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HANS-DIETER STEINMETZ / ANDREAS BARTH

Lektionsbuch und Schulrevisionsbericht · Zu zwei Dokumenten aus Karl Mays Tätigkeit als Fabrikschullehrer




Die gute Entwicklung der Industriegemeinde Altchemnitz in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte einen Bevölkerungszuwachs zur Folge, der mit einem permanenten Ansteigen der Schülerzahlen einherging. Im Jahr 1861 waren schließlich strukturelle und personelle Veränderungen in der Schulorganisation der Kommune unumgänglich. Die Ortsschule wurde von drei auf vier Klassen erweitert und bezog ein neu errichtetes Schulgebäude. Es war fortan nicht mehr möglich, daß die zwei in der öffentlichen Schule angestellten Lehrer wie bisher zusätzlich an den beiden am Industriestandort bestehenden Fabrikschulen der Spinnereien Julius Claus und C. F. Solbrig & Söhne unterrichteten. Die Superintendentur Chemnitz als zuständige Schulbehörde entschloß sich deshalb im Einvernehmen mit den beiden Fabrikanten zur Schaffung einer besonderen Fabrikschullehrerstelle für Altchemnitz, die zu Michaelis 1861 besetzt werden sollte. Superintendent Robert Kohl (1813-1881) gab in der ›Leipziger Zeitung‹ ein Inserat auf, daß »für eine Fabrikschule in der Nähe der Stadt Chemnitz (...) ein tüchtiger Lehrer gesucht« werde, »dem bei sechsstündigem täglichen Unterrichte ein Gehalt von jährlich 200 [Talern] und freie Wohnung geboten wird.«1

   Das Inserat brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg, keiner der beiden Interessenten erhielt die Anstellung.2 Da mittlerweile schon der Herbstkursus (ab 1. Oktober) angelaufen war, drängte die Besetzung der offenen Lehrerstelle in Altchemnitz um so mehr. Der Ernstthaler Schulamtskandidat Karl May, der sich nach seiner fristlosen Entlassung aus seiner ersten Anstellung als Hilfslehrer an der Armenschule in Glauchau3 auf Stellensuche befand und Kenntnis von dem Inserat erhalten hatte, sprach am 26. Oktober 1861 in der Superintendentur Chemnitz vor. Da die näheren Umstände des vermuteten Weggangs des Bewerbers aus einer Lehrerstelle, die außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches lag, nicht kurzfristig geklärt werden konnten, erteilte die Königliche Kreisdirektion Zwickau am 1. November 1861 die Genehmigung zur »Verwendung des Schulamtscandidaten May in Ernstthal als Fabrikschullehrer in Altchemnitz« nur unter der Bedingung, daß May »aus seiner zeitherigen Stellung nicht eigenmächtig herauszutreten gemeint gewesen ist, was annoch zu erörtern ist«.4 Wann Karl May seine Tätigkeit als Fabrikschullehrer aufnahm, ist nicht belegt,


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vermutlich wird er am Montag, dem 4. November, seinen Schülern erstmals gegenübergestanden haben.



I.


Die Einweisung in das Lehramt und die Vorstellung des neuen Lehrers gehörten zu den Aufgaben eines Lokalschulinspektors. »Wird der Candidat zur interimistischen, selbstständigen Verwaltung einer Schule oder einer Abtheilung einer solchen verwendet, so hat er das Schulinventarium zu übernehmen (...) und zu dem vom Localschulinspector aufzunehmenden Protocolle zu erklären, was er an Inventar übernommen hat.«5 Unter den an Karl May bei Antritt als Fabrikschullehrer in Altchemnitz von Diakon Eduard Otto Pfützner (1822-1912) übergebenen Unterlagen befand sich neben dem Hauptbuch, den Zensur-, Konfessions- und Versäumnislisten auch das Schultagebuch, das man in der Solbrigschen Fabrikschule als ›Lectionsbuch‹ bezeichnete und das durch glückliche Umstände erhalten blieb.6 Ebenfalls übernommen wurde vom Schulamtskandidaten nach § 8 der ›Verhaltungsvorschriften‹ der geltende »Lectionsplan« (Unterrichtsplan), ein von der zuständigen Kreisdirektion geprüfter und bestätigter Lehrplan. Nicht verwechselt werden darf jedoch das ›Lectionsbuch‹ mit der »Lections- und Stundentabelle«, die »in der Schulstube aufzuhängen, auch den Kindern bekannt und geläufig zu machen ist«.7

   Nach § 9 des 1835 erlassenen sächsischen Volksschulgesetzes8 konnten »die sogenannten Fabrik- und ähnliche Schulen« ohne ein von der Kirchen- und Schuldeputation bei der zuständigen Kreisdirektion »geprüftes und bestätigtes Specialreglement weder errichtet werden, noch fortbestehen«. Bei den Schulordnungen der Fabrikschulen sollte darauf geachtet werden, »daß der nöthige Unterricht solcher Kinder theils auf die frühen Morgen-, theils auf die ersten Nachmittagsstunden verlegt werde«. (V § 7) Für die Fabrikschulen galten die Bestimmungen des Volksschulgesetzes und seiner Durchführungsverordnung ohne Einschränkung, doch mangelte es vielerorts an der Durchsetzung. Anhand einiger ausgewählter Bestimmungen soll der Versuch unternommen werden, die von May vorgefundenen Rahmenbedingungen sowie die vorgegebenen Unterrichtsziele aufzuzeigen und durch Erläuterungen zu den Unterrichtsfächern die Einträge im Lektionsbuch dem heutigen Leser verständlicher zu machen.

   Zu den an ein Schulzimmer gestellten Anforderungen gehörten neben Geräumigkeit (im Durchschnitt 5 Quadratfuß,9 das sind etwa 0,4 m2, je Kind) eine ausreichende Höhe (bei Neubauten 10 bis 12 Fuß, somit rund 2,8 bis 3,4 m), hinlängliches Licht, Trockenheit des Fußbodens und der Wände, »eine den Unterrichts- und Disciplinarzwecken angemessene Form und Raumeinteilung« sowie »eine gesunde, freie und dabei stille, der ungestörten Unterrichtsertheilung günstige Lage« (V §§ 22-24). »Die


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Karl Mays Einträge im ›Lectionsbuch‹ der Solbrigschen Fabrikschule Altchemnitz (vgl. Anm.6) vom 7.11. bis 6.12.1861; Vergrößerung und Transkription auf den folgenden Seiten.


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Wände nebst Fenstern, Thüren und Oefen müssen von solcher Beschaffenheit seyn, daß sich die Stube in der kalten Jahreszeit leicht, gleichmäßig und ohne Beschwerde für den einen oder den anderen Theil der Kinder erwärmen läßt.« (V § 23) Dem Schullehrer selbst oblag »die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen« (Codex, S. 458).

   Der Stundenplan war so zu gestalten, daß »an einem vollen Schultage (Montags, Dienstags, Donnerstags und Freitags) wenigstens 6 Stunden, theils Vor-, theils Nachmittags, an den halben Schultagen aber (Mittwochs und Sonnabends) vier Stunden lang Vormittags Unterricht« (V § 39) erteilt wird. Schon 1859 galt für die Altchemnitzer Fabrikschulen die abweichende Regelung eines fünftägigen Unterrichts (Montag - Freitag), die auch mit den Zeitangaben im Lektionsbuch übereinstimmt: »Die Unterrichtsstunden werden täglich in der Claus'schen Fabrikschule, welche in 2 Classen besteht, (...) Montags bis Freitags (...) sowie in der nur eine Classe enthaltenden Solbrig'schen Fabrikschule an denselben Tagen von 2. bis 4. Uhr ertheilt.«10 Der sich ergebende Unterrichtsumfang von 10 Wochenstunden erfüllte nicht die Vorgabe: »Jede Classe muß (...) täglich wenigstens einen drei-, und an den halben Schultagen einen zweistündigen Unterricht erhalten.« (V § 14) Karl May hatte demnach nur 30 Wochenstunden zu absolvieren. Günstig war für ihn auch die Zahl von durchschnittlich 20 Schülern je Klasse, wenn man bedenkt, daß die Verordnung den Unterricht mit maximal 50 bis 60 Schülern zuließ.

   Wenn Knaben und Mädchen - wie im Falle der Altchemnitzer Fabrikschulen - gleichzeitig unterrichtet wurden, mußten sie nach Geschlechtern getrennt sitzen, »und zwar so, daß a) wenn die Sitze (Banktafeln etc.) in einer Reihe hinter einander stehen, die Knaben z. B. den vorderen, die Mädchen den hinteren Theil derselben einnehmen, oder b) wenn die Sitze in zwei, durch einen Mittelgang geschiedenen, Reihen neben einander aufgestellt sind, die Knaben in der einen, die Mädchen in der anderen Reihe ihre Plätze haben. Die Reihenfolge der Schüler und Schülerinnen (...) richtet sich nach dem Alter und der Kenntnißstufe der Kinder, so daß die kleineren und ungeübteren dem Lehrer zunächst, die größeren und geübteren weiter von demselben entfernt sitzen.« (V § 56)

   Reglementiert wurde auch der Ablauf der Schulstunden: »Der Unterricht ist Vor- und Nachmittags pünktlich zu beginnen und jeden Tag mit Gebet und bei den hierin geübten Kindern zugleich mit Gesang sowohl vorzubereiten als zu beschließen.« (V § 58) In den sächsischen Schullehrerseminaren ist deshalb Wert darauf gelegt worden, daß die Zöglinge »bei den zu bestehenden Prüfungen wenigstens eine nothdürftige und solche Ausbildung im Gesang- und Violinspiel nachweisen müsse(n), um (...) die gebräuchlichsten Kirchenmelodieen den Schulkindern einüben, und den Gesang (...) leiten zu können« (Codex, S. 501). Karl May hatte die »besondere musicalische Prüfung« am Plauener Seminar mit dem Hauptergebnis »Gut« (II) bestanden.11


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   Der Lehrplan der Solbrigschen Fabrikschule setzte sich 1861 aus folgenden Fächern zusammen: Religion, Biblische Geschichte, Deutsche Sprache, Rechnen, Schreiben, Lesen, Realien, Rezitation und Singen. Diese aus dem Lektionsbuch erkennbare Aufteilung der Unterrichtsfächer entsprach nicht ganz den Vorgaben des Gesetzgebers, doch war sie vermutlich aus praktischen Erwägungen so festgelegt worden. Offiziell wurde gefordert: »Die in allen Schulen zu betreibenden Unterrichtsgegenstände sind: 1) Religion; 2) Sprach- und Leseübungen; 3) Schön-Schreiben und Recht-Schreiben, mit Anwendung auf die im gemeinen Leben am häufigsten vorkommenden schriftlichen Aufsätze; 4) Kopf- und Tafelrechnen; 5) Gesangbildung; 6) das Gemeinfaßlichste und Nothwendigste aus der Naturkunde, Erdbeschreibung und Geschichte, sowohl im Allgemeinen, als in besonderer Beziehung auf das Vaterland.« (V § 29)

   Der Religionsunterricht, der an den evangelischen Schulen christliche Glaubens- und Pflichtenlehre, Bibel- und Katechismuserklärung, biblische Geschichte, christliche Religions- und insbesondere auch Reformationsgeschichte umfaßte, war »so zu ertheilen, daß die darin unterwiesene Jugend nicht bloß Sätze, Sprüche etc. in das Gedächtniß fasse, sondern daß ihre Einsicht und Erkenntniß klar und sicher, ihr Glaube festgegründet und lebendig, ihr Gefühl erwärmt, ihre Gesinnung veredelt werde und ihr Wille eine beharrliche Richtung auf das Gute erhalte. (...) Auch sind die größeren Kinder zu einem regelmäßigen Besuche der Kirche anzuhalten und zur andachtsvollen Theilnahme an Gebet, Gesang und Predigt etc. zu gewöhnen. Auf letztere ist in der nächstfolgenden Religionsstunde in der Schule zurückzukommen. (...) Vor jedem Feste oder Feiertage ist über den Gegenstand desselben den Kindern die nöthige Erklärung zu geben und zur würdigen Begehung der Feier zu ermuntern.« (V § 30)

   Nach diesen Vorgaben gestaltete May seinen Unterricht, als er in ›Biblische Geschichte‹ in der Woche vom 11. bis 15. November 1861 im Hinblick auf den Totensonntag (24. 11.) die Bibelstelle zum Jüngsten Gericht (Mt 25, 31-46) und in der Woche vom 18. bis 22. November den für den 25. Sonntag nach Trinitatis (17. 11.) vorgegebenen Predigttext (Mt 24, 15-28) behandelte.


   Zur religiösen Unterweisung in den Oberklassen waren die Bibel, Luthers ›Kleiner Katechismus‹ und das in der Parochie eingeführte Gesangbuch vorgegeben. (V § 44) Die Verordnung ließ aber auch die Einführung eines »besonderen Religionslehrbuches« zu »als Leitfaden bei der zusammenhängenden und vollständigen Behandlung der christlichen Glaubens- und Sittenlehre in den Oberclassen« (V § 46). Für die Schulen in ihrem Zuständigkeitsbereich hatte die Kgl. Kreisdirektion Zwickau ›D. Martin Luthers Katechismus (...) als Leitfaden zu einem einjährigen Religionsunterricht‹ (Zwickau 1852)12 herausgegeben. Mit dem einheitlichen und jährlich zu wiederholenden Lehrplan wolle man - so erklärte der Kirchen- und Schulrat Dr. Gotthilf Ferdinand Döhner (1790-1866)13 im Vor-


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wort (S. III) - »den Folgen jenes häufigen Lehrer- und Vicarienwechsels« begegnen, »dem vornehmlich kleinere, nur mit dem Minimalgehalte dotirte Schulstellen ausgesetzt sind, sowie jenes Schulwechsels, zu welchem so viele arme Kinder, die sich um des lieben Brodes willen vermiethen, oder in Fabriken Arbeit suchen müssen, verurtheilt sind, und darum bald dieser, bald jener Schule angehören, ohne je in einer recht heimisch zu werden«. Der Leitfaden sei auch entwickelt worden, »damit jeder in eine Schule neu eintretende Lehrer oder Vicar sogleich wisse, wo er seinen Religionsunterricht an den früher ertheilten anzuknüpfen habe«.

   Zum Gebrauche dieser Ausgabe des ›Kleinen Katechismus‹ gab die Kgl. Kreisdirektion Zwickau noch einen Band ›Winke für Lehrer‹ (Zwickau 1852) heraus, der »zugleich als Religionslehrbuch für Schullehrer-Seminarien bearbeitet« war. Der Schulamtskandidat May konnte also das ihm durch die Ausbildung vertraute Lehrbuch für die Vorbereitung des zu erteilenden Unterrichts verwenden. Auch die Behandlung der biblischen Geschichte erfolgte »in einem einjährigen Cursus, so daß (...) beim Beginn jedes neuen Schuljahres mit beiden wieder der Anfang gemacht werde« (Codex, S. 459).

   Die Anleitung der Schüler zum »schriftlichen Gedanken-Ausdruck« sollte verbunden werden »mit faßlichen Belehrungen über das Wichtigste aus der Sprachlehre (die Bildung und Ableitung der Wörter, die Eigenschaften und Unterschiede der Wörterclassen, die Beugung der Haupt- und


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Zeitwörter, den Satzbau u.s.w. betreffend)« und mußte »wenigstens insoweit erfolgen, als solcher zur Förderung der Sprachbildung und zum Verständniß der Schriftsprache überhaupt, zu nützlicher Selbstbeschäftigung in der Schule und zu einer einfachen und verständlichen Abfassung der im gemeinen Leben am häufigsten vorkommenden Aufsätze und Ausfertigungen unentbehrlich ist« (V § 32). Die Methode des Schreibunterrichts wurde durch die Schreibvorschriften bestimmt. Die meisten Lehrer bedienten sich der im Buchhandel angebotenen Vorschriften. Deren Inhalt war zum Teil nach den Bedürfnissen der Rechtschreibung, zum Teil nach sachlichen Gesichtspunkten (Naturlehre, Erdkunde, Lebensregeln) gewählt.14



   Das Lese- und Lehrbuch für die Oberklassen der Volksschule sollte »theils zur Bildung und Vervollkommnung eines Lesetons und zur Gewöhnung an die schweren Ausdrücke und Wendungen der Schriftsprache, theils zur Mittheilung gemeinnützlicher Realkenntnisse nöthigen Stoff in zweckmäßiger Auswahl und Anordnung« (V § 47) dienen. Bereits Mays Amtsvorgänger erwähnte in einem Lektionsbuch-Eintrag das im Unterricht ver-


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wendete Lesebuch: ›Lebensbilder III‹, von May mit L. III abgekürzt. Es geht auf das von den sächsischen Pädagogen Berthelt, Jäkel, Kell, Petermann und Thomas herausgegebene ›Sächsische Lesebuch für die oberen Klassen in Stadt- und Landschulen‹ (Dresden und Leipzig 1847) zurück. Erweitert und unter dem Titel ›Lebensbilder III. Lesebuch für Oberklassen deutscher Volksschulen‹ (Leipzig 1848) wurde es in die vierbändige Lesebuch-Reihe ›Lebensbilder‹ (Bd. I entsprach der Fibel) aufgenommen, die - teils mit länderspezifischen geographisch-historischen Anhängen versehen - in Deutschlands Schulen weit verbreitet war; ›Lebensbilder III‹ erschien noch 1898 in der 44. Auflage.

   Karl May benutzte die 13. Auflage (1859), und da er im Lektionsbuch die Seiten angab (was bei den anderen Lehrern weitgehend unterblieb), konnten die im Unterricht behandelten Lesebuch-Abschnitte ermittelt werden (s. Anhang). Deren Auswertung und Bewertung sollte jedoch Pädagogen vorbehalten bleiben.

   An der Textauswahl wird die gewünschte Mehrfachverwendung des Lesebuchs deutlich. So diente die Schilderung ›Der Winter‹ zur Vorbereitung des Aufsatzthemas ›Beschreibung des Winters‹, vermittelte der Abschnitt ›Die Erde‹ Kenntnisse aus der Naturkunde, und mit den Beiträgen über Hermann (Arminius) den Cherusker sowie den Kampf um die Kaiserkrone zwischen Ludwig IV. dem Bayern und Friedrich dem Schönen (Schlacht bei Mühldorf, 1322) konnte den Schülern gleichzeitig Geschichtsunterricht erteilt werden. Die Kapitel ›Die sächsische Schweiz‹ und ›Das Erzgebirge‹ standen im engen Zusammenhang mit dem parallel im Fach ›Realien‹ behandelten geographischen Themenkomplex ›Gebirge und Flüsse Sachsens‹.

   Merkwürdig berührt werden wohl Lehrer und Schüler gleichermaßen gewesen sein, als sie im Kapitel ›Das Erzgebirge‹ ihre Lebensumstände treffend geschildert fanden: »Recht schlimm sah es früher und zum Theil sieht es jetzt noch in manchen Gegenden mit dem Schulunterrichte aus, denn die Kinder armer Fabrikarbeiter haben, weil sie am Tage in den Fabriken arbeiten müssen, nur Sonntags- oder Feierabendsschulen. Erstere werden Sonntags Nachmittags, letztere Mittags, wenn die übrigen Arbeiter nach Hause gehen, oder am späten Abende gehalten, wo die armen Kinder natürlich nur hungrige und müde Schüler sein können.«15

   Im Fach ›Rechnen‹ wurde auf die Vermittlung von im Alltag anwendbarem Wissen großer Wert gelegt: »Das Kopf- und Tafelrechnen ist mit fester Einprägung der dabei nöthigen z. B. die gebräuchlichsten Arten von Münzen, Maaß und Gewicht, die Zeiteintheilung u.s.w. betreffenden Nebenkenntnisse zu verbinden.« (V § 33)

   Die Gesangsbildung sollte »hauptsächlich zur Erzielung eines reinen und milden Kirchengesanges« dienen. Karl May ließ es aber nicht bei dem Schwerpunkt »Einübung der gebräuchlichsten Kirchenmelodien« (V § 34) bewenden, sondern war, nach den Lektionsbuch-Einträgen (Dreiklang


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u. a.) zu urteilen, bemüht, den Schülern eine breitere Ausbildung zu geben.

   Im Rückblick auf seine Seminarzeit äußerte er sich in seiner Autobiographie: Es gibt keinen höheren Stand als den Lehrerstand, und ich dachte, fühlte und lebte mich derart in meine nunmehrige Aufgabe hinein, daß mir alles Freude machte, was sich auf sie bezog.16 Freude werden Karl May sicherlich auch die wenigen Wochen im Lehramt bereitet haben, und als er seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte, blieb er auf seine Weise weiterhin dem von ihm gelobten Lehrerstand treu - als Lehrer seiner Leser für alle Zeiten ...



II.


Die Lokalschulinspektoren waren gehalten, die unter ihrer Aufsicht stehenden Schulen möglichst oft unangekündigt zu besuchen. Während Mays Tätigkeit als Fabrikschullehrer revidierte Diakon Eduard Pfützner die Fabrikschule von Julius Claus am 6. November 1861, eine weitere für den 10. Dezember angesetzte Revision kam wegen der Abwesenheit von Lehrer und Schülern nicht zustande.17 Im Zuge der ersten Revision wird der Lokalschulinspektor den Schulamtskandidaten auch auf das Erfordernis hingewiesen haben, das Lektionsbuch ordentlich zu führen, denn May begann mit seinen Einträgen in das Solbrigsche Lektionsbuch erst am nächsten Tag. Wäre es zu der zweiten Revision gekommen, dann hätte Pfützner zumindest die in der Woche vom 2. bis 6. Dezember lückenhaft vorgenommenen und schließlich ganz unterbliebenen Einträge im Lektionsbuch bemängelt.

   Die Aufsicht über sämtliche Schulen einer Ephorie hatte der Superintendent als ›Districts-Schulinspector‹. Zu seinen Aufgaben gehörten die regelmäßigen Schulrevisionen. Innerhalb eines dreijährigen Zeitraumes sollte jede Schule der Ephorie mindestens einmal revidiert werden, jedoch waren »bei außerordentlichen Vorkommnissen (...) unverzüglich die nöthigen Localerörterungen anzustellen«.18

   Superintendent Robert Kohl wertete vermutlich den Versuch Karl Mays, seinem neuen Dienstherrn die näheren Umstände, die zu seiner Entlassung in Glauchau führten, zu vertuschen,19 als ein ›außerordentliches Vorkommnis‹ und setzte schon wenige Wochen nach Amtsantritt des neuen Lehrers eine Revision der Fabrikschule der Baumwollspinnerei Julius Claus in Altchemnitz an. Mit den Schulrevisionen sollte erreicht werden, »über den ganzen Stand der Schule, über die Befähigung, den Amtseifer, die einzelnen Leistungen und das sonstige Verhalten des Lehrers, sowie über die Thätigkeit des Lokalschulinspektors, beziehendlich des Schulvorstandes ein möglichst sicheres Urtheil zu gewinnen und die hieraus sich ergebende Gelegenheit und Veranlassung, durch Rath, Anleitung und Weisung för-


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dernd einzuwirken«.20 Das Protokoll zur Schulrevision gewährt somit einen Einblick in die Tätigkeit Karl Mays als Lehrer, benennt neben den Vorzügen aber auch Kritikpunkte an seiner pädagogischen Arbeit:21


69.

Schulbezirk mit dazugehörigen Ortschaften und Angabe der Klassen in die die Schule zerfällt.

   Fabrikschule zu Altchemnitz, von Herrn Claus. 2 Klassen.

Name, Lebens- und Dienstalter des Lehrers und wie derselbe fixirt worden.

   Mai, Karl Friedrich.

Tag der Visitation mit Angabe der vorgefundenen Klassen.

   der 10. Decbr. [1861] Nachmitt. 4 Uhr I u. II. Klasse

Zahl der Schulkinder in jeder einzelnen Klasse

   I. Klasse 12 Kn[aben] 6 M[ä]dch[en]

Schulstube, Reinlichkeit und Ordnung derselben.

   Reinlich und geordnet.

Vorbereitungstagebuch und Versäumnißbuch.

   Nicht in gesetzlicher Ordnung.

Inventarienbibeln in gutem Stande    -    [ohne Eintrag]

Haltung des Lehrers beim Unterricht und Handhabung der Disciplin.

   Der noch sehr junge Lehrer hat kein übles Lehrgeschick aber ist noch sehr haltlos. Die Disciplin ist nicht energisch genug, selbst in der Religionsstunde sitzen die Kinder schlecht und zeigen nicht Aufmerksamkeit genug.22

Urtheil über Gesang, Christenthum, Bibel und Katechismuskenntniße, Schreiben, Rechnen, Geographie, gemeinnützige Kenntniße pp.



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   Der Lehrer sollte katechisiren über die Worte des II. Artikels »der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat pp.« Er kam leider vom Hundertsten in das Tausende und löste die Aufgabe eigentlich nicht. Die Art der Unterredung hatte nichts Erweckliches und eben so wenig Klärendes. Von selbst erlebter Gnade war noch keine Spur, obwohl davon geredet wurde. Die Repetition in der biblischen Geschichte (Abrahams Verheißung[)]23 zeigte, daß der Lehrer Geschick im Abfragen des Stoffes hat. Die Kinder aber sind ohne alle Haltung, die Hände aufgehoben, der Körper schlaff, kurz sie gewährten einen jammervollen Anblick. Die aus dem Kopfe niedergeschriebene biblische Geschichte war nur bei Einigen einigermaßen befriedigend ausgefallen, die Meisten haben keinen Begriff von Styl und Orthographie.

   Ich selbst sprach noch über Schutz- und Trutzwaffen ausgehend von der Verheißung;24 aber die Kinder entwickelten gar keine Denkfähigkeit. Die Hauptstücke gehen in beiden Klassen nicht sicher und werden zumeist hergestottert.

   Ich ließ die beiden Klassen lesen und fand Einige sehr wenig entwickelt. Im Uebrigen geläufig aber ohne Ton.

   Das Singen von leichten Choralmelodien geht ohne Leitung gar nicht. In der Kalligraphie wird sehr wenig geleistet. Die vorliegenden Neujahrswünsche, die schön geschrieben sein sollten, zeigten, wie so wenig diese Schule leistet. Dazu waren sie orthographisch ganz falsch. Die Leistungen im Rechnen ebenfalls sehr mangelhaft. Die [2.] Abtheilung vermag höchstens 1 - 20 zusammen zu rechnen. Von Abstufungen ist überhaupt nicht die Rede. So rechnet die 3. Abtheilung 59 + 61 und die 4te 111 - 89.

Wirksamkeit des Schulvorstandes, vorzüglich des Localschulinspectors und Urtheil über dessen Schulprotocolle.

   Es scheint sich derselbe nicht wesentlich um die Schule zu küm(m)ern.

Urtheil über das sittliche Verhalten des Lehrers und seinen Ruf als Kirchendiener.

   Erschien gleich bei der ersten Vorstellung leichtfertig, hat nunmehr gestohlen und ist removirt.25

Anmerkung. Der Schulvorstand findet nicht die gehörige Unterstützung. Mit welchem Erfolge werden Schulversäumniße angezeigt.

   [ohne Eintrag, dafür:] Censur: Unzufrieden.



Über sein grundsätzliches Vorgehen äußerte sich Robert Kohl in einem Jahresbericht an die Kgl. Kreisdirektion Zwickau: »Nach jeder Revision habe ich mit jedem einzelnen Lehrer zumeist in Gegenwart des Localschulinspectors eine Conferenz gehalten, ihm die Resultate der Revision ausführlich mitgetheilt und sofort die nöthigen Weisungen gegeben.«26 Bei der Revision am 10. Dezember 1861 fehlte der zuständige Lokalschulinspektor, der offensichtlich von seinem Vorgesetzten nicht informiert worden war. Die Einschätzung Kohls, Diakon Pfützner »scheint sich (...) nicht wesentlich um die Schule zu küm(m)ern«, läßt darauf schließen, daß der Superintendent bei dem Schulbesuch auch die Arbeit des Lokalschulinspektors revidierte.


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   Daß Superintendent Kohl dem »noch sehr junge(n) Lehrer (...) kein übles Lehrgeschick« attestierte, kann als ein hohes Lob für Karl May gewertet werden,27 wenn man den physischen und psychischen Zustand der Schüler nach harter Fabrikarbeit bedenkt - »sie gewährten einen jammervollen Anblick«. Unter den Bedingungen einer Fabrikschule mußte zwangsläufig der Unterricht leiden, und es war für die Lehrer schwer, wenn nicht gar unmöglich, die vorgegebenen Lehrziele mit den Schülern zu erreichen.

   Für den Abdruck des Protokolles wurde die Abschrift-Fassung der ›Schulrevisions-Tabelle des Jahres 1861‹ für die Kgl. Kreisdirektion Zwickau gewählt, die Superintendent Kohl am 22. März 1863 unterzeichnete. Sie unterscheidet sich in einem für May nicht unwesentlichen Punkt von der Eintragung in Kohls Handakte.28 Denn das ›Urtheil über das sittliche Verhalten‹ (»Erschien gleich bei der ersten Vorstellung leichtfertig, hat nunmehr gestohlen und ist removirt.«) lautete ursprünglich nur: »Er scheint (...) etwas leichtfertig zu sein.«29 Als am 24. März 1864 die ›Schulrevisions-Tabelle des Jahres 1861‹ schließlich in der Kgl. Kreisdirektion Zwickau vorlag, war die geänderte Bemerkung Kohls auch schon wieder überholt. Die Konsistorialbehörde hatte den ›Fall May‹ bereits im Vorjahr zur Entscheidung nach Dresden gegeben und das Kultusministerium den ›unwürdigen Lehrer‹ aus der Schulamtskandidaten-Liste gestrichen.



ANHANG


Erläuterungen und Dokumente zu den Lektionsbuch-Einträgen

(vgl. S. 13-16)



Religion


Lehrbuch im Zuständigkeitsbereich der Kgl. Kreisdirektion Zwickau: D. Martin Luthers Katechismus mit untergelegten Bibelsprüchen und biblischen Geschichten als Leitfaden zu einem einjährigen Religionsunterricht. Zwickau 2[1852] 8° (V, 64 S.) [Ratsschulbibliothek (RSB) Zwickau, Kurztitel: Leitfaden].

Dazu als Kommentar: Winke für Lehrer zum Gebrauche der durch die K. Kreisdirection zu Zwickau veranstalteten Ausgabe des kleinen Lutherischen Katechismus. Zwickau [1852] 8° (IV, 112 S.) [RSB Zwickau, Kurztitel: Winke].

Nach den Einträgen wurden im ›Kleinen Katechismus‹ aus dem zweiten Hauptstück (Der Glaube) die Erklärung »Was ist das?« (ab: »(...) und auch wahrhaftiger Mensch (...)«) zum zweiten Artikel (Von der Erlösung) be-


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handelt und anschließend zum dritten Artikel (Von der Heilung) übergeleitet. [Leitfaden, S. 34-42; Winke, S. 59-74]





Christus als König, Hoher Priester und Prophet. [Leitfaden, S. 38f.; Winke, S. 60]: In Bezug auf das Erlösungswerk spricht man von einem dreifachen Amte Christi: 1. dem prophetischen oder Lehramte, 2. dem hohenpriesterlichen oder Versöhnungs-Amte, 3. von dem königlichen Amte.

Seine Menschheit. [Winke, S. 59] Person des heil. Geistes [Winke, S. 73f.]

Geschichtliches über den heiligen Geist. [Winke, S. 74]



B i b l i s c h e  G e s c h i c h t e


Zur Orientierung sind nachfolgend die Bibelstellen mit den Kapitel-Überschriften ergänzt worden (Aus: Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers. Dresden 1910)


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2 Mos. 17. 18. 19. 32. 33.

17: Die Kinder Israel werden aus einem Felsen getränkt. Sieg über die Amalekiter.

18: Jethros Besuch bei Mose. Einsetzung von Richtern.

19: Erscheinung Gottes auf dem Berge Sinai. Vorbereitung auf die Gesetzgebung.

32: Das goldene Kalb. Moses Eifer für Gott und Fürbitte für das Volk.

33: Mose bittet für das gedemütigte Volk und begehrt des Herrn Herrlichkeit zu sehen.


Mtth. 25. 31-46.

Matthäus-Evangelium, 25. Kap., 31-46 (Jüngstes Gericht): Im Königreich Sachsen Predigttext am 26. Sonnt. nach Trinitatis (Totensonntag, 24. 11. 1861).


Mtth. 24. 15-28.

Matthäus-Evangelium, 24. Kap., 15-28 (Vorzeichen von Christi Wiederkunft): Im Königreich Sachsen Predigttext am 25. Sonnt. nach Trinitatis (17. 11. 1861).


3 Mos. 19. 26.

19: Auslegung der 10 Gebote.

26: Verheißener Segen, gedrohter Fluch (»Ihr sollt euch keinen Götzen machen (...)«).


4 Mos. 11. 13. 18

11: Lagerbrand. Lüsternheit des Volks. Siebenzig Älteste, welche weissagen. Wachteln und Lustgräber.

13: Ins Land Kanaan werden Kundschafter gesandt; sie kommen zurück und machen dem Volk bange.

18: Amt und Unterhalt der Priester und Leviten.



D e u t s c h e  S p r a c h e


Um 1861 wurde an sächsischen Schulen z. B. verwendet J. G. Metzner: Deutsche Sprachlehre, Leipzig 1859.


Substantivum. (Hauptwort)

Adjektivum. (Eigenschaftswort)

Beschreibung des Winters. Vermutlich ein Aufsatzthema; parallel dazu im Lesebuch die Schilderung ›Der Winter.‹ (vgl. Abschnitt ›Lesen‹).


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R e c h n e n,  S c h r e i b e n,  L e s e n

Rechnen

Vermutlich die vier Grundrechenarten mit (in verschiedener Weise) benannten ganzen Zahlen.
Schulbücher um 1861 (Auswahl): Ludwig Mooser: Aufgaben zum Tafelrechnen für Volksschulen. 6 Hefte, Meißen 1858 - Ludwig Mooser: Aufgaben zum Kopfrechnen für Volksschulen. 3 Hefte, Leipzig 1860 - August Kummer: Aufgaben zum Zahlenrechnen. Bearb. von Jul. Kober. 3 Hefte, Dresden 21859.


Schreiben


Offensichtlich Schreibübungen für die Buchstaben V und W. Zumeist nutzten die Lehrer gedruckte Schreibvorschriften, z. B. J. G. Hering: Kalligraphisch-orthographische Vorlegeblätter. Plauen 21858.



Lesen


August Berthelt, Julius Jäkel, Karl Petermann, Louis Thomas (Hrsg.): Lebensbilder III. Lesebuch für Oberklassen deutscher Volksschulen. Verlag von Julius Klinkhardt, Leipzig 131859. gr. 8°. (X, 430 S. u. 8 S.) [Sammlung M. Hecker]



L. III pag. 341. 343. 344.




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115. Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne von Oesterreich. [anonym], 2. Abth., Abschn. D (Geschichtsbilder.), S. 341-344.



L. III. pag. 268.


sitzen, tief darunter Vater und Söhne als Bergknappen arbeiten.

   Vom Meißner und Leipziger Kreise steigt das Land allmälig an, erheben sich wellenförmig in stetem Wechsel von Berg und Thal bis zu den höchsten Punkten an Böhmens Grenze, und ist reich an Naturschönheiten aller Art, aber auch an Gegenden, wo nur düstere Wälder und kahle Bergrücken dem Auge sich darstellen, wo kein Singvogel nistet und nur selten eine Biene summt, weil sie den


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Rauch der Hammer- und Schmelzhütten flieht, wo keine Rebe prangt, wenig Obst und selten Korn gedeiht, und wo gewiß Unzählige sterben, die nie eine Pfirsiche oder Weintraube gesehen haben. Die schönsten Gegenden sind in den unteren Mulden-, Pleiße-, Zschopau- und Flöhe-Thälern, so wie bei Annaberg, Schneeberg, Chemnitz und Olbernhau; die unwirthbarsten im sogenannten sächsischen Sibirien, wie man den Landstrich bei Wiesenthal, Karlsfeld, Jöhstadt und Johanngeorgenstadt30



   Nebel, welche die letzten Häuser kaum erkennen lassen und die höchstens in der Mittagsstunde weichen, kündigen dem Erzgebirger den Winter an, der ihm gewöhnlich in der fürchterlichsten Gestalt erscheint; denn wochenlang schneit es in Einem fort, ja wohl in einer Nacht so, daß man sich aus den Häusern schaufeln,


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bisweilen sogar aus dem Dache steigen muß, um einen Gang zur Hausthüre oder Gucklöcher für die Fenster der Unterstuben, die meist düsteren Kellern gleichen, zu schaffen. 3 bis 7 Ellen hoher Schnee ist in strengen Wintern nicht selten; und Stürme, die nirgends fürchterlicher heulen, bilden oft 20 bis 30 Ellen tiefe Windwehen. Selten vergeht ein Winter, wo nicht Menschen im tiefen Schnee ihr Grab finden. Dessenungeachtet heißt der Erzgebirger den Winter willkommen, denn er bringt ihm eine seiner liebsten Erscheinungen, die Schlittenbahn, welche die Wege ebnet, Verkehr und Geselligkeit fördert, und gewöhnlich länger dauert, auch weit schöner ist, als im Niederlande.31




60. Das Erzgebirge. [Engelhardt], 2. Abth., Abschn. B (Bilder aus der Länder- und Völkerkunde.), S. 268-270.



L. III pag. 270.



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61. Die sächsische Schweiz. [B.], 2. Abth., Abschn. B (Bilder aus der Länder- und Völkerkunde.), S. 270-272.



L. III. pag. 19.



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42. Der Winter. [Kellner], anschl. Gedicht (5 Strophen) »Wie ruhest du so stille ...« [Krummacher], I. Abth., Abschn. A, S. 19-20.



L. III. pag. 200.



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6. Die Erde. [Hebel, d. i. Johann Peter Hebel; es handelt sich um Auszüge aus Hebels ›Allgemeiner Betrachtung über das Weltgebäude‹, veröffentlicht im ›Rheinländischen Hausfreunde‹ 1812 und 1813.] 2. Abth., Abschn. A (Naturbilder.), S. 200-202.



L. III pag. 320



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100. Hermann, der Befreier Deutschlands. [Nach Ed. Duller], 2. Abth., Abschn. D. (Geschichtsbilder.), S. 320-322.



R e a l i e n,  R e c i t a t i o n,  S i n g e n


Wie reizend -

Vermutlich ›Wie reizend schön, Herr Zebaoth‹ (Psalm 84). Nach einem französischen Psalmlied, deutsch (1798) von Matthias Jorissen (1739-1823). In deutschen evangelischen reformierten Gemeinden wurden im 19. Jahr-


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hundert die Psalmen Jorissens in den Gemeindegesang eingeführt; nicht in Evangelischen Gesangbüchern um 1861 nachgewiesen. Heute als ›Wie lieblich schön‹ in ›Evangelisches Gesangbuch‹ (Ausg. für die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Leipzig 1994, Nr. 282). Die Strophen 1 und 2 eignen sich für die Kirchweihfeier.

   Weniger wahrscheinlich als Lernstoff im Monat November: »Der Morgen im Lenze. 1. Wie reizend, wie wonnig ist Alles umher! ...« [Text: Wilh. Gottlieb Becker, Musik: Schulz]. In: Lebensbilder III (I. Anhang, S. 393-404: Volkslieder), S. 397 (Nr. 24), 4 Verse.


Komm, Du werthes.




Komm, du werthes Lösegeld. Adventslied. [Nach der Melodie ›Meinen Jesum laß ich nicht‹ (Johann Ulich, 1634-1712)]. In: Zwickauer Gesangbuch. Nebst einem Gebetbuch. Zwickau 1861, S. 10 (Nr. 15). [RSB Zwickau]


»Freude, schöner pp.

w. o. V[ers] 2. 3.



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Lied an die Freude. 1. Freude, schöner Götterfunken ... [Friedrich von Schiller, 1785]. In: Lebensbilder III (I. Anhang, S. 393-404: Volkslieder), S. 398 (Nr. 27), 4 Verse. Unbekannt bleibt, ob der Lernstoff als Gedicht oder Lied behandelt wurde.



Realien (hier: Geographie)


Sachsen: Gebirge.

Flüße v. Sachsen.



Lebensbilder III, [nach S. 430: Geographisch-historischer Anhang, 8 Seiten] Das Königreich Sachsen. I. Geographie. A. Das Land. 3. Gebirge und Berge, sowie ebd. 4. Gewässer. (Seite 1).

   Neben einer Wandkarte kann zum Unterricht verwendet worden sein: August Berthelt, Julius Jäkel, Karl Petermann: Handatlas für Schüler beim Unterrichte in der Geographie und Geschichte. Leipzig 71859.


Singen


Singen. Tonleiter gebunden und gestoßen.

legato (ital.): Musik gebunden, d. h. die Töne ineinander fließend (zu spielen); oft durch Bindebogen über den Noten angezeigt.

staccato (ital.): Musik scharf ›gestoßen‹, d. h. die Töne deutlich voneinander getrennt (zu spielen).


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Dreiklang: cresc. und decresc.

crescens (lat.) wachsend, decrescendo (ital.) abnehmend; hier: der Lautstärke.


*


Der vorliegende Aufsatz ist die überarbeitete und im Anhang erweiterte Fassung eines 1997 in der in Hohenstein-Ernstthal vom Wissenschaftlichen Beirat herausgegebenen Schriftreihe ›Karl May-Haus Information‹ (Nummer 10, S. 20-37) unter dem Titel ›Kein übles Lehrgeschick. Der Fabrikschullehrer May - Lektionsbuch und Schulrevisionsbericht‹ abgedruckten Beitrages.


Für die Bereitstellung von Unterlagen und Kopien sowie Auskünfte danken die Verfasser Frau Ingeborg Scheff, Berlin, den Herren Manfred Hecker, Burgstädt, und Dr. Hainer Plaul, Berlin, sowie dem Industriemuseum Chemnitz, der Ratsschulbibliothek Zwickau, dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden und dem Stadtarchiv Chemnitz.


1 Leipziger Zeitung vom 10. u. 18. 9. 1861

2 Siehe Hainer Plaul: Dokumente über Karl Mays Anstellung und Abgang als Fabrikschullehrer in Altchemnitz. In: Karl-May-Haus Information (KMHI) Nr. 10/1997, S. 10-20. Eine Überblick-Darstellung gibt Peter Richter: Die Chemnitzer Textilindustrie und ihre Fabrikschulen. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 59/1984, S. 31-38; siehe auch Wolfgang Hallmann/Christian Heermann: Reisen zu Karl May. Zwickau 1992, S. 32f.

3 Siehe Hans-Dieter Steinmetz: Mißglückter Einstieg. Zu Karl Mays Anstellung als Hilfslehrer in Glauchau. In: KMHI Nr. 12/1999, S. 14-27.

4 Stadtarchiv Chemnitz. Akte A I 12/4, Superintendentur Chemnitz. Acta Ephoraliae die Anstellung eines besonderen Fabriklehrer in Altchemnitz s.w.d.a. betr. und die II. ständige Lehrerstelle betr. 1861-67, Bl. 7a

5 Verhaltungsregeln für Schulamtscandidaten im Königreiche Sachsen. Zwickau 1856, S. 6; dieses Regulativ ist durch eine Kultusministeriums-Verordnung vom 14. 5. 1856 genehmigt worden.

6 Industriemuseum Chemnitz (Sign. 024/95 D2). [Umschlagtitel:] ›Lectionsbuch / Solbrigsche Fabrikschule / 12/4.60.‹; Format 21,2 x 35,1 cm; unpag. (40 Blatt); Einträge: 12. 4. 60 - 20. 7. 60 (Bl. 1a/b), [May:] 7. 11. - 6. 12. 61 (Bl. 2a), 27. 1. 62 - 14. 4. 65 (Bl. 2b - 29a). - Siehe Hainer Plaul: Karl May und das Lektionbuch der Solbrigschen Fabrikschule. In: KMHI Nr. 9/1996, S. 18-21.

7 § 43 der Verordnung zum Gesetze über das Elementar-Volksschulwesen v. 9. 6. 1835. In: Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schul-Rechts. Hrsg. von Eduard Schreyer. Leipzig 21864, S. 454-95 (464); Verordnung wird nachfolgend mit Kürzel ›V § (Nr.)‹, Zitate aus dem Kommentar sind mit ›Codex, Seite‹ gekennzeichnet.

8 Gesetz, das Elementar-Volksschulwesen betreffend, vom 6. 6. 1835. In: Schreyer, wie Anm. 7, S. 430-54 (434).

9 1 Quadratfuß ˜ 0,08 m2; 1 sächs. Fuß = 28,311 cm.

10 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden. Ministerium für Volksbildung Nr. 3537, Kreisdirektion Zwickau. Acta. Die Schulangelegenheiten zu Altchemnitz betr. Vol. II 1859 ff., Bl. 7a (Bericht vom 2. 11. 1859 der Schulinspektion zu Altchemnitz, das Schulwesen daselbst betreffend)


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11 Vgl. Gerhard Klußmeier/Hainer Plaul: Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim-Zürich-New York 1978, S. 36 (Bild 46); die Originale der Zeugnisse befinden sich im Archiv des Karl-May-Verlages Bamberg, Faksimiles in der Ausstellung des Karl-May-Hauses.

12 Bibliographische Angaben: siehe im Anhang die Erläuterungen zu den Lektionsbuch-Einträgen S. 25f.

13 Dr. Döhners Unterschrift steht auf Mays Abgangszeugnis vom Seminar Plauen, er beantragte 1863 beim Kultusministerium die Streichung Mays aus der Schulamtskandidatenliste. Siehe Hans-Dieter Steinmetz / André Neubert: Verspätete Konsequenzen. Zur Streichung Karl Mays aus der Schulamtskandidatenliste. In: KMHI Nr. 10/1997, S. 37-47.

14 Vgl. Julius Richter: Geschichte der sächsischen Volksschule. Berlin 1930, S. 240.

15 Lebensbilder III. Lesebuch für Oberklassen deutscher Volksschulen. Hrsg. von Berthelt/Jäkel/Petermann/Thomas. Leipzig 131859, S. 270; vollständiger Text im Anhang.

16 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 94; Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul

17 Siehe bei Plaul: Karl May in Altchemnitz, wie Anm. 2, S. 12 u. 15.

18 Generalverordnung des Cultusministeriums vom 13. 7. 1862, zitiert nach Schreyer, wie Anm. 7, S. 888. Diese Verfahrensweise wird auch 1861 schon üblich gewesen sein.

19 Siehe bei Plaul: Karl May in Altchemnitz, wie Anm. 2, S. 12-15.

20 Generalverordnung, wie Anm. 18, S. 889

21 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden. Ministerium für Volksbildung Nr. 3748, Kreisdirektion Zwickau. Acta. Die Schulrevision in der Ephorie Chemnitz betr. Vol. VIII 1861ff., Bl. 121b-122a

22 Zum Vergleich Zitat aus einem anderen Protokoll: »Die Haltung des Lehrers ist eine würdige, seine Disciplin ist energisch ohne streng zu sein.«

23 Vgl. 1. Mose 12.7 sowie 13.14-17.

24 Vgl. 3. Mose 26.6-7; das 26. Kapitel ist in der Woche 25.-29. 11. 1861 behandelt worden.

25 removiren (lat.): absetzen (von einer Stelle), entfernen

26 Acta Schulrevision, wie Anm. 21, Bl. 126b (Jahresbericht 1863 zum Schulwesen in der Ephorie Chemnitz v. 28. 4. 1864)

27 Dieser Einschätzung »kann man (...) jedoch nur eingeschränkt zustimmen«, findet Joachim Biermann und verweist darauf, daß »der zitierte Satz (...) mit einer für May durchaus kritischen Anmerkung weitergeführt« wird: »... aber ist noch sehr haltlos«, auch auf die abschließende Zensur Kohls: »Unzufrieden«. Siehe Joachim Biermann: Streiflichter zu Karl Mays Seminar- und Lehrerzeit. In: KMHI Nr. 12/1999, S. 30.

28 Stadtarchiv Chemnitz. Akte A I 12/5, Superintendentur Chemnitz. Revisions-Tabelle über sämmtliche Schulen der Eph. außer der hiesigen de ao. 1861, Bl. 109b/110a

29 Ebd., Bl. 110a

30 Wegen Textverlust an dieser Stelle erfolgt eine Ergänzung aus der 5. Auflage von 1851 (S. 296). Die beiden Auflagen sind nicht durchgängig textidentisch.

31 Ebenfalls Ergänzung aus der 5. Auflage (S. 297)




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