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RUPRECHT GAMMLER

Literaturbericht II



Pünktlich zur Tagung der KMG in Wiesbaden legte der junge, ambitionierte Igel-Verlag als ersten Titel einer Studienreihe, die einmal das »Gesamtwerk analysierend und dokumentierend (...) betrachten« soll, >Karl Mays Orientzyklus< vor.(1) Der nächste Band soll bereits 1993 erscheinen. Die Konzeption der Reihe haben die bestens ausgewiesenen Herausgeber Sudhoff und Vollmer von ihrem Band >Karl Mays >Winnetou« (Frankfurt a. M. 1989) übernommen, »gültig gebliebene Aufsätze der älteren und jüngeren May-Forschung mit innovativen Neubeiträgen« zu publizieren. Den dort erhobenen Anspruch, »das Thema möglichst erschöpfend zu behandeln ...« (Orientzyklus, S. 19), müssen sie wegen der desolaten Forschungslage reduzieren, ein Problem, das auch die Vorbereitung manchen Folgebandes erschweren dürfte. Dies muß um so mehr verwundern, da der Orientroman nicht nur zu Mays populärsten Werken gehört, sondern vor allem seinen zweiten großen Mythenkreis begründet hat. Jedoch bestätigt gerade der vorliegende >Orientzyklus< noch einmal eindrücklich die Richtigkeit der gewählten Konzeption und ihre Tragfähigkeit für die ganze Reihe.

   In ihrer umfassenden Einleitung dokumentieren die Herausgeber die Entstehungsgeschichte des Romans und die Rezeptionslage; in einem zweiten Teil unterziehen sie die 17 nunmehr thematisch gruppierten Beiträge einer fundierten kritischen Würdigung.

   Schon 1984 hatten Bernhard Kosciuszko/Christoph F. Lorenz in ihrer Bestandsaufnahme >Die alten Jahrbücher< (Materialien zur Karl-May-Forschung Band 8. Ubstadt 1984) die Bedeutung der hier wieder vorgelegten vier Aufsätze durch ihre Wertungen betont, Rudolf Beissels, des Begründers der Jahrbücher, >Der orientalische Reise- und Abenteuerroman< sei »sehr lesenswert« (S. 123), Amand von Ozoróczys >Karl May und sein Orient< stelle ein »wertvolle(s) literarische(s) Dokument« (S. 84) dar. Franz Kandolf, der bedeutendste frühe Mayforscher ist mit zwei Beiträgen vertreten, >Von Hassan el Kebihr bis Hadschi Halef Omar<, der die Entwicklung Halefs schildert, und >Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards<, einer »der wichtigsten Quellenstudien« (S. 125). Der Neuabdruck immer noch brauchbarer,


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wenn auch teilweise überholter und im Umfeld des Karl-May-Verlags entstandener, bisher nur wenigen Sammlern zugänglicher Arbeiten erfüllt somit nicht nur eine alte Forderung, sondern dokumentiert auch frühe Mayforschung und Rezeption.

   Angesichts des Golfkrieges mit seinen schrecklichen Folgen insbesondere für die kurdische Bevölkerung und des blutigen Bürgerkrieges in Jugoslawien erweist sich, daß die »orientalische Frage« (Eckehard Koch im ersten Neubeitrag >»Was haltet Ihr von der orientalischen Frage?« Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund von Mays Orientzyklus<) noch mehr als 100 Jahre später im Grunde ungelöst ist. Mays Darstellungen von Orient, Balkan und Islam liefern trotz aller Zeitgebundenheit und ihres den europäischen Quellen verhafteten Blickwinkels ein differenziertes, zeitgenössisches, bisweilen sogar modern anmutendes Bild.

   Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Claus Roxin im letzten Kapitel seiner wohlfundierten >Bemerkungen zu Karl Mays Orientroman<. Bei den ersten Kapiteln handelt es sich um eine aktualisierte Neufassung seiner Einführungen in die längst vergriffenen Hausschatz-Reprints mit »Hinweise(n) zur literarischen Beurteilung, zu den Quellen, zur Wirkungsgeschichte«. Das letzte Kapitel setzt sich vor allem kritisch mit der 1989 entstandenen Magisterarbeit von Laila Hamaiel >Das Orientbild in Karl Mays frühen orientalischen Reiseerzählungen< auseinander, um zu einer ersten »ideologiekritischen Bewertung von Mays Orientbild« (S. 84) zu gelangen.

   Die von Helmut Schmiedt 1986 (1989 im >Winnetou-Materialienband< auf S. 83 wiederholt) beklagten Defizite an Untersuchungen zu Mays Stil und Form sind auch heute noch nicht ausgeräumt trotz seiner grundsätzlichen Analyse im Karl-May-Handbuch und der großangelegten Studie von Ulrich Schmid (Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 12. Ubstadt 1989). Hermann Wiegmann kommt in seinem aufschlußreichen Beitrag >Stil und Erzähltechnik in den Orientbänden Karl Mays<, der teilweise auf seinen Ausführungen im Handbuch basiert und der exemplarisch die >Senitza-Episode< des ersten Bandes - eine Bearbeitung der sehr frühen Leilet-Novelle (1876) - untersucht, zu dem für May erstaunlichen - für alle Reiseerzählungen gültigen - Ergebnis, daß sein »Stil (...) eher rationalistisch (...) als affektiv-emotional (bestimmt)« (S. 116) sei.

   >Zur Dynamik in Karl Mays Orientzyklus< lautet der Untertitel von Martin Lowskys >Die Reise nach Jerusalem<, die trotz aller Intentionen des Helden tatsächlich erst am Schluß des Romans angetreten, dem


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Leser aber nicht mehr geschildert wird. »Reisewünsche der Hauptpersonen und die Störmanöver ihrer Widersacher« bilden die lange, untergründig bestimmte Erzählkette auf dem eigentlichen Weg dorthin, die Folge der einzelnen Kettenglieder ist durch die »Dynamik von Reise und Abenteuer« (S. 136) bestimmt. Wie kunstvoll May letztlich diese Kette im spielerischen Umgang mit alttestamentarischen Stoffen auf biblischen Schauplätzen trotz aller Unterbrechungen und der langen Entstehungszeit geknüpft hat, belegt eindrucksvoll der vorliegende Beitrag.

   Bekennt der Verfasser Walter Olma in >Elemente der Kriminal- und Detektivliteratur in Karl Mays Orientzyklus<, er sei vermutlich »durch seine begeisterte, jugendliche Karl-May-Lektüre später zum intensiven Kriminalromanleser geworden« (S. 162) und betont den generellen Einfluß dieses erzählungsspezifischen Elementes bei May, so erliegt er nicht der naheliegenden Versuchung, die Reiseerzählungen in das Gattungsschema >Kriminalliteratur<, deren Definition ohnehin bis heute umstritten ist, zu pressen. Vielmehr arbeitet er - ausgehend von Peter Nussers Definition des Genres - behutsam die typischen Strukturelemente dieser Gattung in den Orientbänden heraus, deren Erzählrahmen mit der schließlichen Ergreifung und Bestrafung der Täter durchaus den formalen Gesetzen des Kriminalromans genügt.

   Das Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1991 brachte einen Vorabdruck aus dem >Großen Karl-May-Figuren-Lexikon<, den >Essay-Artikel< Kara Ben Nemsi. Im >Orientzyklus< stellen Christoph F. Lorenz und Bernhard Kosciuszko aus dem inzwischen erschienenen Buch eine weitere Maysche Großfigur vor, seinen treuen Begleiter Halef (>Hadschi Halef Omar - Die Genese eines Dieners<).

   Wie wichtig die schon öfter erhobene, eigentlich selbstverständliche Forderung ist, Karl May doch genau zu lesen, um ihm »Vorurteile nationaler, rassischer, sozialer und kultureller Art« (S. 185) ankreiden zu können oder im Gegenteil durchaus positive Ansichten zu bescheinigen, demonstriert nachhaltig Helmut Schmiedts Untersuchung >Der Jude Baruch - Bemerkungen zu einer Nebenfigur in Karl Mays >Von Bagdad nach Stambul<<. Zunächst wird diese als »Klischeefigur übelster Art« (S. 187) aufgebaut und damit das antisemitische Ressentiment des Lesers geweckt, um diesem Bild dann um so heftiger die Grundlage entziehen zu können und es als Trugbild zu entlarven. Exemplarisch offenbart diese kleine Episode ein Erzählprinzip Mays, die »Verkehrung zweier Extreme« (S. 192), das sich auf den ganzen Roman übertragen läßt.

Als Vorlage für die Reiseroute der Balkanbände war der Forschung


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bisher nur >Handtkes Karte der Balkanländer von 1880< bekannt. Diesen Befund bestätigt Ralf Schönbach in seiner wertvollen Quellenstudie >»Zu einem guten Kartenleser gehört schon Etwas...« - Die Quellen der Balkanromane Karl Mays<, darüber hinaus gelingt es ihm erstmalig vor allem anhand von Mays Bibliothek, die benutzten ethnographischen und historischen Quellen zu erschließen und Mays Umgang mit ihnen zu dokumentieren.

   Als bislang einzige eigenständige größere Arbeit neben dem Werkartikel im >Karl-May-Handbuch< befaßt sich Walther Ilmers >Das schreckliche Ende< mit dem eigens für die Buchausgabe geschriebenen >Anhang< und deutet ihn in bekannter Manier biographisch und unter der Entschlüsselung unbewußter und bewußter Spiegelungen - wie der Untertitel verrät - »... als Ausdruck einer emotionalen Krise« (S. 277).

   >Durch Wüste und Kino< führt Hansotto Hatzig den Leser in einer thematischen Übersicht, die die May-Verfilmungen, deren Qualität eher dem bitteren Wasser mancher Oasenquelle entsprechen dürfte, chronologisch mit Filmographie einreibt.

   Konstatierte Helmut Schmiedt im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1991, daß wir »schon sog. Tertiärliteratur benötigen, (...) um nicht völlig den Überblick zu verlieren« (S. 109), so bestätigt sich schon formal die Bedeutung einer Reihe, von der jeder Band einem Thema oder Werktitel verpflichtet ist. Gerade das Nebeneinander verschiedenster über einen längeren Zeitraum entstandener Forschungsarbeiten mit möglicherweise kontroversen Inhalten und Ergebnissen gibt nicht nur den Blick auf den derzeitigen Stand frei, macht Defizite sichtbar und wirkt anregend, sondern vermittelt auch ein Stück Rezeptionsgeschichte. Unvollständig wäre dieses Angebot jedoch ohne den Wiederabdruck jüngerer Abhandlungen zum Thema, die alleine durch die Neuvorlage oder den neuen Kontext befruchtend wirken können, wie etwa Heinz Stoltes >Die Reise ins Innere - Dichtung und Wahrheit in den Reiseerzählungen Karl Mays<. Besonders augenfällig wird dies auch durch den erstmaligen sukzessiven Abdruck zweier durch einen heftigen ideologiekritischen Streit geprägter Arbeiten: Katalin Kovacevic >Makedonien bei Karl May< und Wesselin Radkov >Politisches Engagement und soziale Problematik in den Balkanbänden Karl Mays<.

   Eine glückliche und für die Zukunft verpflichtende Lösung haben die Herausgeber damit gefunden, daß sie neben den unverzichtbaren, etablierten auch neuere Autoren berücksichtigt haben.

Dem Diskussionsteilnehmer auf der Tagung in Wiesbaden, der sich


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einen ganzen Band Sekundärliteratur nur zu einem Titel, etwa dem >Schatz im Silbersee<, verbat, ist nicht beizupflichten. Ad multos annos!

   Bereits im Oktober 1988 veranstaltete der Fachbereich Germanistik der Gesamthochschule Kassel ein dreitägiges, international besetztes Symposion >Exotische Welt in populären Lektüren<, um dem »anhaltenden Interesse Rechnung zu tragen, das der Exotismus des 19. Jahrhunderts (...) auch in der nichtakademischen Öffentlichkeit findet« und »Erscheinungen aus dem begrenzten (...) Bereich der populären Lektüren zu beschreiben und zu erklären« (S. VII). Die dort gehaltenen Vorträge liegen nun gedruckt vor.(2)

   >Aspekte des Reisens und der Fiktionalisierung des Reisens< ist der erste Themenbereich überschrieben mit Untersuchungen über das >Japan-Bild<, >Australien im deutschen Überseeroman<, Sealsfields unvollendete >Deutsch-amerikanische Wahlverwandtschaften<, die >Stereotypen in Auswandererbriefen< aus den USA und die >Erfahrung der Fremde in Talvjs Leben und Werk<, dem Pseudonym der Schriftstellerin Therese Albertine Luise von Jacob.

   Schon das Einleitungsreferat von Anselm Maler >Exotische Realienschau. Anmerkungen zur ethnographischen Erzählweise im Überseeroman des 19. Jahrhunderts< notiert den fast übermächtigen Schatten, den die Mayforschung auf den Umgang mit dem Genre wirft. Schriftsteller der frühen und mittleren Epoche wie Sealsfield, Gerstäcker, Möllhausen, Armand oder Ruppius seien mehr der »Darbietung natur- und kulturgeographische(r) (...) Erlebnisschilderungen« (S. 10) verpflichtet, dagegen dominiere bei den späteren Autoren, insbesondere May, die »Kategorie des Abenteuerlichen« (S. 8). Eine von May ausgehende, das Abenteuerliche betonende Beschäftigung lasse sich daher nicht einfach auf das ganze Jahrhundert übertragen. Allerdings relativiert er das Urteil wieder, indem er Mays Sonderrolle betont, der die »Übersee-Erzählung benutzt und zu einem Instrument der Selbstdarstellung umgeprägt« (S. 8) habe.

   Den zweiten Thernenkomplex >Aspekte der Fremdheit, Medienprobleme< leitet Gert Uedings Vortrag ein >»Das Geschriebene verschwindet, so rein ist die Fremde nah« - Über einige Hauptmotive der Kolportage<, der souverän anhand eher zufällig ausgewählter Lektüre von Cooper, Aimard, Möllhausen, May, Dauthendey bis hin zu Science-Fiction-Autoren wie Arthur C. Clarke und Ray Bradbury den Wirkungsgesetzen der Kolportage nachspürt. Das Prinzip, wie sich der Held stellvertretend für den Leser die Fremde, jenen »herausragenden Erzählraum des gefährlichen Daseins« (S. 102) aneignet, demonstriert


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der Verfasser u. a. exemplarisch an May, so durch die Greenhornepisode des >Winnetou I<, einen »Einweihungsprozeß« (S. 104), der nahezu allen Abenteuerromanen zugrunde liegt, und die »Prestigekämpfe« (S. 105), in denen immer der Andere (der Fremde) unterliegt. >Old Death< - eine Spiegelfigur des Autors - verdeutlicht einen anderen Aspekt, die Fremdbegegnung als »verkappte Selbstbegegnung«, wie die Gestalt des verlorenen Sohnes, der inkognito zurückkehrt - ebenfalls Allgemeinbesitz der Gattung -, »den Fremden als eine Auszugsgestalt der Erlösung und der vollkommenen Versöhnung« (S. 107) entziffert.

   Ähnlich verlaufen die Aneignungsprozesse, wie Jörg Hiengers >Das Motiv der ersten Begegnung in Bewohnbarkeitsphantasien der Science Fiction< darlegt, im Bereich dieses Genres.

   Die offiziellen Beziehungen zwischen May und Retcliffe sind rein äußerlicher Natur und datieren lange nach beider Tod. In den zwanziger Jahren gründete der May-Verleger E. A. Schmid als Schwesterverlag den Retcliffe-Verlag, der dessen Werke gekürzt und rigoros bearbeitet edierte, offensichtlich ein fundamentales Prinzip dieses Hauses, das noch in den sechziger Jahren einige Titel neu aufgelegt hat. Volker Neuhaus stellt in seinem Vortrag >Sir John Retcliffe oder die Instrumentalisierung des Exotischen<, gestützt auf eine Analyse des ersten in Südamerika spielenden, »viel weniger ethnologische Kenntnisse als Karl May« (S. 132) verratenden Bandes der >Villafranca-Trilogie<, auch einige Überlegungen zu den verborgenen Beziehungen beider Autoren an. Es war nie Retcliffes Ziel, »exotische Romane zu schreiben« (S. 126), es sei denn, der Schauplatz gebot es, vielmehr setzte er »massiv die traditionelle Exotik der Ferne (ein), um darin seine politisehe Indoktrination einzukleiden« (S. 134). Parallelen existieren aber zu den »später bei Karl May sehr beliebten sogenannten Wild-West-Duelle(n)« (S. 127), dem »exorbitanten Gebrauch von Fach- und Fremdsprachen« (S. 129f.), die in Fußnoten erläutert werden, und zu »Mayschen Brocken und (...) Sprachschnitzern« (S. 130); ein reisender Engländer soll eine »Vorform« (S. 133) des David Lindsay sein. Eine gründliche Untersuchung wie sie Andreas Graf im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1991 für Möllhausen geleistet hat, scheint geboten, um Neuhaus' einleuchtende Befunde zu vertiefen und Retcliffes Einfluß zu klären, auch wenn Hedwig Pauler, die in ihrem >Ouellenbefund< (Muß man Retcliffes »Villafranca« gelesen haben? - Ein Quellenbefund. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 63/1985, S. 30-38) hinsichtlich >Villafranca< zu anderen Ergebnissen gelangt ist, ihn als Quelle Mays für eher unwichtig erachtet.

Viele Werke insbesondere der angelsächsischen Literatur sind auf


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den deutschen Leser nur in stark veränderter Form gekommen und haben sein Bild vom jeweiligen Dichter als Jugendautor dauerhaft befestigt. Mit der Bearbeitungsproblematik und den darauf fußenden Fehlinterpretationen befaßt sich - zu Beginn des dritten Teils >Interkulturelle Aspekte, aktuelle Wirkungen der Tradition< - der Vortrag von Helmut Schmiedt >Die anhaltende Nähe des Fernen. Zur Entstehungsgeschichte von Karl Mays >Winnetou<<, der ähnliche Ergebnisse zeitigt wie Claus Roxins gleichzeitig entstandene, im >Winnetou-Materialienband< veröffentlichte (S. 283 ff.), erweiterte Neufassung seiner Studie von 1976. Zwei Textvarianten der >Klekih-petra-Episode< belegen, daß die Bearbeitungen über bloße Anpassungen hinausgehen und es sich »um Eingriffe mit weltanschaulichem, politischem, kulturgeschichtlichem Hintergrund« handelt, »die die Substanz der literarischen Argumentation« (S. 138) betreffen. Hatten die Bamberger Bearbeiter der Biographie des Exrevolutionärs von 1848 zwei entscheidende Sätze hinzugefügt, die den Befund, »Mays Gedankenwelt« sei »in die Linie aufklärerischer Überzeugungen« einzuordnen, ins Gegenteil verkehren und ihn sich im Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft 1974 als »>korrumpierte(n) Bürger<« (S. 140) wiederfinden lassen, so tilgt die >DDR-Ausgabe< von 1982 schlicht die ihrem politischem Verständnis konträre Vergangenheit und rühmt die zweifellos vorhandenen »>humanistischen Grundpositionen<« (S. 143). Als über den Einzelfall hinausgehendes Fazit stellt der Verfasser wiederholt fest, daß es »auch bei May manchmal auf jedes Wort (ankommt)« (S. 145), daß die Bearbeitungen klassischer Abenteuerliteratur dem Werk nur Tendenzen, die dem tatsächlichen oder vermeintlichen Zeitgeist entspringen, >aufpropfen< und daß dieser kleine, in der Ferne spielende Text »uns auf verquere Weise recht nahe steht« (S. 146), wie die Reaktionen beweisen, die er ausgelöst hat.

   Die beiden letzten Texte, die sich mit dem >Barbarenbild< in Gerstäckers Roman >Unter den Pehuenchen< und der >Kolonialagitation in deutschen Siamberichten< beschäftigen, runden das Bild des vielseitigen, ergiebigen Bandes ab.



1 Karl Mays Orientzyklus. Karl-May-Studien Bd. 1. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Paderborn 1991

2 Exotische Welt in populären Lektüren. Hrsg. von Anselm Maler. Tübingen 1990


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