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KARL OTTO SAUERBECK


Fritz Degenfelds sehr ferner Osten
Ästhetische Probleme in Karl Mays Erzählung ›Der blau-rote Methusalem‹





E i n l e i t u n g


›Der blau-rote Methusalem‹ ist der Titel, unter dem 1892 Karl Mays Fortsetzungsroman ›Kong-Kheou, das Ehrenwort‹1 von 1888/89 als Buch veröffentlicht wurde. Dieses Werk war Mays erster tastender Versuch nach der Periode der Kolportageromane, das Niveau zu erhöhen. Er begann mit der Niederschrift wohl im September/Oktober 1887, unterbrach sie aber dann auf Wunsch des Verlegers zugunsten eines anderen Werks (›Der Geist der Llano estakata‹). Der Text blieb als ›Bauruine‹ liegen. Erst nach einer längeren ›Puppenruhe‹ (bis wahrscheinlich Oktober 1888) wurde der größere Teil des Romans abgefasst.2 Daher konnte das Buch ausreifen. So mag es sich erklären, dass May den Reigen seiner reiferen Werke gleich mit einem so faszinierenden Text eröffnete. Schon das allein könnte auf das Buch neugierig machen. Hier soll der Versuch unternommen werden, es nicht so vordergründig abzutun, wie der naive Leser zu tun pflegt.

Vor allem soll die magische Anziehungskraft eine Erklärung finden, die vom ›Blau-roten Methusalem‹ ausgeht und das Werk gerade dem heutigen Erwachsenen nahe bringt. Der Hauptgrund für diese scheint uns die überraschende Modernität der Schreibhaltung Karl Mays in diesem Buch zu sein.3 Der Autor kann sich wie wir nicht klar entscheiden, wie er die Dinge aufgefasst wissen will. Statt uns auf einen Abenteuerroman oder eine Traumreise einzustimmen, schiebt er dem Leser den schwarzen Peter zu. Der Leser muss seinen Standpunkt selbst wählen. So hat der Text etwas Schillerndes. Es ist wie bei gewissen Bildern in der Volkskunst, deren Gegenstand wechselt, je nachdem, ob man rechts oder links auf sie blickt. Außerdem werden wir sehen, dass sich die Einheit der Personen der Handlung bereits auflöst. Anteile und Wesenszüge der Haupthelden verselbständigen sich zu eigenen Personen, ganz wie in der Psychoanalyse und in der heutigen Dichtung. Der frühe Karl May erweist sich zu unserer Überraschung in vielem als ein Avantgardist. Außerdem wird uns die Virtuosität erstaunen, mit der er Text- und Handlungselemente immer wieder abwandelt, unerschöpflich an Nuancen wie nur das immer neue Leben selbst. Wir erwarten das, was sich wiederholt, und sind zugleich immer von neuem gespannt, wie es sich wiederholt.


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I . A b e n t e u e r r o m a n o d e r T r a u m ?

a. Abenteuerroman oder Reiseroman?


Es wird in der Schwebe gehalten, wie Karl Mays Text gelesen werden soll; der Dichter stellt das ganz ins Ermessen seines Publikums. Vier Haltungen des Lesers lassen sich als statthaft rechtfertigen und keine ist obligatorisch: ›Der blau-rote Methusalem‹ kann 1. als A b e n t e u e r r o m a n in der Tradition der ›Insel Felsenburg‹4 oder 2. als R e i s e r o m a n in der Art der ›Sentimental Journey‹5 oder der ›Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich‹6 rezipiert werden. Absichtlich changiert der Text unentschieden zwischen beiden Erzähltypen hin und her. Wie ersterer häuft er spannende Verwicklungen, die aber der Glaubwürdigkeit der Reiseerfahrungen schaden; wie letzterer gefällt er sich in langen essayistischen Betrachtungen über Land und Leute, die wie antike Parabasen aus dem Handlungskontinuum herausfallen, gelegentlich freilich schon wie in späteren Romanen Karl Mays geschehensförderlich in den willensbildenden Dialog integriert werden. So ist der Text ›neither fish nor flesh‹; letzten Endes scheitert man bei beiden Interpretationen. Aber das ist Absicht, nicht die Unbeholfenheit eines Anfängers. Der Leser soll hin und her gerissen werden, nicht zu einer endgültigen Entscheidung über seine Haltung bei der Lektüre gelangen. Für die frühwilhelminische Zeit ist das eine erstaunlich moderne Attitüde, die man viel eher bei einem Schriftsteller der Nachkriegszeit suchen würde.

Aber die Berichterstattung hat sogar für den reinen Abenteuerroman zu viel Pfeffer. Auch in einem exotischen Ambiente und bei drop-outs wie Methusalem und Gottfried und ihren absonderlichen Reisebekanntschaften Turnerstick und Aardappelenbosch ist soviel Bizarrerie possenhafte Übertreibung,7 die ihre Parallelen in der ›Pension Schöller‹ oder in der ›Spanischen Fliege‹,8 nicht bei Cooper und Gerstäcker hat. Als Anregung vermutet man Komödien und Erzählungen, in denen die dramatis personae von einer ruling passion beherrscht werden, in der Art von Molières ›Avare‹,9 Hippels ›Der Mann nach der Uhr‹10 und Ben Jonsons Stücken, z. B. ›Every Man out of his Humour‹11 mit den unglaublich meschuggen Charakteren Fungoso, Puntarvolo, Sordido usf., und sei es auf Umwegen. Die Humoresken in Karl Mays Frühwerk leben bereits von solchen Komödieneffekten, die der Dichter der Tradition entnommen hat. Turnerstick hält die letzten Kompositionsglieder der geographischen Namen Jang-tse-kiang, Ma-seng, Pe-king, Hong-kong und Wu-sung für Endungen wie deutsch -ung (26) und verkennt die Eigentümlichkeit des Chinesischen völlig. Oft probiert er alle seine fünf Endungen, an deutsche Wortstämme affigiert, durch: »Ich will bezahlang, bezahleng, bezahling, bezahlong und bezahlung« (75); »Fischang, fischeng, fisching, fischong, fischung wolleng wir« (485). Aber auch z. B. chinesisch Pen-tse ›Zopf‹ unterwirft er seiner Privatgrammatik:



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»Pang, peng, ping, pong und pung, das ist der wahre Jakob« (95):12 Er treibt seinen Spleen so weit, dass er die tatsächlichen Verhältnisse geradezu in ihr Gegenteil verkehrt: Im Chinesischen, das - als isolierende Sprache - überhaupt keine Endungen hat, versteift er sich auf sein: »Die Hauptsache ... sind ... die Endungen.« (26) Er glaubt, verstanden zu werden, während tatsächlich die Gesprächspartner das Gemeinte von anderen erfahren oder aus der Situation erraten; er hält sich für ein Sprachgenie (22), einen großen Chinologen (178) mit »tiefen Sprachkenntnissen« (73; vgl. 52, 55, 497), der (wie angeblich Karl May selbst!13) die »Dialekte« beherrscht (26; vgl. 37, 153, 178), und hält seine Rede für »Hochchinesisch« (52). Wenn ihn Chinesen nicht verstehen oder er Chinesen nicht versteht, sucht er uneinsichtig den Fehler bei diesen: »(D)ie Kerls verstanden kein Sterbenswort chinesisch« (52, ähnlich 206, 409); »(d)iese Menschen verstehen nicht einmal ihre eigene Muttersprache!« (497) Also kommt er bis zum Ende des Romans von seiner idée fixe nicht los.

Wenn Gottfried ihn nachahmt, um ihn auf die Schippe zu nehmen, fühlt er sich nicht verspottet, sondern bestätigt: »Sehen Sie, wie schnell meine Lehre von den Endungen gewirkt hat!« (32) Auch Degenfelds »Ja, es ist erstaunlich!« (178) nimmt er für bare Münze; nicht zufällig ist er als Friese fast ein Landsmann von Bürgermeister van Bett in ›Zar und Zimmermann‹,14 der sich auf seine Kenntnisse und seinen Scharfsinn viel zugute hält, obwohl ihm in Wirklichkeit gerade diese Vorzüge abgehen. Auf Gottfrieds Stichelei: »... ›Staatsangwalting‹, wie unser Turnerstick sagen würde«, reagiert er nicht sauer, sondern in völliger Verkennung der Lage: »... ist dieses Wort etwa nicht richtig? ... Sie (werden) bald ein ebenso gutes Chinesisch reden wie ich selbst.« (230) So weit die Verdrehtheiten von Turnerstick oder »Tur-ning-sti-king« (71), »Turningsticking« (49; vgl. 92, 192, 215).

Nun zu dem Niederländer van Aardappelenbosch! Er ist zu dick und hält sich für zu mager, weil er nicht weiß, dass Optimum und Maximum nicht immer zusammenfallen (z. B. 123). Er lässt sich nicht einmal in Lebensgefahr vom Essen abhalten (z. B. 119f., 143). Listig gewinnt man Einfluss auf ihn, auch unter Ausnützung seiner Hypochondrie: Gottfried gibt vor, er könnte alles heilen, »wenn der Patient nicht zu dick ist« (69). Man ermuntert Aardappelenbosch, das Reiten zu lernen, indem man ihn glauben macht, das mache dick (433f.). Da er nun schneller reiten will, als er kann, stellt man sich in der Seelenmassage um: »Vom Schnellreiten wird man dürr. Nur das langsame Reiten setzt Fleisch an.« (434) Aardappelenbosch ist von einer Leichtgläubigkeit, die es im wirklichen Leben überhaupt nicht gibt.15 Wenn er zwei Sitze für seinen massigen Steiß braucht (72) und durch die Luke im Schiff nicht schlüpfen kann (196), so mag man erwägen, ob Karl May vielleicht Lesefrüchte verarbeitet hat: König Friedrich von Württemberg, der drei Zentner wog, benötigte einen Stuhl mit sechs Beinen und einen Tisch mit einer Einbuchtung für seinen Bauch; der ›bayrische Hiasl‹ konnte im



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Gegensatz zu seinen Spießgesellen nicht aus dem Kerker entfliehen, weil sein Leibesumfang für das ausgebohrte Loch zu groß war. Karl May hat sein Narrenschiff so überladen, dass der Text überwürzt ist und als eine Burleske gelesen werden muss. Niemand im Publikum vermag es, eine so geballte Ladung von Verrücktheit zu glauben.



b. Eine Posse?


So muss das Buch - 3. - als P o s s e gelesen werden. Aber auch dieser Standpunkt lässt sich nicht zur Gänze aufrecht erhalten. Dem steht die ernste Absicht des Methusalem entgegen, die Angelegenheit der Steins zum guten Ende zu führen. Kein Standpunkt lässt sich also durchhalten, und dieses beunruhigende ›nicht ganz das Eine - nicht ganz das Andere‹ macht den künstlerischen Rang des Textes aus. Auf sehr moderne Weise wird der Leser genötigt, sich seine Interpretation selbst zurechtzulegen - er wird aktiviert. Da keine seiner Haltungen voll befriedigt, da ›die Rechnung nicht aufgeht‹, wird er sich auf Auswege besinnen. Er ist in derselben Lage wie im Leben, wo er die Situation nicht voll durchschaut und wie in der Algebra mit x und y umgeht.



c. Ein Initiationserlebnis oder ein Traum?


Karl May hat öfters geäußert, seine Reiseromane seien ebenso symbolisch wie seine späten Arbeiten, allen voran ›Ardistan und Dschinnistan‹, nur nicht offen wie letztere.16 Deshalb verleugnete er sie im Alter nicht wie seine Kolportageromane, die sich doch auch in technischer Perfektion neben Werken von Dumas oder Sue17 sehen lassen können, aber eben nicht umdeutbar sind. Es ist der größte Fehler in der Karl-May-Rezeption, diesen Hinweis in den Wind zu schlagen und zu denken, der Autor wolle die Reiseromane nur ›retten‹. Gerade die inneren Widersprüche, die sich ergeben, wenn wir im ›Blau-roten Methusalem‹ einen harmlosen Abenteuerroman sehen, zwingen zu einer nachträglich anderen Einstufung. Als symbolische Handlung kann der Text - 4. - eine Art I n i t i a t i o n s e r l e b n i s oder R e i f u n g s p r o z e s s wiedergeben, bei dem das andere Land - China - die andere Einstellung - Akzeptanz einer Lebensaufgabe auch ohne äußere Nötigung - bedeutet und ein Corpsstudent, der - modern ausgedrückt - die Regelstudienzeit beträchtlich überschritten hat und ohne Ziel ins Blaue hinein lebt, zu einem Ziel und damit zu verantwortlicher Lebensgestaltung findet. Doch auch bei dieser Auffassung des Textes stößt der Leser auf Aporien. Ist es denkbar, dass ein lebensunerfahrener Mensch von heute auf morgen aufbricht und ohne Spur auf gut Glück verschollene Personen im volkreichsten Land der Welt sucht, einen siebzehnjährigen Gymnasiasten mitnimmt und



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auch von seiner Mutter anvertraut bekommt? So wandelt sich auch diese Deutung ganz von selbst noch einmal ab.



d. ›Der Traum ein Leben‹18


Man gelangt dahin, den Roman - 5. - als Abriss eines Traumes zu betrachten, der ein Erweckungserlebnis, einen Reifungsprozess im Schlaf, einen Schritt in Richtung auf seine Individuation im Sinne von Carl Gustav Jung19 zum Inhalt hat. Wenn wir annehmen, dass der ganze Roman nur einen Traum darstellt,20 wird unvermeint aus einem technisch perfekten ›Lesefutter‹ eine Dichtung im Rang von ›Peer Gynt‹ oder mindestens der ›Dschinnistan‹-Erzählungen,21 zudem ohne den Predigtton der meisten Alterswerke Karl Mays und daher künstlerisch unbeeinträchtigt. Der Leser erlebt diese Einsicht etwa so wie der Wanderer eine Landschaft, die im Schatten lag und mit einem Schlag von Sonnenstrahlen getroffen wird.

Typisch für den Traum ist, dass er von »Tagesreste(n)« (Sigmund Freud22) seinen Ausgang nimmt, wie ein Kristall an einem Kristallisationskern anschießt und eine beachtliche Größe erreichen kann. Der chinesische Asylant im Pfeffergäßchen Ye-kin-Li gehört der Realität und Degenfelds Traum zugleich an und bildet den Ansatzpunkt des Phantasieerlebnisses des Methusalem. Im Besonderen aber führt das innere Erlebnis Degenfeld gerade nach China, wenn er seelisch ›in Neuland‹ aufbricht, weil der große chinesische Laternendrachen, welcher an der Decke hing (»Tao-lung«, d. h. »Drache der Vernunft«) (13), Wachbewusstsein und Traumbewusstsein verklammert.23 Ohnehin ist der Drachen eines der wichtigsten chinesischen Symbole. Dieses Fabelwesen gibt nicht nur die Richtung vor, sondern erweist sich im Verlauf des Traumgeschehens, das den Roman ausmacht, als ein persistierendes Motiv, das immer wieder sporadisch auftaucht, wie es für die wirklichen Traumgesichte typisch ist. Als das verdrängte Negative, das zur Individuation notwendig ist, in dem behüteten Leben des betuchten Studikers aber fehlte und seine Lebenserfahrung komplettieren muss, ist der Drachen in die Scheinwelt des Schlafes eingebaut: Das scheinbar harmlose, aber gerade von Degenfeld von vornherein beargwöhnte Schiff Schui-heu entlarvt der fremde Kommandant, ein Sinnbild der Weltkenntnis, als das Piratenschiff Hai-lung, Seedrache, indem er das verborgene Schild unter dem tarnenden aufdeckt: »Ein Seemann kennt ein Schiff wieder, mag man ihm zehn andre Namen geben.« (194) Schon in der Antike ist es ein Archetyp, das Meer mit der Welt, die Schifffahrt mit dem (nicht ungefährdeten) Lebenslauf gleichzusetzen. So wird Degenfeld seine Arglosigkeit ausgetrieben: ›Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf.‹

Ganz eng an die Situation im Pfeffergäßchen angelehnt ist ein Traumbild, bei dem es sich wieder um einen Laternendrachen handelt, was sogar eigens



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betont wird: ... eine Laterne ... besaß fast genau die Gestalt jenes Drachen, welcher daheim in der Wohnung des Methusalem hing und dem er [Gottfried] vor der Abreise die ... Standrede gehalten hatte. (301) Die entstellende Traumarbeit24 ist jetzt, da Degenfelds innerer Aufbruch in Fahrt gekommen ist, nicht mehr notwendig. Kurz vor der Peripetie ziert nun den Kopf Aardappelenboschs eine Soldatenmütze, an deren vorderer Seite das Zerrbild eines Drachen befestigt war (491). Sinnbildlich ist damit die ›Schlusskadenz‹ des Traumromans vorweggenommen: Nur dadurch, dass Aardappelenbosch die Ölfirma Stein kauft, wird Degenfelds Mission von Erfolg gekrönt sein, kann er seinen Schützling Richard für immer mit dem Onkel vereinigen. Noch einmal bei dem großen geburtstäglichen Feuerwerk für Stein sind Drache und Schlange die Sinnbilder für die Wiedervereinigung: Aus der ersten [Leuchtkugel] schoß eine ... Schlange, aus der andern ein ... Drache, welcher ihr in ... Spirallinien folgte ..., um hundert und aber hundert kleine Schlangen und Drachen erscheinen zu lassen. (519) Einem Mandala ähnlich folgt auch noch eine Papierlaterne wie in Degenfelds Studentenbude. Aus ihr stiegen ein Mond und dann Sterne, die sie umkreisten. Schließlich entwickelte sich eine Sonne, bei deren Glanze man die feinste Druckschrift hätte lesen können (519). Man kann sich nur wundern, dass Karl May ein Jahrzehnt vor Freuds ›Traumdeutung‹ intuitiv so richtig gesehen hat.25 Natürlich entwickelt sich der Besitzer der ursprünglichen Laterne, Degenfeld, in einer Rangerhöhung vom Trabanten Mond zur Sonne, zum Mittelpunkt eines menschlichen Planetensystems, nämlich seiner Schutzbefohlenen, für die er denkt und sorgt.26

Dass die Deutung des Romans - auch und nicht zuletzt - als Traum Degenfelds durchaus legitim ist, erweist sich nicht nur aus der großen Bedeutung, die Träume - dann offen -, aber auch Fieberphantasien und Tagträume im späteren Werk Karl Mays erlangen. Vor dem Drachen stehend, erklärt Gottfried expressis verbis: »Du erscheinst dem Methusalem im Traume« (13), und gibt achtsamen Lesern damit den entscheidenden Fingerzeig. Hier wird auch das erwähnte System von Sonne, Mond und Sternen präfiguriert, da der Leibfuchs bereits in die Rolle des zweitinnersten Planeten hineinwächst und an den Papierdrachen folgende Adresse richtet: »du hast ... ihm ... den Jedanken einjeblasen, die ... Heimat zu verlassen ... . Ich werde ihn begleiten als sein Morjen- und sein Abendstern. Wir werden siegreich ... kämpfen, gegen Drachen ...« (13) Der Roman ist viel folgerichtiger aufgebaut, als es auf den ersten Blick scheint.

Im Personal des Traums ist Turnerstick ein Spaltprodukt, das die überwundenen Fehler des Methusalem wie Selbstüberschätzung und Uneinsichtigkeit aufgenommen hat. Das ist unschwer daran zu erkennen, dass beiden die auffällige und zudem durch eine Verletzung entstellte Nase gemeinsam ist (hier eine Habichtsnase mit Säbelwunde, dort eine Vorlukennase, die von einem Faustschlag deformiert ist). Man sollte die beiden Schilderungen einander gegenüberstellen:



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Methusalem
eine breite Narbe, die Nase in
zwei ungleiche Hälften teilend -
aber was für eine Nase! ...
Ursprünglich ... eine
Habichtsnase
(2)
Turnerstick
die Nase war ... durch einen
Faustschlag ... in seiner
Jugend ... zur Seite getrieben .../
eine Vorlukennase ... vorwitzig
nach oben gerichtet
(21)


An Turnersticks Vorlukennase wird der Leser später erneut erinnert (216, 318), und schon früh reagiert der Kapitän einmal gereizt, weil er eine Anspielung auf seine Nase gehört zu haben glaubt. Karl May liegt offensichtlich daran, dass das Publikum wenigstens ahnt, dass Turnerstick genau genommen eine Hypostase zu Methusalem, seine abgelegte Haut, seine Exuvie darstellt. Darüber hinaus ist er eine Selbstkarikatur des Dichters, der auch sich den Spiegel vorhält. Für Trauminhalte ist eben diese Multifunktionalität (die »Überdeterminierung« Freuds) bezeichnend.27 Sobald Degenfeld sich anschickt, »mit dem chinesischen Drachen anzubinden« (d. h. ins Innere Chinas zu fahren, 30), wird der Drachen auch sonst ein immer wiederkehrender ›Orgelpunkt‹ im Sinnzusammenhang des Romans: Die Dschunken nennt der Einheimische »Lung-yen« d. i. Drachenaugen, denn man hat ihnen solche aufgemalt, um sie als bedrohlich erscheinen zu lassen (85); die Raubdschunken im besonderen Kiang-lung oder »Flußdrachen« (88); die namengebenden (wohl apotropäischen) Drachenaugen zu beiden Seiten des Vordersteven (des Piratenschiffs) waren neu gemalt (90); von den Geschützen nannten die Piraten eines den ›speienden Drachen‹ (162). Turnersticks Hut in seiner chinesischen Verkleidung war verziert durch ... eine aus ... schimmerndem Blech gefertigte Drachengestalt (36). Das Drachensteigenlassen, eine besondere Passion der Chinesen, entlarvt die aggressive Sinnesart schon der chinesischen Kinder: Sie schneiden die Schnüre ihrer Spielkameraden durch (219). Doch ist es mit der Völkerpsychologie so eine Sache: Auch europäische Kinder belustigen sich an vielen ausgesprochenen Kampfspielen. Einmal ist von einer ›Drachengasse‹ die Rede (236). Münzen, die als Passierscheine Zutritt zu Gefängnissen verschaffen, kennzeichnet die Figur eines Drachen (297). Solches Persistieren hat einen vereinheitlichenden Effekt. Es handelt sich in dem Buch um ein einziges Reifen, nicht um eine lose Folge unzusammenhängender Abenteuer.



e. Schlussfolgerungen


Im Traum ist Degenfelds Persönlichkeit dissoziiert, im 19. Jahrhundert ein bemerkenswert moderner Zug. Viele seiner Eigentümlichkeiten sind in die Außenwelt projiziert und so verselbständigt, gleichsam ›enteignet‹. Das beginnt damit, dass der feste Vorsatz, mit dem studentischen Sumpf Schluss zu machen, sich als ein Ehrenwort für einen anderen ausgibt. Wenn er in freu-



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digem Ton ausruft: »Gottfried, das Schlaraffenleben hat ein Ende!« (11), so ist unverkennbar, dass er sich insgeheim aus dem ziellosen ›Weiterwurschteln‹ ohne echten Inhalt herauswünscht. Auch dass er rasch einen Schlussstrich ziehen möchte, ehe er in seinen Schlendrian zurückverfallen kann, verlagert der Traum in die Außenwelt: Es ist dergestalt verschlüsselt, dass Richards Mutter ihre Zustimmung zu der Reise (mit der eine Zustandsänderung als Ortsänderung eingekleidet erscheint) rückgängig machen (13, 16) und dass bei Zuwarten der Tod Steins das Vorhaben vereiteln könnte (15): »Morgen mit dem ersten Zuge reisen wir.« (16)

Noch gegen Ende der Reise, genauer der Traumreise, weiß er, dass der Mensch, will er nicht wankelmütig werden, sich selbst überrumpeln muss: »... je schneller man ins Wasser springt, desto eher ist man naß.« (377) Hinter seinem Sinneswandel steht sein Unbehagen über die Nutzlosigkeit seines Treibens, das neben dem Kommers im Verbindungslokal auch ziellosen, irgendwie ›faustischen‹ Wissensdurst umfasst: ›Habe nun, ach! Philosophie ...‹ Da er wirtschaftlich unabhängig ist und unter keinem äußeren Druck steht, hat er autistisch seine Neugier gestillt. Das befriedigte nicht voll, weil bei seinen Bemühungen die gesellschaftliche Komponente fehlte. Bezeichnenderweise kann er das erst recht spät mitten in seinen Abenteuern in China - das für die Ansprüche eines ernsthaften Lebens steht - im Rückblick formulieren: »Ich hatte wenig Lust, aber sehr viel Zeit. Darum lernte ich alles, und kann nun nichts.« (166) Es fehlte die Motivation, die ein konkretes Ziel gibt. Typisch für die Janusköpfigkeit des Traums ist, dass Gottfried einesteils als Leibfuchs eine Person, anderenteils aber zugleich ein abgestoßenes Teil-Ich, eine verselbständigte Persönlichkeitspartikel Methusalems ist. Traumgestalten sind oft bifunktionell. Er bekommt, ohne seine Liebenswürdigkeit zu verlieren, diejenigen Eigenschaften Degenfelds aufgehalst, von denen dieser sich lossagt. Er schneidet auf, so dass ihn niemand ernst nehmen kann und sich die Balken biegen (67f.), und bei der Heimreise sorgt er gegen Methusalems Willen für einen ›großen Bahnhof‹ (541). Als einziger verzichtet er nicht auf Prisengeld (203), und er streitet sich mit Turnerstick (398) und Aardappelenbosch (498) herum. Bezeichnenderweise ist er zuerst auch gegen Degenfelds Aufbruchsstimmung (11f.). Aber er ist keineswegs nur die Müllkippe für Methusalems ehemalige Eigenschaften, auch wenn in Freuds Terminologie er Degenfelds Ich, dessen Traumexistenz sein Über-Ich repräsentiert. Er bleibt eine eigenständige Persönlichkeit und durchaus ein ›mixed character‹. Auf der Habenseite ist zu verbuchen, dass er sich ins stinkende Unterdeck wagt, wobei er freilich zugleich Aardappelenbosch und Turnerstick nach Strich und Faden verulkt (201). Er rät im Gefängnis, vom Pass des T'eu Gebrauch zu machen (386). Er verfällt darauf, die gestohlenen Götter im Garten des bösen Juweliers zu vergraben (252). Die Dreistigkeit und Verschlagenheit des Ichs ergänzt die abgeklärte Persönlichkeit des Über-Ichs ideal. Auch das gehört zu der Initiation Degenfelds, dass er die dunklen Seiten seines Wesens als unentbehrlich erkennen und akzeptieren lernt.



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Am Ende des Unternehmens kann er beides wieder integrieren und es entsteht Konsens, wenn Gottfried nun von der gelösten Aufgabe so befriedigt ist wie Degenfeld selbst: »... es beseligt mir ... der Jedanke, dat wir unser Kong-Kheou erfüllt haben.« (540) In dem »wir« und »unser« äußert sich die Reintegration der dissoziierten Persönlichkeit.28 Der unterschwellige Konflikt beider wird darin manifest, dass Gottfried mehrmals droht, seine dienende Rolle aufzukündigen (z. B. 83). Die Wasserpfeife ist ein Symbol seiner Zusammengehörigkeit mit Degenfeld, und zu seiner heimlichen Insubordination gehört auch, dass er sie manchmal raucht statt nur trägt. Zu den Tagesresten, die in die Traumwirklichkeit einsickern, zählt die Laterne in Degenfelds Bude, die sich von der Drachenzeichnung emanzipieren kann und dann die Kluft Ich - Über-Ich, Gottfried - Degenfeld nachbildet. Sie ist - wenn auch durch die chinesischen kulturellen Bedingungen nahe gelegt - ein Orgelpunkt in der Partitur des Romans. Wie oft ist Laterne (so 301, 376, 381, 394, 414), Laternen (189, 202, 205, 276, 378, 394, 400) ein Stichwort, wie oft genauer Papierlaterne (107, 112, 171, 277, 394), Papier- oder sonstige Laterne (276), aber auch Laternenbeleuchtung (302), Laternchen (377). Der Desintegration des Helden steht aber dessen Union mit Ye-kin-Li gegenüber, den er sich als stellvertretendes Zusatz-Ich ausleiht: »Sie sind mein Kié-tschéi. Als solcher haben Sie genau so zu handeln, als ob Sie ich seien.« (19)

Ganz anders als Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand29 hat Degenfeld wichtige Erkenntnisse erst noch zu gewinnen. Seine Erlebnisse, die ihn reifen lassen und nicht reif vorfinden, haben zwar irreale Strukturen: Alles fügt sich bruchlos zusammen; wie durch ein Wunder wohnt der Juwelier Hu-tsin unmittelbar neben dem gastfreundlichen Tong-tschi, ein Zufall, welcher gar nicht vorteilhafter hätte sein können (237); der auf dem Piratenschiff befreite Chinese ist einerseits Daniel Steins Gehilfe, andererseits Ye-kin-Lis Sohn. Die verschiedenen Pässe und die Münzen, die Eintritt ins Gefängnis verschaffen, sind Sinnbilder für Tatkraft; sie »rufet die Arme der Götter herbei«.30 Der Traum, der durch ein unreligiöses Erweckungserlebnis in Gang gesetzt wird, enthält aber auch wichtige Lehren. Der Bummelstudent Degenfeld bringt die besten Kenntnisse in Ostasienkunde und außerdem Commonsense mit, es mangelt ihm aber noch an Durchsetzungsvermögen. Sein Unbehagen über das verdächtige Schiff nützt daher nichts (72, 105). Trotzdem war es kein Missgriff, die weniger feinfühligen Gefährten Turnerstick und Aardappelenbosch als Mitreisende anzunehmen: Turnerstick nützt später durch seine nautische Routiniertheit (er weiß, dass man den Landwind abwarten muss) und durch das Vertrauen, das er bei dem Kapitän Beadle genießt. Ohne Aardappelenbosch vollends wäre die ganze Mission nicht zu erfüllen, da Stein keinen Käufer fände und nicht nach Deutschland übersiedeln könnte.

Noch mehr erweist sich Degenfelds Menschenfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft unvermeint als segensreich: Liang-ssi, den er befreit, entpuppt



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sich gegen alle Wahrscheinlichkeit als einer der Gesuchten und trägt schon gleich durch Informationen über das Schiff, später durch mutiges Eintreten für die Pechvögel Turnerstick und Aardappelenbosch zum Sieg des Guten bei. Der Tong-tschi und der Ho-po-su, ebenfalls befreit, gewähren ›etwas außerhalb der Legalität‹ Passierscheine und stellen Transportmittel zur Verfügung. Degenfeld erfährt, dass es nie schaden kann, für andere einzutreten und sich dadurch Freunde zu machen. Was ihn von seinem Ziel abzuziehen schien, ließ ihn sich diesem annähern. All das bestärkt ihn in seiner menschenfreundlichen Art und ist ihm eine wertvolle Lehre. Erneut wird er belohnt, da er einen Mohammedaner schützt; so entdeckt er die drei weiblichen Glieder von Ye-kin-Lis Familie und erfüllt damit sein ›Plansoll‹ vollends. Es ist das Vorrecht von Traum und Phantasieleben, das Mögliche eindrucksvoll als Wirkliches vorzuführen - darin gleichen sie der Dichtung. Wie Degenfeld nebenbei den Umgang mit Menschen lernt und eine Einweihung mitmacht, zeigen Kleinigkeiten: Er gibt vor, Notizen machen zu wollen, um seinen Kameraden nicht Rede und Antwort stehen zu müssen und sie doch nicht zu verletzen (257f.). Um deren Rangstreitigkeiten bei der Benützung von Badewannen abzubiegen, erkennt er Turnerstick wegen seiner Verkleidung als hoher Offizier das Vorrecht zu, weil das als nur scheinbare Größe nicht kränken kann (238). Als Fazit von Methusalems fiktiver Lebens- und des Lesers Leseerfahrung nimmt Karl May ›Der Mensch ist gut‹ vorweg: »Es ist eben jeder Mensch gut, wenn er richtig behandelt wird«. (514) Wie schon Seneca32 argumentiert auch er: »Es ist recht gut, wenn man Geld besitzt; aber es gibt noch höhere Güter.« (535) Das gibt Degenfeld zwar Ye-kin-Lis Söhnen zu bedenken; aber in der Wirklichkeit predigt er sich selbst, über seinem Reichtum nicht seinen Lebenssinn zu verfehlen.

Unmerklich mündet die bloß vorgestellte Reise wieder ins Reale: Gerade dass die Grenze nicht klar zu erkennen ist, hindert aber daran, den Text ausschließlich als Phantasieerlebnis zu lesen, als eine Art somnium Scipionis.33 Die Katharsis gehört beiden Ebenen zugleich an: »Ich bin ein Thor gewesen. Der Mensch hat andre Zwecke als das Pokulieren ...« (545f.) Das planlose Studieren unterschlägt er als das weniger Unehrenhafte. Er hat einen Grund, ein ernsthafter Mensch zu sein: Er will dem Sohn seiner Vermieterin, dem filius hospitalis, ein gutes Beispiel sein, dessen Entwicklung in seinem Verhalten so berücksichtigen, wie er es auf der Reise - oder ›Reise‹ - schon tat (vgl. 362). An den bisherigen Playboy ist die Verantwortung herangetreten. Seine imaginäre Erziehung in ›China‹ erinnert an die in Hahns Salemer Eliteschule, wo die Zöglinge dadurch motiviert werden sollen, dass von ihrem Tun und Lassen (zum Beispiel bei Brandeinsätzen) das Wohl und Wehe anderer abhängt. So gibt er das Salamanderreiben auf. Sinnfällig wird seine Wandlung an seiner Nase: Sie näherte sich mehr und mehr der Form solcher Nasen, welche nicht infolge eines »Hiebes« blaurot angelaufen sind. (545) Erst jetzt ist durch die Anführungszeichen Karl Mays die anfängliche



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Ambiguität (Er behauptete ..., die anderen waren andrer Meinung; 3) aufgehoben, der zufolge der Zustand des Gesichtserkers vielleicht auch von dem Schmiss herrühren könnte. Degenfeld hat den bewussten Selbstbetrug zur Beschwichtigung entgegenstehender Regungen, den Sartre später »mauvaise foi«34 nennt, aufgegeben. Er verdrängt nicht mehr.



f. Karikaturistische Züge


Schließlich - 6. - stellt der Roman außerdem eine K a r i k a t u r dar - auch das wieder angesichts des ernsten Hintergrunds nur sehr partiell. Der groteske Spaß verträgt sich aber mit realistischen Erwartungen kaum, da er die Narrheiten der Leute wie durch das Vergrößerungsglas betrachten lässt. Übrigens setzt uns der Text gleich in doppelter Weise Wechselbädern, fast Klimawechseln aus. Einmal lösen einander immer wieder landeskundliche Belehrungen und lebhafte Szenen ab. Erstere sind noch nicht so oft wie in späteren Werken in die Handlung einbezogen. Sie handeln von chinesischer Lautlehre (94), dem Essen mit Stäbchen (129), chinesischen Landkarten (129), essbaren Vogelnestern (133), den Fachausdrücken der Schiffer (178), dem chinesischen Volkscharakter (209), den Spielen chinesischer Kinder (217f.), der chinesischen Zeiteinteilung (227), Bevölkerungsklassen in China (233). Die dramatis personae werden in längeren Passagen als schrullig unserer Belustigung preisgegeben.35 Das erinnert an die Clowns in Shakespeares ernsten Stücken oder den Karagöz im türkischen Theater und lässt den Ernst nur noch ernster wirken. Gottfrieds dick aufgetragene Aufschneiderei, die dieser wohlweislich in Methusalems Abwesenheit von sich gibt, mit zweimal dreifacher Wortwiederholung (»ich - ich - ich - - nun, ich kann eben alles, alles, alles«; 68) ist ein Bravourstück, bar jeder realen Vorstellbarkeit, ein Musterbeispiel für Freuds infantile ›Allmachtsphantasien‹. Die Reitprobleme des Holländers verdrängen fast Methusalems Spurensuche vom ersten Platz in unserem Miterleben.



g. Ergebnisse


Als das eminent Moderne an dem Roman erweist sich gerade die Unentschiedenheit, die vielfältige Interpretierbarkeit des Textes, die ihn für den verunsicherten Menschen der Jahrtausendwende, dem die Eindeutigkeit abhanden gekommen ist, so anziehend macht. Das Werk ist sechserlei annähernd, aber stets dabei mit einem Rückstand von Elementen, die sich nicht ins Bild fügen. Das kontrastiert überdies mit dem vordergründigen Handlungsablauf, in dem alles wie in einem Uhrwerk reibungslos ineinander greift und am Ende gegen alle Wahrscheinlichkeit kein Detail unaufgeklärt bleibt.36



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I I . M e h r d e u t i g k e i t i n d e n D e t a i l s

Die Verunklärung des Textes wird dadurch gesteigert, dass sie auch in leitmotivischen Details in Erscheinung tritt. Es ist faszinierend, dies durch den Roman hindurchzuverfolgen. Alles ist nicht nur das, als was es erscheint, sondern auch das, was es momentan nicht zu sein scheint. Das irritiert den Leser, und das ist auch beabsichtigt. Wie im Leben, aber anders als sonst in der Dichtung des 19. Jahrhunderts, soll der Leser die Bedeutung des Vorgeführten nicht ohne Rest erkennen können. Wir wollen Karl Mays Maßnahmen, den Inhalt seiner Erzählung durch eine ›künstliche Vernebelung‹ einzutrüben, im Einzelnen an uns vorbeiziehen lassen.



a. Eigennamen


Deutsche Eigennamen in chinesischem Gewand sind fast nicht wiederzuerkennen, und das macht sich Karl May zunutze, um den Leser zu verwirren. Wie dem Japanischen (z. B. Ku-ru-si-ma-su für christmas ›Weihnachten‹) sind dem Chinesischen nur Silben mit einfachem konsonantischen Anlaut und vokalischem oder nasalem Auslaut gemäß. Europäische Eigennamen werden an die sonstigen Sprechgewohnheiten adaptiert und sind auf den ersten Blick kaum erkennbar. Karl May bedient sich dieser Eigentümlichkeit, um die Identitäten wenigstens für den Leser noch mehr einzutrüben. Auch das Romanpersonal - außer Methusalem - vermag die ›Gleichungen‹ nicht auf Anhieb aufzulösen: für Stein »Sei-tei-nei« (158, 479; vgl. »Sei-dei-nei«; 295), für Degenfeld »De-ge-ne-fe-le-de« (295), für Methusalem »Me-thu-sa-le-me« (295), selbst für Marco Polo, dem die Chinesen eine Apotheose bereitet haben, »Ma-ra-ca-pa-la« (310; neben verschiedenen epistatischen Namen), »Go-do-fo-ri-di« für Gottfried (295), »A-ra-da-pe-le-ne-bo-scho« für Aardappelenbosch (295). Übrigens berücksichtigt Karl May in seiner sorglosen Art nicht immer, dass das Chinesische kein r kennt (wie das Japanische kein l). Daher heißt es zwar korrekt Li-cha-la-da für Richard (479), aber inkorrekt »Ma-ra-ca-pa-la« (310) und sogar inkonsequent »Tu-lu-ne-re-si-ti-ki« für Turnerstick (359) neben noch unchinesischerem »Tu-ru-ne-re-si-ti-ki« (166). Künstlerische Einbußen bringen solche Fauxpas freilich nicht mit sich. Es kommt nur auf die Eintrübung und Unübersichtlichkeit im Personenstand an, die die Klarsicht des Lesers beeinträchtigen sollen. Dieser soll sich wie im Zwielicht bewegen, in dem er manches erkennt, manches aber nur erahnt.



b. Unklare Zeit; wechselnde Namen


Der Leser des ›Blau-roten Methusalem‹ wird räumlich betrachtet in ein Land (China), psychologisch gesehen in eine mentale Verfassung versetzt,



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in denen der Unterschied zwischen den Lebensaltern - und damit zwischen den Zeiten - seine Bedeutung weitgehend verloren hat. Im Reich der Mitte ist alles greisenhaft, sogar die Jugend (217). Darauf wird beharrt: schon die Jugend macht einen greisenhaften Eindruck. (219) Tatsächlich aber hat jeder der beiden Globetrotter angesichts ihrer großzügigen ›Zeitwirtschaft‹ (Thomas Mann über Hans Castorp37) - jeder von ihnen »ein flotter Bruder Studio, im fünfzehnten Semester«38 - die Zeit bereits vor dem Antritt der Reise längst aus dem Bewusstsein (und dem der Umwelt) verdrängt. Gleich auf den ersten Seiten des Buches, wo unsere Aufmerksamkeit noch nicht erschlafft ist, wird uns mitgeteilt, dass des Methusalem Fritz Degenfeld Semester ... in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt waren (4).

Bei seinem ›Wichsier‹ (also Leibfuchs) Gottfried Ziegenkopf wiederum war das biologische Alter, wie beim Methusalem das ›Dienstalter‹, undefinierbar, da er sich in seinen Lebensäußerungen als schizothym erwies: War er ernst, so war man versucht, ihn für weit über vierzig Jahre alt zu halten; sein Blinzeln und seine Munterkeit dagegen verführten dazu, dass man ihm nicht viel über zwanzig Jahre zutraute (3f.). Auf ... Fragen antwortete er nie. (4) Wenigstens partiell verweigerte er also die Ontogenese, den Reifungsprozess - fast wie es Oskar Matzerath in der ›Blechtrommel‹39 als Wachstumsverweigerer sinnenfällig tut. Den Spitznamen Methusalem hat Degenfeld ja ebenfalls gewiss wegen seiner Entwicklungslosigkeit, seines Außer-der-verändernden-Macht-der-Zeit-Stehens vor seinem Aufbruch nach China angehängt bekommen. Wie Gottfried ist auch er nicht nur durch das Nebeneinander von bürgerlichem Namen und Spitznamen eine gespaltene Persönlichkeit, ein ›Zerrissener‹. Im Grunde ziehen beide den ungültigen Namen dem amtlichen vor: »In ... trüben Augenblicken nenne ich mich Fritz Degenfeld ...« (71) Gottfried äußert sich ähnlich wie der Methusalem: »Jottfried? Dat verbitte ich mich. Ich bin jetzt der Kuan-fu Ziegenkopf.« (377) Er lehnt also wenigstens den geläufigeren Vornamen ab und verhilft dem Familiennamen mit einem chinesischen Titel zu mehr Glanz. Übrigens ist der psychopathologische Persönlichkeitszerfall auch dadurch bereits versprachlicht, dass »(d)er mit der blauroten Nase« (107), der blau-rote Methusalem, in der Regel als der Blaurote (78 u. ö.) oder Methusalem (z. B. 78) mit amputiertem Übernamen ins Gedächtnis gerufen wird und dass der Blaurote, als »Tsing-hung« (165) ins Chinesische transloziert, mit der Zweifarbigkeit die Dipsychie versinnbildlicht, die bei Degenfeld noch mehr als bei Gottfried mit Händen zu greifen ist: Zuweilen ist das Gesicht hochrot, die Nase aber ultramarinblau gefärbt. (12) Als vierter Name tritt übrigens noch »Herr Williams« (515) passim hinzu, da Liang-ssi seinen Retter aus gegebenem Anlass in einen Engländer umdichtet. Von dem biblischen Methusalem unterscheidet sich der studentische in vielen Situationen klar: »Es hat ... nur ein einziger außer mir noch so geheißen ...« (159) Richtiger wäre: nur ein einziger, der geschichtlich präsent geblieben ist.



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Für Gottfried freilich fallen - wenigstens manchmal - die beiden Methusalems zusammen, und das erhöht die Verwirrung vollends, da sich dadurch vorübergehend die ganze Menschheitsgeschichte in ein unzeitliches nunc stans verwandelt. Degenfeld und Gottfried erscheinen so: Hier ein Patriarch aus dem alten Testamente und dort ein Ritter aus der Zeit der Kreuzzüge ... (71) Gottfried usurpiert gar die Taten des wirklichen Gottfried von Bouillon - wie sein voller Spitzname lautet, ob nun wegen seines für einen Studenten hohen Alters oder wegen einer Vorliebe für Fleischbrühe oder aus beiden Gründen. Er beansprucht sie unbekümmert als eigene Verrichtungen: »Habe ich damals Jerusalem erobert und den Seldschuken mein Jebiß jezeigt, so sollen die paar Chinesigen mich ooch nicht bange machen.« (156) Wie die Personen in ihre Anteile dissoziiert sind, so verschmelzen sie andererseits mit anderen, nämlich denen, denen ihre Spitznamen als reguläre Namen zukommen. Damit ist die Verwirrung vollständig - traumhafte Unklarheit macht sich breit: »Ich bin nämlich der Jottfried von Bouillon, welcher damals den Ungläubigen so viel zu schaffen jemacht hat.« (508) Dabei wird er in anderen Momenten nur als der Namensvetter des Eroberers von Jerusalem (62) bezeichnet. Gerade dieses Hin und Her zwischen Unterscheidung und falscher Identifizierung macht die Konfusion - mindestens für Gottfried selbst - vollständig. »Vor ungefähr achthundert Jahren hat er einen Kreuzzug gegen die Ungläubigen unternommen; jetzt aber kriecht er vor jedem Gläubiger zu Kreuze« (71), stellt auch der Methusalem seinen Paladin dem neuen Bekannten van Aardappelenbosch vor.

Bei ihm ist die Gleichsetzung freilich rein scherzhaft gemeint; indessen ist sie formal noch durch die prätendierte Koinzidenz von bloß sprachlich übereinstimmendem wörtlichen Kreuz und nur redensartlichem ›zu Kreuze kriechen‹ untermauert (und gleichzeitig auch wieder ihre Geltung sehr in Frage gestellt). Auch Gottfried selbst distanziert sich. Mit dem Spitznamen - der im Gegensatz zu dem Degenfelds einen Teil des echten Namens übernimmt, ihn bloß variiert - wird vielfältig gespielt: »Jottfried den Zweiten« bzw. »Bouillon second« (203), »Ihr treuer Jottfried nebst Bouillon« (83). Einmal sagt er: »so soll man mir jetrost Jottfried von Oleum nennen anstatt von Bouillon« (118), und einmal gibt er sich sogar transsexuell: »Ich fühle mich als eure liebevolle Erzieherin ...« (399) Auch den englischen Namen Jones akzeptiert er, wennschon zögerlich: »... ich bin jetzt Herr Jones aus Oxford. ... Einen jeistreicheren Namen konnte Liang-ssi nicht für mir finden.« (514) Verunklärend wirkt auch die Metonymie der Pfeifenträger (164, für Gottfried) oder etwa der Anwurf: »Sie Gottfried von der traurigen Gestalt!« (398), mit dem Turnerstick auf einen Vorwurf Gottfrieds wegen einer Unvorsichtigkeit reagiert und Gottfried (von Bouillon) mit dem Ritter von der traurigen Gestalt (Don Quijote) kontaminiert. Der Ausstieg aus der Zeit und andererseits ein Verbleiben in der Zeit stehen in verwirrendem Gegensatz zueinander, wenn der eigentliche und der uneigentliche Methusalem, der, der nicht altert, und der, der nicht reift, in einen Topf geworfen werden:



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»... dieser Herr ist derjenige Methusalem, welcher schon im Alten Testamente sich eine ehrenvolle Erwähnung [wie in einem modernen Wettbewerb] zujezogen hat [wie etwas Negatives]. Zwar ist er seitdem noch älter jeworden, aber seine Jeisteskräfte scheinen nicht darunter jelitten zu haben.« (508) Gottfried neckt ihn schon früher im umgekehrten Sinn: »Ist auch kein Wunder, wenn der Methusalem nun mal altersschwach wird und wackelig auf seine Jeisteskraft.« (252) Wegen seines Übernamens wird Degenfeld eine Langlebigkeit - im Scherz, aber den Leser irritierend - unterstellt, die nur beim legitimen Träger des Namens Methusalem biologisch zutrifft. Neben Namen, Spitznamen und chinesischem Namen sowie englischem Decknamen lösen auch noch chinesische Umsetzungen europäischer Namen die klaren Konturen hinsichtlich der Helden auf.



c. Die Fagottoboe


Eindeutigkeit ist auch beispielsweise bei dem Blasinstrument vermieden, das Gottfrieds Attribut ist wie der Dreizack das Poseidons. Es handelt sich dem Bau nach um ein Fagott, nur der Funktion nach um eine Oboe, und trotzdem wird es zunächst unrichtig als Oboe eingeführt (3) und hernach weiter öfters als solche bezeichnet (161, 164) - meist in Gottfrieds Rede, da dieser der größte Träumer und Phantast des Romans ist. Schon vorher wird der Zwiespalt aufgedeckt: ... in der rechten Hand hielt er ... seine »Oboe« [in Anführungszeichen!], welche aber eigentlich ein Fagott war. ... (Es gab) nur noch quiekende Töne von sich ..., weshalb er es mit dem Namen der höher tönenden Oboe bezeichnete. (43) Als Zwitterinstrument outet sich das Holzblasinstrument mehrfach: »meine Fagottoboe« (83, 240, 435), die Fagottoboe (309), seiner Fagottoboe (521). Das ist bewusst unklar, da das eigentlich zutreffende ›Fagott‹ als Bestimmungswort grammatisch zurückgesetzt, aber an erster Stelle sprachpsychologisch im Gegenteil hervorgehoben ist. Auf jeden Fall ist sich ein nachlässiger Leser bis zum Ende der Lektüre nicht recht klar darüber, um welches Instrument es sich wirklich handelt. Öfters gleitet der Text wie zufällig von einer Bezeichnung zur anderen über. So heißt es: »Doch nicht etwa auf Ihrer Oboe?« und dann: Er ging ... fort, um sein Fagott zu holen ... (520) Ganz entsprechend wird einmal ohne erkennbaren Grund gleichsam in die andere Tonart moduliert. Gottfried stellt etwa fest: »... ich (bin) mit meine Oboe nicht auf Rosen jebettet ...«; aber dann nennt Turnerstick ihn abschätzig »Fagotttrillerer« (203).

Sollte hier ein Perspektivwechsel vorliegen und nur Gottfried das Fagott zur Oboe ›ernennen‹ (419), wie die Athener per Volksbeschluss die Esel zu Pferden? Vom Fagott oder Fagotte ist auf den Seiten 200, 215, 419, 424, 507, 521 (dreimal), 522 die Rede. Auf S. 200 steht zweimaliger »Oboe« von Gottfried zweimaliges Fagott vom Erzähler gegenüber - der subjektive Standpunkt



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des Phantasten (der darin eine Epistase seines Erfinders Karl May ist) ist gegen den objektiven ausgespielt. Gottfried spricht hartnäckig von einer »Oboe« (so 161, 164, 200 und 540). Außer von ihm wird das Instrument nur ironisch als Oboe bezeichnet: »mein Gottfried von der Oboe« (14, von Degenfeld); »wie wenn Ihr Gottfried in seine Oboe fiebt« (95, von Turnerstick); der Gottfried von Bouillon mit der Pfeife und Oboe (543, vom Erzähler). So dient der Gag zugleich dazu, die Wesensart Gottfrieds (seinen Realitätsverlust) zu kennzeichnen. Dieser wird von anderen Personen nicht wirklich akzeptiert, sondern höchstens verulkt. Der Dichter verrät so, dass er ??&#x03C8???&x03C3; ist. Als Neologismen sind ›jemanden anfagotten‹ (»anfagotte«, 507) und Fagotter (521) von Interesse. Aber mit der schillernden, nicht eindeutig zuzuordnenden Fagottoboe selbst sind die Uneindeutigkeiten, die den Text wie eine photographische Doppelaufnahme erscheinen lassen, noch nicht erschöpft. Das defekte Instrument gibt nur ein Tremolo von sich, das eben eine Oboe vortäuscht - ... einen ... schauderhaften Triller (423). Hier nimmt es Gottfried genau: »... habe ich denn jeblasen? ... Nein, sondern ich habe jetrillert. Dat ist wat janz andres! ... Jetrillert ist niemals jeblasen; merken Sie sich dat.« (201) Damit wird die Persönlichkeitsspaltung Gottfried Ziegenkopf - Gottfried von Bouillon, Degenfeld - Methusalem (man denke an Faßman - Laßman,40 Eusebius - Florestan,41 Dr. Jekyll - Mr. Hyde42) im rein Objektiven als Fagott - Oboe sympathetisch mitvollzogen, wie dem Regenbogen sein Gegenbogen entspricht.

Die Inkompetenz des Instruments wird sogar in eine Kompetenz des Instrumentalisten uminterpretiert, eine dialektische Meisterleistung Gottfrieds: »Blasen kann mancher, auch den Kaffee; aberst trillern Sie ihn mich einmal!« (201) - natürlich eine witzige ??????? ??? &#x1F03??? ??&#x03B0??.43 Dass Schein und Sein auseinanderklaffen, versinnbildlicht nicht nur der unklare instrumentale Charakter des Blasinstruments, sondern auch dessen Verwendung bei der Geburtstagsfeier von Stein: Da belustigt es die Gesellschaft, indem die verschiedensten Tierlaute vortrefflich nachgeahmt werden: Hahn, Gänse, Enten, Tauben, Ochse, Pferd, Ziegen, Katze, Hund (523). Ein Verwirrspiel ohnegleichen wird inszeniert; Karl May schwebten wohl die Möglichkeiten gewisser mechanischer Orgeln vor. Auch hier scheint etwas zu sein, was es nicht ist.



d. Bisemantik und Witz; Homophonie


Auch sonst wird im calembour die mangelhafte Trennschärfe des Vokabulars, in dem gleiche (oder ähnliche) Lautfolgen bisweilen für grundverschiedene Vorstellungen zuständig sind, ausgenützt, um den Leser wenigstens für einen Augenblick auf eine falsche Fährte zu führen. Das gilt etwa für die Wörter Krone (wörtlich: Kopfbedeckung des Königs, bildlich: Münze mit dem Abbild einer solchen): »Dem Verdienste seine



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Kronen, und wenn es keine Kronen sein können, so nehme ich es ebenso jern in Silber und sonstige Scheidemünze.« (203) Hier erweist sich der Scherz als getäuschte Erwartung und damit als momentane Irreführung, die das Verstehen absichtlich aufschiebt, also wenigstens für einen Augenblick hinters Licht führt. Die Erheiterung ist ein untergeordneter Effekt, obwohl der Übersprung von Schillers ideeller (im Gedicht ›An die Freude‹) zu Gottfrieds materieller Sicht - er spricht über Prisengelder - witzig genug ist. Zuvörderst soll der Witz hier für den Leser das Verständnis verzögern und erschweren, in seinem Sehfeld einen blinden Fleck belassen. Ephemeres Missverständnis soll auch die Kluft zwischen Geschichte in den Bedeutungen von englisch ›story‹ und ›history‹ mehr als Belustigung, oder doch ebenso sehr wie Belustigung verursachen, wenn ebenfalls Gottfried schnodderig seiner Angriffslust die Zügel schießen lässt: »Wer ist denn Schuld an die janze Weltjeschichte?« (398; gemeint ist: ›an der Sache‹)

Der Leser merkt meist nicht, dass der Tausch der Bedeutungen, der ›sprachliche Reifenwechsel‹ nicht nur zum Lachen reizt, sondern ihm andererseits die Orientierung im Geschehen anstrengender macht. Auch wenn er Ansicht ›Meinung‹ und Ansicht ›Blick‹ vermischt und bei dieser ›Phasenverschiebung‹ Bestimmungswörter als vermeintliche Steigerung missbraucht, hat Karl May eine künstliche Vernebelung im Sinn: »meine höchst maßjebliche Vorder- und Seitenansicht ...« (539) Hier hat der Witz eine andere Funktion als gewöhnlich, unbeschadet der Tatsache, dass er eine der ›Erkennungsmarken‹ Gottfrieds und daher auf diesen beschränkt ist.44 Bei aller Nachlässigkeit hat Karl May - auch damals schon - immensen Kunstverstand. Nur ausnahmsweise bedient sich auch der ›allwissende Erzähler‹ ebenfalls einer falschen Unterschiebung, wenn er eine Perücke - in Anführungszeichen - als »falsche Behauptung« bezeichnet (349). Das ist eine Verdichtung im Sinne Freuds: falsche Haare auf dem Haupt firmieren als falsche Be-haupt-ung. Unklar ist einmal im Dialog, worauf sich eine Wertung bezieht: »Dummes Zeug!« brummte Gottfried. »Was? Die Angst?« »Nein, der Anzug. Dat schleppt bis auf die Füße ...« (378) Hier zwingt eine Palinodie den Leser zum Umdenken und nimmt ihm sein Selbstgefühl ein wenig. Gelegentlich bleibt Falsches geradezu unwidersprochen: So darf Aardappelenbosch in erregtem Zustand Pantoffel (›muilen‹) und Stiefel (›laarzen‹) in einem verunglückten Satz - mit ›ausgenommen‹ statt richtigem ›sondern nur‹ - scheinbar als Tiere betrachten: »ik ruit op geenen dier, uitgenomen op mijne muilen of op mijne laarzen ...« (410) Zwei Euphemismen, die sich im Wortlaut unterscheiden und in der Bedeutung übereinstimmen, werden in einer saloppen Fügung von Gottfried in Widerspruch zueinander gebraucht: »Wenn es auch nicht den Kopf kostet, so kann doch der Kragen verloren jehen.« (375)



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e. Finten in der Romanhandlung


In Texten mit Zügen des Abenteuerromans sind Täuschungen und Fälschungen ohnehin durch die Sache bedingt: Gegenspieler müssen überlistet werden; »falsche Perückong und sogar falsche Augeng« (349) können daher so wenig auffallen wie die falschen englischen Namen, die Liang-ssi seinen Freunden zuteilt (512f.). Schon anders verhält es sich mit allgemein üblichen Fehlbezeichnungen (wie Bleistift für einen Graphitstift, vgl. Ringelnatz: »Zinnfiguren«45): Bei der ostasiatischen Vogelbeize in der Fischerei wird die Wahrheit spät nachgeliefert, wenn es heißt: Auf Stangen saßen die Wasserraben ... Auf einen Zuruf ... erhoben sich die Raben ... Das Wort Rabe ist eigentlich ein falscher Ausdruck ... Der richtige Name ist Cormoran oder Scharbe (Phalacrocorax sinensis) (486). Der falsche Ausdruck wird hier auf Widerruf dreimal benützt (übrigens auf den Seiten davor auch schon zweimal); er bleibt ohne Not elf Zeilen in Kraft. Es ist wie bei einem musikalischen Motiv, wenn eine Vorhaltnote das Erklingen des harmonisch erforderlichen Tones hinauszögert und den Hörer neckt, vielleicht geradezu beunruhigt. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Titel »Mandarin«, der von den Portugiesen dem Sanskrit entnommen wurde, während die Chinesen selbst »Kuan-fu« sagen (92f.). Eine Shakespeare-Stelle übersteigert Karl May bei der Feier von Steins sechsundsechzigstem Geburtstag, wenn er richtig stellt: »morgen, oder vielmehr heut, denn es ist schon nach Mitternacht«46 (524). Hier ist es wieder wie so oft in unserem Text das Zeitgefühl, das verwirrt und von dem man, möchte man sagen, zum Narren gehalten wird.



f. contradictio in adiecto


Für Verwirrung sorgt ferner, dass eine coincidentia oppositorum47 schon im Endlichen wenigstens gelegentlich unterläuft: schluchzend und jubelnd zugleich (527) sinken sich Onkel und Neffe Stein wiedervereinigt in die Arme. Doch spielt dieses Phänomen in unserem Text nur eine periphere Rolle. Zentrale Bedeutung hat dagegen, dass der Leser zwischen zwei grundverschiedenen Erklärungen für die blaurote Nase des Haupthelden selbst zu entscheiden suchen muss: Dazu war eine Färbung getreten, welche ... alle zwischen dem lieblichen Fleischrot und einem tiefen Rotblau liegenden Nuancen durchlaufen hatte ... Der Methusalem behauptete ..., daß die Säbelwunde an dieser Färbung schuld sei; seine Corpsbrüder ... waren andrer Meinung (und schrieben sie übermäßigem Alkoholgenuss zu; 2f.). Mit erhobenem Zeigefinger (was in diesem Roman sonst kaum vorkommt) mahnt der Autor: O Jugend, bewahre dich vor ähnlichem Ungefähr! (3) Wer das Leben meistern will, muss den Kausalzusammenhängen auf den Grund gehen.



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I I I . T e m a c o n v a r i a z i o n i : d a s u n g l ü c k l i c h e N i l p f e r d

Im wirklichen Leben, dessen Abbild die Erzählkunst vor uns hinstellt, wiederholt sich nicht das Gleiche gleich, sondern folgt in rhythmischem Wechsel das Ähnliche dem Ähnlichen.48 Das gilt schon für die unbelebte Natur, zum Beispiel für die Jahreszeiten, für den Wechsel von Ebbe und Flut usw. Auch Karl May wiederholt Eigentümlichkeiten seiner Personen nicht stereotyp. Sie werden als tema con variazioni und unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation sozusagen kontrapunktisch bearbeitet. Dadurch wird die Lächerlichkeit, die auf Mechanisierung der Reaktionen beruht, zwar reduziert, dafür nimmt aber der Unterhaltungswert zu - der Leser wartet mit Spannung auf das ›idem non idem‹ (dasselbe und doch nicht dasselbe), mit dem er konfrontiert zu werden hoffen darf. Karl May hält eine mittlere Linie ein und trägt zwei entgegengesetzten Bedürfnissen seines Publikums mit Abstrichen Rechnung. Kaum irgendwo lässt sich sein Verfahren beim variierenden Wiederholen so gut studieren wie bei Aardappelenboschs Leib- und Magenausdruck vom unglücklichen Nilpferd. Was Karl Mays Text durch die lachenerregende Armut an Ausdrucksweisen verliert, gewinnt er zurück, indem er Aardappelenbosch gerade als Holländer vorführt. Außer als mit dem Wasser vertraute Menschen (Hauffs Holländermichel,49 der Fliegende Holländer) sind die Holländer in der Kunst meist Exzentriker (Mijnheer Peeperkorn im ›Zauberberg‹50). Übrigens verweist unter anderem auch sein Name das Romangeschehen ins Traumland, in die Unwirklichkeit. In der Zeit, als die Familiennamen sich verfestigten, war die Kartoffelstaude als Grundnahrungsmittel für Europäer noch unbekannt. Der Name ist also eine Ausgeburt purer Phantasie. Karl May hat gewiss noch aus einem anderen Grund mit Bedacht gerade einen Holländer als komische Figur eingeführt. Wie die Affen (obschon die intelligentesten Tiere!) gerade deshalb bei manchen Leuten als lächerlich gelten, weil sie dem Menschen so ähnlich und doch keine Menschen sind, reizt die holländische Sprache manche Deutschen (vielleicht auch die deutsche manche Holländer) zum Lachen, eben weil sie wie ein knapp verfehltes Deutsch klingt.

Aardappelenbosch hat allgemein eine ausgeprägte Vorliebe dafür, Menschen mit Tieren zu vergleichen, in sinnwidriger Weise nicht selten mit mehreren zugleich: »zij papegaai« (58; für den Methusalem neben »nijlpaard«), »vier zuuren aapen« und »een bedorven schaap« (59, wo er sich verlacht fühlte und der Methusalem selbst Tiernamen ausstieß), »(d)eze vos« (115, als der Priester den Opfertrank für den Geist trank, auf den Aardappelenbosch es ebenfalls abgesehen hatte), »(z)ij schaap« (58, im Wortgefecht), »Schaap!« (131, neben Nilpferd, da ihm Gottfried vorspiegelt, er habe Katzenfleisch zu sich genommen). Auch sonst redet er gern von Tieren und nennt ihre Namen: »Ik ... ruit ... op geenen paard, op geenen appe, opp51 geenen olifant en ook op geenen ooievaar« (Adebar, ›Storch‹, 410), »Ik kann



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zingen en flueten als eene meerle of nachtegal ... veel beter als de leeuwerik en de kwaktel«(502f.).

Wie ein musikalisches Thema manchmal nur anklingt und nicht bis zu Ende ertönt, so spielen auch Teilstücke des immer wiederkehrenden Ausdrucks ›ongelukkige nijlpaard‹ in Aardappelenboschs Vokabular eine Rolle:

- ›g e l u k k i g ‹: »Nur wer tüchtig essen und trinken kann, darf gelukkig ... sein« (65; alle anderen Wörter deutsch); »ook ik ben gelukkig...« (400)
- ›o n g e l u k k i g ‹: »alzoo wil ik liever op mijnen paard sterven als in dezen ongelukkigen Dragstoel ...« (428)
- ›o n g e l u k k ‹: »Dit Ongelukk!« (69; dass er zu dick ist, um geheilt zu werden) »O mijn ongelukk! Wat zal ik maken?« (492; sein Ranzen ist nass geworden)
- ›n i j l p a a r d ‹: »Ik drink als een nijlpaard.« (135; auf dem Piratenschiff) »Ik heb een Nijlpaard tußchen mijnen hersenen ...« (149; Katzenjammer nach dem Opiumrausch) »Nijlpaard!« Er warf ihm dieses Wort mit einem zornigen Blick in das Gesicht ... (201) »En gesteld dat zij nijlpaarden zijn, ik kan niet ruiten ...« (410; da die Pferde von ihm Nilpferden gleichgesetzt werden) »Het dome Nijlpaard heeft mij van achteren verloren.« (431; er ist vom Pferd gestürzt und nennt es ein Nilpferd) »Ik wil eten en drinken, dat ik zoo dik hoe een nijlpaard worde ...« (510)

In all diesen Fällen ist ›Nilpferd‹ nicht als Invektive zu betrachten, und auch pejorativ erscheint es nur manchmal (410, 431). Ausnahmsweise streift es an eine Verbalinjurie (201). Aber auch wenn Aardappelenbosch sein sprachliches Wahrzeichen komplett zum Vortrag bringt, unterscheiden sich die Situationen, die mit dem Tiernamen bedachten Personen und die Modalitäten und Tempora, und deshalb auch die sprachliche Umgebung, sehr.

Nun Fälle, in denen Aardappelenbosch s i c h s e l b s t meint:

- P r ä s e n s I n d i k a t i v : »Ik sterv in deze oogenblik. Ik ben een ongelukkige nijlpaard.« (97; nach einem Sturz) »Mijn God een [!] Heer! Ik ben een oongelukkige nijlpaard ...« (410; da er reiten soll) »O wee, ik oongelukkige Nijlpaard ... ik vlieg in de radijsjes een [!] in de peterselie ...« (433; beim Galopp) »Ik ben een ongelukkige Nijlpaard.« (489; nach dem Fischzug ist er ins Wasser gefallen)
- I m p e r f e k t I n d i k a t i v : »Damals war ich een ongelukkige nijlpaard, en jetzt bin ich een zwaare ... Mann mit gezouten ... Erfahrungen.« (64; holländisch-deutscher Sprachmischmasch)
- K o n j u n k t i v : »Neen, ik wäre een ongelukkige Nijlpaard ...« (82; wenn er nach Holland ginge, wo ihm das Klima nicht zusagt)

Fälle, in denen Aardappelenbosch von s i c h u n d s e i n e n M i t r e i s e n d e n oder von anderen Menschen spricht:



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- »Zou den52 wij daar foort gaan, zoo zouden wij zeere ongelukkige nijlpaarde zyn ...« (127)

Aardappelenbosch meint a n d e r e M e n s c h e n allein:

- »Zij zijn een ongelukkige nijlpaard ...« (58, als Methusalem ihn im Wirtshaus holländisch anspricht) »Ik zoude ihm sagen: Gij zijt een ongelukkige Nijlpaard!« ... »Ja, ein Nilpferd sondergleichen wäre dieser Kerl«, fügt Turnerstick hinzu (95). »Gij zijt een ongelukkige nijlpaard!« (131; als Gottfried behauptet, das Fleisch sei Katzenfleisch gewesen) »En gij, wat zijt gij ...? Gij zijt dat ongelukkige Nijlpaard, dat ik in London zien laten wil, namelijk vor geld ...« (498; zu Gottfried, der ihn foppt und mit einem dicken Kaffernhäuptling vergleicht)

Aardappelenbosch gebraucht den Ausdruck u n p e r s ö n l i c h :

- »Dat ruikt waarachtig na hondert duizend ongelukkigen nijlpaarden ...« (199; von chinesischen Stinktöpfen)

Turnerstick, der den Ausdruck übernimmt (95; siehe oben), lässt sich assoziativ anstecken, wenn er unwirsch erklärt: »... sagen Sie Ihnen [sic] ..., daß wir hier [als angebliche tibetanische Lamas] Nilpferde suchen, denen wir Filetstricken lehren wollen.« (335) Anschließend fordert er seinen Leidensgenossen Aardappelenbosch noch heraus: »Nicht wahr, Mijnheer?«, und dieser steigert denn auch: »Ja, ongelukkige nijlpaarden.« Die variierende Rückkehr zu gleichen Vorstellungen und zu Leib- und Magenredensarten ist bei Aardappelenbosch mehrfach zu studieren, so auch daran, dass er sich bei unangenehmen Erlebnissen für tot erklärt, eine contradictio in adiecto, da Tote nicht sprechen und Sprechende nicht tot sind. Er gibt dieses seltsame Gedankenspiel aber immer schnell auf, wenn man ihm gute Speisen in Aussicht stellt. Am liebsten drückt er sich in eindringlicher Abundanz doppelt aus: »Ik ben dood; ik ben gestorven.« (426) Dem verleiht er gerne noch mehr Nachdruck, indem er dasselbe genauer spezifiziert: »Ik ben dood; ik ben gestorven; ik ben erdronken en ersoopen ...« (488) Oder er fügt nachträglich noch eine Bekräftigung hinzu: »Ik ben dood; ik ben gestorven; ik ben buiten tegenspraak gestorven ...« (431) Mitunter genügt es ihm aber auch kurz und bündig: »ik been gestorven.« (148; vgl. 427) Auch im coniunctivus irrealis übertreibt der wehleidige Mann auf dieselbe Weise: »Gesteld dat de lucht niet zoo goed ware geweest, zoo ware ik nook voor de middernacht dood ...« (495) Er hält den Tod gar für aufhebbar: »Ik ben zekerlijk gestorven geweest ...« (428) Der Widersinn belustigt, das Nichtloskommen belustigt, das Nichtloskommen vom Widersinn potenziert die Belustigung. Aber zugleich ist der Leser immer neugierig, wie Aardappelenbosch das nächste Mal seinen Widersinn abwandelt.



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I V . D i e V a r i a t i o n s t e c h n i k b e i a n d e r e n F i g u r e n d e s R o m a n s

Wie in Ravels ›Bolero‹ dasselbe Motiv ungezählte Male stereotyp wiederholt wird, so im ›Blau-roten Methusalem‹ Turnersticks chinesische Anreden, die nicht verstanden werden und den fähigen Kapitän als unbelehrbar kennzeichnen. Aber während bei dem Komponisten das völlig Gleiche persistiert, wandelt Karl May ab und erhält die Spannung am Leben, wie es diesmal abläuft: idem non idem. Wenn sich auch wiederholt, dass er fünf Endungen abwechselnd oder nacheinander an deutsche Wörter anhängt, wechselt doch sowohl der Inhalt seiner Worte als auch der Adressat: Händler (32f.), Geldwechsler (40), Sänftenträger (46), Polizei (50), Kulis53 (52), Wirt (75), Piraten (100f.), Matrosen (178), Tong-tschis Frau (269), Wing-kan (275), Liang-ssis Bruder (328), der Kapitän der Kriegsdschunke (394), Diener (409), Fischer (485), der T'eu (497). Zuvor schon amüsiert sich ein Nichtchinese über seinen Fimmel, unbedingt seine ›Sprachkenntnisse‹ glänzen zu lassen (33). Urkomisch ist es, wenn er aufdringliche Händler mit Wasser überschüttet und wähnt, sie wichen wegen seiner Reden zurück, die ein unverständliches Kauderwelsch sind. Das Interesse wird vor allem auch dadurch wachgehalten, dass die Kommunikation manchmal zustande kommt, sei es durch seine Miene (40), sein Nicken und die Zählgebärde (46) oder durch Eingreifen anderer (178). Einmal erhält der Leser mittelbar Kenntnis, weil Turnerstick davon erzählt (409). Wenn er merkt, dass er unverstanden bleibt, dreht er den Spieß um und mokiert sich über die Chinesen, die ihre Muttersprache offenbar nicht verstehen. Umso erstaunlicher ist es, dass keine der Varianten der Situation ihm das Verständnis für seine Fehleinschätzung erschließt. Übrigens nimmt Karl May sich selbst aufs Korn: Wie sein Turnerstick pflegte auch er sich zu brüsten, alle Sprachen und obendrein deren Dialekte zu beherrschen. Turnersticks Sturheit dient aber gleichzeitig als Folie, von der sich Methusalems Lernfähigkeit abhebt.

Wenn Turnerstick seine immer neuen Metaphern permanent dem Seemannsjargon entnimmt, greift er auf einen seit Jahrhunderten gängigen Topos zurück, der auch z. B. in Smolletts ›Peregrine Pickle‹54 die Leser zum Schmunzeln bringt: »an der Universität ein genug langes Garn gesponnen« (24; ein ewiger Student gewesen); »Sie ... treiben wohl bis sieben Striche ab« (24; irren sich sehr), »... haben Sie freilich ein sehr falsches Segel gesetzt« (25; das Falsche getan), »den richtigen Kurs verlieren ... und ... kein Panzerschiff von einer Heringskuff unterscheiden« können (25; nicht die leiseste Ahnung haben), »(so) ein Dialekt läuft bei mir hinunter wie ein steifer Grog« (26; er fliegt mir nur so zu). Doch vergisst Karl May das alsbald wieder. Erst gegen Schluss des Romans wiederholt er den Gag - aber nun bei dem - mittlerweile seeerfahrenen - Methusalem, freilich immerhin bezüglich Turnerstick: »Ich will erst den Kapitän in die Koje bringen.« (545; an Land den Betrunkenen ins Bett)



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In immer neuer Lage und mit stets etwas abgewandeltem Ablauf wird Aardappelenbosch durch wechselnde Personen vom angeblichen Tod und auch vom Schlaf auferweckt oder vom Sterben abgehalten, indem seine Aufmerksamkeit auf bevorstehende kulinarische Genüsse gelenkt wird (so dann und wann vom Methusalem, etwa 99, aber auch 149 von Richard, 426f. und 489 von Gottfried).



S c h l u s s


Karl Mays Versicherung, seine Abenteuerromane seien mehr als nur Abenteuerromane, Rezensenten und Publikum bemerkten das nur nicht, bestätigt sich schon für ein so frühes Werk dieser Art wie den ›Blau-roten Methusalem‹. In dem Buch verbirgt sich ein tiefenpsychologisch grundierter Entwicklungsroman von hohen Graden. Karl May nimmt das Lebensgefühl der Jahrtausendwende in vielen Punkten vorweg. Er gestaltet eine tiefe Verunsicherung: Der Text lässt sich auf verschiedene Weise auffassen, aber in keiner, ohne dass innere Widersprüche bleiben. Es verhält sich wie bei Goethe, der ein Buch seiner Gedichte mit den Worten zusammenfasst: »Die Welt ist voller Widerspruch, und sollte sichs nicht widersprechen?«55 Die Scholastiker nahmen die Bibelexegese naturaliter, metaphysice usw. vor. Während aber bei ihnen jede der Deutungen vollständig stimmen sollte, stimmt bei Karl May keine mehr als bis zu einem gewissen Grade. Die Gestalten erweisen sich zudem als bifunktionell: Sie sind Menschen und zugleich nach außen projizierte Züge des Haupthelden Fritz Degenfeld. Das verstärkt das Verwirrspiel noch mehr. Die Überfülle an Abwandlungen der Handlungselemente und Redeweisen führt bei der Lektüre zu einer Reizüberflutung, die dem modernen Großstädter vertrauter ist als den Menschen in Karl Mays Zeit. All dies wirkt zusammen, um die These zu rechtfertigen: Die eigentliche Epoche für die Rezeption des ›Blau-roten Methusalem‹ ist erst unsere Gegenwart.



1 Karl May: Kong-Kheou, das Ehrenwort. In: Der Gute Kamerad. 3. Jg. (1888/89); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1984 - Zitatnachweise im Text beziehen sich auf: Karl May: Der blau-rote Methusalem. Stuttgart u. a. 1892; Reprint Bamberg/Braunschweig 1975.
2 Zur Entstehungsgeschichte vgl. - mit Vorsicht - Christoph F. Lorenz: Einführung. In: May: Kong-Kheou, wie Anm. 1, S. 3ff.; Roland Schmid: Die Entstehungszeiten der Reiseerzählungen. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben Bd. XXIII: Auf fremden Pfaden. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, A19-A42 (A38); Editorischer Bericht. In: Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. III Bd. 2: Kong-Kheou, das Ehrenwort. Hrsg. von Hermann Wiedenroth/Hans Wollschläger. Nördlingen 1988, S. 551f. sowie Werner Kittstein: Ein Buch ist so gut wie sein Anfang. ›Kong-Kheou, das Ehrenwort‹ alias ›Der blau-rote Methusalem‹. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1994. Husum 1994, S. 212-246 (241ff.).



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Laut Kittstein hat May die Heldenkonzeption während der Unterbrechung der Arbeit an ›Kong-Kheou‹ geändert, es erscheine »das Wesen des Studenten nicht etwa gewandelt, sondern wie ausgewechselt« (ebd., S. 242). Es ist aber überaus wahrscheinlich, dass Karl May von vornherein vorschwebte, einen Reifungsprozess darzustellen, bei dem sich der Held innerlich umstellen muss.
3 In anderer Hinsicht bescheinigt Rudi Schweikert Karl May Modernität. May baue eine »Meta-Bedeutungsebene« auf, was »ein durchaus moderner Erzählzug« sei; Rudi Schweikert: Artistisches Erzählen bei Karl May: »Felsenburg« einst und jetzt. Der erste Teil der ›Satan und Ischariot‹-Trilogie vor dem Hintergrund des ersten Teils der ›Wunderlichen Fata‹ von Johann Gottfried Schnabel - und ein Seitenblick auf Ernst Willkomms ›Die Europamüden‹. In: Jb-KMG 1992. Husum 1992, S. 238-276 (241).
4 So der bekannte Kurztitel von Johann Gottfried Schnabels Roman, erschienen 1731-1743
5 Laurence Sterne: A Sentimental Journey Through France and Italy. London 1768 (2 Bde.)
6 Moritz August von Thümmel: Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich im Jahr 1785-1786. Leipzig 1791-1805 (10 Bde.)
7 »May, der alte Übertreiber« (Rudi Schweikert: Panorama, Zauberland und Freiligrath. Anspielung, Zitat und Geist der Epoche zu Beginn von Karl Mays letztem ›Old Surehand‹-Kapitel. In: Jb-KMG 1995. Husum 1995, S. 241-251 (246))
8 Viel gespielte Schwänke; ›Pension Schöller‹ von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby (1889), ›Die spanische Fliege‹ von Franz Arnold und Ernst Bach (1913)
9 Molière: L'avare (Uraufführung 1668). Paris 1669
10 Theodor Gottlieb von Hippel: Der Mann nach der Uhr, oder der ordentliche Mann. O. O. 1765
11 Ben(jamin) Jonson: Every Man Out Of His Humour (Uraufführung 1599). In: Ders.: Works. London 1616
12 Diese Marotte schreibt Karl May nicht nur dem Friesen Heimdall Turnerstick, eigentlich Drechslerstock, im ›Blau-roten Methusalem‹ zu, sondern auch dem Amerikaner deutscher Abstammung Frick Turnerstick, der in mehreren Büchern eine Rolle spielt. Siehe Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XI: Am Stillen Ocean. Freiburg 1894, S. 118; Reprint Bamberg 1982. Es handelt sich um eine Nachlässigkeit des Dichters, der Vornamen und Herkunft seiner Gestalt später vergessen hatte, eigentlich aber den früheren Helden wieder auftreten lassen wollte.
13 »Selbstpersiflage eines Erzählers (vielleicht auch Autors?)«, stellt Kittstein: Ein Buch, wie Anm. 2, S. 235, fest. Vgl. auch Gerhard Neumann: »Ich spreche überhaupt alle Sprachen, wie Ihr von früherher wißt«. Die Kunst des Anfangs in Karl Mays Romanen. In: Jb-KMG 1993. Husum 1993, S. 135-170. - Auch für Hans-Walter Schmidt-Hannisa: »Kang - keng - king - kung - kong«. Sprachexotismus und Multilingualismus in Karl Mays ›Der blau-rote Methusalem‹. In: Ostasienrezeption zwischen Klischee und Innovation. Zur Begegnung zwischen Ost und West um 1900. Hrsg. von Walter Gebhard. München 2000, S. 305-328, ist Turnerstick in seinem »Widerspruch zwischen Sprachexotismus und Fixiertheit auf die eigene Muttersprache« (318), in seiner »Mischung von Begeisterung und Verblendung, von Anmaßung und Scheitern« (324) »ein heimliches Selbstporträt des Autors« (ebd.) - und damit eine Verselbständigung von Zügen des Methusalem, in dem Karl May (als ehemaliger Sträfling und angehender Erfolgsautor) auch sich selbst wiedererkennt.
14 Czaar und Zimmermann. Komische Oper in drei Aufzügen von Gustav Albert Lortzing (Uraufführung 1837)
15 Werner Kittstein: Aus den Armen des Urwalds in die Fänge der Kolportage. Karl Mays Erzählung ›Ein Oelbrand‹ - Zeugnis einer frühen Schaffenskrise. In: Jb-KMG 1995. Husum 1995, S. 206-240, stößt bei Karl May auf »karikierende Elemente« (S. 212).



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16 Siehe etwa diese Äußerung: Also alle meine Reiseerzählungen, die ich zu schreiben beabsichtigte, sollten bildlich, sollten symbolisch sein. (Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 141; Reprint Hildesheim/New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul)
17 Siehe Alexandre Dumas: Le Comte de Monte-Cristo. Paris 1845/46 (18 Bde.); ders.: Les Trois Mousquetaires. Paris 1844 (8 Bde.); Eugène Sue: Les Mystères de Paris. Paris 1842/43 (10 Bde.).
18 Titel eines Stücks von Franz Grillparzer; Uraufführung 1834
19 Siehe Carl Gustav Jung: Über die Archetypen des kollektiven Unbewußten. In: Eranos-Jahrbuch 1934, S. 179ff., überarbeitet in: Ders.: Grundwerk Bd. 2: Archetyp und Unbewußtes. Olten/Freiburg i. Br. 1984 u. ö., S. 77-113.
20 Man bedenke, dass im Werk Karl Mays später Träume und traumhafte Märchen eine große Bedeutung erlangen: z. B. der Madentraum, ›Tausend und ein Tag‹, ›Der eingemauerte Herrgott‹. Vgl. dazu Hermann Wohlgschaft: »Was ich da sah, das ward noch nie gesehen«. Zur Theologie des ›Silberlöwen III/IV‹. In: Jb-KMG 1990. Husum 1990, S. 213-264 (insbes. 234ff.).
21 Siehe Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909 und Bd. XXXII: Ardistan und Dschinnistan II. Freiburg 1909; Reprint Bamberg 1984; ferner ders.: Merhameh. In: Eichsfelder Marien-Kalender. 34. Jg. (1910); Reprint in: Christus oder Muhammed. Marienkalender-Geschichten von Karl May. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg 1979, S. 212-219, sowie das Kapitel ›Das Märchen von Sitara‹ in: May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 16, S. 1-7.
22 Sigmund Freud: Die Traumdeutung. Frankfurt a. M. 1972, S. 271; Freud spricht von - sinnlichen und psychischen - »Traumquellen« (ebd., S. 201ff.).
23 Der Drachen ist als schwerste Bedrohung (z. B. als Kampfgegner St. Georgs und des Erzengels Michael) und als Glückssymbol (in der chinesischen Ikonographie) ambivalent. Auch als chinesischer Drachen im ›Blau-roten Methusalem‹ hat er (als Namensgeber des Piratenschiffs) nebenbei einen sehr negativen Aspekt. Übrigens steht selbst in der christlichen Symbolik neben dem - mittelhochdeutsch - ›helletrachen‹ (dem Höllendrachen, d. i. dem Teufel) der handzahme Drachen der heiligen Margarete (der freilich ebenfalls der von ihr gebändigte Satan ist).
24 Vgl. Freud: Traumdeutung, wie Anm. 22, S. 280ff.
25 Vgl. Sigmund Freud: Der Wahn und die Träume in W. Jensens ›Gradiva‹. Hrsg. u. eingeleitet von Bernd Urban und Johannes Cremerius. Frankfurt a. M. 1973. Dort wird dieselbe Leistung bei Jensen bewundert (S. 159, Anm. 105). Freud spricht von der »Einsicht, welche den Dichter befähigt, sein ›Phantasiestück‹ so zu schaffen, daß wir es wie eine reale [psychische] Krankengeschichte zergliedern können« (ebd., S. 159).
26 Offensichtlich lernt Degenfeld im Lauf seines Aufenthalts in ›China‹ zusehends, törichten Wünschen seiner Gefährten nicht nachzugeben, sondern die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Kittstein: Ein Buch, wie Anm. 2, sieht das freilich anders: »(I)mmer mehr wird die Dominanz des Anführers unterminiert« (S. 241). Dass Degenfeld auch Gottfried in die Schranken weist (und dieser das akzeptiert), ist zugleich der Sieg seiner Vernunft über seine Naturanlage.
27 Zur Überdeterminierung vgl. den Abschnitt: Die Verdichtungsarbeit. In: Freud: Traumdeutung, wie Anm. 22, S. 282ff. (293).
28 Als triebhaftes Ich neben dem spirituelleren Über-Ich verrät sich Gottfried auch dadurch, dass er sich der ostmitteldeutschen Mundart (mir statt mich, je- statt ge-) bedient, während Degenfeld die schriftdeutsche Norm einhält.
29 Peter Pütz: Wüste und Prairie. Zwei Spannungsfelder für Mays Helden. In: Jb-KMG 1993. Husum 1993, S. 63-77, stellt ebenfalls fest, dass »Old Shatterhand fast nichts lernt, sondern alles schon mitbringt« (S. 70). Züge des Bildungs- und Ent-



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wicklungsromans wie ›Der blau-rote Methusalem‹ haben offensichtlich erst wieder die Spätwerke ab ›Im Reiche des silbernen Löwen III/IV‹.
30 Johann Wolfgang von Goethe: Feiger Gedanken bängliches Schwanken. In: Ders.: Werke. I. Abth. Bd. 4: Gedichte. 4. Th. Weimar 1891, S. 99
31 Vgl. Leonhard Franks so betitelte Novellensammlung von 1917.
32 Vgl. Lucius Annaeus Seneca: De vita beata. Cap. 26. In: Philosophische Schriften. 1905-1914; deutsch in: Seneca: Von der Seelenruhe. Leipzig 1980, S. 124-168 (147).
33 Der Höhepunkt von Ciceros Schrift ›De re publica‹. In: Cicero: Staatslehre Staatsverwaltung. Übertragen u. erläutert von Karl Atzert. München 1958, S. 116ff.
34 J(ean)-P(aul) Sartre: L'être et le néant. Essai d'ontologie phénoménologique. O. O. (Paris) 1943, S. 85-111 passim. Der Philosoph stellt den Selbstbetrug (die mauvaise foi) dem Irrtum (der bonne foi) gegenüber. Dabei bezieht er sich auf den allgemein gängigen Ausdruck ›faire qc. de bonne foi - in gutem Glauben handeln‹.
35 Kittstein: Ein Buch, wie Anm. 2, S. 224, weist hin auf den »Wechsel von (...) bedeutsamen Ereignissen und komischen Intermezzi«.
36 Pütz, wie Anm. 29, charakterisiert nur die vordergründige Handlung, wenn er feststellt: »am Ende bleibt [anders als bei Kafka und Kleist] kein Rätsel, kein Geheimnis.« (S. 72)
37 Thomas Mann: Der Zauberberg. Frankfurt a. M. 1960, S. 757
38 In der Operette ›Prinzess Gretl‹ von Alfred Maria Willner und Robert Bodanzky (Musik von Heinrich Reinhardt); zit. nach Musikalische Edelsteine. Bd. 5. Hamburg o. J., S. 126
39 Günter Grass: Die Blechtrommel. Darmstadt 1959
40 Ehm Welk: Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer. Beichte eines einfältigen Herzens. Roman. Berlin 1938
41 Der Komponist Robert Schumann teilt seine schizoide Psyche in zwei Bestandteile ein, denen er die Namen Eusebius und Florestan gibt; so z. B. in: Robert Schumann: Carnaval. Scènes mignonnes sur quatre notes. In: Compositionen für das Pianoforte. Braunschweig o. J., Bd. 3, S. 4-45 (vor allem 4-15).
42 Robert Louis Stevenson: The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde. London 1886
43 Übersprung in eine andere Klasse
44 Wie von den Figuren des Romans nur Gottfried, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, das Fagott in eine Oboe umlügt.
45 Joachim Ringelnatz: Zinnfiguren. In: Ders.: Gesamtwerk in sieben Bänden. Hrsg. von Walter Pape. Bd. 2: Gedichte 2. Zürich 1994, S. 108f.
46 In einer Fernseh-Aufführung von ›Was Ihr wollt‹ war die Stelle »'tis too late to go to bed now: come, knight; come, knight« (Twelfth Night; or, What You Will II,3), in der die Homophonie von night und knight irritieren soll (womöglich in Kenntnis von Karl Mays Bonmot?), übersetzt worden: »Es ist schon zu spät, um ins Bett zu gehen. Heute ist nicht mehr heute, heute ist schon morgen.«
47 Logisch unstatthafte Vereinigung von Begriffen, die sich ausschließen
48 So die Lebensphilosophie, vor allem Ludwig Klages: Der Geist als Widersacher der Seele. München 1960. Ihm zufolge trifft es auf Naturvorgänge, ebenso aber auch auf das Tun des naturnahen (seelischen, pelagischen) Menschen (und des echten Künstlers) zu, während beim heutigen Kulturmenschen der Geist die Seele und deshalb das starre Gesetz die variable Regel verdrängt. - Christoph F. Lorenz: Die wiederholte Geschichte. Der Frühroman ›Auf der See gefangen‹ und seine Bedeutung im Werk Karl Mays. In: Jb-KMG 1994. Husum 1994, S. 160-187, findet einprägsame Formulierungen: »›Multiplikation durch Variation einfacher Grundmotive‹« (S. 167); Karl May nutze »das Moment der Wiederholung (...) zu einem fast manieristischen Erzählritual« (S. 172). Hier soll das Verfahren des Dichters jedoch im Einzelnen dokumentiert werden.



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49 Im Märchen ›Das kalte Herz‹ von Wilhelm Hauff (1828)
50 Mann, wie Anm. 37, S. 758ff.
51 ›Opp‹ ist ein Druckfehler in der Buchausgabe, im ›Guten Kameraden‹ steht korrekt ›op‹.
52 Zou den statt ›Zouden‹ dürfte ein Lesefehler des Setzers sein.
53 Vgl. Schmidt-Hannisa, wie Anm. 13, S. 316.
54 Tobias Smollett: The Adventures of Peregrine Pickle. London 1751 (4 Bde.)
55 Johann Wolfgang von Goethe: Vorklage. In: Ders.: Werke. I. Abth. Bd. 1: Gedichte. 1. Th. Weimar 1887, S. 11



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