

Telegramm aus Dresden. Aufgegeben [Donnerstag] den 15.10.1887 um 3 Uhr 32 N[achmittags]

Professor Kürschner Stuttgart

Seit gestern unterwegs 3 Spalten

May

Wenige Wochen nach diesem Brief erschien im November 1887 dann tatsächlich Mays Artikel zu den Woodville-Illustrationen in >Vom Fels zum Meer<: >Maghreb-el-aksa<.(77) Doch dieser dritte sollte auch gleichzeitig Mays letzter Beitrag für Kürschners ambitionierte Zeitschrift bleiben. Aus dem folgenden Jahr 1888 ist nur ein Schreiben erhalten


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(Nr. 25), das May kurz nach seiner am ersten Oktober dieses Jahres erfolgten Übersiedelung nach Kötzschenbroda erhalten haben muß. Auf diesem Brief hat May offenbar nicht reagiert. Wehnert vermutet,(78) daß May außerdem in diesem Jahr endlich den zwei Jahre zuvor (Nr. 10) bestellten Beitrag zu den Schiffsbildern an Kürschner schickte, der dann allerdings als für den >Fels< unpassend empfunden wurde und im >Guten Kamerad< (4. Januar 1890) Verwendung fand. Im Februar des Folgejahres (Nr. 26) versuchte es Kürschner erneut und schickte May Illustrationen zu einem Kalifornien-Artikel. Bei der Zusendung der Bilder gab es, wenigstens behauptete May dies, Probleme auf dem Postweg (Nr. 27) und wieder einmal war jemand auf Reisen (Nr. 28). Unterdessen hatte sich die Sache erledigt, ein anderer Schriftsteller (Karl Müller) hatte den Kalifornien-Beitrag - an dem May angeblich bereits schrieb (letzte Hand: Nr. 29) - verfaßt.(79) Gleichzeitig schickte Kürschner (Nr. XIII) Illustrationen zum Thema >Winter in Odisantars< an May ab.



25 Kürschner an May

Herrn Dr. phil. Karl May, Kötzschenbroda(80)         18/10(?) [188]8(81)

Verehrter Herr!

Es ist schon sehr lange her, daß ich nichts mehr von Ihnen gehört habe und ich habe fast die Hoffnung aufgegeben, Sie zur Mitarbeit für »Vom Fels zum Meer« zu bewegen. Obgleich ich einer [?] ganze Reihe Zusagen [?] von Ihnen habe, dringlich [?] noch [?] einen packenden Roman [?] haben. Ich möchte [?] in den [?] [... ... ...] abgeben und Sie [?] bitten, etwas für Frauen [?] zu schreiben. Ich würde auch einen größeren Roman willkommen heißen, wenn er wirklich für unsere Verhältnisse entsprechend unseren Lesern ist. Erbitte Sie freundlichst, doch ja meinen Wunsch zu erfüllen.

   Mit dem
   Ausdruck vorzüglicher
   Hochachtung
   Ihr
   sehr ergebener
   Kürschner



26 Kürschner an May

Herrn Dr. Karl May       D r e s d e n              14/2 1889

Sehr geehrter Herr!

Sie sind mir stets so freundlich entgegengekommen, dass ich auch heu-


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te hoffe, keine Fehlbitte zu tun, wenn ich Sie ersuche, uns zu den beifolgenden Illustrationen, die wir aus einem englischen Blatt für >Vom Fels zum Meer< erworben haben, einen nicht zu langen Artikel zu schreiben. Ich glaube dass der Gegenstand interessant genug ist, um auch bei uns behandelt zu werden und hoffe bestimmt, von Ihnen keinen abschlägigen Bescheid zu erhalten. Könnte ich den Artikel bald erhalten, wäre mir damit besonders gedient.

   Mit vollkommener Hochachtung
        Ihr
            sehr ergebener
                Kürschner

California



27 May an Kürschner

Kötzschenbroda-Dresden, d. 27.2.89

Verehrtester Herr Professor.

Die Bildabzüge habe ich erhalten, die vorangegangene freundliche Zuschrift aber erst heut. Sie war im Postwagen in die Kreuzbandsendung eines hiesigen Herrn gerathen, welcher sich auf Reisen befand und erst gestern nach seiner Rückkehr den fremden Eindringling entdeckte. Ich werde mich gleich nach Schluß des Monats an die Arbeit machen.

   Mit herzlichen Empfehlungen
        in aufrichtiger Hochachtung
            Ihr ganz ergebener
                Dr. Karl May



28 Kürschner an May

Stuttgart, 8/3.1889

Herrn Dr. Karl May,       K ö t z s c h e n b r o d a  .

Sehr geehrter Herr!

Das ist allerdings ein grosses Malheur, welches meinem Brief widerfahren ist. Sorgen Sie nur bitte, dass ich nicht allzusehr darunter leiden muss, sondern dass ich recht bald den Aufsatz von Ihnen erhalte. Sie sind ja ohnehin leider unserem »Fels« vollständig untreu geworden.

   Mit besten Empfehlungen stets
        Ihr
   hochachtungsvoll ergebener
            Kürschner


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29 May an Kürschner

Kötzschenbroda-Dresden, d. 13.4.89

Verehrter Herr Professor.

Soeben lege ich die letzte Hand an die Arbeit welche heut Abend an Sie aufgegeben werden sollte; da kam die neue Zuschrift. Ich lege also die erstere als nun unverwendbar weg und werde die neue sofort beginnen.

   Mit vorzüglicher Hochachtung
        Ihr ergebenster
            Dr. May

Durch eine überraschende berufliche Veränderung Kürschners erübrigte sich jedoch auch die Abfassung des Artikels über den >Winter in Odisantars< für May. Am ersten Juli 1889 ging Kürschner als >litterarischer Direktor< der Deutschen Verlags-Anstalt, ebenfalls in Stuttgart, zur unmittelbaren Konkurrenz Spemanns über. May erfuhr davon gleichzeitig durch einen Brief Spemanns vom 30. Juni(82) und ein gedrucktes Schreiben Kürschners vom selben Tag (Nr. XIV). Damit waren sowohl Mays Tätigkeit für >Vom Fels zum Meer< als auch die Kürschners endgültig abgeschlossen. Kürschner hatte das Blatt in den letzten Jahren weiter ausgebaut, allerdings stagnierte seit etwa 1886 die Auflage. Unter den Autoren der Jahrgänge vier bis acht (1884-89) finden sich, neben einigen der bereits für die ersten drei Jahrgänge genannten, Ludovica Hesekiel, Fritz Mauthner, Balduin Möllhausen, Gustav Nachtigal, Henry Rider-Haggard, Levin Schücking, Heinrich Seidel, Ernst von Wolzogen und Moritz Lilie, ein bereits mehrfach erwähnter, mit May bekannter Dresdener Schriftsteller.(83) Zu den bedeutendsten Abdrucken in diesen Jahren dürften Paul Lindaus Berlinroman >Der Zug nach dem Westen< (1886) und Wilhelm Raabes >Im alten Eisen< (1887)(84) zählen.

   May blieb sowohl Spemann, für dessen Jugendschrift er künftig tatkräftig arbeitete, als auch Kürschner - in Maßen - treu. Er lieferte diesem - noch im Verlauf des Jahres 1889 - für die verschiedenen Zeitschriften, die der Redakteur für die Deutsche Verlags-Anstalt betreute, eine ganze Reihe von kürzeren Artikeln nach vorgegebenen Illustrationen (vgl. Nr. XIV bis Nr. XX): >Am Mistake-Canon<, >Am Kai-p'a<, >Die Rache des Mormonen<, >Der erste Elk< und - möglicherweise - >Jagd auf wilde Truthühner in Texas<. Am 27. Januar 1890 bot Kürschner May das umfangreiche Projekt von sechsundzwanzig Artikeln zum Thema >Sittenbilder aus dem Leben der Deutschen im Auslande< an (Nr. XXI). May lehnte unter Hinweis auf seine exklusive


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kontraktliche Bindung an Spemann ab (vgl. Nr. XXII). Als dann in Pustets >Hausschatz< Mays >El Sendador< erschien, zeigte sich Kürschner am 7. Juli 1890 darüber sehr erstaunt (Nr. XXIII). May antwortete unter abermaligem Hinweis auf längere Abwesenheit:



30 May an Kürschner

Kötzschenbroda-Dresden, d. 18.10.90(85)

Hochgeehrtester Herr Professor.

Verzeihung, daß ich wegen einer längeren Abwesenheit Ihre werthe Anfrage erst heut zu beantworten vermag.

Allerdings bin ich noch immer durch Spemann contractlich gebunden. Den Roman, welchen Sie im »Deutschen Hausschatz« von mir fanden, habe ich geschrieben, bevor ich mich Herrn Spemann verpflichtete.

   Mit vorzüglichster Hochachtung
        Ihr sehr ergebener
            Dr. May

Damit reißt die erhaltene Korrespondenz erst einmal ab. Es ist aber nicht auszuschließen, daß May in den Jahren 1890 bis 1892 einige weitere kürzere - anonyme - Artikel für Kürschner verfaßt hat.(86) Im Juli 1892 schied Kürschner bei der DVA wieder aus - blieb aber bis 1895 weiter >Literarischer Beirat< des Verlages - und übersiedelte nach Eisenach, wo er zunächst im Selbstverlag verschiedenen Projekten nachging. Außerdem war er dort Direktor des Richard-Wagner-Museums und des Fritz-Reuter-Museums. Nach einiger Zeit fand er in dem Berliner Verleger Hermann Hillger einen Partner, mit dem er auf der Basis einer stillen Teilhaberschaft weitere Projekte - vor allem seine Billigbuchreihe >Kürschner's Bücherschatz< (pro Roman 20 Pfennige!) - verwirklichte. In diesen Jahren scheint Karl May weiterhin sporadischen Kontakt zu Kürschner gehalten zu haben. Dies kann man jedenfalls aus dem Ton eines Briefes aus dem Jahr 1895 (Nr. 31) schließen, dessen genaues Datum nicht mehr feststellbar ist.(87) Möglicherweise handelt es sich um einen - verspäteten - Gruß zu Kürschners 42. Geburtstag am 20. September. May: ich war bis gestern verreist...



31 May an Kürschner

Oberlößnitz-Dresden,(88) 5. Oktober (?) '95

Hochverehrter Herr Geh. Hofrat!

Leider komme ich in diesem Jahr recht spät, ich war bis gestern verreist.


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Ihrem für uns Alle so segensreichen und erstaunlich fleißigen Wirken die besten Erfolge wünschend, zeichnet

   in alter, treuer und aufrichtiger Sympathie
   und mit dem Ausdrucke meiner steten Verehrung
        ergebenst
            Dr. Karl May

Auf der Rückseite dieses Briefes findet sich eine gedruckte >Entschuldigung und Bitte<, die Plaul in seiner Bibliographie nicht verzeichnet:


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Im Februar 1896 dann bittet Kürschner May in einem vertraulichen Schreiben (Nr. 32), wie er sie ähnlich wohl an zahlreiche Schriftsteller abgeschickt hat,(89) um Mitarbeit bei zwei neugegründeten Projekten: >Kürschner's Bücherschatz< und einer »ganz neuartige(n) Correspondenz«; mit der letzteren war wahrscheinlich >Kürschners Universal-Redakteur< gemeint.(90)

May antwortet nicht, und Kürschner erneuert, unermüdlich wie eh und je, seine Anfrage (Nr. 33).



32 Kürschner an May

8. Febr. [189]6
     V e r t r a u l i c h  !

Als ich noch »Vom Fels zum Meer« redigierte haben Sie mir [...ganz] allerliebste kurze Erzählungen gesandt, die sich damals großer Beliebtheit seitens der Leser zu erfreuen hatten. Ich bin jetzt dabei, mehrere neue Unternehmungen ins Leben zu rufen und würde mich freuen, wenn ich dabei auf Ihre Mitarbeiterschaft rechnen dürfte.

Was ich benötige sind vor allen Dingen kurze, spannende Erzählungen im Umfang von 2-300 Druckzeilen. Aber auch andere Aufsätze, über deren Thema ich natürlich einen Vorschlag erbitte, sind mir zur Vorlage erwünscht.

Vielleicht könnte ich auch einmal einen größeren Roman verwerten, vorausgesetzt, daß dieser an Bedingungen entspricht, die ich mit Rücksicht auf das Publikum, das ich im Auge habe, zu stellen gezwungen bin.

   In vorzüglicher Hochachtung
        Ihr
   sehr ergebener
        Kürschner



33 Kürschner an May

Herrn Dr. Karl May       D r e s d e n              7. Mai [189]6

Sehr geehrter Herr!

Zu meinem Bedauern bin ich heute noch ohne eine Antwort auf meine Zuschrift vom 8. Februar. Ich wäre Ihnen außerordentlich verbunden, wenn Sie die Güte haben wollten, mir recht bald eine Antwort zugehen zu lassen. Ich bin nun heute auch in der Lage, Ihnen  i m  V e r t r a u e n 


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mitzutheilen, daß es sich bei dem in meinem Briefe erwähnten Vorhaben um eine ganz neuartige Correspondenz handelt, von der ich Ihnen einen Prospect in Correcturabzug hierdurch übersende. Sie werden daraus am besten entnehmen, was Sie mir am vortheilhaftesten an Originalbeiträgen würden anbieten können und ich hoffe, daß wir dann in möglichst rege Beziehungen treten.

   Mit vorzügl. Hochachtung
        Ihr ergebener
Anlage: 1 Prospect         Kürschner

May antwortete jedoch wieder nicht. Da griff Kürschner zu einem Trick, den er ähnlich bereits früher - bei den Angaben zum Verlag von Neugebauer - angewendet hatte (vgl. Nrn. 8, II, 9 u. 10). Er trug seine Bitte im nächsten Jahr erneut vor und bat May konkret um die Erlaubnis zur (Neu-)Veröffentlichung eines Romans unter dem Titel >Unter der Königstanne< - von dem er freilich bei einem einfachen Blick in seinen eigenen Literaturkalender hätte wissen können, daß May überhaupt nicht der Verfasser war. Dieser Brief ist verlorengegangen. Doch Kürschner hatte sein Ziel erreicht, May war aus der Reserve gelockt. Die Antwort des Autors (Nr. 34) ließ diesmal vermutlich nicht sehr lange auf sich warten. Ein Satz daraus war Kürschner allerdings bereits bekannt: Ich war verreist.



34 May an Kürschner

Radebeul-Dresden, Villa »Shatterhand«, d. 2.5.97(91) [Beantwortungsvermerk: Eingang 4. Mai 97. Erledigt 5.5.97]

Hochgeehrter Herr Geh. Hofrath!

Sie wollen gütigst verzeihen, daß ich erst heut antworte. Ich war verreist. Ich bin gern bereit, Ihnen eine packende, actuelle Reiseerzählung im gewünschten Umfang zu liefern, und bitte, mir Ihre Bedingungen gütigst mitzutheilen.

Sie wünschen meinen Roman: »Unter der Königstanne«? Dieser Titel ist mir unbekannt.(92) Wahrscheinlich ist da, was mir leider oft geschieht, eine meiner Erzählungen  o h n e  meine Erlaubniß und darum unter einem andern Titel aber doch mit meinem zugkräftigen Namen gedruckt worden. Sie würden mich, verehrter Herr Professor, sehr zu Dank verpflichten, wenn Sie mich wissen ließen, wo diese Erzählung gestanden hat.

Daß eine Reiseerzählung, wie ich sie Ihnen in Aussicht stelle, die Aussicht hat, Leser zu finden, mögen Ihnen die beiliegenden Zeitungsstimmen zeigen.


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Lieb würde es mir sein, noch vor dem 8ten dieses Monats eine Zeile von Ihnen zu erhalten, da ich dann wieder verreise. Wenn Sie es mir gestatteten, möchte ich es wagen, während dieser Reise auf 5 Minuten bei Ihnen vorzusprechen. Es ist mir wirklich ein Herzensbedürfnis, dem hochverdienten Herrn, den ich auch persönlich so sehr verehre, endlich einmal die Hand drücken zu dürfen.

   Mit vorzüglichster Hochachtung bin ich,
   Herr Geh. Hofrat,
        Ihr sehr ergebener
            Dr. Karl May

May sagte Kürschner also wieder einmal einen Roman zu! Auf der Rückseite dieses Briefes findet sich die bekannte gedruckte >Ergebenste Bitte<,(93) die fast wortgleich ist mit dem vorzitierten Blatt. Sollte dies der eigentliche Beginn jenes May-Projektes sein, das dann im Jahr 1901 als >Et in terra pax!< in Kürschners berüchtigtem >China<-Band einen ersten Abschluß fand? Wir wissen es nicht. May setzte jedenfalls, ungeduldig wie so oft, wenn es ihn selbst betraf - und übrigens einmal mehr mit dem Reise-Argument(94) - Kürschner eine Frist für seine Antwort. Kürschners Brief (Nr. 35), von dem nur der Beginn erhalten blieb, wahrte diese Frist. Es ist zugleich das letzte Schreiben der erhaltenen Korrespondenz.



35 Kürschner an May

Herrn Dr. Karl May             4.5. [189]7

  R a d e b e u l - D r e s d e n  /Villa »Shatterhand«

Sehr geehrter Herr!

Herzlichen Dank für Ihren Brief vom 2. ds. Mts. Es wird mir ein Vergnügen sein, von Ihnen einen Roman zu erhalten, wenn das sich mit den Verhältnissen möglich machen läßt, die durch den billigen Preis der Romanbibliothek bedingt werden. Die Romane sollen einen Umfang von ca. 5000 bis 5500 Druckzeilen haben.

Ich würde mit Vergnügen auch ein Werk drucken, das schon anderweit erschienen ist, sodaß dadurch ein Teil Ihres Honorars schon gedeckt ist.

Wer mir s. Zt. mittheilte, daß der Roman »Unter der Königstanne« von Ihnen erschienen sei, vermag ich leider nicht zu sagen, da der betreffende Brief nicht aufgehoben [?], der Name aber inzwischen mir entfallen ist. Sollte ich mich seiner später wieder erinnern, so werde ich mit Vergnügen Ihnen darüber Mittheilung machen.


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Daß Sie mir das Vergnügen Ihres Besuches machen wollen, ist sehr erfreulich und dankenswert. Ich bitte [Rest Textverlust]

Mit diesem letzten erhaltenen Schreiben war bekanntlich der Kontakt Mays zu Kürschner keineswegs beendet. Vier Jahre später, im April 1901, gab May Kürschner seine Zusage für den berüchtigten >China<-Prachtband.(95) Die daraus resultierenden Schwierigkeiten sind hinlänglich bekannt, auch wenn Briefe Mays an Kürschner oder Zieger - den Verleger des Bandes - aus dieser Zeit bislang nicht aufgetaucht sind.(96) Kürschner hatte für sein Lieferungswerk einen typischen May-Roman erwartet, einen solchen aber, zu seiner grenzenlosen Verblüffung, nicht erhalten.

   Was Kürschner konkret gewollt hatte, was er also an May schätzte, darüber gibt es von ihm selbst - außer den oben abgedruckten Briefen - keine direkten Auskünfte. Er war schnell zu  d e r  zentralen Vermittlergestalt im literarischen Leben seiner Zeit geworden, entsprechende Kontakte bildeten seine Existenzgrundlage; er mußte also notgedrungen, um es sich mit niemandem zu verderben, mit jeder Art von Urteilen sehr zurückhaltend sein. Artikel über andere Schriftsteller gibt es deshalb auch lediglich aus Kürschners Frühzeit. Als Chiffre auch für seine spätere Stellung zu May kann ein dreiteiliger Aufsatz werden, den der dreiundzwanzigjährige Kürschner im Februar und März 1876 über den französischen Autor Jules Verne veröffentlichte,(97) dessen zahlreiche Romane seit 1873 vom Leipziger Verlag Hartleben in rascher Folge veröffentlicht wurden. Verne habe sich »in das unermeßliche Reich einer gewaltigen Phantasie« begeben, mit einer »scheinbar sprudelnden Leichtigkeit« Band auf Band geschrieben und Serienhelden geschaffen;(98) bemerkenswert findet Kürschner, »daß die Triebfeder [!] in den Verne'schen Romanen in erster Linie nie in der Liebe wurzelt, ja die Frauen selbst nur >au second plan< eingeführt werden«, und daß, trotz der Ähnlichkeiten vieler Romane, nie »eine Monotonie Platz greifen« kann: »wir haben nur den Vortheil jener angedeuteten Verwandtschaft, nicht ihren Nachtheil, d. h. wir begreifen die Charaktere leichter, ohne daß sie uns durch ungeschickte Wiederholungen langweilen. « Zusammenfassend unterscheidet Kürschner drei Haupttypen an Charakteren bei Verne: »Die Hauptfigur, der Held, ist stets ein Mann von fast übernatürlicher Ruhe, unbeugsamer Energie, gleich kräftig an Körper, wie an Geist, ihm zur Seite steht meist eine bewegliche Figur, von weniger Ausdauer und endlich eine treuergebene Person, die Alles für den Helden thut, nicht das [!] sie seinen hochfliegenden Planen folgen könnte, wohl aber aus dem Gefühl einer verehrungs-


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vollen Liebe, oder einer unerschütterlichen Pflicht.« Am Autor Karl May, der eben zu jener Zeit mit dem Schreiben begonnen hatte, als Vernes Bücher auf dem deutschen Markt erschienen, - und dessen Werke deshalb sicher nicht zufällig einige Merkmale mit dem französischen Autor teilen(99) -, dürfte Kürschner die nämlichen Eigenschaften geschätzt haben: Phantasie, Variationsreichtum und wiedererkennbare Helden. Daß Kürschners Ausbeute beim Fischen nach Mays Manuskripten dennoch so mager blieb wie gesehen, dürfte also allein mit den jeweils anderweitigen Verpflichtungen des Autors zu erklären sein. Seine Kraft reichte schlicht nicht aus, den gesamten Bedarf zu befriedigen. Die zitierte Erwähnung Kürschners in >Mein Leben und Streben< ist insofern vielleicht auch, zwischen den Zeilen, ein spätes Eingeständnis früheren Versagens: unfreiwilliges Dokument falsch verteilter Lebensenergie.



1 Bei Wehnert (vgl. Anm. 3), S. 341, irrtümlich falsches Geburtsjahr

2 Vgl. Ekkehard Bartsch: >Und Friede auf Erden!< Entstehung und Geschichte. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1972/73. Hamburg 1972, S. 93-122; Erich Heinemann: Ijar und Yussuf el Kürkdschü. Joseph Kürschner, Karl May und der Deutsche Literaturkalender. In: Jb-KMG 1976. Hamburg 1976, S. 191-206; Herrmann Zieger/Joseph Kürschner: Briefe über Karl Mays Roman >Et in terra pax<. Hrsg. und kommentiert von Hainer Plaul. In: Jb-KMG 1983. Husum 1983, S.146-196.

3 Jürgen Wehnert: Joseph Kürschner und Karl May. Fragmente einer Korrespondenz aus den Jahren 1880 bis 1892. In: Jb-KMG 1988. Husum 1988, S. 341-389

4 Ebd., S. 341

5 Kürschners Bibliothek und Sammlung waren bereits im Jahr 1904 versteigert worden. Vgl. Katalog der Sammlungen des zu Eisenach verstorbenen Herrn Geheimen Hofrat Professor Kürschner. (...) C. G. Boerner, Leipzig (1904) (Auktionskatalog). Das >Büro<, d. h. der Briefwechsel mit Schriftstellern seiner Zeit, blieb in Familienbesitz und gelangte 1962 zusammen mit der umfangreichen Porträtsammlung Kürschners als Depositum an das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar. Bevor dies geschah, wurden - offenbar in der Absicht, das Wertvollste zu selegieren - aus der ungeheuren Fülle der Korrespondenz etwa 700 Briefe und Karten ausgewählt. Dieser Restbestand wurde dann 1988 der Forschungsbibliothek Gotha verkauft. Bereits im selben Jahr erhielt ich Kenntnis von diesem Bestand. Auf meine Anfrage erhielt ich jedoch zunächst keine weitergehende Auskunft, sondern wurde auf die bevorstehende Veröffentlichung eines Kataloges verwiesen. Dieser Katalog, herausgegeben von Maria Mitscherling, erschien dann 1990 (vgl. Anm. 6). Der weitaus umfangreichere Bestand im GSA Weimar ist dagegen nach wie vor weitgehend unerschlossen.

6 Vgl. Maria Mitscherling: Joseph Kürschner. Verzeichnis des Nachlasses in der Forschungsbibliothek Gotha und Veröffentlichung ausgewählter Stücke. Forschungsbibliothek Gotha 1990 (Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha, Heft 28); die May-Briefe dort S. 101-110, sowie S. 125 ein Faksimile des Briefes vom 5. Dezember 1884.

7 Vgl. Hansotto Hatzig: Karl May und Sascha Schneider. Dokumente einer Freundschaft. Bamberg 1967, S. 53-86, 102-134 und 153-167 (enthält 83 Briefe, davon 6 von Karl May). Vier weitere Schreiben Mays an Schneider sowie vier Briefe an Fehsenfeld neuerdings in: Empor zum Licht! Karl May und Sascha Schneider. Zur Entstehungsgeschichte der Sascha-Schneider-Titelbilder für die Gesammelten Reise-


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erzählungen Karl Mays. Hrsg. von Lothar Schmid. Bamberg 1991 - Karl May: Briefe an Karl Pustet und Otto Denk. Mit einer Einführung von Hans Wollschläger. In: Jb-KMG 1985. Husum 1985, S. 15-62 (12 May-Briefe) - Karl May: Briefe an Paul Rentschka. Mit einer Einleitung und Anmerkungen von Ernst Seybold. In: Jb-KMG 1987. Husum 1987, S. 160-71 (6 May-Briefe) - Karl und Klara May: Briefwechsel mit Adele und Willy Einsle. [1902 bis 1908] In: Jb-KMG 1991. Husum 1991, S. 11-96 (67 Schreiben, davon 16 von May); vgl. die Fortsetzung im vorliegenden Jahrbuch - Karl May: Briefe an das bayerische Königshaus. In: Jb-KMG 1983. Husum 1983, S. 76-122 (18 Briefe, davon 10 von May).

8 Datierung nach Hainer Plaul: Illustrierte Karl May-Bibliographie. Unter Mitwirkung von Gerhard Klußmeier. München-London-New York-Paris 1989, S. 101

9 Vgl. Roland Schmid: Karl May in den Literaturkalendern. Zur Bibliographie der Erstausgaben. In: 75 Jahre Verlagsarbeit für Karl May und sein Werk. 1913-1988. Bamberg 1988, S. 83-129; dort S. 86-95 alle unterschiedlichen May-Einträge der verschiedenen Jgg. des >Kürschner< faksimiliert. - Seit diesem Jg. 1883 findet sich auch der rätselhafte Werktitel >Hatátitlá kie<, der bis 1910 durchgängig aufgenommen bleibt. Ein Werk dieses Titels, der nur von Karl May stammen kann, konnte bis heute nicht nachgewiesen werden. Gemäß den Angaben im Literaturkalender soll es im Jahr 1881 erschienen sein.

10 Die Originalbriefe Mays, die die Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrt, tragen die Signatur Chart. A 2214 (3), Blätter 1177-1200.

11 Das Ehepaar May wohnte nach der Heirat (1880) in Hohenstein, Marktstraße 2, I. Vgl. Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o.J. (1910); Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul. Anmerkungen, S. 402*.

12 Datierung nach Plaul: Bibliographie, wie Anm. 8, S. 101

13 Im übrigen haben beide Erzählungen für den zweiten Jahrgang von >Vom Fels zum Meer< auffallende Ähnlichkeiten. Bei beiden bleibt der Erzähler namenlos, ist aber durch seine Attribute (>Christi Blut und Gerechtigkeit<: Pferd Rih, Henrystutzen, Diener Halef, hat Abenteuer bei Teufelsanbetern u. a. bestanden; >Saiwa tjalem<: Waffen, Spurenlesen, kann Türkisch, hat in Amerika mit Indianern gekämpft) deutlich als Kara Ben Nemsi bzw. Old Shatterhand gekennzeichnet. In beiden Texten besteht der erzählerische Kern aus einem Schriftstück mit deutschen Versen, das als Talisman dient: bei der ersten aus einem deutschen Gebet und dem Lied >Ännchen von Tharau<, bei der zweiten aus einem Gedicht Heinrich Heines.

14 Balduin Möllhausen hatte für seine im selben Jahrgang der Zeitschrift abgedruckte Erzählung >Der Chef des Vigilance-Komitees<, die einunddreißig >Fels<-Seiten, also etwa 2 Bogen, umfaßte, 300 Mark erhalten. Damit fühlte er sich unterbezahlt; er schrieb Kürschner (am 28.5.85), gewöhnlich erhalte er für eine Novelle dieses Umfangs 600 bis 1100 Mark. Daraufhin versprach Kürschner ihm für die Zukunft ein Honorar von 200 bis 250 Mark pro Bogen für kürzere Texte, was beinahe einer Verdoppelung gleichkam. Die beiden May-Erzählungen haben zusammen neunundzwanzig Seiten Umfang, also etwa soviel wie Möllhausens >Vigilance-Komitee<. Nimmt man an, daß das Möllhausen ohne Nachfragen gezahlte Honorar von 300 Mark der gewöhnliche Honorierungssatz der Redaktion für solche Texte war, dann wird May ungefähr ähnlich oder, als unbekannterer Autor, etwas geringer bezahlt worden sein.

15 Datierung nach Plaul: Bibliographie, wie Anm. 8, S. 99 - Kürschner war aber vermutlich mit >Das Neue Universum<, in dessen viertem Band >Ein Oelbrand< abgedruckt wurde, nicht befaßt. Er hätte sonst sicher nicht versäumt, im Verzeichnis der Zeitungen und Zeitschriften seines Literaturkalenders 1883 (S. 472-481) auf diese Zeitschrift hinzuweisen.

16 Vgl. die Rezension von Eduard Engel in: Das Magazin für die Literatur des In- und Auslandes. 50. Jg. (1881). Bd. 99, Nr. 17, S. 266.

17 Deutscher Litteratur-Kalender 1883, vorletztes Blatt (o.P.)

18 Der Titel der Zeitschrift soll von Johannes Scherr stammen. Vgl. Diether Barth: Das Familienblatt - ein Phänomen der Unterhaltungspresse des 19. Jahrhunderts. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Bd. 15 (1975), Sp. 121-314 (Sp. 281). Doch bereits vierzehn Jahre vor dem ersten Jahrgang der Zeitschrift war in Berlin ein Ge-


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dichtband dieses Titels erschienen: Dr. Carl Remy: Vom Fels zum Meere. Berlin 1867 (Eine Rezension dazu von 0.[tto] B.[anck] in: Novellen-Zeitung. N.F. 5. Jg. (1867) S. 591).

19 Wehnert, wie Anm. 3, S. 343

20 Die Originale der drei Spemann-Briefe befinden sich im Nachlaß Dr. E. A. Schmid, Bamberg. Für die Veröffentlichungserlaubnis und freundliche Bereitstellung von Fotokopien danke ich herzlich Herrn Lothar Schmid. Die Briefe vom 17. Mai 1883 und 28. Mai 1883 sind eigenhändige Schreiben Spemanns, der vom 20. September 1886 stammt von der Hand eines Sekretärs. Für Hilfe bei der Transkription der Briefe danke ich meinem Vater Peter Graf. Weitere Spernann-Briefe in: Anhang zu: Karl May: Der Sohn des Bärenjägers - Der Geist der Llano estakata. In: Der gute Kamerad. 1./2. Jg. (1887 bzw. 1887/88); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1983, S. 263-69 (insges. 27 Briefe) - Chr. F. Lorenz: Einführung. In: Karl May: Kong-Kheou, das Ehrenwort. In: Der gute Kamerad. 3. Jg. (1887/88). Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1984, S. 14 (1 Brief). - Hinweis auf Briefe Spemanns in: Erich Heinemann: Ein Plädoyer für die versklavte Menschheit. In: Karl May: Die Sklavenkarawane. In: Der gute Kamerad. 4. Jg. (1889/90). Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1984, S. 3 u. 9 (Anm. 16 und 18).

21 Mays Exemplar mit eigenhändigen Vermerken wird im Archiv des Karl-May-Verlages aufbewahrt. Vgl. Wehnert, wie Anm. 3, S. 344f.

22 In Dresden-Altstadt, Prinzenstraße 4 wohnte das Ehepaar May etwa seit dem Frühjahr 1884, vgl. May: Leben und Streben, wie Anm. 11, S. 408*.

23 Seit dem Jg. VI/1884

24 May an einen unbekannten Empfänger. Radebeul-Dresden, den 10. Juli 1901. In: Jb-KMG 1976. Hamburg 1976, S. 285. In der >Studie< heißt es ähnlich camouflierend über die dreiwöchige Haftstrafe des Jahres 1879: Zurückgekehrt von einer längeren Studienreise ... Vgl. Karl May: Frau Pollmer. Eine psychologische Studie. Bamberg 1982, S. 821.

25 Roland Schmid: Anhang (zu >Im Lande des Mahdi III<). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben Bd. XIX. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, A13

26 Dies könnte nur geklärt werden durch die Veröffentlichung des Briefwechsels Karl Mays mit dem Verlag Pustet. Dieser Briefwechsel befindet sich im Archiv des Karl-May-Verlages. Auf jeden Fall hat der >Hausschatz< schon früh mit allerlei mehrdeutigen Briefkastenantworten auf Leserfragen an der Legende mitgestrickt: »Das können wir Ihnen wirklich nicht sagen, wie viel Selbsterlebtes und wie viel dichterische Zuthaten an May's Reiseabenteuern sind. Das aber ist wahr, daß der Verfasser alle jene Länder bereist hat, welche den Schauplatz der Abenteuer bilden. « (Mai 1880). »Der Verfasser der Reise-Abenteuer (...) pflegt nicht, mit dem rothen Bädeker in der Hand im Eisenbahn-Coupé zu reisen, sondern er sucht die noch wenig ausgetretenen Pfade auf. « (März 1881). »Die >prächtigen Abenteuer< des beliebten >Weltläufers< werden allerdings in der Studirstube niedergeschrieben, aber die Reisen in allen Theilen der Welt sind von dem Herrn Verfasser wirklich gemacht worden. Selbstverständlich erlebt man in der Sahara, in Kurdistan usw. andere Dinge, als im Coupé für Nichtraucher auf der Eisenbahn in Deutschland.« (November 1882). Vgl. Gerhard Klußmeier: Karl May und >Deutscher Hausschatz<. Bibliographische Dokumente aus 30 Jahren. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG)Nr. 16/1973 bis 18/1973.

27 In den Jahren 1875 bis 1878 hatte Kürschner bereits die Jahrgänge 6 bis 9 der Zeitschrift >Der Literarische Verkehr. Organ für die Interessen der deutschen Schriftstellerwelt< (Berlin: Otto Loewenstein) redaktionell betreut.

28 Zwei Werbeseiten für die Schriftsteller-Zeitung finden sich auf den ersten Seiten von Kürschners Literaturkalender 1886.

29 Hansotto Hügel: Bibliographie der deutschen Literaturzeitschriften 1880 bis 1945. 1. Bd. München 1988, S. 304; Ort und Verlag waren bis Heft 36 des 2. Jahrgangs Stuttgart: Joseph Kürschner; danach erscheint Berlin als Ort mit wechselnden Verlagen.

30 Die Briefdurchschläge Kürschners, die die Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrt, tragen die Signatur Chart. A 2214 (3), Blätter 176-195. Es handelt sich dabei um teil-


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weise sehr schlecht lesbare Preßkopien; dies ist die Ursache für die eine oder andere Lücke in den Transkriptionen.

31 Vgl. dazu Mays >Saiwa tjalem<: »... Du bist ein Doktor?« frug er erstaunt. »Ja,« antwortete ich, um ihm Vertrauen zu machen. (Karl May: Saiwa tjalem. In: Vom Fels zum Meer. 2. Bd. (1883), S. 8; Reprint in: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1985). - Vgl. auch: Otto Spielberg: Der Doctor-Titel. In: Der literarische Verkehr. 2. Jg. (1871) S. 40: »Es wird manchem nicht entgangen sein, dass in Schriftsteller-Vereinen und Mitarbeiter-Listen Persönlichkeiten auftreten, die sich Doctor nennen lassen und von denen man weiss, dass sie Apotheker, Buchhandlungsgehülfen oder Jünger der Kunst Guttenbergs [!] waren.«

32 Neben diesen Zeilen befindet sich ein unlesbarer handschriftlicher Vermerk Kürschners, der »mot. 13« oder »mot B« lauten könnte.

33 Kürschner's Litteraturkalender 1886, S. 61; eine ausführliche Satzung des Vereins dort S. 61-64

34 Kürschner's Litteraturkalender 1886, S. 61 - Zu Moritz Lilie vgl. Anm. 83.

35 Kürschner's Literaturkalender 1917, Sp. 72. Dies ist der letzte Eintrag in den Kalendern; im folgenden Jg. (1924) war der Verein nicht mehr vertreten. - Vgl. auch: R.T.: Aus Dresdens literarischer Welt. In: Der literarische Verkehr. 1. Jg. (1870), S. 35-38 (= Bibliographien von 23 Dresdener Schriftstellern)

36 In: Die Gegenwart. Nr. 8 (1875), S. 55-57 - Kürschner gibt in diesem Beitrag eine Liste von einundzwanzig Kolportageromanen aus der Produktion der letzten Monate. Darin werden neben den Berliner Verlagen Werner Grosse, Hermann J. Köppen und Otto Humburg & Comp. sowie Julius Pültmann (Elberfeld u. Leipzig), R. Jacobs (Magdeburg), Gustav Düster & Comp. (Köln) auch die Dresdener Verlage Fr. Tittel (Die schwarze Bibliothek der beliebtesten Schriftsteller), Adolf Wolf (A. Söndermann: Klostergeheimnisse oder die lebendig begrabene Barbara Ubryk) und H. G. Münchemeyer [!] (Ludwig Tristan: Die Amazonen von Calabrien, eine aus Frauen und Mädchen bestehende Räuberbande Italiens oder die furchtbare Rache eines gebrochenen Mutterherzens. Romantische Erzählung. - Rich. Gustavson: Die Erbin von Ekeberga. Roman) genannt. Kürschners Artikel erschien zu Beginn des Jahres 1875. Die beiden Münchmeyer-Titel dürften also aus der Produktion dieses Verlags im Jahr 1874 stammen. - In der Forschung bestehen sehr unterschiedliche Einschätzungen über die Gesamtanzahl der zwischen 1860 und etwa 1914 produzierten Kolportageromane. Vgl. Fullerton und Jäger, wie Anm. 37. Es wurde bis heute noch nicht einmal der Versuch gemacht, eine Titelliste zu erstellen. Hätte doch Kürschner, der geniale Kompilator, mit seinem Interesse am Thema nicht nachgelassen!

37 Kürschners kurze Skizze und der Aufsatz von Otto Glagau (Der Colportage-Roman, oder >Gift und Dolch, Verrath und Rache<. In: Börsenblatt des deutschen Buchhandels. 1870. Nr. 217, S. 2973-2975, und Nr. 221, S. 3022-3024) sind jedenfalls die ältesten, die in der einschlägigen Literatur immer wieder genannt werden. Vgl. Ronald A. Fullerton: Creating a Mass Book Market in Germany: The Story of the >Colporteur Novel< 1870-1890. In: Journal of Social History. Nr. 10 (1977), S. 265-383, und Georg Jäger: Der Kampf gegen Schmutz und Schund. Die Reaktion der Gebildeten auf die Unterhaltungsindustrie. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Nr. 31 (1988), S. 163-191.

38 Allerdings trug sich May schon früh mit dem Gedanken, dieses Thema literarisch zu fassen. Das >Repertorium C. May<, etwa um 1867/68 entstanden, verzeichnet unter Nr. 78 den Plan für eine Erzählung mit dem Titel >Ein Colporteur< (Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 135). Dies könnte ein Reflex auf die erste Begegnung mit Münchmeyer in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre sein. [Anm. der WWW-Redaktion: May hat in der Tat einen Artikel über die Kolportage geschrieben, der inzwischen entdeckt worden ist. Er erschien unter dem Titel "Ein wohlgemeintes Wort" im Jahrgang 1883 des "Neuen deutschen Reichsboten". Ein Reprint ist Lütjenburg 1994 erschienen.]

39 In Mays >Repertorium C. May< gibt es beispielsweise einen Hinweis auf einen Artikel in der >Gartenlaube< von 1867. Vgl. Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 141.

40 Das erste Heft eines Jahrgangs der >Gartenlaube< erschien zu diesem Zeitpunkt Anfang Januar. Die Nr. 9 entspricht also der ersten Märzwoche.

41 Wehnert, wie Anm. 3, S. 346.

42 Karl May: Ein Schundverlag. Ein Schundverlag und seine Helfershelfer. Zwei frag-


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mentarische Texte aus den Jahren 1905 und 1909. Prozeßschriften Bd. 2. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 339

43 Karl May: An die 4. Strafkammer des Königl. Landgerichtes III in Berlin. Schriftsatz aus dem Jahr 1911 mit Erläuterungen und Textvarianten als Anhang. Prozeßschriften Bd. 3. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 67

44 Vgl. Bernhard Kosciuszko: »In meiner Heimat gibt es Bücher ...«. Die Quellen der Sudanromane Karl Mays. In: Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 64-87 (S. 84). Die meisten ethnographischen Berichte wurden in der damaligen Zeit auch in langen Auszügen in Zeitschriften veröffentlicht. Man muß also immer damit rechnen, daß May den Reiseberichten auch in dieser Form begegnet sein kann.

45 Im >Deutschen Hausschatz< 18. u. 19. Jg. (1891-93) - Die Titel der Mayschen Fehsenfeld-Romane wurden immer wieder plagiiert. Etwa von den deutschen Ausgaben eines Romans des polnischen Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz: Durch die Wüste. Roman aus der Zeit des Mahdi [!]. Übersetzer: S. Horowitz. Einsiedeln 1911; Durch die Wüste. Hamm (um 1910); Durch Wüste und Wildnis. Graz 1932.

46 Heinrich Brugsch: Im Lande des Machdi. In: Die Gartenlaube Nr. 9 (März) 1885, 154/155 (S. 154) - Folgende Artikel waren in den Monaten vorher bereits in der Gartenlaube erschienen: anonym: Der Kriegsschauplatz im Sudan. Mit Karte. Nr. 10 (März) 1884, S. 171ff.; Adolf Ebeling: Die Ereignisse im Sudan. Nr. 11 (März 1884), S. 181-185 (mit Illustrationen von Rudolf Cronau und Fritz Bergen); Ders. [ungenannt]: Bilder aus dem Sudan. Nr. 13 (April) 1884, S. 216-219 (mit Ill. von R. Cronau u. W. Gentz); anonym: Machdi, der falsche Prophet, und - die Bonbons. Nr. 37 (Oktober) 1884, S. 620; Heinrich Brugsch: Bilder aus Oberägypten. Nr. 31 (September) 1884, S. 510-12 (mit einem Porträt des Mahdi). Das im Rahmen des letztgenannten Artikels abgedruckte Porträt - »einen trefflichen nach einer englischen Vorlage ausgeführten Original-Holzschnitt, der als das beste Portrait des falschen Propheten angesehen wird« - verwendete der >Deutsche Hausschatz< sieben Jahre später als Illustration für seinen Abdruck von Mays Mahdi-Roman (Nr. 34, Mai 1891). May benutzte diese Abbildung als Vorlage für die Beschreibung der Titelgestalt seines Romans. Ob also May erst die >Hausschatz<-Redaktion auf diese Abbildung aus der >Gartenlaube< aufmerksam gemacht hat?

47 Vgl. Heinrich Brugsch: Mein Leben und Wandern. Berlin 1894. Brugsch war ein Freund Balduin Möllhausens.

48 Vgl. Schmid: Anhang Mahdi III, wie Anm. 25, A13.

49 Variationen dieser Praxis sind die Angabe des bekannten fiktiven >Der Hakawati< in der Selbstbiographie (1910) oder die Fiktion weiterer Teile von >Ein Schundverlag< (1905) und >Ein Schundverlag und seine Helfershelfer< (1907).

50 Vgl. Wehnert, wie Anm. 3, S. 348.

51 Vgl. Herbert Meier: >Unter Werbern im >Patriotischen Hausschatz<. In: M-KMG 55/1983, S. 17-21. Meier schreibt (S. 19), der erste Jg. dieser Zeitschrift sei auch der letzte gewesen. Doch noch in >Kürschner's Litteratur-Kalender für 1891 bezeichnet sich Kießling als Redakteur des >Patriotischen Hausschatz<. Möglicherweise bestand das Blatt also länger als bisher vermutet.

52 Kürschner's Litteratur-Kalender 1887, Sp. 154, und Franz Brümmer: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts. 5. Auflage. Leipzig o. J. (1895), 1. Bd., S. 283 - Der letzte Eintrag für Kießling in Kürschners Kalender findet sich 1891, jedoch bringt keiner der folgenden Jahrgänge einen Nekrolog.

53 Dieser Text von Kießling ist vollständig abgedruckt in: Friedrich Axmann: Das Testament des Großen Kurfürsten. Roman aus der vaterländischen Geschichte. Mit einer Einführung von Karl Serden. Ubstadt 1988; Reprint der Zeitschriftenfassung. - Die von Serden (S. XIII) gegebene Bibliographie der Zeitschriftenbeiträge Axmanns ist unvollständig. Zu den dort gegebenen 21 Beiträgen lassen sich mindestens 26 weitere nachweisen.

54 Vgl. Wehnert, wie Anm. 3, S. 349.

55 Beide Jahrgänge enthalten Texte von Kurd Laßwitz, Fedor Mamroth, Paul Lindau, Max Kretzer u. a., nicht jedoch von Karl May.

56 Von diesem Brief ist in Gotha nur die Durchschrift der zweiten Hälfte erhalten


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(beginnend hinter dem Bindestrich von »Original-Text«). Der Anfang des Textes folgt hier der Edition von Wehnert (S. 348f.).

57 Vgl. Roland Schmid: Nachwort zu >Der Waldläufer<. In: Der Waldläufer von Gabriel Ferry für die Jugend bearbeitet von Carl May. Reprint Karl-May-Verlag. Bamberg 1987.

58 Bei diesem Bild handelt es sich um einen von dem Xylographen C. Köhnlein angefertigten Stahlstich, als dessen Vorlage ein Foto Mays diente (vgl. Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Der große Karl-May-Bildband. Hrsg. von Gerhard Klußmeier und Hainer Plaul. Hildesheim-New York 1978, S. 71 unten; dieses Foto ist also möglicherweise bereits 1886, spätestens aber Anfang 1889 entstanden). Es ist dies die früheste bislang bekannt gewordene Veröffentlichung eines May-Porträts. Aufgrund des Hinweises in dem Brief an Kürschner konnte eine ganze Reihe bislang unbekannter Abdrucke von May-Erzählungen für den Verlag von Heinrich Theissing nachgewiesen werden. Vgl. >Geschichte in Köln< Nr. 32/1992.

59 Dieser Brief wurde von einem Sekretär geschrieben. Vgl. Anm. 20.

60 Plauls Bibliographie ist für dieses Jahr allerdings um zwei weitere Titel zu ergänzen: in der Theissing-Zeitschrift >Im Familienkreise< erschienen 1886 >Die Rose von Sokna< und >Ein Pfahlmann 61 Vgl. Siegfried Augustin: Vorwort (zu >Unter der Windhose<). In: Karl May: >Der Krumir<. Seltene Originaltexte. Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1985, S. 154.

62 Kürschner an Möllhausen 2. Oktober 1886 (GSA Weimar).

63 Die Dresdener Kunstsammlungen haben nie ein Bild Vernets besessen (Auskunft von Direktor Dr. Horst Zimmermann, 29.8.91), das Dresdener Kupferstichkabinett besitzt lediglich ein Porträt Vernets von R. Fr. K. Suhrland. Wo May also Bilder des Malers gesehen haben könnte, ist unklar. Möglicherweise handelte es sich um Reproduktionen in Zeitschriften. Von den orientalischen Szenen, die May als Orientierung gedient haben könnten, sind besonders die folgenden zu nennen: Kampf zwischen einem Mamelucken und einem Kosaken (Museum der schönen Künste, Moskau), Sklavenmarkt (Berlin), Orientalischer Markt, Reisende Araber in der Wüste, Der arabische Märchenerzähler, Judah und Tamar, Josephs Burnus, Die Löwenjagd (alle Wallace Collection, London), Im Lager des Abd-el-Kader (Museum der afrikanischen und ozeanischen Künste, Paris) und Zuaven beim Angriff (Paris, Privatbesitz). Vgl. Horace Vernet (1789-1863): Ausstellungskatalog der Accademia di Francia a Roma. Rom 1980; Benezit: Dictionnaire des Peintures ... Gründ 1955, S. 533-34; Thieme-Becker: Künstlerlexikon. Leipzig 1940, S. 284-85. - Anregungen zu seinen Themen konnte May auch im Dresdener Zoo finden; vgl. etwa die Anzeigen im >Sächsischen Volksfreund< vom 5. Juli 1879 (»Nubische Karawane«) und 2. August 1879 (»Indianer aus Canada«).

64 Wehnert, wie Anm. 3, S. 351

65 Klußmeier: Hausschatz-Bibliographie, wie Anm. 26, M-KMG 17/1973, S. 19

66 Karl May: Ein Schundverlag, wie Anm. 42, S. 345

67 Spemann an May, Stuttgart, den 28. Mai 1890, Bärenjager-Reprint, wie Anm. 20, S.268

68 May: Schundverlag, wie Anm. 42, S. 337f.

69 May: Studie, wie Anm. 24, S. 811; ähnlich S. 812, 818 und 843f. Vgl. auch die Stellen zu den >Pollmerschen Dämonen< S. 818, 821, 823, 826, 841, 849, 859, 870, 873, 874, 882, 891, 896 und 920.

70 Christoph F. Lorenz: Dialog und Rollengedicht. Zu Karl Mays Nachlaßmappen. In: M-KMG 51/1982, S. 23-25

71 Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß für die Nichtrealisierung dieses Projektes auch immanente Gründe verantwortlich sind. Möglicherweise waren Mays literarische Möglichkeiten zu dieser Zeit der Schwierigkeit des Themas einfach nicht gewachsen. - Im übrigen verweise ich auf das zum Verständnis des Gesamtkomplexes unverzichtbare Standardwerk von Klaus Theweleit: Männerphantasien. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1977 u. 1978.


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72 May: Studie, wie Anm. 24, S. 846

73 Auf dem Lieferungsumschlag von Heft 6 >Vom Fels zum Meer<, März 1887 (dem Exemplar der UB Köln beigebunden) findet sich eine Werbeanzeige für der >Gute Kamerad<. Darin heißt es u. a.: »In erster Linie wendet sich der >Gute Kamerad< an die Abonnenten dieses Blattes. Wie es uns gelungen ist, >Vom Fels zum Meer< von Heft zu Heft reicher und gediegener zu machen, so soll auch die Knabenzeitschrift mit aller Sorgfalt geleitet und geführt werden. Aufs strengste wird alles vermieden werden, was irgend Bedenken erregen könnte. Religion und gute Sitte im Verkehr mit Eltern und Lehrern werden wir pflegen, Familie und Vaterland sind uns heilig.«

74 Mays Verfasserschaft an diesen Skizzen beweist ein Abrechnungszettel des Union-Verlages. Vgl. Roland Schmid: Vorwort des Herausgebers. In: Karl May: Die Sklavenkarawane und weitere Erzählungen von Karl May. Bamberg/Braunschweig 1975, S. 499.

75 Im Frühjahr 1887 zog das Ehepaar May in die Schnorrstraße 31, I. Vgl. May: Leben und Streben, wie Anm. 11, S. 408*.

76 Ich konnte lediglich den Jg. 1886 - erfolglos - durchsehen.

77 Vgl. den Reprint in: May: Der Krumir, wie Anm. 61, S. 85-95.

78 Wehnert, wie Anm. 3, S. 356

79 Karl Müller [d. i. Otfried Mylius]: Eine Sommerfrische in Kalifornien. Mit 11 Illustrationen. In: Vom Fels zum Meer. 8. Jg. Bd. 2 (April-September 1889), S. 935ff .

80 Seit dem 1.10.1888 wohnte May in Kötzschenbroda in der Villa >Idylle<, Schützenstraße 6. Vgl. May: Leben und Streben, wie Anm. 11, S. 408*.

81 Die Datierung stützt sich auch auf einen Vergleich der Handschrift dieses Briefes mit der von Briefen Kürschners an Möllhausen des gleichen Zeitraums. Vom selben Sekretär wie bei dem Brief an May sind in der Möllhausen-Korrespondenz Briefe mit den Daten 25.9.88, 20.10.88, 23.10.88 und 24.10.88 vorhanden; der letzte mit dem vorhergehenden Schreiber ist 19.10.87.

82 Bärenjäger-Reprint, wie Anm. 20, S. 267

83 Wahrscheinlich identisch mit dem von May in der >Studie< erwähnten Schriftsteller...Lilie, den ich einige Jahre lang unterstützte, vgl. Anm. 24, S. 934. Lilie wird ebenfalls erwähnt bei Plaul (May: Leben und Streben, wie Anm. 11, S. 394f .*) und in einem von Kunze wiedergegebenen Dokument (In: Karl May: Das Buch der Liebe. Dresden 1875/76. Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Regensburg 1988. Hrsg. von Gernot Kunze. Bd. II (Kommentar), S. 223). Längere Ausführungen über Lilie auch bei Walther Ilmer: Karl Mays Weihnachten in Karl Mays »Weihnacht!« III. Eine Spurenlese auf der Suche nach Fährten. In: Jb-KMG 1989, Husum 1989, S. 72-74; Ilmer referiert unveröffentlichte Forschungen Klaus Hoffinanns. - Moritz Lilie (1835 - 1904)(Pseud.: M. L. von Chemnitz, Moritz Rose) stammte aus Chemnitz und hatte seine Kindheit in Oderan/Erzgebirge verbracht. Er kam 1856 als Buchhändler nach Leipzig, übernahm 1873 für zwei Jahre die Redaktion der von Hans Wachenhusen gegründeten Zeitschrift >Der Hausfreund< und redigierte 1876 - im Wechsel mit Otto Freitag - den zweiten Jahrgang von dessen >Neue Sonntags-Post. Blätter zur Unterhaltung am häuslichen Herde<, Dresden: Verlag von C. Weineck; Druck von T. Moritz Hofmann (Otto Freitag betreute die Nrn. 1-4, 9-17, 19/20, 23-36 und Moritz Lilie die Nrn. 5-8, 18, 2½2, 37-52; insofern ist Plaul, wie Anm. 11, S. 394* zu korrigieren). Außerdem betreute er für denselben Verlag die seit 1876 erscheinende Zeitschrift >Der Wochenbote<. Im Jahr 1877 zog er nach Dresden und 1880 nach Kötzschenbroda, wo er die Redaktion der >Kötzschenbrodaer Zeitung< übernahm. Wenig später (vor 1883) übersiedelte er nach Niederlößnitz, Gradsteg 8. - Veröffentlichungen u.a.: Deutsche Dudelsacklieder (Humoristische Zeitgedichte), 1870; Die Wallfahrt nach Lourdes (Humoristisch-satirisches Epos), 1875; Der neue Münchhausen, 1876; Aus engen Mauern, 1876; Aus sonnigen Tagen (Lustige Geschichten), 1878; Der blutige Pantoffel an der Kirchhofsmauer (Komische Tragödie), 1885; Spiritus und Seifenschaum (Komisches Drama), 1888; Das sächsische Nizza (3. Aufl.), 1895; Chronik der gesamten Lößnitzortschaften, 1893 - Vgl. Brümmer, wie Anm. 52, Bd. 1, S. 417f. und diverse Ausgaben von >Kürschner's Litteratur-Kalender<.


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84 Der vollständige Briefwechsel Kürschners mit Wilhelm Raabe (13 Briefe), bei dem es um diese Veröffentlichung geht, ist abgedruckt bei Mitscherling, wie Anm. 6, S.84-89.

85 Nach Plaul (May: Leben und Streben, wie Anm. 11, S. 408*) wohnte May zu dieser Zeit bereits in Nieder-Lößnitz, Lößnitzstraße 11.

86 Vgl. Wehnert, wie Anm. 3, S. 373-384.

87 Das Original des Briefes wurde am oberen Rand unsachgemäß beschnitten.

88 Der Umzug nach Ober-Lößnitz erfolgte am 8.4.1891. Vgl. Plaul (May: Leben und Streben, wie Anm. 11, S. 408*).

89 Vgl. Kürschner an Möllhausen am 24.2.96, wie Anm. 62.

90 Diese Zeitschrift konnte ich nirgends auffinden. Die diversen Verzeichnisse (Kayser, GValt, Hügel) erwähnen sie nicht. Laut Kürschners eigenen Angaben in seinen Literatur-Kalendern (Jgg. 1898-1901) erschienen die drei Jahrgänge 1896-1898.

91 Seit dem 14.1.1896 wohnte May in Radebeul in der Villa >Shatterhand<, Kirchstr. 5.

92 Ein solcher Titel unter dem Namen Karl Mays konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

93 Vgl. Plaul: Bibliographie, wie Anm. 8, Nr. 278; dort ein verkleinertes Faksimile (Text auch: Jb-KMG 1976, Hamburg 1976, S. 283). Plaul datiert das Blatt auf »frühestens Anfang 1896«.

94 Dieses Mal entsprach das Reiseargument allerdings den Tatsachen. Am 10. Mai 1897 begann May eine Reise, von der er erst zwei Monate später zurückkehrte. Vgl. Fritz Maschke: Karl Mays Rundreisen in den Jahren 1897-98. In: M-KMG 27/1976, S. 8.

95 Vgl. Plaul: Zieger/Kürschner, wie Anm. 2.

96 Ein wenig mehr Licht in die Angelegenheit könnte vielleicht auch die Veröffentlichung der Briefe Kürschners an Zieger bringen. Plaul (ebda.) mußte seinerzeit, aufgrund der schlechten Qualität der nur in Preßkopien erhaltenen Schreiben, auf eine Veröffentlichung noch verzichten.

97 Vgl. Joseph Kürschner: Jules Verne und seine Romane. In: Der literarische Verkehr. 7. Jahrgang (1876). Nr. 3, S. 17/18, Nr. 4, S. 25-27 u. Nr. 5, S. 33-35; dort auch die folgenden Zitate.

98 In >20000 Meilen unter dem Meer<, >Die Kinder des Käpten Grant< und >Die geheimnisvolle Insel< - Glaubt man freilich Reclams Kriminalromanführer (Hrsg.: Armin Arnold/Josef Schmidt. Stuttgart 1978), dann hat es Serienhelden in Abenteuerromanen vor 1895 überhaupt nicht gegeben (und vor 1918 nur einen). Übersehen wurde von den Herausgebern aber nicht nur Jules Verne, sondern sowohl einige der Helden Mayne Reids, Möllhausens und Gustave Aimards - der für Europa die Serienhelden erfunden haben dürfte - als auch Mays Old Shatterhand und Rider-Haggards Allan Quatermain.

99 Dies gilt auch für einzelne Motive; so weist etwa das Ballon-Abenteuer in Mays >Wanda< einige Ähnlichkeit zu Vernes Erzählung >Ein Drama in den Lüften< (franz. 1874, dt. 1876?) auf.


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